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№ 120

von

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Unerwarteter Besuch


 

*
 

Zaghaft hob Sakura ihre Hand und hielt diese vor Sasukes Gesicht. Sein Handeln enttäusche sie, war er doch eben noch darauf bedacht gewesen, Abstand zu halten. Ihr Inneres bebte. Nicht deshalb, weil sie den Kuss gerne erwidert hätte. Sie wollte es tatsächlich nicht. Die Situation war einfach zu viel für sie.
 

Anders als an dem Tag, an dem Sasuke sie um zehn Minuten gebeten hatte, empfand sie jetzt nichts mehr für ihn auf der romantischen Ebene.
 

Sasuke schien es ihr nicht übel zu nehmen und baute wieder die räumliche Distanz auf, die er eingerissen hatte.
 

Sie schwiegen. Sakura, nun etwas ruhiger, ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen und wurde mit jedem Detail, das sie fand, trauriger.
 

„Nimm bitter wieder dein Leben in die Hand.“ Er hatte sie betrogen, hatte sie verletzt. Aber sie konnte nicht mit dem Wissen leben, dass es ihm schlecht ging. Selbst nach dem, was er sich geleistet hatte, war sie nicht fähig, ihm Schlechtes zu wünschen. Unter anderem auch deshalb, weil er Mikotos Sohn war und Mikoto sehr unter seinem Verhalten litt. Sakura mochte Mikoto. Sie und Fugaku waren immer liebevoll mit ihr umgegangen, der eine direkter, der andere weniger.
 

Sasuke verschränkte die Hände ineinander. „Ich glaube, das kriege ich ohne dich nicht hin.“
 

Sakura atmete lautlos die Luft ein. So etwas in der Art hatte sie befürchtet. Sakura wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. „Erwartest du, dass… dass ich dir helfe?“ Ihr war, als würde eine unsichtbare Macht versuchen wollen, ihr die Luft abzuwürgen.
 

„Ich erwarte nichts.“
 

Sie drehte den Kopf langsam zu ihm, so als hätte sie Angst, etwas in seinem Gesicht vorzufinden, was sie keinesfalls sehen wollte.
 

Sasuke lächelte. Aber auch sein charmantes Lächeln hatte seinen Glanz verloren und wirkte ausschließlich unglücklich und gequält.
 

„Ich wüsste nicht, wie ich dir helfen sollte.“
 

Sasuke hätte ununterbrochen in ihre grünen Augen schauen können. Sakura wollte das aber nicht, weshalb sie den Blick abwandte. Sie standen einander nicht mehr so nahe wie damals, auch wenn es Sasuke nicht recht wahrnahm oder wahrhaben wollte.
 

„Du fehlst mir einfach. Als Freundin, als Mensch, nicht nur als meine Partnerin, mein…“ Sasuke biss sich rechtzeitig auf die Zunge, bevor ihm das Wort Kätzchen über die Lippen kommen konnte. So hatte er sie manchmal genannt.
 

Sakura schluckte. Sie hatte Mitleid mit ihm. Was sie aber verstimmte, war, dass sie tatsächlich so etwas wie Schuldgefühle verspürte. Doofe Kuh, schimpfte sie über sich selbst. Er betrügt dich, belügt dich und du, du hast ein schlechtes Gewissen, weil ihn die logischen Konsequenzen eines Seitensprungs auf Dauer schwerer erwischt haben als dich selbst? Wie armselig bist du eigentlich?
 

Am liebsten hätte Sakura sich selbst geohrfeigt. Sie krallte ihre Finger in ihren Rock.
 

Sasuke registrierte das und dachte, dass er sie mit seinen Worten wütend machte. „Wenn du dich hi-“
 

„Würde es dir helfen, wenn ich dir einfach beistehe?“, wollte sie von ihm wissen. „Dass wir irgendwann wieder zusammen sein werden, das ist nicht möglich. Dass wir jemals eine stabile Freundschaft pflegen könnten, ist auch nicht möglich. Denn ich will das nicht, Sasuke. Aber“, Sakura sah ihn fragend an, „ich möchte dir beistehen. Die Frage ist, ob das für dich tragbar ist, mich weder als deine Partnerin noch deine Freundin zu wissen.“
 

Sasuke lehnte sich ein Stück zurück, stützte seinen Oberkörper mit den Händen und streckte die Beine aus. „Solange du auf irgendeine Weise da bist, wird es mir schon gut genug gehen, um mein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen.“ Sein linker Mundwinkel zuckte kurz. „Du weißt ja nicht, was ich alles getan habe und worin ich involviert war.“
 

„Das will ich auch gar nicht wissen“, beeilte Sakura sich zu sagen. Sie hatte Angst, dass sie es sich noch anders überlegen könnte. „Konzentriere dich auf die Gegenwart. Von hier aus geht es in die Zukunft. Die Vergangenheit solltest du komplett hinter dir lassen.“ Und somit auch das Bild von uns als Paar, fügte sie gedanklich noch hinzu.
 

Sasuke ließ sich Zeit, um auf Sakuras Worte zu reagieren. Während er nachdachte, war Sakura vollkommen ruhig und betrachtete ihn von der Seite. Sie wusste nicht, wie lange sie schon hier war. Die Fenster waren abgedunkelt. Sakura fischte ihr Handy aus der Tasche. Sie hatte vor eineinhalb Stunden Inos Wohnung verlassen.
 

„Gut“, sagte Sasuke unerwartet.
 

„Gut?“
 

„Ja.“ Er zögerte. „Handelst du dadurch nicht selbstzerstörerisch?“
 

„Ich werde es erst herausfinden, wenn ich versuche, dir zu helfen.“
 

„Ich schätze, ich sollte mit dem Aufräumen meines Zimmers beginnen.“ Er lachte dünn auf. „Hier sieht es aus wie in einem Saustall.“ Sasuke schlug mit den Händen wie voller Tatendrang auf seine Oberschenkel und erhob sich vom Bett.
 

„Ich werde dir helfen.“
 

Verwundert starrte er sie an. „Das musst du nicht. Vielleicht hattest du etwas anderes vor und meine Mutter hat dich herausgerissen.“
 

Sakura schüttelte den Kopf. Auf den Film mit Ino hatte sie keine Lust mehr. Es war außerdem zu spät dafür, noch zu ihrer Freundin zu fahren und dann einen Film anzufangen. Zumal Ino sie erst einmal ordentlich über den Aufenthalt hier ausquetschen wollen würde. „Ich helfe dir.“
 

Sie redeten während der Aufräumarbeiten nur wenig miteinander. Überwiegend war es Sakura, die sachlich aus ihrem Leben berichtete. „Mein Chef hat mich dann gekündigt. Wenn ich die Kündigung eingereicht hätte, hätte das nur zu Problemen geführt. Das war sehr nett von ihm“, beendete Sakura ihre Erzählung über ihre alte Arbeitsstelle.
 

„Es ist gut, dass du da raus bist“, kommentierte Sasuke, den das Verhalten der Mitarbeiterin sehr empörte, und schnürte den zweiten Müllbeutel, den sie vollgemacht hatten, zusammen.
 

Das Zimmer war längst noch nicht komplett aufgeräumt, aber es sah anständiger aus. Jetzt war der Raum auch besser zu ertragen. Sakura konnte nicht sagen, ob es geschauspielert war, aber Sasuke schien es tatsächlich ein kleines bisschen besser zu gehen.
 

„Ich denke, ich werde jetzt gehen“, verkündete Sakura, als sie auf die Uhrzeit sah. „Ich muss mich noch für morgen vorbereiten.“
 

Sasuke nickte. Er begleitete sie herunter zur Tür.
 

Mikoto, die noch immer oder wieder in der Küche war, lächelte Sakura flüchtig zum Abschied an und schloss die Tür, damit die beiden genau wie vorher unter sich waren.
 

Sakura zog sich ihre Schuhe an. Wenn Sie mich fragen: Man sollte niemandem etwas verzeihen und nichts vergessen. Höchstens über den Dingen stehen, erinnerte sie sich urplötzlich an Madaras Worte, die er im Archivraum gesprochen hatte.
 

Als Sakura sich zur vollen Größe aufrichtete, sah sie Sasuke mit einem eindringlichen Blick an. „Damit du eines weißt: Ich habe dir den Seitensprung nicht verziehen. Ich habe ihn nicht vergessen. Das werde ich nie.“
 

„Kann ich verstehen“, sagte Sasuke lakonisch. Man merkte es ihm an, dass es auch für ihn ein unangenehmes Thema war.
 

Sakura nickte. „Dann mach’s gut.“
 

Gerade als sie ihre Finger um die Türklinke legte, rief Sasuke: „Warte!“ Er griff nach ihrem Arm und hielt ihn fest. Mit den Zähnen knirschend blickte er nach unten und schaute sie mit gekräuselter Stirn an. „Hast du einen Freund?“
 

„Das hast du mich schon mal gefragt.“
 

Sasuke ließ von ihrer Hand ab, weil Sakura enorm abweisend klang. So sehr er sich auch zusammenzureißen versuchte, so sehr er sich in Zurückhaltung übte – er wollte wissen, ob sie bereits jemanden hatte. Sasuke wollte es unbedingt wissen und hatte manchmal das Gefühl, die Gewissheit, dass sie einen anderen Mann hatte, könnte ihm weiterhelfen.
 

„Ich habe keinen Freund“, sagte sie und spürte ein Kribbeln in ihrer Magengegend. Sie dachte an Madara. „Es gibt aber jemanden, den ich mag. Auch wenn… Auch wenn alles furchtbar kompliziert ist.“ Mikoto war die Erste, der sie diese Information anvertraut hatte. Jetzt hatte sie es Sasuke erzählt. Ausgerechnet Sasuke. Sie wollte sein Gesicht nicht sehen. „Mach’s gut“, sagte sie und öffnete die Tür. „Du kannst mir schreiben.“
 

*
 

Sehr geehrte Frau Haruno,
 

ich wollte mich nur bei Ihnen persönlich erkundigen, wie das Vorstellungsgespräch gelaufen ist. Ich hoffe, dass Sie die die Möglichkeit bekommen haben, in der Kanzlei zur Probe zu arbeiten.
 

Hochachtunsgvoll
 

Madara Uchiha
 

Wenn es um Textverkehr mit Sakura Haruno ging, stellte er fest, benötigte er längere Bedenkzeit. Er hatte die Mail von seiner privaten E-Mail-Adresse von zu Hause aus geschickt. Natürlich hätte er sich direkt mit seinem Steuerberaterkollegen in Verbindung setzen und alles in Erfahrung bringen können. Er hatte sich dagegen entschieden, weil er Kontakt zu Sakura Haruno haben wollte.
 

Madara stellte den Laptop beiseite und spazierte aus dem Wohnzimmer in die Küche. Als er wiederkam, befand sich in seinem Posteingang eine neue Mail. Sie stammte von Sakura Haruno.
 

Sehr geehrter Herr Uchiha,
 

das Vorstellungsgespräch lief gut! Ich werde Mittwoch und Donnerstag probearbeiten.
 

Mit freundlichen Grüßen
 

S. H.
 

Er freute sich. Innerlich. Andererseits war er auch ein wenig enttäuscht darüber, dass ihre E-Mail an ihn so kurz war. Sie hat meine Fragen allerdings beantwortet, ging es Madara durch den Kopf. Eigentlich wollte er sie irgendwohin einladen. Eigentlich wollte er mit ihr etwas besprechen, von dem er wusste, dass es in ihr etwas auslösen würde. Nur...
 

Madara machte den Laptop aus. Er war immer noch gehemmt. Ob es zu früh war oder ob diese Hemmung nun zu etwas Fundamentalem geworden war, wusste er nicht zu sagen. Fakt war, dass obwohl er es gerne tun würde, er nicht in der Lage war, den ersten Schritt auf Sakura zuzumachen.
 

Abermals legte Madara den Laptop beiseite. Dieses Mal stand er aber nicht auf, sondern blieb sitzen und dachte eine Weile nach, bevor er die Augen verdrehte und sein Mobiltelefon hervorholte. Zu seiner Überraschung entdeckte er zwei entgangene Anrufe von einer ungespeicherten Nummer. Sie kam ihm nur allzu bekannt vor und in ihm stieg eine unangenehme Empfindung hoch, die sich zu einem Kloß in seinem Hals formte.
 

Es war Nobuko. Madara zog die Unterlippe in den Mund betrachtete die Zahlen. Zweifelsohne handelte es sich um ihre Nummer. Wieso zum Teufel rief sie ihn an? Sein Abend war ruiniert, auch wenn er keine Absicht hatte, ihr zu antworten. Es interessierte ihn nicht, wie es ihr ging. Es interessierte ihn nicht, was sie tat. Sie interessierte ihn nicht.
 

Madara blockierte die Nummer und verspürte dabei Genugtuung. Nur kurz danach sprang er vom Sessel auf und begann, auf und ab zu gehen.
 

Es klingelte an der Tür und Madara kam abrupt zum Halt. Izuna hatte sich nicht angekündigt. Ein Spontanbesuch stand bei dem Burschen im Moment auch außer Frage. Vielleicht war es Nobuko. Vielleicht hatte sie angerufen, um ihm zu sagen, dass sie vor seiner Haustür stand. Madaras Kiefer zitterte. Mit großen, schnellen Schritten ging er in den Flur. Durch den Spion konnte er niemanden sehen, weshalb er auf einen ungebeten Gast schloss.
 

Ein weiteres Mal wurde die Türklingel betätigt und Madara schloss bei dem lauten Surren die Augen. Er beschloss, die Tür zu öffnen.
 

Als vor seine Augen ein junger Mann trat, glaubte Madara, nicht richtig sehen zu können.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Rinnava
2018-02-22T12:22:03+00:00 22.02.2018 13:22
HI
wieder ein super geschriebenes kapi ;)
Und ich freue mich immer wenn ein neues kapi on kommt , ich wünsche dir noch einen schönen Tag
GGGGVLG Rin
Antwort von: abgemeldet
24.02.2018 23:30
Hey!

Danke schön! Das freut mich sehr.

Liebe Grüße und gute Nacht

C.
Von:  SenseiSasuNaru
2018-02-22T11:33:14+00:00 22.02.2018 12:33
Hm wer könnte das wohl sein. Sasuke etl. Mal sehen bin gespannt wie es weitergeht. Klasse wie immer. Lg
Antwort von: abgemeldet
24.02.2018 23:31
Hey!

Danke für deinen Kommentar. Die Auflösung gibt es im neuen Kapitel! ;)

Liebe Grüße

C.


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