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№ 120

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Warnung: In dieser FF bediene ich mich des Rosen verteilenden Sasuke, wie man ihn aus der Genjutsu-Welt kennt, und er wird keine unwichtige Rolle spielen. Eigentlich finde ich an diesen umgedrehten Charakteren keinen großen Gefallen und schreibe Charaktere nicht gerne bewusst ooc, aber hier passt dieser Sasuke wunderbar, wie ich finde! Des Weiteren wird im Verlauf ein weiblicher OC auftauchen. Auch dieser Charakter wird eine wichtige Rolle spielen, aber nie zum Mittelpunkt werden. Eine Mary Sue wird das nicht sein. Ich hoffe, dass ihr diese FF trotz allem weiterverfolgen werdet. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Eigentlich wollte ich ja länger warten. Aber ich habe ein Tief und es ist besser, Fertiggestelltes hochzuladen, als gar nichts. Komplett anzeigen

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Uchiha & Co.


 

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Uchiha & Co.
 

Sakura Haruno wartete draußen vor der Tür darauf, dass es zehn vor fünfzehn wurde. Sie hatte bereits mehrere Bewerbungsgespräche geführt, dennoch war sie aufgeregt wie vor ihrem allerersten. Es lag daran, dass die Kanzlei, vor der sie gerade stand, nicht klein war, sondern die größte Steuerberatergesellschaft des Landes – die Uchiha & Co. Steuerberatergesellschaft. Sakura hatte die Bewerbung mit Herz und Seele verfasst, aber nie daran geglaubt, dass man sie einladen würde.
 

Und nun stand sie hier. Es war Anfang Dezember und recht kalt, weswegen sie über ihrer Bluse und ihre schwarzer Hose eine dicke Winterjacke trug. Immer wieder sah sie auf das Mobiltelefon, um nach der Uhrzeit zu sehen – sie wollte weder zu spät noch zu früh kommen –, bevor sie den Blick ihrer grünen Augen auf den Verkehr richtete; die Kanzlei lag unmittelbar an der vielbefahrenen Straße. Ein letztes Mal sah sie auf die Uhrzeit, bevor sie tief Luft holte und eintrat.
 

Die Eingangshalle war hoch und imposant. Es gab eine Rezeption, an der sie ihr Erscheinen melden musste. Der junge Mann hinter der Rezeptionstheke hakte ihren Namen ab und rief bei Izuna Uchiha durch, um ihn über Sakuras Ankunft zu informieren. Als er auflegte, erklärte er Sakura, die in der Zeit das Innere des Gebäudes inspiziert hatte, wohin sie sich begeben musste.
 

Das Gespräch sollte im dritten Stock stattfinden. Die Antwort auf ihre Bewerbung hatte ein gewisser Izuna Uchiha verfasst. Sie hatte intensive Recherche über die Kanzlei betrieben, bevor der Tag des Bewerbungsgesprächs gekommen war, und da die Homepage der Firma mit vielen Bildern ausgestattet war, wusste sie, wie Izuna Uchiha und Madara Uchiha, einer von insgesamt zwei Geschäftsführern hier, aussahen.
 

Sakura hoffte, dass es nicht Madara sein würde, der neben Izuna auf der anderen Seite des Tisches sitzen würde. Sie würde sicherlich so aufgeregt sein, dass sie zu stottern anfangen würde. Sakura war ein selbstbewusstes Mädchen, das nur selten in eine solche Aufregung verfiel. Uchiha & Co., ging es ihr durch den Kopf. Bei dieser Kanzlei bekam man während der Ausbildung ein Gehalt, welches einige Leute ausgelernt verdienten.
 

Sakura war zu aufgeregt zum Fahrstuhlfahren, weswegen sie die Treppe nahm. Sie begegnete einigen Männern im Anzug, die ihr höflich zunickten. Oben wurde sie von einer jungen Frau begrüßt, die schätzungsweise selbst Auszubildende war. Sie bat Sakura, Platz im abgedunkelten Warteraum zu nehmen. Mit klopfendem Herzen setzte sich Sakura auf die kirschrote Couch und atmete tief durch. Sie war allein. Sakura hoffte inständig, dass ihre Aufregung ihr nicht alles versauen würde.  
 

Sakura musste nicht lange auf Izuna Uchiha warten. Als er vor ihr erschien, runzelte sie kurz die Stirn. Sie hatte es den Fotos nicht glauben wollen, doch ja, er sah Sasuke verdammt ähnlich. Sie hatten sogar den gleichen Nachnamen! Der Nachname Uchiha war im Land sehr verbreitet, doch die Ähnlichkeit zwischen Izuna Uchiha und ihrem Freund Sasuke Uchiha war verblüffend. Sie wusste, dass Sasuke und dessen Bruder Itachi einen Cousin hatten, der den Namen Shisui trug. Von weiteren Familienmitgliedern wusste Sasuke nichts. Er war selbst sehr überrascht gewesen, als Sakura ihm ein Bild von Izuna gezeigt hatte.
 

Sie schüttelten die Hände, bevor sie ihm in den Raum folgte, in welchem sie das Bewerbungsgespräch führen würden. Sakura stockte der Atem, als sie eintrat. Die Farben Rot und Ebenholz dominierten den Raum und er sah eher wie der Speisesaal eines Königs aus. In der Mitte des Raumes stand nämlich ein massiver, langer Tisch, an welchem antik ausschauende, glänzende und gepolsterte Stühle standen. Bis auf ein Tablett, auf dem mehrere hohe Gläser um einen Krug standen, war er leer.
 

Überwältigt von der Ausstattung, zu der etliche Regale mit Büchern gehörten, und dem Duft von Weihrauch, entledigte sie sich ihrer Jacke und hängte sie über eine Stuhllehne. Sie nahm Platz und hob den Kopf zur Decke, dem Kronleuchter entgegen. Da die Vorhänge zugezogen waren, lag der Raum im Zwielicht. War das eine Steuerkanzlei oder eine kostenintensiv ausgestattete Vampirgruft? Nun, wenn man sich Izuna ansah, der ihr in diesem Moment Wasser eingoss, war dieser Gedankengang nicht wirklich abwegig. Dieser Mann war viel zu schön und makellos, als dass er ein Mensch hätte sein können. Dasselbe galt für Sasuke.
 

Izuna hatte langes, schwarzes Haar, das er im Nacken zu einem lockeren Zopf gebunden hatte. Seine Augen waren von der gleichen Schwärze wie sein Haar. Er trug einen auf seine Körpermaße zugeschnittenen schwarzen Anzug.
 

Er bemerkte, dass sie ihn ansah, während sie einen Kugelschreiber und ein Notizbuch auf den Tisch legte, und schielte zu ihr hinüber, als er den gläsernen, mit kühlem Wasser gefüllten Krug zur Seite stellte. „Wir warten auf den anderen Herrn Uchiha, dann können wir anfangen“, sagte er und setzte sich ihr gegenüber.
 

Also doch Madara und nicht der andere, viel freundlicher wirkende Geschäftsführer. Sakura nickte und griff nach dem Glas Wasser, das er vor ihr gestellt hatte. Sie trank lautlos einen Schluck und stellte entsetzt fest, dass ihr himbeerfarbener Lippenstift einen Abdruck hinterlassen hatte. Gerade wollte sie in ihre Tasche greifen, um Taschentücher herauszuholen, als sich die Tür öffnete und Madara Uchiha eintrat, eine Mappe unter dem Arm. Er war ein großer Mann mit einer prachtvollen schwarzen Löwenmähne. Sakura folgte ihm wie erstarrt mit den grünen Augen. Er und Izuna mussten Brüder sein.
 

Er würdigte weder sie noch Izuna eines Blickes, als er seine Füße in Bewegung setzte. Mit langsamen Schritten steuerte er den Stuhl neben Izuna an, setzte sich hin und schlug die Mappe auf. Sakura erhaschte einen Blick auf die Blätter darin, als Madara stillschweigend in der Mappe blätterte. Es waren ihr Anschreiben, ihr Lebenslauf und ihre Zeugnisse. Sakura blickte hoch zu Madara. Sie hatte die Vermutung, dass er schlechte Laune hatte. Er wirkte unruhig und genervt.
 

„Entschuldigen Sie die Verspätung, Frau Haruno“, sagte Madara, als er sich einen Stift herausnahm, um sich eventuell Notizen zu machen. Er entschuldigte sich, aber Sakura hatte nicht das Gefühl, dass er es ernst meinte.
 

Sakura hatte viel Recherche betrieben und sämtliche Daten auswendig gelernt, für den Fall der Fälle, dass man sie ausfragen würde. Aber man fragte sie nicht aus. Stattdessen stellten Madara und Izuna das Unternehmen vor, und obwohl Sakura das alles wusste, machte sie brav Notizen, um einen guten Eindruck zu machen.
 

Sie erzählten von den Anfängen, wie viele Auszubildende sie für gewöhnlich einstellten, welche Ansprüche sie stellten und wie der Verlauf der Ausbildung genau aussah. Zweimal die Woche würde Sakura eine Schule, die zwei U-Bahn-Stationen entfernt lag, besuchen, die restlichen Tage würde sie im Betrieb verbringen.
 

„Erzählen Sie uns doch, wie Sie auf den Beruf des Steuerfachangestellten gekommen sind“, bat sie Izuna, und das erste Mal seit Beginn des, bis jetzt recht einseitigen, Gesprächs richteten beide Männer die Aufmerksamkeit auf sie.
 

Mittlerweile war die Aufregung ein wenig verklungen. Sie leerte ihr Glas. „Die Mutter meines Freundes übt diesen Beruf aus. Sie arbeitet zwar in einer kleinen Kanzlei, aber sie ist sehr zufrieden“, sagte Sakura und war froh darüber, dass beide Männer die Köpfe senkten.
 

Man hatte ihr diesen Beruf von allen Seiten ans Herz gelegt und sie war einmal mit Mikoto Uchiha mitgekommen, um zu sehen, wie der Alltag einer Steuerfachangestellten aussah. Es hatte ihr gefallen und sie konnte sich gut vorstellen, diesen Beruf jahrelang auszuüben. Mathematik beherrschte Sakura hervorragend und wollte aus diesem Grund, dass sie Teil ihres Berufs war.
 

„Haben Sie sonst noch Fragen?“, fragte Izuna.
 

Sakura überlegte für einen Moment. „Ich würde gerne erfahren, wie es um die Möglichkeiten der Weiterbildung bei Ihnen steht, ob ich ein Praktikum absolvieren könnte und wie hoch die Ausbildungsverhütung ist.“ Sakura blinzelte und hätte sich vor den Mund geschlagen, wenn sie nicht in eine Starre verfallen wäre.
 

Verhütung.
 

Verhütung…
 

Sie hatte soeben Verhütung statt Vergütung gesagt. Es war ihr unendlich peinlich, und unter ihrem Make-up wurde die junge Frau ganz rot. „Vergütung“, korrigierte sie schnell, sich darum bemühend, die Nervosität aus ihrer Stimme zu verbannen.
 

Weder Madara noch Izuna hatten mit der Wimper gezuckt; dennoch war Sakura der festen Überzeugung, dass beide sich innerlich über sie lustig machten und sie sich mit ihrem Versprecher selbst disqualifiziert hatte. Auch wenn für Sakura alles vorbei war, beendete sie tapfer das Gespräch.
 

„Wir werden uns bei Ihnen melden“, verabschiedete sich Madara und verließ als Erster den Raum.
 

Ein wenig deprimiert begann Sakura, ihre Sachen zu packen.
 

„Sie sind eine intelligente Frau“, sagte Izuna, als er Sakura durch den schmalen Gang begleitete. „Die Stelle ist Ihnen aus meiner Sicht garantiert. Ich finde, Sie sind für den Beruf gut geeignet. Es ist ein sicherer Beruf, den es immer geben wird. Zugegeben ist die Ausbildung nicht einfach, aber Ihnen traue ich das zu. Nach der Ausbildung stehen Ihnen im Prinzip sämtliche Türen offen. Sie müssen nicht zwingend die Laufbahn einer Steuerfachangestellten verfolgen, sondern können auf andere Berufe ausweichen, wenn Ihnen irgendwann danach sein sollte. Man wird Sie mit offenen Armen empfangen und Ihnen die Füße küssen, da Ihnen ein großes administratives und organisatorisches Wissen vermittelt werden wird.“
 

Sakura konnte sich nicht so recht über seine Worte freuen, da sie fest davon überzeugt war, er wolle sie trösten. Oder dass er unbedeutende Standardsätze sprach. Dennoch bedankte sie sich bei ihm. Izuna begleitete sie zur Tür und lächelte leicht zum Abschied.
 

„Ich werde mich bei Ihnen noch diesen Monat melden. Wir einigen uns in solchen Angelegenheiten sehr schnell. Wenn Sie eine Zusage von uns bekommen, können wir über ein Praktikum reden. Über den Zeitraum kann man sich sicher einigen.“
 

Als Sakura das Gebäude verließ, zückte sie ihr Mobiltelefon hervor und rief ihren Freund an. Da dieser nicht heranging, rief sie ihre Freundin Ino an. „Es war furchtbar“, sagte Sakura und seufzte. „Eigentlich war es ganz gut, bis zu dem Moment, an dem ich das Wort Vergütung mit Verhütung verwechselte.“    
 

Auf der anderen Seite der Leitung ertönte glockenhelles Lachen. „Ach“, meinte Ino. „Wer weiß, vielleicht fanden sie deinen Versprecher ganz witzig.“
 

Von wegen witzig, dachte Sakura sich und drehte sich um, um das Gebäude zu betrachten.
 

So, wie sich die Männer gebärdet hatten, glaubte sie nicht, dass sie einen Sinn für Humor hatten. Sie waren elitäre Menschen und machten den Eindruck, keinen einzigen Fehler zu dulden. Sie würden ihr eine Absage erteilen.
 

Bis jetzt war eine Absage nach der anderen in ihrem Postfach gelandet, und auch wenn es erst Dezember war, machte Sakura sich Sorgen, dass sie keinen Ausbildungsplatz bekommen würde. Sie war eine ehrgeizige junge Frau und hatte gute Noten. Aber heutzutage war das scheinbar nicht genug.
 

Wir haben uns für jemanden entschieden, der besser zu uns passt. Es tat weh, diesen Satz dauernd zu lesen. Schlimmer war allerdings, wenn man ihr überhaupt keine Antwort zukommen ließ. Da machte man sich alle Mühe der Welt und bekam keine zwei Worte zurückgeschrieben. Selbstverständlich wusste sie, dass bei einem Unternehmen mehr als zwei oder drei Bewerbungen eingingen. Dennoch fand sie, dass es besser war, eine kopierte und eingefügte Absage zu erhalten, als gar nichts.
 

Abermals seufzte Sakura. „Was hast du heute vor?“, fragte sie Ino. „Wollen wir uns treffen?“
 

In diesem Augenblick kam Madara Uchiha aus dem Gebäude heraus, um zu rauchen. Ganz sicher hatte er sie gesehen, widmete sich aber voll und ganz seiner Zigarette, die er nach mehreren gescheiterten Versuchen endlich anzuzünden schaffte. Er wirkte noch schlecht gelaunter als zuvor, und als er mit genervter Stimme einen Anruf entgegennahm, wurde Sakura neugierig. Er schien mit jemandem zu telefonieren, dem er nahe stand. Sie griff einige Wortfetzen auf, aber sie waren nicht genug, um den Gegenstand des Gesprächs zu bestimmen.
 

„Hallo? Sakura, bist du noch dran?“
 

Sakura zuckte zusammen und wandte den Blick von Madara ab. „Ja“, sagte sie, und ihr Atem wurde an der kalten Luft zu Wolken, „ich bin noch dran. Lass uns dann bei mir treffen.“ Sie legte auf und sah ein letztes Mal zu Madara Uchiha, der seinen Anruf mittlerweile beendet hatte, bevor sie den Weg zur Bahnhaltestelle einschlug.
 

Am 20. Dezember rief Sakura jemand Unbekanntes an. Eilig wischte sie über die grüne Taste, um den Anruf entgegenzunehmen. Wie sie es vermutet hatte, war Izuna in der Leitung.
 

„Guten Tag, Frau Haruno“, grüßte er sie. „Wie versprochen melde ich mich, um Ihnen mitzuteilen, welchen Eindruck wir von Ihnen erhielten.“ Er machte eine kurze Pause, wahrscheinlich, um seine Worte wirken zu lassen. „Einen guten. Wir möchten Ihnen ein kurzes Praktikum anbieten und Sie näher kennen lernen.“

Rote Rosen


 

*
 

Rote Rosen
 

Sasuke saß neben ihr, und nachdem sie sich von Izuna Uchiha verabschiedet und aufgelegt hatte, warf sie sich an seine Brust, brachte ihn aus der Balance und quiekte fröhlich: „Sie haben mich zu einem Praktikum eingeladen!“
 

Sasuke schlang die Arme um seine Freundin und küsste sie auf das Haar. „Ich freue mich für dich!“, sagte er. „Ein Praktikum bei so einer Firma bedeutet ganz sicher Übernahmegarantie. Wann hast du das Praktikum? Wir müssen das unbedingt feiern. Selbst wenn es nur ein Praktikum ist!“  
 

Das Praktikum würde im Zeitraum vom 16. bis 20. Januar stattfinden. In Vollzeit, was bedeutete, dass sie bereits zur Praktikumszeit acht Stunden im Büro verbringen würde. Punkt 8:00 Uhr musste sie da sein und würde gegen 16:00 von Izuna, der sich um sie kümmern würde, entlassen werden. Es war nicht zu viel auf einmal, denn Sakura arbeitete als zweite Teilzeitkraft im Blumenladen ihrer Freundin Ino, weshalb es ihr leichter fallen würde, acht Stunden für einen Job herzugeben. Nicht, dass Sakura ein ausgeprägtes Wissen über die Flora besaß, sie lieferte lediglich die Blumen aus.
 

Yamanakas Blumenladen – Yamanaka war der Nachname ihrer Freundin – war äußerst beliebt. Sakura wusste nicht, weshalb, aber irgendwie hatte es die gesamte Stadt mit Blumen, mehr als irgendeine andere. Den größten Umsatz machte der Blumenladen am Valentinstag, Muttertag und Frauentag. Sakura hatte ein Fahrrad, mit welchem sie von Ort zu Ort düste, um bestellte Blumen zu liefern. Wenn sie das Fahrrad aufgrund von Schnee und heftigem Regen nicht nutzen konnte, nahm sie die Straßenbahn und fuhr drei Haltestellen. Wenn keine Bestellungen eintrafen, was tatsächlich selten vorkam, machten Sakura und Ino sauber oder arrangierten die Blumen neu. Manchmal nahmen sie ihr Mittagessen und setzten sich draußen auf die Bank, um das Essen zu verzehren und zu reden.
 

Ihr Glück vermochte Sakura nicht zurückzuhalten und freute sich offen über die Möglichkeit, sich bei den Uchiha zu beweisen. Sie rief sogleich erst ihre Mutter, dann ihren Vater an, um ihnen die frohe Botschaft zu überbringen. Und auch Mikoto Uchiha kontaktierte sie. Selbstverständlich war ihnen bewusst, dass sie noch nicht angestellt war. Aber keiner glaubte daran, dass Sakura das Praktikum in den Sand setzen würde; schließlich hatte Sakura Mikoto über die Schulter gesehen, als diese ihr gezeigt hatte, wie man Buchführung machte.
 

Bevor der Anruf kam, hatte sich Sakura für ihre Arbeit fertig gemacht. Sasuke hatte bei ihr übernachtet, und während Sakura zur Arbeit musste, musste Sasuke nach Hause und allmählich mit dem Referat anfangen, das er übermorgen würde halten müssen. Im Gegensatz zu Sakura, die vor einem eventuellen Studium – sie war sich noch nicht sicher, ob sie sich fortbilden lassen oder nach Abschluss der Ausbildung ein Studium verfolgen würde – eine Ausbildung in der Tasche haben wollte, hatte sich Sasuke direkt nach dem Schulabschluss an der Universität beworben, um Sinologie und Rechtswissenschaft zu studieren. Er war im ersten Semester und bis jetzt lief alles wie am Schnürchen, obwohl man nicht behaupten konnte, dass Sasuke viel für die Universität tat.
 

Sasuke war jemand, der seine Prioritäten ein wenig anders setzte als andere. Freundin, Familie und Freizeit kamen an erster Stelle, erst danach das Studium. Bereits zu Schulzeiten hatte er so gedacht und entsprechend gehandelt. Geschwänzt hatte er nie, hatte aber wenig bis gar nicht gelernt – und hatte trotzdem einen Notendurchschnitt, von dem seine Klassenkameraden, die Tag und Nacht gebüffelt hatten, nur träumen konnten. Aus diesem Grund nannte man ihn gelegentlich einen Genius.
 

Gemeinsam verließen sie Sakuras Haus und brachen zur Haltestelle auf. Sie hielten Händchen, während sie über den geräumten und bestreuten Gehweg gingen, über dem sich ein grauer Himmel spannte. Es war sehr kalt.
 

Sie waren nun seit zwei Jahren ein Paar. Sasuke hatte irgendwann angefangen, ihr den Hof zu machen. Sakura war bei den Jungs immer schon sehr beliebt gewesen, aber entschieden hatte sie sich nur für Sasuke. Sie hatten mehrere Dates hinter sich gebracht, bevor sie sich küssten, und jedes Date hatte damit angefangen, dass Sasuke ihr ein kleines Geschenk überreicht hatte – Blumen, Süßigkeiten, Schmuck. Er wusste, wie man eine Frau bezauberte, nicht nur im materiellen Sinn.
 

„Meine Bahn kommt in zwei Minuten“, registrierte Sasuke, als er auf die Anzeigetafel sah. „Lass uns noch eine Minute hier stehen bleiben.“ Sakura musste Richtung Stadt fahren, während Sasuke die andere Bahn nehmen musste. Er wohnte wie Sakura noch bei seinen Eltern. Über Zusammenziehen hatten sie noch nicht gesprochen. Es stand außer Frage, dass sie sich trennen würden; dennoch waren beide der Meinung, dass es zu früh war, darüber nachzudenken. Ohnehin wäre Zusammenziehen nur denkbar, wenn beide Parteien fester Arbeit nachgingen.
 

„Meine Bahn kommt“, sagte Sasuke. „Geh.“
 

„Nein, geh du.“
 

„Nein, du.“
 

Sakura lachte und küsste Sasuke auf den Mund, bevor sich die beiden trennten.
 

*
 

Yamanakas Blumenladen war ein Familienunternehmen und Ino wohnte gemeinsam mit ihren Eltern in der Wohnung über dem Laden. Der Eingang war einladend mit Blumenmotiven verziert.
 

Als Sakura im Laden erschien, wurde sie von Ino mit einem krampfhaften Lächeln begrüßt.
 

„Was ist los?“, wollte Sakura wissen, als sie an den Tresen trat.
 

Ino öffnete den Mund, um etwas zu sagen, presste aber augenblicklich die Lippen zusammen und sah zur Tür, durch welche eine Frau schritt. „Ist schon in Ordnung“, sagte sie schwach lächelnd und winkte ab.
 

Es war offensichtlich, dass etwas nicht stimmte. Aber Sakura wollte Ino nicht vor den Besuchern ausfragen, denn sie hatte den Eindruck, dass es um etwas Unangenehmes ging und Ino jetzt ohnehin nicht den Mund aufmachen würde. Beide Frauen versuchten so gut es ging, Arbeit von Privatem zu trennen, gleichzeitig aber immer noch Freunde zu sein, die einander beistanden, wenn während der Arbeit etwas passierte. Sie kannten sich, seit sie Kinder waren. Anfangs hatten beide ein Auge auf Sasuke geworfen; Ino hatte ihr Glück in einem anderen gefunden.
 

Sobald Sakura Ino über das Telefonat mit Izuna erzählte, ging es ans Eingemachte.
 

„Heute gingen zwei Bestellungen ein“, informierte Ino sie. „Ein Strauß roter Nelken und ein Strauß roter Rosen.“ Ino reichte Sakura einen Zettel, auf welchem die Adressen standen, die sie aufsuchen musste. „Du fährst mit der Straßenbahn, nehme ich an?“
 

Sakura nahm den Zettel entgegen und nickte als Antwort. Ino hatte die Bestellungen bereits sorgfältig eingepackt und in einer Tüte untergebracht. Diese Tüte reichte sie nun Sakura und wünschte ihr eine gute Fahrt.
 

Sakura ging alleine zur Bahnhaltestelle und wartete auf ihre Bahn, die fünf Minuten später eintraf. Sie würde stehen, denn sie musste nur eine Haltestelle fahren.
 

Sakura kannte die Stadt, in der sie lebte, in und auswendig, unter anderem deshalb, weil sie, bevor sie anfing, im Blumenladen zu arbeiten, Zeitungen ausgetragen hatte. Wenn sie eine Straße nicht kannte, half das Mobiltelefon weiter.
 

Konoha war ihre Geburtsstadt, nicht sonderlich komplex und sehr geordnet. Der Gedanke, hier für immer auszuziehen, war einer, den sie nie gehabt hatte. An Konoha hingen sehr viele positive Erinnerungen und kaum Negatives. Sie hatte eine glückliche Kindheit gehabt und hatte eine glückliche Gegenwart. Sie hatte Freunde, einen Freund und eine Zukunft. Obwohl sie hier nicht für immer weg wollte, wollte Sakura mit Sasuke nächstes Jahr zweimal verreisen, in angrenzende Länder und für wenige Tage.
 

Die Personen, an die die Blumen geliefert werden sollten, lebten im gleichen Viertel – das nannte man dann wohl zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sakura entschloss sich, erst an den zu liefern, der der Haltestelle am nächsten wohnte. Der erste Kunde war eine Frau und lebte in einer Wohnung im vierten Stock. Sie lebte in dem stillsten Viertel in Konoha. Tagsüber hörte man nicht einmal Kinder toben und nachts wurde man von Betrunkenen unterm Fenster vollends verschont.
 

Als Sakura klingelte, antwortete zu ihrer Verwunderung eine männliche Stimme, die ihr recht bekannt vorkam.
 

„Blumenlieferung“, sagte sie.
 

Das Gebäude hatte keinen Aufzug und Sakura musste zu Fuß hochgehen. Die Tür in die Wohnung, in der der Kunde lebte, stand offen, und im Türrahmen stand niemand Geringeres als Madara Uchiha. Verdattert blieb Sakura stehen und machte große Augen, und auch Madara schien überrascht zu sein darüber, Sakura auf dem Etagenflur vorzufinden. Sowohl sie als auch er schienen es nicht so recht wahrhaben zu wollen, wen sie da vor sich hatten.
 

„Frau Haruno, richtig?“, fragte Madara nach und lehnte sich lässig gegen den Türrahmen.
 

„Ja“, murmelte sie, stellte die Tüte ab, nahm den Strauß heraus und reichte ihn Madara, der in schwarzer Jogginghose, einem Pullover und im Nacken zusammengebundenem Haar vor ihr stand. Für einen kurzen Augenblick hatte sie sich gefragt, ob sie erst nachfragen sollte, ob die Blumen auch wirklich für ihn seien. Aber er hatte ihr die Tür aufgemacht und war hinausgegangen. Also musste der schöne Strauß roter Rosen für ihn sein. Sakura hatte kein Interesse daran, sich vor ihrem zukünftigen Arbeitgeber wie ein Dussel zu geben.
 

„Wir haben das in unserem Bewerbungsgespräch nicht thematisiert und wie Sie sehen, befinde ich mich nicht auf der Arbeit, aber wir sehen es nicht gerne, wenn man einen Nebenjob hat, selbst wenn es nur eine geringe Beschäftigung ist. Erfahrungsgemäß“, sagte er und öffnete das braune Papier oben, um auf die Köpfe der Blumen zu blicken – vielleicht um sicherzugehen, dass alle heile waren –, „kommen nur wenige mit einer solchen Belastung klar. Es leiden entweder die Noten oder die Arbeit.“
 

„Eh“, machte Sakura verunsichert. „Ich hatte nicht vor, meinen Job als Blumenzusteller weiterzuverfolgen. Momentan ist das meine einzige Einnahmequelle, die Stelle habe ich nur wegen einer guten Freundin bekommen und…“ Oh Mann, dachte sie sich. Ich rede gerade mit einem meiner zukünftigen Chefs, der in Jogginghose vor mir steht. Wie verrückt ist das denn? Ganz sicher gab es keinen auf der Welt, der in so einer Situation von Anfang an einen kühlen Kopf behalten und sich nicht wundern würde.
 

„Gut“, erwiderte Madara, „warten Sie hier.“
 

Er verschwand und Sakuras Lippen wurden zu einem schmalen Strich. Meine Güte, dachte sie sich. Er wohnte ganz sicher nicht hier. Die Stirn in Falten gelegt, begann Sakura darüber zu grübeln, was Madara Uchiha machte und was er mit den Blumen vorhatte. Die Tür stand einen Spaltbreit offen, und so legte Sakura den Kopf schief, um einen kleinen Einblick in den Flur zu erhalten. Links stand eine Kommode und auf der Kommode standen hohe Kerzen.
 

Als sie Madaras Nahen vernahm, stellte sie sich wieder aufrecht hin und bekam wenige Augenblicke später zwei Münzen in die Hände gedrückt.
 

„Wir sehen uns im Januar, Frau Haruno, seien Sie pünktlich“, verabschiedete Madara sich, und als sie die Treppen herunterzusteigen begann, schloss er die Tür. Sakura hielt an und atmete erleichtert aus. War es mehr die Tatsache, dass er ihr Chef werden würde, oder doch seine Ausstrahlung, die Sakura vollkommen aus der Bahn geworfen hatte? Selbst in Alltagsbekleidung wirkte Madara mehr wie ein hohes Tier in der kriminellen Unterwelt als der Geschäftsführer einer großen Steuerkanzlei.
 

Sakura schüttelte den Kopf, bevor sie die restlichen Treppen herunterstieg.
 

Sie erledigte rasch ihren zweiten Auftrag und ging dann zurück zur Bahnhaltestelle.
 

Sobald sie im Laden war, erzählte sie Ino, dass es sich bei dem ersten Kunden um Madara Uchiha gehandelt hatte.
 

Für Ino kam es allerdings nicht überraschend, dass ein Mann die Blumen entgegengenommen hatte. „Am Telefon war ein Mann gewesen“, sagte sie Sakura. „Wer weiß, vielleicht hat er die Blumen gekauft, um seine Frau zu überraschen.“
 

Sakura griff nach ihrem Kinn. „Mhm“, machte sie gedankenverloren. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er einen Ring getragen hat.“
 

„Dann ist sie vielleicht noch nicht seine Ehefrau“, meinte Ino und sah sich im Laden um. Niemand war zu sehen. „Sakura, kannst du mir einen Gefallen tun und nach Ladenschluss nicht sofort abhauen? Ich muss dir etwas zeigen.“
 

Ein ungutes Gefühl beschlich Sakura. Es war ernst. „Ja, natürlich.“
 

Der restliche Arbeitstag verlief ohne Zwischenfälle. Der Blumenladen hatte vor fünf Minuten zugemacht, und Ino rief Sakura zum Tresen.
 

„Es gibt da etwas, das ich dir zeigen möchte“, sagte Ino unsicher und holte ihr Mobiltelefon hervor. „Hier.“ Sie reichte das Mobiltelefon mit ernstem Gesichtsausdruck an ihre Freundin, die den Gegenstand blinzelnd in die Hand nahm.
 

Ein Foto zeigte Sasuke gemeinsam mit einer Frau, die Sakura nicht kannte. Sie waren in einem Restaurant, auf dem Tisch standen Gläser mit Cocktails und Sasuke war dabei, der Frau eine rote Rose zu überreichen. Auf dem Gesicht der Frau lag ein Ausdruck, der von purer Verzückung zeugte.
 

„Sakura, ich glaube, Sasuke geht fremd.“

Gerüche


 

*
 

Das Foto mit der Rose sollte lediglich die Spitze des Eisbergs werden. Sakura hatte nicht wahrhaben wollen, dass Sasuke allem Anschein nach eine andere hatte. Mit Händen und Füßen hatte sie sich gegen diese haarsträubende Äußerung gewehrt und versucht, das Foto anders zu deuten. Aus diesem Grund hatte Ino keine andere Wahl gehabt, als ihr die restlichen Fotos zu zeigen.
 

Ino war Sasuke und der Unbekannten eine Weile gefolgt, mit ihrem Freund im Schlepptau. Zehn Fotos hatte sie insgesamt gemacht, auf welchen Sasuke die Fremde auf den Mund küsste, mit ihr Händchen hielt oder, in sitzender Haltung, seine Hand auf ihrem Oberschenkel hatte. Mit jedem Bild, das Sakura in Augenschein nahm, beschleunigte ihr Herzschlag, ihr wurde übel und trüb vor Augen. Selbst ein Blinder mit einem Krückstock sah, dass zwischen den beiden Menschen auf dem Bild mehr war als ein freundschaftliches Verhältnis.
 

„Nein“, murmelte Sakura, und große, runde Tränen flossen über ihre Wangen. Sie zitterte. „Nein, ich verstehe das nicht. Wie können diese Fotos echt sein?“ Ihr Herz stach unangenehm, ihre Beine waren wackelig und ihr Kopf war einerseits voller Fragen, andererseits wie leergefegt. „Wieso ist er mit einer anderen? Wo hast du die Fotos gemacht?“, stotterte sie, während sie weinte.
 

Ino nahm ihr das Mobiltelefon weg und umarmte sie. „Es tut mir leid, Sakura. Ich wollte dir die anderen Bilder nicht zeigen. Ich habe es selbst nicht wahrhaben wollen.“
 

Sakura begann nun, laut und heftig zu schluchzen. Wasser rann aus ihren Augen und ihrer Nase und Ino selbst, die Sakura immer noch in einer festen Umarmung hielt, war nach Heulen zumute.
 

Sie hatte ihren Augen nicht getraut, als sie Sasuke mit dieser mysteriösen Fremden im Restaurant gesehen hatte. Ino war zusammen mit ihrem Freund Sai gewesen, für gewöhnlich verkehrten sie dort nicht, aber man hatte ihnen den Ort empfohlen, da dort alles frisch zubereitet wurde und die Preise dennoch nicht desaströs waren. Man konnte das Restaurant zu Fuß kaum erreichen.
 

„Ino, Ino… Ich verstehe das nicht.“
 

„Wir gehen erst einmal nach oben zu mir, okay?“
 

Es dauerte sehr lange, bis Sakura sich beruhigte. Und als die Tränen nicht mehr flossen, fühlte Sakura sich leer, so als hätten die Tränen sämtliches Leben aus ihr herausgespült. Mit halb geschlossenen Augen saß sie auf der Couch im Wohnzimmer, den Kopf nach hinten gekippt, und starrte die weiße Decke an, die von einer zweiarmigen Leuchte erhellt wurde.
 

„Hier.“
 

Ino stellte einen Beruhigungstee auf den Couchtisch vor Sakura und setzte sich dann neben ihrer Freundin. Ihr lag die Frage Wie geht es dir? auf der Zunge. Aber die Frage konnte Ino sich selbst beantworten, sie musste nicht so etwas Dämliches fragen, nur damit sie redeten. Sakura ging es schlecht, sehr schlecht. Ino hatte eine wahnsinnige Wut auf Sasuke, obwohl sie ihn einst wie so ziemlich jedes andere Mädchen in der Schule vergöttert hatte. Jetzt gerade konnte sie nicht begreifen, wie sie ihn hatte mögen können.
 

In der Küche, während sie das Wasser über den Teebeutel gegossen hatte und der Dampf ihr ins Gesicht gestiegen war, hatte sie für eine Sekunde überlegt, Sasuke anzurufen. Aber sie hatte diese Idee wieder verworfen. Es galt jetzt, Sakura beizustehen. Sakura würde Sasuke alleine zur Rede stellen und Ino würde dann intervenieren, wenn etwas schieflief oder Sakura sie ausdrücklich darum bat. Nie im Leben würde Sakura ihm das verzeihen, nie im Leben, und wenn doch, würde Ino sie verprügeln und Sasuke ebenfalls.
 

„Weshalb?“, fragte Sakura mit rauer und vom Weinen erschöpfter Stimme. Ihr Kopf begann zu dröhnen, dennoch fuhr sie fort: „Ich habe unsere Beziehung als erfüllt betrachtet, uns fehlte an nichts! Wie lange geht er schon fremd, ohne dass ich es bemerkt habe? Ist sie die Einzige? Oh Gott, mein Kopf platzt gleich. Das muss alles ein schrecklicher Traum sein.“
 

Kurz hielt sie sich den Kopf, bevor sie nach ihrem Mobiltelefon griff, das ihr teilnahmslos zugehört hatte. „Ich werde ihm schreiben“, sagte sie determiniert und ihre Augen glühten auf vor Zorn. „Ich werde… Ich werde ihn anrufen…“ Das Mobiltelefon glitt ihr aus den Händen, landete auf ihren Oberschenkeln. Sakura fing wieder an zu weinen. „Ino“, schluchzte sie, „kann ich heute bei dir übernachten? Ich will nicht nach Hause.“
 

„Ja, natürlich kannst du das. Ich gebe dir Schlafsachen, Abschminkzeug und Zahnbürste.“ Liebevoll tätschelte Ino ihre aufgelöste Freundin, die sich in diesem Moment wünschte, nicht mehr zu existieren.
 

*
 

Nobuko sollte später heimkommen, als Madara es eingeplant hatte. Nach ihrem letzten Streit hatte er beschlossen, seine Partnerin bei ihrer Heimkehr zu überraschen. Er hatte einen Schlüssel zu ihrer Wohnung genau wie sie einen Schlüssel zu seiner hatte, und im Prinzip konnten sie beieinander ein und ausgehen, wie es ihnen beliebte. Sie vertrauten einander und hatten nichts zu verbergen.
 

Madara wusste, wann Nobuko ihre Arbeitsstelle verließ und er wusste, wann sie ungefähr nach Hause kam. Wenn sie die erste Bahn verpasste, verspätete sie sich um zehn Minuten, nie mehr. Bis jetzt. Madara saß im Anzug, das Haar mit Pomade bearbeitet, und starrte ungeduldig und frustriert auf seine Armbanduhr, während er gelegentlich mit dem Fuß gegen den Boden klopfte. Es war bereits halb sieben und allmählich beschlich ihn das Gefühl, dass Nobuko heute gar nicht mehr kommen würde. Hatte sie spontan beschlossen, bei einer Freundin einzukehren? Wieso hatte sie ihm dann nicht geschrieben? Für gewöhnlich unterrichtete sie ihn über jede Banalität.
 

Madara griff nach seinem Mobiltelefon. Er hatte von seinem Bruder und einer Kollegin Nachrichten erhalten, aber keine einzige von Nobuko, obwohl er ihr bereits einige Male geschrieben und sie sogar angerufen hatte. Sie hatte nicht reagiert. Das sah ihr nicht ähnlich, überhaupt nicht. Nobuko schrieb in kürzester Zeit zurück und verlangte auch von ihm, dass er es ihr gleichtat. Sie war eine, die viel Aufmerksamkeit in der Beziehung brauchte. Meistens war das der Grund für ihre Streitereien, oder Missverständnisse.
 

Madara hatte die Blumen bestellt, um aus den Blütenblättern eine Rosenstraßen zu schaffen, die von der Eingangstür zuerst ins Esszimmer und von dort ins Schlafzimmer führte, zu dem Doppelbett. Auf sämtlichen Oberflächen hatte er Kerzen aufgestellt, sie angezündete und sie längst wieder ausgepustet, weil seine Partnerin eigentlich schon vor zwei Stunden hätte heimkommen müssen. Nicht, dass er ein großer Romantiker wäre. Aber er war überzeugt gewesen, dass es ihr gefallen würde.
 

Das Essen, das er für sie vorbereitet hatte, war schon kalt geworden und da er Hunger gehabt hatte, hatte er bereits die Hälfte des selbstgemachten Auflaufs selbst verzehrt. Madara kochte nicht gerne, meist wärmte er sich etwas auf. Aber für Nobuko hatte er sein Bestes gegeben. Für manche mochte ein Auflauf nicht unbedingt etwas sein, das mit viel Aufwand verbunden war – aber Madara war ein schwer beschäftigter Mann, dem in der Woche zu wenig Zeit zum Kochen blieb.
 

Madara erhob sich von der Couch und beschloss, Nobuko ein letztes Mal anzurufen. Vielleicht war etwas Schlimmes passiert. Gerade als er ihren Namen in der Kontaktliste antippte, hörte er, wie die Eingangstür geöffnet wurde, und ließ das Mobiltelefon sinken.
 

„Was ist denn das?“, hörte er die Stimme seiner überraschten Partnerin, als diese der Rosenstraße folgte, in das Esszimmer hineinsah und sich dann Madaras Gegenwart gewahr wurde. „Hast du das gemacht?“, fragte sie und betrat das Wohnzimmer, das gegenüber der Küche und dem Esszimmer lag.
 

„Ja.“
 

„... Es tut mir leid“, sagte sie nach einer Weile des Schweigens. „Du hast sicher auf mich gewartet.“ Sie lächelte schwach. „Eine Kollegin wurde von ihrem Freund verlassen und ist auf der Arbeit in Tränen ausgebrochen. So etwas Schreckliches. Ich musste sie trösten und bin mit ihr ins Café gegangen, um zu reden. Ich konnte dir nicht schreiben, das wäre in dem Moment nicht gut aufgenommen worden.“ Sie machte eine Pause, trat an Madara in ihren schwarzen, klackernden Pumps heran und legte ihre kühlen Finger auf seine Wangen, bevor sie ihn küsste.
 

Madara erwiderte nicht. Stattdessen senkte er den Kopf und legte das Kinn auf ihr pechschwarzes Haar ab. Als sie ihre Tasche in einem Sessel ablud und sich ihres beigefarbenen Mantels entledigte, sagte er: „Ich habe Essen zubereitet, einen Auflauf. Du kannst ihn dir warm machen, wenn du möchtest.“
 

Nobuko machte große Augen. „Tatsächlich? Lass uns in die Küche, ich habe Hunger. Im Café trank ich nur einen Cocktail.“
 

„Geh schon einmal vor, ich komme gleich. Tue nur dir selbst was auf, ich habe schon gegessen.“
 

Madara verschwand in der Toilette. Er schloss die Tür ab, schob die Hände in die Hosentaschen und sah nachdenklich zu Boden. An ihr haftete ein männlicher Geruch. Es war nicht seiner.
 

Madara sah zum Fenster, welches gekippt war und durch welches er Teile des grauen Winterhimmels sehen konnte. Nein, dachte er sich. Nobuko würde niemals fremdgehen. Sie verurteilte solche Menschen und regte sich immer über Fremdgeher auf – warum sollte sie das machen? Möglicherweise war der Geruch, der an ihr haftete, ein sehr herbes Frauenparfüm. Vielleicht ein Unisexparfüm, das ihre Kollegin trug und das auf sie abgefärbt war, vielleicht auch ein Männerparfüm, der der Kollegin einfach im Laden gefallen hatte. Es war nur ein Duft, es gab keinen Grund, misstrauisch zu sein.
 

Er verließ die Toilette und ging in die Küche, wo Nobuko das Essen bereits in die Mikrowelle getan hatte. Auf dem Tisch nebenan standen eine Weinflasche und zwei elegante Gläser, die Madara mit Wein füllte.
 

„Ich freue mich sehr, dass du dir die Mühe gemacht hast. Der Auflauf ist sehr lecker“, sagte sie und spülte das soeben Gekaute und Heruntergeschluckte mit dem teuren Wein herunter, den Madara für sie gekauft hatte.
 

Madara nippte am Wein. „Die Blumen hat eine unserer zukünftigen Auszubildenden gebracht. Ich habe den Eindruck, sie hat sich gewundert, dass ich die Blumen entgegennahm, da ich auf deinen Namen bestellte.“
 

Nobuko lachte amüsiert und nahm einen Schluck Wein. „Der Wein ist wirklich sehr gut.“ Sie machte ein trauriges Gesicht und seufzte schwer. „Es tut mir so leid. Ich werde es wiedergutmachen.“
 

Sie wurde fertig mit dem Essen und wollte den Teller zur Spülmaschine tragen, als Madara ihr ihn aus der Hand nahm und ihn auf den Tisch stellte. „Du kannst das jetzt wiedergutmachen“, sagte er heiser und geheimnisvoll, bevor er sie hochhob, als würde sie nur ein paar Kilo wiegen. Er trug sie, die in seinen Armen eigenartig still war, ins Schlafzimmer, wo er sie sanft auf das Bett setzte und dann begann, ihr die Bluse aufzuknöpfen. Zwei Knöpf weit kam er, dann hielt sie ihn davon ab, weiterzumachen.
 

„Ich bin sehr müde“, antwortete sie, als sie seinem fragenden Blick begegnete.
 

Madara fuhr sich sichtlich genervt durch das Haar, aber sie zog ihn an sich und küsste ihn auf die Stirn. „Heute nicht, okay?“
 

„Hn“, machte er nur, ließ sich neben ihr im Anzug auf das Bett fallen und versuchte, das unangenehme Gefühl in seinem Schritt zu ignorieren.
 

„Ich weiß deine Mühe zu schätzen.“
 

Madara schwieg, und als sie sich an ihn kuschelte, nahm er wieder diesen Geruch wahr, der stark nach Mann roch. Plötzlich runzelte er die Stirn, denn er hatte eine Geruchskomponente ausgemacht, die ganz sicher nicht der Bestandteil eines Parfüms sein konnte.
 

Nobuko schlief. Ein letztes Mal ihren Geruch einatmend, um ganz sicher zu gehen, dass er sich auch nicht irrte, stand Madara vorsichtig auf, verließ das Zimmer und dann auch die Wohnung. Sobald er draußen war, zündete er sich eine Zigarette an und blies den Rauch in die Luft.
 

Es hatte die Vermutung, dass Nobuko ihn heute mit einem anderen Mann betrogen hatte.

Vorbei


 

*
 

Schwerfällig lösten sich Sakuras Wimpern voneinander und sie blinzelte. Sie fühlte sich müde und kraftlos, obwohl sie laut der Digitaluhr, die auf dem Nachttisch stand, neun Stunden durchgeschlafen hatte. Ino war in der Küche, das hörte Sakura an dem Klappern von Geschirr.
 

Ino hatte ein großes Doppelbett, und wenn Sakura da war, schlief sie mit den Füßen zum Kopfende.
 

In den ersten Augenblicken nach dem Ausschlafen konnte sich Sakura an nichts erinnern; sie nahm nur Dinge der Gegenwart wahr. Aber je länger sie dalag, desto mehr Erinnerungen an den gestrigen Abend kamen auf. Die Fotos. Sasuke. Diese Fremde. Um nicht zu weinen, schloss Sakura die Augen, presste die Lippen in den Mund, hielt die Luft an und verschränkte die Zehen ineinander – es war immer schon eine Eigenart von ihr gewesen, dass sie nicht mit Socken schlafen konnte, egal wie kalt es war. Wenn es mal geschah, dass sie mit Socken einschlief, wurde sie in der Regel nachts wie durch ein Wunder los.
 

Sakura atmete tief durch und richtete sich auf. Ihr Kopf ruhte bleiern auf ihrem Hals und sie fühlte sich vollends zerschlagen. Mit leerem Blick starrte sie auf den dunklen Teppich, mit dem Inos gesamte Wohnung – Küche und Bad ausgeschlossen – ausgelegt war. Wie sollte es weitergehen? Sie musste Sasuke konfrontieren, es gab keinen Weg daran vorbei.
 

Sakura schleppte sich erst in die Küche, wo Ino sie wortlos mit einer festen Umarmung begrüßte. Es fiel ihr schwer, nicht zu sprechen, denn für gewöhnlich plapperten die Freundinnen fröhlich noch vor dem Hinsetzen. Aber Sakuras Gesichtsausdruck sprach Bände über ihre Gefühlslage. „Was möchtest du essen?“, fragte Ino schließlich.
 

„Ich habe keinen Hunger“, antwortete Sakura rau und räusperte sich. „Ich werde erst einmal ins Bad.“ Und so schleppte Sakura sich ins Bad, wo sie sich das Gesicht wusch und sich die Zähne putzte.
 

Obwohl sie gesagt hatte, dass sie keinen Hunger habe, bereitete Ino ihr Spiegeleier vor. „Ich weiß, dass du wahrscheinlich nicht einmal ein bisschen Appetit hast, aber ich würde dich dennoch bitten, das zu essen und einen Tee zu trinken. Sonst lasse ich dich nicht aus der Wohnung raus“, sagte Ino ernst. „Das wäre die Höhe, wenn du dich wegen diesem Penner abhungerst und ich dabei tatenlos zusehe.“
 

Sakura wollte Ino dafür schelten, dass sie Sasuke einen Penner nannte. Sie hatte ihren Mund bereits geöffnet, da überdachte sie ihr Vorhaben, senkte den Blick und bejahte leise, ehe sie sich an den Küchentisch setzte.
 

Ihr Frühstück verzehrte sie ohne jeglichen Appetit, den schwarzen Tee trank sie dagegen gerne. Ino arbeitete heute nicht, wollte sich aber mit Sai treffen. Sakura würde nach Hause gehen und sich ins Bett legen.
 

„Ich weiß nicht, wie ich das mit Sasuke regeln soll“, gestand sie Ino. „Ich… Ich will ihn jetzt nicht sehen. Da wäre es mir lieber, in irgendeine monsterverseuchte Schlucht zu blicken, als sein Gesicht zu sehen. Aber ich will es auch beenden.“ Sakura legte die Finger um die Tasse und beobachtete die Oberfläche des schwarzen Teegetränks, die im Gegensatz zu ihrem seelischen Zustand vollkommen ruhig war. „Er hält morgen ein Referat. Vielleicht danach.“
 

„Ich finde, du solltest ihn damit konfrontieren, bevor er das Referat hält. Damit er es hoffentlich in den Sand setzt“, sagte Ino scharf und nippte an ihrem Kaffee.
 

Es gefiel ihr natürlich nicht, dass Sakura sich, obwohl Sasuke es nicht verdiente, um ihn sorgte. Aber es war nur allzu verständlich. Gefühle – und seitens Sakura waren da welche gewesen – verschwanden nicht über Nacht oder nach einer Woche, und man hörte auch nicht sofort auf, an das Wohlergehen des anderen zu denken, egal wie viel Kummer und Schmerz er einem bereitet hatte.
 

„Wenn du möchtest, können wir beide heute was machen. Ich kann Sai absagen.“
 

Sakuras Lippen formten sich zu einem blassen Lächeln. Sie wollte nicht so recht, dass Ino ihre Pläne mit Sai über Bord warf, auch wenn es ihr lieber wäre, bei Ino zu bleiben. Sie würde sicher schlechtes Gewissen haben. „Danke, aber ich denke, ich werde gleich nach Hause fahren.“
 

Als Sakura, bereit zur Heimkehr, Inos Schlafzimmer betrat, um ihr Mobiltelefon zu holen, ging ein Anruf von Sasuke ein, was dafür sorgte, dass Sakuras Nackenhaare sich aufstellten. Sie hielt das Gerät in ihren Händen, unschlüssig, ob sie den Anruf entgegennehmen sollte oder nicht. Gerade als sie sich dazu entschlossen hatte, es doch zu tun, verschwand Sasukes Name vom Bildschirm, und Sakura war zeitgleich erbost und erleichtert. Doch nur einen Atemzug später rief Sasuke sie wieder an, und dieses Mal wischte Sakura reflexartig über das runde Grün.
 

Sasuke grüßte sie gut gelaunt und dann begann er, über etwas zu erzählen. Sakura verstand nicht, was er sagte. Still und leise kullerten Tränen über ihre Wangen, und als Sasuke verstummte, hauchte sie: „Sasuke, es ist vorbei.“
 

*
 

Nobuko war heute bei Madara zu Besuch. Mit ruhigen Schritten kam er an sie, die am Tisch saß und in ihrem Notizbuch blätterte, heran, und legte sein Mobiltelefon vor ihr auf den Tisch, ohne etwas zu sagen.
 

Nobuko schielte zu dem Gerät herüber und stellte fest, dass ein Foto offen war, und als sie begriff, was das für ein Foto war, wen es zeigte und wo es gemacht wurde, befiel sie Gänsehaut und das Herz fiel ihr vor Schreck beinahe aus der Brust. Ihre Kehle trocknete in Windeseile aus. Sie traute sich nicht, Madara anzusehen.
 

„Wer ist das?“, fragte er, und seine Stimme war ruhig, aber kalt wie Eis.
 

Nobuko schwieg. Ihr Gesicht brannte.
 

„Winde dich aus der Affäre nicht heraus, indem du behauptest, dass es ein Arbeitskollege ist“, sagte Madara und nahm das Mobiltelefon wieder an sich. Er wischte über das Foto und kam zum nächsten, dann zu einem weiteren und dann zum nächsten. All die Fotos zeigten Nobuko und einen jungen Mann, wie sie intim miteinander umgingen.
 

„Hast du mir nachspioniert?“, fragte Nobuko beinahe schon angriffslustig.
 

„Ich frage mich, weshalb es ausgerechnet ein Jüngling sein musste“, sagte er, ohne auf ihre Frage einzugehen, und setzte sich auf den Stuhl gegenüber von Nobuko nieder. „Was hat er dir gegeben, das ich dir nicht habe geben können? Wie alt ist er überhaupt? Siebzehn? Er sieht aus, als wäre er noch in der Pubertät. Daneben sieht er meinem Bruder verdammt ähnlich. Schämst du dich denn gar nicht?“
 

Nobuko sprang vom Stuhl so heftig auf, dass er zu Boden ging. „Er ist zwanzig, Student und hat mir Aufmerksamkeit gegeben. Wertschätzung! Viel mehr, als du es jemals hättest tun können“, platzte es aus ihr heraus. „Du arbeitest so viel, dass wir in der Woche manchmal kaum Kontakt haben, nicht einmal über Handy. Ich muss dich anbetteln, dass von dir etwas kommt. Wenn du bei unseren Zusammenkünften mal nicht einschläfst, ist es ein Highlight! Als du letzte Woche diese Sache mit Rosen und Kerzen organisiert hast, da... da war es zu spät, Madara. Die Liebe ist weg. Weg! Ich sagte dir zig Mal, dass ich diese Aufmerksamkeit in einer Beziehung BRAUCHE.“
 

Nun sprang auch Madara auf und haute mit seiner Handfläche auf den Tisch. „Du hättest dich von mir wenigstens wie ein anständiger Mensch trennen und mir deine Beweggründe gleich vorweisen können, anstatt hinter meinem Rücken mit einem Buben auszugehen!“, schrie er, und man sah ihm an, dass er, obwohl ihm die Wut und die Enttäuschung deutlich ins Gesicht geschrieben stand, sich sehr zurückhielt. Eine geschwollene Ader pulsierte auf seiner Stirn und seine bodenlosen Augen waren voller Zorn. „Hattest du überhaupt vor, dich von mir zu trennen? Oder wolltest du mich Unwissenden behalten, damit ich weiterhin gemeinsame Restaurantbesuche bezahle und dir teure Handtaschen schenke?“
 

Nobuko wandte den Kopf ab.
 

„Hast du dazu nichts zu sagen?“, fragte er nach einer schmerzvoll langen Weile des Schweigens, in denen er sich beherrschen musste, damit er nicht alles kurz und klein schlug. „... Geh. Ich will dich nicht mehr sehen.“ Aber den Blick konnte er von ihr nicht nehmen, auch wenn er es wollte. Er sah sie an und konnte nicht glauben, dass die Frau, die er an sich herangelassen hatte, ihn betrogen hatte. Obwohl sie seine Worte bezüglich der Restaurantbesuche und Handtaschen nicht kommentiert hatte, so glaubte er fest daran, dass er mit seiner Vermutung recht hatte.
 

„Ja, du hast recht. Ich hätte dem Pfad eines anständigen Menschen folgen sollen und mich von dir direkt trennen müssen. Es tut mir leid“, sprach sie, ohne ihn anzusehen, bevor sie sich daran machte, ihre Sachen zusammenzusammeln. „Bei Sasuke bin ich besser aufgehoben.“
 

Madara hörte, wie die Eingangstür aufging und dann sachte geschlossen wurde. Jetzt erst wurde er sich des pochenden Schmerzes in seinen erröteten Handflächen bewusst.
 

Kurz darauf fegte ein Wirbelsturm durch das gesamte Wohnzimmer, wie es ihn draußen die letzten zwei Jahre nicht gegeben hatte. Vasen und Bilder gingen zu Boden und zerbrachen; Stühle und Tisch wurden umgeworfen – nur Gegenstände, die in der Vitrine standen, wurden vom wütenden Sturm verschont.
 

Mit oben aufgeknöpftem Hemd und gelockerter Krawatte saß Madara etwas später am Esstisch. Vor ihm stand eine Flasche Wein und er trank und trank und trank. Er achtete nicht einmal darauf, wie der Wein schmeckte. In seinem ganzen Leben hatte er Alkohol nie zum Kompensieren genutzt, und bis zu diesem Tag war Madara kein einziges Mal betrunken gewesen.
 

Madaras Mobiltelefon ruhte neben ihm, und als der Bildschirm aufleuchtete, sah Madara Nobukos Namen. Er schnalzte mit der Zunge, blinzelte und griff täppisch nach dem Gerät.
 

„Was willst du?“, knurrte er, doch als er Izunas Stimme, die Stimme seines Bruders, am anderen Ende der Leitung hörte, glätteten sich die entstandenen Falten auf seiner Stirn. Er sah auf die Weinflasche und stellte fest, dass er sie zu beinahe drei Viertel geleert hatte. „Nein, nein. Ich bin nicht betrunken“, sagte Madara und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. „Du willst kommen? Weshalb? Es lief doch alles gut. Sie ist weg und das Einzige, was da ist, ist dieser Geruch, den sie an sich hatte… Du weißt schon. Karamell und gezuckerte Kondensmilch. Meinetwegen, wenn du unbedingt kommen willst, dann komm.“
 

Izuna legte auf und Madara knallte das Mobiltelefon auf den Tisch. Er war der Ältere und Izuna der Jüngere. Izuna musste nicht so tun, als wäre er ein Jüngling und Izuna der Ältere, auf dessen Schultern die Verantwortung für seinen Bruder ruhte. Madara war kein Jüngling. Ganz im Gegensatz zu diesem Wie-hieß-er-doch-gleich? Sasuke. Sasuke hieß dieser Student, mit dem Nobuku ihn betrogen hatte.
 

Er schüttelte den Kopf und griff nach dem Hals der Weinflasche.
 

Izuna kam gegen achtzehn Uhr an und musste Sturm klingeln, damit ihm sein Bruder öffnete. Mit eiligen Schritten stieg er die Treppe zur Wohnung hoch. Die Tür stand offen, Madara war aber drinnen, in der geräumigen Küche, und war dabei, die zweite Weinflasche zu öffnen.
 

Izuna sah die erste Weinflasche, die wie ausgehöhlt auf dem Küchentisch stand, eilte zu Madara und nahm ihm den Korkenzieher aus der Hand. „Nein, Madara. Du hast genug getrunken. Du musst morgen arbeiten, also reiß dich zusammen.“
 

Mit glasigen Augen sah Madara ihn an, leistete allerdings keinen Widerstand und stellte die noch ungeöffnete Flasche Wein gefügig auf die Theke. Auch leistete er keinen Widerstand, als Izuna ihn in sein Schlafzimmer dirigierte. Um ins Schlafzimmer zu gelangen, musste man am Wohnzimmer vorbei, deren zweiflügelige Tür aus opakem Glas weit offen stand.
 

„Oh mein Gott“, kam es über Izunas Lippen, als er stehen blieb, um den Schaden zu betrachten, den Madara in seinem Anfall von Wut und Traurigkeit angerichtet hatte. Die Möbelstücke waren nur umgeworfen worden und waren noch lebendig – anders die Vasen und zahlreiche andere Dekorationen, die Madara durch Würfe gegen Wände und Boden zerschmettert hatte. „Ich werde dir wohl beim Aufräumen helfen müssen“, sagte Izuna zu seinem Bruder, der still und ein wenig wackelig auf den Beinen stand.
 

Im Schlafzimmer angekommen, ordnete Izuna Madara an, sich hinzulegen. Erstaunt darüber, dass sein Bruder so brav seinen Aufforderungen Folge leistete, setzte er sich auf die Bettkante. Sein Bruder tat ihm unendlich leid und er wünschte, Madara wäre das alles erspart geblieben.
 

Als Madara mit Nobuko zusammengekommen war, war er der glücklichste Mann der Welt gewesen. Er hatte es nie sonderlich stark nach außen getragen, aber Izuna hatte es anhand seiner Taten und Laune gut einschätzen können. Dass es Madara gut ging und er sich wohl fühlte. Nobuko hatte auf ihn den Eindruck einer guten, liebevollen Seele gemacht.
 

Madara hatte Izuna anfangs nie von den Problemen erzählt, die sie in der Beziehung hatten. Dass Nobuko viel zu viel Aufmerksamkeit brauchte und verlangte, dass sie ihn immer darum bat, sich nach ihr zu richten; sie hatte sich nicht an ihn richten wollen. Madara hatte Izuna, seinem einzigen noch verbliebenen Familienmitglied, nichts anvertrauen wollen, weil er die Gründe für die Streitereien albern und kindisch befunden hatte. Erst vor einigen Monaten hatte Madara mit der Sprache herausgerückt, weil er nach all den nervenzehrenden Streitereien angefangen hatte, ein hohes Mitteilungsbedürfnis zu entwickeln.
 

Izuna war geschockt gewesen, als Madara ihm erzählte, er habe die Vermutung, seine Partnerin würde ihn betrügen, denn Streitereien hin oder her – das hatte keiner von ihnen kommen gesehen. Im Grunde erwartete man es auch nicht. Es war unmoralisch, hinterhältig und schäbig.
 

„Es tut mir leid, dass ich dich am Handy angeschnauzt habe.“
 

Izuna sah über seine Schulter zu Madara und lächelte leicht. „Ist schon in Ordnung.“ Er betrachtete die langen, dunklen Vorhänge vor dem Fenster. Madara hatte sie sich gemeinsam mit Nobuko ausgesucht, und auch sonst waren hier in Raum viele Gegenstände präsent, die Madara mit Nobuko assoziieren würde. Er kannte seinen Bruder. Madara würde alles, was nur ansatzweise mit Nobuko zu tun hatte, beseitigen; auch wenn es bedeutete, dass er sich dann Ersatz besorgen müsste, wie zum Beispiel neue Vorhänge.
 

Nur kurze Zeit später schlief Madara ein.
 

Izuna verließ das Schlafzimmer, schloss leise die Tür und machte sich daran, das Chaos im Wohnzimmer zu beseitigen.
 

Madara Uchiha wachte am nächsten Monat ganz verkatert, mit schweren Gliedmaßen und einem schmerzenden Kopf auf. Auf dem Nachttisch fand er eine Wasserflasche und eine Kopfschmerztablette vor, und in der Küche, unmöglich zu übersehen, eine Dose mit Suppe, die er sich aufwärmte. Er war eine halbe Stunde vor dem Klingeln des Weckers aufgewacht und war froh, einen so fürsorglichen Bruder zu haben wie Izuna.

Der erste Praktikumstag


 

*
 

Wie auch am ersten Tag meldete sich Sakura an der Rezeption, und fünf Minuten später betrat Izuna den Warteraum, um sie abzuholen.
 

„Schön, dass Sie da sind, und auch noch sehr pünktlich. Manche versagen bereits bei diesem Punkt.“
 

Sakuras erster Praktikumstag begann damit, dass Izuna sie durch den gesamten, grell erleuchteten Gebäudekomplex führte, den es kennenzulernen galt. Die wichtigsten Stationen waren die saubere Damentoilette und die große Küche, in der sie sich in der Pause etwas zu essen machen konnte. Jedes Stockwerk verfügte über eine eigene Toilette und eine eigene Küche.
 

Sakura irritierte es ungemein, dass Izuna Sasuke so ähnlich sah – sie hatte sich bereits gestern Abend viele Gedanken darum gemacht –, weswegen sie sich bemühte, so wenig Blickkontakt wie möglich mit ihm zu haben. Das war nicht besonders schwer, da auch Izuna sie nur selten ansah, und meistens nur kurz, wie um sich zu vergewissern, dass sie ihm noch auf Schritt und Tritt folgte und seinen erklärenden Worten auch wirklich lauschte.
 

Es war knapp einen Monat her, dass Sakura sich von Sasuke getrennt hatte – ausgerechnet Tage vor Weihnachten, dem Fest der Liebe. Wie unfassbar ironisch. Sakuras Abwehrmechanismus hatte sich erst kürzlich aktiviert, weswegen man sie gelegentlich sarkastisch oder gar zynisch über romantische zwischenmenschliche Beziehungen sprechen hörte. Manchmal dachte sie aber immer noch an die gemeinsame Zeit mit Sasuke und fragte sich, wie es ihm ging, was er tat, obwohl er ihr sowohl Weihnachten als auch Silvester ruiniert hatte.
 

Weihnachten hatte sie leblos wie eine Puppe zwischen ihren Familienmitgliedern am Tisch gesessen und sich zum Lächeln und Essen zwingen müssen, um anderen nicht die Stimmung zu vermiesen. Ein Glück hatte sie Geschenke für ihre Freunde und Familie rechtzeitig geholt, sodass sie sich nicht auch noch in die Stadt hatte schleppen müssen. Silvester hatte sie alleine in ihrem Zimmer am Laptop verbracht, die Vorhänge zugezogen, während draußen geknallt und geböllert worden war. Eigentlich hatten sie Silvester zusammen verbringen wollen. Er hatte das sicher mit dieser Fremden gemacht.
 

Sasuke hatte die Dreistigkeit besessen, sie zu einem klärenden Gespräch einzuladen. Bei einem Kaffee in einem Café, in dem sie sich oft getroffen hatten, wollte er ihr alles erklären. Sakura lehnte ab und schrieb ihm ellenlange Texte, die nur so vor Wut und Traurigkeit trieften. Letztendlich, nach einigem Hin und Her, blockte sie ihn, damit er sie nicht weiterhin verletzen konnte. Sie benötigte seine Erklärungen nicht. Wie weit die beiden gegangen waren, das wusste sie nicht. Er hatte sie betrogen und sie hatte hinreichend Beweise dafür gehabt, mehr brauchte sie nicht zu wissen.
 

Izuna zeigte Sakura das Sekretariat und stellte sie allen Anwesenden vor. Es waren alles Frauen, mit schwarzen Hosen und weißen oder blauen Blusen bekleidet. Sakuras Aufzug unterschied sich farblich nicht von der Kleidung der anderen; dafür war ihre Bluse mit Rüschen ausgestattet und anstatt einer Hose trug sie einen knielangen, strengen Rock. „Guten Morgen“, grüßte Sakura freundlich. „Mein Name ist Sakura Haruno, ich bin Praktikantin.“
 

Nach einer guten Viertelstunde, in der sie Bilanzbuchhalter und Steuerfachwirte kennenlernte, landeten sie schließlich vor dem Chefbüro im höchsten Stockwerk. Izuna klopfte gegen die Tür, sah durch den durchsichtigen, bohnenförmigen Teil der Tür und drückte dann die Klinke herunter.
 

Das Chefbüro war ein einziger großer Raum, den drei gigantische und breite Bücherregale in Zwei teilten. Die eine Hälfte besetzte Madara Uchiha, der sein Headset herunternahm, als Izuna eintrat. Der zweite war Hikaku Uchiha, der, am Fenster stehend, telefonierte. Es war noch dunkel und das Fenster ging auf den Parkplatz.
 

Izuna nickte Madara zu und führte Sakura zu Madara, der ihr die Hand drückte und sie lautlos mit wenigen Bewegungen seiner Lippen grüßte.
 

Hikaku wollte man nicht weiter stören; Izuna meinte, es werde sich die Tage sicher eine Gelegenheit ergeben, ihm Guten Tag zu sagen und sich vorzustellen, weswegen er Sakura in sein Büro führte. Der Raum war zwar nicht annähernd so groß wie das Chefbüro, aber doch recht groß. Zwei Tische standen nebeneinander, beide mit Drehstühlen und PC-Systemen ausgestattet; auf einem lag ein beschriebener Zettel. An den Wänden standen Regale, deren Böden sich unter zahlreichen Ordnern beugten.
 

„Nehmen Sie hier Platz“, sagte Izuna und wies Sakura ihren Platz zu, ehe er aus dem Regal einen Ordner nahm. „Bevor wir anfangen können, brauche ich von Ihnen noch eine Unterschrift. Das, was Sie die nächsten fünf Tage zu Gesicht bekommen werden, sind vertrauliche Informationen und Daten.“
 

Er begann, sie über ihre Schweigepflicht aufzuklären, und als er endete, unterschrieb Sakura den Zettel, auf welchem alles, was Izuna ihr soeben vermittelt hatte, zusammengefasst wurde. Danach erklärte er sehr lange, begann bei Haben und Soll und beschrieb zwei blanke Blätter, zeichnete Grafiken, um Dinge zu veranschaulichen, und öffnete schließlich den Ordner.
 

„Ich weiß, dass das jetzt viel auf einmal war, aber Sie brauchen sich nicht alles zu merken, das werden Sie noch in der Schule und hier lernen, ich wollte nur einen Überblick schaffen. Das ist einer unserer Kunden“, erklärte er und tippte auf die Kontoauszüge, „und das sind alle Kontoauszüge, die er uns hat zukommen lassen. Jede Einnahme und Ausgabe wird ins System eingetragen. Für jede Art der Einnahme oder Ausgabe gibt es eine Zahl, wie sie dieser Tabelle hier entnehmen können.“
 

Sakura betrachtete die Tabelle, die Izuna für sie ausgedruckt hatte.
 

„Am Ende muss man den gleichen Betrag erhalten wie auf dem letzten Kontoauszug. Wenn die Beträge unterschiedlich sind, dann haben Sie einen Fehler gemacht. Ich werde Ihnen jetzt zeigen, wie Sie das alles machen, dann werde ich Ihnen eine Weile zusehen und dann werden Sie selbstständig arbeiten.“
 

Kurze Zeit später saß Izuna an seinem Platz und ging seinen eigenen Erledigungen nach. Gelegentlich telefonierte er und leitete Anrufe weiter, größtenteils berechnete er etwas. Einmal sah er zu Sakura auf und sagte: „Wenn Sie Hilfe brauchen, scheuen Sie sich nicht zu fragen. Ich bin da, um zu helfen. Sie stören mich nicht.“ Er wunderte sich nämlich, dass es bei Sakura sehr gut zu laufen schien und sie alles auf Anhieb begriffen hatte. Das kurze Praktikum bei Mikoto war inoffizieller Natur gewesen und sie hatte bei ihrem Vorstellungsgespräch nicht erwähnt, dass sie Mikoto hatte zuschauen dürfen und bereits einiges wusste.
 

Mikoto. Ob Sasukes Mutter wusste, was der Grund für die Trennung gewesen war? Stand Sakura vielleicht als die Böse da? Nach Inos Offenbarungen traute Sakura ihm alles zu. Mikoto hatte Sakura ins Herz geschlossen, und auch Sakura hatte sich mit Mikoto gut verstanden. Sie wäre mit Sicherheit enttäuscht, wenn sie wüsste, was ihr Sohn trieb.
 

Obwohl Izuna sie optisch sehr an Sasuke erinnerte, fühlte sie sich in dem Raum nicht unwohl. Es war wirklich nur das Äußere, das die beiden gemein hatten, und so konnte Sakura sich in Ruhe auf die Aufgabe konzentrieren, die man ihr gegeben hatte. Sie würde ein Jahr lang Buchführung machen. Gerade machte es ihr tatsächlich irgendwie Spaß, auch wenn es nach einigen Monaten anders aussehen könnte.
 

Von 11:30 bis 13:30 Uhr war Pause. Sakura und Izuna suchten gemeinsam die Küche auf, die Izunas Büro am nächsten war. Sakura erhitzte Wasser, um sich schnell Instant-Haferbrei zu machen, den sie mit mitgenommenen Nüssen und getrockneten Früchten veredelte. Gemeinsam mit Izuna ließ sie sich an einen der insgesamt drei Tische nieder, den bereits drei andere besetzten, und ließ sich Dinge über die Ausbildung erzählen, für die sie sich entschieden hatte.
 

Sie erfuhr, dass Uchiha&Co. dieses Jahr drei Auszubildende übernehmen würde. Wenn das Unternehmen sie übernehmen würde, dann wäre es Izunas Ansicht nach gut, einige Gleichaltrige um sich zu haben, die wie sie von Null anfingen und sich gegenseitig stützen könnten.
 

Eine halbe Stunde später saß Sakura alleine im Büro und schrieb mit Ino. Als Madara vorbeiging und sie registrierte, hielt er inne. Er klopfte, um Sakuras Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „Wie geht es voran?“, erkundigte er sich.
 

Er wirkte anders als die zwei anderen Male. Beim Bewerbungsgespräch und dem zufälligen Treffen war wenigstens Leben in seinen Zügen gewesen und er hatte den Eindruck eins lebendigen Menschen suggeriert. Heute wirkte er abiotisch und seine Miene war hart wie Stein, was sie ein wenig erschreckte.
 

Während Sakura zu einem Sarkast und Zyniker wurde, was Männer und die Liebe anging, verwandelte sich Madara Stück für Stück in einen Eisklotz, der insbesondere Frauen gegenüber sehr distanziert war. Er hatte zu Nobuko seit dem Tag, an dem sie gegangen war, keinen Kontakt gehabt, und genau wie Izuna es prophezeit hatte, war er alles aus seiner Wohnung losgeworden, das mit Nobuko zu tun gehabt hatte. Bücher, die sie ihm ausgeliehen hatte, die er aber aus Zeitmangel nie gelesen hatte, hatte er in einen Karton gepackt und ihn vor ihrer Haustür abgeliefert. Sie hatte einiges von ihm ausgeliehen, aber es handelte sich um Kleinigkeiten, die er nicht brauchte, weshalb er keinerlei Anstalten gemacht hatte, das Ausgeliehene zurückzuholen. Er hoffte, dass sie es weggeworfen oder verbrannt hatte.
 

„Ganz gut“, erwiderte Sakura zaghaft, das Mobiltelefon aus den Händen legend. „Ich bin froh, hier zu sein.“
 

Madara nickte und ging.
 

Als Izuna zurückkehrte, fuhr sie damit fort, die Einnahmen und Ausgaben des Kunden weiter konzentriert und sorgfältig ins System einzutragen.
 

Zwanzig vor vier sah Izuna flüchtig über das, was sie vollbracht hatte. Auf den ersten Blick sah alles wunderbar aus und Sakura versicherte ihm, dass die Endbeträge einander glichen.
 

„Gut, dann war es das für heute“, verkündete Izuna und lächelte, als Sakura verwundert zu der Uhr über dem Türrahmen blickte, deren Zeiger sich leise fortbewegten. „Ich werde mich daran machen, Ihre Arbeit durchzugucken. Da Sie fast siebzig Seiten haben, wird das etwas dauern. Sie müssen nicht anwesend sein, während ich das tue.“
 

Sakura nickte und begann, sich anzuziehen.
 

Izuna begleitete Sakura zum Eingang, wo er sich von ihr verabschiedete.
 

„Auf Wiedersehen und bis morgen“, antwortete Sakura und trat an die kalte Luft hinaus.
 

Izuna kehrte in sein Büro zurück und prüfte die Zahlen. Sobald er das getan hatte, suchte er Madara auf, der mit gerunzelter Stirn in einem Ordner blätterte.
 

„Sakura Haruno hat heute keinen einzigen Fehler gemacht“, berichtete er. „Sie macht alles andere als einen begriffsstutzigen Eindruck. Daneben kleidet und benimmt sie sich sehr adäquat. Ich bin jetzt schon dafür, dass wir sie übernehmen.“ Izuna machte eine Pause und erwartete offensichtlich eine Reaktion seitens Madara. Aber er erhielt sie nicht. „Hast du vor, wieder Überstunden einzulegen? Du hast das letzte Woche schon täglich gemacht“, sagte Izuna daraufhin genervt und schob die Hände in die Hosentaschen.
 

Madara sah auf und ließ den Ordner sinken. „Es freut mich, dass Frau Haruno ihre Sache gut macht. Ich werde heute nur eine Stunde länger bleiben“, antwortete er mechanisch und widmete sich dann wieder dem Blättern des Ordners.
 

Izuna seufzte. Da er ebenfalls ein Privatleben hatte, das nicht ausschließlich mit Madaras Person verwoben war, würde er gleich nach Hause fahren.

Moosrosenfarben


 

*
 

„Wie findest du den da?“
 

Sakura sah von der Speisekarte auf und folgte Inos Blick, der auf einem Mann lag. Er saß zwei Tische weiter und begutachtete ebenfalls die Speisekarte. Ein attraktiver Mann Mitte zwanzig mit schulterlangen strohblonden Haaren, die er zu einem kurzen Zopf zusammenband, und dunkle Augen, die aufsahen, um nach der Bedienung Ausschau zu halten.
 

Desinteressiert zuckte Sakura die Schultern und widmete sich wieder der Speisekarte. „Er hat seine letzte Freundin sicher betrogen. Ich denke, ich nehme die Virgin Colada und dazu einen frittierten Wrap. Weiß du schon, was du nimmst?“
 

„Was ist mit dem?“, fragte Ino, als die männliche Bedienung, die ihre Bestellung aufgenommen hatte, zum nächsten Tisch ging.
 

Sakura legte das Kinn in die Handfläche und inspizierte den Hinterkopf und den breiten Rücken des Kellners. „Der lügt und betrügt doch ebenfalls.”
 

Ino seufzte genervt und ließ sich tiefer in den Sessel sinken, den Kopf zum Sonnenschirm hebend, der über ihren Häuptern ausgebreitet war und sie vor der strahlenden Sonne schützte. „Ich will dir nicht zu nahe treten”, sagte sie, „... doch, das will ich. Es ist mehr als ein halbes Jahr her, seit das mit Sasuke war. Meinst du nicht, du solltest anderen Männern langsam vertrauen lernen? Nicht alle Männer sind schlecht. Und nicht alle Frauen sind gut.”
 

Sakura wurde auffordernd angesehen, so als wollte Ino, dass sie gleich aufstand und mit dem nächstbesten Mann, der ihr halbwegs sympathisch erschien, eine Konversation aufbaute. „Ich kann mir nicht helfen”, antwortete Sakura. „Ich kann Männern nicht mehr vertrauen.”
 

Die Enttäuschung saß tief und die Angst, so etwas noch einmal zu erleben, war groß, sehr groß. Selbstverständlich hatte sie auch im letzten und vorletzten Monat Männer getroffen, aber sobald sie sie angesehen hatten, hatte sie die Augen gleich wieder von ihnen genommen in dem Glauben, dass jeder von ihnen untreu und verlogen war und es keinen Sinn hatte, sie überhaupt erst kennen zu lernen.
 

„Natürlich kannst du dir helfen“, erwiderte Ino prompt. „Guck dir Sai an. Er wird mich nie betrügen. Es GIBT gute Männer.”
 

Sag niemals nie, ging es Sakura durch den Kopf. Aber sie sprach ihre Gedanken nicht laut aus, weil sie ihre Freundin nicht traurig machen wollte.
 

„Sai ist sowieso ganz anders als andere Männer”, sagte Ino.
 

Das stimmte. Als Ino Sai kennengelernt hatte, war er eine leere Hülle gewesen, und sie hatte angefangen, langsam Farbe in sein bisher graues Leben zu bringen. Ino hatte ihm gezeigt, wie man lebte.
 

„Gut“, murmelte Sakura, nachdem sie über Inos Freund ein Weilchen nachgedacht hatte. „Vielleicht ist Sai eine Ausnahme, und du weißt ja: Ausnahmen bestätigen die Regel. Er ist sicher einer der wenigen Männer auf diesem Planeten, die ein ehrliches Herz haben.”
 

Sie mussten ihr Gespräch kurz unterbrechen, weil man ihnen ihre Getränke brachte.
 

Es war der einunddreißigste Juli und ein Tag vor Sakuras Ausbildungsbeginn. Ein schöner, sonniger Tag. Sakura freute sich bereits auf ihre Arbeit und war auch ein wenig aufgeregt, besonders wegen der Schule. Die Einschulung würde am dritten August stattfinden. Gemeinsam mit anderen Schülern würde sie sich in der Aula einfinden müssen. Sie hatte sich die Schule bereits im vorletzten Monat von außen angesehen und war erstaunt über die Größe und die Prächtigkeit des Gebäudes gewesen.
 

Ende Januar hatte Izuna sie angerufen und ihr gesagt, dass sie sie dabeihaben wollten. Eine Woche später war ihr Ausbildungsvertrag samt Ausbildungsverlaufsplan dagewesen und drei Monate später hatte sie die Information bezüglich der Einschulung erhalten.
 

Die freie Zeit hatte Sakura genutzt, um sich theoretisch mehr mit dem Beruf auseinanderzusetzen, und sich Mathematikaufgaben ausgedruckt, um direkt beim Start zahlentechnisch fit zu sein. Und heute sollte ein schöner Abend mit Ino werden.
 

Sie saßen in einem Café in der Altstadt. Das Café, in dem sie früher gemeinsam mit Sasuke gewesen war, mied sie auch jetzt noch wie die Pest, und sie mied auch jeden anderen Ort, an dem sie sich häufig gesehen hatten, sofern es möglich war. Gelegentlich sah Sakura Sasukes Mutter im Supermarkt oder anderswo, und sobald sie Mikoto von weitem erblickte, versteckte sie sich. Es wäre ihr höchst unangenehm, mit Mikoto zusammenzuprallen, zumal sie nicht wusste, in welchem Licht sie bei Sasukes Familie dastand. Erst vor einer Woche hatte sie sich darüber geärgert, dass sie sich nicht zu einem klärenden Gespräch hatte bewegen lassen. Jetzt hätte sie mehr Information gehabt. Aber so war das manchmal, in der Tat kam das durchaus oft so. In dem Moment hatte sie nichts von ihm gewollt, jetzt wollte sie alles wissen, ein Zurück kam aber nicht in Frage.  
 

Sakura schlürfte an ihrem Cocktail, während Ino, der Sakuras vorherige Aussagen offenbar vollkommen einerlei waren, weiterhin nach Männern Ausschau hielt, die Sakura gefallen könnten. Sie war fest davon überzeugt, dass Sakura sich nur auf den Richtigen einlassen musste, damit man ihr all die negativen Empfindungen und Einstellungen nahm. Ino stellte sich das allerdings keinesfalls einfach vor. Sakura würde erst wieder lernen müssen zu vertrauen, weshalb ihr Zukünftiger Verständnis und Geduld mitbringen müsste.
 

„Der Cocktail ist wirklich sehr lecker“, bemerkte Sakura und freute sich, als den beiden ihr Essen gebracht wurde.
 

„Sakura!“, rief Ino fast schon aus.
 

Sakura kaute gerade auf einem Pizzabrötchen und sah ihre Freundin fragend an.
 

„Weißt zu zufällig, ob diese Fremde einen Partner hatte?“
 

Wenn Ino darüber nachdachte, wäre es ein klassisches Filmszenario, wenn die Betrogenen zusammenkämen. „Stell dir vor, sie hätte ihren Partner mit Sasuke betrogen, während Sasuke dich mit ihr betrogen hat“, sprach Ino schnell und aufgeregt. „Stell dir vor, du lernst diesen Mann kennen und stellst fest, dass du ihn magst und…“
 

Sakura hätte bereits viel früher auf Ino reagiert, wäre sie nicht mit dem Pizzabrötchen beschäftigt gewesen. Nun hatte sie hinuntergeschluckt und fragte mit zusammengezogenen Augenbrauen: „Hast du eigentlich ein Rad ab? Erstens weiß ich nichts über die Frau, mit der Sasuke mir fremdgegangen ist. Wie sollte ich auch? Zweitens wäre es unfassbar komisch, mit jemandem zusammenkommen, der…“ Sakura machte wirre Bewegungen in der Luft, weil sie nicht wusste, wie sie ihre Gedanken ausformulieren sollte.
 

„Ich fände es nicht nur einfach amüsant im Sinne von lustig. Ich denke, das könnte die Basis für etwas Zartes und Wunderbares werden. Stell dir vor: Zwei ehrliche und treue Menschen, die betrogen worden sind, finden zueinander. Sie wissen, wie viel Schmerz und Kummer dem anderen bereitet wurde. Das ist perfekt! Sie können einander trösten und damit soll es beginnen.“
 

„Vielleicht im Film und in deiner Fantasie“, meinte Sakura leicht gereizt und griff nach der Gabel. „Aber sicherlich nicht in der Realität. Die Konstellation ist einfach zu komisch, verstehst du?“
 

Nun griff auch Ino nach der Gabel. „Zu schade.“ Sie sagte nicht, was genau sie meinte.
 

*
 

Sakura füllte ihre Lippen mit einem moosrosenfarbenen Lippenstift aus, tupfte mit dem Zeigefinger, den sie vorher mit einer schlichten Lippenpflege bearbeitet hatte, über die Lippen und lächelte ihrem Spiegelbild entgegen. Bis auf die Lippen war ihr Make-up sehr dezenter Natur. Als Izuna sie durch den Gebäudekomplex geführt hatte, war ihr aufgefallen, dass einige Frauen dunkelroten Lippenstift getragen hatten; sie ging davon aus, dass mehr durchaus erlaubt war, sofern das Gesamtbild nicht zu dramatisch wirkte.
 

Als Sakura das Haus verließ, war es bereits hell draußen, und sie musste daran denken, wie dunkel es während ihrer Praktikumszeit bei Uchiha&Co. gewesen war. Sie hatte diesen Tag kaum erwarten können. Die Vorfreude auf ihre Ausbildung hatte ihr gewissermaßen beim Verarbeiten der Trennung geholfen.
 

In der Straßenbahn schrieb Sakura stehend – es gab keinen einzigen freien Platz mehr, weswegen sie mitten im Wageninneren stehen musste – ein wenig mit Ino, und kurz bevor sie aussteigen musste, betrachtete sie ihr Äußeres im Taschenspiegel und schob fix einige lose Strähnen hinters Ohr, damit ihr Gesicht strenger wirkte.
 

Auf dem Parkplatz entdeckte sie Madara, der gerade ausstieg. Da Sakura sich nicht traute, ihn anzusprechen, ging sie einfach weiter.
 

An der Rezeption informierte man sie darüber, dass sich die Treppen in Reparatur befänden und sie den Aufzug nehmen müsse.
 

Vor den Aufzügen stand schon eine rege Menschentraube, zu der Sakura sich gesellte und Ausschau nach Izuna hielt. Sie fand jedoch Madara vor sich stehen und wunderte sich, wie er so schnell hierhergekommen war, wo sie ihn doch auf dem Parkplatz hinter sich gelassen hatte. Als der linke Aufzug hielt und die Türen geräuschlos auseinanderglitten, folgte sie ihm in den Aufzug.
 

Madara registrierte ihre Präsenz überhaupt nicht, da er sich zu den Türen drehte und den Blick geradeaus richtete, der Menge entgegen, die in den Aufzug wollte.
 

Sakura und Madara mussten einige Schritte zurückgehen, damit die anderen Platz haben konnten. Während man bei Madara sehr vorsichtig war, drängte man Sakura immer mehr zur Seite, zu Madara. Als sie gegen ihn stieß, drehte sie sich erschrocken um und wollte sich entschuldigen – doch da rempelte sie jemand von hinten an und ihre geschminkten Lippen kollidierten mit Madaras weißem, frischem und erst gestern gebügeltem Hemd.
 

Mit weit aufgerissenen Augen klebte sie an dem weißen Kleidungsstück, das eine harte Brust bedeckte, und als ihr bewusst wurde, dass er sie von oben herab anstarrte, als sie seinen zornigen Blick spürte, löste sie sich augenblicklich vom seinem süßlich duftenden Hemd, nicht in der Lage, eine Entschuldigung zu stottern, da sie zu geschockt war von dem Anblick, der sich ihr bot.
 

Auf Madaras weißem Hemd prangte nun der rosafarbene Abdruck ihrer Lippen.
 

Sakura schlug die Hände vor den Mund und sah zu ihrem Chef hoch. Sie stand kurz davor zu weinen. Wie konnte ihr nur so ein unangenehmes, peinliches Malheur an ihrem allerersten Ausbildungstag passieren? Dass die Menschen um sie herum den Abdruck noch nicht gesehen hatten, war kaum ein Trost. Madara warf den Kopf zur Decke, sich über die Lippen leckend und die Augen verdrehend, während er die Aktentasche unter seiner Achsel noch fester an seinen Körper presste. Er rang um Fassung.
 

Oh Gott, ging es Sakura, die unbewegt wie ein Stein dastand, durch den Kopf, den Mund immer noch mit beiden Händen bedeckend. Mittlerweile waren sie im dritten Stock und ihr Herz raste auf Hochtouren, während vor ihren Augen schwarze Flecken tanzten wie kurz vor dem Verlust der Sinne. Eine Ohnmacht oder Bewusstlosigkeit käme jetzt gerade recht. Ihr waren einige peinliche Dinge passiert, aber es gab Ereignisse, die sie als absolut peinlich beschrieben hätte.
 

Ihre Mutter hatte einen Meniskusriss erlitten, und als ihre Freundinnen gefragt hatten, wieso ihre Mutter denn Krücken bräuchte, hatte die kleine Sakura gesagt: „Mama hat einen Orgasmusriss!“ Unvergesslich war ihr Verhütungsversprecher während ihres Bewerbungsgesprächs bei Uchiha&Co. Und nun das. Das war eindeutig das Peinlichste innerhalb des absolut Peinlichen. Gerade fragte Sakura sich tatsächlich, ob er sie deswegen entlassen könnte. Nein. Nein, das konnte er eigentlich nicht. Zu einem positiven Chef-Auszubildender-Verhältnis trug das aber ganz und gar nicht bei.
 

Bevor jemand auf den Abdruck aufmerksam werden konnte, bedeckte Madara ihn mit seiner Aktentasche. „Sie werden gleich mit mir kommen“, sagte er, und Sakura lief es eiskalt den Rücken hinunter. Natürlich. Natürlich musste sie sich irgendwie verantworten.
 

Sie folgte Madara ins Chefbüro, den Kopf gesenkt und den Riemen ihrer schwarzen Tasche mit ihren unlackierten Nägeln bearbeitend. Auf jeden, der sich verwundert nach ihnen umsah, wirkte Sakura, als wäre sie gerade auf dem Weg zum Schafott.
 

Hikaku war verreist, weswegen Madara das Büro ganz für sich alleine hatte.
 

„Was sehen Sie hier?“, fragte er, als er die Aktentasche auf den Tisch legte und sich gegen diesen lehnte. Die Hände hatte er gefaltet.
 

Sakura schluckte. „Einen Lippenstiftabdruck.“
 

„Richtig. Da gehört er überhaupt nicht hin, Frau Haruno.“
 

„Das… Das ist mir bewusst, Herr Uchiha“, antwortete sie, nervös mit ihren Fingern spielend. Sie sah auf ihre Schuhe und wusste nicht, was kommen würde. „Ich werde mich der Sache annehmen. Haben Sie hier Spülmittel in den Küchen?“
 

Ihre Blicke trafen sich, und Sakura senkte rasch den Kopf.
 

„Es tut mir sehr leid“, sagte sie, ganz überwältigt von seinem finsteren Gesichtsausdruck. „Das… Das war nicht meine Absicht. Die Menschen im Aufzug haben… Ich.“ Wan hatte sie so viel auf einmal gestottert? Wie lange war das her?
 

„Es ist schon in Ordnung“, schnitt er ihr das Wort ab. „Holen Sie Spülmittel.“
 

Sie nickte und verschwand eilig, während er alleine im Büro zurückblieb und den Abdruck kopfschüttelnd betrachtete. Er überraschte ihn selbst, dass er sich so gut hatte zusammenreißen können, schließlich war das Hemd, das er gerade trug, sein liebstes.
 

Jemand klopfte und Madara sah durch den durchsichtigen Teil der Tür, dass es Izuna war. Izuna konnte den Abdruck ruhig sehen.
 

„Ich wundere mich, dass Frau Haruno noch nicht da ist“, sagte er, als er eintrat. „Was ist denn das? Ist das Lippenstift?“ Izuna lachte. Er hatte seinen Bruder lange nicht mehr aufgezogen, das musste er noch nachholen. „Und vor Monaten hast du mir erzählt, dass du von Frauen die Nase voll hast. Hast du deine Meinung geändert?“
 

Obwohl Madara wusste, dass Izuna scherzte, gab er sich sehr gereizt. Er erklärte Izuna die Situation.
 

„Herrlich“, kommentierte sein jüngerer Bruder.
 

In diesem Augenblick ertönte ein Klopfen, und nachdem Madara die Erlaubnis zum Eintreten erteilt hatte, schlüpfte Sakura ins Zimmer wie eine panische Maus. „Ich habe Spülmittel gefunden“, verkündete sie triumphierend. Als sie Izuna bemerkte, sagte sie zu ihm gewandt: „Es tut mir sehr leid, dass ich an meinem ersten Ausbildungstag nicht pünktlich bei Ihnen war. Wirklich! Das kommt nie wieder vor.“
 

„Es ist schon in Ordnung, Frau Haruno“, winkte Izuna ab. „Ich werde nach unten gehen, kommen Sie, wenn Sie fertig sind.“
 

Er ging, und Sakura starrte Madara an. Theoretisch müsste er sich das Hemd ausziehen. Theoretisch. Madara hatte bei dem Wetter nichts drunter, weswegen das Entfernen des Lippenstifts sich als etwas umständlich gestalten würde.
 

Sie bat Madara, ein Papiertuch unter sein Hemd zu schieben. Während sie den Abdruck mit Spülmittel bearbeitete, beobachtete er kritisch ihr Tun. Er hoffte, dass die junge Frau wusste, was sie da tat. Nicht, dass sie das Ganze noch schlimmer machte, als es schon war.
 

Aber Sakura ging sehr bedacht und vorsichtig vor, weswegen auf dem Hemd am Ende nur ein nasser Fleck zurückblieb.
 

„Er wird bei diesem Wetter schnell trocknen“, informierte Sakura ihn und lächelte angestrengt. Sie hatte den Blickkontakt zu Madara die ganze Zeit über erfolgreich vermieden.
 

„Gut. Sie können gehen.“
 

Sakura nickte und verschwand eilig. Auf dem Weg zu dem Büro, das sie sich mit Izuna teilen würde, klopfte ihr Herz wie verrückt und sie dankte den Göttern, dass sie heil aus dieser Situation herausgekommen war.

Konversation im Fahrstuhl


 

*
 

In der Pause schrieb Sakura Ino, was ihr zugestoßen war. Noch immer konnte sie es nicht glauben, was im Aufzug passiert war. Sakura dachte daran, wie sie mit dem Spülmittel hantiert hatte, ohne nachzufragen oder nachzusehen, um welchen Stoff genau es sich bei Madaras schneeweißem Hemd gehandelt hatte. Sie war dafür zu durcheinander gewesen. Ein Glück war nichts schiefgelaufen.
 

Ino antwortete mit einer Vielzahl an Smileys, die geschockte oder belustigte Ausdrücke zeigten, bevor sie schrieb: ]Wenigstens bist du nicht mit dem ganzen Gesicht rein, sonst hättest du ihm noch eine Schicht Foundation hinterlassen.
 

Sakura blähte ihre Wangen auf, legte das Mobiltelefon beiseite und schloss die Augen. Der Miniaturventilator, der auf ihrem Tisch stand, wehte eine leichte Brise in ihre Richtung. Es war sehr warm geworden, und da die Fenster in ihrem und Izunas Büro auf die Sonnenseite gingen und draußen sich kein einziges Blättchen regte, würde das Öffnen jener nur warme Luft ins Zimmer tragen. Nicht gerade die Lösung des Problems.
 

Sakura sah auf die Uhr. Sie hatte noch eine gute halbe Stunde Pause und beschloss, sich draußen ein wenig die Beine zu vertreten. Wenn man der linken Straße beim Verlassen des Gebäudes folgte, kam man nämlich zu einer kleinen Allee, die Schatten spendete.
 

Die Treppen befanden sich immer noch in Reparatur; man würde sie voraussichtlich morgen erst zum Begehen freigeben.
 

Sakura kaufte sich einen kühlen Kaffee am Automaten neben dem Aufzug. Sakura gehörte nicht zu den Menschen, die ihren Kaffee am frühen Morgen tranken. Sie trank morgens lieber einen Tee, und am Nachmittag gönnte sie sich Kaffee.
 

Im Aufzug sollte sie auf Madara treffen. Ihr Gesichtsausdruck in dem Augenblick, als sie in den Aufzug stieg, war vergleichbar mit dem Emoji, dessen Lippen zu einem dünnen Strich geformt waren.
 

Madara stand an der Wand gelehnt, haargenau in der Mitte, in der Hand eine Zigarettenpackung, und Sakura stellte sich in die Ecke rechts von ihm, nervös gegen ihren Kaffeebecher tippend, als sich die Aufzugstüren schlossen und der Fahrstuhl nach unten fuhr.
 

Madara schielte zu ihr hinüber, entdeckte Spuren des moosrosenfarbenen Lippenstifts, mit dem er heute Morgen Bekanntschaft hatte machen dürfen, und trat ein Stück zur Seite. Zwar waren sie die einzigen Menschen im Aufzug und sicherlich war das Zurückweichen unnötig gewesen und hatte Sakura irritiert, aber lieber ging er auf Nummer sicher, bevor er ein zweites Mal an diesem Tag von Sakuras Lippen getroffen, oder mit Kaffee begossen wurde.
 

Toll, ging es Sakura durch den Kopf. Er hielt sie für einen unberechenbaren Tollpatsch, obwohl sie das nicht war. Es war ja nicht einmal ihre Schuld gewesen, dass sie sein Hemd geknutscht hatte.
 

Abrupt kam der Aufzug zum Stehen. Die Lampe über ihren Köpfen erlosch für einen Augenblick, nur um dann mit einer merkwürdigen Intensität wieder aufzuleuchten. Ein seltsames Rauschen erreichte ihre Ohren, und Madara grunzte genervt. Sie steckten fest.
 

„Na wunderbar“, machte er seinem Ärger Luft und betätigte sogleich ungeduldig mehrere Male die Notruftaste.
 

Die Treppen gingen nicht und nun ging einer der Aufzüge kaputt. Zum Teufel mit der Technik, dachte er sich erbost und sah zu Sakura hinüber, die ebenfalls nicht sonderlich begeistert zu sein schien. Abermals legte sich sein Blick auf die moosrosenfarbene Spur an der Trinköffnung von Sakuras Kaffeebecher. „Ich verstehe nicht so recht, weshalb Frauen Lippenstift nutzen, wenn er im nächsten Moment überall sein kann.“
 

Er wusste nicht, was ihn geritten hatte. War es die Situation von heute Morgen? Der Fakt, dass er ausgerechnet heute, wo er überdurchschnittlich gereizt war, in einem Aufzug stecken blieb?
 

Unwillkürlich dachte er an Nobuko. Sie war eine passionierte Lippenstiftsammlerin gewesen und hatte sicherlich weit über fünfzig Stück besessen. Kurioserweise hatte sie nur zwei oder drei regelmäßig benutzt, der Rest war nur selten in Aktion gewesen. Nun, man musste das gewiss nicht verstehen. Ebenfalls musste man es nicht verstehen, weshalb Frauen fremdgingen, anstatt sich zu trennen und sich erst dann jemand Neues suchen.
 

Madara war mindestens genauso verbittert wie Sakura, nur hatte er nicht alle Frauen seit dem Tag lauthals über einen Kamm geschoren, wie Sakura es seit Kurzem mit Männern zu tun pflegte. Dafür kongruierte seine Einstellung zum Thema mit der von Sakura.
 

Sakura antwortete nicht sofort. „Wenn ich langanhaltende und kussechte Lippenstifte auftrage, trocknen sie im Laufe des Tages die Lippen aus.“ Ihr Gesicht glich mittlerweile eins zu eins einem Emoji. Es fehlte nur noch die intensive gelbe Farbe. Sie hatte nicht gewusst, was sie sonst hätte sagen können. Schweigen hatte sie für unhöflich befunden, und vom Thema ablenken, das war ihr kein Stück besser erschienen.
 

Madara sah sie an und blinzelte, so als stellte er seine eigene auditive Wahrnehmung infrage. Gerade in diesem Augenblick meldete sich eine Stimme durch die Sprechanlage, die ihnen mitteilte, dass man den Aufzug voraussichtlich in fünfzehn Minuten wieder zum Laufen bringen werde.
 

Madara trat leicht gegen die nächstbeste Wand des Aufzugs und entnahm eine Zigarette aus der Packung. Er spürte Sakuras Blick auf sich ruhen und sah sie an. Ihr Blick löste sich von seiner Person und fiel auf das Piktogramm neben Madaras Kopf, das aussagte, dass hier nicht geraucht werden durfte. Unzufrieden packte Madara die Zigarette weg und fragte: „Wissen Sie schon, was Sie nach den drei Jahren machen wollen, Frau Haruno?“
 

Nicht, dass es ihn aufrichtig interessierte; er musste etwas mit seinen Lippen machen, sonst würde er wahnsinnig werden. Seit der Trennung von Nobuko rauchte er mehr und überwiegend zu festen Zeiten. Bevor sie sich kennengelernt hatten, hatte er vielleicht einmal alle paar Monate geraucht, und Monate später wurde es jede Woche eine. Mittlerweile waren es zwei am Tag.
 

Sakura, die das Feststecken im Aufzug recht gelassen hinnahm, dafür aber von Madaras Präsenz eingeschüchtert war, nippte an ihrem Kaffee und sagte: „Das weiß ich noch nicht. Ich weiß, dass ich die Möglichkeit habe, danach zu studieren. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das möchte, oder ob ich mich fortbilden lasse.“ Sie blickte auf die verschlossenen Türen vor ihr. „Ob zum Steuerfachwirten oder zum Bilanzbuchhalter, das weiß ich noch nicht. Ich werde zuerst die drei kommenden Jahre in Angriff nehmen.“
 

Madara nickte. „Ich selbst habe nach meiner Ausbildung studiert. Das würde ich auch jedem empfehlen. Eine Ausbildung und ein Studium sichern einen im Leben ab. Selbst wenn das Studium dann in eine andere Richtung geht als die Ausbildung, hat man einen Plan B, wenn Plan A scheitern sollte.“
 

Ein ganz so unangenehmer Zeitgenosse, wie es der erste Eindruck einem vermittelte, schien Madara nicht zu sein. Vielleicht war das aber auch nur ein Ausnahmemoment. Jedenfalls war Madara ein Mann, und in Sakuras Kopf ein verdorbenes Exemplar. Sie konnte nicht anders, als Vermutungen über sein Privatleben anzustellen, und diese Vermutungen waren alles andere als schön. Obwohl er mit ihr ganz normal gesprochen hatte, wurde ihr der Aufenthalt mit ihm im Aufzug nun langsam sehr unangenehm.
 

Madara hingegen nahm Sakura nicht als eine Frau wahr, sondern als einen Menschen, der in der Kanzlei angestellt war. Frauen waren für ihn gestorben. Er bemerkte ihr Unwohlsein. „In zehn Minuten sollten wir hier raus sein“, sagte er in dem Glauben, dass der lange Aufenthalt in so einem engen Raum an ihren Nerven zehrte.
 

Sakura lächelte leicht.
 

Sie würde nie wieder einem Mann vertrauen können, da war sich Sakura sicher. Selbst wenn sie irgendwann in vielen, vielen Jahren wieder in den Genuss der Nähe eines Mannes kommen sollte, würde sie schnell misstrauisch werden. Vielleicht würde sie sogar zu einem wahnsinnigen Kontrollfreak mutieren, weil man sie in der Vergangenheit einmal belogen und betrogen hatte, und dann würde ein Unschuldiger darunter leiden… Nein, nein. Unschuldige Männer gab es nicht. Ohne sich dessen bewusst zu sein, zerdrückte Sakura den mittlerweile leeren Kaffeebecher in ihrer Hand. „Unschuldige Männer gibt es nicht“, murmelte sie gedankenverloren.
 

Madaras Augenbraue wanderten in die Höhe. „Wie meinen Sie das, Frau Haruno?“
 

Ihr Kopf flog zu Madara. Mit großen Augen sah sie ihn an. Jetzt erst wurde ihr klar, dass sie ihre Gedanken ausgesprochen hatte. „Entschuldigen Sie bitte“, sagte sie schnell, „ich habe nur laut nachgedacht.“
 

Der Fahrstuhl setzte sich plötzlich in Bewegung und blieb im Erdgeschoss stehen. Madara steuerte direkt den Ausgang an, die Zigarette bereits gezogen. Er dachte über Sakuras Worte nach; als er sich die Zigarette anzündete, verschwanden die Gedanken, so als hätte er sie mit dem Rauch aus seinem Mund geblasen.
 

Sakura war wieder nach oben gefahren, mit dem anderen Aufzug. Jetzt war es zu spät, um noch einen gemütlichen Spaziergang durch die Allee zu machen. Sie setzte sich hinter ihren Tisch und wartete auf Izunas Ankunft.
 

Als er kam, hatte er einen prall gefüllten Briefumschlag bei sich.
 

„Ich soll ihn persönlich abliefern?“, wunderte sich Sakura, als sie den Umschlag in die Hände gedrückt bekam.
 

„Ja. Für gewöhnlich kommt das erst nach dem Telefondienst, aber ich vertraue Ihnen. Zumal der Kunde quasi um die Ecke wohnt. Wir legen von uns aus nicht allzu viel Wert auf persönliche Übergabe, aber dieser Kunde möchte das. Er hat sich immer schon gefreut, wenn man ihm Unterlagen brachte.“
 

Sakura nickte und sah auf die Adresse. Eine Massagepraxis. Sakura kannte sie. Mikoto hatte sie ihr empfohlen. Sie musste die Allee ganz runter und dann nach links abbiegen.
 

Sie brachte den Umschlag in ihre Tasche unter und hing sie sich über die Schulter. Da Izuna meinte, sie müsse sich nicht zu sehr beeilen, beschloss sie, gemütlichen Schrittes die Allee herunterzuspazieren. Amüsiert dachte sie bei sich: Dann hat das heute doch noch mit dem Spaziergang geklappt.
 

Der Nachteil an ihrem Beruf war, dass sie viel sitzen musste. Aber fast den ganzen Tag sitzen war weniger schlimm als den ganzen Tag lang zu stehen und hinzukommend weitere Muskelarbeit zu verrichten, wie beispielsweise in einem Lager. So ein Spaziergang zum Mandanten tat gut. Allzu oft kam da allerdings nicht vor.
 

Duftende Rosenbüsche wuchsen neben der kleinen Treppe, die zum Eingang in die Massagepraxis führte. Neben der Massagepraxis war hier ein Zahnarzt. Sakura klingelte. Die Tür neben ihr ging auf und heraus kam niemand Geringeres als Mikoto Uchiha. Sie hatte Sakura längst erspäht und hatte ihren Augen erst nicht trauen wollen.
 

„Hallo, Sakura“, grüßte sie die ehemalige Freundin ihres jüngsten Sohnes, die ihr so sehr ans Herz gewachsen war.
 

Was machte sie hier? Wieso war sie nicht auf der Arbeit? Hatte sie etwa frei? In diesem Moment wurde Sakura bewusst, wie froh sie war, dass sie sich dagegen entschieden hatte, ihre Ausbildung in der Kanzlei zu machen, in der auch Mikoto arbeitete. Der Platz wäre ihr sicher gewesen. Aber Sakura hatte sich Sorgen gemacht, dass etwas bei ihr schiefgehen könnte und man dann Mikoto dafür verantwortlich machen würde. Deshalb hatte sie auch abgelehnt – und von Mikoto erstaunlich viel Verständnis erhalten, obwohl Sasukes Mutter natürlich überzeugt gewesen war, dass Sakura keine groben Fehler machen würde.
 

Unfähig sich zu bewegen, starrte Sakura Mikoto an. „H-Hallo“, brachte sie dann endlich hervor. „Eh, ich muss… Ich muss das hier abgeben, Frau Uhiha.“ Sakura hoffte inständig, dass sie damit einem Gespräch entkommen konnte; Sakura konnte nämlich genau sagen, dass Mikoto reden wollte.
 

„Oh“, machte Mikoto, die die Tür ins Gebäude offen hielt. „Ja, natürlich. Ich möchte dich nicht aufhalten.“ Sie machte eine kurze Pause, die Position ihrer Finger am Türknauf ändernd. „Ich möchte mit dir reden. Unter vier Augen. Ich lade dich auf einen Kaffee an. Ich weiß, was mein Sohn getan hat.“
 

Sakuras Gesicht glühte. Ihr erster Ausbildungstag und es war bis jetzt so viel passiert, mehr als in den letzten Monaten zusammen. Sakura war überfordert. Sie wollte Mikoto anschreien, aber sie wusste, dass Mikoto in diese Sache nicht verwickelt sein konnte und sie einander nur zufällig begegnet waren. Sakura wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie schluckte und ließ die Augen hin und her wandern. Sie dachte nach, wog ab. „Gut“, sagte sie dann. „Aber nur unter der Bedingung, dass Sie Sasuke von dem Treffen nicht erzählen.“
 

„Einverstanden.“
 

Eilig und ohne viele Worte speicherte Sakura Mikotos Nummer in ihr Mobiltelefon. Sie verabschiedeten sich flüchtig und Sakura konnte die Aufgabe erledigen, die man ihr aufgetragen hatte.
 

Den Weg zurück legte sie, erschöpft von den Vorkommnissen des bisherigen Tages, mit der Straßenbahn zurück, die eingefahren war, als Sakura aus dem Gebäude gekommen war.

Zwei Frauen


 

*
 

Sakura fühlte sich ganz und gar nicht wohl. Sie wartete auf Mikoto und trat von einem Fuß auf den anderen. Am liebsten wäre sie weggelaufen, hätte Mikotos Nummer blockiert und wäre ihr in den nächsten Jahren immer aus dem Weg gegangen. Irgendwann würde sie dann umziehen, in eine andere Gegend, am Stadtrand, und müsste sich dann keine Sorgen mehr darum machen, einem aus Sasukes Familie zu begegnen.
 

Aber Sakura wusste, dass es nicht so weitergehen konnte. Sie konnte vor Mikoto nicht fliehen, nicht Jahr um Jahr. Daneben wollte sie nicht umziehen oder sich eine neue Arbeitsstelle suchen. Zumindest nicht im Moment. Und Mikoto war schon die harmloseste Uchiha-Person, der sie auf der Straße begegnen konnte. Sakura war froh darüber, Sasuke bis jetzt kein einziges Mal begegnet zu sein. Sie wusste nicht, wie sie reagieren würde, wenn sie mit diesem Kerl zusammenstoßen würde.
 

Es waren dreiundzwanzig Grad und Sakura trug ein ärmelloses Kleid. Die große Uhr, vor der sie stand, zeigte 17:30 Uhr an, und eine Minute später sah Sakura Mikoto zwischen all den anderen Menschen.
 

Sie hatten abgemacht, sich am Freitag zu treffen – Sakura hatte am Freitag Schule und kam früh heim, genug Zeit, sich auszuruhen – und in ein Kaffeehaus zu gehen, das Bonzenviertel herunter und dann noch ein Weilchen geradeaus. Mikoto meinte, dass es an diesem Ort ruhig zuginge und sie sich dort am besten unterhalten könnten.
 

Fünfzehn Minuten später saßen sie im Kaffeehaus. Auf dem Weg hierher hatten sie über nichts Besonderes gesprochen; über Alltägliches, wie die shoppingwütige Menschenmenge in den Straßen, über das Wetter, über die Arbeit. Mikoto schien Sakura immer noch sehr gerne zu haben, denn sie beteuerte, wie froh sie war, dass Sakura sich für so einen sicheren Beruf entschieden hatte.
 

Die Einschulung war gut gewesen uns Sakura war bereits am ersten Tag mit einigen Mädels und Jungs ins Gespräch gekommen. Aus irgendeinem Grund wirkten sie alle sehr jung, sie hätte sie allesamt für Neuntklässler geschätzt, wenn sie ihr ihr Alter nicht verraten hätten. Sie waren nett, wenn auch ein wenig unreif auf den ersten Blick.
 

Das Kaffeehaus war ein antik wirkendes Café. Die Stühle waren dick gepolstert – Sakura hätte stundenlang auf ihnen sitzen können, so bequem waren sie. Ein köstlicher Duft stand im Raum, ein Komposition aus Kaffeebohnen und süßem Gebäck. Zwischen den Tischen herrsche angemessener Abstand und um sie herum saß keiner; die meisten hielten sich draußen auf.
 

Sakura bestellte sich einen Kaffee und staunte, als man sie fragte, welche Schokolade sie dazu haben wollte. Offenbar konnte man sich hier Schokolade in den Kaffee mischen, und hinzukommend gab es unterschiedlich Arten von Sirup, unter anderem Karamell, Kokos und Walnuss, mit denen man sein Getränk anreichern konnte.
 

Sakuras Laune hob sich alleine deshalb deutlich an.
 

Sobald man ihnen ihre Bestellung brachte, beschloss Mikoto, dass es an der Zeit war, über das zu sprechen, weswegen sie sich in erster Linie getroffen hatten.  
 

„Sasuke hat etwas sehr Schlimmes getan, keine Frage“, sagte Mikoto mit Bitterkeit in der Stimme. „Mein Mann und ich wunderten uns eines Tages, weshalb du so lange nicht zu uns kamst, und irgendwann stellten wir Sasuke zur Rede. Er nannte uns eine Vielzahl vermeintlicher Gründe, weshalb du nicht mehr zu Besuch kommst, aber wir beide hatten von Anfang an das Gefühl, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht…“
 

Und ob, dachte Sakura sich und nippte an ihrem Kaffee – er war wirklich gut. Sie würde Mikoto erst zuhören, bevor sie etwas selbst sagte. Einerseits wollte sie viel sagen, andererseits… Andererseits: Weshalb sollte sie Mikoto sagen, wie verletzt sie gewesen und wie verbittert und misstrauisch sie nun war? Ersteres konnte sich die gute Frau auch selbst denken, mit Letzterem wollte sie nicht gerne hausieren gehen, weil sie glaubte, dass sie von Mikoto das Gleiche zu hören bekäme wie von Ino.
 

„Wir sahen dich schon als Schwiegertochter in spe an und hatten den Eindruck, dass Sasuke sehr glücklich ist mit dir“, fuhr Mikoto fort und stellte ihre Tasse ab. Sie hatte sich ebenfalls einen Kaffee bestellt, aber nur mit gewöhnlichem Zucker, ohne Extras. „Er hielt die Fragerei irgendwann nicht aus und drehte halb durch. Da hat er zugegeben, dass er dich mit einer anderen Frau betrogen hat.“
 

Sakuras Herz verkrampfte sich. Weshalb tat es weh, nach all den Monaten so etwas zu hören? Das müsste sie doch kalt lassen, oder zumindest müsste sie etwas gelassener reagieren. Das Geschehen lag in der Vergangenheit, nicht in der Gegenwart. Oder hatte sie das Ganze noch nicht verarbeitet?
 

„Was glaubst du, was dann die kommenden Wochen los war. Fugaku stand kurz davor, Sasuke direkt zu enterben. Er konnte es kaum fassen, was sein Sohn getan hatte. Hatte er die Fragerei zu deiner Person und deiner Abwesenheit satt, wurde er mit neuen Fragen bombardiert. Es waren Fragen zu seinen Gründen. Weshalb er dich betrogen hatte.“ Mikoto machte eine kurze Pause und blickte mit einem blassen, traurigen Lächeln von Sakura zu ihrem Kaffee. „Wir haben bis heute keine Ahnung, weshalb er das getan hat. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass er selbst nicht so recht weiß, weshalb er es getan hat.“
 

Mikoto hatte Sasuke nicht nur einmal aufgefordert, darüber nachzudenken, was er getan hatte, wie man es bei einem Kind tat, das das Ausmaß seiner Tat noch nicht gänzlich begriffen hatte. Sasuke hatte jedes Mal sehr genervt reagiert und ihr versprochen, darüber nachzudenken. Ob er es in seinem Hinterstübchen wirklich tat, das stand in den Sternen.
 

„Wir lieben Sasuke alle immer noch sehr. Aber wir werden ihm das nie verzeihen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Sasuke keine gravierenden Fehler gemacht, umso größer ist dieser eine Fehler.“ Mikoto sah Sakura fest in die Augen. „Ich finde es gut, dass du ihm nicht verziehen hast, Sakura. Das ist nichts, was eine Frau verzeihen sollte. Das ist etwas, was keiner verzeihen sollte. Ich hoffe, du weißt, dass nicht nur Männer betrügen, sondern auch Frauen.“
 

Sakura nickte langsam und tippte gegen den Henkel der großen, weißen Tasse vor ihr auf dem Tisch.
 

„Ich bin Sasukes Mutter, deshalb klingt es vielleicht so eigen in deinem Kopf, aber wirklich, das ist nichts, was man verzeihen sollte.“ Mikoto leerte ihren Kaffee. „Fugaku denkt genauso wie ich. Bestimmt denkt auch Itachi wie ich. Vielleicht ist das zu viel, was ich mir erhoffe, aber ich hoffe, du und ich bleiben weiterhin in Kontakt. Mich würde es interessieren, wie es dir in Zukunft ergehen wird, wie das mit der Arbeit und der Schule laufen wird. Ich werde es akzeptieren, wenn du ablehnst. Aber ich möchte nicht wegen der Dummheit meines Sohnes auf eine so tolle Person im Leben verzichten.“ Sie lachte kurz auf. „Auch wenn ich schon etwas älter bin als du.“
 

„Ich… Ich weiß es nicht“, murmelte Sakura. Sie spürte, wie ihr etwas hochkam. Sie konnte es nicht zurückhalten.
 

Die Bedienung kam und Mikoto hatte sich spontan dazu entschieden, sich ein Gebäckstück zu bestellen. Sakura dagegen hatte noch nicht einmal ihren Kaffee ausgetrunken.
 

„Frau Uchiha, ich… Ich bin verbittert“, kam es nur wenige Augenblicke später über Sakuras Lippen.
 

Mikoto sah sie überrascht an.
 

„Ich traue keinem Mann über den Weg. Die letzten Tage, als ich nach der Arbeit oder der Schule im Bett gelegen habe, habe ich darüber nachgedacht, wie sehr ich mich nach Zärtlichkeit und Liebe sehne. Das fehlte mir die letzte Zeit mehr als jemals zuvor. Ich weiß nicht, wieso ausgerechnet jetzt. Aber ich bin nicht bereit, ich bin einfach nicht bereit dazu, ich habe die Nase immer noch voll. Und ich glaube, ehrlich gesagt, dass ich dazu niemals bereit sein werde. Ich sehe Männer nur noch als Schweine an. Im selben Atemzug sehne ich mich nach Nähe und Zuneigung. Wo ist denn da bitte der Sinn?“ Als sie die letzten Worte gesprochen hatte, hatte sie die Stimme gesenkt und die Brauen zusammengezogen.
 

„Das ergibt durchaus Sinn“, erwiderte Mikoto zu ihrer Verwunderung. „Weißt du, bevor ich Fugaku kennen lernte, hatte ich das eine oder andere Mal danebengegriffen. Als das erste Mal Schluss war, bevor es noch zu irgendetwas kommen konnte, wenn du verstehst, dachte ich mir, dass es eben Pech war. Als das zweite Mal Schluss war, da wollte ich nichts von der Männerwelt wissen. Es vergingen vier, fünf Monate. Ich war über diesen einen Mann hinweggekommen. Es etablierte sich bei mir ein sehr schlechtes Bild von Männern, wo ich zwei von... Na, wie viele Männer gibt es in dieser Welt?“
 

„… Viele.“
 

„Wo ich eben nur zwei von ihnen kennen lernte. Dennoch lag ich nachts da und dachte daran, wie schön es eigentlich ist zu lieben und geliebt zu werden und Zärtlichkeiten auszutauschen. Ich lernte bald Fugaku kennen. Wir wurden erst Freunde und dann zu Liebenden.“
 

Ganz bewegt sah Sakura Mikoto an und konnte es nicht fassen, was die Mutter ihres Ex-Freundes ihr alles aus ihrem Leben anvertraut hatte. Das war keine Selbstverständlichkeit, dass Menschen so viel von sich preisgaben.
 

„Ich möchte dich zu nichts animieren“, stellte Mikoto klar. „Betrogen werden hinterlässt eine tiefe Narbe im Herzen und man wird natürlich misstrauischer und hinterfragt viel. Ich wurde nie betrogen, das Vertrauen war für eine Zeitlang dennoch weg. Aber ich weiß, dass es dort draußen einen Menschen gibt, dem du zu vertrauen lernen wirst. Ich hätte Fugaku nie auf Anhieb vertraut, wenn wir innerhalb kürzester Zeit zusammengekommen wären. Wir hatten eine lange freundschaftliche Entwicklung hinter uns.“
 

Sakura nickte und trank einen Schluck von ihrem Kaffee.
 

Man hatte für heute Abend Gewitter angekündigt, und so verwunderte es keine der beiden Frauen, als Wolken aufzogen und es kurze Zeit später donnerte und blitzte. Der Regen ließ nicht lange auf sich warten und kam in Strömen. Er prallte gegen die Fenster und floss die Scheiben in wunderlichen Mustern herab wie ein Wasserfall. Einige, die draußen gesessen hatten, zogen in das Innere des Cafés um.
 

„Hat Sasuke nach wie vor keine Schwierigkeiten mit seinem Studium?“, wollte Sakura wissen.
 

Mikoto schüttelte den Kopf. „Nein, es läuft alles weiterhin sehr gut für ihn.“
 

Mikoto war froh, dass Sakura nicht fragte, wie Sasuke mit der Trennung umgegangen war. Alles, was sie mitbekommen hatte, war Gereiztheit. Sasuke war gereizt gewesen, weil es aufgeflogen war, dass er parallel zu Sakura eine andere Frau an seiner Seite gehabt hatte. Sicher war es bereits Monate her, seit sie sich getrennt hatten. Aber Mikoto fand dennoch nicht, dass sie Sakura davon in Kenntnis zu setzen brauchte.
 

„Wissen Sie, ob er mit dieser… Dieser Frau zusammen ist? Wissen Sie vielleicht, wer sie ist?“, fragte Sakura weiterhin. Nach Mikotos Erzählung über ihr Liebesleben war Sakura warm geworden und hatte die Scheu vor Mikoto abgelegt.
 

„Soweit ich das weiß, haben sie weiterhin ein Verhältnis. Welcher Natur genau, kann ich nicht sagen. Wer sie ist und wie sie heißt, das wissen wir nicht. Das ist zum Tabu-Thema geworden nach Fugakus großem Ausbruch. Ich hätte übrigens nie erwartet, dass ihn das so sehr mitnimmt.“ Mikoto nickte zur Bekräftigung ihrer eigenen Worte. „Es war klar wie Kloßbrühe, dass er nicht begeistert sein würde, aber dass er Sasuke gegenüber tatsächlich laut werden würde und ihn beinahe enterbt hätte, damit hätte keiner gerechnet.“
 

Weshalb hast du das nur getan, Sasuke?, ging es Sakura durch den Kopf. War sie ihm einfach nicht genug gewesen, obwohl sie ihm ihr Herz geschenkt hatte?
 

„Wir wissen nicht einmal, wie sie aussieht. Sasuke ist natürlich nicht so töricht und bringt sie zu uns nach Hause. Er trifft sie offenbar immer nur außerhalb oder bei ihr.“ Mikoto seufzte. „Wir wissen wirklich nicht, ob du die einzige Frau bist, der er so übel mitgespielt hat.“ Mikoto biss sich auf die Unterlippe. Ja, sie liebte ihren Sohn. Aber sie schämte sich für ihn sehr und hoffte, dass er, wenn nicht jetzt, dann im späten Leben schwer bereuen würde. Sie hoffte, dass es nur eine Phase war und er nicht für den Rest seines Lebens auf diese Art und Weise mit Frauen umging.
 

Der Regen versiegte, der Himmel blieb jedoch grau.
 

„Falls es dir nichts ausmacht, werde ich jetzt gehen. Ich habe noch etwas vor“, sagte Mikoto und winkte die Bedienung heran, um zu bezahlen. Obwohl Sakura sich mit Händen und Füßen dagegen wehrte, bezahlte Mikoto ihre Bestellung mit.
 

„Du hast meine Nummer, Sakura. Wann immer dich etwas bedrückt, kannst du mir schreiben und mir dein Herz ausschütten. Sasuke wird davon nie etwas erfahren.“ Sie tätschelte Sakuras Hand. „Ich bin dir allerdings nicht böse, wenn du dich dagegen entscheidest und dich lieber deinen Freundinnen anvertraust.“
 

Sie verließen gemeinsam das Café, und als Mikoto Sakura zum Abschied die Hand reichte, umarmte Sakura sie. Zwar nicht so herzlich wie damals, als sie sie besucht hatte, aber diese Geste gab Mikoto zu verstehen, dass Sakura sie aus ihrem Leben nicht verbannen wollte.
 

Sie trennten sich noch vor dem Kaffeehaus, und Sakura schlug den Weg zur U-Bahn ein.
 

Mikoto war eine erwachsene Frau und hatte viel Lebenserfahrung. Zwar war Sakura noch keinesfalls bereit, sich auf jemanden einzulassen, aber sie war ein Stückchen weniger verbittert. Sie konnte allerdings nicht mit Sicherheit sagen, ob sie sich nur für den restlichen Tag so fühlte oder Mikoto ihr das Leben tatsächlich etwas erträglicher gemacht hatte.

Ein Gerücht


 

*
 

Als Madara den Aufzug betrat, richteten sich sämtliche Blicke kurz auf ihn, bevor jeder den Kopf zur Seite drehte oder zur Seite wandte. Es war auffällig, dass sie einen unauffälligen Eindruck erwecken wollten; es fehlte nur noch, dass sie anfingen zu pfeifen.
 

Bereits heute Morgen, als er in den Aufzug getreten war, um in die obere Etage zu fahren, hatte er das Gefühl gehabt, dass etwas nicht stimmte: Alle um ihn herum hatten geschwiegen und ihm ab und an verstohlen geglaubte Blicke zugeworfen. Er hatte das dumpfe Gefühl gehabt, dass es um ihn ging; dass sie etwas über ihn wussten, das er selbst noch nicht wusste. Und das füllte ihn nicht gerade mit positiven Empfindungen.
 

Madara wollte zu Izuna. Mit eiligen Schritten bewegte er sich durch den Gang, gelegentlich nach links und rechts schauend. Er glaubte, nicht richtig sehen zu können, als er merkte, wie zwei Weibsbilder zu ihm sahen und offensichtlich tuschelten. Aber Madara hielt nicht an, sondern beschleunigte seine Schritte und platzte beinahe schon voller Wut in Izunas Zimmer herein.
 

Während Sakura, die brav die Buchführung gemacht hatte, erschrocken zusammenzuckte, schielte Izuna seelenruhig zu Madara und fragte: „Stimmt etwas nicht, Madara?“
 

„Dort draußen wird getuschelt“, antwortete Madara ohne Umschweife wie ein kleiner Junge seiner Mutter und setzte sich auf die Kante von Izunas Tisch. „Über mich. Etwas ist im Umlauf, das rieche ich.“
 

Izuna schmunzelte und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Du hast eine ausgezeichnete Nase, also muss da was dran sein. Bist du dir sicher, dass es etwas mit dir zu tun?“  
 

„Ja doch. Du musst für mich rausfinden, was da im Gange ist.“ Er sah zu Sakura hinüber, die ihn mit ihren grünen Kuhäuglein ansah. „Wissen Sie irgendetwas, Frau Haruno?“, wandte er sich an sie, und als sie den Kopf schüttelte, fuhr er sich durch das Haar.
 

Kurz vor der Pause kam Izuna zu ihm hoch, und obwohl Madara ihn darum bat, die Tür beim Betreten nicht zuzumachen, schloss Izuna die Tür hinter sich. Sein Gesicht war ausdruckslos, als er zu Madaras Tisch trat. „Du hattest recht, es ist etwas im Umlauf. Und es hat tatsächlich was mit dir zu tun.“
 

„… Und?“, fragte Madara gedehnt und voller Ungeduld. Er lehnte sich über den Tisch. „Was sagt man über mich? Spuck's aus, Izuna.“
 

Izuna rieb sich den Nacken. „Dass du mit Sakura Haruno ein Verhältnis am Arbeitsplatz hast.“
 

Madara blinzelte. Einmal, zweimal. Dass du mit Sakura Haruno ein Verhältnis am Arbeitsplatz hast. Dann quollen ihm die Augen beinahe aus den Höhlen. „Bitte was?“, fragte er ungläubig nach. „Was hast du da gerade gesagt? Ist das dein Ernst? Wieso ich? Wieso Sakura Haruno?“
 

„Na ja“, murmelte Izuna und wedelte mit den Händen. Madaras Reaktion, die nur so vor Zerstreuung zeugte, konnte er nur zu gut verstehen. „Weißt du noch, der Vorfall mit dem Lippenstiftabdruck? Jemand hat das mitbekommen und dieser jemand hat auch zufällig mitbekommen, wie ihr alleine im Aufzug stecken geblieben seid. Und dann hat dieser jemand offenbar auch noch mitbekommen, wie du dich mehr in ihrer Gegenwart aufhältst als in der Gegenwart anderer Auszubildender.“
 

Madara holte tief Luft, atmete ebenso tief aus und rieb sich dann die Augen. „Wer hat das Gerücht, dass ich etwas mit dem Mädchen am Laufen habe, in die Welt gesetzt? Wir müssen die Situation klären.“ Es war ihm mehr als unangenehm, als so jemand gesehen zu werden.
 

Madara Uchiha trennte seit jeher strikt Berufliches von Privatem, und wenn er eine Beziehung zu einer Ausbildenden hätte, würde er das nicht auf der Arbeit zum Besten geben, zumal es verboten war, Beziehungen am Arbeitsplatz zuschauzustellen. Das galt für den Geschäftsführer und für jeden Angestellten. Es störte das kollegiale Miteinander und lenkte nur ab.
 

„Das weiß ich nicht“, erwiderte Izuna. „Wenn wir denjenigen, der das Gerücht anhand von falschen Indizien in die Welt setzte, finden wollen, müssen wir schon jeden in diesem Haus prüfen. Ich erledige die eine oder andere Extraaufgabe für dich, aber das ist mir“, Izuna zog seine drei Finger ein und ließ den Zeigefinger über seinen Daumen schweben, „ein wenig zu viel Arbeit. Deshalb schlage ich dir diesen Wunsch vorab aus.“
 

Madara starrte ihn mit einem finsteren Blick an.
 

„Ist ja gut, ist ja gut“, wehrte Izuna ab. „Ich werde es ja machen.“
 

„Weiß Haruno davon?“
 

„Ich glaube nicht, nein. Ich habe sie nicht gefragt, aber sie benimmt sich nicht so, als würde sie etwas von der ganzen Sache wissen.“
 

Madara kratzte sich gestresst am Kopf. Er fragte sich, ob er Sakura davon unterrichten oder ob er ihr nichts erzählen sollte. Letztendlich entschied er sich dazu, sie von dem grassierenden Gerücht in Kenntnis zu setzen. Sie war betroffen und musste es wissen. Sollte er es ihr erzählen? Oder sollte er Izuna damit beauftragen?
 

„Die Pause hat begonnen. Du solltest Sakura davon in Kenntnis setzen“, richtete er das Wort an Izuna. Als Geschäftsführer wollte er nicht solche Botschaften überbringen.
 

„Gut“, antwortete Izuna und ging.
 

Madara lehnte sich zurück und dachte mit gerunzelter Stirn nach. Hielt er sich wirklich so oft in Sakuras Gegenwart auf, dass es schon verdächtig wirkte? Sakura war eine gute Auszubildende und er hatte sie einige Male dafür gelobt und ihr häufiger über die Schulter geschaut als den anderen. Alles andere waren zufällige Begegnungen gewesen, und kein einziges Mal hatten explizit private Angelegenheiten ihre Gespräche gefüllt.
 

Sakura war nicht mehr im Büro, als Izuna seinen Kopf durch den Türspalte steckte. Er ging davon aus, dass sie in die Küche gegangen war, weshalb er seine Füße sogleich in Bewegung setzte. Eigenartigerweise machte er sich Sorgen um sie. Aber war es wirklich eigenartig, sich Sorgen um seine Auszubildende zu machen? Vor allem, wenn sie das Ziel irgendwelcher Gerüchte wurde?
 

Uchiha&Co. beherbergte so einige weibliche Mitarbeiter, die Madara fanatisch aus der Entfernung anhimmelten, und Izuna traute auch einem Erwachsenen zu, sich wie ein verliebter Teenager aufzuführen und vermeintliche Konkurrenz auszuschalten. Sakura war als Neuankömmling eine gute Zielscheibe für den einen oder anderen.
 

Glaubte man, dass es einfach war, etwas zu beweisen und jemanden zu feuern, irrte man sich. Denn erstens waren besagte Angestellten sehr raffiniert in ihrem Vorgehen, und zweitens waren sie ausgesprochen gute Mitarbeiter.
 

Gerade als Izuna um die Ecke bog, um die Küche zu betreten, hörte er jemanden aufschreien. Zweifelsohne eine Frau. Zweifelsohne Sakura.
 

Als er in die Küche lief, hatte sich eine Traube aus Angestellten um Sakura und eine andere Mitarbeiterin versammelt, und Izuna musste sich seinen Weg durch die kleine Menge kämpfen wie auf einem überfüllten Marktplatz.
 

Auf Sakuras rosafarbener Bluse prangten dunkle Flecke. Es handelte sich zweifelsohne um Kaffee. Kaffee, den die andere Mitarbeiterin ausgeschüttet hatte.
 

„Es tut mir wahnsinnig leid, Frau Haruno“, plapperte die Angestellte, deren Ohren mit langem und funkelndem Schmuck behangen waren. „Das war ein Versehen. Ein Glück war der Kaffee nicht heiß!“ Sie stellte die leere Tasse auf eine Theke ab, und Izuna beobachtete, wie sie halbherzig nach Papiertüchern griff und sie Sakura reichte.
 

Izuna machte eine unzufriedene Miene und trat nach vorne. „Was ist hier passiert? Ist alles in Ordnung, Frau Haruno?“
 

Sakura lächelte gezwungen. „Es ist alles in Ordnung, Herr Uchiha. Es war ein Versehen“, erwiderte sie und tupfte mit den Tüchern über die großen Kaffeeflecken, die sich mittlerweile zu einem einzelnen großen zusammengetan hatten.
 

Izuna glaubte nicht an ein Versehen, aber er sprach es nicht aus. Er wusste nicht, ob Sakura selbst an ein Versehen glaubte oder sich das einredete.
 

„Kommen Sie kurz mit“, forderte er Sakura auf.
 

„Aber ich habe noch nicht gegessen“, erwiderte Sakura verwundert.
 

„Es wird nicht lange dauern, versprochen.“
 

Izuna führte sie in ein leeres Büro und schloss Tür und Fenster ab, was Sakura ein mulmiges Gefühl bescherte. Izuna bat sie, sich hinzusetzen, dem sie zögernd nachging.
 

„Das wird ein komisches Gespräch, Frau Haruno“, setzte Izuna sie vorab in Kenntnis. „Aber leider muss das sein. Wissen Sie, es kursiert das Gerücht, das Sie und meinen Bruder, Madara Uchiha, betrifft.“
 

Sakuras Augen weiteten sich und sie öffnete den Mund. „Bitte?“, gurgelte sie. „G-Gerücht? Welches Gerücht denn, Herr Uchiha?“
 

Izuna kam sofort auf den Punkt und gab erst dann die Gründe wieder, weshalb man vermutete, dass Sakura und Madara ein Verhältnis am Arbeitsplatz hatte.
 

Schließlich endete er mit Folgendem: „Und ich denke, ehrlich gesagt, dass man Ihnen den Kaffee mit hinterhältigster Absicht auf die Bluse geschüttet hat. Ich kenne diese Angestellte, sie hat eine Zeitlang für Madara geschwärmt, bis herauskam, dass er in einer Beziehung war. Jetzt ist er wieder solo und das ist irgendwie nach draußen gedrungen, weshalb einige Damen den Verstand verlieren drohen. Leider haben wir keinerlei Beweis dafür, dass es Absicht gewesen ist.“
 

Izuna nahm eine nachdenkliche Pose ein und sah zu Sakura hinüber. „Aber ich denke nicht, dass sie es war, die das Gerücht in die Welt gesetzt hat. Sie hat sich vor dem Gerücht nur provozieren lassen. Seien Sie bitte vorsichtig.“
 

Sakura fuhr sich gestresst durch das Haar. Sie würde definitiv ein Weilchen brauchen, um das Gesagte zu verarbeiten. Nicht nur, dass jemand es auf sie abgesehen zu haben schien, nein: Sie wusste nun, dass Madara Uchiha jetzt Single war. Wie informativ! Sie war auch Single. Dann konnten sie ja zusammen single sein, wenn schon solche bescheuerten Gerüchte verbreitet wurden, ohne etwas über die Person an sich zu wissen.
 

„Ich kann es nicht fassen“, murmelte sie und blickte auf den dunklen Fleck auf ihrer Bluse. „Sie hat sich nicht einmal vergewissert, dass das Gerücht wahr ist…“ Sakura brach ab und sah mit einem Lächeln zu Izuna. „Vielleicht war es wirklich nur ein Versehen.“
 

„Momentan können wir nur spekulieren und uns auf vergangene Begebenheiten stützen. Es mag sein, dass es keine Absicht gewesen ist, aber selbst dann würde ich bezweifeln, ob es ihr leid getan hat. Wie ich es bereits sagte: Seien Sie bitte vorsichtig. Ich werde investigieren und wir können die Sache dann klären.“
 

Sakura fühlte sich eigenartig. Ihre Brust fühlte sich schwer und warm. Sie nickte langsam.
 

Izuna öffnete die Tür des Büros und prüfte, ob jemand zu sehen war. Glücklicherweise war der Gang leer, weswegen er sogleich Sakura heranwinkte.
 

„Wir wollen ja nicht, dass die Gerüchteküche brodelt. Übrigens haben wir morgen kurz vor Schluss eine Versammlung. Aber wir gehen zusammen hin.“
 

Sakura nickte.
 

Izuna begleitete Sakura in die Küche und verbrachte die gesamte Pause mit ihr, die anderen Angestellten immer im Auge habend. Es verhielt sich keiner sonderlich verdächtig und die Kaffee-Übeltäterin war nirgendwo zu sehen. Vielleicht war sie hinausgegangen, um zu rauche und eine Runde zu drehen.
 

Die beiden gingen zusammen wieder ins Büro, wo sie auf Madara trafen, der mit vor der Brust verschränkten Armen an Sakuras Tisch lehnte.
 

Sakura errötete, da es ihr unangenehm war, Madara nach all dem, was ihr von Izuna erzählt worden war, hier anzutreffen. Sie. Ein Verhältnis oder Beziehung. Mit Madara. Mit einem Mann, den sie gerade erst kennen gelernt hatte und das nicht einmal auf persönlicher Ebene, sondern auf kollegialer. Gut, Izuna hatte ihr einige Dinge über sein Privatleben verraten, aber das machte sie nicht einmal zu Bekannten.
 

Sie redeten nicht über das Gerücht, und Sakura hatte Izuna gebeten, Madara von dem Kaffeevorfall vorerst nichts zu erzählen, was er beim kurzen Austausch mit Madara auch beherzigte.
 

Doch sobald Sakura und die anderen Auszubildenden gegangen waren, suchte Izuna Madara auf, um ihm von der Sache Bericht zu erstatten. Er bat Madara allerdings darum, Sakura gegenüber nichts zu erwähnen.
 

„Ich verstehe“, meinte Madara grimmig. „Hast du dich ein wenig umgehört?“
 

„Ja, natürlich. Du weißt doch, dass ich ein verlässlicher Informant bin.“
 

„Und?“
 

„Wie es aussieht, wissen über das Gerücht noch nicht alle Bescheid, aber man verbreitet sie fleißig weiter, hinter vorgehaltener Hand.“ Izuna lächelte. „Wie gut, dass ich meine Augen und Ohren überall habe. Freiwillig rausrücken würde damit keiner, nicht wenn sie wissen, dass der Bruder des Geschäftsführers vor einem steht.“
 

Madara trat ans Fenster und erblickte Sakura und eine andere Auszubildende. Sie gingen zusammen zur Haltestelle, da sie aber verschiedene Bahnen nehmen mussten, trennten sie sich dort.
 

Sakura setzte sich auf eine Bank und streckte die Füße aus. Sie dachte daran, dass der Kaffee entgegen der Worte der Angestellten heiß gewesen war.

Mädchen


 

*
 

Heute war Sakura für den Postdienst zuständig. Erst verteilte sie eingegangene Briefe und später sammelte sie Briefe ein, die heute verschickt werden mussten. Dafür musste sie nach Feierabend zur Post gehen. Wie genau sie das schaffen würde, wusste sie noch nicht, denn neben den Briefen musste sie heute auch vier Pakete verschicken.
 

Es waren prall gefüllte Ordner mit Unterlagen, die zurück an die jeweiligen Mandanten abgeschickt werden mussten. Sakura stapelte sie auf dem runden Tisch im Postraum, der mit natürlichem Licht erleuchtet war. In diesem Raum wurden Briefe und Pakete zum Versenden vorbereitet. In dem Schrank links von der Tür befanden sich Marken, kleine und größere Kartons, die man zusammenfalten musste, Stempel und Klebeband. Auf dem runden Tisch stand eine kleine Waage.
 

Sakura wollte gerade den ersten Brief abwiegen, als sie ein Klopfen vernahm.  
 

„Du hast was vergessen.“
 

Es war die Frau, die gestern Kaffee über ihre Bluse geschüttet hatte. Sie stand mit schräg gelegtem Kopf im Türrahmen; in der einen Hand hielt sie einen Brief, die andere hatte sie in die Hüfte gestemmt.
 

Sakura legte die Stirn in Falten. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie alle Briefe eingesammelt hatte. Sämtliche Briefe mussten auf eine Ablage abgeladen werden, damit sie sichtbar für denjenigen waren, der gerade Postdienst hatte. Sie konnte einfach in die Räume hineingehen und sich die Briefe nehmen.
 

Dennoch sagte Sakura nichts.
 

Die Frau trat an Sakura heran und legte ihr den Brief auf den Tisch. „Sei das nächste Mal aufmerksamer“, sagte sie in einem mütterlich-tadelnden Ton und verschränkte die Arme vor der Brust. „Kommst du alleine zurecht?“

„Ich denke schon. Ich habe das bereits zweimal gemacht.“
 

„Ich werde dich dennoch kurz beaufsichtigen“, erwiderte die andere lächelnd. „Du weißt schon. Vier-Augen-Prinzip!“
 

Will sie nett sein oder…? Unsicher kehrte Sakura ihr den Rücken zu und begann, die Briefe abzuwiegen. Als sie damit fertig war, drehte sie sich um und stellte fest, dass sie alleine war. Darüber war sie nicht allzu betrübt; die Gegenwart der Frau war ihr nicht ganz geheuer gewesen. Es war dennoch sehr beängstigend, dass sie geräuschlos wie ein Geist verschwunden war.
 

In Ruhe führte Sakura ihre Aufgabe aus und kehrte dann zu Izuna zurück, der auf ihren Tisch bereits einen Ordner abgelegt hatte.
 

„Buchen Sie alles bis zum gelben Klebchen“, lautete der neue Arbeitsauftrag.  
 

Es war 14:30 Uhr und Sakura war mit Schriftverkehr beschäftigt, als eine Sekretärin in der geöffneten Tür erschien. Sie klopfte gegen den Türrahmen und richtete Izunas und Sakuras Aufmerksamkeit auf sich.
 

Die Augen der Sekretärin waren gerichtet auf Sakura. „Eine ganze Rolle mit Briefmarken ist verschwunden“, sagte sie, ohne den Blick von der Auszubildenden zu nehmen.
 

Sakuras Augen weiteten sich. Sie öffnete den Mund, konnte aber im ersten Augenblick kein einziges Wort herausbringen. „Ich bin es nicht gewesen“, sagte sie dann langsam. Ihre Stimme war ruhig und sie blieb auf ihrem Stuhl sitzen; in ihrem Inneren dagegen drehten sich sämtliche ihrer Organe um und schickten eine furchtbare und unerträgliche Hitze durch ihren Leib. Sie hatte Mühe, die Fassung zu bewahren, und ihre Beine fühlten sich gelähmt an.
 

Izunas Blick pendelte gemächlich zwischen Sakura und der Sekretärin. „Sie haben Frau Haruno dabei aber nicht beobachtet, oder doch?“, wollte er wissen.
 

„Nein, das stimmt“, erwiderte die Sekretärin und runzelte die Stirn. „Ich denke, es wäre besser, wenn ich die Marken zu mir nehmen werde. Wenn Sie welche brauchen, kommen Sie runter zu mir.“
 

An die Briefmarken im Postraum konnte im Prinzip jeder herankommen. Dort gab es keine Kamera, eigentlich gab es nirgendwo in diesem Gebäude eine Kamera, was Izuna in diesem Moment bedauerte. Später auf der Versammlung würde er den Vorschlag unterbreitet, zumindest im Postraum und in den Archiven eine Kamera zu installieren.
 

„… Ich war es wirklich nicht“, sagte Sakura, sobald die Sekretärin verschwunden war. Sie klang unglücklich und verzweifelt.
 

Izuna lächelte aufmunternd. „Keine Sorge. Ich halte Sie nicht zu solchen Dingen fähig. Ich denke, da will man Ihnen nur eine Tat andrehen, die Sie nicht begangen haben.“
 

Sakuras Mundwinkel zuckten und Izuna betrachtete sie interessiert.
 

„Haben Sie jemanden in Verdacht, Frau Haruno?“
 

Sakura starrte Izuna mit einem gequälten Gesichtsausdruck an.
 

So vieles lag im Dunkeln. Wann genau war die Briefmarkenrolle verschwunden? Hatte es tatsächlich diese Frau gemacht? Was, wenn Sakura klar aussagen würde, dass nicht nur sie sich heute im Postraum aufgefunden hatte? Was, wenn die andere unschuldig war? Sie hatte schließlich nicht überprüft, wie viele Rollen sich im Karton befunden hatten, bevor die Frau erschienen war.
 

Sakuras Kopf dröhnte. „Ich bin mir nicht sicher, Herr Uchiha“, gestand sie Izuna.
 

„Ich verstehe. Ich werde der Sache auf den Grund gehen.“ Er kratzte sich am Kopf. „Gute Güte, ich komme mir mittlerweile wie ein Privatdetektiv vor.“ Er wollte noch etwas hinzufügen, da klingelte das Telefon. „Das könnte ein langes Telefonat werden“, setzte er Sakura ernst in Kenntnis und nahm den Hörer ab.
 

Nach dem Telefonat atmete Izuna tief durch. So manch einer rief nicht nur an, um über das Eingemachte zu reden, sondern auch, um sich mitzuteilen. Einmal die Woche wurde Izuna von einem ihrer ältesten Kunden als Telefonpsychologe in Anspruch genommen und hörte fast eine ganze Stunde zu, bevor er sein Fazit aussprach.
 

Izuna stand auf, massierte seinen steifen Nacken und sah über Sakuras Schulter. Sie hatte soeben einen Brief gedruckt, der von Madara unterschrieben werden musste.
 

„Ich gehe zu ihm hoch und nehme das mit“, bot er ihr an, schnappte sich die Postmappe mit dem Brief und machte sich zu Madara auf.
 

„Izuna“, konstatierte Madara, als Izuna eintrat. „Was gibt es?“
 

„Einmal unterschreiben. Und dann: Ich nehme an, dir ist die Geschichte mit der Markenrolle noch nicht zu Ohren gekommen.“
 

Fragend wurde Izuna von seinem Bruder angesehen.
 

„Jemand hat aus dem Postraum auf unserer Etage eine ganze Markenrolle entwendet. Frau Haruno hatte heute Postdienst“, erklärte Izuna und machte eine kurze Pause.
 

Madara unterschrieb den Brief. „Sie ist es nicht gewesen.“ Er schielte zu dem anderen hoch. „Zumindest denkst du das.“
 

„Nein, sie ist es ganz sicher nicht gewesen“, sagte Izuna fest. „Frau Haruno hat mich darum gebeten, es dir nicht zu erzählen, aber gestern hat eine gewisse Dame Kaffee auf ihre Bluse geschüttet. Und ich bin mir sehr sicher, dass ebendiese Dame heute in der Nähe gewesen war, als Sakura Briefe bearbeitet hat.“ Izuna sah Madara ernst an. „Es wäre besser, wenn du dich gegen Ende der Versammlung zum Gerücht äußern würdest.“
 

Izuna ging und Madara verfiel in Nachdenklichkeit.
 

*
 

Die Versammlung fand auf der gleichen Etage statt, auf der Madara und Hikaku ihr Büro hatten.
 

Gemeinsam mit Izuna betrat Sakura einen großen, hellen Raum, in welchem insgesamt zehn Tische mit Stühlen standen. An jedem Tisch konnten bis zu sechs Personen Platz finden.
 

Madara und Hikaku hatten ihren eigenen Tisch, der ganz vorne an der Wand stand; links und rechts befanden sich riesige Whiteboards.
 

Izuna und Sakura besetzten einen Tisch am Fenster.  
 

Es wurde durchgehend über interne Angelegenheiten und Arbeitsaufteilung gesprochen und Madara sprach am meisten.
 

Während der Versammlung sah Madara ab und an zu Sakura hinüber, und als es galt, die finalen Worte auszusprechen, sagte er: „Bevor ich die Versammlung offiziell beende, möchte ich noch etwas sagen. Ich bin das Ziel eines unangenehmen Gerüchts geworden. Eigentlich muss ich sagen: Frau Haruno und ich sind das Ziel eines unangenehmen Gerüchts geworden, von dem der Großteil der Anwesenden hier wissen sollten.“
 

Er beschrieb einen großzügigen Halbkreis in der Luft und deutete dann auf Sakura. „Ich möchte dieses Gerücht in meinem Namen, aber auch in Frau Harunos Namen dementieren. Unsere Beziehung ist rein beruflicher Natur, weshalb die Annahme, ich würde eine romantische Beziehung oder ein romantisches Verhältnis zu diesem Mädchen unterhalten, schwachsinnig ist.“
 

Madara sah mit den Augen eines Falken in die Runde. Jeder hatte den Kopf gesenkt, mit Ausnahme von Sakura, Izuna und einigen anderen Angestellten. Seltsamerweise sprühte Sakuras Gesicht nur so vor Unzufriedenheit. Im ersten Augenblick konnte Madara nicht begreifen, weshalb. Doch dann hallten seine eigenen Worte in seinen Ohren wider und er fragte sich, ob er sie nicht verletzt hatte mit seinem letzten Satz.
 

Madara schüttelte die Gedanken ab und nickte. „Gut. Sollte Frau Haruno in Zukunft das Ziel irgendeiner Intriganz werden, so wird deren Initiator sich vor mir verantworten müssen. Des Weiteren wurde mir heute der folgende Vorfall berichtet: Eine Markenrolle ist aus dem Postraum verschwunden.“
 

Izunas Hand schnellte in die Höhe, kaum dass Madara den Satz beendet hatte. „Ich schlage vor, nach langer Zeit endlich Kameras anzubringen. In der Eingangshalle, im Postraum und in den Archiven.“
 

Ein Raunen erblühte an einem Tisch auf und wurde an andere Tische weitergereicht.
 

„Das ist ein guter Vorschlag. Ich werde morgen eine Rundmail verschicken mit einer Umfrage. Ich rufe alle Mitarbeiter auf, daran teilzunehmen. Das wäre alles. Die Versammlung ist hiermit beendet.“
 

Alle Mitarbeiter kehrten zurück an ihre Plätze, um ihre Rechner herunterzufahren, und nachdem sich Sakura von Izuna verabschiedet hatte, ging sie in den Postraum, um die Briefe und Pakete abzuholen.
 

Pff, dachte Sakura sich beim Verlassen des Gebäudes. Auf ihren Händen trug sie die schweren Ordner, und darüber, in einer Tüte, die Briefe.
 

Dieses Mädchen.
 

Unsere Beziehung ist rein beruflicher Natur, weshalb die Annahme, ich würde eine romantische Beziehung oder ein romantisches Verhältnis zu diesem Mädchen unterhalten, schwachsinnig ist.“
 

Ach, war sie nicht gut genug für ihn?
 

…Natürlich wäre ich das nicht. Ich bin ja nur ein Mädchen und keine Frau, dachte Sakura sich auf dem Weg zur Bahnhaltestelle.
 

Sakura ärgerte sich darüber, dass sie sich über Madaras Worte ärgerte. Eigentlich sollte sie ihm nur dankbar für das sein, was er im Versammlungsraum gesagt hatte. Oder würde ihr seine kavaliermäßige Aussage am Ende nur schaden? Er hatte das Gerücht dementiert, hatte sie aber in Schutz genommen, und Sakura war sich sehr sicher, dass einigen auch das nicht passte.
 

Ein Hupen schreckte sie auf und sie wirbelte herum.
 

Madara stieg aus seinem Auto und winkte sie zu sich.
 

Zaghaft begab sie sich zu ihrem Chef und fragte sich, was er von ihr wollen könnte.
 

„Steigen Sie ein, ich setze Sie bei der nächsten Post ab“, befahl er ihr regelrecht und öffnete die Tür zum Beifahrersitz.
 

Sakura blinzelte. „Ich soll einsteigen?“, wunderte sie sich. Bot er es ihr an, weil er sie zufällig gesehen hatte? Oder bot er es ihr an, weil er ihr etwas bei der Versammlung angemerkt hatte und ein schlechtes Gewissen hatte?
 

Ach was, dachte sie sich.
 

Er war ein Mann und Männer dachten nicht an solche Dinge.
 

Sakura stieg ein und lud die Pakete und Briefe auf ihre Oberschenkel ab. Im Auto roch es nach Pfefferminze.
 

Sie schwiegen die gesamte Fahrt über, und erst als sie bei der Post angekommen waren und Sakura dabei war, aus dem Wagen zu steigen, sagte Madara: „Sie sollten nicht schweigen, wenn Sie abermals Opfer irgendwelcher Gemeinheiten werden. Verstanden?“
 

Sakura nickte. „Ja. Vielen Dank fürs Mitnehmen.“
 

Sakura wollte die Beine aus dem Wagen schwingen, als Madara meinte, dass sie warten solle.
 

Er schnallte sich ab, umging den Wagen und nahm ihr die Ordner und die Briefe ab, bevor er die Post ansteuerte. Sakura folgte ihm eilig und wusste nicht, ob sie sich gekränkt fühlen oder ihm dankbar sein sollte.
 

Nur zwei Kunden standen in der Schlange, und so waren Sakura und Madara innerhalb von fünf Minuten wieder draußen.
 

„Ich kann von hier aus zu Fuß gehen“, meinte Sakura lächelnd zu ihrem Chef. „Bis morgen und einen schönen Feierabend wünsche ich Ihnen.“
 

„Das wünsche ich Ihnen ebenfalls, Frau Haruno“, sagte er und entfernte sich.

Wärme


 

*
 

Das erste Mal seit längerer Zeit beschäftigte Madara in seiner Freizeit etwas, das nichts mit seinem Beruf zu tun hatte. Er konnte überhaupt nicht sagen, weshalb er sich solche Gedanken um seine Worte bei der Versammlung und Sakuras Reaktion darauf machte. Möglicherweise wollte sein Gehirn sich endlich um etwas anderes kümmern als Arbeit und seine Steuerberaterpflichten, und der Fokus hatte sich aus diesem Grund auf Sakura verschoben, so banal die Sache, objektiv betrachtet, auch war.
 

Madara saß ohne Begleitung im Restaurant und aß zu Abend. Ursprünglich wollte er gemeinsam mit Izuna hierher kommen, aber der hatte seinem eigenen Fleisch und Blut kurzfristig abgesagt – wegen einer Frau. Madara war sich nicht sicher, was ihn am meisten störte: Dass er versetzt worden war oder der Grund, weshalb man ihn versetzt hatte. Er freute sich für Izuna, er wäre ein schlechter Bruder, wenn er es nicht täte, aber nun musste er damit rechnen, dass Izuna seine Freizeit anders einteilte.
 

Sein Mobiltelefon leuchtete auf; Izuna rief an. Madara wischte sich mit einer Serviette eilig über den Mund und ging ran.
 

Izuna entschuldigte sich bei ihm dafür, dass er ihn versetzt hatte, versprach aber, später am Abend vorbeizukommen.
 

Madara beendete in Ruhe sein Abendmahl und fuhr dann nach Hause. Seine Gedanken rund um Sakura vermochte er nicht komplett einzustellen, doch er dachte wenigstens nicht mehr kontinuierlich über das Ereignis nach, als er auf der Autobahn fuhr.
 

Izuna brachte eine Tupperdose mit, bei deren Inhalt es sich um Kuchen handelte – Kuchen, den seine Freundin gebacken hatte. Izuna machte sich selbstständig und bereitete Kaffee vor, zu dem sie den Kuchen essen wollten.
 

„Mach die Vorhänge auf, du lebst wie ein Vampir“, kritisierte Izuna, als er das Wohnzimmer mit Kaffee und Kuchen betrat. Er stellte das beladene Tablett ab und ging zum Fenster, um die Vorhänge beiseite zu schieben. Sie würden der Sonne beim Untergehen zusehen.
 

„Wie macht sich, findest du, Frau Haruno?“, fragte Madara, nachdem er den Kirschkuchen, der wirklich gut schmeckte, probiert hatte.
 

Verwundert schaute Izuna von seiner Tasse Kaffee auf, die er gerade zu seinen Lippen geführt hatte. „Nimmt deine Arbeit deine Freizeit derart ein, dass du jetzt auch noch neben allem anderen über die Leistungen der Auszubildenden reden willst? ... Macht das, was ich eben gesagt habe, überhaupt Sinn?“
 

„Nicht Plural, Singular“, meinte Madara trocken, ohne auf den zweiten Teil einzugehen, und nahm einen Schluck Kaffee.
 

Izunas linke Augenbraue wanderte in die Höhe und er stellte die Tasse ab. „Weißt du, dein Interesse an Frau Haruno ist gerade sehr verdächtig, wenn man sich vor Augen führt, dass ihr letztens erst Opfer eines unangenehmen Gerüchts geworden seid.“
 

Madara sagte nichts.
 

„Sie ist gut“, sagte Izuna schließlich, da er annahm, dass Madara seine Andeutungen für derart unangemessen befunden hatte, dass er darauf gar nicht erst apologetisch einzugehen gedachte. „Sie hat eine gute Auffassungsgabe.“ Da Madara weiterhin schwieg und Izuna das Gefühl gab, vorhin etwas unfassbar Dämliches gesagt zu haben, rollte Izuna die Augen und fügte hinzu: „Ich hab’s ja nicht so gemeint, ist ja gut!“
 

Madara schmunzelte in seine Tasse hinein. In manchen Situationen verhielten sie sich immer noch genauso wie zu der Zeit, als sie noch Kinder waren. „Du kennst mich“, sagte er zu seinem jüngeren Bruder. „Nur scheint es mir, als hätte sich Frau Haruno auf der Versammlung heute nicht so ganz wohlgefühlt bei meinen Worten, obwohl ich ihr nur helfen wollte.“
 

„Das ist mir auch aufgefallen.“ Izuna machte ein nachdenkliches Gesicht. „Aber das wird schon. Du hast nichts Falsches gesagt.“
 

Madara wurde das Gefühl dennoch nicht los, dass er eben doch etwas Falsches gesagt hatte, sodass er sich kurz vor dem Schlafengehen überlegte, sich Sakura mitzuteilen.
 

*
 

Sakura kam eine halbe Stunde vor Izuna zur Arbeit, schaltete den PC ein und entdeckte in ihrem Posteingang neben einer pauschalen Rundmail an alle Mitarbeiter eine E-Mail von Madara an sie und starrte eine lange Zeit auf den Betreff, bevor sie die E-Mail schließlich öffnete.
 

Von: Madara Uchiha

An: Sakura Haruno

Betreff: Meine Worte bei der gestrigen Versammlung

Nachricht:

Sehr geehrte Frau Haruno,

ich habe über meine gestrigen Worte reflektiert und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich Sie als erwachsene Person mit dem Titel Mädchen eventuell gekränkt haben könnte. Falls das der Fall sein sollte, möchte ich mich entschuldigen.

Hochachtungvoll

Madara Uchiha
 

Für diese paar Zeilen hatte Madara eine gute Viertelstunde gebraucht. Er hatte unter keinen Umständen das Wort Frau tippen wollen.
 

Verblüfft starrte Sakura auf den Monitor und las sich Madaras E-Mail ein weiteres Mal durch. Dann lächelte sie. Damit hätte sie nun wirklich nicht gerechnet. Unter dem Tisch rieb sie sich aufgeregt die Hände, bis ihr einfiel, was sie antworten konnte.
 

Von: Sakura Haruno

An: Madara Uchiha

Betreff: RE Meine Worte bei der gestrigen Versammlung

Nachricht:

Sehr geehrter Herr Uchiha,

Ihre Worte haben mich nicht verletzt. Ich war so perplex gestern nach der Versammlung, dass ich mich bei Ihnen nicht anständig bedankt habe.

Aus diesem Grund danke ich Ihnen vielmals dafür, dass Sie sich gestern für mich eingesetzt haben, und entschuldige mich dafür, einen falschen Eindruck vermittelt zu haben. Ich hoffe, dass ich Ihnen keine weiteren Unannehmlichkeiten bereiten werde.

Mit freundlichen Grüßen

S. H.  
 

Madara schmunzelte über Sakuras Mail, hatte aber nichts mehr zu sagen.
 

Er würde es niemals laut bekunden, aber Sakura war in seinen Augen die beste Auszubildende des ersten Lehrjahres im Betrieb. Bis jetzt hatte keiner der neuen Auszubildenden Mandantenkontakt gehabt, weder telefonisch noch persönlich. Für gewöhnlich erfolgte beides erst drei Monate nach Ausbildungsbeginn.
 

Madara legte das Kinn in die Hand und öffnete den virtuellen Kalender. Heute um 14:30 Uhr hatte er gemeinsam mit Izuna einen Termin und er fand, dass es die perfekte Gelegenheit war, Sakura an Mandantenkontakt heranzuführen.
 

Jede Etage verfügte über einen Raum, in dem Mandanten hineingebracht wurden. Es wurde Kaffee oder Wasser serviert. Diese Aufgabe übernahmen meist die Auszubildenden.
 

Der Mandant tauchte zehn Minuten vor dem festgesetzten Zeitpunkt auf. Für wenige Augenblicke verschwand Izuna aus dem Zimmer, und als er wiederkam, sagte er zu Sakura: „Bringen Sie uns bitte zwei Kaffee und ein Wasser. Sie brauchen dann nicht zu klopfen, kommen Sie einfach reinspaziert.“
 

Sakura nickte. Bis jetzt hatte sie Mandanten nur gesehen, wenn sie schnellen Schrittes an der Tür in ihr und Izunas Büro vorbeigegangen waren.
 

Es dauerte keine drei Minuten, da hatte sie zwei Tassen Kaffee vorbereitet und eine Flasche Wasser und ein Glas auf das Tablett gestellt. Tief Luft holend, nahm sie das Tablett in die Hände und trug es durch den Gang.
 

Die Tür war zu und sie hörte, wie Izuna und der Mandant sich unterhielten. Sakura runzelte die Stirn, trat an die Tür heran und versuchte, die Türklinke mit dem Ellbogen hinunterzudrücken. Das gelang ihr nicht so recht, weshalb sie sich nach einer Oberfläche umsah, auf die sie das Tablett ablegen konnte.
 

In diesem Moment wurde sie von Madara entdeckt, der mit einem prallen Aktenordner auf sie zukam.
 

„Ich mache Ihnen die Tür auf“, sagte er, und verhinderte, dass sie sich rechtfertigen konnte. „Gehen Sie ruhig zuerst rein. Kaffee ist für mich und den Mandanten.“
 

Innerlich schmollend, betrat Sakura den Raum. Für ihren ersten Mandantenkontakt stellte sie sich hervorragend an, denn sie kam mit einem Lächeln ins Zimmer, grüßte höflich, stellte ohne Zittern und Unsicherheiten das Tablett auf den Tisch und verließ das Zimmer auf sicheren Füßen.
 

Als sie draußen war und die Tür zumachte, atmete sie erleichtert aus, ehe sie das Tablett zurück in die Küche brachte. Danach kehrte sie in Izunas und ihr Büro zurück und widmete sich dem Weitereintragen von angekommenen Bescheiden.
 

Madaras Besprechung dauerte eine Stunde, im Anschluss kam er in Izunas Büro. „Das haben Sie gut gemacht“, sagte er, bevor er ging.
 

Sakura war zufrieden und fühlte sich geschmeichelt.
 

Izuna ging heute früher und Sakura würde eine Stunde lang alleine im Raum bleiben. Aufgaben hatte sie aber genug zu tun – reichlich Ablage und dazu Schriftverkehr, was unglaublich viel Zeit in Anspruch nehmen konnte –, und Izuna hatte ihr vor dem Gehen gesagt, dass sie sich an seine Kollegen wenden sollte, wenn sie eine Frage habe.
 

Als ihr Telefon klingelte, fuhr Sakura zusammen. Sie glaubte erst, ein Mandant riefe an, entdeckte dann aber Madaras Namen auf dem Display und ging mit ihrem Nachnamen ran.
 

„Haben Sie sich erschreckt?“, wollte er wissen.
 

„… Ein wenig“, gab Sakura zurück.
 

„Wenn auf dem Display ein Name erscheint, dann ist es immer ein interner Anruf. Wir haben gerade niemanden hier, der von zu Hause aus arbeitet. Wird nur eine Nummer angezeigt oder steht da, dass die Nummer unterdrückt ist, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Mandant. Aber mit Telefondienst sind Sie noch nicht dran.“
 

Madara machte eine kurze Pause, und Sakura hörte ein Rascheln, als würde jemand Blatt für Blatt durchgehen. „Bringen Sie mir bitte die Akte mit der Nummer 1575 hoch, sie muss irgendwo bei Izuna im Regal stehen. Danke.“
 

Sakura stand auf und suchte nach dem Ordner, den Izuna auf dem Boden abgelegt hatte. Sakura verspürte Aufregung dabei, gleich Madara zu begegnen. Er war ihr Chef – natürlich war sie aufgeregt vor einer Interaktion mit ihm. Das würde noch eine Weile lang so bleiben, da war sie sich sicher.
 

Die Tür zum Chefbüro war zu. Wann immer Hikaku da war, stand die Tür offen, und da es aufgrund der Türproblematik einige Male zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Geschäftsführern gekommen war, hatte man sich darauf geeinigt, dass Hikaku demnächst ein eigenes Büro am anderen Ende der Etage bekommen würde.
 

Sakura reichte Madara den Ordner und wollte gehen, doch er bat sie, einen Augenblick zu warten.
 

Madara blätterte konzentriert im Ordner, fand bald die Seiten, nach denen er gesucht hatte, und glich sie mit dem, was er neben sich liegen hatte, ab, bevor er ihr die losen, bedruckten Blätter reichte. „Wissen Sie, wie man bindet? Haben Sie das schon einmal gemacht?“
 

Sakura verneinte, und Madara sah kurz auf seinen Bildschirm, ehe er seine Hand mit den Blättern zurückzog und aufstand. „Kommen Sie mit, ich zeige es Ihnen.“
 

Genau wie jede Etage über einen Raum für Besprechungen mit Mandanten verfügte, verfügte sie auch über einen Raum, in dem Gewinnermittlungen gebunden wurden. Dafür stand ein Thermobindegerät zur Verfügung, dessen Funktionsweise Madara Sakura erklärte: Dokumente, die gebunden werden sollten, wurden erst zweimal getackert und dann in eine Mappe platziert, die Klebstoff enthielt. Das Thermobindesystem sorgte dafür, dass der Klebstoff warm und flüssig wurde und einen stabilen Binderücken schuf. Kopien, die meist, vom Mandaten unterschrieben, an die Kanzlei zur Aufbewahrung zurückgeschickt wurden, wurden dreimal getackert und gelocht.
 

Sakura folgte Madaras Anweisungen und platzierte schließlich die erste fertige Mappe in das Bindegerät. Madara hatte sich gegen den langen Tisch gelehnt, auf dem das Bindegerät stand, und beobachtete Sakura die ganze Zeit bei ihrem Tun, ohne etwas zu sagen.
 

Etwa eine Minute später fing das Gerät zu piepen an und sie holte die Mappe heraus. Da er ihr gesagt hatte, dass man den Rand glattstreichen musste, wollte sie mit ihren Fingern herangehen, doch dann passierte etwas, was Sakura genauso überraschte wie Madara selbst: Seine Hand schnellte hervor und fing ihre Hand ab, noch bevor ihre Finger auch nur in die Nähe der Mappe kommen konnte.
 

Ihr Kopf war von einem Augenblick auf den anderen wie leergefegt. Wärme. Sie nahm nur noch Wärme wahr und wusste nicht, woher sie kam.
 

Mit wild klopfendem Herzen hob sie ihren Blick zu Madara, der ihre Hände fixiert hatte. Sakura sah, wie sein Adamsapfel einen Hüpfer vollführte, als er schluckte. Ganz langsam, so als hätte seine Haut Klebstoff abbekommen, ließ er ihre Hand frei und schob ebenso langsam seine eigene in die Hosentasche, bevor er sie ansah.
 

Als ihre Blicke miteinander verschmolzen, wurde ihr nur noch wärmer. Sie wollte wegsehen, sich von dem Schwarz seiner Iriden abwenden, konnte es aber nicht.
 

„Die Mappe ist im ersten Moment sehr heiß“, sagte er ruhig und gefasst, so als hätten sie sich soeben nicht berührt, und blinzelte gelassen. „Sie sollten aufpassen, dass Sie sich nicht verbrennen.“ Da Sakura ein Oberteil mit kurzen Ärmeln trug, schob er den Ärmel seines Hemdes über den Handballen und bearbeitete sachte die noch heißen Stellen selbst. „Wir wären fertig. Ich nehme die Mappe mit. Könnten sie den Tacker und den Locher zurück ins Regal stellen?“
 

Dass er so tat, als wäre nichts vorgefallen, machte nichts besser, im Gegenteil. Sakura verspürte größte Zerstreutheit und war froh, als Madara den Raum verließ. Sie stellte alles ins Regal zurück und machte das Bindesystem aus. Ihre Finger kribbelten und egal wie sehr sie sie knetete – sie wollten nicht aufhören zu kribbeln.

Gier


 

*
 

Montag bekam Madara Sakura nicht zu Gesicht, Dienstag hatte sie Schule, und am Mittwoch schaffte sie es zu ihrem Unbehagen, am frühen Morgen gemeinsam mit ihm im Aufzug zu landen. Sie sahen einander nicht an, und sie verstand selbst nicht, wieso sie sich in seiner Gegenwart derart merkwürdig fühlte. Es war weder Respekt noch Ehrfurcht. Was genau es war, konnte sie aber nicht einmal im Ansatz benennen.
 

Sie verabschiedete sich von Madara, als sie den Aufzug verließ und begab sich in ihr Büro. Sie würde ab sofort eine halbe Stunde vor Izuna kommen, dann konnte sie auch früher gehen und war somit früher zu Hause.
 

Als sie den PC anschaltete, entdeckte sie eine Mail von Madara, die sie zögernd öffnete und erst alle Zeilen überflog, ehe sie Wort für Wort nochmal las.
 

Von: Madara Uchiha

An: Sakura Haruno

Betreff: Vorfall im Binderaum

Nachricht:

Sehr geehrte Frau Haruno,

ich hoffe, Sie verspüren aufgrund des jüngsten Ereignisses im Binderaum kein Unwohlsein in meiner Nähe und denken schlecht von mir. Alles, was ich wollte, war es, Sie vor einer eventuellen Verbrennung zu bewahren. Das ist bereits zweimal in diesem Jahr vorgekommen und noch einmal muss nicht sein.

Hochachtungsvoll

Madara Uchiha
 

Sakura überlegte, ob sie etwas auf die Mail antworten sollte.
 

... Natürlich sollte ich das!, ging es ihr nur wenige Sekunden später durch den Kopf.
 

Er war schließlich ihr Chef und es machte alles andere als einen guten Eindruck, dem Chef auf eine direkte Mail nicht zu antworten. Nur was, um alles in der Welt, sollte sie ihm antworten? Sollte sie ihm sagen, dass alles in Ordnung war? Irgendwie war es das nicht und sie wusste nicht, ob man die Unordnung durch Lügen und Verdrängen beseitigen konnte. In der Regel machte man damit alles nur schlimmer.
 

Sakura atmete laut aus und lehnte sich zurück, tippte mit den Fingern ihrer rechten Hand auf der Armlehne und sah von ihrem Bildschirm zu dem Fenster, durch welches sie die Sonne aufgehen sehen konnte. Sie würde Madara am Ende des Tages auf die Mail antworten und hoffte, dass er heute, wie auch am Montag, sich nicht in diesem Zimmer zeigen würde, damit die Mail ihre einzigen und auch finalen Worte für diesen Tag sein würden.
 

Sakura band im Verlauf des Tages zwei Jahresabschlüsse unter der Aufsicht eines Auszubildenden im dritten Lehrjahr, erledigte Schriftverkehr, trug Bescheide ein und legte einige neue Akten für Izuna an. Zwischenzeitlich hörte sie Izuna dabei zu, wie er mit Mandanten und dem Finanzamt telefonierte.
 

Madara ließ sich, wie von Sakura erhofft, kein einziges Mal blicken, was Izuna irgendwann gegen Ende auffiel. Er wunderte sich darüber, zuckte bei seiner Feststellung jedoch mit den Achseln, bevor er mit seiner Arbeit weitermachte. Was die beiden nicht wussten, war, dass Madara auf Sakuras Antwort warten wollte, bevor er ihr begegnete.
 

Als Izuna fünfzehn Minuten vor Feierabend aus dem Zimmer ging, fasste Sakura all ihren Mut und ihr Selbstbewusstsein zusammen und machte sich daran, eine Mail an Madara zu schreiben.
 

Von: Sakura Haruno

An: Madara Uchiha

Betreff: RE Vorfall im Binderaum

Nachricht:

Sehr geehrter Herr Uchiha,

ich danke Ihnen für Ihre Nachricht und hoffe, dass Sie mir die Ehrlichkeit im Folgenden verzeihen können:

In dem Augenblick habe ich mich sehr unwohl gefühlt. Ich musste daran denken, was letztens über Sie und mich verbreitet wurde. Auf dem Heimweg habe ich mich gefragt, ob es irgendjemand gesehen haben könnte, schließlich war die Tür offen gewesen.

Ich unterstelle Ihnen nichts und will Sie keiner bösen Absicht beschuldigen. Aber ich würde Sie bitten, in meiner Gegenwart etwas vorsichtiger zu sein. Ich möchte nicht, dass Sie oder ich wieder Teil eines Gerüchts werden oder in anderweitige Schwierigkeiten verwickelt werden können.

Ich muss Ihnen gestehen, dass ich beim Verfassen dieser Mail sehr aufgeregt bin. Ich habe Angst, dass Sie mir zürnen könnten und dass ich vielleicht meine Stelle verlieren könnte und es im Nachhinein bereue, Ihnen gegenüber so ehrlich gewesen zu sein. Doch ich hoffe, dass Sie dafür Verständnis haben.

Mit freundlichen Grüßen

S. H.
 

Tief Luft holend, drückte sie auf Senden, schaute auf die Uhr und machte Feierabend.
 

Mit eiligen Schritten verließ sie die Kanzlei und fragte sich, ob Madara die Mail heute lesen und was er beim Lesen fühlen würde. Sie blickte nicht auf das Gebäude zurück, so sehr es sie danach verlangte.
 

Ihre größte Angst war, dass man sie aufgrund der Mail feuern würde. Doch Sakura schüttelte diese Angst beim Gehen ab. Nein, das darf und kann er nicht! Und sicher ist das auch nicht so einfach, wie ich es mir denke.
 

Sakura wollte Ino im Blumenladen besuchen. Das hatte sie schon eine Weile nicht mehr getan und sie vermisste es, von vielen duftenden Blumen umgeben zu sein.
 

Sakura sollte heute das Innere des Blumenladens nicht erblicken. Denn auf dem Weg dorthin traf sie auf niemand anderen als Sasuke.
 

Als sie ihn aus der Ferne erblickte, zweifelte sie erst an ihrem Verstand. Aber er war es, er war es tatsächlich! Es war Sasuke, aus Fleisch und Blut, der da stand und etwas in sein Mobiltelefon eintippte, gute fünf Meter vom Blumenladen entfernt.
 

Sakura wollte sich umdrehen und verschwinden. Sie wollte laufen, so schnell sie nur konnte; doch ihre Füße schienen Wurzeln an Ort und Stelle gelegt zu haben, sodass sie nicht in der Lage war, vor Sasuke zu flüchten. Sie wurde leichenblass und die Gesichtszüge entgleisten ihr.
 

Er entdeckte sie sofort, als er aufsah. Die Hand, in der er sein Mobiltelefon hielt, sank augenblicklich herunter und er setzte seine Füße in Bewegung.
 

Er bewegte sich langsam, trotzdem schien es Sakura, als würde er auf sie zustürmen, und sie bekam Hitzeschübe. Sie wäre ihrem Instinkt gefolgt und fortgelaufen, wenn sie in der Lage gewesen wäre, auch nur einen Schritt zu tun.
 

Er stand nun vor ihr und ihr war, als würde sie jeden Augenblick in Ohnmacht fallen.
 

„Hallo, Sakura.“
 

Ihre Lider flatterten, sie drehte den Kopf weg und leckte sich über die Lippen. „Mhm“, brachte sie hervor.
 

Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihre Reaktion nach all den Monaten so ausfallen würde. Sie hatte sich wiederholt vorgestellt, wie sie Sasuke anschrie, ihn ohrfeigte, wenn sie sich irgendwann sahen. Doch alles, was sie nun tun konnte, war es, ihren Blick von ihm abzuwenden und zu hoffen, dass er verschwand. Verschwand, verschwand, verschwand.
 

„Sakura“, redete Sasuke auf sie ein, „Sakura, ich möchte mit dir reden. Gib mir zehn Minuten, bitte.“ Er griff nach ihrer Hand, und Sakura war, als wären seine Finger glühend heiß, weswegen sie zusammenzuckte und endlich einen Schritt zurückmachte.
 

Sie glaubte, nicht richtig sehen zu können, als er vor ihr auf die Knie sank und sie flehend von unten ansah.
 

„S-Sasuke“, zischte Sakura halb und sah sich rasch um. „Lass das, steh gefälligst auf!“
 

„Nur, wenn du mir zehn Minuten gibst.“
 

Sakura zitterte. Eigentlich wollte sie ihm diese zehn Minuten nicht geben, sie wollte ihm nicht einmal eine einzige geben.
 

Am späten Abend, als sie bei Ino war und ihr das alles erzählte, konnte sie nicht sagen, wie es passiert war, dass sie Sasuke die zehn Minuten doch gegeben hatte. Sie sollte ihm sogar mehr als zehn Minuten geben.
 

Er führte sie in ein Café und auf dem Weg dorthin sprachen sie nicht miteinander. Sie sprachen auch nicht, als sie Platz nahmen. Sie sprachen erst, nachdem sie etwas zu trinken bestellt hatten.
 

„Wie geht es dir?“, fragte Sasuke.
 

„Ganz okay“, antwortete Sakura, die sich in dem Moment fragte, was sie hier in aller Welt mit diesem Arschloch machte. Sie würde die Frage nicht zurückgeben.
 

„Sakura, hör zu…“ Sasuke verstummte, da man ihnen ihre Getränke brachte. Er fuhr mit dem Sprechen fort, als der Kellner zum nächsten Tisch ging. „Ich weiß, ich habe dir sehr wehgetan. Ich habe dir sehr wehgetan, unverdient, und das tut mir schrecklich leid.“
 

„Ach wirklich“, murmelte Sakura und nippte an ihrem Wasser. „Sollte man das eigentlich nicht vorher wissen?“
 

Sasuke sah auf seinen Kaffee und schwieg.
 

Sakura fischte aus der Tasche ihr Mobiltelefon heraus. Zwei verpasste Nachrichten von Ino. Eilig schrieb Sakura, ohne sich auch nur einen Deut darum zu kümmern, dass es dem Gesprächspartner gegenüber sehr unhöflich war, ihrer Freundin eine Nachricht, in der sie ihr mitteilte, dass ihr etwas dazwischengekommen sei und sie sich später melden werde.
 

„Ich sehe es schon, es werden mehr als zehn Minuten“, meinte sie zu Sasuke. „Die sind nämlich gleich um.“
 

Sasuke ging nicht auf ihre Worte ein, sondern sagte: „Ich habe einen Fehler gemacht, Sakura. Einen sehr großen. Ich wusste schon damals, dass ich einen Fehler mache, bevor ich anfing, mich mit dieser Frau zu treffen. Ich wusste das auch mittendrin. Es ist nichts, was mir erst vor Kurzem bewusst geworden ist.“
 

„Wieso hast du es dann gemacht?!“, platzte es aus Sakura heraus und sie wich dem Blick eines anderen Gastes aus, der sich zu ihnen gedreht hatte. „Wieso?“, fragte sie, nun etwas leiser.
 

Sasuke sah auf seine verschränkten Hände herab. Er befeuchtete seine Kehle mit Speichel und antwortete: „Es war Gier.“
 

„Gier?“
 

„Ja, Gier. Ich war gierig. Ich wollte mehr. Ich wollte wissen, wie es ist, mehr zu haben, aber ich wollte dich nicht verlieren, weshalb ich…“
 

„Weshalb du dir dachtest, dass Fremdgehen eine gute Idee ist. Du würdest ausprobieren, wie es ist, hinter dem Rücken deiner Freundin mit einer anderen Frau zu schlafen und dich dann…“ Sakura brach ab, so als hätte sie urplötzlich die Sprache verloren, und gestikulierte kurz verzweifelt in der Luft. „Weißt du eigentlich, wie bescheuert sich das alles anhört? Ich finde nicht einmal Worte dafür!“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah demonstrativ weg.
 

„Ja. Du hast allen Grund, mich zu hassen, Sakura. Es hat sich nicht gelohnt. Es hat sich nicht gelohnt, weil ich dich verloren habe. Ich… Ich wünschte, ich hätte davon jemandem erzählt, damit man mich abhielt. Meinetwegen mit Schlägen und Tritten. Zwischen mir und dieser Frau läuft nichts mehr. Ich liebe Sie nicht, sie bedeutet mir nichts.“
 

„Mhm“, machte Sakura und drehte den Kopf zu ihm.
 

Sasuke lehnte sich ein wenig nach vorne und sah Sakura in die Augen. „Es heißt, dass viele Männer erst sehr spät begreifen, wie sehr sie eine Frau tatsächlich geliebt haben. Wenn sie es begriffen haben, ist es meistens zu spät. Sie ist dann weg, aus seinem Leben verschwunden. Hat die Trennung verarbeitet, hat einen Neuen gefunden…“ Er verstummte. „Hast du einen Neuen?“, fragte er dann vorsichtig nach.
 

„Ich wüsste nicht, was dich das angehen sollte“, antwortete Sakura. Sie versuchte, schroff zu klingen, doch sie hörte sich einfach nur traurig an. Aber es war nicht nur Traurigkeit, die sie empfand. Es erschreckte sie, es widerte sie an, aber sie empfand noch etwas für ihn. Ein ganz kleiner Teil von ihr mochte Sasuke noch, mochte ihren Sasuke. Den liebevollen, fürsorglichen Sasuke, nicht den Fremdgeher Sasuke. Sie wollte ihm das keinesfalls zeigen.
 

Selbstverständlich hatte sie keinen Freund. Es war zu früh, die Wunde noch nicht ganz verheilt, hinzu kam das schlechte Männerbild, das sie dank Sasukes Aktion nun hatte; die Ängste, Vertrauensprobleme, die sie möglicherweise in eine neue Beziehung mitnehmen und ihrem neuen Partner damit das Leben erschweren würde.
 

„Du hast recht, ja.“ Wie gezwungen nahm Sasuke einen Schluck von seinem Kaffee. Es schien ihn zurückgeworfen zu haben, dass Sakura ihm ihren Beziehungsstatus nicht verraten wollte; damit hatte er nicht gerechnet und wusste nun nicht, was er sagen sollte. Lange sagte er nichts. „Du magst einen Freund haben, du magst keinen haben. Das spielt in Hinblick auf meine Gefühle keine Rolle. Ich liebe dich, Sakura. Ich liebe dich und ich würde alles dafür geben, mit dir von vorne anfangen zu können.“
 

Sakura sah ihn an. Verschiedenste Empfindungen nahmen von ihr Besitz und sie wusste nicht, ob sie lachen, weinen oder schreien sollte. Der Wunsch kam auf, Sasuke bei den Schultern zu packen und ihn durchzuschütteln, bis sein Gehirn wieder dort war, wo es hingehörte, denn es schien momentan nicht mehr an seinem Platz zu sein.
 

„Du bist unglaublich“, sagte sie und ließ ihre Haltung abfallen. „Einfach nur unglaublich.“ Sie stand auf und machte sich zum Gehen bereit.
 

Sasuke sprang vom Stuhl auf, legte Geld auf den Tisch und eilte Sakura nach draußen, wo er ihre Hand ergriff.
 

„Lass mich los!“
 

Ein Auto fuhr an ihnen vorbei.
 

Sakura wirbelte herum und verpasste ihm eine Ohrfeige. Das Auto verschlang das Klatschen vollständig.
 

Sasukes Kopf flog zur Seite, aber er ließ Sakura nicht los.
 

Sie war nun ruhiger. Ihn zu ohrfeigen, hatte ihr gut getan.
 

„Wenn du keinen neuen Freund hast, dann denk bitte über die schöne Zeit nach, die wir zusammen verbracht haben.“
 

Sakura schüttelte den Kopf. Sie wusste schon, worauf Sasuke hinauswollte und zu was er sie bewegen wollte. Er wollte, dass sie ihm eine zweite Chance gab. „Du spinnst doch.“
 

„Nein“, sagte Sasuke fest. „Ich weiß jetzt nur, was ich wirklich will.“
 

„Ist das so, ja?“, murmelte Sakura, zu Boden schauend. „Ich vertraue dir nicht.“
 

Sasuke gab ihre Hand frei. „Es heißt: Wenn du etwas liebst, lass es frei. Kommt es zu dir zurück, gehört es dir. Für immer.“ Sasuke machte einen Schritt zurück. „Ich will nicht einmal, dass du mir gehörst. Ich will dich nur an meiner Seite haben. Als meine Partnerin, der ich nie wieder, auf welche Weise auch immer, wehtun werde. Ich gehe jetzt, Sakura. Bitte mach dir Gedanken über die Dinge, die ich dir sagte, sofern du niemanden an deiner Seite hast. Falls du meine Nummer nicht mehr hast, bin ich mir sicher, dass du einen Weg finden wirst, mich zu kontaktieren. Ich werde dich weder anrufen noch schreiben noch werde ich irgendwann vor deiner Haustür auftauchen. Es liegt bei dir.“
 

Er ging.
 

Kein einziges Mal sah er sich um, und als er aus Sakuras Blickfeld verschwunden war, kramte sie mit zittrigen Fingern nach ihrem Mobiltelefon. Sie brauchte ewig, bis sie es zu fassen bekam.
 

Heiß rannen die Tränen ihre Wangen hinab, als sie Ino anrief und ihr schluchzend mitteilte, dass sie gleich zu ihr kommen werde.

Im Archivraum I


 

*
 

Sie erhielt auf ihre Nachricht an Madara keine Antwort, doch durch das Treffen mit Sasuke gerieten ihre abgetippten Worte in Windeseile in Vergessenheit. Tagelang bekam sie Madara nicht zu Gesicht, und an einem Donnerstag rief er bei Izuna durch und bat beide, zu ihm nach oben zu kommen.
 

Sakura kam die Erinnerung an die Nachricht hoch und sie dachte, dass ihre schlimmste Befürchtung real werden würde. Wenn der Betrieb einen entließ, hatte man einen Monat lang Zeit, sich einen neuen zu suchen. In der Zeit besuchte man weiterhin die Schule.
 

Es war 17:30 Uhr und es war so gut wie niemand mehr anwesend. Madara hatte um 19:00 Uhr eine Besprechung. Er hatte bereits drei lange Gespräche hinter sich und in seinem neuen Zimmer hatten sich etliche Ordner zusammengefunden, die teilweise in die Regale einsortiert und teilweise in den Archivraum im Keller heruntergebracht werden mussten.
 

Als Sakura das hörte, war sie erleichtert.
 

Izuna seufzte verdrossen. „Dabei wollte ich gerade abhauen.“
 

„Hast du ein Glück, dass du mit mir blutsverwandt bist. Wärst du es nicht, hättest du von mir jetzt etwas zu hören bekommen“, erwiderte Madara trocken, als er Izuna eine übergroße Tragetasche zuschob. Sakura würdigte er keines Blickes. Nahe ging ihr das allerdings nicht.
 

Sakura dachte heute verstärkt an Sasuke und über die Zeit, in der sie ein glückliches Paar gewesen waren, und stand etwas neben sich. Sie dachte an all die schönen Dinge, die sie miteinander erlebt hatten, an seine Nähe, und sie wünschte sich das alles zurück. Doch im nächsten Moment überdachte sie ihre Gedankengänge und verwünschte Sasuke. Es war nicht Sasuke, den sie sich zurück an ihre Seite wünschte. Es waren all die schönen Ereignisse, die der Vergangenheit angehörten.
 

Gemeinsam mit Izuna brachte Sakura vier Taschen ins Archiv herunter, und als sie zum zweiten Mal in Madaras Büro waren, um den Rest abzuholen, sagte Izuna zu Madara: „Ich muss jetzt wirklich los, ich komme sonst zu spät.“ Er setzte einen Hundeblick auf, und Madara wedelte, die Augen verdrehend, mit der Hand. Er konnte sich schon denken, weshalb Izuna es so eilig hatte.
 

Izuna rauschte davon und Madara sah auf seinen Bildschirm. Niemand außer ihnen war noch anwesend, und so seufzte er und sagte, an Sakura gewandt: „Wir bringen die Ordner zusammen runter. Wie lange sind Sie noch hier?“
 

„Ich wollte bis 18:00 bleiben“, antwortete Sakura.
 

„Gut, dann passt das ja.“
 

Madara nahm gleich zwei große Taschen, damit sie nicht ein weiteres Mal herunterfahren mussten.
 

Im Aufzug schwiegen sie und starrten geradeaus, beinahe schon krampfhaft darauf bedacht, einander nicht anzusehen. Sakura war warm und nun dachte sie abwechselnd an Sasuke und den Vorfall im Binderaum.
 

Der Archivraum stand einen Spalt weit offen. Madara betrat ihn gemeinsam mit Sakura.  Es war kühl und recht eng. Außer archivierten, von grellen Deckenlampen beschienenen Ordnern wurden hier unzählige Möbelstücke gebunkert, und mehrere Regale beherbergten verpacktes Büromaterial.
 

„Sie werden hoffentlich alleine mit de-“
 

Weiter kam er nicht, denn die Tür fiel urplötzlich ins Schloss.
 

Madara blickte kurz zur Tür und fuhr fort: „Sie werden hoffentlich alleine mit dem restlichen Einsortieren klarkommen. Oder ist das zu viel für Sie?“
 

Sakura schüttelte den Kopf und lächelte leicht. „Nein, ich werde klarkommen. Danke.“ Ihre Knie waren weich und sie wollte, dass Madara endlich ging.
 

Madara wandte sich der Tür zu und wollte sie öffnen, doch sie ließ sich nicht öffnen. Verwundert rüttelte er an der Klinke. Er war lange nicht mehr hier gewesen und hatte vergessen, dass die Archivtür sich, sofern nicht abgeschlossen, problemlos von außen öffnen ließ, man jedoch einen Schlüssel brauchte, um wieder herauszukommen.
 

Madara klopfte sämtliche seiner Taschen nach dem Archivschlüssel ab, fand ihn aber nirgendwo.
 

Sakura hatte bereits angefangen, die Ordner einzusortieren, als er sie zu sich rief.
 

„Wir sind eingesperrt“, informierte er sie unverblümt.
 

„Wie bitte?“, fragte Sakura mit großen Augen und der Ordner, den sie in den Händen hielt, fiel zu Boden. Sakura trat zur Tür und rüttelte vergebens an der Klinke. „Wir müssen versuchen, jemanden zu erreichen.“ Sie wollte nach ihrem Mobiltelefon greifen – es war nicht da. Es lag oben in ihrer Tasche, und auch Madara hatte sein Mobiltelefon oben gelassen, in der obersten Schublade seines Schreibtisches.
 

Sakura begann, verzweifelt gegen die Tür zu hämmern, was bei Madara schnell für Kopfschmerzen sorgte. „Frau Haruno, entspannen Sie sich bitte“, bat er sie ruhig, und sie tat, wie ihr geheißen, rührte sich jedoch nicht von der Tür, stand da und atmete schwer wie eine Eingesperrte.
 

Madara sah sich um und entdeckte drei Klappstühle an einem Regal lehnen. Zwei baute er auf, ließ sich auf einen davon nieder, verschränkte die Arme vor der Brust und schloss die Augen. „Zu dieser Zeit ist niemand mehr am Empfang und wie ich es gesehen habe, war außer uns keiner mehr im Büro. Die Putzfrauen kommen heute nicht, also sieht es so aus, als würden wir hier feststecken.“
 

Sakura wirbelte erschrocken herum. „Das geht nicht!“, rief sie aus. „Wir können doch nicht…“ Sie biss sich auf die Unterlippe, ballte ihre Hände zu Fäusten und trat an Madara heran. „Wie können Sie nun so ruhig bleiben?“, wollte Sakura wissen. „Sie haben in einer Stunde einen Termin. Was, wenn wir bis dahin nicht rauskommen?“ Sakura kümmerte es nicht, dass sie einen inadäquaten Tonfall an den Tag legte.
 

Madara antwortete nicht sofort. „Wir werden hier bis morgen nicht rauskommen, Frau Haruno. Dass ich den Termin nicht werde wahrnehmen können, ist selbstverständlich sehr ärgerlich, aber es ist niemand im Büro und hier gibt es kein einziges Fenster. Es ist, wie es ist, und ich sehe keinen Grund, mich mit etwas zu beschäftigen, was sich ohnehin nicht ändern lässt.“
 

Sakura wollte gerade etwas erwidern, als Madara ihr entgegenkam. „Ich würde Sie außerdem bitten, auf Ihren Tonfall zu achten. Über die Nachricht, die Sie mir geschickt haben, war ich keinesfalls erbost. Im Gegenteil: Ich finde, Sie haben recht, weshalb ich den direkten Kontakt zu Ihnen vermieden habe. Ich werde allerdings erbost sein, wenn Sie sich nicht zusammenreißen.“ Er durchbohrte sie mit seinen schwarzen Augen und nickte in die Richtung des zweiten Stuhls. „Setzen Sie sich.“
 

Zögernd nahm Sakura Platz. Was nun? Hatte Madara allen Ernstes vor, bis zum nächsten Tag hier zu bleiben? Es gefiel ihr nicht, dass er in so einer Situation ruhig war, und am liebsten hätte sie ihm das auch so gesagt. Gute Güte... Ich stecke gemeinsam mit meinem Chef in einem Archivraum fest. Gute Güte!
 

„Wie gefällt Ihnen die Arbeit und die Schule?“, wollte Madara nach einer Weile wissen. Er wechselte die Position und sah Sakura an. „Verstehen Sie alles oder gibt es irgendwo Probleme?“
 

Unglaublich, dachte Sakura sich. Er wollte sich mit ihr ungezwungen über diese Dinge unterhalten, obwohl sie eingesperrt waren? „Beides gefällt mir ganz gut“, antwortete Sakura dann in gezwungen ruhigem Ton, und wenig später, weil Madara nichts antwortete, fügte sie hinzu: „Tatsächlich tue ich mich gerade beim Thema unentgeltliche Wertabgaben ein wenig schwer.“
 

„Sagen Sie mir, wo es hakt.“
 

Sie unterhielten sich über eine halbe Stunde lang, Sakura wurde etwas gelassener, und als der gedämpfte Laut der Türklingel zu ihnen durchdrang, rieb sich Madara über das Gesicht. „Die Mandanten werden sich erst einmal dumm und dämlich klingeln müssen, bevor sie gehen.“
 

Noch zweimal ertönte die Klingel, dann wurde es still.
 

Auch wenn Madara vorhin ruhig geblieben war, merkte Sakura ihm jetzt die schlechte Laune an. „Ich… Ich denke, dass die Mandanten dafür Verständnis haben werden“, versuchte sie, ihren Chef ein wenig aufzumuntern.
 

„Ich werde den Mandaten morgen sicherlich nicht mitteilen, dass ich mich versehentlich im Archivraum eingeschlossen habe“, gab Madara etwas gereizt zurück. „Angenommen Sie wären mein Mandant und ich würde Ihnen das mitteilen, würden Sie mich dann noch als kompetent betrachten?“
 

Sakura erwiderte nichts, sondern sah auf ihre Hände, die sie auf ihre Oberschenkel platziert hatte.
 

Es trat ein sehr langes Schweigen ein und Sakuras Geist verließ das Hier und Jetzt, um mental zu Sasuke zurückzukehren.
 

Ino hatte ihr geschworen, Sakura die Freundschaft zu kündigen, sollte sie Sasuke das, was er getan hatte, verzeihen. Zu dem Zeitpunkt war Sakura sich sicher gewesen, dass sie Sasuke nicht vergeben wollte und hatte Ino den Vogel gezeigt. Nun war sie es nicht mehr, was sie den lebendigen Erinnerungen zu verdanken hatte.
 

Madara bemerkte ihre Nachdenklichkeit. „Ist alles in Ordnung, Frau Haruno?“
 

Sakura, noch halb in Gedanken, wandte den Kopf zu ihm und senkte dann den Blick. Mit dem Arbeitgeber über persönliche Angelegenheiten zu reden war nicht professionell. „Es ist alles in Ordnung, Herr Uchiha. Ich bin nur… Nur etwas müde und die Situation ist natürlich alles andere als schön.“
 

„Izuna hat mir mitgeteilt, dass Sie die Tage ein wenig neben der Spur wirken. Keine Ahnung, wie Sie es schaffen, die Arbeit in diesem Zustand angemessen zu verrichten, aber das ist etwas, das für Sie spricht. Es fragt sich nur, wie lange das möglich ist.“
 

Sakura durchfuhr eine unangenehme Empfindung. Sie hatte sich so sehr darum bemüht, sich auf der Arbeit nichts anmerken zu lassen, und trotzdem war es aufgefallen.
 

„Wir dachten erst, dass es eventuell wieder zu Problemen mit einem Mitarbeiter gekommen ist und wollten Sie darauf ansprechen.“
 

Sakura schüttelte vehement den Kopf. „Nein, es hat tatsächlich nichts mit der Arbeit zu tun, Herr Uchiha.“
 

„Also eine Privatangelegenheit“, stellte Madara nüchtern fest. Sein Blick fiel auf die Taschen mit Ordnern, die sie noch nicht einsortiert hatten. Das Sitzen ging ihm allmählich gegen den Strich, weswegen er Sakura helfen wollte. Wortlos stand er auf und Sakura tat es ihm nach.
 

Sie sprachen nicht, während sie mit den Ordnern durch den Archivraum gingen. Sie gingen gemächlich vor, es bestand schließlich kein Grund zur Eile.
 

Sakura wusste, dass ihre Eltern sich Sorgen machten, und sie befürchtete, dass ihre Eltern erst versuchen würden, sie über das Mobiltelefon zu erreichen, und dann die Polizei kontaktieren würden, während sie heile mit ihrem Chef im Archivraum festsaß. Ein Glück muss ich noch nicht auf die Toilette, ging es Sakura durch den Kopf. Aber irgendwann würde es so weit sein.
 

Madara und Sakura trafen sich bei der leeren Tasche und sahen einander an.
 

„Falls Sie reden möchten, können Sie das tun“, sagte er zu ihr. „Irgendwie müssen wir uns die Zeit bis zum Morgen vertreiben. Für Träume ist es noch zu früh.“ Für beide war es unvorstellbar, in diesem Raum Schlaf zu finden, nur sprach es keiner aus.
 

Madara setzte sich und nahm die gleiche Pose ein wie zu Anfang.
 

Sakura lehnte sich gegen das nächste Regal.
 

Unter anderen, milderen Umständen hätte Sakura sich nie und nimmer dazu bewegen lassen, mit ihrem Arbeitgeber über privaten Angelegenheiten zu reden, weil sie wusste, dass es einem zum Verhängnis werden konnte. Aber sie war unruhig und benötigte eine fremde Meinung, so sehr, dass sie sich dazu entschied, Madara etwas anzuvertrauen. Aber Sakura war nicht einfältig, weswegen sie die Angelegenheit nur oberflächlich benannte.
 

„Mich beschäftigt die letzten Tage die Frage, wie viel wem man verzeihen sollte.“
 

Madara nickte. „Wenn Sie mich fragen: Man sollte niemandem etwas verzeihen und nichts vergessen. Höchstens über den Dingen stehen.“
 

„Selbst wenn es ein Mensch ist, den man gerne hat? Den man gerne hatte?“, erkundigte sich Sakura.
 

Ihre Blicke trafen sich, und dieses Mal ließen beide es zu.
 

Madara dachte an seine letzte Beziehung und ihn beschlich das Gefühl, dass Sakura ähnliches widerfahren war. An Nobuko hatte er lange nicht mehr gedacht. „Ja“, sagte er fest und drängte die Gedanken um seine Ehemalige zurück. „Ganz egal, wie gerne man einen Menschen irgendwann gehabt hatte. Es hat einen Grund, warum man es nicht mehr tut. Ich halte nichts vom Aufwärmen, wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen geht. Sie verstehen?“
 

„Ich verstehe, ja“, antwortete Sakura. „Bitte denken Sie nicht, dass mich mein Privatleben jemals beim Arbeiten behindern könnte. Mir geht es auch nicht schlecht, ich war nur sehr nachdenklich und…“
 

Madara amüsierte sich über Sakuras hektischen und nervösen Tonfall. „Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Haruno“, versicherte er ihr. „Sie werden schon nicht entlassen werden.“

Im Archivraum II


 

*
 

Sakura und Madara gingen wieder dazu über, sich über die Ausbildung und die Arbeit zu unterhalten. Irgendwann schlief Sakura entgegen eigener Erwartungen auf dem Stuhl ein.
 

Madara stand auf und flanierte zwischen den Regalen wie über Alleen, bis Sakura wieder in seinem Blickfeld erschien. Er lehnte sich gegen das nächste Regal und sah die junge Frau an. In ihm regte sich etwas, während er sie betrachtete; etwas Zartes erwuchs in ihm wie eine Blume beim Anblick ihres schlafenden Gesichts.
 

Madara dachte an Sakuras Worte von vorhin. Ihn beschlich der Verdacht, dass Sakura Ähnliches, wenn nicht Gleiches widerfahren war wie ihm. Es würde zu ihrer Aussage im Fahrstuhl passen. Unschuldige Männer gibt es nicht.
 

Ein Teil von Madara fühlte sich angegriffen, weil sie die Männerwelt pauschalisierte und somit sicherlich auch ihn für einen schlechten Mann hielt, obwohl er in seiner Beziehung der Betrogene gewesen war. Der anderer Teil von ihm verspürte Amüsement, weil er, wenn er ehrlich zu sich selbst war, genauso von Frauen dachte.
 

Sakura war die Ausnahme. Die junge Frau war zweifelsohne von ihrem Ex-Partner betrogen worden und gedachte, ihm den Seitensprung zu verzeihen. Etwas, was er niemals in Erwägung ziehen könnte.
 

Sakura murmelte etwas im Schlaf und verzog eine Grimasse. Ihr Oberkörper zuckte kurz, dann zerrte sie eine unsichtbare Kraft zur Seite.
 

In nur drei großen Schritten war er bei ihr und fing Sakura auf, bevor sie vom Stuhl fallen konnte. Selbstverständlich wurde Sakura wach, fand sich in seinem Arm wieder und erschreckte sich.
 

„Wenn Sie schlafen wollen, dann holen sie sich lieber einen dritten Stuhl dazu und legen sich quer. Sonst fallen sie um“, sagte Madara, als er sich von ihr löste.
 

Sakura presste die Lippen zusammen, ließ ihre Hände zu Fäusten werden und starrte beschämt geradeaus.
 

Madara überlegte. Er trug den Wunsch in sich, Sakura davon abzuhalten, einen großen Fehler zu begehen. „Sie sollten ihm nicht verzeihen.“
 

Sakura blinzelte. „Bitte?“
 

„Sie sollten ihm nicht verzeihen. Damit machen Sie einen großen Fehler.“
 

Es klang so, als sei er dahintergekommen, dass sie betrogen worden war. Sie wollte ihm mehrere Fragen auf einmal stellen und wusste nicht, mit welcher sie anfangen sollte. Schließlich entschied Sakura, sich ahnungslos zu geben. „Was meinen Sie?“
 

„Sie sind von Ihrem Partner betrogen worden, nicht wahr?“
 

Diese Worte waren pures Gift und erschütterten sie ungemein. Sakura drückte ihre Oberschenkel fest zusammen, um nicht zu zittern. „W-Wie haben Sie das herausgefunden, Herr Uchiha?“, fragte sie, um einen beherrschten Ton bemüht.
 

Dass sie mit ihrem Chef über Privatangelegenheiten sprach, kümmerte sie nicht mehr. Sie hatte nur noch Sasuke im Kopf, dachte an die Bilder, die Ino mit Sai gemacht hatte, dachte daran, was Sasuke zu ihr gesagt hatte. Sie wollte weinen. Aber sie durfte nicht. Nicht hier. Nicht jetzt.
 

„Kombiniert“, antwortete Madara lapidar dem angespannten Häufchen Elend. Sakura tat ihm leid.
 

„Ich will ihm nicht verzeihen.“
 

Sie begann zu weinen.
 

Madara fühlte sich überfordert. Er hatte ihr im Grunde etwas Gutes, Nettes tun wollen, ihr einen Ratschlag geben wollen, der sie stärkte. Stattdessen hatte er dafür gesorgt, dass sie weinte. Er sah sich um, so als wollte er nach jemanden suchen, der sie trösten konnte. Schließlich setzte er sich seufzend neben sie. „Frau Haruno, hören Sie bitte auf zu weinen. Es nützt nichts.“
 

Da sie mit dem Weinen nicht aufhörte, nicht aufhören konnte, in Madara Schuldbewusstsein und Kopfschmerzen erwachten, legte er seinen Arm zaghaft um sie und klopfte ihr sachte auf den Rücken. „Hören Sie bitte auf, Frau Haruno.“
 

Und Sakura hörte auf. Einige Male schluchzte sie noch, dann wurde es still im Archivraum. Madara nahm seinen Arm wieder zurück. „Es tut mir leid“, sagte er nach einer Weile. „Ich hätte es nicht sagen sollen. Schlussendlich bin ich nicht in der Position dazu.“
 

„Nein“, sagte Sakura scharf. Madara war älter als sie und hatte mehr Erfahrung im Leben. Irgendwo fand sie es für sich nachvollziehbar, dass er sie vor Dummheiten bewahren wollte. „Nein, es ist in Ordnung. Ich sollte ihm nicht verzeihen.“ Während ihre Tränen getrocknet waren, war Entschlossenheit in ihr aufgekeimt. „Wissen Sie, weshalb Menschen das tun?“
 

„Sie meinen, den Partner zu hintergehen?“
 

„Ja. Mein Ex-Freund hat gesagt, es sei Gier gewesen.
 

„Gier?“, fragte Madara mit gerunzelter Stirn.
 

Sakura führte aus, was Sasuke ihr an dem Tag gesagt hatte. Sie erzählte Madara sogar, dass ihr Ex-Partner in die Knie gegangen war. „Gier“, fügte Sakura fassungslos am Ende ihrer Ausführung hinzu und schüttelte leicht den Kopf.
 

Madara schwieg. „Gier“, wiederholt er und nickte verstehend. Madara dachte an Nobuko und fragte sich, ob er Sakura ihre Gründe darlegen sollte. Schließlich hatte Sakura sich ihm anvertraut. Minuten vergingen, dann begann er zu reden: „Meine letzte Partnerin verlangte zu viel Aufmerksamkeit von mir. Sie hat mich mit einem jungen Studenten betrogen, weil ich zu viel arbeite.“
 

Mit großen Augen starrte Sakura ihren Chef an.  
 

„Die eigenen Argumente sind  für solche Leute absolut nachvollziehbar“, sagte Madara und machte es sich auf dem Stuhl etwas bequemer, indem er die Beine ausstreckte und die Arme vor der Brust verschränkte.
 

„Ja“, gab Sakura zurück und wusste nicht, was sie noch sagen sollte. Sie schämte sich mit einem Mal für ihr schlechtes Männerbild. Natürlich war ihr klar gewesen, dass auch Frauen Männer betrügen konnten. Natürlich waren Frauen nicht die Guten und Unschuldigen per se. Doch zu wissen, dass ihrem Chef genau das gleiche Unglück widerfahren war wie ihr, hatte dafür gesorgt, dass Sakura ihren Kopf neu ordnete.
 

„Wissen Sie, ich kenne sogar den Namen dieses jungen Studenten. Den Namen werde ich auch nicht so schnell vergessen. Vielleicht laufen wir uns eines Tages über den Weg. Ich weiß nicht, wie ich reagieren werde.“ Vielleicht würde nichts passieren. Gar nichts. Vielleicht würde ihm nach Monaten oder Jahren die Hand ausrutschen.
 

„Es tut mir leid, Herr Uchiha.“
 

Madara gluckste belustigt. „Wieso tut es Ihnen leid, Frau Haruno? Sie sind nicht beteiligt gewesen.“ Madara sah sie an. Der Blick seiner schwarzen Augen war sanft und bescherte Sakura Herzklopfen.
 

Madara lächelte und Sakura wurde merkwürdig zumute.
 

Sakura wünschte, sie wäre jetzt in ihrem kuscheligen Bett. Sie wünschte, sie würde schlafen und von schönen Dingen träumen. Aber sie war gemeinsam mit ihrem Chef im Archivraum eingesperrt und wollte keinesfalls noch einmal in den Schlafzustand gleiten.
 

Doch ihre Müdigkeit übermannte sie nach einer Stunde. Im Schlaf lehnte sie sich gegen Madaras Schulter. Madara registrierte es, unternahm jedoch nichts dagegen. Bald drückte die Müdigkeit auch auf seine Lider, und sein Kopf sank im Schlaf auf Sakuras Haar.
 

*

Madara erwachte gegen halb sieben Uhr morgens mit dem Geruch von Sakuras Shampoo in der Nase. Sein Nacken fühlte sich steif an, weil er so lange in einer ungünstigen Position gesessen und geschlafen hatte. Er rieb sich den Nacken und vernahm plötzlich ein Geräusch.
 

Madara stand sofort auf, trat an die Archivtür heran und klopfte.
 

Das Klopfen riss Sakura aus dem Schlaf, und die junge Frau sah sich schlaftrunken um. Als sie Madara entdeckte, sprang sie vom Stuhl auf. „Ist schon morgen? Ist schon wer da?“, fragte sie aufgeregt.
 

Die beiden hörten Schritte und sahen einander glücklich an. Endlich, endlich würden sie wieder in die Freiheit kommen!
 

Sowohl Madara als auch Sakura entgleisten die Gesichtszüge, als sich die Tür öffnete.
 

Vor ihnen stand jene Mitarbeiterin, die auf Sakuras Bluse Kaffee ausgeschüttet und Sakura im Postraum angetroffen hatte.
 

Sakura wurde fahl vor Angst, weil sie hasserfüllt angesehen wurde. Sie zuckte zusammen, senkte den Blick, dankte der Mitarbeiterin kurz und knapp, ehe sie an ihr vorbeieilte.
 

„Kommen Sie nicht auf falsche Gedanken“, mahnte Madara ernst und bedrohlich. Er sah nicht, wie sich die Finger seines Gegenübers fest um die Türklinke legten. Er sah jedoch, dass die Angestellte Sakura mit einem bösen Blick folgte, bis diese aus ihrem Sichtfeld verschwand.
 

Madara kniff kurz die Augen zusammen und verließ nun selbst den Archivraum. Ohne sich bei ihrer Retterin zu bedanken, schlug er den Weg nach oben ein. Er ging ruhigen Schrittes, obwohl er am liebsten hinter Sakura losgelaufen wäre. Madara wollte sich seine innere Unruhe aber nicht anmerken lassen.
 

Sakura war in Izunas Büro und machte sich zum Aufbruch bereit.
 

„Gehen Sie nach Hause, Frau Haruno.“
 

„Ich muss zur Schule“, erwiderte Sakura, ohne ihn anzusehen.
 

„Das kommt nicht in Frage. Sie sind unausgeruht. Ich werde in der Schule anrufen und Bescheid sagen, dass…“
 

Sakura hielt abrupt in ihrem Tun inne und warf Madara einen gequälten Seitenblick zu. „Danke, Herr Uchiha, aber ich würde ungerne den Schulstoff verpassen. Ich kann ihn sicher alleine nacharbeiten, aber das möchte ich nicht. Ich fühle mich in der Lage, zur Schule zu fahren. Wirklich.“
 

„... Gut“, sagte Madara schließlich. „Tun Sie, was Sie nicht lassen können.“
 

Er verließ das Büro und Sakura sank auf den Stuhl. Sie fühlte sich ganz und gar nicht gut. Sakura wusste nicht, ob sie hier noch arbeiten wollte. Eigentlich mochte sie es hier. Sie mochte Izuna und verstand sich mit ihren Mitauszubildenden. Aber diese eine Mitarbeiterin, die es offensichtlich auf sie abgesehen hatte, die Gerüchteküche und auch das, was Madara in ihr auslösten, das alles machte ihr das Leben schwer. Auch wenn Madara ihr im Prinzip nichts Böses getan hatte.
 

Würde sie das drei Jahre lang aushalten können? Nach den drei Jahren konnte sie sich in einer anderen Kanzlei bewerben. Aber würde sie so lange durchhalten?
 

Sakura vergrub das Gesicht in den Händen. Ich sollte meine Eltern anrufen, schoss es ihr durch den Sinn. Sicherlich hatten sich die beiden viele Sorgen um sie gemacht. Sakura hoffte, dass sie nicht die Polizei informiert hatten.


 


 

Hemmungen


 

*
 

„Sie sind gekündigt.“
 

Sakura zuckte nicht einmal mit der Wimper. Ausdruckslos starrte sie ihren Chef an, der ihr das Kündigungsschreiben in einem Umschlag ohne Fenster zuschob.
 

„Es tut mir leid“, sagte Madara und meinte es aufrichtig.
 

Sakura senkte den Blick und betrachtete mit einem blassen Lächeln den Umschlag, auf dem handschriftlich ihr Name stand. „Danke. So habe ich ein Problem weniger zu bewältigen.“
 

Madaras Kehle war trocken, und er fühlte sich unglaublich schlecht. Er hatte sich bereits so schlecht gefühlt, als Sakura ihm gesagt hatte, sie wolle kündigen. Er hatte sie ungläubig angestarrt und gefragt, ob er sie gerade richtig verstanden habe. „Sie wissen, was auf Sie zukommt, Frau Haruno.“ Seine Stimme war heiser, und er räusperte sich.
 

Es war keine Frage, aber Sakura bejahte dennoch. „Ich habe einen Monat Zeit, mir einen neuen Betrieb zu suchen. Bis dahin gehe ich weiterhin zur Schule. Wenn ich keinen neuen Betrieb finden sollte“, Sakura zog kurz die Lippen in den Mund, „dann muss ich die Ausbildung abbrechen und mir etwas Neues suchen.“
 

Sakura nahm das Kündigungsschreiben und stand auf. „Vielen Dank nochmal, Herr Uchiha.“
 

Madaras Herz ruhte schwer und lamentierend in seiner Brust. Am liebsten wäre er aufgesprungen, hätte Sakura an sich gedrückt und…
 

Madara biss sich auf die Innenseite seiner Unterlippe und schüttelte diesen Gedanken ab. Vielleicht war es gut, dass Sakura ging. Sie war eine kluge und fähige junge Frau, ihre Noten waren herausragend und…
 

„Auf Wiedersehen“, verabschiedete Sakura sich von ihm. Ihre Finger hatte sie bereits um die Klinke der Tür gelegt. Sakura schluckte. Sie drückte die Klinke herunter, verließ sein Büro und schloss die Tür hinter sich.
 

Ihre Augen brannten, aber sie unterdrückte mit aller Kraft ihre Tränen. Sie wollte sich noch unbedingt von Izuna verabschieden. Es wussten nur drei Menschen davon, dass Sakura ab diesem Tag freigestellt war: Madara, Izuna und Hikaku. Alle anderen wussten von nichts, und es war auch besser so. Ein stiller Abgang war Sakura hierbei lieb. Sie hatte heute ganz gewöhnlich acht Stunden Arbeitszeit hinter sich gebracht, bevor sie zu Madara gegangen war.
 

Kaum hatte sie einen Fuß in Izunas Büro gesetzt, stand Madaras jüngerer Bruder auf, trat an sie heran und betrachtete sie traurig. „Es ist schade, dass Sie gehen, Frau Haruno. Wirklich sehr schade.“
 

Oh, er hatte Sakura so liebgewonnen! Umso unverständlicher war ihm, dass man gemeint hatte, Sakura aus der Kanzlei mit Perfidität herausekeln zu müssen, nur weil Madara und Sakura über Nacht im Archivraum eingesperrt gewesen waren.
 

Madara und Izuna waren die Hände gebunden gewesen. Das Miststück hatte keine Beweise hinterlassen.
 

Zum Abschied drückte Izuna Sakura, was die junge Frau sehr überraschte. Sie hatte Hemmungen, die Umarmung zu widern.
 

Izuna seufzte tief. „Rufen Sie umgehend bei der Kammer an. Es wird ganz sicher die eine oder andere freie Ausbildungsstelle zu vergeben sein.“ Das hoffe ich zumindest, dachte Izuna sich.
 

Er begleitete Sakura bis zur Eingangstür, winkte ihr zu und kehrte dann in sein Büro zurück.
 

Sakura indes dachte gar nicht daran, noch heute bei der Steuerkammer anzurufen, um zu erfragen, ob sie eine freie Stelle hätten oder sie prompt vermitteln könnten. Sie hatte sich die letzten Tage überhaupt nicht so gefühlt, als könne sie sich um etwas bemühen und sie würde erst übermorgen herumtelefonieren. Ihr war natürlich stets bewusst gewesen, dass es viele feindselige Menschen gab auf der Welt. Aber sie hätte nie gedacht, so viel Feindseligkeit in diesem Betrieb abzubekommen – und das von einer einzigen Person, wie sie vermutete.
 

Sakura atmete zittrig aus und sah in den gräulichen Himmel in der Hoffnung, dass er sie davon abhalten würde zu weinen. Doch der Himmel schaffte es nicht. Stattdessen schickte er Wassertropfen herab, damit es nicht zu offensichtlich war, dass sie weinte. Sakura wusste nicht, weshalb genau sie weinte. Weinte sie, weil sie ihre Arbeitsstelle aufgeben musste? Weil man sie herausgeekelt hatte? Weinte sie, weil sie Madara nicht mehr sehen würde?
 

Für einen Augenblick hielt sie inne und ihr Herz vollführte einen Hüpfer bei dem Gedanken an ihren Chef. Sakura schloss kurz die Augen und fischte dann ihr Handy heraus. Erst wollte sie Ino kontaktieren. Dann dachte Sakura an Mikoto Uchiha. Schließlich presste sie fest die Zähne aufeinander und packte das Mobiltelefon wieder weg.
 

Sakura fuhr nach Hause und nahm sich einige Stunden Zeit, um sich leise auszuweinen und zu sich zu kommen, bevor sie mit dem Tippen einer verzweifelten Nachricht an Mikoto Uchiha begann. Mit einem Mal wollte sie der Mutter ihres Ex-Partners alles sagen: Dass sie Sasuke getroffen hatte und dass er sie um Vergebung gebeten hatte; dass sie ihre Stelle verloren hatte und dass es sie verwirrte, Herzklopfen beim Gedanken an ihren Chef zu bekommen.
 

Ihre Nachricht wurde lang, endlos lang, aber Sakura kümmerte das erst, als sie die Nachricht bereits an Mikoto abgeschickt hatte. Sakura seufzte tief. „Oh Gott“, dachte sie sich und legte das Handy beiseite. Sie wollte sich ihre eigene Nachricht nicht noch einmal ansehen. Zum einen weil sie Angst hatte, zahlreiche Fehler zu finden und vor Schamgefühl in Grund und Boden zu versinken; zum anderen weil sie sich ihren Text nicht selbst antun wollte.
 

Sie musste noch Ino davon in Kenntnis setzen, dass sie gekündigt worden war. Ino wusste, dass eine gewisse Mitarbeiterin es auf Sakura abgesehen hatte. Aber was Sakura zuletzt widerfahren war und was das nach sich gezogen hatte, davon hatte Sakura ihr noch nichts erzählt.
 

Etwa eineinhalb Stunden später erhielt Sakura eine Antwort von Mikoto. Nervös öffnete sie das Chatfenster und fand nur zwei Sätze unter ihrer langen Nachricht vor:
 

Mir tut es sehr, sehr leid, dass dir so etwas passiert ist!
 

Hättest du vielleicht am Freitag Zeit für ein Treffen?
 

*
 

Madara kaute auf seinem Stift, als Izuna sein Büro betrat. Die beiden sahen sich an und wussten, was in dem jeweils anderen vorging, ohne es zu artikulieren. Das wussten sie schon seit Tagen.
 

Izuna hatte eine angenehme und zuverlässige Arbeitskraft verloren. Und Madara… Madara war es nicht leichtgefallen, Sakura zu kündigen, aus unterschiedlichen Gründen. Einen Grund kannte Izuna. Den anderen kannte nur Madara, und gegen genau diesen Grund kämpfte er gerade, um ihn in sich selbst zu eliminieren.
 

Vielleicht war es gut, dass Sakura nun weg war. Das Motiv dafür, weshalb sie vereinbart hatten, dass er sie kündigen würde, war alles andere als hinnehmbar. Aber ihr Verschwinden würde vielleicht dazu beitragen, dass er seine zarten Gefühle dieser jungen Frau gegenüber begraben konnte, kaum dass er sich ihrer bewusst geworden war.
 

Ob Sakura bereits eine neue Stelle gefunden hatte? Sie war nun seit einer Woche freigestellt. Er hoffte, dass sich der Stress, den Sakura davongetragen hatte, nicht auf ihre Noten auswirken würde.
 

Als Izuna sein Büro verließ, sah Madara auf den Monitor. Sein E-Mail-Postfach war offen. Er hatte noch Sakuras E-Mail-Adresse sowie ihre Handynummer in den Stammdaten gespeichert. Eigentlich könnte er sie kontaktieren und fragen, wie es um sie stehe. Aber diese Idee verwarf Madara sofort. Nein, er würde Sakura nicht kontaktieren. Das war keine gute Idee.
 

Madara sah auf seine Armbanduhr. Er wollte sich gleich sowieso auf den Weg machen. Er hatte keine Zeit, Nachrichten an ehemalige Mitarbeiter zu versenden. Auch wenn sie ihm am Herzen lagen.
 

Madara schüttelte den Kopf und schaltete den Computer aus. Schlecht gelaunt an diesem sonnigen Tag verließ er die Kanzlei, rauchte schnell eine Zigarette und setzte sich ins Auto.
 

Er konnte es nicht fassen, dass er Sakura so sehr vermisste. Sowohl als Auszubildende als auch als die, mit der er eine gesamte Nacht im Archivraum verbracht hatte. Wenn er darüber nachdachte, dann hatten sie bei jedem Aufeinandertreffen etwas über den jeweils anderen erfahren.
 

Madara rieb sich über das Gesicht und startete dann den Motor.
 

Während der Autofahrt war er so sehr in Gedanken, dass er an einer Stelle abzubiegen vergaß, worüber er sich an der nächsten Ampel in einer Wohngegend maßlos ärgerte. Sein Ärgert löste sich allerdings in Luft auf, als er Sakura Haruno von der Seite erblickte. Erst glaubte Madara, seine visuelle Wahrnehmung spielte ihm einen Streich, und blinzelte einige Male. Aber es war zweifelsohne Sakura – und nicht etwa eine Person, die ihr ähnlich sah.
 

Die Ampel sprang auf Grün und Madara wusste erst nicht, was er machen sollte. Schließlich suchte er die Gegend nach einem Parkplatz ab.
 

Hinter ihm war niemand, sodass er von Hupen und dümmlichen Rufen verschont wurde. Madara parkte am Straßenrand. Er stieg aus, wäre beinahe über den Bordstein gestolpert und kam Sakura entgegen.
 

Er überrumpelte Sakura mit seinem plötzlichen Auftauchen so sehr, dass sie ungläubig und perplex anhielt. Mit wenigen Schritten überwand Madara den Abstand zwischen ihnen und folgte seinen Gefühlen, ohne großartig über sie nachzudenken.
 

Er umarmte Sakura und drückte sie fest an sich.
 

Der Blumenstrauß fiel ihr aus den Händen, direkt auf seine Schuhe. Ihr Herz klopfte aufgeregt, aber erwidern vermochte sie nicht. Das gerade kam ihr wie ein Traum vor. Es war der Geruch von Tabak, der dagegen sprach.
 

Madara löste die Umarmung. Sie tauschten einen langen Blick aus, bevor Madara den duftenden Blumenstrauß aufhob und prüfte, ob er unversehrt war. Dann reichte er ihn wortlos Sakura.
 

„… Ich werde den Blumenstrauß abliefern“, sagte Sakura und klang zerstreut. Ihr Körper glühte. „Ich muss zu dem Haus dort drüben.“ Sakura deutete auf das drittnächste Haus.
 

„Machen Sie das, Faru Haruno“, antwortete Madara gefasst. „Ich warte hier.“
 

Sakura wollte sich jetzt nicht von ihm trennen. Sie hatte seine Nähe vermisst. Obwohl er sie überrumpelt hatte, war die Situation gerade sehr angenehm gewesen. Aber sie musste die Blumen zum Kunden bringen.
 

Erst als Sakura verschwand, dachte Madara an das, was er getan hatte. Wenn Izuna das erfahren würde, würde er ihn damit aufziehen. Und vor Monaten hast du mir erzählt, dass du von Frauen die Nase voll hast. Hast du deine Meinung geändert? Und dann würde sein jüngerer Bruder noch hinzufügen: Ausgerechnet eine ehemalige Auszubildende! War an dem Gerücht doch noch etwas dran, hm?
 

Das wäre gefundenes Fressen für Izuna Uchiha. Erst der Lippenstiftabdruck im Aufzug, dann das Feststecken in eben diesem, dann die gemeinsame Übernachtung im Archivraum. Madara betete zu Gott, dass keiner seiner anderen Angestellten Wind davon mitbekäme. Besonders nicht eine ganz bestimmte Dame, die Madara am liebsten ohne Angabe von Gründen hinausgeworfen hätte.
 

Madara stellte diese Gedanken zurück, als Sakura aus dem Gebäude trat. Sie bewegte sich im schüchternen Gang auf ihn zu und blieb vor ihm stehen.
 

Sie sahen einander an.
 

„Ich habe noch keinen neuen Betrieb gefunden“, sagte Sakura, um das Schweigen zwischen ihnen mit irgendetwas zu brechen. „Es gibt die eine oder andere Stelle, aber es wird ewig dauern, bis ich mit dem Öffentlichen da bin und wieder zu Hause.“
 

„Das ist natürlich nicht so gut“, erwiderte Madara. „Lassen Sie uns eine Runde spazieren gehen.“
 

Sie setzten ihre Füße in Bewegung. Auf seine ersten Worte reagierte Sakura mit einem abwesenden Nicken. „Ich helfe meiner Freundin wieder im Blumenladen aus. Nicht gegen Geld. Ich weiß an manchen Tagen nichts mit mir anzufangen.“ Sakura lachte dünn auf. „Ich habe zu viel Freizeit. Das ist ungewohnt.“
 

Madara kam plötzlich zum Stehen. „Setzen Sie sich.“ Er deutete auf die Bank hinter Sakuras Rücken, an der sie soeben vorbeigegangen waren. „Ich werde das jetzt regeln.“
 

Sakura machte große Augen. „Regeln? Was haben Sie vor, Herr Uchiha?“
 

Madara holte sein Handy heraus. „Etwas, was ich ruhig direkt während unseres letzten Gesprächs in meinem Büro hätte tun sollen.“
 

In den nächsten zehn Minuten telefonierte Madara mit Steuerberaterkollegen. Er brachte bei insgesamt fünf Steuerberatern, von denen er wusste, dass sie schon lange niemanden mehr ausgebildet hatten, in Erfahrung, ob sie nicht kurzfristig doch noch eine Auszubildende übernehmen wollten. Zwischen den Anrufen sagte er zu Sakura: „Beim nächsten wird es klappen.“
 

Beim letzten hatten Sakura und Madara endlich Glück. Der Kollege hatte sich bereits Anfang der Woche Gedanken darum gemacht, nach fünf Jahren wieder einen Auszubildenden einzustellen – kurzfristig.
 

„Sie sollten ihm heute noch eine Bewerbung dorthin schicken“, riet Madara Sakura, nachdem er aufgelegt hatte. „Er guckt sich das alles Montag an, wenn er im Büro ist, und wird Sie kontaktieren, damit ein Bewerbungsgespräch vereinbart werden kann. Wenn Sie mich fragen, ist Ihnen die Stelle sicher.“
 

Sakura quoll über vor Dankbarkeit und wusste nicht, wie sie es zeigen sollte. Sie stand auf und schüttelte Madara die Hand. „Danke, Herr Uchiha, vielen Dank!“ Plötzlich erblasste ihre freudvolle Miene. „Aber was, wenn man mich nach dem Grund fragt, weshalb ich gekündigt wurde?“
 

„Sie sagen einfach, dass es am Kollektiv scheiterte. Das entspricht der Wahrheit. Falls er mehr Details will, ruft er mich an. Ich werde mir etwas einfallen lassen.“
 

Skeptisch zog Sakura die Stirn in Falten.
 

Madara musste lächeln. „Wollten Sie nach dieser Blumenlieferung nach Hause fahren?“, erkundigte er sich bei ihr.
 

Sakura bejahte langsam.
 

„Kommen Sie mit, ich fahre Sie nach Hause.“
 

Sie folgte ihm zaghaft zum Auto. Er öffnete ihr die Tür und sie setzte sich auf den Beifahrersitz.
 

Sie empfanden etwas füreinander, und ja, es war durchaus merkwürdig, wenn man alle Geschehnisse seit dem ersten August Revue passieren ließ. Dennoch erfreuten sie sich still an der Gegenwart des jeweils anderen und verspürten Enttäuschung, als sie am Ziel ankamen.
 

Sakura schnallte sich ab und Madara sah sie mit einem sonderbaren Blick an, so als versuchte er, sie nur mit seinen Augen vom Aussteigen abzuhalten.
 

Sakura dachte an das, was sie mit Mikoto beredet hatte. Es war viel gewesen, die zwei Frauen hatten sich über alles Mögliche unterhalten, und es waren fünf Stunden gewesen, sie sie mit Gesprächen gefüllt hatten.
 

Sakura empfand etwas für ihren ehemaligen Chef. Jetzt, da er nicht mehr ihr Chef war, war es einfacher, sich das einzugestehen. Aber Sakura verunsicherten zu viele Dinge: der Altersunterschied, die hinterhältige Mitarbeiterin und bedauerlicherweise auch Sasuke. Nach wie vor war sie nicht gewillt, ihm zu verzeihen. Aber Mikoto hatte ihr erzählt, dass es Sasuke gar nicht gut ginge, dass er Liebeskummer habe, weil er das Ausmaß seiner Tat nun kannte und das hatte sie berührt. Außerdem war da noch ihr Männerbild, gegen das sie sich allerdings vehement wehrte, weil Madara derjenige war, der Betrug erfahren hatte.
 

„Frau Haruno“, riss sie Madaras Stimme aus ihren Gedanken.
 

Sie sahen einander an. Sakuras Blick war erwartungsvoll, trotz all der Überlegungen im Hintergrund.
 

Madara öffnete den Mund, um etwas zu sagen, überlegte es sich aber anders.
 

Sie schwiegen.
 

„Danke fürs Fahren“, kam es über Sakuras Lippen. Abermals hatte sie etwas gesagt, nur damit das Schweigen gebrochen war in der Hoffnung, dass sich eine längere Konversation mit Madara ergeben könnte, bevor sie ausstieg.
 

Doch Madara gab ihr lediglich mit einem kehligen Laut zu verstehen, dass er ihren Dank vernommen hatte, und sah nach draußen.
 

Sakura wandte sich von ihm ab, öffnete die Tür und stieg aus. Sie lächelte ihn an, bevor sie die Autotür schloss.
 

Madara hatte nicht zurückgelächelt. Als Sakura ein gutes Stück weit weg war, rieb er sich mit dem Handgelenk über die Stirn.
 

Auch ihn verunsicherten viele Dinge, weshalb er gegen Ende nicht sehr viel herausbekommen hatte. Madara war gehemmt, das wusste er. Und nur, weil er jemanden mochte, der ganz sicher anders war als seine letzte Partnerin, bedeutete das nicht, dass er sich selbst in Windeseile überwinden konnte.

Anruf


 

*
 

„Das ist jetzt deine dritte Zigarette innerhalb von einer halben Stunde.“
 

Madara blies den Rauch aus dem Mund, ohne seinen Bruder anzusehen.
 

Izuna war genervt. Da fand er Zeit, gemeinsam mit Madara zu essen, und dieser tat nichts anderes, als zu rauchen und gedankenverloren vor sich her zu starren. Der Rauch störte ihn. Madara wegen mussten sie auch noch draußen sitzen. Das Essen hatte Madara nur einmal angerührt, obwohl es nach einem fein schmeckenden Abendessen aussah.
 

Natürlich wusste Izuna, dass etwas im Busch war. „Isst du das noch?“, fragte er trocken. Eigentlich war er voll, schließlich hatte er sich noch ein Dessert hinterherbestellt. Aber Izuna war nicht verschwenderisch. Dank seiner Freundin hatte sich diese Charaktereigenschaft umso mehr gefestigt, weswegen ihm nun das Herz blutete bei dem Gedanken, dieses teure, wunderbare Essen ungewürdigt wegzuwerfen.
 

„Nein, du kannst es ruhig haben.“
 

Izuna tauschte ihre Teller. „Es ist nichts, was mit der Arbeit zu tun hat“, konstatierte Izuna nüchtern wie immer und nahm Messer und Gabel zur Hand. „Erzähl mir bitte, was nicht stimmt.“
 

Madara rieb sich die Augen. „Es hat etwas mit Frau Haruno zu tun.“
 

Die Gabel, die Izuna an seinen Mund hatte führen wollen, blieb in der Luft schweben. Sein Mund stand offen. Das Stück Fleisch, das er aufgespießt hatte, glitt von den Zinken auf den Teller. „Frau Haruno?“, fragte Izuna und zog die Lippen in den Mund, so als wäre das Stück Fleisch nicht zurück auf den Teller gefallen, sondern erfolgreich zerkaut worden. Mit einem Mal war Izuna gespannt wie ein Flitzebogen. „Nun sag schon“, forderte er Madara ungeduldig auf.
 

„Ich habe einen neuen Betrieb für sie gefunden“, begann Madara.
 

„Wirklich? Das ist sehr schön! … Warte. Hast du Kontakt zu ihr aufgenommen?“ Weil Izuna viele Auswärtstermine gehabt hatte und seine freie Zeit überwiegend mit seiner Freundin verbracht hatte, hatten die beiden Brüder wenig miteinander interagiert. Sonst hätte Izuna bereits einen Tag nachdem Madara Sakura getroffen hatte gemerkt, dass etwas mit Madara nicht stimmte.
 

„Ja. Ich habe sie zufällig getroffen.“ Während seiner Erzählung ließ Madara bewusst die Umarmung aus, dachte aber in Intervallen daran. Es hatte sich schön angefühlt, ihren Körper zu spüren.
 

„Das freut mich für sie.“ Izuna kaute genüsslich auf seinem Essen. „Sie wird da garantiert besser aufgehoben sein als bei uns. So traurig das auch klingt.“
 

„Mhm.“
 

Madara wusste nicht, ob er Izuna seine Gefühle Sakura Haruno gegenüber offenbaren sollte. Er hatte Nobuko vorgeworfen, sich auf einen Jüngling, einen Buben eingelassen zu haben, und nun hatte er sich in eine junge Frau verliebt, die bis vor Kurzem noch seine Auszubildende gewesen war. Madara argumentierte gegen sich selbst: Zu dem Zeitpunkt war er wütend gewesen. Wenn dieser Sasuke nicht jünger gewesen wäre, dann hätte er eine andere Eigenschaft gesucht, die er anprangern hätte können.
 

Ein klebriger Kloß formte sich in Madaras Kehle. Er sah Izuna an, der sein Essen mit dem restlichen Inhalt seines Glases hinunterspülte, schluckte den Kloß mühevoll herunter und krächzte: „Ich denke…“ Er hielt inne.
 

„Was denkst du?“, wollte Izuna wissen und lehnte sich zurück. „Wir sollten bezahlen.“
 

Madara nickte. „Ich wollte das Gleiche vorschlagen“, log er seinen jüngeren Bruder an.
 

Sobald sie bezahlt hatten, mussten sie nur die Straße überqueren, um zum Parkhaus zu gelangen. Madara hatte im dritten Stockwerk geparkt, den die beiden Männer bis zum Aufzug erreichten – Izunas Magen war zu voll für Treppensteigen, so als hätte er den ganzen Tag gevöllert. Dabei hatte er nicht einmal ein vernünftiges Mittagessen gehabt!
 

Izuna schnallte sich an und wunderte sich, dass Madara es noch nicht getan hatte. Überhaupt sah Madara nicht so als, als hätte er vor, in den nächsten Sekunden den Motor zu starten. „Madara, wir müssen aus dem Parkhaus raus“, sagte Izuna.
 

In der Stimme seines jüngeren Bruders schwang Sorge mit, was Madara dazu veranlasste, sich anzuschnallen und aus der Lücke herauszufahren.
 

Als sie auf die dunkle Straße herausfuhren, meinte Izuna: „Rede mit mir.“
 

„Ich denke, ich mag Frau Haruno.“
 

Izuna Begriff die Bedeutung dieser Worte nicht sofort. „Du…“ Er blinzelte. „Hast du gerade allen Ernstes gesagt, dass du Frau Haruno magst?“
 

Madara sagte nichts. Konzentriert sah er auf die Ampel, an der er soeben angehalten hatte. Somit sah er nicht, wie Izunas Gesicht sich plötzlich erhellte und seine Mundwinkel in die Höhe wanderten.
 

„Ha!“, machte er. „Ha! Und vor Monaten hast du mir erzählt, dass du von Frauen die Nase voll hast. Hast du deine Meinung geändert?“ Und dann fügte sein jüngerer Bruder noch hinzu: „Ausgerechnet eine ehemalige Auszubildende! War an dem Gerücht doch noch etwas dran, hm?“
 

Madaras linkes Auge zuckte. Genau das hatte er antizipiert. Sie waren Brüder und kannten sich einfach zu gut. Der klebrige Kloß kam wieder hoch und setzte sich in seiner Kehle fest, weswegen Madara abermals schwer schlucken musste. „Zu der Zeit“, erklärte er dann, „bestand meinerseits keinerlei Interesse an Frau Haruno. Das ist die Wahrheit, Izuna.“
 

Izuna gluckste.
 

Eine Weile lang sagte Madara nichts. „Frau Haruno ist ebenfalls von ihrem Ex-Partner betrogen worden. Sie hat es mir erzählt. Das Ganze hat dadurch einen merkwürdigen Beigeschmack. Außerdem bin ich einige Jahre älter als sie. Sie hat vor nicht allzu langer Zeit bei mir gearbeitet und…“
 

„Ich finde, gerade weil ihr beide die gleiche schlechte Erfahrung gemacht habt, habt ihr bereits eine Verbindung zueinander, eine Basis, wenn man es so will.“ Auch zu den zwei anderen Dingen, die Madara benannt hatte, hatte Izuna eine Meinung. Aber er wollte Madara nicht unter seinen Antworten und Analysen begraben. Schließlich wusste Izuna selbst nicht, wie Sakura zu Madara stand. Deswegen fragte er: „Ich nehme an, du hast mit Frau Haruno nicht darüber gesprochen.“
 

„Nein.“ Madara dachte wieder an die einseitige Umarmung. Auch wenn Sakura nicht erwidert hatte, so hatte er das Gefühl gehabt, dass sich ihre Arme um ihn gelegt und ihm so wohlige Wärme induziert hatten. Sie empfand das Gleiche für ihn wie er für sie. Das stand für ihn fest. „Nein, das habe ich natürlich nicht.“
 

„Würdest du sagen, dass sie das Gleiche empfindet? Denn wenn ja“, meinte Izuna, „dann würde ich mir an deiner Stelle einen Ruck geben. Dir entgeht sonst etwas wirklich Wunderbares. Sie ist schließlich nicht mehr in unserem Betrieb.“
 

*
 

Sakura zuckte erschrocken zusammen, als sie auf ihr Mobiltelefon blickte. Sie wurde von Mikoto angerufen. Sakura wischte über den Bildschirm, um den Anruf entgegenzunehmen. „Hallo, Frau Uchiha!“, sagte sie. „Ich bin gerade bei einer Freu-“
 

„Bitte“, kam es auf der anderen Seite der Leitung. Mikoto klang überaus verzweifelt und mit den Nerven am Ende. „Bitte, Sakura. Ich weiß, welche Schmerzen Sasuke dir zugefügt hat. Wie mies mein Sohn sich verhalten hat. Aber bitte, bitte komme hierher. Fugaku und Itachi sind gerade nicht da. Sasuke war zwei Tage nicht zu Hause und davor nicht in der Universität. Gestern kam er betrunken heim und heute habe ich bis jetzt kein einziges Lebenszeichen von ihm mitbekommen.“
 

Sakuras Herz raste.
 

„Was ist los?“, flüsterte ihr Ino zu. Da Mikoto laut gesprochen hatte, hatte Ino das eine oder andere aufgeschnappt. Diese Fetzen in Kombination mit Sakuras Gesichtsausdruck ließen sie glauben, dass etwas Schlimmes passiert war.
 

Sakura hielt abwehrend die Hand in Inos Richtung hoch, ohne ihre Freundin anzusehen. Mikoto weinte nun und es brach Sakura das Herz. „Ich werde kommen“, versicherte Sakura ihr, obwohl sie sich darauf gefreut hatte, gemeinsam mit Ino einen Film zu schauen. „Ich mache mich sofort auf den Weg!“ Sie legte auf und sah Ino ernst an. Eilig fasste sie das Gespräch mit Mikoto zusammen, bevor sie sich entschuldige und sich aufbruchbereit machte.
 

In der Straßenbahn ließ Sakura das Telefonat mit Mikoto Revue passieren und krallte die Finger in ihre Tasche. Ihr war der Gedanke gekommen, dass Sasuke sich etwas angetan haben könnte. Nein, sagte Sakura sich. Nein, das wird er nicht getan haben. Ungeduldig blickte sie zu dem Monitor an der Decke und sprang sofort auf, als die nächste Haltestelle angekündigt wurde.
 

Sie musste eine gute Strecke in der klammen Dunkelheit zu Fuß zurücklegen. Angst hatte sie keine, ihr Kopf wurde von Sasuke dominiert. Als sie vor dem Haus der Uchihas stand, kamen alle Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit als Paar hoch. Hatte Sakura Madaras Existenz in der Bahn zwischenzeitlich verdrängt, war er nun ganz vergessen. Sakura war nach weinen zumute.
 

In der Küche brannte Licht.
 

Mit zittrigen Fingern berührte sie das Tor, das in den gepflegten Vorgarten führte, und öffnete es. Je näher sie der Eingangstür kam, desto schlechter wurde ihr. Sie schluckte, ehe sie die drei steinernen Treppenstufen hochging und dann klingelte.
 

Auf der anderen Seite der Tür ertönten Schritte. Mikoto hatte sich in der Küche aufgehalten und öffnete Sakura die Tür in Windeseile. Selbst im schwachen Licht der Lampe an der Flurdecke sah man, wie geschafft Mikoto war. „Hallo, Sakura“, begrüßte Mikoto sie. „Ich bin so froh, dass du da bist.“
 

Sakura lächelte unbeholfen. Sich in diesem Haus aufzuhalten, schürte ihr die Kehle zu. Sie zog ihr Schuhwerk aus und sah Mikoto an. „Ich werde zu Sasuke gehen“, sagte sie, ohne Zeit zu verlieren, und ihr Gegenüber bejahte.
 

Mikoto folgte Sakura die Treppe in das Zimmer ihres jüngsten Sohnes hoch. Sakura musste an den Tag denken, an dem sie das allererste Mal hier gewesen und auf der Treppe gefallen war. Sasuke hatte sich liebevoll um sie gekümmert und war ihr für den Rest des Tages nicht von der Seite gewichen. Ihr Hintern hatte mehrere Tage furchtbar wehgetan.
 

Vor Sasukes Zimmertür blieb Sakura stehen und drehte sich nach Mikoto um. Diese hatte die letzten Stufen nicht überwunden, sondern stand auf der fünften Treppenstufe, den verzweifelten, ängstlichen Blick auf Sakura gerichtet.
 

Tief atmete Sakura durch und klopfte. Nichts regte sich im Zimmer. „Sasuke“, kam es über ihre Lippen wie ein schweres Fremdwort. „Ich bin es. Mach bitte die Tür auf.“
 

Sogar Mikoto hörte, wie Sasuke in Bewegung kam. Eilig verschwand sie nach unten, und als Sasuke die Tür öffnete, war Mikoto bereits wieder in der Küche.
 

Sasuke sah sie wie ein Durstiger in der Wüste an, der eine Oase in der Ferne entdeckt hatte. Nur war es keine Täuschung – die Oase war da, sie war tatsächlich da! „Sakura“, keuchte er mit großen, vor Unglauben geweiteten Augen.
 

Er war nur noch ein Schatten seines Selbst: Unter seinen Augen schienen lilafarbene Halbmonde, seine Haut war stumpf und fahl, sein Haar eine fettige Katastrophe, seine Kleidung war mit Flecken übersät, und von ihm ging ein strenger Geruch aus, der dafür sorgte, dass Sakura sich versteifte. Schweiß, Parfüm, Spirituose. Daneben hatte Sasuke ein paar Kilo zugenommen.
 

„Ich…“ Sasuke fasste sich in die Haare und wirkte gebrochen. „Es tut mir leid. Ich bin in keinem guten Zustand.“
 

Sakura sah an Sasuke vorbei ins Zimmer. Es sah mindestens genauso schrecklich aus wie er selbst. Sakura runzelte die Stirn und sah Sasuke mitleidig an. Dass die Trennung solche Folgen für Sasuke nach sich ziehen würde, das hatte keiner der beiden gedacht.
 

„Willst du trotzdem reinkommen?“, fragte Sasuke aufgeregt.
 

„Ich bin mir nicht sicher…“, murmelte Sakura wahrheitsgemäß.
 

Sasuke entfernte sich, um ein wenig Ordnung in sein Zimmer zu bringen. Flaschen klirrten, Rascheln ertönte.
 

Sakura wartete eine Weile, dann betrat sie sein Zimmer, wo sie unzählige Erinnerungen überrollten. Sie musste sich beherrschen, um nicht loszuweinen.  
 

„Setz dich.“ Sasuke war nervös und das sah man ihm auch an. Er hatte für Sakura Platz auf seinem Bett gemacht.
 

Sakura setzte sich unsicher hin und ließ ihren Blick über das Zimmer schweifen. Nie und nimmer hätte sie gedacht, dieses Zimmer nach der Trennung jemals wieder zu betreten. Es hatte sich nichts verändert, nur dass es unordentlicher und miefiger war. In einer Ecke standen unzählige leere Bierflaschen. Sasuke konnte Bier damals nichts abgewinnen.
 

„Kann ich mich zu dir setzen?“, wollte Sasuke wissen.
 

Sakura zuckte kaum merklich die Schultern. In ihren Augen war Sasuke zu kaputt, um etwas zu versuchen. „Ja.“
 

Sasuke setzte sich neben Sakura auf das Bett. Sie fühlte sich unwohl. Das merkte er ihr auch an, weswegen er Abstand zu ihr hielt. „Mein Leben ist aus dem Ruder gelaufen“, sprach Sasuke das Offensichtliche aus. „Ohne dich hat nichts mehr einen Sinn. Nichts.“ Er sah auf seine Hände. „Ich bin froh, dass du da bist.“
 

„Deine Mutter hat mich angerufen“, sagte Sakura, den Blick nach vorne gerichtet. Sie schielte aus den Augenwinkeln zu Sasuke. „Sie hat sich Sorgen um dich gemacht.“
 

Schuldbewusst ließ Sasuke den Kopf hängen. „Ich enttäusche alle.“
 

Sakura wollte etwas Niederschmetterndes, Böses antworten, konnte das aber nicht übers Herz bringen. „Sasuke, du musst dich zusammenreißen.“
 

Sasuke vergrub kurz das Gesicht in den Händen. „Es ist meine eigene Schuld und dessen bin ich mir absolut bewusst. Ich habe mein Wort gehalten und habe dich keinmal kontaktiert. Ich wollte, dass du aus freien Stücken zu mir kommst. Jetzt bist du hier. Nicht aus freien Stücken, aber allein deine bloße Abwesenheit tut gut.“
 

Sakura drehte den Kopf zu ihm. Obwohl er sein Äußeres die letzte Zeit vernachlässigt hatte, sah man, dass er eigentlich ein hübscher junger Mann war. Erst glaubte sie, es sich einzubilden, dass sein Gesicht ihrem immer näher kam. Doch da trennten ihre Lippen nur noch wenige Millimeter voneinander.

Unerwarteter Besuch


 

*
 

Zaghaft hob Sakura ihre Hand und hielt diese vor Sasukes Gesicht. Sein Handeln enttäusche sie, war er doch eben noch darauf bedacht gewesen, Abstand zu halten. Ihr Inneres bebte. Nicht deshalb, weil sie den Kuss gerne erwidert hätte. Sie wollte es tatsächlich nicht. Die Situation war einfach zu viel für sie.
 

Anders als an dem Tag, an dem Sasuke sie um zehn Minuten gebeten hatte, empfand sie jetzt nichts mehr für ihn auf der romantischen Ebene.
 

Sasuke schien es ihr nicht übel zu nehmen und baute wieder die räumliche Distanz auf, die er eingerissen hatte.
 

Sie schwiegen. Sakura, nun etwas ruhiger, ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen und wurde mit jedem Detail, das sie fand, trauriger.
 

„Nimm bitter wieder dein Leben in die Hand.“ Er hatte sie betrogen, hatte sie verletzt. Aber sie konnte nicht mit dem Wissen leben, dass es ihm schlecht ging. Selbst nach dem, was er sich geleistet hatte, war sie nicht fähig, ihm Schlechtes zu wünschen. Unter anderem auch deshalb, weil er Mikotos Sohn war und Mikoto sehr unter seinem Verhalten litt. Sakura mochte Mikoto. Sie und Fugaku waren immer liebevoll mit ihr umgegangen, der eine direkter, der andere weniger.
 

Sasuke verschränkte die Hände ineinander. „Ich glaube, das kriege ich ohne dich nicht hin.“
 

Sakura atmete lautlos die Luft ein. So etwas in der Art hatte sie befürchtet. Sakura wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. „Erwartest du, dass… dass ich dir helfe?“ Ihr war, als würde eine unsichtbare Macht versuchen wollen, ihr die Luft abzuwürgen.
 

„Ich erwarte nichts.“
 

Sie drehte den Kopf langsam zu ihm, so als hätte sie Angst, etwas in seinem Gesicht vorzufinden, was sie keinesfalls sehen wollte.
 

Sasuke lächelte. Aber auch sein charmantes Lächeln hatte seinen Glanz verloren und wirkte ausschließlich unglücklich und gequält.
 

„Ich wüsste nicht, wie ich dir helfen sollte.“
 

Sasuke hätte ununterbrochen in ihre grünen Augen schauen können. Sakura wollte das aber nicht, weshalb sie den Blick abwandte. Sie standen einander nicht mehr so nahe wie damals, auch wenn es Sasuke nicht recht wahrnahm oder wahrhaben wollte.
 

„Du fehlst mir einfach. Als Freundin, als Mensch, nicht nur als meine Partnerin, mein…“ Sasuke biss sich rechtzeitig auf die Zunge, bevor ihm das Wort Kätzchen über die Lippen kommen konnte. So hatte er sie manchmal genannt.
 

Sakura schluckte. Sie hatte Mitleid mit ihm. Was sie aber verstimmte, war, dass sie tatsächlich so etwas wie Schuldgefühle verspürte. Doofe Kuh, schimpfte sie über sich selbst. Er betrügt dich, belügt dich und du, du hast ein schlechtes Gewissen, weil ihn die logischen Konsequenzen eines Seitensprungs auf Dauer schwerer erwischt haben als dich selbst? Wie armselig bist du eigentlich?
 

Am liebsten hätte Sakura sich selbst geohrfeigt. Sie krallte ihre Finger in ihren Rock.
 

Sasuke registrierte das und dachte, dass er sie mit seinen Worten wütend machte. „Wenn du dich hi-“
 

„Würde es dir helfen, wenn ich dir einfach beistehe?“, wollte sie von ihm wissen. „Dass wir irgendwann wieder zusammen sein werden, das ist nicht möglich. Dass wir jemals eine stabile Freundschaft pflegen könnten, ist auch nicht möglich. Denn ich will das nicht, Sasuke. Aber“, Sakura sah ihn fragend an, „ich möchte dir beistehen. Die Frage ist, ob das für dich tragbar ist, mich weder als deine Partnerin noch deine Freundin zu wissen.“
 

Sasuke lehnte sich ein Stück zurück, stützte seinen Oberkörper mit den Händen und streckte die Beine aus. „Solange du auf irgendeine Weise da bist, wird es mir schon gut genug gehen, um mein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen.“ Sein linker Mundwinkel zuckte kurz. „Du weißt ja nicht, was ich alles getan habe und worin ich involviert war.“
 

„Das will ich auch gar nicht wissen“, beeilte Sakura sich zu sagen. Sie hatte Angst, dass sie es sich noch anders überlegen könnte. „Konzentriere dich auf die Gegenwart. Von hier aus geht es in die Zukunft. Die Vergangenheit solltest du komplett hinter dir lassen.“ Und somit auch das Bild von uns als Paar, fügte sie gedanklich noch hinzu.
 

Sasuke ließ sich Zeit, um auf Sakuras Worte zu reagieren. Während er nachdachte, war Sakura vollkommen ruhig und betrachtete ihn von der Seite. Sie wusste nicht, wie lange sie schon hier war. Die Fenster waren abgedunkelt. Sakura fischte ihr Handy aus der Tasche. Sie hatte vor eineinhalb Stunden Inos Wohnung verlassen.
 

„Gut“, sagte Sasuke unerwartet.
 

„Gut?“
 

„Ja.“ Er zögerte. „Handelst du dadurch nicht selbstzerstörerisch?“
 

„Ich werde es erst herausfinden, wenn ich versuche, dir zu helfen.“
 

„Ich schätze, ich sollte mit dem Aufräumen meines Zimmers beginnen.“ Er lachte dünn auf. „Hier sieht es aus wie in einem Saustall.“ Sasuke schlug mit den Händen wie voller Tatendrang auf seine Oberschenkel und erhob sich vom Bett.
 

„Ich werde dir helfen.“
 

Verwundert starrte er sie an. „Das musst du nicht. Vielleicht hattest du etwas anderes vor und meine Mutter hat dich herausgerissen.“
 

Sakura schüttelte den Kopf. Auf den Film mit Ino hatte sie keine Lust mehr. Es war außerdem zu spät dafür, noch zu ihrer Freundin zu fahren und dann einen Film anzufangen. Zumal Ino sie erst einmal ordentlich über den Aufenthalt hier ausquetschen wollen würde. „Ich helfe dir.“
 

Sie redeten während der Aufräumarbeiten nur wenig miteinander. Überwiegend war es Sakura, die sachlich aus ihrem Leben berichtete. „Mein Chef hat mich dann gekündigt. Wenn ich die Kündigung eingereicht hätte, hätte das nur zu Problemen geführt. Das war sehr nett von ihm“, beendete Sakura ihre Erzählung über ihre alte Arbeitsstelle.
 

„Es ist gut, dass du da raus bist“, kommentierte Sasuke, den das Verhalten der Mitarbeiterin sehr empörte, und schnürte den zweiten Müllbeutel, den sie vollgemacht hatten, zusammen.
 

Das Zimmer war längst noch nicht komplett aufgeräumt, aber es sah anständiger aus. Jetzt war der Raum auch besser zu ertragen. Sakura konnte nicht sagen, ob es geschauspielert war, aber Sasuke schien es tatsächlich ein kleines bisschen besser zu gehen.
 

„Ich denke, ich werde jetzt gehen“, verkündete Sakura, als sie auf die Uhrzeit sah. „Ich muss mich noch für morgen vorbereiten.“
 

Sasuke nickte. Er begleitete sie herunter zur Tür.
 

Mikoto, die noch immer oder wieder in der Küche war, lächelte Sakura flüchtig zum Abschied an und schloss die Tür, damit die beiden genau wie vorher unter sich waren.
 

Sakura zog sich ihre Schuhe an. Wenn Sie mich fragen: Man sollte niemandem etwas verzeihen und nichts vergessen. Höchstens über den Dingen stehen, erinnerte sie sich urplötzlich an Madaras Worte, die er im Archivraum gesprochen hatte.
 

Als Sakura sich zur vollen Größe aufrichtete, sah sie Sasuke mit einem eindringlichen Blick an. „Damit du eines weißt: Ich habe dir den Seitensprung nicht verziehen. Ich habe ihn nicht vergessen. Das werde ich nie.“
 

„Kann ich verstehen“, sagte Sasuke lakonisch. Man merkte es ihm an, dass es auch für ihn ein unangenehmes Thema war.
 

Sakura nickte. „Dann mach’s gut.“
 

Gerade als sie ihre Finger um die Türklinke legte, rief Sasuke: „Warte!“ Er griff nach ihrem Arm und hielt ihn fest. Mit den Zähnen knirschend blickte er nach unten und schaute sie mit gekräuselter Stirn an. „Hast du einen Freund?“
 

„Das hast du mich schon mal gefragt.“
 

Sasuke ließ von ihrer Hand ab, weil Sakura enorm abweisend klang. So sehr er sich auch zusammenzureißen versuchte, so sehr er sich in Zurückhaltung übte – er wollte wissen, ob sie bereits jemanden hatte. Sasuke wollte es unbedingt wissen und hatte manchmal das Gefühl, die Gewissheit, dass sie einen anderen Mann hatte, könnte ihm weiterhelfen.
 

„Ich habe keinen Freund“, sagte sie und spürte ein Kribbeln in ihrer Magengegend. Sie dachte an Madara. „Es gibt aber jemanden, den ich mag. Auch wenn… Auch wenn alles furchtbar kompliziert ist.“ Mikoto war die Erste, der sie diese Information anvertraut hatte. Jetzt hatte sie es Sasuke erzählt. Ausgerechnet Sasuke. Sie wollte sein Gesicht nicht sehen. „Mach’s gut“, sagte sie und öffnete die Tür. „Du kannst mir schreiben.“
 

*
 

Sehr geehrte Frau Haruno,
 

ich wollte mich nur bei Ihnen persönlich erkundigen, wie das Vorstellungsgespräch gelaufen ist. Ich hoffe, dass Sie die die Möglichkeit bekommen haben, in der Kanzlei zur Probe zu arbeiten.
 

Hochachtunsgvoll
 

Madara Uchiha
 

Wenn es um Textverkehr mit Sakura Haruno ging, stellte er fest, benötigte er längere Bedenkzeit. Er hatte die Mail von seiner privaten E-Mail-Adresse von zu Hause aus geschickt. Natürlich hätte er sich direkt mit seinem Steuerberaterkollegen in Verbindung setzen und alles in Erfahrung bringen können. Er hatte sich dagegen entschieden, weil er Kontakt zu Sakura Haruno haben wollte.
 

Madara stellte den Laptop beiseite und spazierte aus dem Wohnzimmer in die Küche. Als er wiederkam, befand sich in seinem Posteingang eine neue Mail. Sie stammte von Sakura Haruno.
 

Sehr geehrter Herr Uchiha,
 

das Vorstellungsgespräch lief gut! Ich werde Mittwoch und Donnerstag probearbeiten.
 

Mit freundlichen Grüßen
 

S. H.
 

Er freute sich. Innerlich. Andererseits war er auch ein wenig enttäuscht darüber, dass ihre E-Mail an ihn so kurz war. Sie hat meine Fragen allerdings beantwortet, ging es Madara durch den Kopf. Eigentlich wollte er sie irgendwohin einladen. Eigentlich wollte er mit ihr etwas besprechen, von dem er wusste, dass es in ihr etwas auslösen würde. Nur...
 

Madara machte den Laptop aus. Er war immer noch gehemmt. Ob es zu früh war oder ob diese Hemmung nun zu etwas Fundamentalem geworden war, wusste er nicht zu sagen. Fakt war, dass obwohl er es gerne tun würde, er nicht in der Lage war, den ersten Schritt auf Sakura zuzumachen.
 

Abermals legte Madara den Laptop beiseite. Dieses Mal stand er aber nicht auf, sondern blieb sitzen und dachte eine Weile nach, bevor er die Augen verdrehte und sein Mobiltelefon hervorholte. Zu seiner Überraschung entdeckte er zwei entgangene Anrufe von einer ungespeicherten Nummer. Sie kam ihm nur allzu bekannt vor und in ihm stieg eine unangenehme Empfindung hoch, die sich zu einem Kloß in seinem Hals formte.
 

Es war Nobuko. Madara zog die Unterlippe in den Mund betrachtete die Zahlen. Zweifelsohne handelte es sich um ihre Nummer. Wieso zum Teufel rief sie ihn an? Sein Abend war ruiniert, auch wenn er keine Absicht hatte, ihr zu antworten. Es interessierte ihn nicht, wie es ihr ging. Es interessierte ihn nicht, was sie tat. Sie interessierte ihn nicht.
 

Madara blockierte die Nummer und verspürte dabei Genugtuung. Nur kurz danach sprang er vom Sessel auf und begann, auf und ab zu gehen.
 

Es klingelte an der Tür und Madara kam abrupt zum Halt. Izuna hatte sich nicht angekündigt. Ein Spontanbesuch stand bei dem Burschen im Moment auch außer Frage. Vielleicht war es Nobuko. Vielleicht hatte sie angerufen, um ihm zu sagen, dass sie vor seiner Haustür stand. Madaras Kiefer zitterte. Mit großen, schnellen Schritten ging er in den Flur. Durch den Spion konnte er niemanden sehen, weshalb er auf einen ungebeten Gast schloss.
 

Ein weiteres Mal wurde die Türklingel betätigt und Madara schloss bei dem lauten Surren die Augen. Er beschloss, die Tür zu öffnen.
 

Als vor seine Augen ein junger Mann trat, glaubte Madara, nicht richtig sehen zu können.

Sasuke


 

*
 

„Mein Name ist Sasuke Uchiha. Ich will, dass du mit mir nach draußen kommst.“
 

Madaras Gesichtsausdruck beherrschten Unglaube und Zorn. Er hatte vor sich jenen jungen Mann stehen, mit dem Nobuko ihn betrogen hatte. Trotz der Situation, die jeden anderen jegliche Rationalität genommen hätte, kombinierte Madara rasch: Sasuke musste seine Adresse von Nobuko haben. Irgendwie hatte er es aus ihr herausbekommen und Nobuko hatte wahrscheinlich versucht, Madara vorzuwarnen.
 

Madara betrachtete sein Gegenüber. Sasuke sah seinem Bruder nicht nur auf Fotos, sondern auch in Echt ähnlich. Zu all dem, was er verspürte, kam nun auch Bitterkeit hinzu, und Madaras Griff um die Türklinke wurde fester. „Weshalb bist du hier?“ Schneidender und kälter hätte Stimme nicht sein können.
 

Sasuke befeuchtete seine Lippen und antwortete: „Um mich für das, was ich gemacht habe, zu verantworten. Lass uns rausgehen. Du wirst schon erfahren, was ich meine.“
 

Madara war skeptisch. Trotzdem nahm er die Schlüssel zu seiner Wohnung vom Beistelltisch im Flur, trat über die Türschwelle, was Sasuke dazu bewegte, einen Schritt zurückzumachen, und schloss die Tür hinter sich. Er hatte letztens erst, im Archivraum, darüber nachgedacht, was passieren könnte, wenn er auf Sasuke träfe. Und nun kam er, ganz von allein, zu ihm.
 

Er folgte Sasuke zum Aufzug und trug den Wunsch in sich, ihm seine Faust ins Gesicht zu drücken. Madara wollte aber zuerst wissen, was Sasuke ihm zu sagen hatte und wohin er ihn führen wollte. Er war auf alles gefasst. Dem jungen Mann so nahe, roch er das Parfüm, das Nobuko den einen Tag auf ihrer Haut getragen hatte, und rümpfte verächtlich die Nase.
 

Sie verließen das Gebäude, überquerten die Straße und kamen auf einem menschenleeren, von einer einzigen großen Lampe in der Mitte erleuchteten Parkplatz zum Stehen. Sasuke wandte sich sofort um. „Ich will, dass du mich schlägst“, verkündete er.
 

Madaras Augenbrauen wanderten in die Höhe. Hatte der Kerl nicht mehr alle beisammen? Natürlich hatte er nichts dagegen, Sasuke eine zu verpassen. Er verwunderte ihn aber, dass Sasuke ihn dazu ernsthaft aufforderte. „Was erhoffst du dir davon?“
 

Sasuke senkte den Blick. „Genauso wie Nobuko dir fremdgegangen ist, bin ich meiner Ex-Freundin fremdgegangen“, erklärte er. „Ich bereue es. Ich habe einen großen Fehler gemacht. Deshalb will ich, dass du mich richtest. Ich habe deine Adresse von Nobuko. Bis zum gestrigen Tag hatte ich keine Ahnung, wer du bist. Jetzt weiß ich es.“
 

„Ich verstehe.“ Genau wie er es vermutet hatte.
 

Sasuke hob die Arme. „Ich werde mich nicht wehren. Schlag zu. Halt dich nicht zurück. Ich habe es verdient.“ 
 

Er brauchte das. Sasuke war fest davon überzeugt, dass er eine Abreibung von Madara brauchte und es ihm im Leben weiterhelfen konnte.
 

„Daran denke ich überhaupt nicht“, antwortete Madara kühl. Er hob seine Hand und formte sie zur Faust. Madara dacht an Nobuko, dachte an den Tag, an dem er sie konfrontiert hatte.
 

Er holte aus und schlug zu.
 

Sasuke taumelte zurück und keuchte auf vor Schmerz. Madara hatte auf seine linke Gesichtshälfte gezielt und die Nase verfehlt. „Noch einmal“, knurrte Sasuke wild. „Schlag fester zu!“
 

Ein zweites Mal krachte Madaras Faust in Sasukes Gesicht. Auch dieses Mal verfehlte er die Nase, bescherte Sasuke aber das Gefühl, sein Kiefer würde gleich bersten.
 

Madaras Hand tat weh und seine Knöchel schienen unter der Haut zu pulsieren und anzuschwellen. Er löste mit einem leisen Zischen die Faust und betrachtete Sasuke, der sich auf seine Oberschenkel gestützt hatte. Madara hatte dafür gesorgt, dass Sasukes Lippen an den Rändern aufgeplatzt waren.
 

Auch wenn Sasuke ihn aufgefordert hatte, sich nicht zurückzuhalten; auch wenn Madara sich nicht zurückhalten hatte wollen – er hatte sich zurückgehalten. Schlicht und ergreifend deshalb, weil dieser junge Mann seinem Bruder ähnlich sah. Er hätte Sasuke liebend gerne die Nase aufs Äußerste lädiert.
 

Sasuke richtete sich auf und berührte sein Kiefer. Es schien nichts gebrochen zu sein, und alle Zähne waren noch an ihren Plätzen, soweit er das beurteilen konnte. Sasuke schmeckte sein eigenes Blut und nahm den Schmerz hin wie eine Heldenfigur.
 

„Lass dich bald verarzten“, riet Madara Sasuke und wandte sich zum Gehen. Sie hatten einander nichts mehr zu sagen.
 

Zu Hause angekommen, kühlte Madara seine Knöchel, bearbeitete sie mit Salbe und verband die schmerzenden Stellen. Dann setzte Madara sich an seinen Laptop. Seltsamerweise war er nicht nur von Zufriedenheit, sondern auch von Determination erfüllt, stellte mental eine E-Mail zusammen, tippte sie mit glühenden Knöcheln ab und schickte sie, ohne weitere Überlegungen, an Sakura. Es war gut, dass Sasuke aufgetaucht war. Die Hemmungen waren verschwunden und Madara wusste nun, was er wollte.
 

Als Sakura noch am gleichen Abend Madaras E-Mail las, durchfuhr sie eine schöne, einnehmende Empfindung. Es war eine lange Mail, an deren Ende er sie um ein Treffen bat.
 

Sie hatte Mikoto ihre Gefühle Madara gegenüber offenbart und sie nach ihrer Meinung gefragt. Alles, alles hatte Sakura ihr gesagt, was sie beschäftigt hatte und es teilweise auch jetzt noch immer tat. Aber Madara nahm sich all dieser Punkte in der E-Mail an und elaborierte jeden einzelnen davon, so als ginge er direkt auf ihre Gedankengänge ein.
 

Natürlich waren all ihre Zweifel nicht auf einmal wie weggeblasen. Doch Madaras Text an sie und die Erinnerung an die Konversation mit Mikoto, in welcher es um das Zusammenkommen von ihr und Fugaku gegangen war, glätteten ein wenig die Wogen der Unsicherheit.
 

Sakura seufzte, erleichtert und glücklich gleichermaßen. Sie beschloss, erst morgen auf die E-Mail zu antworten. Bis dahin hatte sie genug Zeit, über Formulierungen nachzudenken. Sich entschieden hatte sie bereits.
 

*
 

„Was zum Teufel ist mit deiner Hand?“ Izuna starrte auf Madaras Hand, während Madara mehrere Schreiben unterschrieb.
 

„Nichts Besonderes“, antwortete Madara, schloss das Postmäppchen und reichte es Izuna mit der heilen Hand. Am liebsten hätte er Izuna gleich gesagt, dass er Frau Haruno in ein Restaurant eingeladen und sie zugestimmt hatte. Da sie aber in der Kanzlei waren und Madara keine persönlichen Dinge in einer solchen Umgebung besprechen wollte – auch nicht hinter verschlossenen Türen –, schwieg er.
 

„Hn“, machte Izuna zweiflerisch. Es sah so aus, als hätte Madara gegen irgendetwas geschlagen. Wenn nicht gegen irgendjemanden. Izuna wusste, dass er aus Madara nichts hrausbekommen würde, nicht jetzt, nicht heute. „Gut, dann gehe ich wieder nach unten und vergammele in meinem Büro, während mein Bruder Geheimnisse vor mir hat.“
 

„Wir sind erwachsene Menschen, keine Kleinkinder, Izuna“, rügte Madara Izuna in einem ruhigen Tonfall und widmete sich seinem Bildschirm.
 

Izunas Lippen wurden zu einem dünnen Strich. Dann prustete er kurz, schüttelte den Kopf und ging. Etwas Gutes war passiert, dessen war Izuna sich sicher. Er würde die Wahrheit noch erfahren.
 

Obwohl Madaras Tag stressig wurde und voller Telefonate, freute er sich auf das Treffen mit Sakura. Sie hatten sich um 18:00 Uhr verabredet, an einem Ort, von Madara sich sehr sicher war, dass sie niemand aus dieser Kanzlei sehen könnte. Zumindest war die Wahrscheinlichkeit dafür sehr gering.
 

Gegen siebzehn Uhr kam Izuna zu ihm hoch, um ihn darüber zu unterrichten, dass er Feierabend hatte. Madara reagierte mit einer Kopfbewegung.
 

„Geht es Frau Haruno gut? Hast du was von ihr gehört?“
 

Madara blinzelte in Izunas Richtung, was seinen Bruder lächeln ließ. Das Gute hatte etwas mit Frau Haruno zu tun. Das wusste er auf Anhieb. Er hatte es die ganze Zeit über vermutet und nun erhielt er den Beweis.
 

Izuna verabschiedete sich und ging, während Madara sich an die Arbeit machte. So richtig konzentrieren konnte er sich allerdings nicht mehr, denn er begann, häufiger auf die Uhrzeit zu schauen. Um 17:30 schaltete er den PC aus und verließ sein Büro.
 

Das Restaurant lag etwa eine Viertelstunde Autofahrt von der Kanzlei entfernt.
 

Sakura wartete bereits auf ihn, als er am Treffpunkt, dem Eingang ins Restaurant, ankam, und wirkte aufgeregt. Sie wirkte nicht nur so, sie war es auch. „Hallo, Herr Uchiha!“, begrüßte sie ihn, als er an sie herantrat. Ihr fielen augenblicklich die verbundenen Knöchel auf. „Ist etwas passiert?“
 

„Ich erzähle es Ihnen drinnen“, sagte Madara. „Lassen Sie uns rein.“
 

Sakura nickte und trat durch die Tür, die ihr von Madara geöffnet wurde. Sie spazierten gemeinsam über einen roten Teppich zum Empfang und wurden an ihren Tisch geführt. Alles schien antik, und die anwesenden Gäste mit ihren funkelnden Armbändern, Ohrringen und Ketten hätten Millionäre sein können.
 

Sakura hatte sich zurechtgemacht. Ihre Stirn glänzte zwar arg, aber das tat ihrer Schönheit keinen Abbruch.
 

Sakura hatte sich nicht über das Restaurant informiert und fühlte sich von den Preisen auf der Speisekarte erschlagen. Madara hatte das Geld. Sie aber nicht. Bereits als sie angekommen war und einen Blick in das Innere des Restaurant gespäht hatte, war ihr klageworden, dass es hier nicht billig werden würde. Dass die Preise aber so hoch sein würden, das hätte sie nicht gedacht.
 

„Schauen Sie bitte nicht auf die Preise“, bat Madara, ohne von der Speisekarte aufzusehen. „Ich bin hier selbst nicht so oft und will Sie dieses Mal einladen.“ Er hatte mit sich gekämpft, ob er sie hierher einladen sollte. Letztendlich hatte er sich aber nicht mehr von den Assoziationen mit Nobuko beherrschen lassen wollen. Sakura war anders.
 

Sakuras Kopf versank zwischen ihren Schultern. Er wollte für beide bezahlen? Oh, nicht, dass sie es ablehnen wollte, dass er für sie bezahlte. Nicht, dass sie das nicht wollte. Es war einfach verdammt teuer.
 

„Nächstes Mal gehen wir an einen bescheideneren Ort“, sagte er, um ihr Unwohlsein zu mildern.
 

Sakura blinzelte, ließ die Speisekarte sinken und begegnete Madaras schwarzen Augen, in denen sich das Licht des Kronleuchters über ihren Köpfen reflektierte. Sie lächelte schief. „Okay.“
 

Man nahm ihre Bestellung auf, und Sakura sprach Madara erneut auf seine Knöchel an.
 

„Eine witzige Geschichte“, meinte Madara und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Hier konnte er sich mit Sakura ausschweifend unterhalten; die Tische waren weit genug voneinander entfernt und er kannte keinen. „Gestern erschien der Mann, mit dem mich meine Ex-Partnerin betrogen hat, vor meiner Haustür.“ Madara ließ nichts aus und konstatierte bei sich, dass der Junge tatsächlich Mumm in den Knochen hatte, um bei ihm aufzutauchen. Das hätten nicht viele gemacht, vollkommen egal aus welchen Gründen.
 

„Tut es Ihnen noch weh?“
 

„Nein, es ist nur unangenehm. Der Bursche dürfte gerade mehr Schmerzen haben.“
 

Sakura fühlte sie stark an Sasuke erinnert, hatte den Eindruck, dass er zu einer solchen Sache fähig gewesen wäre, schob es aber darauf, dass sie beide neuerdings wieder miteinander interagierten. Sie tauschten täglich Nachrichten aus. Nicht besonders viele, aber Sasuke schien damit absolut zufrieden zu sein. Er ließ ihr Zeit zum Antworten und drängte sie nicht.
 

Für den Bruchteil einer Sekunde dachte Sakura, dass es gut und gerne Sasuke hätte sein können, mit dem Madaras Freundin ihn betrogen hatte. Sie stempelte das allerdings schnell als Unsinn ab und widmete sich gemeinsam mit Madara dem Essen, das sie bestellt hatten.
 

„Jetzt, wo wir einander treffen“, sagte Madara, „können wir uns gerne duzen, Sakura.“ Es war das erste Mal, dass er nur ihren Vornamen aussprach und seine Zunge kribbelte dabei. Es war ungewöhnlich, aber er wollte fort von dem Chef-Angestellter-Verhältnis.
 

Treffen. Sakura. Gott, das klang so surreal. Und schön. Sakuras Lippen und Kehle wurden auf einmal trocken, weshalb sie nach ihrem Glas Wasser griff. Sie wollte sich an seinem Namen Probieren. „Ist gut“, sagte sie und fügte nach kurzer Pause hinzu: „Madara.“
 

Auf seinem Gesicht lag die Andeutung eines Lächelns.
 

Nach der Bezahlung schlug Madara einen kurzen Spaziergang vor und Sakura willigte ein. Der Abend heute war angenehm und wie dafür geschaffen.
 

„Ich wollte es vorhin nicht sagen“, begann Sakura, „aber ich habe mich mit meiner Ex-Freund getroffen.“
 

Verwundert sah Madara sie von der Seite an und wehrte sich gegen falsche Annahmen. Er ließ Sakura ausreden und nickte langsam, nachdem sie geendet hatte. Zugegeben war er überhaupt nicht begeistert darüber, dass Sakura sich mit ihrem Ex-Freund traf. Insbesondere, wenn er sie betrogen hatte. Er hatte die Sorge, dass…
 

„Ich habe ihm klar zu verstehen gegeben, dass aus uns beiden nichts wird und wir keine Freunde sein können“, unterbrach Sakura seinen Gedankenlauf. „Und ich habe ihm gesagt, dass es jemanden gibt, den ich mag. Ich denke nicht, dass er etwas versuchen wird.“
 

Und ich habe ihm gesagt, dass es jemanden gibt, den ich mag. Madara fühlte sich geschmeichelt und glaubte nicht, dass Sakura ihm ein Bein stellen könnte. Er machte sich dennoch Sorgen wegen ihres ehemaligen Freundes. Er entschied schließlich, Sakura gegenüber ehrlich zu sein und formulierte aus, was ihm durch den Kopf ging.
 

Sie bogen um die Ecke ab. Ein wenig schade fand sie es schon, dass Madara so misstrauisch war, konnte es ihm aber auch nicht verübeln. Sie würde die Dinge nicht anders sehen. Dennoch sagte sie: „Mach dir keine Sorgen. Sasuke wird wirklich nichts versuchen.“
 

Sie bekam nicht mit, wie Madara abrupt anhielt. Erst als sie zwei Schritte weiter war, bemerkte sie seine Abwesenheit an ihrer Seite und wandte sich nach ihm um.

​​​​​​​

Sein Mund stand leicht offen, seine Brauen hatte er zusammengezogen und seine Brust war sichtlich angeschwollen. „Was hast du gerade gesagt?“

Sasukes Wille


 

*
 

Sasuke stutzte, als sein Handy aufleuchtete. Er wurde angerufen. Von Sakura. Er nahm das Handy mit einem schlechten Gefühl in die Hand. „Sakura? Was gibt’s?“ Er hielt das Handy soweit es ging von seiner geschwollenen, lila Wange fort.
 

Er hörte sie zitternd ein- und ausatmen, ehe es ganz kurz still wurde. Dann, mit brüchiger Stimme, sprach Sakura: „Am liebsten würde ich…“ Sie hielt inne und setzte, nun, so eisern und drohend es nur ging, hinzu: „Dir den Schwanz abreißen.“
 

Sasuke blinzelte irritiert. Solche Worte aus ihrem Mund war er überhaupt nicht gewohnt, überhaupt nicht. Sakura hatte gelegentlich dazu geneigt, wie ein Bauarbeiter zu fluchen, ja – das war etwas, das er an ihr tatsächlich reizend gefunden hatte. Aber Solches war ihm neu.
 

„Was ist passiert?“
 

„Ngh.“ Es bedurfte einiges an Kraft, um den Damm aufrechtzuerhalten, hinter dem sich ihre Tränen zu einem See angesammelt hatten. Ein falsches Wort von Sasuke hätte in Sakuras Zustand gereicht, und sie wäre stehengeblieben, um loszuweinen. „Ugh“, machte sie gedehnt und schleifte ihren vom Essen und Traurigkeit trägen Körper über den Gehweg. „Ich hatte heute ein Treffen. Mit meinem Chef.“
 

„Mit Madara Uchiha?“
 

„Ja.“ Sakura hielt nach einem Fleckchen Ausschau, wo sie sich zurückziehen könnten. Schließlich bog sie nach links ab und entdeckte eine einsame Bank unter einem Baum. „Musstest du ausgerechnet mit seiner Freundin… Ich meine… Das ist auch so schon schlimm genug, ab-“ Sakura bracht ab, biss sich auf die Unterlippe und setzte sich auf die Bank. „Der Mann, den ich mag, weißt du noch?“
 

Sasuke hatte nach dieser Frage bereits eine unschöne Vermutung, wollte sie aber nicht aussprechen. Er gab Sakura alle Zeit der Welt, um sich für weitere Worte zu sammeln.
 

„Es ist mein ehemaliger Chef. Ich mag ihn. Und er mag mich. Du schläfst mit seiner Ex. Er hat jetzt rausgefunden, dass seine Freundin ihn mit dir betrogen hat. Und ich weiß, dass… Oh Gott.“ Ihr Herz raste und es fiel ihr schwer, Ruhe zu bewahren und kontrolliert zu sprechen. Ihr Kopf schwirrte, und sie hielt ihn fest wie ein von Migräne Gemarterter. „Sasuke“, schluchzte sie, unfähig, sich weiterhin zurückzuhalten. „Er hat das Treffen abgebrochen, als ich deinen Namen nannte.“
 

Madara hatte sie heimgefahren, war aber die gesamte Fahrt über kalt und abweisend gewesen, nachdem sie festgestellt hatten, in welcher Beziehung alle vier Personen – Sasuke, Sakura, Madara und Nobuko – zueinander standen. Sakura hatte neben Madara gesessen, hatte ihn angesehen und war sich sicher, dass er ihre Blicke gemerkt hatte. Madara hatte sich nur dafür entschieden, sie zu ignorieren.
 

Auch Sakura hatte es aus der Bahn geworfen, als sie realisiert hatte, dass die romantischen Gefühle, die sie füreinander hegten, nicht das Einzige war, was sie verband. Aber sie wäre nie dazu bereit gewesen, so kalt und abweisend zu werden wie Madara. Unter keinen Umständen.
 

Sakuras Augen brannten. Sie schluckte die Tränen, die in ihren Mund gelangt waren, und schniefte.
 

„Es tut mir leid.“
 

„Es sollte dir auch wirklich leidtun.“ Sakura seufzte.
 

Was Sasuke getan hatte, lag in der Vergangenheit. Es ging ihr nicht mehr um den Seitensprung, nicht darum, dass er sie betrogen und verletzt hatte. Es ging Sakura um die Auswirkungen des Geschehens auf die Gegenwart.
 

Sowohl Madara als auch Sakura hatten gewusst, dass sie beide ein wenig brauchen würden, um volles Vertrauen zum jeweils anderen aufzubauen. Jetzt wurde das alles noch schwieriger, noch komplizierter. In der Tat hing ihre Beziehung gerade in der Luft.
 

[style type="italic"]Vielleicht will er mich nicht mehr treffen.[/style] „Ich werde nach Hause gehen“, sagte Sakura und stand auf.
 

„Brauchst du etwas?“, fragte Sasuke, den ihr plötzlicher Entschluss den Kopf recken ließ.
 

„Nein. Schon in Ordnung. Ich weiß nicht, wie es weitergehen wird. Wie es weitergehen soll. Vielleicht mag er mich nicht mehr.“
 

„Das kann ich mir nicht vorstellen.“
 

„Ich werde auflegen, okay?“ Zögerlich fügte sie hinzu: „Danke.“
 

Sakura ging nicht nach Hause, sondern rief kurz bei Ino durch und kehrte bei ihr ein, um sich auszuweinen und ihr alles zu erzählen.
 

Madara indessen war mit sich selbst allein. Er hätte darüber auch mit niemandem reden wollen. Nicht jetzt. Es war immer die Einsamkeit, die er in solchen Momenten vorzog. Die Gespräche mit Izuna kamen erst später, nachdem er sich selbst Gedanken um dieses und jenes gemacht hatte.
 

Madara saß im Sessel und massierte sich die Schläfen. Eigentlich hätte er sich ein Objekt gewünscht, gegen das er immer wieder schlagen könnte, ohne dass es kaputtging. Madara dachte an Sakura und seine Finger verharrten. Wie musste sie sich nur fühlen? Wahrscheinlich hatte er ihr den Eindruck vermittelt, er würde sie bestrafen wollen. Dabei konnte sie nichts dafür. Dabei hatte er mit ihr einen schönen Abend verbringen wollen.
 

Gottverdammt.
 

*
 

„Wo willst du hin?“
 

Sasuke zog sich seine Schuhe an und antwortete: „Ich treffe einen Freund.“
 

Seine Mutter lehnte sich mir gekreuzten Armen vor der Brust gegen den Türrahmen. Sasuke begann, seine Jacke zuzuknöpfen, und mit jedem Knopf, den er in das vorhergesehene Loch steckte, wuchs Mikotos Skepsis. Sasuke war den einen Tag mit geschwollenem Gesicht und aufgeplatzten Lippen nach Hause gekommen. Er hat Blut gespuckt, und sie hatte ihn sofort ins Krankenhaus gefahren. Nun hatte sie Angst, dass er wieder in eine Schlägerei verwickelt werden könnte. Sie stand kurz davor, es ihm zu verbieten, heute aus dem Haus zu gehen.
 

„Sasuke, welchen Freund triffst du? Was wollt ihr machen? Kommst du wieder betrunken oder verletzt nach Hause? Wenn du vorhast zu trinken, wenn du vorhast, dich mit irgendjemandem anzulegen, dann“, Mikoto stützte sich mit zusammengezogenen Brauen vom Türrahmen ab, „dann werde ich dich nicht gehen lassen.“
 

Sasuke lächelte seine Mutter leger an. „Keine Sorge. Ich komme nüchtern und unverletzt zurück.“
 

Vielleicht war das, was er vorhatte, blanker Irrsinn. Vielleicht hätte er seine Mutter nicht mitteilen sollen, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauche, weil er nicht wusste, in welchem Zustand er zurückkommen würde. Aber er wollte nicht, dass Sakura seinetwegen bekümmert war und litt. Er hatte realisiert, dass er nur das Beste für sie wollte. Ihre emotionale Nähe zu ihm, ihr Glück, ihr Wohlergehen waren zu seinem Lebensantrieb geworden.
 

Seine Motive waren genauso altruistisch wie egoistisch. Ohne das eine würde es das andere nicht geben, weshalb Sasuke sich nicht schlecht fühlte, es auch für sich selbst zu tun, sofern Sakura nicht auf der Strecke blieb.
 

Sasuke legte den Weg zu Madaras Wohnung wie auch letztes Mal mit der Bahn zurück. Angst oder Aufregung verspürte er keine. Ihn erwartete nichts Unerwartetes, schließlich hatte er Madara bereits einmal vor sich gehabt und hatte sich, ohne die Intention, sich zu wehren, eine von ihm verpassen lassen.
 

Sasuke hoffte, dass er Madara daheim antreffen würde. Er wollte die Sache vom Tisch haben, damit es Sakura besser ging.
 

Genau wie letztes Mal stellte sich Sasuke, nachdem er geklingelt hatte, zur Seite, damit Madara ihn nicht durch den Spion ausfindig machen konnte. Und genau wie letztes Mal auch wurde Sasuke geöffnet.
 

Es überraschte Sasuke, dass Madara mit einem genervten Ausdruck im Gesicht öffnete, so als hätte er erahnt, wer hinter der Tür stand.
 

„Was willst du?“
 

„Wenn du mich erwartet hast“, erwiderte Sasuke, „dann solltest du es wissen. Es geht um Sakura.“
 

Madara rollte mit dem Augen. „Kümmere dich um deine Angelegenheiten.“
 

„Hast du nicht mehr vor, sie zu treffen? Meinetwegen?“
 

Madara antwortete nicht. Nein. Nein, eigentlich wollte er nicht auf Sakura verzichten. Nur hatte seine Beziehung zu ihr durch die Erkenntnisse des vorletzten Abends einen bitteren Beigeschmack bekommen. Sie drückten nach wie vor pulsierend und unangenehm auf sein Gemüt. Er wusste, dass er Sakura mit seiner reservierten Verhaltensweise wehgetan hatte. Es tat ihm auch leid. Aber er hatte nicht gewusst, wie er sich gebaren sollte. Sie hatten seit dem Abend kein Wort miteinander gewechselt.
 

Madara schloss die Augen. „Du solltest aufhören, ständig bei mir aufzutauchen.“
 

„Du solltest dich bei Sakura entschuldigen.“
 

Madara stutzte. Sasuke nahm sich ganz schön viel heraus. In dem Gesicht seines Gegenübers konnte er weder Unsicherheit noch Angst erkennen. Sasukes Miene war hart und unbewegt wie Marmor. „Wenn du sie so sehr geliebt hast, wenn du sie so sehr liebst – weshalb hast du dich von Gier so einnehmen lassen, dass du sie betrogen hast?“
 

Sasuke zuckte die Schultern. „Ich war eben ein Trottel. Sieh zu, dass du nicht den gleichen Fehler machst.“ Sasuke überlegte, was er noch hinzufügen konnte, um etwas bei Madara zu bewirken. „Sakura rief mich an dem Abend an. Sie war ganz aufgelöst. Sie ist es immer noch.“
 

In Madaras Brust tat sich etwas. Es war unangenehm, so als würde jemand in seinem Herzen herumstochern.
 

„Sie hätte sich dir gegenüber nie so verhalten. Natürlich ist das ein Schlag ins Gesicht“, Sasuke Lippen teilten sich zu einem Grinsen, weil er an Madaras Faustschlag dachte, „zu erfahren, dass der Mann, den man trifft, der ehemalige Partner der Frau ist, mit der man betrogen wurde. Aber sie i-“
 

„Sei endlich still“, blaffte Madara nun und setzte, etwas gefasster, hinzu: „Ich verstehe schon, was du mir mitteilen willst. Du kannst jetzt gehen. Oder ich sorge dafür, dass dein gesamtes Gesicht einem Veilchen gleicht.“
 

Sasuke drehte sich um. „Sakura ist wirklich die Einzige, die ich jemals geliebt habe. Das hat auch seinen Grund. So jemanden wie sie findest du nie wieder. Egal, was du machen wirst: Verlier in Sakuras Gegenwart kein Wort darüber, dass ich hier war. Du wirst mich ab sofort, wenn, dann nur zufällig sehen. Ich werde nur noch für Sakura da sein, wenn sie mich braucht.“
 

Madara schloss geräuschvoll die Eingangstür und spürte in seiner Aufwühlung, wie in ihm das Verlangen nach einer Zigarette aufkeimte. Das würde nicht der Fall sein, wenn er Sasuke geschlagen hätte. Etwas sagte ihm allerdings, dass Sasuke es ihm dieses Mal nicht leicht gemacht und sich gewehrt hätte.
 

In der Küche stopfte Madara sich eine Zigarette in den Mund. Nach mehreren Versuchen gelangt es ihm schließlich, die Zigarette mit dem Feuerzeug anzuzünden. Madara nahm einen langen, tiefen Zug und stieß den Rauch in die Luft. Nach der ersten Zigarette kam die zweite. Einer dritten entsagte Madara und ging ins Wohnzimmer, um Abstand zwischen sich und den Glimmstängeln auf dem Küchentisch zu schaffen.
 

Am Fenster massierte Madara sich die Nasenwurzel und wünschte, dass er die Wahrheit nie herausgefunden hätte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Beim Tippen dieses Kapitels ist mir Folgendes durch den Kopf gegangen: In meinen FFs stehen sich Sakura und Izuna manchmal sehr nahe. Hätten die beiden Potenzial, ein Paar zu werden? Ich meine das nicht in Bezug auf diese FF, da die Pairings hier feststehen und ich in der Hinsicht nichts verändern möchte, aber mich würde es interessieren, wie die beiden bei euch als Pärchen ankommen würden. Über Meinungen würde ich mich freuen! Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (56)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Desiree92
2018-05-15T16:32:58+00:00 15.05.2018 18:32
Wollte mal fragen, ob denn ein neues Kapitel geplant ist? 🤗
Von:  Desiree92
2018-03-09T19:39:16+00:00 09.03.2018 20:39
Bin heute auf deine Geschichte gestoßen und hab sie förmlich verschlungen. Bis jetzt total spannend und super geschrieben. Bin gespannt wie es weitergeht. Hoffe es dauert nicht mehr lange 🤗🤗
Von:  SenseiSasuNaru
2018-03-02T19:41:35+00:00 02.03.2018 20:41
Wieder ein klasse Kapitel. War sehr spannend bin gespannt wie es weitergeht. Hoffe Mandara entschuldigt sich bei Sakura. Die zwei gehören einfach zusammen.lg
Von:  Onlyknow3
2018-03-02T19:10:26+00:00 02.03.2018 20:10
Was hält diesen Mann davon ab sich bei Sakura zu melden?
Das Sasuke ihr Ex war, ist es wohl nicht alleine.
Bin gespannt wie es weiter geht.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2018-02-26T18:32:01+00:00 26.02.2018 19:32
Super Geschichte, sie hat mich wirklich sehr gut unnterhalten.
Mir gefällt es wie sie geschrieben ist, und auch vom Inhalt her.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von: abgemeldet
27.02.2018 11:40
Hallo!

Vielen Dank. Es freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefällt. Das nächste Kapitel ist bereits in Arbeit.

Liebe Grüße

C.
Von:  SenseiSasuNaru
2018-02-25T09:13:10+00:00 25.02.2018 10:13
Hallo Klasse Kapitel. War interessant. Klasse das Madara und Sasuke 🤗. Bin gespannt wie es weitergeht. LG
Von:  Rinnava
2018-02-25T00:11:27+00:00 25.02.2018 01:11
Hi
wieder ein super kapi :)
ich wünsche dir auch eine gute Nacht :)
GGGGGVLG Rin
Von:  Rinnava
2018-02-22T12:22:03+00:00 22.02.2018 13:22
HI
wieder ein super geschriebenes kapi ;)
Und ich freue mich immer wenn ein neues kapi on kommt , ich wünsche dir noch einen schönen Tag
GGGGVLG Rin
Antwort von: abgemeldet
24.02.2018 23:30
Hey!

Danke schön! Das freut mich sehr.

Liebe Grüße und gute Nacht

C.
Von:  SenseiSasuNaru
2018-02-22T11:33:14+00:00 22.02.2018 12:33
Hm wer könnte das wohl sein. Sasuke etl. Mal sehen bin gespannt wie es weitergeht. Klasse wie immer. Lg
Antwort von: abgemeldet
24.02.2018 23:31
Hey!

Danke für deinen Kommentar. Die Auflösung gibt es im neuen Kapitel! ;)

Liebe Grüße

C.
Von:  Rinnava
2018-02-19T11:21:10+00:00 19.02.2018 12:21
HI
ein gutes kapi wieder

aber immer wenn ich sehe das ein neues kapi online ist weiß ich schon das es ein gutes kapi ist, und deswegen freue ich mich immer umso mehr es zu lesen
GGGGVLG Rin
Antwort von: abgemeldet
24.02.2018 23:33
Hey!

Aw, danke! Freut mich sehr.

Liebe Grüße

C.


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