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Yu-Gi-Oh! The Last Asylum

von

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Turn 43 - Reunion

Turn 43 – Reunion

 

 

„Hier arbeitest du also?“

„Ja! Und das musst du mir nicht dauernd unter die Nase reiben!“, fauchte Anya Zanthe an. „Warum bist du überhaupt hier? Hast du nichts anderes zu tun, als mir an der Arschbacke zu kleben!?“

„Nicht wirklich“, entgegnete er trocken, „leider, wie ich anmerken möchte.“

„Geh meinetwegen die Stadt erkunden, oder so!“, schlug Anya ihm in der Hoffnung vor, ihn loszuwerden.

Aber Zanthe zuckte nur unbedarft mit den Schultern.

Während sie damit beschäftigt war, die neuesten Boosterpäckchen und Promotion-Artikel in das Regal vor sich einzuräumen, stand der Kopftuchträger mit verschränkten Armen hinter ihr und schaute mäßig interessiert zu. „Hmm … vielleicht später.“

 

Anyas turbulentes Wochenende war inzwischen vorbei, sodass es wieder hieß: malochen, Kunden verschrecken und sich bis zum Erbrechen langweilen. Zumindest ging es Nick einigermaßen gut, er war sogar schon wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden. Trotzdem zierten seinen Oberkörper jetzt unschöne Narben, die er selbst allerdings als ziemlich, Zitat, 'abgefahren' empfand. Über das, was er erlebt hatte, verlor er seither kaum ein Wort, aber Anya wusste, dass es mit der Kuttentrulla zusammenhängen musste – Kali. Ihre neueste Feindin, hurra!

Eine Anya Bauer ließ sich von so etwas aber nicht die schlechte Laune verderben, das Thema würde sich sicher früh genug klären. Dann gab's für die kaputte Krone die passende Antwort in Form von Knochenbrüchen, entsprechend der Zahl an Scherben, die jetzt auf ihrem Schreibtisch lagen! Diese Kali sollte es sich nur trauen, sie noch einmal zu beklauen! Und Nick? Der war selber schuld daran, so zugerichtet worden zu sein, immerhin hatte sie ihn nicht um seine Hilfe gebeten! Glücklicher Bastard aber auch, der konnte fein zuhause hocken, sich betüddeln lassen und sie musste schuften!

Undankbar wie Anya war, ahnte sie in ihrem inneren Monolog nicht, wie viele sie eigentlich um ihren Job beneideten. Zu denen gehörte Zanthe allerdings nicht.

 

„Kaum zu glauben, dass du dich für so etwas erniedrigst“, palaverte er daher und betrachtete dabei skeptisch Anyas Hinterteil, als diese sich bückte, „dich hätte ich mir eher vor einem Club vorgestellt. Als Rausschmeißerin. Und übrigens, an deinem Arsch möchte ich nicht kleben, der ist viel zu flach.“

„Das hab ich probiert“, murmelte die beschäftigte Blondine und überhörte gnädigerweise seine Beleidigung. Was sie allerdings sämtliche Überwindungskräfte kostete, die sie aufbringen konnte. Aber auch nur, weil Mr. Palmer sie rausschmeißen würde, wenn sie -nochmal- jemanden in seinem Laden vermöbelte. „Die haben mich sofort abgewiesen, die Schweine!“

„Hatten wohl Angst, dass du gar keinen reinlässt!“, stichelte Zanthe.

Sofort richtete Anya sich auf, wirbelte zu ihm herum und streckte stolz die Brust hervor. „Darauf kannst du Gift nehmen, ich hätte den Laden sauber gehalten!“

 

Die Türglocke klingelte. Beide sahen herüber, wie die gläsernen Türen sich automatisch aufschoben und ein Kunde den Laden betrat.

„Oh mein Gott“, stammelte Zanthe und begann wie ein Mädchen zu kichern, „schau dir den an! Das ist ja ein Zwerg!“

„Nein“, murmelte Anya. In ihren Augen stand mit einem Schlag feuriger Eifer, „das ist mein Trinkgeld!“

So schnell konnte der Werwolf gar nicht gucken, da hatte sich Anya an ihm vorbei gedrängt und steuerte geradewegs den Mann an, welcher nicht eher gehen würde, bis er ein paar tausend Dollar hiergelassen hatte.
 

Nanu? Das letzte Mal, dass ich dich so engagiert gesehen hab, war, als du versucht hast, Valerie Redfield eine Brustverkleinerung ans Herz zu legen. Und das ist Monate her.

 

„Schnauze, Levrier“, bellte sie in ihrem Fast-schon-Sprint, „wenn ich den Kackjob behalten will, muss ich was verkaufen! Mr. Palmer ist nicht gerade gut auf mich zu sprechen …“
 

Warum nur? Nun denn, viel Erfolg. Versuche bitte auf Beleidigungen zu verzichten.

 

„Kann nix versprechen!“

Schließlich hatte sie das Zielobjekt erreicht und versperrte ihm, wie jeder schlechte Verkäufer, dreist den Weg.

„Hallo“, versuchte sie es mit künstlich hoher Stimme und schleimigen, schiefen Lächeln, „kann ich Ihnen helfen?“

Der Mann, vielleicht Anfang bis Mitte 30, sah sie verständnislos an. Anya musterte ihn. Schwarzes, kurzes Haar, buschige Koteletten bis zum Kinn, generell ein kantiges Gesicht. An irgendjemanden erinnerte er sie, aber sie kam nicht drauf. Aber was hatte der Flohzirkus an seiner Größe auszusetzen? Der war doch genauso groß wie sie!

Leider lebte Anya diesbezüglich in ihrer ganz eigenen, 'kleinen' Welt und blendete daher gerne mal aus, dass sie mit ihren knapp 160 Zentimetern Körpergröße schon als Mädchen am unteren Durchschnitt nagte. Zwar glich sie das locker mit ihrem Ego aus, welches sie zuweilen durch die Decke schießen ließ, aber andere Menschen hatten am Ende doch eine andere Wahrnehmung des Ganzen. Kurzum: er war tatsächlich für einen Mann sehr klein. Kräftig gebaut, aber ein Zwerg.

Anya blickte ihn, unter ihrer fadenscheinigen Version von Toleranz, hoffnungsvoll an. Seine braunen Augen waren kurz auf sie gerichtet … dann ging er stumm an ihr vorbei und sah sich weiter um.

 

Er hat dich stehen lassen, Anya Bauer. Versuch bitte nicht, ihn zu töten. Vielleicht will er erst-

 

Aber Levriers Versuche, das drohende Unheil abzuwenden, waren ultimativ zum Scheitern verurteilt. Wie ein Tornado wirbelte Anya herum. Der Kunde lief einfach weiter, sah sich dabei nach links und rechts um.

„Hey!“, schrie sie ihm hinterher. „Ich hab dir 'ne Frage gestellt, verdammt!“

Keine Reaktion. Die Adern in Anyas Augäpfeln traten rot hervor.

„Wenn du die Kinderabteilung suchst, in deiner Größe verkaufen wir nichts! Probier's mal bei MyBaby im Obergeschoss!“

Er blieb stehen. Drehte sich um. Ruhig, aber unterschwellig provokativ antwortete er: „Du nervst. Siehst du nicht, dass ich mich erst einmal umsehen will?“

„Was war das, Erdwurm!? -Ich- nerve!?“

Anya wollte noch ein paar andere Beleidigungen hinterher schmeißen, da wurde sie von Zanthe zur Seite gestoßen. Der drängelte sich vor und setzte sein schönstes Zahnpastalächeln auf, während es hinter ihm laut rumpelte.

„Bitte verzeihen Sie meiner Kollegin, sie ist noch neu hier“, strahlte er über beide Backen, „ich muss sie erst noch einarbeiten. Sehen Sie sich ruhig um und wenn Sie Hilfe brauchen, melden Sie sich einfach. Ich helfe Ihnen gerne.“

 

Die Blondine, welche mit dem Hinterteil in den Einkaufskörben lag, weitete die Augen. Was sollte das denn jetzt!?

Allerdings schien der Kunde auch von Zanthe nicht sonderlich angetan zu sein, wie sein abschätziger Blick verriet. „Danke für das Angebot, aber wenn ich's recht bedenke … eher nicht. Gibt sicher noch woanders das, was ich suche.“

Damit zog er ohne weitere Worte an Zanthe vorbei. Doch bevor er das Geschäft verließ, als er Anya passierte, warf er ihr noch einen undeutbaren Blick zu. Dann schloss sich die Tür und beide standen beziehungsweise saßen da in ihrem Leid.

„Er hat mich abgewiesen“, murmelte Zanthe zutiefst in seinem Stolz getroffen. Sich zu Anya umdrehend, funkelte er sie böse an. „Das wäre sicher nicht passiert, wenn du es nicht versaut hättest!“

„Was geht dich das an!? Seit wann bist du hier überhaupt der Verkäufer!?“

„Entschuldige bitte, dass ich das Elend nicht ertragen konnte und dir helfen wollte! Beschwer' dich beim Erdnuckel, wenn du ein Problem hast!“ Zanthe fasste sich nachdenklich ans Kinn. „Aber der kommt bestimmt nicht wieder.“

Anya erhob sich langsam und klopfte sich das Hinterteil ab. „Tch, alles nur wegen dir!“

 

Dass er euch beide jetzt für Spinner hält, war nur zu offensichtlich. Ich würde hier auch nicht einkaufen wollen, wenn zwei Kollegen sich vor meinen Augen mit körperlichem Aufwand um einen Kunden streiten.

 

„Hmpf!“, schnaubte Anya lediglich, die so gar nicht einsehen wollte, was sie denn jetzt wieder falsch gemacht hatte.

Gerade wollte sie sich wieder an die Arbeit machen, da hallte es aus dem Lager hinter dem Tresen: „Bauer! Was hast du jetzt schon wieder angestellt!? Sag bloß, das war ein Testkäufer!?“

Das Mädchen wurde mit einem Schlag leichenblass. „Oh shit …“

Zanthe klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter, als sie im Schneckentempo an ihm vorbei schlurfte. „Kopf hoch, beim nächsten Job wird alles besser.“

„Geht doch alle sterben!“

 

~-~-~

 

Wegen all dem Ärger hätte Anya es fast vergessen! Heute war doch -der- Tag! Der beste seit Wochen, nein Monaten! Wie gut, dass Mr. Palmer noch einmal davon abgesehen hatte, sie zu feuern. Allerdings hatte er dafür jetzt ausgerechnet Zanthe spontan als eine Art Aushilfe eingestellt, da ihm seine Attitüde deutlich besser gefiel als Anyas …

Was wohl deutlich zeigte, wie verzweifelt der Mann sein musste. Anya aber war es egal, dann konnte der Flohzirkus wenigstens die ganze Drecksarbeit erledigen, die für sie bestimmt war.

 

Zusammen saß sie mit Zanthe auf dem Rücksitz des Wagens, den Nick sich von seinem Vater geliehen hatte. Geliehen wie in: 'Ich schnappe ihn mir heimlich, obwohl ich mich wegen meinen Verletzungen keinen Stress aussetzen sollte' sowie 'Dad wird schon nicht mitbekommen, dass ich sein Ein und Alles zu einer kleinen Spazierfahrt mitnehme'. Der Harper-Bursche war es auch, der am Steuer saß. Und das Ziel lautete: Livington Airport.

„Und wer ist diese Abby?“, hakte Zanthe nach.

„Meine beste Freundin, mehr nicht. Sie studiert im Moment in England, aber kommt für ein paar Tage zu Besuch.“ Anya tat zwar so, als wäre das alles nicht weiter wichtig, doch sie konnte niemandem etwas vormachen. Sie freute sich riesig darauf, Abby endlich wiederzusehen.

Nick, der gerade in eine Straße einbog, fügte hinzu: „Sie kommt, weil Valerie sie zu ihrer Hochzeit eingeladen hat. Und sie ist eine der Brautjungfern, wie ich gehört habe.“

„Huh? Ich dachte Caroline Mayfield ist die Brautjungfer!?“

„Anya, man kann mehr als eine haben“, belehrte Zanthe sie altklug, „auch wenn du wohl nie in den Genuss kommen wirst. Hat man heute ja gesehen, warum.“

„Pah, das weiß ich selbst!“, schnaubte das Mädchen und verschränkte die Arme. „Ich will sowieso nie heiraten, das ist nur was für Spießer! Abby hat aber abgelehnt, hat sie mir erst neulich am Telefon erzählt.“

Überrascht horchte Nick auf. „Hat sie das? Warum? Das sieht ihr nicht ähnlich. Als Brautjungfer ausgesucht zu werden, dann noch von Valerie, gleicht praktisch einem Ritterschlag.“

Plötzlich verdunkelte sich die Stimme des Fahrers, als ihn eine unschöne Vermutung in den Sinn kam. „Anya, hast du etwa-!?“

„Nein, hab ich nicht! Sie hat von sich aus damit angefangen. Nicht, dass ich was dagegen hätte …“

„Hat sie es begründet?“

„Keine Ahnung, bei dem Thema hab ich immer gleich abgeschaltet.“ Zur Verdeutlichung bohrte sich das Mädchen mit dem kleinen Finger im Ohr. „Kannst sie ja gleich selbst fragen, wenn es so wichtig ist.“

„Hmm …“, gab Nick nachdenklich von sich, „... das sieht ihr wirklich nicht ähnlich.“

 

~-~-~

 

Nick parkte den weißen Chrysler Neon, Baujahr 1995, auf einem weitflächigen Parkplatz etwa einen halben Kilometer vom eigentlichen Flughafen entfernt. Schon aus der Ferne konnten sie das riesige Stahlkonstrukt sehen, dessen Form einem Flugzeug nachempfunden war. Hinter dem Gebäude befanden sich die Landebahnen, Hangar und Lagerhallen, die sie aber von hier aus nicht sehen konnten.

 

Es war ein grauer, trüber Tag. Die dunklen Wolken waren Vorboten eines Regenschauers, der für heute angekündigt war.

Als sie zu dritt von Nicks Wagen los trotteten, ätzte Anya: „Seit wann hast du eigentlich einen Führerschein, Harper?“

„Ich habe keinen“, erwiderte dieser vergnügt, die Gruppe anführend.

„Cool. Dann-“

„Vergiss es, Anya.“

„Aber-!“

„Nein.“

„Wieso!?“

Nick seufzte, spürte nebenbei ein unangenehmes Zwicken in der Magengegend. „Uh! Bei mir merkt es keiner. Bei dir hingegen …“

Das Schnaufen hinter ihm bestätigte ihn in seinem Vorhaben, den Zündschlüssel ab sofort wie seinen Augapfel zu hüten. Ansonsten würde es bald keine GTA-Spiele mehr geben, was sicherlich auch nicht in Anyas Interesse sein konnte, egal wie sehr sie versuchte, das vor der Flimmerkiste Gelernte umzusetzen.

 

Nach einem kurzen Fußmarsch standen sie direkt vor dem Haupteingang des Flughafens. Eine ganze Reihe von Taxen war dort aufgestellt, schon draußen standen reihenweise Menschen unterschiedlichster Herkunft und Absichten.

 

Kaum zu glauben, denn erst seit Kurzem boomte Livington als Urlaubsziel. Genauer gesagt, seit der Turm von Neo Babylon aufgetaucht und wieder verschwunden war. Natürlich waren die Ruinen die größte – und böse Zungen munkelten auch einzige – Sehenswürdigkeit der kleinen Vorstadt.

 

Zusammen traten sie durch eine der vielen mechanischen Schiebetüren. Sofort fiel Nicks Blick auf den riesigen Monitor über den Rolltreppen, die geradewegs vor ihnen nach oben führten.

„Abbys Maschine ist bereits eingetroffen“, entnahm er den weißen Lettern auf schwarzem Hintergrund. „Terminal 32.“

So bogen sie nach rechts ab, umringt von aberhunderten von Fluggästen. Dazu musste man wissen, dass der Flughafen nicht wirklich 32 Terminals besaß. Eigentlich war Terminal 3 gemeint, die 2 stand für Ankunft, wohingegen die 1 als Referenz für den Abflug verwendete wurde. So waren bei den 2er-Terminals die Gepäckausgabebänder zu finden, welche die Drei schließlich durchquerten. Da allerdings nur einige wenige Leute herum standen, die auf ihre Liebsten warteten, ging Nick davon aus, dass die Passagiere noch nicht ausgestiegen waren.

 

Schließlich gelangten sie in einen großen Saal mit mehreren Sitzbänken. Von einem Panoramafenster konnte man auf die Flugbahnen schauen. Dort sah man auch, dass ein Flugzeug nicht weit entfernt angedockt hatte, die Fluggastbrücke war bereits ausgefahren.

Kurz warteten Anya, Nick und Zanthe, dann kam schon eine Traube von Fluggästen auf sie zu.

„Ich hoffe, Abby hat was Cooles mitgebracht“, murrte Anya.

Zanthe, der die ganze Zeit über verdächtig still gewesen war, meldete sich schließlich auch zu Wort. „Irgendwas riecht hier seltsam. Und damit meine ich nicht dich, Anya. Wirklich, wirklich seltsam. Fast wie … Honig.“

Demonstrativ schnüffelte Anya durch die Gegend, einige Leute sahen sie dabei überrascht bis abgeschreckt an, während sie an ihr vorbei gingen.

Schließlich zuckte das Mädchen mit den Schultern. „Keine Ahnung was du hast, Wurmparadies.“

 

Die Leute kamen und passierten sie, während die Drei warteten und warteten, dabei nicht gerade leise 'diskutierend'. Wie in: Anya hat immer Recht, Zanthe sowieso und Nick ist von beiden einfach nur genervt.

Irgendwann, die illustre Runde – lies: Anya – war schon kurz davor, sich beziehungsweise anderen ernsthaft weh zu tun, da unterbrach ein zuckersüßes „Hey“ die Streitigkeiten.

Die Blondine, die gerade Zanthe am Kragen seines weißen Hemds gepackt hatte, ließ jenen glatt los. Vor ihr stand eine junge Frau, die sie noch nie gesehen hatte.

„Geh weg“, fauchte sie jene an, „ich kaufe nichts von Pennern!“

„Ich bin es doch, Abby! Erkennst du mich nicht?“

 

Man glaubte, Anyas Kinnlade durch den Boden krachen zu hören.

Die leicht gelockten Haare, sie waren jetzt glatt und mit einer Spange nach oben gesteckt. Wo früher eine kreisrunde, dunkelbraun getönte Brille auf der Nase hockte, saß jetzt eine kantige, dezente Designerbrille. Und diese blumigen Kartoffelsäcke, die Abby immer getragen hatte, sie waren durch ein hellblaues Kostüm ersetzt worden. Das sogar etwas Bein zeigte!

Fazit: das da war nicht Abby! Bestenfalls die Stepford-Version!

 

„Oh, ihr hat es wohl die Sprache verschlagen“, wunderte sich 'Abby' und nahm einen Schritt zurück, um ihre Freundin neugierig zu mustern.

„Schön, dich zu sehen, Abby.“

Nick, nicht weiter von deren optischer Wandlung überrascht, drängte sich dazwischen und umarmte die junge Frau herzlich, die ihm ebenso glücklich erwiderte: „Danke, Nick! Ich bin auch froh, euch endlich wieder zu sehen. Oh, es ist so lange her!“

Sie schniefte, eine kleine Kullerträne lag in ihrem rechten Auge. „Sorry!“

Sich mit dem kleinen Finger das verräterische Nass hinter der Brille wegwischend, ging sie auf Zanthe zu. „Oh? Du bist …?“

„Zanthe, deine übernatürliche Vertretung“, scherzte der schwarzhaarige Kopftuchträger und gab Abby die Hand. „Cool, endlich sehe ich mal eine echte Sirene!“

Die kicherte verschmitzt. „Anya hat mir schon am Telefon von dir erzählt. Du solltest sie nicht ständig zur Weißglut treiben!“

„Die Verlockung ist einfach zu groß“, rechtfertigte sich Zanthe, was Abby nur zum Grinsen brachte.

„Ha ha, ja, das Gefühl kenne ich. Trotzdem solltest du netter zu ihr sein.“ Plötzlich drückte sie ihm vergnügt den Zeigefinger auf die Nase. „Sonst muss ich dich bestrafen! Ich habe dich übrigens schon gespürt, da waren wir noch gar nicht gelandet.“

„Und du bist die Einzige hier, die nicht zum Himmel stinkt.“ Zanthe schob ihren Finger mit dem seinen beiseite.

„D-danke?“

 

Anya indes stand immer noch stumm da und sah Abby an, als wäre sie eine Außerirdische. Zugegeben, da Anya eher selten aus ihrer eigenen, kleinen Ecke des Universums herauskam, mochte das aus ihrem Blickwinkel betrachtet tatsächlich so etwas wie der Realität entsprechen. Für Abby hingegen, die in der Hinsicht wesentlich weiter entwickelt war als Anya, war die Irritation ihrer Freundin mit zunehmender Dauer einfach nur noch befremdlich.

„Freust du dich etwa nicht, mich zu sehen?“, fragte sie mit belegter Stimme.

„Ich glaube, ihr Hirn ist einfach nur abgestürzt. Das dauert etwas, ehe es rebootet“, stichelte Zanthe und rammte Anya den Ellbogen in die Rippe. „Sag Tag zur lieben Tante!“

„A-Abby“, löste sich jetzt endlich Anyas Zunge.

Das brünette Mädchen begann zu strahlen.

„… du siehst furchtbar aus.“

Aber nur für einen Sekundenbruchteil. Dann brach sie in kindliches Gekicher aus. „Ohhhh, ich wusste es! Du hättest mich nicht erkannt, oder? Aber für einen Moment dachte ich wirklich … bei dir kann man ja nie wissen!“

Alle lachten los. Nur Anya stand da wie ein begossener Pudel. Was zur Hölle war mit ihrer Freundin geschehen, wieso sah die so … so … so Redfield-mäßig aus!? Sie wollte die alte Abby wieder, auf der Stelle!

„Keine Ahnung, wer dir die Gehirnwäsche verpasst hat, aber ich schwöre dir, ich werde ihn finden und umpfmhampfhamph!“

Abby hielt ihrer Freundin den Mund zu, ehe die sich noch weiter ereifern konnte. „Keine Gehirnwäsche. Ich fand, es war Zeit, einen etwas seriöseren Look anzunehmen. Gefällt es dir nicht?“

„Neinmpf verfammfoffal!“, schimpfte Anya durch ihre Finger.

„Tja, daran musst du dich aber gewöhnen“, meinte Abby jetzt mit scheelem Blick und nahm die Finger von Anyas sekundärem Atmungsorgan, ehe diese ihr noch einen abbiss, „mich gibt’s jetzt nur noch so. Außerdem bin ich immer noch dieselbe Abby, innerlich!“

 

Das wusste sie, dachte Anya völlig missverstanden.

Aber diese Outfit, es war so …! Nein, das Problem war nicht, dass Anya es nicht mochte. Das Problem war, -dass- Anya es mochte. So völlig unwillentlich, ohne überhaupt mit ihrem Gehirn vorher abgesprochen zu haben, was sie davon hielt. Und das war für jemanden wie Anya, die aus Prinzip erst einmal gegen alles Ungewohnte war, absolut inakzeptabel.

Man hatte ihr die Entscheidung einfach abgenommen, ohne sie zu fragen! Da war diese neue Abby und sie sah umwerfend aus, ohne, dass Anya ihr OK dazu gegeben hatte. So wie sie ihr OK gegeben hatte, als sie entschied, dass explodierende Briefkästen einen schönen Klang in ihren Ohren hatten. Oder wie sie sich mit sich selbst darauf einigte, dass nichts Verwerfliches dabei war, die anderen Mädchen nach dem Sportunterricht in der Umkleide zu filmen und die Tapes anschließend auf dem Schulhof – und Gott allein wusste wo noch! – zu verkaufen.

Aber das, das da war nicht in Ordnung! Abby hatte Abby zu sein und nicht Abbylicious! Und verdammt war sie Abbylicious!

 

Zum großen Glück der anderen Anwesenden vermochte Anya es jedoch irgendwie, ihren inneren Zwiespalt zu verbergen. Alles, was ihr zu Abbys Predigt in den Sinn kam, war ein müdes: „'kay.“

Tch, jetzt war sogar schon ihr Mund zum Verräterschwein mutiert! Unfassbar!

Abbys Miene hellte sich umgehend auf, was Anya immerhin ein bisschen besänftigte. „Du wirst dich schon dran gewöhnen. Übrigens, ich habe euch etwas mitgebracht, aber es ist noch in meinem Koffer.“

Das erinnerte Anya prompt an etwas. Sie griff in die Innentasche ihrer mühsam zusammengeflickten Lederjacke ihres Vaters – die auch Anyas bescheidenen Näh- und Ausbesserungskünsten entsprechend aussah – und zog eine einzelne Duel Monsters-Karte daraus hervor. Die reichte sie Abby prompt.

„Hab dir auch was mitgebracht. Wette, die passt gut in dein Deck“, brummte sie, als wolle sie das Thema möglichst schnell wieder beenden, bevor es richtig anfing.

Abby nahm die Karte erstaunt entgegen und sah sie an. „Oh? Danke, wie lieb von dir! Aber die wäre in deinem doch viel- Ah!?“

 

Ein scharfer Schmerz durchfuhr Abbys Arm. Nur für einen kurzen Moment, aber er war dagewesen. Und da war noch mehr. Plötzlich sah Abby ihre Freundin mit ganz anderen Augen.

Da stand Anya, etwas beschämt wegen ihrer guten Tat, aber … ihre Ausstrahlung, ihre -innere- Ausstrahlung hatte etwas Gefährliches. Es zog die Sirene in eine schier endlose Leere, die sie mit aller Macht zu verschlingen versuchte. Und es war kalt, eiskalt.

Etwas lauerte dort in Anya oder war es gar sie selbst!?
 

„Alles okay, Abby?“ Nick winkte mit seiner Hand vor ihren Augen.

Die brünette, junge Frau stand regungslos da, wie weggetreten. Erst als Nick damit drohte, ihre Brüste durchzukneten, kam sie zu Sinnen.

„Anya“, stammelte sie, „was ist passiert? Du … du bist …“

„Huh? Jetzt fragst du mich, was los ist? Guck doch in den Spiegel, Aschenputtel! Das ist passiert!“

„N-nein, ich meine … du bist so anders. Irgendetwas stimmt mit dir nicht.“ Abby wich von Anya zurück. „Was hast du angestellt? Ste-steckst du wieder in Schwierigkeiten!? Sag mir die Wahrheit!“

Anya und Nick tauschten vielsagende Blicke aus. Keiner von ihnen schien zu wissen, was plötzlich Abbys Problem war. Doch sie beide stimmten stumm miteinander überein, dass Abby irgendetwas von Anyas Deal mit dem Collector zu ahnen schien.

„Nichts“, antwortete Anya schließlich scharf, „Thema beendet!“

 

Anhand ausreichender Erfahrung in Punkto Anya und Übernatürlichem wusste Abby jedoch, dass sie sich das alles gewiss nicht nur einbildete. Wenn Anya etwas unangenehm war, versuchte sie es mit aller Macht abzuschmettern. Zudem war das, was sie da gespürt hatte, real gewesen. Vielleicht war dies ihren wachsenden Kräften als Sirene zuzuschreiben, schließlich war sie mittlerweile imstande, Übernatürliches viel deutlicher wahrzunehmen als andere Menschen. Und selbst wenn in jenen wenigen Sekunden Abbys Einbildung ihr einen Streich gespielt hatte, Anyas Reaktion dem gegenüber war eindeutig genug.

 

Nur kannte Abby Anya wirklich sehr gut. Letztere würde nicht mit der Sprache herausrücken, egal wie sehr Abby bettelte und flehte. Um Anyas Zunge zu lösen, musste man mitunter die ein oder andere Missetat begehen. Wie etwa ihr Ego herauszufordern.

„Anya, ich weiß, dass etwas ist. Dafür sind wir lange genug Freundinnen“, begann Abby noch einmal mit der einfühlsamen Schiene. Sich völlig im Klaren darin, dass es vergebene Liebesmüh war.

Anya verschränkte genervt die Arme. „Nochmal wiederhole ich mich nicht, Masters! Alles ist a-o-kay!“

„Soll ich dich zwingen, mir die Wahrheit zu sagen?“

 

Es geschah so schnell, dass selbst eine Anya Bauer zurückschreckte. Abbys Iriden hatten sich verfärbt, waren rosa geworden und ähnelten mit schlitzartigen Pupillen plötzlich denen einer Katze. Abby spielte ernsthaft mit dem Gedanken, Anya zu hypnotisieren, um ihr so deren offensichtliches Geheimnis zu entlocken.

Letztere schnaufte und zeigte mit dem Finger auf Abbys Nase, wobei sie sich vorsichtshalber dennoch von ihr abwandte. „Das wagst du nicht!“

„Also ist da etwas?“, wiederholte Abby streng.

„Nichts, was dich etwas angeht, Masters!“

Da, die Bestätigung! Spätestens jetzt fühlte sich Abby auch in letzter Instanz im Recht. Nun musste man Anya das Ganze nur noch fein säuberlich entlocken. Und bei ihrem Ego gab es da nur eine Möglichkeit, schließlich würde die Sirene ihre Fähigkeiten niemals gegen ihre Freunde einsetzen. Zumindest nicht, solange es auch andere Wege gab …
 

Abby hob den Arm. Dort materialisierte sich wie aus dem Nichts eine bunt leuchtende Duel Disk im Battle City-Baustil, in die sie nur noch das Deck schieben musste, das in seiner Box an ihrem Designergürtel hing. Einige umstehende Leute sahen hin, doch Abby wusste, dass das Ganze wie von 'Zauberhand' an ihnen vorbei ging.

„Alter, wo hast du das gelernt!?“, staunte Anya wie ein Nilpferd.

„Mit ein bisschen Fantasie geht alles. Du weißt, was ich von dir will. Und wenn du nein sagst, wird Valerie die Erste sein, die davon erfährt“, spielte Abby glucksend mit Anyas Stolz.

Wäre dies möglich, wäre die Temperatur im Terminal 32 um mindestens zehn Grad Celsius abgefallen. Anya starrte ihre Freundin mit einem leicht psychopathischen Blick an, der in etwa ausdrücken sollte: 'Das hast du jetzt nicht wirklich gesagt, oder?'

Dann streckte sie den Arm aus. „Mach das auch mit mir!“

Schwupps hatte auch Anya eine der bunten Duel Disks am Arm.

 

„Kann mir jemand erklären, was da gerade abgeht?“, fragte Zanthe an Nick gewandt, während die beiden Mädchen sich zum Duell aufstellten.

„Das Übliche, Anya wird manipuliert, ohne dass sie es mitbekommt.“

„Ahhhh.“

 

„Du willst also ein Duell gewinnen, damit ich zu plaudern anfange wie Willy Clumsky, als ich ihn einmal am Bein festgehalten hab, ja?“

Womit Anya meinte, dass sie die lebende Fischgräte dabei aus dem fünften Stock des mittlerweile zerstören Schulgebäudes hatte baumeln lassen. Ah, die guten alten Schultage …

„Präzise“, nickte Abby selbstbewusst, „anders geht es ohnehin nicht, bei so einem Dickschädel wie dir.“

„Und wenn ich nicht mitmache?“

Abbys Stimme frohlockte förmlich. „Valerie~“

„Du bist so tot, Masters!“

Hoffentlich war das nur ein Scherz, dachte Abby mit Unwohlsein. Das, was sie von Anya ausgehend gespürt hatte, war in diesem Zusammenhang alles andere als witzig.

„Duell!“, schrien die beiden schließlich. Schon jetzt hatte sich eine kleine Traube von Schaulustigen um sie gebildet.

 

[Anya: 4000LP / Abby: 4000LP]

 

„Ich muss zugeben, mich auf ein Duell mit dir gefreut zu haben“, gestand Abby und zog als Erste, nämlich gleich sechs Karten, womit sie auch unweigerlich die Startreihenfolge festlegte, „aber nicht unter diesen Umständen.“

Anya winkte stöhnend ab. „Ach Masters, mit dir kann man sich nicht vernünftig duellieren! Immer wenn wir es tun, dann weil wir uns streiten!“

„Das sollte dir zu denken geben, Anya.“

„Pft!“

„Ich hab mich äußerlich vielleicht verändert, aber ich bin immer noch dieselbe Abby“, sprach jene entschlossen weiter, „mach bloß nicht den Fehler, mich zu unterschätzen! Ich setze ein Monster verdeckt, Zug beendet!“

Vor der bildhübschen, jungen Frau materialisierte sich eine Karte in horizontaler Lage. Eines schwor sich Abby letztlich: wenn dieses Duell zu Ende war, würde Anya reden, unabhängig vom Ausgang! Und wenn Abby eben doch ihren Vorsatz brechen und mit sirenischen Mitteln nachhelfen musste!

In den letzten Monaten waren ihre Kräfte beachtlich gewachsen, was durchaus seine Vorteile hatte, wenn nervige Mitkommilitonen einem das Lernen erschwerten! Es war geradezu ironisch, dass sie erst durch Anyas Beistand gelernt hatte, sich mit ihrer Herkunft und ihren Fähigkeiten anzufreunden.

 

Anya ihrerseits, die rein gar nichts von Abbys heimtückischem Reserveplan ahnte, riss derweil eine Karte von ihrem Deck. „Draw!“

Ihr Blatt war nicht gerade der Knüller, was bei jemandem wie Abby tödlich sein konnte. Trotzdem, hier ging es ums Prinzip, also würde Anya gewinnen! Und wenn sie dabei mit levrierischen Mitteln nachhelfen und damit ihren Vorsatz brechen musste!

„Ich beschwöre [Gem-Knight Amber]! Los, greif ihr Monster an!“, befahl Anya herrisch.

 

Gem-Knight Amber [ATK/1600 DEF/1400 (4)]
 

Vor ihr tauchte ein goldener Ritter auf, der aus seiner linken Handfläche einen Dolch aus purer Energie zog. Mit diesem in der Hand stürmte er auf Abbys verdeckte Karte los, sprang in die Luft und rammte die Waffe in ebenjene. Diese wirbelte herum. Unmittelbar vor dem Krieger erschien eine Felsplatte mit Kulleraugen, welche er mit seiner Attacke glatt zertrümmerte.

 

Naturia Cliff [ATK/1500 DEF/1000 (4)]

 

Unter Amber zerfiel sie zu Staub. Abby rief: „Effekt von [Naturia Cliff] aktivieren! Wenn er zerstört wird, darf ich ein anderes Naturia-Monster an seiner Stelle im Angriffsmodus von meinem Deck beschwören, sofern es maximal vier Stufensterne besitzt.“

Sie suchte sich die Karte und legte sie auf die Licht-Duel Disk. „Ich nehme [Naturia Beans]!“

Aus dem Boden wuchs eine kleine, grüne Ranke, die aufploppte und drei niedliche Bohnen mit Kulleraugen hervorbrachte.

 

Naturia Beans [ATK/100 DEF/1200 (2)]

 

„Na toll“, dachte Anya sich bei deren Anblick, „kann mir doch denken, was du mit denen anstellen willst. Aber fein, versuch es ruhig! Ich setze zwei Karten verdeckt! Zug beendet!“

Die beiden Karten materialisierten sich vor ihren Füßen, als sie sie in ihre bunt leuchtende Battle City-Duel Disk schob.

 

Ihr Ziel wird es sein, [Naturia Beast] zu beschwören und deine Zauberkarten zu versiegeln, damit du deine [Gem-Knight Fusion] nicht mehr aktivieren kannst.

 

„Erzähl mir was Neues, Einstein“, zischte Anya leise, als Levrier neben ihr als durchsichtiger Pearl erschien.

Abby grinste selbstbewusst. „Falsch Levrier. Übrigens kann ich dich jetzt richtig sehen.“
 

Hallo, Abigail Masters. Anscheinend wird meine Bindung zu Anya Bauers Elysion schwächer, wenn mich neuerdings jeder sehen kann. Nichtsdestotrotz ist es schön dich zu sehen, junge Sirene.

 

Zum Gruß hob er die Hand. Anya schnaufte wütend. „Hey! Bist du auf ihrer oder meiner Seite, huh!?“

Ihre Freundin kicherte und winkte zurück.
 

Auf ihrer.

 

„Arschloch! Jetzt weiß ich schon mal, wer -nicht- in diesem Duell eingesetzt wird!“

 

Ich bin untröstlich …

 

Mit diesen sarkastischen Worten verschwand Levrier wieder.

„Die beiden Zicken sind wirklich nervig“, stöhnte indes Zanthe beim Anblick der beiden Duellantinnen.

Nick warf ihm daraufhin einen scharfen Blick von der Seite zu und murmelte mit unterdrückter Wut: „Die beiden sind meine Freunde.“

„Genau deswegen nervt es mich“, erwiderte Zanthe ernst, „besonders Anya. Sie benimmt sich wie ein kleines Kind, das rumbockt, obwohl es gar keinen Grund dafür gibt.“

Die Arme verschränkend, schüttelte sein Gesprächspartner den Kopf. „Da irrst du dich. Anya möchte Abby nicht beunruhigen, das ist alles. Letztes Jahr haben wir alle viel durchmachen müssen und sie-“

„Es ist eine Lüge. Und Lügen sind Gift für Freundschaften“, schnitt Zanthe ihm ins Wort.

„Die Wahrheit kann manchmal umso schädlicher sein. Bestimmte Dinge sollten einfach nicht ausgesprochen werden.“

Zanthe zuckte in einer genervten Geste mit den Schultern. „Man, hörst du dir überhaupt zu? Ich meine, ist das wirklich so eine Situation, wo eine Lüge der Wahrheit vorgezogen werden sollte?“

Er seufzte anschließend. „Andererseits, was geht mich das an? Das ist euer Problem, nicht meins, macht was ihr wollt.“

„Du bist jetzt einer von uns“, relativierte Nick jedoch, „zumindest sieht Anya das so. Also ist es auch dein Problem.“

Überrascht sah Zanthe auf, kratzte sich am Hinterkopf. „Ist das so? Schätze wohl schon, ha ha…“

Dabei war ihm nicht entgangen, dass sein Gegenüber bewusst auf Anya verwiesen hatte. Nick selbst hielt nicht all zu viel von ihm, was er wirklich bei -jeder- Gelegenheit zum Ausdruck brachte. Allerdings täuschte er sich, wenn er dachte, dass ihm dies etwas ausmachte. Im Gegenteil, er konnte es gewissermaßen nachvollziehen, wenngleich es auch keine Rolle für ihn spielte. Nervig war es trotzdem.

„Um auf deine Frage zu antworten: ich habe nie behauptet, dass dies eine Situation ist, die eine Lüge rechtfertigt. Aber ich bin nicht Anya. Es ist ihre Entscheidung, wem sie sich wann und wie anvertraut.“

Auf Nicks Äußerung hin sah Zanthe wieder herüber zum Duell. „So kann man sich auch herausreden.“

„Glaub was du willst.“

 

„Dann zeige ich euch mal, was ich wirklich vorhabe!“, rief Abby und zog. „Draw!“

Die neue Karte, eine Falle, betrachtete sie kurz vergnügt, ehe sie sie in die Duel Disk einlegte. Vor ihren Füßen materialisierte jene sich. Anschließend schnappte sich Abby 'ihren Plan' aus dem Blatt.

„Ich biete [Naturia Beans] als Tribut an und beschwöre [Naturia Bamboo Shoot]!“

Überrascht von diesen Worten sah Anya zu, wie sich die kleinen Böhnchen in Luft auflösten und zwei Bambuszwiebeln Platz machten. Die waren kaum größer als Tannenzapfen, sahen ihnen auch recht ähnlich und hatten zudem, wie alle Naturia-Monster, niedliche Gesichter.

 

Naturia Bamboo Shoot [ATK/2000 DEF/2000 (5)]

 

„Eine Tributbeschwörung“, sprach Anya erstaunt, „fühlt sich wie eine halbe Ewigkeit an, seit ich das das letzte Mal gesehen hab.“

„Glaub mir, Anya, es lohnt sich! Effekt von Bamboo Shoot! Wenn das Tribut ein Naturia-Monster war, kannst du keine Zauber- und Fallenkarten mehr aktivieren, solange mein Monster auf dem Feld verweilt!“

Für einen Moment erweckte Anya wegen ihrer schief gezogenen Mundwinkel den Eindruck, als erleide sie gerade einen Schlaganfall. „Hast du eben Zauber -und- Fallen gesagt!?“

Ihre Freundin nickte zufrieden. „Ganz genau. Ich kann deine Strategien auch ohne meine Synchromonster versiegeln.“

„Dann … dann kann ich ja gar nichts mehr machen!“

Die Blondine verzog das Gesicht, als wäre Valerie Redfield soeben zur Miss Universe gewählt, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet und Erbin einer erfolgreichen Hotelkette geworden. Kurzum: Schlaganfall und Herzinfarkt in einem!

„Du hast immer noch Monstereffekte“, kicherte Abby süßlich. Natürlich wusste sie, dass sie damit nur Salz in die Wunde streute.

Denn die regulären Gem-Knights von Anya besaßen keine nennenswerten Effekte, jene waren eher bei den Fusionsmonstern zu finden. Und was brauchte man, um die aufs Feld zu bekommen? Richtig!

„Ich bin am Arsch …!“, kam die Erkenntnis.

„Ein bisschen. Bamboo Shoot, greife [Gem-Knight Amber] an!“, befahl Abby mit ausgestrecktem Arm. „Bamboo Shot!“

Die beiden Zwiebeln sprangen synchron in die Luft, um mit ihrer Landung spitze Bambusrohre heraufzubeschwören, die unter Amber hervor schossen und ihn aufspießten. In tausend Einzelteile zersprang Anyas Ritter, während die wütend aufstöhnte.

 

[Anya: 4000LP → 3600LP / Abby: 4000LP]

 

„Kch!“

„Damit beende ich meinen Zug“, verkündete Abby mit ihren verbliebenen vier Handkarten.

Anya sah auf die beiden gesetzten Karten vor sich. Toll, die waren jetzt völlig nutzlos!

 

„Okay, mir wird schon was einfallen! Draw!“, rief sie und zog schwungvoll.

Mittlerweile hatten sich schon so einige Passagiere um sie geschert, einige feuerten sogar ihren Favoriten an. Unnötig zu erwähnen, dass die Mehrzahl der Leute auf Abbys Seite war.

Aber das könnte Anya nicht gleichgültiger sein. Sie musste sich jetzt erst einmal darum bemühen, die Situation einigermaßen in den Griff zu bekommen. Ihre Hand war nutzlos gegen diese Viecher, aber eins konnte sie trotzdem tun!

„Ich setze dieses Monster verdeckt! Zug beendet!“

Wie zuvor bei Abby, materialisierte sich jetzt vor Anya eine horizontal liegende Karte.

 

„Okay, ich bin dran! Draw!“

Schon als Abbys Fingerspitzen die oberste Karte ihres Decks berührten, spürte sie das flaue Gefühl im Magen, das praktisch aus dem Nichts daher kam. Als sie sie zog, wurde es sogar noch stärker, ihre Haut kribbelte mit einem Mal, als wären tausende kleiner Ameisen unter ihr. Sich die Karte ansehend, verschlug es ihr endgültig die Sprache.

Das war … das war die Karte, die Anya ihr vorhin geschenkt hatte. Sofort sah die Sirene auf. Nervös stand Anya da, tippte ungeduldig mit der Fußspitze auf und ab, aber das war eher ihrer Lage im Duell zuzuschreiben. Abby bezweifelte, dass das im direkten Zusammenhang mit der Karte in ihrer Hand stand. Vielleicht bildete sie sich das auch nur ein. … nein, tat sie nicht! Vielleicht wäre es besser, diese Karte nicht auszuspielen, solange Abby nicht wusste, woher Anya jene überhaupt hatte.

Recht deutlich aus der Fassung gebracht, steckte sie sie zu den anderen auf ihrer Hand und schnappte sich im selben Zuge ein anderes Monster. „G-gut, da meine Strategie ja zu funktionieren scheint, werde ich sie noch etwas vertiefen. Ich beschwöre [Naturia Stinkbug]!“

Abby streckte Anya den Unterarm entgegen. Auf diesem saß ein kleiner, grüner Käfer, der freudig herumkrabbelte.
 

Naturia Stinkbug [ATK/200 DEF/500 (3)]

 

„Und jetzt greife ich dein gesetztes Monster an! [Naturia Bamboo Shoot], Bamboo Shot!“

Wie schon eben, sprangen die beiden Zwiebeln gleichzeitig in die Luft und sorgten dafür, dass unter Anyas verdeckter Karte spitze Bambusrohre hervorschossen. Jene wirbelte herum und heraus sprang ein in blauer Rüstung gekleideter Ritter, der mit seiner ganz aus Wasser bestehenden Machete den Bambus kurz und klein schlug, während er gleichzeitig den Attacken auswich.

„Hast du dir so gedacht“, triumphierte Anya stolz, „[Gem-Knight Iolite] hat genug Verteidigungspunkte, um den Angriff abzuwehren.“

„Aber auf den Punkt genau …“, erwiderte Abby.

 

Gem-Knight Iolite [ATK/1300 DEF/2000 (4)]

 

„... oder sollte ich eher sagen, um 1000 Punkte zu wenig? Verdeckte Falle aktivieren, [Miracle Locus]!“

Anya hüpften fast die Augäpfel heraus. „Huh!?“

Die beiden Bambuszwiebeln vor Abby begannen zu wachsen, wurden größer und größer.

„Bamboo Shoot kann mit dieser Karte ein zweites Mal angreifen, fügt dabei aber keinen Kampfschaden zu, was ohnehin irrelevant ist“, erklärte Abby, „dafür bekommt er 1000 Punkte drauf und du ziehst eine Karte. Bamboo Shot!“

 

Naturia Bamboo Shoot [ATK/2000 → 3000 DEF/2000 (5)]

 

Die nun riesigen Zwiebeln führten das Procedere wie von Abby befohlen fort. Und diesmal schossen die Bambusrohre so schnell aus dem Boden, dass Iolite nicht rechtzeitig reagieren konnte und aufgespießt wurde.

Lauthals schmollend zog Anya die versprochene Karte auf. „Verdammter Kackmist, da geht meine Xyz-Beschwörung hin …!“

„Tja, das hast du dir wohl etwas zu einfach vorgestellt, was?“, kicherte Abby, die den Schock von eben insgeheim immer noch nicht verdaut hatte, wie ihre nervösen Blicke auf ihre Hand verrieten. „Direkter Angriff mit Stinkbug!“

Der Käfer auf ihrem Arm schoss ein grünes Sekret ab, welchem Anya einfach auswich, indem sie den Kopf zur Seite neigte. Stattdessen flog das schleimige Etwas durch den Kopf eines Zuschauers, welcher prompt ausgelacht wurde.

 

[Anya: 3600LP → 3400LP / Abby: 4000LP]

 

Abby musste zweimal hinsehen um sich zu vergewissern, dass im Gesicht des Geschäftsmannes nichts kleben blieb. Früher, als sie ihre Kräfte noch nicht so gut unter Kontrolle hatte, hätte es passieren können, dass das Zeug einfach real wurde. Das war eine von Abbys Gaben als Sirene, aus Fantasie für einen begrenzten Zeitraum Wirklichkeit werden zu lassen. Doch heute hatte sie ihre Kräfte fest im Griff. Zumindest dann, wenn gerade keine Anya in der Nähe war und sie völlig aus dem Konzept brachte.

„Wenn das so weiter geht, sind wir bei dem Tempo morgen noch nicht fertig!“, motzte die wütend. „Ich will nachhause!“

„Sprich dich aus, dann kannst du nachhause“, bot Abby ihr an, kannte ihre Freundin aber gut genug, um zu wissen, dass so etwas zwecklos war, „Ich beende meinen Zug.“

Wieder sah sie ungewollt das Monster in ihrer Hand an, das ihr eine Gänsehaut bescherte. Ihre Bambuszwiebeln schrumpften zwischendurch auf die alte Größe zurück.

 

Naturia Bamboo Shoot [ATK/3000 → 2000 DEF/2000 (5)]

 

„Wie oft noch, es ist nichts!?“, fauchte Anya und riss die nächste Karte vom Deck. „Alles ist in Ordnung, mir geht es gut, 'kay!?“

Wütend schaute sie auf ihr Blatt. Jetzt musste sie sich wirklich etwas einfallen lassen, wenn sie nicht verlieren wollte. Es gab kein Monster mehr auf ihrem Blatt, das einem Angriff Bamboo Shoots standhalten konnte. Also wurde nichts aus einer Xyz-Beschwörung des [Kachi Kochi Dragons].

In ihrem Main Deck befand sich ansonsten nur noch [Gem-Knight Crystal], der es Angriffspunkte-technisch mit Abbys Monster aufnehmen konnte, doch um den ohne Tribute zu beschwören bedurfte es [Gem-Knight Alexandrite]. Und wer glänzte ausgerechnet jetzt durch Abwesenheit? Es war zum Kotzen!

„Shit, was mach ich jetzt?“

Blöder [Gem-Knight Alexandrite], warum gerade jetzt!? Wenn sie wenigstens seinen entfernten Verwandten, den [Alexandrite Dragon] auf der Hand hätte! Der könnte mit seinen 2000 Angriffspunkten wenigstens einen Doppelkill hinlegen. Aber Gott und die Welt hatten es sich ja zur Aufgabe gemacht, ihr das Leben nach allen Regeln der Kunst zu versauen!

 

[Alexandrite Dragon]? Klingelt da nicht etwas bei dir, Anya Bauer?

 

„Ja, deine dämliche Stimme in meinem Kopf! Werd' klarer mit deinen Botschaften! Und woher wusstest du, dass ich an den dachte!?“

 

Gar nicht, ich kenne deine Möglichkeiten lediglich genauso gut wie du. Und ich erinnere mich gerade an einen bestimmten Drachen, den du vor nicht allzu langer Zeit gewonnen hast. Wenn ich mich recht entsinne, brauchte sein ehemaliger Besitzer nur ein Monster auf dem Feld, um ihn beschwören zu können.

 

„... und weiter?“

 

Anya Bauer, manchmal möchte ich-!

 

Der ging jedoch endlich ein Licht auf. Zwar nur ein sehr schwaches, Kurzschluss-gefährdetes Licht, aber es erhellte die klaffende Dunkelheit lange genug.

„Ach der! Natürlich, sag ich doch, so machen wir das!“

Dann war es sogar gut, dass der kack [Alexandrite Dragon] noch in ihrem Deck herum gammelte!

„Ich beschwöre [Gem-Knight Emerald]!“, rief Anya aus und knallte diesen auf ihre Duel Disk.

Unter dem überraschten Gemurmel der Zuschauer erschien vor ihr der Ritter im Zeichen des Smaragds, der seinen kleinen, am Arm befestigten Rundschild herausfordernd anhob.

 

Gem-Knight Emerald [ATK/1800 DEF/800 (4)]

 

Anya räusperte sich und streckte den Arm in die Höhe. „Effekt von [Angel Wing Dragon] aktivieren! Ich schicke ein Licht-Monster wie [Alexandrite Dragon] von meinem Deck auf den Friedhof, um mit genau dem einmal während des Duells das Empfängermonster zu simulieren! Ich stimme damit meine beiden Stufe 4-Monster aufeinander ein …“

An Abbys ziemlich verwirrten Blick konnte man deutlich ablesen, dass ihr langsam alles zu hoch wurde. Nur war Anya in dieser Hinsicht sozusagen farbenblind, schob das normale Monster in den Friedhofsschlitz.

„Heavenly … nein, divine … neee, auch nicht …“

Während Anya scheinbar belangloses Zeug vor sich hinnuschelte, erschien über ihr ein massiver, goldener Ring. Von ihm spannten sich langsam vier weiße Schwingen aus. Eine Art flüssige Oberfläche bildete sich in dem aufrecht stehenden Gebilde.

Und Abby fragte perlex: „Anya, was wird das?“

„… sacred? Verdammt!“

Levrier schnalzte in Anyas Gedanken mit der Zunge.
 

Benutze einfach den Spruch, den Zanthe gewählt hat, Anya Bauer. Das erspart uns allen eine Menge Frust.

 

„Das geht nicht, das wäre unkreativ und Plagiaturismus!“
 

Ein Plagiat meinst du.

 

„Sag ich doch!“

 

Das ist mir egal, Anya Bauer. Tu uns beiden den Gefallen und mach dich nicht lächerlicher als ohnehin schon. Alles wäre so viel einfacher, wenn du einmal auf mich hören würdest.

 

„Geez, fein, dann nehm' ich eben den Spruch vom Flohzirkus!“, platzte Anya da der Kragen. Den nach oben gestreckten Arm ließ sie niederfahren. „From the light of a different world, the herald of starlight descends upon the ravaged land! By discarding a single star, I call upon you! Synchro Summon!“

Ihr [Gem-Knight Emerald] zersprang in vier grüne Sphären, die in die Höhe stiegen und den goldenen Ring passierten. Ein Lichtblitz erleuchtete das Terminal.

„Shine forth, [Angel Wing Dragon]!“, brüllte das Mädchen unter lautem Beifall.

Aus der wässrigen Oberfläche des Rings drang nach vorn ein abgetrennter Drachenkopf hervor, nach hinten der peitschende Schweif, bis beide Enden perfekt verbunden waren. Der weiße, schlangenhafte Drache hob seinen Kopf und sah dabei wie eine Kobra aus, dank des goldenen Gestells um seinen Hals. Mit majestätischem Gebrüll verkündete er seinen Einstand.

 

Angel Wing Dragon [ATK/2700 DEF/2000 (8)]

 

Abby stockte der Atem. Für einen Moment, so schien es, setzte ihr Herz aus. Die Luft blieb ihr weg, als würde etwas ihre Kehle zuschnüren. Dieses Gefühl hielt jedoch nur einen Augenblick an.

Trotzdem war sie leichenblass geworden. „Anya … was sind das für Karten, die du da hast? Das ist doch nicht normal!“

„Pff, ich dachte du freust dich, dass ich endlich auch ein Synchromonster besitze. Du musst einem echt alles vermiesen, oder!?“

„N-nein, so war das nicht gemeint!“

„Ja ja, schon klar!“, winkte Anya trotz Abbys Beteuerung getroffen ab. „Mir doch egal! Los, Angel Wing, greife dieses nervige [Naturia Bamboo Shoot]-Ding an, damit ich endlich meine Karten ausspielen kann! Seraphim Judgment!“

Der imposante Drache öffnete sein Maul und schoss daraus eine weiße Flamme ab, um welche eine kleinere, goldene sich wie eine Spirale drehte.

„Oh nein“, stammelte Abby aufgelöst und schwang den Arm aus, auf dem ihr Käfer saß, „Effekt von [Naturia Stinkbug]! Wenn du ein Naturia-Monster angreifst, kann ich ihn auf den Friedhof schicken, um die Battle Phase abzubrechen.“

Sie nahm den kleinen Käfer von ihrem Arm und ließ ihn in die Luft aufsteigen. „Geh fort, mein Kleiner.“

Um Abby und ihre Zwiebeln bildete sich eine grün leuchtende Energiekuppel, an der der Angriff des Drachen abprallte.

„So ein verdammter Kackmist!“, fluchte Anya frustriert. Das hieß, ihre Karten waren immer noch versiegelt. „Zug beendet!“

 

Mit zitternder Hand zog Abby ihre Karte.

Was war nur mit Anya los? Diese ganzen seltsamen Karten, woher stammten sie? Als ob da 'nichts' im Busch war! Erst das Geschenk, jetzt dieser Drache, der … der fast den Eindruck machte, als würde er wirklich leben!

Voller Bitternis sah Abby ihr Blatt an. Scheinbar musste sie es anders probieren, eine neue Strategie benutzen, auch wenn es riskant war. 'Ihn' benutzen. Aber in dem Fall war es wohl okay.

„Ich rufe [Naturia Rosewhip] aufs Feld!“, rief sie entschlossen.

Eine kleine Rose mit Augen auf den Kelchblättern wuchs aus dem Boden.

 

Naturia Rosewhip [ATK/400 DEF/1700 (3)]
 

Abby nahm sie und [Naturia Bamboo Shoot] gleich wieder von der Duel Disk. „Wenn du mit solchen Mitteln kämpfst, dann will ich nachziehen! Ich stimme meinen Stufe 3-Empfänger auf mein Stufe 5-Monster ein!“

Ihre Monster stiegen in die Luft. Während Rosewhip in drei grüne Ringe zersprang, durchquerten die beiden Bambuszwiebeln jene und wurden zu grellem Licht.

„Oh great god of the south, protect the weak under your mighty wings! Synchro Summon!“, rief Abby dabei hoffnungsfroh. „Arise, [Naturia Vermilion]!“

Es blitzte. Und da war er, über ihr, in all seiner gewaltigen Pracht. Der aus roten Laubblättern bestehende Riesenvogel. Sein Wurzelschweif flatterte in dem Wind, den das Schlagen seiner prächtigen Flügel verursachte. Es war der Schandfleck auf Abbys Seele, das Symbol ihrer Schwäche. Ihres Verrats gegenüber Anya.

 

Naturia Vermilion [ATK/2700 DEF/2000 (8)]

 

„Oh …“, entfleuchte es Anya fasziniert.

Zanthe, der seither still geblieben war, sagte an Nick gewandt: „Gleichstark? Das könnte interessant werden.“

„Jetzt prallen ihre Seelen aufeinander“, erwiderte Nick.

„Du erinnerst dich an ihn, nicht wahr?“, fragte Abby bedrückt nach. „Den habe ich damals bei dem Wettbewerb gezeichnet, an dem wir beide teilgenommen haben.“

„Ja, du hast gewonnen“, entsann sich Anya, „das war echt cool! Ich glaube, das ist das erste Mal, dass du ihn gegen mich benutzt. Man, Masters, so verzweifelt, weil ich ein neues Spielzeug habe?“

 

Nein, das war es nicht, seufzte Abby innerlich. Was Anya nicht wusste war, dass Abby, die damals den Auftrag hatte, die Teilnehmerbeiträge der beiden Freundinnen abzugeben, nur ihr eigenes Bild eingeschickt hatte. Aus Neid, weil Anyas Bild so viel besser war als ihr eigenes. Das hatte sie ihrer Freundin nie gebeichtet.

 

„Als wir nebeneinander unsere Artworks gezeichnet haben“, begann Abby traurig, „das hast du die ganze Zeit davon gesprochen, das du gewinnen wolltest.“

„Ja. Was ist daran falsch?“

„Gar nichts. Aber früher warst du nicht so … du hast dein Herz immer auf der Zunge getragen. Klar, ich weiß, dass du nicht gerne über deine Gefühle sprichst. Aber wenn du Probleme hattest, bist du immer zu mir gekommen.“ Eindringlich fügte sie hinzu: „Warum ist es jetzt anders?“

Ihr Gegenüber blinzelte mit den blauen Augen, dann sah sie schuldbewusst zur Seite. „Sorry Masters, diesmal nicht.“

Abby verstand. Niedergeschlagen blickte sie auf ihr Blatt. „Dann hast du sicher nichts dagegen, wenn ich diese hier benutze, oder? Weil du weißt, dass sie mich nicht in Gefahr bringen wird.“

Sofort horchte Anya auf und sah ihre Freundin verwirrt an. „Wovon redest du?“

„Da ich jetzt genau fünf Monster vom Erd-Element auf meinem Friedhof liegen habe“, erklärte Abby, während sie [Naturia Cliff], [Naturia Beans], [Naturia Stinkbug], [Naturia Rosewhip] und [Naturia Bamboo Shoot] vorzeigte, „kann ich diese Kreatur erwecken! Spezialbeschwörung! Zeige dich, [Grandsoil The Elemental Lord], Herr der Erde!“

Sofort spürte Abby, wie es in ihr pulsierte. Eine fremdartige Macht, so stark, dass sie dagegen geradezu mickrig wirkte. Ihr ganzer Leib kribbelte wieder. Hinter ihr erhob sich eine kolossale Gestalt. Pechschwarz war sie, in eine unglaublich dichte Rüstung gehüllt. Als sie sich wie aus einem Schlaf erhob, brach der Boden des Terminals auf. Blitze umgaben den finsteren Krieger, der fast an die Decke stieß.

Anya folgte dem Schauspiel mit weit geöffneten Augen.

 

Grandsoil The Elemental Lord [ATK/2800 DEF/2200 (8)]

 

Abby starrte ebenfalls zu ihm hoch, richtete dann ihren Blick auf Anya. „Was immer er ist, ich vertraue dir. Effekt Grandsoils! Wenn er beschworen wird, belebt er ein Monster aus unseren Friedhöfen wieder, auf mein Spielfeld! Komm zurück, [Naturia Bamboo Shoot]!“

Aus einem Loch neben Abby brach ihr Monster hervor, direkt dort, wo Grandsoil seine riesige Handfläche verharren ließ. Dabei spürte sie, wie das Kribbeln unter ihrer Haut zu einem schmerzhaften Kratzen wurde.

 

Naturia Bamboo Shoot [ATK/2000 DEF/2000 (5)]

 

„Aber keine Sorge, da Bamboo Shoot spezialbeschworen wurde, bleibt sein Effekt aus.“

„Ach ja richtig, ich kann wieder meine gesetzten Karten aktivieren!“, fiel es Anya da ein.

„Dann hast du jetzt gleich die Gelegenheit dazu“, rief Abby aus, „ich greife deinen [Angel Wing Dragon] mit Grandsoil an! Cataclysm Chasm!“

Seine gigantische Faust erhebend, schmetterte der Riese sie in den Boden. Damit erzeugte er ein Erdbeben ungeahnten Ausmaßes. Alles um die beiden Duellanten zerbarst regelrecht, Anya stolperte rückwärts, ihr Drache schrie panisch auf – und die Zeit blieb stehen. Abbys Augen leuchteten rosafarbend auf.

 

Hallo, Abby.“

Das Mädchen sah sich um. Vollkommene Finsternis. Das war … eine Vision?

Vor ihr stand ein Mann, recht jung, fein gekleidet. Sein rotes Haar war penibel gekämmt. Einzig die Narbe an seiner Wange trübte das ansonsten makellose Bild ein wenig.

Wer sind Sie?“

Der Sammler. Sicher hat Anya dir von mir erzählt.“

Abby schreckte zurück. „Sie sind das!? Dann ist die Karte von Ihnen!“

„So ist es“, nickte er und streckte den Arm aus, „ich habe eine Bitte an dich.“

„Was … was könnte ein Dämon wie Sie von mir wollen?“, fragte Abby verunsichert.

Sie spürte nichts. Von ihm ging keinerlei Macht aus. Entweder weil er nur ein Trugbild war … oder weil seine Kräfte außerhalb ihres Wahrnehmungsvermögens lagen. Egal was es war, es bereitete ihr furchtbare Angst.

Der Sammler sah ihr mit festem Blick in die Augen. „Deine Freundin schwebt in großer Gefahr. Mit einigen Bedrohungen habe ich gerechnet, mit anderen nicht. Beschütze Anya, sollte sie jemals in Not geraten. Hilf ihr, wenn kein anderer ihr helfen kann. Mehr möchte ich nicht von dir.“

„D-das würde ich immer tun, aber-“

Doch er verschwand schon vor ihren Augen. Die Welt, wie sie sie kannte, kehrte zurück.

 

„Effekt von Angel Wing!“, löste Anyas Ausruf sie aus ihrer Starre. Der weiße Schlangendrache brüllte unheilvoll. „Im Kampf mit ihm erhalte ich keinen Kampfschaden!“

Unzählige Stalagmiten schossen unter ihm hervor und spießten ihn auf, ehe er von innen heraus regelrecht zerfetzt wurde.

 

[Anya: 3400LP / Abby: 4000LP]

 

Die junge Sirene wohnte dem Ganzen wie benebelt bei. Ihr war so, als hätte sie etwas gesehen, aber sie konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern. Der Blick wanderte automatisch auf ihre Duel Disk, wo [Grandsoil The Elemental Lord] zwischen [Naturia Vermilion] und [Naturia Bamboo Shoot] lag. Von ihm ging keine seltsame Energie mehr aus. Vielleicht hatte sie sich all das doch nur eingebildet? Der Flug war immerhin sehr lang gewesen, sie war müde.

Unsicher, was das alles zu bedeuten hatte, schaute sie auf. Richtig, sie wollte Anya zur Rede stellen.

Die biss sich nervös auf den Daumen, wusste sie, dass Abby sie jetzt mit dem riesigen Laubphönix und den Bambuszwiebeln direkt angreifen konnte. Was jene sogleich befahl: „Los, meine Monster, zeigen wir Anya, was für uns Freundschaft bedeutet! Direkte Attacke!“

„Tch, vergiss es, Masters! Falle aktivieren!“ Unter Anyas erhobener Hand sprang die Karte auf. „[Pyroxene Fusion]! Sie funktioniert wie [Gem-Knight Fusion], aber als Falle. Damit kann ich-!“

„Effekt [Naturia Vermilions]!“, konterte Abby. Einem Raubvogel gleich ging ihr Monster in den Sturzflug über und zerfetzte Anyas Falle dabei mit seinen ausgestreckten Klauen, ehe er sich unvermittelt auflöste. „Indem ich ihn auf den Friedhof schicke, kann ich eine Karte annullieren und zerstören, die ein Monster als Spezialbeschwörung rufen würde!“

„Shit! Aber wenigstens kannst du mich jetzt nicht mehr besiegen!“

Abby grinste. „Trotzdem kann [Naturia Bamboo Shoot] noch angreifen! Bamboo Shot!“

Wie gewohnt sprangen die Pseudokastanien in die Luft und ließen unter Anya spitze Bambusrohre hervorschießen. Die fluchte lauthals.

 

[Anya: 3400LP → 1400LP / Abby: 4000LP]

 

Mit einer Karte zwischen den Fingern rief Abby: „Die hier setze ich! Damit leite ich meine End Phase ein und …“

Die Falle materialisierte sich vor ihren Füßen, als beide Duellantinnen plötzlich synchron anfingen zu rufen:

„... [Naturia Vermilion] kehrt auf das Feld zurück!“

„... [Angel Wing Dragon] macht ein Comeback!“

Während sich Abbys Vogel über ihr materialisierte, tauchte der goldene, geflügelte Ring über Anya auf, aus welchem der schlangenhafte Drache geschossen kam.

 

Naturia Vermilion [ATK/2700 DEF/2000 (8)]

Angel Wing Dragon [ATK/2700 DEF/2000 (8)]

 

Die Blondine entsorgte aufgrund von Angel Wings Bedingung die Stufe 4-Monster namens [Gem-Knight Iolite] und [Gem-Knight Amber] von ihrem Friedhof, stopfte sie in ihre Hosentasche und musste grinsen. „Cool, gleichzeitig.“

Auch Abby schmunzelte. „Komischer Zufall.“

 

„Na dann, mein Zug! Draw!“ Anya griff nach ihrem Deck. Sie würde diese Sache gewinnen, dann gab Abby hoffentlich Ruhe!

Damit sie ihr alles erzählen konnte. Unter vier Augen. Irgendwann würde es sowieso herauskommen, bei ihrem Glück. Aber dann sollten wenigstens die beiden Deppen da drüben nicht dabei sein, das war eine Sache unter Freundinnen!

„Hey, Abby“, rief Anya ihrer Freundin zu, „wir müssen mal wieder zusammen was zeichnen.“

Es dauerte einen Moment. Aber als Abby überglücklich lächelte, wusste Anya, dass sie den Wink verstanden hatte.

„Also los!“, rief Livingtons Terrormaschine #1 lauthals und rammte eine Zauberkarte in ihre Duel Disk. „Zeit für die Gegenoffensive! Ich rüste Angel Wing mit [Megamorph] aus! Da meine Lebenspunkte unter deinen liegen, verdoppelt sich seine Stärke!“

Eine mit Runen verzierter Teller tauchte vor [Angel Wing Dragons] Brust auf – und wurde zertrümmert, als ein weißer Fangzahn in ihn hinein krachte.

„Konterfalle [Exterio's Fang]! Wenn ich ein Naturia-Monster kontrolliere, kann ich deine Karte annullieren. Dafür muss ich aber selber am Ende eine abwerfen.“ Was Abby auch tat, indem sie [Naturia Stag Beetle] in den Friedhofsschlitz schob.

„... berechenbar.“

Die brünette, junge Frau horchte überrascht auf. „Wie bitte?“

Anya grinste breit. „Du hast schon richtig verstanden, das war total berechenbar! Du hättest deine Falle hierfür aufheben sollen: ich aktiviere [Lightning Vortex]!“

Indem sie die Kosten bezahlte und [Particle Fusion] von ihrer Hand abwarf, konnte Anya eine Gewitterwolke über der erschrocken Abby und ihren Monstern erscheinen lassen. Die …

„... alle deine offenen Monster zerstören wird!“

„Oh nein!“

Nach und nach schossen Blitze aus der Wolke. Erst wurden die Zwiebeln geröstet Schrägstrich zerbombt, dann der riesige Vogel und schließlich Grandsoil. Und als dieser von Innen heraus explodierte und in alle Einzelteile flog, fühlte sich Abby mit einem Mal federleicht. Als wäre das Gewicht der ganzen Welt von ihren Schultern genommen worden.

„Das war also nur ein Bluff, um mich aus der Reserve zu locken“, fasste Abby die Situation zusammen, „gut gemacht, Anya. Du hast dich wirklich verbessert im Vergleich zu damals.“

Stolz zeigte das Mädchen mit dem Daumen auf sich selbst. „Na logo! Für meinen Traum ist das so gesehen überlebenswichtig! … aber das erzähle ich dir alles später.“

„Ich freue mich darauf“, strahle Abby aufrichtig.

„Jetzt freu' dich erstmal auf deine Niederlage!“ Anya ließ den Arm über ihre zweite gesetzte Karte ausschwenken. „Verdeckte Falle aktivieren! [Birthright]! Damit kann ich ein normales Monster von meinem Friedhof im Angriffsmodus reanimieren! Sei wiedergeboren, [Alexandrite Dragon]!“

Vor Anya öffnete sich ein Loch im Boden, aus dem allerlei bunte Lichter drangen. Aus ihm schoss ein prächtiger Drache hervor, dessen Haut mit genauso farbenprächtigen, winzigen Edelsteinen besetzt war. Zwar wirkte er gegen Angel Wing wie ein Zwerg, doch war er letztlich genauso groß wie Anya selbst, als er vor ihr landete.

 

Alexandrite Dragon [ATK/2000 DEF/100 (4)]

 

Abby seufzte. „Das war es dann wohl …“

„Worauf du deinen neu gestylten Hintern verwetten kannst!“, stimmte Anya mit ein. „Direkter Angriff, meine Drachen! Double Seraphim Judgment!“

Die hübsche Sirene schloss ihre Augen, als die Drachen damit begannen, Energie in ihren Mäulern aufzuladen. Irgendwie fühlte sie sich nicht mehr unwohl. Ihr würde nichts geschehen, das wusste sie. Keine Gefahren …

„Los!“

Simultan schossen beide Drachen einen leuchtenden Strahl aus ihrem Maul ab. In der Luft trafen sie aufeinander und verschmolzen zu einem, welcher Abby erfasste. Keine Angst …

 

[Anya: 1400LP / Abby: 4000LP → 0LP]

 

Die Hologramme verschwanden.

Als Abby die Augen öffnete, wurde sie von Passagieren umringt, die ihr allesamt ihre Glückwünsche trotz der Niederlage ausrichten wollten. Einige fragten sogar nach, ob sie sich mit ihnen duellieren würde, doch Abby lehnte dankend ab.

Anya hatte dagegen weitaus weniger 'Fans'. Zwar wurde auch sie zum Sieg beglückwünscht, aber weitaus verhaltener. Und es fragte keiner nach, ob sie Zeit für ein weiteres Duell hatte.

 

„Pack schlägt sich, Pack verträgt sich, huh?“, nahm Zanthe sie in Empfang, während Abby noch in Beschlag genommen wurde.

Anya verzog missmutig den Mund. „Irgendwie war das komisch. Plötzlich hat sie sich keine Mühe mehr gegeben.“

„Findest du?“, hakte der Kopftuchträger nach, musste dann aber dreckig grinsen. „Vermutlich hat sie keine Lust mehr gehabt auf dein Herumgezicke.“

„Hauptsache alles ist wieder in Ordnung.“

Entgegen seiner Aussage wirkte Nick trotzdem besorgt. Sein Blick lag dabei auf der Stelle, an der Anya sich duelliert hatte. Zwar war es kaum zu sehen, doch einige der Fliesen hatten Sprünge … Sprünge, die vorher nicht dagewesen waren.

 

~-~-~

 

Nebeneinander knieten die beiden jungen Frauen nieder. Anya zeichnete [Kachi Kochi Dragon], wohingegen sich Abby an [Naturia Beast] versuchte. Bestimmt schon drei Minuten waren sie still, nur mit ihren Bildern beschäftigt. Von unten aus der Küche drang das belanglose Geplapper von Zanthe in Anyas Zimmer, der sich mit ihrer Mutter über seinen neuen Job als Kartenverkäufer und Anyas Aushilfe unterhielt.

 

Dann brach Abby das Schweigen. „Du hättest mir das viel eher sagen müssen.“

„Wenn ich es dir gesagt hätte, wärst du sofort hierher gekommen“, antwortete Anya tonlos, während sie versuchte, Kachi Kochis Augen blutrünstiger darzustellen.

„Natürlich! Ich würde-!“

„Ich will aber nicht, dass du wegen mir dein Studium in Gefahr bringst“, fiel Anya ihr ins Wort und hörte abrupt mit dem Zeichnen auf, „ist schon schlimm genug, dass Nick alles weiß.“

„Bist du immer noch sauer auf ihn?“ Abby verharrte ebenfalls, blickte ihre Freundin fragend von der Seite an. „Weil er dir so lange etwas vorgemacht hat?“

„Ein bisschen …“

Es betrübte Abby zutiefst, ihre Freundin so … apathisch zu sehen. Ihr konnte sie nichts vormachen, nicht in diesem Augenblick. Die alte Angst war zurück, schlimmer als je zuvor. Das Leben, das sie sich so hart erkämpft hatte, vielleicht schon bald wieder zu verlieren.

„Wir werden dir helfen, diese Gegenstände zu sammeln“, versprach Abby.

Anya schüttelte den Kopf. „Nein. Zanthe und Nick werden mir helfen. Du hältst dich da raus, Masters.“
 

Damit stand die Blondine auf und sah auf ihr Kunstwerk herab. So hatte man ihren Drachen noch nie gesehen. In voller Pracht hatte er den Kopf zur Seite geneigt, während er durch die Lüfte flog. Als wäre hinter ihm jemand, den er unbedingt grüßen musste. Er sah direkt zu Abbys Bild herüber, wo ihr riesiger Tiger stolz durch einen Wald streifte und dabei in den Himmel sah.

„Sieht gut aus“, befand Anya stolz, „darf ich mir die beide ins Zimmer hängen?“

„Ja …“

 

Abby schluckte. „... Anya? Du hast mich doch gefragt, warum ich nicht Valeries Brautjungfer werden wollte.“

„Ja, was ist damit?“

„Ich hab vorhin im Auto geschwindelt, als ich gesagt hab, dass mir das zu peinlich wäre.“ Auch Abby erhob sich jetzt. Sie drehte sich zu Anya um. „Es wäre einfach falsch. Wir kennen uns kaum, haben nie etwas miteinander unternommen. Ich hab Valerie immer bewundert, besonders als wir damals gegen ganz Livington gekämpft haben, du weißt schon, die Urila-Geschichte. Aber das reicht nicht und das habe ich ihr gesagt.“

Verdutzt blinzelte Anya. „Und wie hat sie reagiert?“

„Sie hatte Verständnis und hat sich sogar dafür entschuldigt, mich damals mehr oder weniger ignoriert zu haben.“ Abby lächelte plötzlich. „Ich hab ihr jemanden als Ersatz für mich vorgeschlagen, aber stell dir vor, diejenige wollte Valerie nicht fragen.“

Anya zuckte unbedarft mit den Schultern. „Ahja? Die Glückliche!“

„Ja … ich glaube, es ist so das Beste, auch wenn es mir leid für Valerie und die von mir vorgeschlagene Person tut.“

Was Abby Anya in diesem Moment verschwieg war die Tatsache, dass von Letzterer die Rede war und Valerie nur zu gut wusste, dass Anya das Angebot sofort ausgeschlagen hätte. Was deswegen ein Geheimnis zwischen der Sirene und der Braut bleiben sollte.

„Was ich eigentlich sagen wollte … wenn du nicht möchtest, dass ich mich in die Sache einmische, dann werde ich das auch nicht. Aber ich werde immer an dich denken. Und wenn du doch Hilfe brauchst … frag einfach, okay?“

Ein Lächeln huschte über Anyas Lippen. „Danke.“

 

 

Turn 44 – Oh Brother

Nach einem interessanten Arbeitstag trifft Anya, als sie Zuhause ihren Feierabend mit einem Duell genießen will, auf niemand Geringeren als ihren Bruder Zachariah. Sofort entbrennt zwischen den beiden, die sich jahrelang nicht gesehen haben, ein erbitterter Streit. Und infolge dessen …



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fubukiuchiha
2017-07-20T16:29:43+00:00 20.07.2017 18:29
Hi
Cooles Kapitel, schön das Abby wieder da ist und dazu mit neuem Look. Schön das die beiden sich aussprechen konnten und das sie sich vertragen, aber ich glaube nicht das Abby sich da raushalten wird.
Bin gespannt wie es weiter geht.
Lg fubukiuchiha
Antwort von:  -Aska-
26.07.2017 19:38
Hey,
danke dir. Abby wird leider nur gelegentliche Gastauftritte haben, fürchte ich.

LG,
-Aska-


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