Yu-Gi-Oh! The Last Asylum von -Aska- ================================================================================ Kapitel 85: Turn 80 - Rage Unlimited ------------------------------------ Turn 80 – Rage Unlimited     „Anya?“, wunderte sich Nick, als plötzlich nur noch ein Tuten aus seinem alten, stellenweise verätzten Handy drang. „Anya!?“ Wunderbar, dachte er sich ärgerlich und nahm den Apparat vom Ohr. Irgendwo in Ephemeria City war seine Schwester gerade dabei, zum Berserker zu mutieren. Die Chance, dass sie jetzt noch für Vernunft offen war, und sei es auch nur Levriers, war schwindend gering. „Spielt es denn eine Rolle? Weiter mit ihr zu telefonieren wird nichts an dem Ausgang des Duells ändern“, sprach da der blonde Lockenkopf Joel. Die Stirn runzelnd drehte sich Nick, der in der Ecke des verstaubten Klassenzimmers stand, dem androgynen Burschen wieder zu. Alexandra, die genau auf der anderen Seite der Tafel stand und somit nur wenige Schritte von dem Jungen in der ersten Reihe entfernt, verschränkte die Arme. „Er hat Recht. Wenn der Pakt besagt, dass sie ihre Duelle immer gewinnt, dann lässt sich nichts daran rütteln.“ „Nicht mal mit der Kraft eines Immateriellen.“ „Soll das ein Witz sein!?“, platzte es aus Nick heraus. „Der Äther fließt zu ihren Gunsten. Immaterielle können nur ihren eigenen Ätherfluss manipulieren und den jener, mit denen sie verbunden sind, nicht jedoch den anderer.“ Joel schloss die Augen, öffnete sich dann aber gleich wieder. „Ich frage mich, was für ein Dämon Nigel ist, wenn er den Äther überhaupt beeinflussen kann. Davon habe selbst ich nie gehört.“   Nick packte das Handy weg und stürmte auf den Dämon zu, packte ihn wutentbrannt am Kragen und versuchte ihn hochzureißen, doch eine unsichtbare Kraft verhinderte dies. „Hey! Lass das!“, mischte sich die dunkelblonde Alexandra ein und griff seinen Arm. „Du wusstest das schon seit geraumer Zeit und hast mich nicht vorgewarnt!? Du hättest Tony schicken können! Denkst du, unter diesen Umständen werde ich dich befreien!?“ „Ich bin der Einzige, der deine Fragen beantworten kann. Und du hast noch viele. Manche sind dir noch nicht einmal bewusst.“ Joel lächelte. „Außerdem ist Tony tot.“ Jetzt war es Alexandra, die beinahe die Beherrschung verlor. „Was!?“ „Um Informationen für euch zu beschaffen musste ich ihn derart beanspruchen, dass der arme Tropf zwischendrin einfach gestorben ist. Menschen sind so zerbrechlich.“ Schnaubend ließ Nick ihn los, doch nicht, ohne Joel gewaltsam gegen die Lehne seines Stuhls zu stoßen. Aus den Augenwinkeln sah er den fassungslosen Blick seiner Partnerin, der ihm unmissverständlich mitteilte, dass er daran Schuld war. Nicht, dass ihn der Tod dieses Mannes berührte … Joel grinste. „Deswegen mag ich dich, Nick. Du bist skrupellos. Und das musst du sein, wenn du stark genug werden willst, um zu tun, was du tun musst.“ „Gibt es noch andere mit der Conqueror's Soul?“ „Ja. Aber die sind uninteressant für uns. Wichtig ist, dass -du- dir ein breites Spektrum an Fähigkeiten aneignest.“ Das Lächeln des blonden Dämons verschwand. „Und halt dich von Kali fern. Sie ist zwar vergleichsweise schwach, verfügt aber ebenfalls über die Conqueror's Soul. Du hattest Glück, weil deine eigene zu dem Zeitpunkt eures Kampfes noch latent war. Beim nächsten Mal könnte es ernsthafte Probleme geben.“ Es war also gefährlich, wenn zwei Träger dieser Gabe sich bekämpften. Dann galt diese Warnung auch für Anya, Zach und seinen Vater. Anya … gegen sie hatte er sich auch duelliert, kurz nachdem sie vom Sammler versklavt wurde. Vermutlich war auch hier nichts geschehen, weil seine Kräfte noch geschlafen hatten. Aber wann waren sie erwacht?   Darauf wusste Joel die Antwort. „Xiphos. Er sagte, er kann dir keine Kraft verleihen. Stattdessen hat er dir Snuggly und Sparkly geliehen, die dich 'geöffnet' haben.“ „Was hat Xiphos vor?“ „Dieser Junge ist unberechenbar. Wenn ich dir einen Tipp geben darf“, sprach Joel und lächelte süßlich, „sobald du glaubst stark genug zu sein, versuch ihn zu töten. Er könnte ein Problem werden.“ Dessen war Nick sich bewusst. Allerdings würde er nicht so leichtsinnig werden, sich mit einem der fünf großen Dämonen anzulegen, solange er sich nicht absolut sicher war, siegreich aus der Konfrontation hervorzugehen. Schließlich sollten sie sterben. Alle … „... und nur du kannst das erreichen. Ich glaube an dich, Nick. Das nächste Mal, wenn du kommst, habe ich vielleicht mehr Antworten für dich. Was der Sammler plant, was Xiphos plant, wer sonst noch im Hintergrund die Fäden zieht.“ Nick verzog den Mund. „Wir werden sehen. Alexandra, ich denke, wir sind hier fertig.“ „J-ja“, erwiderte die, war in der Zwischenzeit deutlich erblasst.   ~-~-~   Überall vor Anya platzte der Asphalt unter dem Sperrfeuer von [Mecha Phantom Beast Coltwing] auf, einem Wandelflugzeug, dessen Cockpit an einen Pferdekopf angelehnt war. Dessen Ziel war Anyas [Gem-Knight Lady Brilliant Diamond], welche sich schützend vor Anya positionierte und ihre schlichte Klinge mit beiden Händen fest umschloss. Doch das Mädchen hatte weiß Gott nicht vor zuzulassen, dass ihre verhasste Rivalin ihr ihren größten Trumpf nahm. So streckte sie die Hand nach vorn aus. „Nix da! Ich aktiviere meine verdeckte Falle! [Gem-Enhancement]!“ Jene sprang aus dem Nichts neben ihr auf. Sogleich begann Licht aus den Kristallen zu strahlen, die sich an Lady Brilliant Diamonds Schulterplatten und ihrem Brustpanzer befanden. „Damit biete ich einen Gem-Knight als Tribut an, um danach einen aus meinem Friedhof wiederzuerwecken!“ An Anyas Handschuh materialisierte sich ein zweiter von metallischer Natur. Das Leuchten an ihrer Kriegerin wurde stärker, so stark, dass sie damit verschmolz und schlagartig verschwand. Plötzlich sah sich die Jüngere dem Kugelhagel selbst ausgesetzt. „Das ist doch, was du wirklich willst“, knurrte Anya, „mich zu durchsieben, huh? Aber daraus wird nichts! Heavy T!“ Zum zweiten Mal nutze sie die Kraft der Hüterkarte in ihrer Panzerhandschuh-Form in diesem Duell, um sich das Leben zu retten. Kurz bevor der Kugelhagel sie erreichte, hob Anya die Hand an und ließ förmlich die Zeit für die Projektile anhalten – Heavy Ts Macht, die Schwerkraft zu beeinflussen, wirkte der Schusskraft entgegen. Grinsend fuhr Anya unter der Attacke hindurch. Wie üblich reagierte Claire auf ihrem weißen D-Wheel gar nicht. „So, und jetzt sieh her, wer dank meiner Falle zurückkehrt!“ Sprachs und keine Sekunde später strahlte über ihr erneut grelles Licht. Und sie war wieder da, die Ritterin des Brillanten.   Gem-Knight Lady Brilliant Diamond [ATK/3400 DEF/2000 (10)]   „Tja, den Angriffsbonus durch die Fusion von [Gem-Knight Jasper] hat sie zwar verloren, aber da [Gem-Enhancement] mir nicht untersagt, das geopferte Monster zurückzubeschwören, hast du effektiv versagt!“ Anya reckte das Kinn vor. „Denk dir was Besseres aus!“ Das gesagt, war es trotzdem noch der Zug ihrer Gegnerin. Welche neben ihrem Coltwing noch den an einen Velociraptor angelehnten Jet sowie den länglichen Falkenjet kontrollierte. Dazu kamen noch ihre Falle [Aerial Recharge], die Anya seither ein Dorn im Auge war und zwei Handkarten.   Mecha Phantom Beast Coltwing [ATK/1600 DEF/1500 (4)] Mecha Phantom Beast Megaraptor [ATK/1900 DEF/1000 (4)] Mecha Phantom Beast Blackfalcon [ATK/1200 DEF/1700 (4)]   Claire indes verkündete: „Battle Phase. [Mecha Phantom Beast Megaraptor] greift [Gem-Knight Prismaura] an.“ Jener schwebte neben Anya her, die dank des Autopiloten nicht allzu große Schwierigkeiten hatte, ihrer Gegnerin in einer schnellen Abfolge von Kurven zu folgen. Der kniende, weiße Ritter im roten Umhang hielt schützend seine blaue, kristallene Schwertlanze vor sich und hob zusätzlich dazu noch seinen anderen, den Schildarm, an.   Gem-Knight Prismaura [ATK/2450 DEF/1400 (7)]   In Megaraptors Klauen unterhalb des Bugs erschienen Zielsuchraketen, die jener einfach fallen ließ. Wenige Sekunden später fanden die ihr Opfer und zerfetzten dieses regelrecht in einer umfassenden Explosion, die Anya ins Schleudern brachte. „Shit!“ „Ich setze eine Karte. End Phase. Damit muss ich durch [Aerial Recharge] ein Mecha Phantom Beast als Tribut anbieten, wenn ich sie weiterhin im Spiel behalten will.“ Coltwing löste sich daraufhin in Luft auf, was Anya nur nebenbei wahrnahm. Sie hatte genug damit zu tun, ihre Maschine nicht gegen die Panzerglas-Absperrungen zu fahren. Clever. Da [Mecha Phantom Beast Coltwing] durch den Effekt von [Scramble!! Scramble!!] beschworen wurde, opfert sie ihn, ehe er durch den negativen Effekt ihres Zaubers ins schickt ins Extradeck geschickt wird.   Levrier, der ebenfalls noch neben Anya her glitt, legte eine Hand ans Kinn. Aber eines irritiert mich. Sie hat noch keine Normalbeschwörung durchgeführt. Mit dem Monster in ihrer Hand, [Mecha Phantom Beast Aerosguin] hätte sie eine zusätzliche Spielmarke beschwören und die Stufe all ihrer Monster auf 7 anheben können. Und dann …   Anya wusste genau, worauf er anspielte. Es. Das Bossmonster dieses verfluchten Themas, ein Rang 7-Xyz-Monster, das zerstörerisch und gleichzeitig schwer zerstörbar war. Damit hätte sie Lady Brilliant Diamond spielend leicht abschießen können und gleichzeitig war diese Tatsache eine der wenigen, über die Anya sich vorab informiert hatte. Solange man das Assmonster des Gegners kannte, war alles andere halb so schlimm. „Vielleicht spart sie sich das Ding noch auf“, mutmaßte Anya mürrisch, nachdem sie endlich wieder die volle Kontrolle über das schwarze D-Wheel zurückgewonnen hatte, „und ihre Hüterkarte hat sie auch noch nicht gespielt. Was, wenn sie ein und dasselbe sind?“   Ist es wirklich so einfach?   „Wer weiß? Ich weiß, dass wir noch lange nicht gewonnen haben.“ Sie warf einen Blick auf den Lebenspunktestand auf dem Monitor über ihrem Lenker.   [Anya: 400LP / Claire: 4000LP]   Und knirschte mit den Zähnen. „Falls wir überhaupt gewinnen können. Fuck! Ich habe noch nie von einem Pakt gehört, der nicht mit einem Immateriellen geschlossen wurde.“   Solche existieren. Ihr Dämon muss besonders sein, wenn er ihr die Fähigkeit verleihen kann, jedes Duell zu gewinnen. Sie muss ähnlich wie die Kräfte der Immateriellen funktionieren.   „Das Schicksal ändern, huh? Meinste, wir kriegen das auch dieses Mal hin?“ Dies kann ich dir nicht beantworten, Anya Bauer. Aber du weißt, dass du auf mich zählen kannst.   „Yeah“, erwiderte die und beugte sich kämpferisch nach vorn, um das maximale Tempo aus ihrer Maschine herauszuholen. Dann griff sie nach ihrem Deck. Neben [Gem-Knight Lady Brilliant Diamond] waren die einzigen Karten, die sie kontrollierte, die Gem-Knights Tiger's Eye und Pyrite, die weit über ihr in hellblauen, aufrecht stehenden Lichtsäulen schwebten und ihr darin auch folgten. Erstgenannter war ein goldener Ritter mit Kettenpeitsche in der Hand, Letzterer dagegen ein weißer mit silbrigen, würfelförmigen Schulterplatten, an dessen Armen sich die Hälften eines riesigen Rundschilds befanden.   <2> Anyas Pendelbereich <8>   Abseits von denen besaß Anya nicht einmal mehr Handkarten. Aber das sollte sich bald ändern! „Mein Zug, Miststück! Draw!“, fauchte Anya und riss die Karte von ihrem Deck. Wohlgemerkt ohne Levrier um Hilfe zu bitten. Denn -sie- würde nicht schummeln! Ohne Umschweife streckte sie die Hand in die Höhe. „Schwinge bis in alle Ewigkeit, Pendulum! Pendulum Summon!“ Über ihr öffnete sich ein riesiges Loch im Himmel, wie gewohnt mit dutzenden Ellipsen, die sich darum schlossen. Zwei roten Lichtstrahlen schossen aus dem Pendelportal. „Aus meinem Extradeck: [Gem-Knight Jasper] und [Gem-Knight Malachite]!“ Links und rechts neben ihr tauchten ein hünenhafter Ritter mit langer Hellebarde in der Hand sowie einer in blau-grün schimmernder Rüstung, welcher einen Stab mit sich führte.   Gem-Knight Jasper [ATK/1800 DEF/600 (4) PSC: <2/2>] Gem-Knight Malachite [ATK/1000 DEF/1900 (4) PSC: <2/2>]   Energisch blickte Anya nach oben, wo ihre Ritterin bereits mit der Schwertspitze auf Malachite zeigte. „Lady Brilliant Diamonds Effekt kennst du bereits! Sie kann einen beliebigen Gem-Knight auf dem Feld in ein Fusionsmonster transformieren. Leider ist das keine echte Fusionsbeschwörung, weshalb ich keine Boni von Jasper oder Malachite erhalte.“ Nun schwang sie den Arm aus. „Aber das ist es trotzdem wert! Ich wähle Malachite! Contradiction Fusion!“ Hinter dem blau-grünen Stabkrieger öffnete sich ein Edelsteinwirbel, welcher jenen regelrecht verschluckte. Dann drang grelles Licht daraus hervor. „Die hier hast du auch noch nie gesehen! Zeig uns deine Macht, [Gem-Knight Lady Lapis Lazuli]!“ Blaue Blütenblätter flogen plötzlich aus dem Wirbel und vermengten sich mit einem bräunlichen Schimmer, der ebenfalls aus dem Fusionssog drang. Zusammen formten sie eine humane Gestalt, gehüllt in eine dunkelblaue Rüstung, die dank ihrer langen Schleppe und den weiten Ärmeln stark an einen Kimono erinnerte.   Gem-Knight Lady Lapis Lazuli [ATK/2400 DEF/1000 (5)]   Inzwischen hatten die beiden Duellantinnen den Serpentinen-Abschnitt der Strecke verlassen und fuhren wieder auf gerader Strecke. Um sie herum gab es vereinzelt riesige Hochhäuser, meist Hotels, in der Ferne war der Flughafen samt seiner Landebahnen zu sehen. Anya streckte den Arm aus. „Natürlich besitzt Lady Lapis Lazuli auch einen Effekt, den du gleich schmerzhaft am eigenen Leib spüren wirst! Dazu muss ich zunächst einen Gem-Knight von meinem Deck oder auch von meinem Extradeck auf den Friedhof schicken. Topaz!“ Tatsächlich schob sich [Gem-Knight Topaz'] Karte aus Anyas Extradeck-Schlitz, nur um von dem Mädchen aufgenommen und wieder auf den Ablagestapel entsorgt zu werden. Mit dem Hintergedanken, dass er dort womöglich noch nützlich werden könnte. Plötzlich begann sich die neue Ritterin des Mädchens mit erhobenen Armen um die eigene Achse zu drehen, ganz, als führe sie einen Tanz auf, ohne sich dabei wirklich zu regen. Gleichzeitig schoben sich aus den Oberkörpern Jaspers und Lady Brilliant Diamonds kleine, blaue Edelsteine, die herüber zu Lady Lapis Lazuli flogen, um jene zu umkreisen. Aber nicht nur bei diesen beiden geschah dies, auch aus [Mecha Phantom Beast Megaraptors] Cockpit schoss so ein Edelstein. Und nicht zuletzt auch die Tänzerin selbst erzeugte einen Lapislazuli, womit sie insgesamt vier Stück mit ihrer Rotation bewegte. „Ich hoffe du magst Klunker, immerhin kannst du dir durch deine Betrügereien sicher genug leisten“, wurde Claire erneut von ihrer Gegnerin ohne Erfolg provoziert. Jene schnappte: „Dafür gibt’s jetzt die Quittung! Für jedes spezialbeschworene Monster auf dem Feld fügt [Gem-Knight Lady Lapis Lazuli] dir 500 Schadenspunkte zu! Das sind insgesamt 2000 Punkte! Shimmer Shards!“ Mit Schwung beendete die edle Kriegerin ihren Tanz und schleuderte ihre namensgebenden Edelsteine auf Claire, welche sich umdrehte. Wie Pfeile schossen die kleinen Schmuckstücke auf sie zu.   Gleichzeitig beobachtete Logan bei den Boxen über seinen Laptop, wo Anya und Claire sich inzwischen befanden. Etwa drei Viertel der Strecke hatten sie geschafft, wobei anzumerken war, dass sich das Ziel nicht direkt bei den Boxen befand, sondern bereits etwa einen Kilometer davor. Von dort ging es erst über eine letzte Kurve zu den Boxen. „Wieso antwortet sie nicht?“, knurrte der Schwarzhaarige wütend darüber, dass Anya ganz offensichtlich ihren Kommunikationskanal gekappt hatte. Der rothaarige, bärtige Nigel stand einige Meter hinter ihm und hielt die Arme verschränkt. Dabei warf er hinter seiner Sonnenbrille einen finsteren Blick auf den Mann vor sich, welcher am Pult saß und gerade den Spielplan des Duells aufrief, welcher in diesem Moment die Beschwörung von [Gem-Knight Lady Lapis Lazuli] darstellte. „Irgendwelche Kommentare zu den Vorwürfen?“, brummte Logan, ohne sich dabei umzudrehen. „Keine Ahnung, warum die Kleine auf einmal auf 180 ist und diese seltsamen Sachen von sich gibt. Hilf mir auf die Sprünge. Oder soll ich mir stattdessen ansehen, was ich hier gespeichert habe?“ Dabei deutete er auf einen USB-Stick, welcher am Laptop hing. Nigel strich sich abwesend mit der Hand über den feinen, schwarzen Anzug und ließ dann die Arme sinken. „Ein verletztes Tier brüllt bekanntlich am lautesten.“ „Sicher?“, kam es skeptisch zurück. „Ich kenne das Mädel inzwischen ganz gut. Schlechte Verliererin, das stimmt schon …“ Langsam begann der Manager auf den Mann vor ihm zu zu schreiten. Dabei schoss lautlos aus seiner Handfläche ein langes Schwert, dessen gezackte Klinge fast schon einem Blitz glich. Sorgsam war in ihrem inneren Bereich goldene Verzierung eingearbeitet. „… aber solche Anschuldigungen würde sie nicht in den Raum werfen, wenn es nicht irgendeinen Anhaltspunkt gäbe.“ Logan lehnte sich zurück und lachte laut. „Hah, vielleicht hat sich Mrs. Rosenburg ja beim Schummeln ausnahmsweise ungeschickt angestellt?“ „Mitnichten“, erwiderte Nigel tonlos, als er direkt hinter Logan stand. Und die Klinge über seinen Kopf erhob. „Ich kann Ihnen versichern, dass diese Vorwürfe völlig haltlos sind. Dürfte ich mir diese 'Aufzeichnungen' einmal ansehen?“   Claire konnte den fliegenden Edelsteinen rechtzeitig mit einem gewagten Manöver ausweichen, doch als jene sie verfehlten, explodierten sie wie ein Feuerwerk. „Was sagst du dazu!?“, triumphierte Anya hämisch.   [Anya: 400LP / Claire: 4000LP → 2000LP]   „Fallenkarte aktivieren“, kam die ungebetene Antwort prompt zurück. Neben Claire klappte aus dem Nichts eine violett umrandete Karte auf, aus dessen Artwork die dort abgebildete Maschine austrat. Es handelte sich um eine Art überdimensionalen, spitz zulaufenden Dynamo, von dem rote und blaue Kabel ausgingen, welche sich mit Claires D-Wheel verbanden. „[Damage Vaccine Ω MAX]. Sie macht eine Schadenseinwirkung ungeschehen.“ „Huh!? Das gibt’s doch nicht!“ Kaum war Claires Maschine mit holografischem Strom versorgt, verschwanden die Falle und jene seltsame Apparatur wieder.   [Anya: 400LP / Claire: 2000LP → 4000LP]   Für alles hat sie die passende Antwort parat. Das ist nicht gut.   Anya knirschte mit den Zähnen. Wie Recht Levrier neben ihr doch hatte. Sie wollte fusionieren? Claire konterte sie aus. Sie rief Angel Wing? Claire zerstörte ihn mühelos und verbannte ihn obendrein noch, damit er sich nicht reanimieren konnte. Fügte man ihr großen Schaden zu, machte sie diesen einfach ungeschehen. „Verdammter Kackmist!“, fluchte das Mädchen aus sich hinaus. Dann aber lehnte sie sich ehrgeizig wie eh und je nach vorn. „Aber ich bin noch lange nicht fertig mit dir! Hörst du mich!? Ich habe gerade erst angefangen! Los, [Gem-Knight Lady Brilliant Diamond]! Greif' [Mecha Phantom Beast Blackfalcon] an! Brilliant Fate Severing!“ Sofort folgte die Ritterin über ihr dem Befehl und flog mit erhobener Klinge in erstaunlichem Tempo voraus. „Effekt von [Aerial Recharge]“, rief Claire dagegen aus, „sie beschwört eine Projektion, welche durch [Mecha Phantom Beast Megaraptor] verdoppelt wird. Dazu der Effekt von [Mecha Phantom Beast Blackfalcon].“ Zunächst traten aus dem Velociraptorjet links und rechts bunte Hologrammversionen seiner selbst heraus, von denen eine jedoch alsbald wieder verschwand. „Mit ihm deaktiviere ich eine Projektion und ändere die Kampfposition eines gegnerischen Monsters.“ Der schwarze, längliche Falkenjet drehte sich seiner Angreiferin zu. Über seine aufgemalten Augen sendete er eine Schockwelle aus, die Lady Brilliant Diamond in ihrem Anflug stoppte und stattdessen schwebend in die Knie zwang.   Gem-Knight Lady Brilliant Diamond [ATK/3400 DEF/2000 (10)] Mecha Phantom Beast-Spielmarke [ATK/0 DEF/0 (3)]   Die Herausforderin schnappte nach Luft, denn wenn sie das nicht tat, würde sie vermutlich jeden Moment implodieren. Wie war das möglich!? Wenn dieser Angriff zusammen mit denen ihrer anderen beiden Monstern durchgegangen wäre, hätte der gesammelte Schaden punktgenau ausgereicht! Aber nein, Miss Cheato Cheap musste -natürlich- wieder die passende Antwort parat haben! „Garrr“, stieß Anya frustriert hervor und streckte den Arm nach vorne, „zerstöre die Projektion, Jasper!“ Pfeilschnell zischte ihr massiger Krieger nach vorn und schwang seine Hellebarde aus, um durch das bunte Hologramm Megaraptors über Claire durchzuschlagen. Es löste sich daraufhin auf. „Ohne Spielmarken kann ich deine Monster im Kampf besiegen!“ Anya ballte die ausgestreckte Hand zu einer Faust. Keine verdeckten Karten mehr, keine Handkarten, die sie auf mirakulöse Weise retten konnten. Der Angriff würde sitzen! „Dem kannst du nicht entgehen! [Gem-Knight Lady Lapis Lazuli], Attacke auf Blackfalcon! Luster Ray!“ Ihre fein gekleidete Ritterin legte beide Handflächen aufeinander und ließ darin Energielinien entstehen, die sich zu der Skizze eines komplizierten Vielecks verbanden. Aus jenem schoss keine Sekunde später ein lehmbrauner Lichtstrahl. Als der schwarze Falkenjet über ihr getroffen wurde und als Ergebnis in tausend Teile zersprang, reagierte Claire nur mit einem Schnalzen. Was mehr war, als Anya von ihr erwartet hatte.   [Anya: 400LP / Claire: 4000LP → 2800LP]   „Tch!“ Es hätte wirklich gereicht, trauerte Anya ihrem Sieg immer noch hinterher. Nichtsdestotrotz hatte sie es geschafft, sie hatte ihrer Gegnerin Schaden zugefügt. Endlich! Noch ein paar Treffer mehr! Sofern sie vorher keinen eigenen kassierte zumindest. „Ich setze eine Karte verdeckt!“ Ihre einzige Handkarte in den Kartenschlitz unter der Zone ihrer Chefritterin schiebend, rümpfte Anya die Nase. So leicht würde sie es dieser Schnepfe nicht machen! Zischend materialisierte sich die Falle neben ihr und verschwand. „Zug beendet!“ „Falleneffekt von [Aerial Recharge]. Entweder verzichte ich auf ein Mecha Phantom Beast-Monster oder auf [Aerial Recharge].“ Jede Runde dasselbe Spiel. Claires letztes verbliebenes Monster, [Mecha Phantom Beast Megaraptor], löste sich kurzerhand in Luft auf. Damit war die Falle die einzig verbliebene Karte auf der Spielfeldseite der Weltmeisterin, die außerdem nur noch [Mecha Phantom Beast Aerosguin] auf der Hand hielt, wie Anya wusste.   Was sich aber kurzerhand änderte, als Claire aufzog. „Draw Phase.“ Keine Sekunde später verkündete sie: „Normalbeschwörung: [Mecha Phantom Beast Aerosguin].“ Jener stellte sich als riesiges Luftschiff heraus, dessen Laderampe sich tatsächlich am Bug befand. Die obere Hälfte bestand aus etwas, das einen Heißluftballon glich – und einem Pinguin, dessen Kopf nach vorne starrte. „Definitiv das seltsamste ihrer Viecher“, kommentierte Anya den Anblick.   Mecha Phantom Beast Aerosguin [ATK/1600 DEF/400 (3)]   „Monstereffekt: Indem ich ein Mecha Phantom Beast vom Friedhof verbanne, erschafft [Mecha Phantom Beast Aerosguin] eine Projektion.“ Claire zeigte bereits [Mecha Phantom Beast Harrliard] vor und schob ihn in den speziellen Schlitz der Verbannungszone. „Falleneffekt: [Aerial Recharge] erschafft eine zweite Projektion.“ Gleich zwei riesige, bunte Abbilder des gigantischen Pinguinträgers tauchten links und rechts neben diesem auf.   Mecha Phantom Beast Aerosguin [ATK/1600 DEF/400 (3 → 9)] Mecha Phantom Beast-Spielmarke x2 [ATK/0 DEF/0 (3)]   Gleich im Anschluss schob Claire ihre letzte Handkarte, einen Zauber, in die entsprechende Zone und sprach: „Zauberkartenaktivierung: [Wingover]. Dazu muss die Zahl meiner Mecha Phantom Beast-Monster mit der meines Gegners übereinstimmen, wobei mindestens eines davon ein Original und keine Projektion sein muss.“ Schlagartig richteten sich ihre drei Träger steil nach oben aus und gewannen rasch an Höhe. Anya verfolgte das alles nervös, biss die Zähne zusammen, als die drei Schiffe in der Luft eine Kurve machten und allesamt rasend schnell wieder nach unten schossen – und ihren Weg dabei kreuzen würden! „[Wingover] zerstört im Anschluss alle Monster meines Gegners zusammen mit den Projektionen.“ Anya traute ihren Ohren kaum. Wie Pfeile flogen die Gigapinguine über ihr hinweg und ließen aus ihren Laderampen Bomben fallen. Bomben, die alles zerstörten. Ihre beiden Ritterinnen und Jasper, die halbe Strecke. Anya zischte jedoch rechtzeitig unter den Explosionen hinweg, um nicht noch selbst erfasst zu werden. „Das gibt’s doch nicht!“, fauchte sie ungläubig, als die beiden bunten Versionen Aerosguins sich auflösten und das Original zu Claire zurückkehrte. „Im Anschluss ziehe ich für jede verlorene Projektion eine Karte, muss aber die Battle Phase in diesem Zug überspringen“, fuhr jene seelenruhig mit ihrem Zug fort und riss zwei Karten von ihrem Deck, „ich setze zwei Karten. End Phase.“ Je links und rechts tauchte eine Falle neben ihr auf und verschwand, zusammen mit Aerosguin, den Claire ganz offensichtlich opferte, um ihre Falle zu behalten. Anyas Feld war monsterleer.   Nun, das ging noch einmal glimpflich aus. Dennoch, Zurückhaltung sieht anders aus. Spätestens jetzt muss jeder in der Stadt auf uns aufmerksam geworden sein.   Anya warf einen Blick über die Schulter. Ja, der Rauch, der von der bombardierten Stelle aufstieg, war wohl eindeutig. „Shit! Wir müssen hier schnell fertig werden! Wenn die mich erwischen …“   … und deine Polizeiakte lesen, meinst du? Herrje, deine letzten Tage in einer Zelle zu verbringen wäre in der Tat Verschwendung. Aber ich befürchte, der Sammler würde das nicht zulassen.   Die Stichelei gekonnt ignorierend, musste Anya grimmig nicken. „Yeah, vermutlich hast du Recht. Hoffen wir's einfach.“   Trotzdem sollten wir es nicht dazu kommen lassen. Konzentriere dich. Wir haben sie offensichtlich in eine Ecke gedrängt, wenn sie schon auf solche Mittel zugreifen muss. Ein gezielter Treffer und der Kopf der Königin rollt dir vor die Füße.   Anya beugte sich vor, leckte sich hinter dem gesprungenen Visier ihres Helms über die Lippen. Oh ja, sie schmeckte das Blut der ehemaligen Duel Queen schon. „Halt dich bloß gut fest, Levrier. Gleich geht’s rund!“   ~-~-~   Nebeneinander stampften Nick und Alexandra durch den Sand, hinter ihnen in der Ferne das verlassene Bergbaudorf. Entschlossen steuerte der große, zerzauste Mann auf den weißen Chrysler Neon zu. „Bist du damit einverstanden?“, fragte seine Begleiterin plötzlich ungläubig und blieb stehen. Streckte die Hand Richtung der Schule aus. Sie hatten die Barriere längst verlassen, also waren sie vermutlich vor Joels Gedankenlesekunst sicher. „Mit diesem Monster zusammenzuarbeiten?“ Auch Nick hielt an. „Das wird sich zeigen.“ „Wegen ihm ist Tony jetzt tot!“ „Bedauerlich. Aber nicht mehr zu ändern.“ Alexandra schnaufte aufgrund der gefühlskalten Antwort. Aber wirklich überrascht war sie von der nicht, wenn sie ehrlich war. Ob sie ihm nun die Schuld dafür gab oder nicht, es kam letztlich auf das Gleiche hinaus. Sie wartete einen Moment, bis sie sagte: „Es ist doch offensichtlich, dass er dich in eine Falle locken will.“ „Selbstverständlich ist es das. Wann immer das Gespräch in eine für ihn womöglich unvorteilhafte Richtung zu verlaufen drohte, hat er etwas gesagt, das ich hören will.“ Mit Unwohlsein blickte die Blonde zurück. „Auf mich und meine Gedanken hat er gar nicht reagiert. Vielleicht kann er sich nur auf eine Person gleichzeitig konzentrieren.“ Indes setzte Nick seinen Weg fort und zückte die Autoschlüssel. „Unwahrscheinlich. Du warst einfach nicht interessant genug.“ „Tu dir einfach selbst einen Gefallen und vergiss diesen Joel.“   Doch Nick sah das anders. Die Informationen dieses Dämons waren zweifelsohne hilfreich, besonders, weil er jetzt wusste, was er tun musste, um stärker zu werden. Er würde abwägen müssen, ob es sinnvoll war, Joel zu befreien. Aber wie ging der Spruch doch gleich? Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Eins stand jedoch fest: Er durfte Joel nicht eher wieder aufsuchen, bis er einen Weg gefunden hatte, seine Gedanken zu verschleiern. Ansonsten lief er Gefahr, seinen Plan ungewollt zu offenbaren.   „Und falls es dir nicht aufgefallen ist-“ „Die Uniform“, schnitt Nick ihr abwesend ins Wort, „sie -ist- mir aufgefallen.“ „Für jemanden, der dort seit über 60 Jahren sitzt, war sie viel zu modern.“ Alexandra umrundete den Wagen und öffnete die Beifahrertür. „Ich habe mir das Muster eingeprägt und werde ein wenig recherchieren.“ Analog zueinander stiegen beide ein. Nick jedoch ging längst etwas anderes durch den Kopf. „Was weiß die Unterwelt über die Conqueror's Soul?“ „Es gab vor etwa 20 Jahren einen legendären Dämonenjäger, der über Mächte verfügte, die ein einfacher Mensch nie hätte besitzen dürfen. Gerüchte besagen, er habe sie seinen Feinden abgenommen. Dieses Phänomen hat man Conqueror's Soul getauft.“ Alexandra schloss die Tür und schnallte sich an. „Aber das sind ungesicherte Informationen. Wir wissen, dass es diesen Mann tatsächlich gab, mehr jedoch nicht.“ Nick legte beide Hände ans Lenkrad und beugte sich vor. „Hast du einen Namen?“ „J.B.“ Ein Schnalzen entfuhr den Lippen des jungen Mannes. „Passt nicht. Hm. Es besteht die Möglichkeit, dass dieser Mann selbst ein Dämon war. Ich kann mir vorstellen, dass auch Dämonen Gründe haben, ihresgleichen zu jagen. Besonders wenn in ihnen auch ein Mensch steckt.“ Er musste dabei an Abby denken. Sie unterschied nichts von einem Menschen, auch wenn sie die Form einer Sirene annehmen konnte. „Ein Dämonenjäger-Dämon“, wiederholte Alexandra den Gedanken und lachte spitz, „ironisch. Er hätte seine Identität geheim halten müssen. Du kannst dir sicherlich denken, dass die meisten Jäger den 'Feind' in den eigenen Reihen nicht dulden würden.“ Der junge Mann reckte den Kopf nach oben und nickte. „Was ist aus ihm geworden?“ „Er ist einfach verschwunden. Ob untergetaucht oder getötet, das weiß keiner …“   Abwesend schob Nick den Schlüssel ins Zündschloss. Konnte dieser legendäre Dämonenjäger wirklich sein Vater sein? J.B. … das waren nicht seine Initialen, auch wenn das B für Bauer passte. Dagegen stand die Tatsache, dass dieser Mann schon immer nur eine Schattengestalt innerhalb seiner eigenen Familie war. Wochenlange Geschäftsreisen ins Ausland, Überstunden, vergessene Familienabende, von denen Anya oft erzählt hatte. Alles Lügen, um eine geheime Identität zu verbergen? Und dann war der Dämonenjäger einfach verschwunden. Etwa zu der Zeit, als Anya auf die Welt kam. Nick überlegte, ob es nicht an der Zeit war, sich seinem Vater nach über fünf Jahren zu stellen. Und damit auch Aiden, der Vergangenheit, allem … Nick dachte an den Tag zurück, als er Abby sein Geheimnis anvertraut hatte. Er hatte Tränen vergossen. Er wünschte, er könnte diesen Tag ungeschehen machen, denn er würde nie wieder vor irgendjemandem weinen. Seine Hände krallten sich fest in das Lenkrad. „Alexandra, ich möchte, dass du eine Liste mit allen dir bekannten Dämonen und ihren Fähigkeiten erstellst.“ Jene stöhnte jedoch nur genervt. Nickte trotzdem stumm, entgegen Nicks Erwartungen.   ~-~-~   „Mein Zug!“, schrie Anya förmlich, als es in eine leichte Rechtskurve ging. „Draw!“ Schwungvoll zog sie eine Karte – ihre einzige. Als sie sie betrachtete, musste Anya glucksen. Noch eine ihrer neuen Fallen? Na ob sie die noch brauchen würde? Immerhin lag schon die andere unbenutzt und unsichtbar neben ihr, Claire hatte sie nicht einmal dazu gezwungen, sie auszulösen. „Hm. Ha!“ Anya griff nach ihrem Friedhof. „Ich hoffe du magst unangenehme Überraschungen, denn davon habe ich noch mehr als genug für dich auf Lager. Wie diese! Ich verbanne [Pendulum Fusion] von meinem Friedhof durch ihren eigenen Effekt!“ Unerwartet öffnete sich zwischen ihren beiden Rittern weit oberhalb des Spielfelds das Pendelportal. Ein roter Lichtstrahl stieg von Anyas D-Wheel auf und wurde verschluckt, ehe sich das Loch wieder schloss. „Heh. [Pendulum Fusion] hat das Pendulum nicht umsonst im Namen. Nachdem ich sie verbannt habe, schicke ich ein Fusionsmonster von meinem Friedhof in mein Extradeck – als Pendelmonster!“ Anya grinste und zeigte [Gem-Knight Lady Brilliant Diamonds] Karte vor. Dann äffte sie die Stimme einer ahnungslosen, dummen Göre nach. „Aber Anya, dein Monster ist auf Stufe 10, das liegt doch gar nicht mehr in deinem Pendelbereich. Ha!“ In diesem Moment begann der weiße [Gem-Knight Pyrite] in der hellblauen Lichtsäule rechts neben Anya in dunkelblauer Aura aufzuleuchten. „Natürlich sorgt [Pendulum Fusion] dafür, dass ich mein Monster auch beschwören kann, indem es den Pendelwert von Pyrite bis zur End Phase auf 12 erhöht!“   <2> Anyas Pendelbereich <8 → 12>   „Schwinge bis in alle Ewigkeit, Pendulum!“, schrie Anya gleich darauf und richtete den Arm in die Höhe. „Pendulum Summon!“ Wieder öffnete sich das Pendelportal über ihr und stieß drei rote Lichtstrahlen aus. „Aus meinem Extradeck: [Gem-Knight Jasper], [Gem-Knight Malachite] und [Gem-Knight Lady Brilliant Diamond]!“ Links und rechts neben ihr gewannen der rote Hüne mit der Hellebarde sowie der grün-blau schimmernde Stabschwinger Gestalt, während über ihr ihre Schwert schwingende Brillantritterin Stellung bezog.   Gem-Knight Jasper [ATK/1800 DEF/600 (4) PSC: <2/2>] Gem-Knight Malachite [ATK/1000 DEF/1900 (4) PSC: <2/2>] Gem-Knight Lady Brilliant Diamond [ATK/3400 DEF/2000 (10)]   „Heh, ich muss schon sagen, dieser Pendelmist ist ziemlich nützlich“, grinste Anya hinter ihrem zersprungenen Visier und schwang dann den Arm aus, „aber Fusionen finde ich trotzdem cooler! Los, Lady Brilliant Diamond! Schnapp' dir Jasper! Contradiction Fusion!“ Prompt schwang ihre Kriegerin das Schwert aus und zeigte mit dessen Spitze auf Jasper, hinter dem sich ein Edelsteinwirbel öffnete und ihn verschluckte. Langsam hob Anya die ausgestreckte Hand an. Welche in violetten Flammen aufging. „Jetzt kommt die Abrechnung!“ Aus dem Wirbel flog ein einzelnes Schwert, in dem sieben Edelsteine in den Farben des Regenbogens eingelassen waren. Feiner, glitzernder Staub tanzte um dieses und formte sich zu einer gar eindrucksvollen Gestalt. Mit nur einer Hand schulterte der Ritter in silberner Rüstung seine Waffe und ballte mit der freien Hand eine Faust, in der dieselbe violette Flamme wie bei Anya entstand. „Strahle, [Gem-Knight Master Diamond]!“ Jener stieß einen entschlossenen Ruf aus. „Er erhält für jeden Gem-Knight auf meinem Friedhof 100 Angriffspunkte. Und weil dem so ist, schicke ich mit Pyrites Pendeleffekt gleich mal noch einen von meinem Deck auf den Friedhof! Ich wähle Garnet!“ [Gem-Knight Garnets] Karte schob sich automatisch aus Anyas Kartenstapel und wurde von dieser in den Friedhofsschlitz geschoben. Gleichzeitig begann um Master Diamond eine weiße Aura aufzuflackern.   Gem-Knight Master Diamond [ATK/2900 → 3500 DEF/2500 (9)]   „Aber das ist noch lange nicht alles!“ Stolz sah Anya zur Seite, wo ihr Ritter neben ihr schwebte. „Master Diamond kann ein Gem-Knight-Fusionsmonster der Stufe 7 oder niedriger vom Friedhof verbannen, um dessen Effekt kurzweilig zu erhalten!“ Sie konnte also zwischen Prismaura und Lady Lapis Lazuli wählen. Eine Karte zerstören oder Schaden zufügen. Letzteres erschien Anya in Angesicht der Tatsache, dass Claire am Ende noch einen Weg fand, den Schaden auf sie zurückzuwerfen, doch etwas riskant. Andererseits, wenn sie endlich [Aerial Recharge] loswurde, könnte sie die Strategie ihrer Gegnerin nachhaltig stören. „Heh, dann also [Gem-Knight Prismaura]!“ Besagter Ritter tauchte mit seiner kristallenen Schwertlanze in der Hand durchsichtig hinter Master Diamond auf und verschwand in jenem. „Aber da ich für seinen Effekt eine Gem-Karte abwerfen muss, verbanne ich [Gem-Knight Lazuli] von meinem Friedhof, um [Gem-Knight Fusion] zu recyclen!“ Anya nahm besagte Zauberkarte auf und entsorgte im Anschluss ihr Monster in die Verbannungszone. Dabei war ihr bewusst, dass ihr Co-Assmonster ein paar Punkte einbüßen würde, aber das war es wert.   Gem-Knight Master Diamond [ATK/3500 → 3300 DEF/2500 (9)]   „Und jetzt verabschiede dich von deiner beknackten [Aerial Recharge]! Ich werfe [Gem-Knight Fusion] ab, um sie zu zerstören! Master Diamond“, rief sie und streckte den brennenden Zeigefinger aus, „los!“ Jener hob sein riesiges Breitschwert in die Höhe, in welches ein aus dem Nichts kommender Blitz einschlug. Dann richtete er es nach vorne, bereit, die Ladung in gebündelter Form abzufeuern. Claire streckte während des Fahrens einen Arm von sich. „Kette: Ich aktiviere den Effekt von [Aerial Recharge], um eine Projektion zu erschaffen.“ „War klar“, knurrte Anya, denn natürlich würde ihre Gegnerin vorher noch einmal einen Nutzen aus ihrer Karte ziehen wollen. „Kette“, rief jene aber gleich noch einmal zu Anyas Erstaunen aus, „ich aktiviere [Powerful Rebirth]. Sie beschwört ein Monster mit maximal Stufe 4 von meinem Friedhof in Angriffsposition und verstärkt seine Stufe um 1 sowie seine Werte um 100. Ich wähle [Mecha Phantom Beast Megaraptor].“ Anya weitete die Augen, als hinter ihrer Gegnerin der Asphalt aufbrach und der Raptorenkampfjet sich in die Lüfte erhob. Ein exzellenter Schachzug. Ketten werden rückwärts aufgelöst, dass heißt, ihre [Powerful Rebirth] aktivieren ihren Effekt zuerst. Danach erschafft sie noch eine Projektion, bevor [Gem-Knight Master Diamond] [Aerial Recharge] erst zerstören kann. Du weißt, was das heißt?   Ganz sicher war sich Anya nicht, sicher nichts Gutes. Ihr mächtiger Krieger feuerte den Blitzstrahl von seinem Schwert auf die Falle neben Claire ab. Kurz bevor er traf, schoss eine bunte Version Megaraptors rechts aus diesem, um sich neben ihm zu platzieren. Dann wurde die Falle auch schon in Fetzen gerissen. „Monstereffekt: Da eine Projektion beschworen wurde, erschafft [Mecha Phantom Beast Megaraptor] eine weitere.“ Jetzt erkannte Anya den Sinn dahinter. „Ach so! Deswegen die blöde Kette, damit sie gleich zwei bekommt.“ Eine solche, zweite Hologrammkopie des Kampfjets schoss diesmal links aus diesem, sodass sie zu dritt nebeneinander her flogen.   Mecha Phantom Beast Megaraptor [ATK/1900 → 2000 DEF/1000 → 1100 (4 → 5 → 11)] Mecha Phantom Beast-Spielmarke x2 [ATK/0 DEF/0 (3)]   Nun hat sie wieder drei Monster, aber du nur zwei im Angriffsmodus. Das ist schlecht, Anya Bauer.   „Nicht wirklich“, antwortete Anya und wich dem Krater aus, den Claires Falle hinterlassen hatte, „mit irgendwas in der Art hatte ich schon gerechnet. Sehr gut.“   Was meinst du?   „Sie hat zwar noch eine gesetzte Karte, aber ich glaube nicht, dass ich mich vor der in Acht nehmen muss.“ Anya spähte dabei auf eine Anzeige über ihrem Tacho. Einem Balken, der gerade erst zur Hälfte gefüllt war. Dann setzte sie ihre Erklärung fort. „Ist dir aufgefallen, dass sie ihre Monster mit den Spielmarken beschützt? Die sind unzerstörbar, solange sie die Projektionen hat. Damit kann sie ihr Fallenrepertoire darauf ausrichten, den Gegner zu blockieren.“   Du denkst, sie wird nicht auf deine Angriffe reagieren können?   „Finden wir's heraus!“, entgegnete die Blonde angriffslustig und streckte den Arm nach vorne. „Der muss jetzt sitzen! [Gem-Knight Master Diamond], [Gem-Knight Lady Brilliant Diamond]! Euer Ziel ist diese beschissene Blechbüchse am Himmel! Das Original!“   Was!? Wäre es nicht klüger, die Projektionen aus dem Weg zu räumen, damit sie sie nicht für ihre Zwecke nutzen kann!?   „Vertrau mir, Levrier. Ich weiß, was ich tue! Shining Wave Breaker! Brilliant Fate Severing!“ Die Hand, die sie nach vorne gerichtet hatte und um welche die violette Flamme züngelte, ging regelrecht in einem lodernden Inferno auf. Neben ihr schwang Master Diamond seine massive Klinge und schickte eine von Diamantenstaub glitzernde Schockwelle Richtung Claire, welche den Asphalt regelrecht aufriss, sodass Anya sich an den Rand der Strecke begeben musste, um nicht versehentlich zu fallen. Gleichzeitig hob Lady Brilliant Diamond ihr Schwert in die Luft und schwang es dann ebenfalls in einem Halbkreis horizontal aus, wodurch sich ein weißer Lichtbogen von ihr löste, der wie ein Bumerang herumwirbelte. Dieser rauschte ebenso über die Strecke, schneller als Diamonds Angriff, sodass er auf diesen traf und mit ihm verschmolz. Das Ergebnis war ein regelrechter Sturm, der auf die Weltmeisterin zu raste. Erwartungsvoll beobachtete Anya, was geschah. „Heh, mal sehen, was du dazu sagst, Miststück.“ Denn als der Angriff in Claire einschlug, war die Gewissheit da, dass diese ihn nicht abwehren konnte. Ihr D-Wheel wurde in die Höhe gerissen und umher gewirbelt wie in einem Tornado. Der Diamantensturm reichte bis zum Kampfjet, konnte jedoch nur ein paar Kratzer im Lack anrichten, da dieser dank seiner Projektionen vor Zerstörung geschützt war. Anders als Claire, die immer noch in der Luft hing.   [Anya: 400LP / Claire: 2800LP → 1500LP → 100LP]   „Heh, das geschieht dir recht“, zischte Anya boshaft, während sie der Weltmeisterin unaufhaltsam näher kam. Der Sturm löste sich prompt auf, sodass Claire mit ihrem D-Wheel in die Tiefe fiel. Allerdings konnte die ihre Landung geschickt gestalten, sodass sie nur beim Aufprall ein paar Millisekunden verlor. Was jedoch genug war, dass Anya aufgeholt hatte und direkt neben ihr fuhr. „Na, hat's wehgetan?“, fragte Anya mit grimmigem Vergnügen die Gegnerin neben ihr. Natürlich ohne mit einer Antwort zu rechnen, welche auch ausblieb. „Dann zeig mir doch mal, wie toll dein Pakt funktioniert. Das heißt -wenn- er jetzt noch funktioniert …“ Da horchte Claire auf einmal auf. „Hm?“ „Ich setze eine Karte verdeckt. Zug beendet!“ Ihre letzte Karte in den Zauberfallen-Slot steckend, versuchte Anya ihr Bestes, gleichauf mit dem anderen D-Wheel zu bleiben. Die purpur-umrahmte Karte tauchte kurz zu ihrer Linken auf, ehe sie verschwand.   <2> Anyas Pendelbereich <12 → 8>   Das klingt ja fast, als würdest du hoffen, dass sie mit einer Gegenmaßnahme auffährt!?   Levrier, der immer noch in seiner [Gem-Knight Pearl]-Form transparent neben dem Mädchen her flog, schüttelte den Kopf, als jene erwiderte: „Darauf muss ich nicht hoffen, oder? Pakt-dies, Comeback-das, richtig?“ Doch bevor es dazu kam, musste die dämliche Ziege erstmal an ihr vorbei!   Während die zwei die gerade verlaufende Strecke entlang fuhren, bemerkten sie gar nicht, dass etwas versetzt dazu eine Straße durch die Stadt verlief. Ein einsamer LKW fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit durch Ephemeria City und hielt gerade so mit den beiden Duellantinnen mit. Am Steuer saß niemand Geringeres als Exa, der fröhlich vor sich hin pfiff, während der tatsächliche Fahrzeugführer auf dem Beifahrersitz bewusstlos lag. Auf der Fahrerkabine hingegen hockte Zanthe, welcher nachdenklich zur Strecke hinauf starrte. „Gib dir bloß Mühe“, murmelte er zu Anya im Gedanken. Ihm war gar nicht wohl dabei, dass Exa den LKW 'ausgeborgt' hatte, damit sie das Duell verfolgen konnten. Ein Grund mehr, warum seine Freundin das Duell gewinnen musste, denn dann hätte sich diese Aktion wenigstens gelohnt.   Gleichzeitig zog Claire oben auf der Strecke ihre Karte. Und fuhr nebenbei langsam aber sicher an Anya vorbei, die einen entsetzten Schrei von sich gab. „Was zum Henker!?“ Aber dann begriff sie. Ihre Widersacherin hatte einen eigenen Turbo, den sie nun nutzte. Damit war sie zwar nicht so schnell wie Anya, jedoch hielt dieser vermutlich länger an und konnte schneller aufgeladen werden. Den hatte sie sich also die ganze Zeit aufgespart. „Tch!“ „Monstereffekt: [Phantom Beast Megaraptor] deaktiviert eine Projektion, damit ich ein Mecha Phantom Beast von meinem Deck erhalte“, verkündete Claire. Eines der beiden bunten Hologramme verschwand. „Ich wähle [Mecha Phantom Beast Hamstrat]. Normalbeschwörung: [Mecha Phantom Beast Hamstrat].“ Inzwischen hatte Claire es schon wieder geschafft, knapp einen Meter zwischen sich und Anya zu bringen, welche aber diesmal alles unternahm, um den Windschatten ihrer Gegnerin auszunutzen. Über der erschien ein riesiger Lufttanker, auf dessen Cockpit ein Hamstergesicht gemalt war.   Mecha Phantom Beast Hamstrat [ATK/1100 DEF/1600 (3 → 6)]   „Monstereffekt: [Mecha Phantom Beast Hamstrat] deaktiviert eine Projektion und beschwört ein Mecha Phantom Beast-Monster von meinem Friedhof.“ Unter jenem materialisierte sich plötzlich das Wandelflugzeug mit dem Pferdecockpit. „Monstereffekt: Wenn [Mecha Phantom Beast Coltwing] spezialbeschworen wird, erschafft es zwei Projektionen.“   Mecha Phantom Beast Coltwing [ATK/1600 DEF/1500 (4 → 10)] Mecha Phantom Beast-Spielmarke x2 [ATK/0 DEF/0 (3)]   „Nicht schon wieder!“, stöhnte Anya genervt auf, folgte mittlerweile wesentlich geschickter den Schlangenlinien, die ihre Feindin fuhr, um sie abzuschütteln. Dadurch war es Claire trotz des anhaltenden Boosts kaum möglich, Abstand von Anya zu gewinnen. „Monstereffekt: [Mecha Phantom Beast Coltwing] deaktiviert zwei Projektionen, um [Gem-Knight Lady Brilliant Diamond] zu verbannen.“ Die beiden Abbilder des Flugzeugs lösten sich auf, während dieser eine Kehrtwende vollzog und Anya samt ihrer Ritterin ins Visier nahm. Jene sahen sich kurz darauf breit gefächertem Sperrfeuer ausgesetzt. „Shit!“, fluchte Anya, die ihre Ritterin diesmal nicht retten konnte. Aber wenigstens sich selbst, indem sie wieder die Hand mit Heavy Ts Handschuh daran erhob und die Kugeln über sich zum Stehen brachte. Lady Brilliant Diamond hingegen konnte nicht von diesem besonderen Schutz profitieren und wurden regelrecht durchlöchert. „Sorry. Aber ich werde dich rächen, versprochen!“ Denn noch hatte sie Master Diamond und Malachite. Und ihre gesetzten Karten … Nachdem Anya die gefährliche Stelle passiert hatte, schossen die Kugeln abwärts und zertrümmerten den Asphalt hinter dem Mädchen regelrecht. Claire indes hatte längst ihre letzte Handkarte gezückt und schob diese in die Zauberfallenzone. „Schnellzauberkartenaktivierung: [Limiter Removal]. Sie verdoppelt die Angriffspunkte aller Maschinen unter meiner Kontrolle, zerstört sie jedoch zum Ende des Zuges.“ Hinter ihrem Helm klappte Anya die Kinnlade hinunter. „Willst du mich verarschen!?“ Nein, als Anya mit ansah, wie von allen drei Flugzeugen ihrer Gegnerin aus allen Ritzen Qualm aufstieg und sie rötlich vor Überhitzung zu glühen begannen.   Sie will es ein für alle Mal beenden!   Mecha Phantom Beast Megaraptor [ATK/2000 → 4000 DEF/1100 (11 → 5)] Mecha Phantom Beast Hamstrat [ATK/1100 → 2200 DEF/1600 (9 → 3)] Mecha Phantom Beast Coltwing [ATK/1600 → 3200 DEF/1500 (10 → 4)]   Anya ahnte, dass sie schnell sein musste. „Dann reagiere ich damit: Falle aktivieren, [Tri-And-Guess]!“ Jene hatte sie bereits während ihres vorletzten Zuges gesetzt, war zum Glück aber noch nicht in die Verlegenheit geraten, sie aktivieren zu müssen. „Diese Falle lässt mich eine Monsterart bestimmen, die im Extradeck zuhause ist. Danach wird verglichen, wer mehr Monster dieser Kategorie dort drinnen hat und der Gewinner erhält 3000 Lebenspunkte bar auf die Kralle.“ Während der Erklärung warf Anya einen Blick auf den Ladebalken auf dem Bildschirm, welcher inzwischen zu einem Dreiviertel gefüllt war. Dann sah sie wieder auf und sagte selbstsicher: „Niemand macht mir was bei Fusionsbeschwörungen vor, also wähle ich Fusionsmonster!“ Gleich im Anschluss tauchten drei Reihen vor ihr auf, die fast nur aus violett umrandeten Monstern bestanden. Bei Claire blieb jene Animation allerdings aus. „Huh!? Funktioniert meine Falle nicht, oder …?“ „Ich besitze kein Extradeck. Du gewinnst den Vergleich“, bekam sie eine kühle Antwort. Sie verzichtet freiwillig auf ein Extradeck!? Auf das Assmonster ihres Themas!?   Anya konnte es selbst kaum glauben. Erst als ihr Lebenspunktestand sich tatsächlich veränderte, begriff sie. Und wurde nur noch wütender. Denn das hieß im Endeffekt, dass ihre Gegnerin ein Extradeck gar nicht benötigte, warum auch, wenn sie sowieso jedes Duell nach Belieben gewinnen konnte!? „Arrogante Schnepfe!“, schimpfte sie Claire.   [Anya: 400LP → 3400LP / Claire: 100LP]   Anya Bauer, selbst mit dieser Erhöhung deiner Lebenspunkte wird es nicht genug sein, um ihren Angriff zu überstehen. Ich hoffe, du weißt, was du tust!   „Oh ja, darauf kannst du Gift nehmen. Gib mir nur etwas Zeit.“ Was Levrier sicherlich gerne getan hätte, schloss Claire dagegen kategorisch aus. „Battle Phase. Ich greife [Gem-Knight Master Diamond] mit [Mecha Phantom Beast Megaraptor] an.“ In dessen Klauen tauchten wieder zwei Raketen auf, die jener nur fallen lassen musste, damit sie von selbst ihr Ziel suchten. Anya blickte panisch auf den Ladebalken. Das dauerte zu lange, verdammt! Noch bevor ihr Ritter getroffen wurde, hob Anya die freie Hand mit dem Artefakt daran und schwang sie zur Seite aus. Master Diamond folgte der Bewegung nickend und flog über die Absperrung der Strecke hinweg, sodass die Raketen zur Verfolgung ansetzten. Damit ging sie sicher, dass die nahende Explosion sie nicht aus der Bahn warf. Und tatsächlich hatte ihr Ritter es geschafft, sich weit genug zu entfernen, bevor er getroffen wurde und unter einem Knall in einer Rauchwolke unterging.   [Anya: 3400LP → 2700LP / Claire: 100LP]   „Heh … dumme Kuh.“ Claire horchte auf und drehte sich um. Neben Anya klappte deren letzte Fallenkarte auf. „Danke, dass du Master Diamond zerstört hast“, kicherte die Blonde bitterböse, auch wenn sie insgeheim ein schlechtes Gewissen deswegen hatte. „Damit hast du die Falle ausgelöst, die deinen Untergang besiegelt: [Brilliant Spark]!“ Obwohl Anya in der Zwischenzeit den Windschatten ihrer Feindin verloren hatte, konnte diese ihren Vorsprung nicht mehr ausbauen. Scheinbar war ihr Geschwindigkeitsboost vorüber. Was hoffentlich keine Rolle mehr spielen würde. Denn wie Anya erklärte: „Damit nehme ich Rache für meinen gefallenen Freund und füge dir Schaden in Höhe seiner aufgedruckten Angriffskraft zu! Los!“ Weit von ihr entfernt, wo Master Diamond sein Ende gefunden hatte, sammelte sich in der Sonne glitzernder Diamantenstaub und formte sich zu einem spitzen Kristall, um den elektrische Ladung schlug. „Das sind 2900 Punkte! Dem kannst du nicht mehr-!“ „Konterfalle“, schnitt Claire ihr ins Wort und ließ ihrerseits die eigene, zuletzt verbliebene Fallenkarte aufspringen, „[Trap Jammer]. Dieser annulliert die Aktivierung einer Falle während der Battle Phase und zerstört sie.“ Mit offenem Mund warf Anya einen Blick über die Schulter, wo ihr Kristall zersprang, bevor er sich entladen konnte. Dann richtete sie ihr Augenmerk wieder auf Claire und beugte sich vor. „Schon wieder! Wie oft hast du dich jetzt schon durch deinen verdammten Pakt gerettet, huh!?“ Ihr Blick wanderte wieder auf den Bildschirm ihres D-Wheels, doch diesmal auf die Karte. Noch etwa zwei Kilometer gerader Strecke und eine große, U-förmige Kurve, dann kam das Ziel. Der Balken war fast voll. „Ich greife mit [Mecha Phantom Beast Hamstrat] [Gem-Knight Malachite] an.“ Der riesige Lufttanker machte, wie davor schon sein Kamerad, in der Luft eine Kehrtwende und droht auf Anya und ihr Monster herabzustürzen. Die schwang den Arm aus und befahl ihrem schimmernden Ritter, auf der Stelle zu verharren. Jener hielt prompt in der Luft an, sodass Hamstrat ihnen nicht folgen konnte. Stattdessen krachte er in die Strecke und brachte sie mit seiner Wucht zum Einsturz. „Scheiße!“, keuchte Anya über die Rücksichtslosigkeit ihrer Gegnerin. Dort unten waren Wohnhäuser! „Bist du irre!?“   Noch ein Kilometer und die verdammte Kurve. Aber der Balken … „Antworte mir!“, verlangte das Mädchen aufgebracht. „Willst du die Leute da unten umbringen!?“ „Meine Aufgabe ist es, dich zu besiegen. Mit allen Mitteln.“ Nur noch ein paar Sekunden …! „Aber du musst das nicht tun! Nicht so!“ „Mir wurde befohlen, dich mit all meiner Macht aufzuhalten. Also tue ich das. Ich greife …“ Voll! Anya drückte den Knopf, der ihr D-Wheel sprechen ließ. „Autopilot off. Switching to Manual Mode.“ Und das Mädchen gab Gas. Wieder schoben sich die beiden zylindrischen Vorrichtungen an der Rückseite ihres D-Wheels über dessen Hinterrad hervor und begannen blau zu glühen. Die Wucht der Beschleunigung riss das Mädchen fast vom Motorrad. Claire war noch dabei, ihren finalen Angriff zu befehlen, da zischte Anya auf sie zu. Und lenkte in ihre Richtung. Ehe die Weltmeisterin sich versah, wurde sie gerammt und an den Rand der Strecke gedrängt. „Du wirst mich nicht kriegen, elende Betrügerin!“, schnauzte Anya sie dabei an und schob sie immer mehr beiseite, bremste sie aus. „Nicht du!“ Als Claire drohte, gegen die Absperrung zu knallen, musste sie notgedrungen bremsen. Der Überraschungseffekt verhalf Anya dabei, die Führung zu übernehmen. Die Kurve war bereits nahe! „Direkter Angriff von [Mecha Phantom Beast Coltwing]“, sprach Claire trotz allem tonlos. Jenes Wandelflugzeug setzte zur Verfolgung an und eröffnete das Sperrfeuer, das den Asphalt hinter Anya aufplatzen ließ. Jene wusste, dass sie es nicht rechtzeitig schaffen würde. Zwar war das Ziel bereits kurz hinter der Kurve, aber um diese zu nehmen und die Linie zu überqueren würde mindestens zehn Sekunden kosten. So viel Zeit hatte sie nicht mehr. Es sei denn … Das Mädchen drehte sich um und erhob die Hand mit dem Artefakthandschuh daran. Solange sie nicht getroffen wurde, galt der direkte Treffer nicht. Und ehe das System die Sachlage korrekt ausgewertet hatte …   Ein Blitz. Anya sah es noch aus den Augenwinkeln auf sich zukommen, dieses riesige Etwas, das einem Blitz glich und doch so viel mehr war als das. Obwohl es sie nur streifte, reichte das schon aus, um absolutes Chaos auszulösen. Dann der Einschlag, die Erschütterung. Es schepperte lautstark und das Mädchen fühlte sich, als würde sich ihr Körper von der Welt loslösen. Ohne es zu wollen richtete sich ihr Blick gen Himmel, der erst näher kam, dann sich aber immer schneller entfernte.   [Anya: 2700LP → 0LP / Claire: 100LP]   Zusammen mit ihrem D-Wheel fiel sie im hohen Bogen von der Strecke, der Asphalt war aufgekratzt und verschmort von einer inzwischen unsichtbaren Kraft. Zur selben Zeit befand sich der LKW, den Zanthe und Exa gekidnappt hatten, noch in der letzten Kurve, doch auch so hatte der Werwolf den entsetzten Schrei des Mädchens und den schrecklichen Knall gehört. Sowie er auch gesehen hatte, was sie dort getroffen hatte. Ein riesiges, vierbeiniges Wesen. Doch so weit oben hatte er nicht alles sehen können und so schnell wie es gekommen war, war es auch wieder verschwunden. Der junge Mann beugte sich herunter zur Tür der Fahrerkabine und klopfte dagegen. Exa senkte die Fensterscheibe per Knopfdruck. „Das macht echt Spaß.“ „Hör zu, meine Freundin ist in irgendwas reingekracht. Bringt du das hier in Ordnung“, verlangte Zanthe kopfüber und nickte dem bewusstlosen Fahrer zu. „Ich knöpf mir Claire vor, bevor die noch abhaut.“ „Und deine Freundin?“ „Die ist hart im Nehmen.“   Was Zanthe jedoch nicht hatte sehen können ist, wie jene von der Strecke gerammt worden war. Anya fiel und sah noch, wie Claire an den Rand der Strecke fuhr, wo die gläserne Absperrung aufgebrochen war . Dann der Aufprall. Aber er war nicht hart, sondern fast schon sanft. „Was?“, stieß das Mädchen hervor. Sie sah nach unten, befand sich noch mitten auf dem Weg hinab, direkt zu einer kleinen Müllhalde im Schatten der Strecke. Moment, sie schwebte hinab!? Doch statt sich Gedanken darüber zu machen, wurde sie von dem an ihr vorbei sausenden D-Wheel abgelenkt. Sie sah das Unglück, sah, wie es neben der Müllhalde auf der Straße unter der Riding Duel-Strecke aufschlug und in aberdutzende Einzelteile zerbarst. „Nein!“, schrie das Mädchen zutiefst erschrocken.   Dann folgte ein Ruck, sie kam auf dem Boden an. Oder besser gesagt derjenige, der sie in seinen Armen trug und von dem Anya erst jetzt wirklich Notiz nahm. Sie starrte geradewegs den Helm Ricthers an. Anya öffnete den Mund, reagierte dann aber prompt und versetzte dem Undying mit beiden Händen einen Stoß, sodass der sie gezwungenermaßen losließ. Umzingelt von mannshohen Schrotthaufen wich Anya ein paar Schritte zurück und bemerkte erst jetzt, dass ihr Helm beim Aufprall ebenfalls verloren gegangen war. „Hast du“, sprach sie fassungslos, „hast du mich gerade gerettet!? Du!?“ „Du bist darauf hineingefallen. Nicht Claire Rosenburg allein ist die Hüterin, sondern ebenso ihr Manager. Sie war nichts als ein Köder.“ Warum sagte er ihr das!? Wieso hatte er nicht zugelassen, dass sie in den Tod stürzte!? Sie, seine Feindin!? „Ich bin eine Feindin der ewigen Ordnung“, stammelte Anya fast schon hysterisch, denn sie konnte und wollte es nicht begreifen, „warum erzählst du mir das?“ „Es ist ohnehin nicht mehr von Belang.“ Er richtete sein Haupt nach oben, Anya folgte dem Blick und sah Claire dort oben. „Ich habe mich entschieden. Das Urteil wird vollstreckt. Doch nicht gegen dich, Anya Bauer.“ Verwirrt wirbelte sie zu ihm herum. „Was?“ Der Hüne Ricther stand dort in seiner silber-goldenen Rüstung und betrachtete sie still. Dann sah er vorbei an ihr, nur für einen kurzen Moment. Wieder folgte sie seinem Blick, welcher nun auf dem D-Wheel lag, welches mitten auf der Straße lag in all seiner Zerstörung. „Oh shit, mein Deck! Oh shit, oh shit, Logan!“   Und als sie sich dem Undying wieder zu wandte, war dieser fort. Anya blinzelte noch einmal, dann machte es Klick. Sie musste ihr Deck dort rausholen, ehe das Ding noch hochging! Sofort wirbelte das Mädchen herum und stürmte auf den Maschendrahtzaun zu, welcher den kleinen Schrottplatz von der Straße trennte und kraxelte geschickt über diesen hinüber. Mit einem Satz landete sie auf dem Bürgersteig und eilte zu den Trümmern des D-Wheels, um zunächst die verstreuten Karten aufzulesen. Zum Glück war keine davon beschädigt oder mit Öl beschmiert, welches auslief. Im Gegensatz zu Logans D-Pad. „Shit“, fluchte sie wieder und nahm einen Schritt zurück, um das grauenhafte Bild noch einmal zu erfassen. Der Zwerg würde sie umbringen. Gefährlich langsam drehte Anya den Kopf und blickte hinauf zu der Stelle, von der sie hinab gestürzt war. Claire beobachtete das Geschehen immer noch, war inzwischen abgestiegen. Und Anya entschied, dass bevor -sie- umgebracht wurde, noch jemand vor ihr das Vergnügen haben würde, dem Tod ins Auge zu sehen. „Diesmal klappt es“, knurrte sie und wirbelte einmal um die eigene Achse. In der Bewegung erschien Angel Wing in seiner Speerform in ihrer rechten Hand. Anya hob die Waffe schräg an und schleuderte sie mit einem Schrei in Claires Richtung. Der Speer zischte durch die Luft und anstatt an Auftrieb zu verlieren, schoss aus dem Ende seines Schafts plötzlich weißes Feuer und verlieh ihm noch mehr Schwung. Claire sah die Waffe zielgenau auf sich zufliegen und wich mit einem Rückwärtsschritt zurück, sodass jene sie knapp verfehlte. Doch ehe sie sich versah, ging ein Schatten über ihr auf Konfrontationskurs. Anya hing an Angel Wing und holte mit dem Stiefel aus. „Ah!“ Von dem unerwarteten Auftauchen ihrer Gegnerin überrascht, konnte Claire den Tritt nicht mehr abwehren und wurde zurückgeschleudert, wobei es nur ihrem hellblauen Helm zu verdanken war, dass sie vergleichsweise unverletzt blieb. Anya landete vor ihr in geduckter Haltung, während die Weltmeisterin zurück torkelte. Dabei beließ es Livingtons Terrormaschine #1 aber nicht, sie wirbelte wieder um die eigene Achse und stach mit dem Speer in Claires Richtung. Die holte mit der Hand aus, in welcher keine Sekunde später eine lange, gezackte Klinge erschien und parierte den Angriff. Zumindest einen davon, denn Anya setzte ohne Zeit zu verlieren nach, wirbelte und schlug diesmal wie mit einer Stabwaffe zu. Mühelos duckte sich Claire unter dem Angriff hinweg, doch Anya wusste auch ihre Füße weiterhin einzusetzen und verpasste ihr einen Aufwärtstritt, der ihre Feindin zurückwarf. Einen Hieb später wurde diese entwaffnet und hatte die Speerspitze gegen ihren Hals gerichtet. „Wow, in einem richtigen Kampf bist du gar nicht so tough, was?“, schnarrte Anya etwas außer Atem. Die Waffe in ihrer Hand bebte förmlich. Mit der freien Hand zeigte sie zu der aufgerissenen Stelle der Absperrung. „Erstens: Du wirst dafür aufkommen und sämtliche Schuld auf dich nehmen, kapische?“ Ihre Gegnerin hob zwar die Hände, antwortete jedoch nicht auf die Forderung. „Zweitens: Du wirst mir dein Hüterartefakt geben. Mir egal wie, aber-“ „Das ist nicht möglich.“ „Huh!?“ Anya wich gerade noch rechtzeitig aus, als an ihr die gezackte Klinge vorbeiflog. Und da stand er vor ihr, wie aus dem Nichts. Dieser bärtige Rotschopf mit der Narbe, Nigel McPherson. Der Dämon! In dessen rechter Hand tauchte das Zackenschwert auf. Da fiel Anya auf, dass Claires Waffe immer noch etwas abseits der Drei am Boden lag. Zwillingsschwerter … das also hatte Ricther gemeint! „Entschuldige, dass ich das Duell so abrupt beenden musste.“ „Du warst das!?“, schnauzte Anya ihn gleich darauf an. „Ich musste sicherstellen, dass das Artefakt in unserem Besitz bleibt. Deine Kraft, sie zu sammeln, ist unnatürlich.“ Nigel ließ die Klinge verschwinden. „Du solltest sie nicht besitzen. Deswegen musste ich Claire anweisen, dich zu eliminieren.“   „Aber so ein riesiges Monstrum am helllichten Tag zu beschwören ist a-o-kay oder was?“ Anya wirbelte herum. Zanthe hockte gebeugt auf der Panzerglas-Absperrung zu ihrer Rechten und verschränkte die Arme auf den Knien. „Ich hab's gesehen. Kurz, aber es hat gereicht um zu wissen, dass Anya gewonnen hätte, wenn du dich nicht eingemischt hättest.“ Das gesagt, erhob er sich und landete mit einem Satz neben dem Mädchen. „Und was war das? Ich habe zwar nicht alles verstanden, während ich euch gefolgt bin, aber das mit dem Pakt klingt doch reichlich interessant.“ Levrier erschien auf der anderen Seite neben Anya. Welche da Nigel murmeln hörte: „Wie kann er …? Interessant.“   Leider muss ich euch beide enttäuschen. Ich habe die Geschwindigkeit des Angriffs berechnet und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass er Anya Bauer vor dem Überqueren der Ziellinie getroffen hätte.   Der Kopftuchträger zuckte mit den Schultern. „Spielt das eine Rolle? Er hat trotzdem geschummelt.“ Was Anya sofort benickte. „Yeah. Und jetzt gebt mir, was ich will.“ „Nicht jetzt.“ Nigel griff in die Innentasche seines schwarzen Sakkos und warf einen kleinen Gegenstand in Anyas Richtung. Welchen Zanthe vor ihrer Nase zwischen den Fingern auffing. Es war eine Visitenkarte. Der Dämon erklärte: „Ich wohne etwas abseits von Ephemeria City. Das ist die Adresse. Trefft mich heute Abend, dann sehen wir weiter.“ Im Hintergrund erklang unterstreichend Sirenengeheul. Derweil zückte Nigel noch etwas aus der Innentasche hervor. Einen USB-Stick. „Das hier jedoch bekommt ihr nicht zurück.“ Und zerbrach jenen in seiner Faust, bis er wortwörtlich zwischen seinen Fingern davon bröselte. „Was war das?“, wollte Anya wissen. „Dein Freund hat das Duell aufgezeichnet. Ich kann nicht dulden, dass solches Material Claires Karriere gefährdet. Selbst wenn die Anschuldigungen noch so haltlos sind.“ Der Mann senkte sein Haupt und blickte gefährlich funkelnd zu Anya herüber. „Also musste ich es deinem Freund abnehmen.“ Die Blonde weitete die Augen. „Logan? Was hast-“ Ihr Gegenüber hob die Hand. „Heute Abend. Wir erwarten euch.“ Keine Sekunde später flimmerte die ganze Umgebung um ihn und die still verharrende Weltmeisterin. Die Konturen der beiden vermischten sich mit dem Grau des Asphalts und wurden von jenem binnen eines Herzschlags verschlungen, bis nichts mehr von ihnen übrig blieb. Erst dann ließ der optische Effekt nach. Selbst Claires D-Wheel war fort.   „Was war das?“, murrte Zanthe. „Eine Kriegserklärung? Etwas spät, findest du nicht?“ Doch Anya rannte ihm glatt davon. „Shit, wir müssen zu Logan!“ Der Werwolf fasste sich an die Stirn. „Oh man, kaum ist ihr Lover in Gefahr, lässt sie alles stehen und liegen. Wer hätte das gedacht?“ Augenrollend machte er sich daran, ihr zu folgen.   ~-~-~   Bereits völlig außer Atem rannte Anya das letzte Stück der Strecke entlang Richtung der Boxen. Dort vorne sah sie die Ecke, von der das Duell überwacht wurde. Und Logan … Sie weitete die Augen. Regungslos lag er mit Kopf und Oberkörper auf dem Pult, drohte in seiner Haltung jeden Moment vom Stuhl zu rutschen. Ein dünnes Rinnsal Blut lief vom Tresen hinab. „Nein!“, stieß das Mädchen einen entsetzten Schrei aus. Und auch Zanthe, welcher nicht ansatzweise so erschöpft war wie Anya, riss den Mund auf. „Scheiße.“   Das Blut pumpte in Anyas Wesen, das Adrenalin verlieh ihr neue Energie, sodass sie die letzten fünfzig Meter wie im Fluge nahm und zu Logan eilte. „Hey“, flüsterte sie und streckte vorsichtig ihre Hand nach ihm aus, zog sie jedoch sofort wieder weg, „du … du bist doch nicht tot, oder?“ Keine Antwort. Zanthe war inzwischen an ihre Seite geeilt. „Ich kann ihn nicht atmen hören!“ Diesmal griff Anya beherzt zu und richtete den Mann vorsichtig auf, indem sie die eine Hand auf seine Brust legte und mit der anderen seinen Hals festhielt. Das Blut stammte aus einer Platzwunde an seiner Stirn. „I-ich spüre aber sein Herz schlagen“, stammelte Anya sich an Zanthe gewandt. „Atmet er?“, stellte Zanthe hektisch seine eigene Feststellung infrage. Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Dann müssen wir uns beeilen, wer weiß, wie lange er schon in diesem Zustand ist.“ „Was soll ich tun!?“ „Leg ihn flach auf den Rücken“, wies Zanthe sie an. Panisch nickte Anya und zog den erstaunlich schweren Mann vom Stuhl. Als er vor ihr lag, mit geschlossenen Augen, spürte das Mädchen eine unangenehme Hitze in sich aufsteigen. „Kopf zurückbiegen. Pass auf, dass seine Zunge nicht im Weg ist.“ „Im Weg von was?“, stotterte Anya, während sie versuchte, Logans Kopf in den Nacken zu legen. „Mund-zu-Mund-Beatmung. Was denkst du, was wir hier machen!?“ Anyas innere Hitze verwandelte sich in eine Supernova. „Was!?“ „Willst du -jetzt- mit so was anfangen!? Die schüchterne Schlägerbraut kannst du danach noch-!“ „Wach auf, du elender Volltrottel!“, kreischte die ganz und gar schüchterne Schlägerbraut und rammte ihren Ellbogen dermaßen in Logans Brustkorb, dass dieser schreiend nach oben schnellte und sich keuchend die wunde Stelle hielt.   In einer Mischung aus Ehrfurcht und Angst betrachtete Zanthe die beiden. „… was war das?“ „Ja“, fauchte Anya wütend, „was war das!? Wir dachten, du wärst tot!“ „Schrei nicht so“, brummte Logan allerdings wenig begeistert von der Anwesenheit der Blonden und hielt sich die blutende Stelle. „Ich glaube, du hast mir 'ne Rippe gebrochen.“ „Du wurdest niedergeschlagen“, fasste Zanthe die Situation trocken zusammen, „und deine Atmung hatte ausgesetzt. Als die arme Anya dich beatmen sollte, hat sie kurzerhand entschieden, dich stattdessen umzubringen.“ Knallrot im Gesicht fauchte die: „Das stimmt doch gar nicht! Ich wollte das Ganze nur etwas abkürzen!“ Der grimmig dreinblickende Zwerg rieb sich wortlos über den Brustkorb. „Jedenfalls sind wir froh, dass es dir den Umständen entsprechend gut geht. Das hätte auch anders ausgehen können. Aber Nigel hat nur den USB-Stick geklaut“, erklärte Zanthe weiter. Dann huschte ein bitterböses Grinsen über sein Gesicht. „Oh, und Anya hat dein D-Wheel geschrottet.“   Binnen eines Herzschlags wechselte die Körperfarbe der Blonden von rot zu weiß, besonders, als Logan schleichend langsam den Kopf in ihre Richtung drehte. „I-ich kann das erklären“, stammelte sie, die immer noch neben ihm kniete. „Ist mir egal.“ Anya verschlug es die Sprache. Jetzt hatte sie es wohl endgültig geschafft, ihn zu vergraulen. „Es ist nicht ihre Schuld“, versuchte Zanthe schlechten Gewissens zu schlichten. „Nigel hat sie mit einem Fahrzeug von der Strecke gerammt. Um ein Haar wäre sie in den Tod gestürzt, wenn-“ „Egal.“ Keinen der beiden ansehend, stützte sich der Mann mit einer Hand auf seinem Knie ab und erhob sich langsam. Hastig tat Anya es ihm gleich. „E-es tut mir leid, ich-“ „Wo ist es?“ „In der Nähe von diesem kleinen Schrottplatz vor der letzten Kurve“, antwortete Zanthe für seine Freundin. Logan warf einen Seitenblick auf die immer kleiner werdende Anya. „Bringt mich dorthin.“ „Für den Schaden werde ich aufkommen. Versprochen!“ „Nein.“ Panisch sah sie zu Zanthe, welcher aber auch nur ratlos mit den Schultern zuckte. Der Mann mit den buschigen Koteletten drehte sich dem Mädchen zu und packte es an den Schultern. „Rosenburg und ihr Manager werden dafür aufkommen. Ich werde sie in die Besinnungslosigkeit klagen!“ Die Miene der Blonden hellte sich auf. „D-du bist nicht böse.“ „Wir müssen diesen Verbrechern das Handwerk legen. Hier sind Kameras, mit denen wir beweisen, dass Nigel mich angegriffen hat, um zu vertuschen, dass sein Schützling irgendwie betrügt.“ Zanthe derweil drehte den Kopf zur Wand der halboffenen Box. „Du meinst diese Kamera?“ „Das Ding hat alles aufgezeichnet. Wie er mich angegriffen hat“, knurrte der Mann zornig. „Hmm.“ Zanthe verschränkte die Arme voreinander. „Hoffen wir's. Unabhängig davon wette ich, die Schuld für die Schäden an der Riding Duel-Strecke wird er Anya irgendwie zuschieben wollen. Denn das können die Aufzeichnungen nicht eindeutig widerlegen.“ „Was!?“, kreischte Anya dazwischen. „Bringt mich zum D-Wheel“, verlangte Logan plötzlich. „Aber vorher ziehst du den Motorradanzug aus.“ „Was!?“ Anya wich von ihm zurück. „Spinnst du!?“ „Hast doch was drunter.“ „S-schon, aber was soll das alles!?“ Logan starrte sie finster an. „Siehst du dann.“ Die beiden Freunde tauschten einen verwirrten Blick aus, ehe sie mangels einer Erklärung für seine Forderung einander zunickten.   Zehn Minuten später näherten sich die Drei der Stelle, an der das schwarze, demolierte D-Wheel lag. Inzwischen umzingelt von einem Polizeiwagen und zwei Beamten, die gerade dabei waren, die entstandenen Schäden aufnehmen. Oberhalb davon, wo sich die Riding Duel-Strecke befand, stand ebenfalls ein Polizeiwagen. Das Loch in der Absperrung war mit gelb-schwarzem Absperrband abgeriegelt worden. „Also“, brummte Logan. Anyas Motorradanzug hing dabei über seinem Oberarm. Das Mädchen ihrerseits steckte inzwischen in zerschlissenen Jeans, einem schwarzen Shirt, mit Logans brauner Lederjacke darüber. „Werd' sagen, dass ich gefahren bin.“ „Was!?“, fielen sowohl Anya, als auch Zanthe zu seiner Linken aus allen Wolken. „Bist du irre!? Das glaubt dir doch kein Schwein!“ „Wir haben dieselbe Größe, etwa denselben Körperbau. Unter dem Ding hier würde man uns schwer auseinander halten können.“ Zur Verdeutlichung hob Logan den Anzug an. „Außerdem ist das D-Wheel auf meinen Namen gemeldet.“ Zanthe klatschte seine linke Hand gegen die Stirn. „Ist dir klar, was das bedeutet? Der entstandene Sachschaden ist beträchtlich. Ich wette, du wirst dir nicht mal die Kaution leisten können.“ Logan aber schritt voran und winkte dabei ab. „Dazu gehören immer zwei, vergesst das nicht. Bis später.“ Völlig erstarrt sah Anya ihm hinterher, wie er sich den Polizisten näherte. „Der ist doch völlig balla balla“, staunte Zanthe und drehte sich ihr zu, „was haste mit dem gemacht?“ „Nichts. Das ist ja das Problem.“ „Yeah.“ Schlagartig wechselte der Gesichtsausdruck des Werwolfs von einem faszinierten zu einem düsteren, fast schon feindlichen. „Der Kerl ist eindeutig zu nett. So viel Nachsehen hat doch kein normaler Mensch.“ Gleichzeitig drehte sich Logan noch einmal zu ihnen um. „Ach ja: Sieh zu, dass du mich so schnell wie möglich aus dem Kittchen holst, verstanden? Auf deine Kosten, versteht sich.“ Anya, die Zanthes Kommentar dadurch überhört hatte, nickte heftig. „Wird erledigt!“ Dann sprach der Mechatroniker die Beamten an. „Oh natürlich, wie konnte ich deine selektive Wahrnehmung bloß vergessen“, zischte Zanthe beleidigt. „Was?“, fragte Anya, die selbst das nicht wirklich mitbekommen hatte. Der Kopftuchträger aber winkte schicksalsergeben ab. „Nichts. Was jetzt?“ „Na was wohl? Wir nehmen uns das nächste Taxi, gehen auf unser Zimmer und bereiten uns vor“, erwiderte sie und mit jedem Wort wurde ihre Mimik bedrohlicher, „schließlich wurden wir eingeladen. Und es wäre doch wirklich unhöflich, uns unseren Gastgebern nicht von unserer allerschlimmsten Seite zu präsentieren.“ Zanthe sah herüber zu Logan, welcher gerade von einem Beamten abgeführt und mit Nachdruck in den Wagen geschoben wurde. „Wenn du meinst …“     Turn 81 – Each Of Their Battles (1) Anya und Zanthe treffen Vorbereitungen, um sich Nigel und Claire zu stellen. Doch eine unerwartet kommende Aufforderung ändert Anyas Pläne kurzfristig, sodass Zanthe sich alleine auf den Weg macht. Zeitgleich kommt es auch anderenorts zu interessanten Begegnungen … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)