Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 58. “You don’t have to say anything.” (Baccana) ----------------------------------------------- Mit einem besorgten Stirnrunzeln beobachtete Cana ihren alten Schulfreund Loke, als er in das Taxis stieg, das sie ihm gerufen hatte. Seine Augen waren blutunterlaufen und unfokussiert, seine sonst so sorgfältig arrangierten Haare wirr, die Schultern herunter gesackt. In all den Jahren, die Cana den gelernten Koch schon kannte, hatte er sich kein einziges Mal derartig gehen lassen. „Haben Sie bitte ein Auge auf ihn, bis er in der Wohnung ist?“, wandte sie sich wieder an den Taxifahrer, der seinen Gast gleichgültig durch den Rückspiegel beobachtet hatte. Wahrscheinlich war der Mann schon viel Schlimmeres gewohnt. Dennoch ging Cana sicher, ihm eine ausreichend große Summe zu zustecken, damit sowohl die Fahrtkosten gedeckt waren, als auch ein ordentliches Trinkgeld für den Extraservice übrig blieb. Das war das Mindeste, was sie für Loke tun konnte, wenn sie schon nichts an seiner beschissenen Situation ändern konnte. Der Taxifahrer – eindeutig nicht der Gesprächigste seines Berufstandes – nickte knapp und nahm das Geld entgegen, ohne es zu zählen. Höchst wahrscheinlich hatte Cana ihm sogar viel zu viel gegeben, aber das war ihr egal. Ihr schlechtes Gewissen, weil sie sich aufgrund Personalmangels nicht von der Arbeit loseisen konnte, um Loke persönlich nach Hause zu begleiten, wog eindeutig schwerer. Sie trat zurück und schob die Hände in die Hosentaschen, während sie verfolgte, wie das Taxi sich in den Verkehr einfädelte, und sich, gelinde gesagt, beschissen fühlte. Im Grunde war diese Situation absehbar gewesen. Für Cana zumindest hatte es sich schon seit längerer Zeit angedeutet und vor einigen Wochen war es sogar Loke selbst klar geworden, dass er in eine andere Frau als seine Freundin verliebt war – von der er sich aber nicht einfach so trennen wollte, weil es ihr so schlecht ging und er ihr nicht noch mehr weh tun wollte. Es war eine absolut verkorkste Dreiecksgeschichte, die eigentlich keine sein müsste. Als das Taxi bei der nächsten Kreuzung um die Ecke gebogen und damit aus ihrem Sichtfeld verschwunden war, drehte Cana sich herum und ging zurück ins Quattro Cerberus. Die Kneipe war vollgestopft mit lärmenden Soldaten, die an ihrem freien Abend einen drauf machten. In einer Ecke verursachte eine kleine Gruppe Stammgäste heute besonders viel Lärm. Da wurde ein Junggesellenabschied gefeiert und normalerweise wäre Cana trotz des Trubels wenigstens einmal rüber gegangen, um mit alkoholfreiem Bier anzustoßen, immerhin kannte sie die Jungs schon seit einigen Jahren. Aber heute war sie definitiv nicht in der Stimmung dafür. Der Bräutigam würde es ihr schon verzeihen. Auf dem Weg zur Bar wurden ihr ein halbes Dutzend Bestellungen zugerufen, an die sie sich gleich machte, kaum dass sie ihr Ziel erreicht hatte. Es war ihr sogar lieber, jetzt viel zu tun zu haben. Das würde sie hoffentlich etwas ablenken. Zum Glück hatte Goldmine Verständnis für ihren mangelnden Enthusiasmus. Sie band ihrem Chef Privatprobleme für gewöhnlich nicht auf die Nase, aber Loke als ihr bester Freund war hier natürlich wohlbekannt und dass es ihm alles andere als gut ging, war vorhin nicht zu übersehen gewesen. Unter anderen Umständen hätte Goldmine sie wahrscheinlich mit Loke mitfahren lassen, aber zwei Kollegen waren krank und einer im Urlaub. Das ließ neben Cana und Goldmine nur noch Rocker, Nobarly und Bacchus einsatzfähig – und Letzterer war gerade dabei, alleine das Lager aufzufüllen, weil der Lieferant viel zu spät aufgekreuzt war. Mit routinierten Bewegungen füllte Cana Bierhumpen und Shotgläser und verteilte sie unter den Kunden, wischte verschüttete Getränke auf, kassierte ab, nahm neue Bestellungen entgegen, begrüßte und verabschiedete – und hatte dabei doch immer im Hinterkopf, dass sie eigentlich woanders sein sollte. In einer ruhigen Minute schickte Goldmine sie ins Hinterzimmer, damit sie sich eine Atempause gönnen konnte – wie er es zuvor auch schon Nobarly und Rocker ermöglicht hatte, Goldmine achtete auf seine Mitarbeiter. An dem kleinen Pausentisch saß Bacchus und wischte sich mit einem Handtuch das nasse Gesicht ab. Er hatte ein neues Tank-Top an. Wahrscheinlich war er beim Einräumen des Lagers ganz schön ins Schwitzen gekommen. Normalerweise heiterte es Cana immer auf, ihren Freund zu sehen. Bacchus hatte etwas an sich, was ihr half, locker zu lassen, die Dinge entspannt zu sehen. Nicht dass sie das Leben tatsächlich verbissen sehen würde, eigentlich waren sie und Bacchus einander sogar sehr ähnlich, aber Bacchus hatte keine komplizierte Familiengeschichte im Gepäck. Seine Eltern lebten in einem Kuhkaff im Umkreis von Magnolia, wo sie einen Hof unterhielten und sich über jeden Besuch ihres Sohnes freuten. Sogar mit Cana als Bacchus Freundin hatten sie kein Problem. Ganz im Gegensatz zu Gildartz, der zwanzig verlorene Jahre als Vater damit aufzuholen versuchte, dass er Bacchus quasi nonstop mit unausgesprochenen, aber nur zu deutlich spürbaren Drohungen bedachte, sobald dieser Cana auch nur falsch anzusehen schien. „Ist Loke noch da?“, durchbrach Bacchus die Stille. „Ich habe ihn mit nem Taxi nach Hause geschickt“, erwiderte Cana ruhig und ging zum Mitarbeiterkühlschrank, um sich eine Cola heraus zu holen. Natürlich hatte Bacchus es auch mitgekriegt, als Canas bester Freund am späten Nachmittag im Quattro Cerberus aufgekreuzt war und sich abgeschossen hatte. Er mochte nicht wissen, was genau eigentlich bei Loke im Argen war, aber dass es ihm reichlich beschissen ging, war unübersehbar gewesen. Und schon war Cana mit ihren Gedanken wieder bei Loke. Sie kannte ihn seit fünfzehn Jahren. Er war dabei gewesen, als sie ihre Mutter zu Grabe getragen hatte und als sie ihren bis dahin unbekannten Vater kennen gelernt hatte. Als sie entschieden hatte, ihr Fotografie-Studium an den Nagel zu hängen und in Vollzeit bei Goldmine einzusteigen, hatte er ihr den Rücken gestärkt. Und er war es auch gewesen, der ihr geraten hatte, endlich ehrlich zu sich selbst zu sein und die Sexbeziehung mit Bacchus zugunsten einer ernsthafteren Partnerschaft in Frage zu stellen. Verdammt noch mal, sie sollte bei ihm sein, wenn er sie brauchte! Als Bacchus unvermittelt vor ihr auftauchte, reagierte sie zuerst nicht auf ihn, sondern starrte finster auf seinen Bauch, ohne ihn wirklich zu sehen. Auf ihrer Zunge lag irgendeine halbgare Entschuldigung, um aus dem Quattro Cerberus verschwinden zu können. Doch als sie den Blick hob und die Lippen öffnete, schüttelte Bacchus grinsend den Kopf. „Du musst nichts sagen, Cana. Verschwinde einfach und kümmere dich um Loke. Wir schaffen das schon.“ Verblüfft sah Cana ihrem Freund in die roten Augen. „Seit wann kannst du Gedanken lesen?“ Bacchus schnaufte leise und schnippte ihr frech gegen die Stirn. „Wir sind ja wohl lange genug zusammen dafür, meinst du nicht?“ Er klang locker, beinahe beiläufig, aber in seinem Blick lag etwas ungewohnt Ernstes, das Cana unter die Haut ging. So etwas kannte sie nicht von Bacchus. Sicherlich, sie hatte sich immer gut bei ihm gefühlt und gewusst, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte, aber er war kein Mann für große Schwüre und Gesten. Aber hier und jetzt war es genau das, was sie brauchte, um für einen Moment zur Ruhe zu kommen, Kraft zu tanken, ihre Gedanken zu ordnen – und schließlich einen Entschluss zu fassen. „Danke!“, sagte sie schlicht und gab Bacchus einen Kuss, ehe sie ihm die Colaflasche in die Hand drückte und hinüber zu ihrem Schließfach ging, um sich ihre Jacke zu schnappen. Sie verschwand durch den Hintereingang der Kneipe. Um Goldmine musste sie sich keine Sorgen machen, das wusste sie. Bacchus würde ihm Bescheid sagen und für sie einspringen. Sie konnte sich auf ihn verlassen – und das war ein verdammt gutes Gefühl. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)