№ 120 von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 14: Im Archivraum II ---------------------------- * Sakura und Madara gingen wieder dazu über, sich über die Ausbildung und die Arbeit zu unterhalten. Irgendwann schlief Sakura entgegen eigener Erwartungen auf dem Stuhl ein. Madara stand auf und flanierte zwischen den Regalen wie über Alleen, bis Sakura wieder in seinem Blickfeld erschien. Er lehnte sich gegen das nächste Regal und sah die junge Frau an. In ihm regte sich etwas, während er sie betrachtete; etwas Zartes erwuchs in ihm wie eine Blume beim Anblick ihres schlafenden Gesichts. Madara dachte an Sakuras Worte von vorhin. Ihn beschlich der Verdacht, dass Sakura Ähnliches, wenn nicht Gleiches widerfahren war wie ihm. Es würde zu ihrer Aussage im Fahrstuhl passen. Unschuldige Männer gibt es nicht. Ein Teil von Madara fühlte sich angegriffen, weil sie die Männerwelt pauschalisierte und somit sicherlich auch ihn für einen schlechten Mann hielt, obwohl er in seiner Beziehung der Betrogene gewesen war. Der anderer Teil von ihm verspürte Amüsement, weil er, wenn er ehrlich zu sich selbst war, genauso von Frauen dachte. Sakura war die Ausnahme. Die junge Frau war zweifelsohne von ihrem Ex-Partner betrogen worden und gedachte, ihm den Seitensprung zu verzeihen. Etwas, was er niemals in Erwägung ziehen könnte. Sakura murmelte etwas im Schlaf und verzog eine Grimasse. Ihr Oberkörper zuckte kurz, dann zerrte sie eine unsichtbare Kraft zur Seite. In nur drei großen Schritten war er bei ihr und fing Sakura auf, bevor sie vom Stuhl fallen konnte. Selbstverständlich wurde Sakura wach, fand sich in seinem Arm wieder und erschreckte sich. „Wenn Sie schlafen wollen, dann holen sie sich lieber einen dritten Stuhl dazu und legen sich quer. Sonst fallen sie um“, sagte Madara, als er sich von ihr löste. Sakura presste die Lippen zusammen, ließ ihre Hände zu Fäusten werden und starrte beschämt geradeaus. Madara überlegte. Er trug den Wunsch in sich, Sakura davon abzuhalten, einen großen Fehler zu begehen. „Sie sollten ihm nicht verzeihen.“ Sakura blinzelte. „Bitte?“ „Sie sollten ihm nicht verzeihen. Damit machen Sie einen großen Fehler.“ Es klang so, als sei er dahintergekommen, dass sie betrogen worden war. Sie wollte ihm mehrere Fragen auf einmal stellen und wusste nicht, mit welcher sie anfangen sollte. Schließlich entschied Sakura, sich ahnungslos zu geben. „Was meinen Sie?“ „Sie sind von Ihrem Partner betrogen worden, nicht wahr?“ Diese Worte waren pures Gift und erschütterten sie ungemein. Sakura drückte ihre Oberschenkel fest zusammen, um nicht zu zittern. „W-Wie haben Sie das herausgefunden, Herr Uchiha?“, fragte sie, um einen beherrschten Ton bemüht. Dass sie mit ihrem Chef über Privatangelegenheiten sprach, kümmerte sie nicht mehr. Sie hatte nur noch Sasuke im Kopf, dachte an die Bilder, die Ino mit Sai gemacht hatte, dachte daran, was Sasuke zu ihr gesagt hatte. Sie wollte weinen. Aber sie durfte nicht. Nicht hier. Nicht jetzt. „Kombiniert“, antwortete Madara lapidar dem angespannten Häufchen Elend. Sakura tat ihm leid. „Ich will ihm nicht verzeihen.“ Sie begann zu weinen. Madara fühlte sich überfordert. Er hatte ihr im Grunde etwas Gutes, Nettes tun wollen, ihr einen Ratschlag geben wollen, der sie stärkte. Stattdessen hatte er dafür gesorgt, dass sie weinte. Er sah sich um, so als wollte er nach jemanden suchen, der sie trösten konnte. Schließlich setzte er sich seufzend neben sie. „Frau Haruno, hören Sie bitte auf zu weinen. Es nützt nichts.“ Da sie mit dem Weinen nicht aufhörte, nicht aufhören konnte, in Madara Schuldbewusstsein und Kopfschmerzen erwachten, legte er seinen Arm zaghaft um sie und klopfte ihr sachte auf den Rücken. „Hören Sie bitte auf, Frau Haruno.“ Und Sakura hörte auf. Einige Male schluchzte sie noch, dann wurde es still im Archivraum. Madara nahm seinen Arm wieder zurück. „Es tut mir leid“, sagte er nach einer Weile. „Ich hätte es nicht sagen sollen. Schlussendlich bin ich nicht in der Position dazu.“ „Nein“, sagte Sakura scharf. Madara war älter als sie und hatte mehr Erfahrung im Leben. Irgendwo fand sie es für sich nachvollziehbar, dass er sie vor Dummheiten bewahren wollte. „Nein, es ist in Ordnung. Ich sollte ihm nicht verzeihen.“ Während ihre Tränen getrocknet waren, war Entschlossenheit in ihr aufgekeimt. „Wissen Sie, weshalb Menschen das tun?“ „Sie meinen, den Partner zu hintergehen?“ „Ja. Mein Ex-Freund hat gesagt, es sei Gier gewesen. „Gier?“, fragte Madara mit gerunzelter Stirn. Sakura führte aus, was Sasuke ihr an dem Tag gesagt hatte. Sie erzählte Madara sogar, dass ihr Ex-Partner in die Knie gegangen war. „Gier“, fügte Sakura fassungslos am Ende ihrer Ausführung hinzu und schüttelte leicht den Kopf. Madara schwieg. „Gier“, wiederholt er und nickte verstehend. Madara dachte an Nobuko und fragte sich, ob er Sakura ihre Gründe darlegen sollte. Schließlich hatte Sakura sich ihm anvertraut. Minuten vergingen, dann begann er zu reden: „Meine letzte Partnerin verlangte zu viel Aufmerksamkeit von mir. Sie hat mich mit einem jungen Studenten betrogen, weil ich zu viel arbeite.“ Mit großen Augen starrte Sakura ihren Chef an.   „Die eigenen Argumente sind  für solche Leute absolut nachvollziehbar“, sagte Madara und machte es sich auf dem Stuhl etwas bequemer, indem er die Beine ausstreckte und die Arme vor der Brust verschränkte. „Ja“, gab Sakura zurück und wusste nicht, was sie noch sagen sollte. Sie schämte sich mit einem Mal für ihr schlechtes Männerbild. Natürlich war ihr klar gewesen, dass auch Frauen Männer betrügen konnten. Natürlich waren Frauen nicht die Guten und Unschuldigen per se. Doch zu wissen, dass ihrem Chef genau das gleiche Unglück widerfahren war wie ihr, hatte dafür gesorgt, dass Sakura ihren Kopf neu ordnete. „Wissen Sie, ich kenne sogar den Namen dieses jungen Studenten. Den Namen werde ich auch nicht so schnell vergessen. Vielleicht laufen wir uns eines Tages über den Weg. Ich weiß nicht, wie ich reagieren werde.“ Vielleicht würde nichts passieren. Gar nichts. Vielleicht würde ihm nach Monaten oder Jahren die Hand ausrutschen. „Es tut mir leid, Herr Uchiha.“ Madara gluckste belustigt. „Wieso tut es Ihnen leid, Frau Haruno? Sie sind nicht beteiligt gewesen.“ Madara sah sie an. Der Blick seiner schwarzen Augen war sanft und bescherte Sakura Herzklopfen. Madara lächelte und Sakura wurde merkwürdig zumute. Sakura wünschte, sie wäre jetzt in ihrem kuscheligen Bett. Sie wünschte, sie würde schlafen und von schönen Dingen träumen. Aber sie war gemeinsam mit ihrem Chef im Archivraum eingesperrt und wollte keinesfalls noch einmal in den Schlafzustand gleiten. Doch ihre Müdigkeit übermannte sie nach einer Stunde. Im Schlaf lehnte sie sich gegen Madaras Schulter. Madara registrierte es, unternahm jedoch nichts dagegen. Bald drückte die Müdigkeit auch auf seine Lider, und sein Kopf sank im Schlaf auf Sakuras Haar. * Madara erwachte gegen halb sieben Uhr morgens mit dem Geruch von Sakuras Shampoo in der Nase. Sein Nacken fühlte sich steif an, weil er so lange in einer ungünstigen Position gesessen und geschlafen hatte. Er rieb sich den Nacken und vernahm plötzlich ein Geräusch. Madara stand sofort auf, trat an die Archivtür heran und klopfte. Das Klopfen riss Sakura aus dem Schlaf, und die junge Frau sah sich schlaftrunken um. Als sie Madara entdeckte, sprang sie vom Stuhl auf. „Ist schon morgen? Ist schon wer da?“, fragte sie aufgeregt. Die beiden hörten Schritte und sahen einander glücklich an. Endlich, endlich würden sie wieder in die Freiheit kommen! Sowohl Madara als auch Sakura entgleisten die Gesichtszüge, als sich die Tür öffnete. Vor ihnen stand jene Mitarbeiterin, die auf Sakuras Bluse Kaffee ausgeschüttet und Sakura im Postraum angetroffen hatte. Sakura wurde fahl vor Angst, weil sie hasserfüllt angesehen wurde. Sie zuckte zusammen, senkte den Blick, dankte der Mitarbeiterin kurz und knapp, ehe sie an ihr vorbeieilte. „Kommen Sie nicht auf falsche Gedanken“, mahnte Madara ernst und bedrohlich. Er sah nicht, wie sich die Finger seines Gegenübers fest um die Türklinke legten. Er sah jedoch, dass die Angestellte Sakura mit einem bösen Blick folgte, bis diese aus ihrem Sichtfeld verschwand. Madara kniff kurz die Augen zusammen und verließ nun selbst den Archivraum. Ohne sich bei ihrer Retterin zu bedanken, schlug er den Weg nach oben ein. Er ging ruhigen Schrittes, obwohl er am liebsten hinter Sakura losgelaufen wäre. Madara wollte sich seine innere Unruhe aber nicht anmerken lassen. Sakura war in Izunas Büro und machte sich zum Aufbruch bereit. „Gehen Sie nach Hause, Frau Haruno.“ „Ich muss zur Schule“, erwiderte Sakura, ohne ihn anzusehen. „Das kommt nicht in Frage. Sie sind unausgeruht. Ich werde in der Schule anrufen und Bescheid sagen, dass…“ Sakura hielt abrupt in ihrem Tun inne und warf Madara einen gequälten Seitenblick zu. „Danke, Herr Uchiha, aber ich würde ungerne den Schulstoff verpassen. Ich kann ihn sicher alleine nacharbeiten, aber das möchte ich nicht. Ich fühle mich in der Lage, zur Schule zu fahren. Wirklich.“ „... Gut“, sagte Madara schließlich. „Tun Sie, was Sie nicht lassen können.“ Er verließ das Büro und Sakura sank auf den Stuhl. Sie fühlte sich ganz und gar nicht gut. Sakura wusste nicht, ob sie hier noch arbeiten wollte. Eigentlich mochte sie es hier. Sie mochte Izuna und verstand sich mit ihren Mitauszubildenden. Aber diese eine Mitarbeiterin, die es offensichtlich auf sie abgesehen hatte, die Gerüchteküche und auch das, was Madara in ihr auslösten, das alles machte ihr das Leben schwer. Auch wenn Madara ihr im Prinzip nichts Böses getan hatte. Würde sie das drei Jahre lang aushalten können? Nach den drei Jahren konnte sie sich in einer anderen Kanzlei bewerben. Aber würde sie so lange durchhalten? Sakura vergrub das Gesicht in den Händen. Ich sollte meine Eltern anrufen, schoss es ihr durch den Sinn. Sicherlich hatten sich die beiden viele Sorgen um sie gemacht. Sakura hoffte, dass sie nicht die Polizei informiert hatten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)