Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 2. “It reminded me of you.” (Lyvia) ----------------------------------- Der Topf mit der Blume stand auf einem Stapel Kartons, die mit zwei verschiedenen Handschriften mit Wohnzimmer beschriftet waren, umgeben von weiteren Stapeln, die sich so platzsparend wie möglich in eine Ecke des leeren Raumes schmiegten. Nur vage waren sie getrennt von anderen Kartonansammlungen, die mit Küche, Schlafzimmer und Bücher beschriftet waren, alles strategisch platziert wie bei einem Tetrisspiel. Dazwischen befanden sich immer wieder die großen Kartons mit noch nicht aufgebauten Möbeln, auseinander genommene alte Möbel oder Objekte, die nicht eingepackt werden konnten wie der Wäscheständer, ein riesiger Sitzsack, eine Stehlampe, ein Whiteboard, ein Globus, ein riesiger Nähkasten… Es war das Chaos eines frischen Umzugs, die Fusion zweier Haushalte – so klein sie auch vorher gewesen waren –, plus einiger neu erstandener Extras. So gut geordnet es auch war, es war in seiner Gesamtheit doch überwältigend. Inmitten all dessen hätte der Topf nicht auffallen sollen, aber er tat es doch. Er war bunt bemalt und glasiert, ein abstraktes Muster aus Schnörkeln mit Blau als Grundfarbe, groß genug für die hochwachsende Pflanze mit den großen Blättern, die entfernt an Eichenblätter erinnerten und den dicken Knospen, die nur zaghafte Öffnungen erkennen ließen. Nur eine der Blüten war bereits richtig geöffnet und präsentierte ein Kunstwerk aus unzähligen winzig kleinen Blütenblättern, konzentrisch angeordnet, ohne tatsächlich symmetrisch zu wirken, jedes einzelne Blütenblatt in einer anderen wunderschönen Nuance von Blau. Langsam legte Juvia die Tüte mit den Dönern, die sie auf dem Weg hierher besorgt hatte, auf einem alten Billigregal ab, zwischen dessen Böden eine beachtliche Ansammlung von Kissen und Kuscheldecken gequetscht worden war. Als Juvia heute Morgen – der allererste Morgen in ihrer gemeinsamen Wohnung! – zur Uni aufgebrochen war, war der Topf noch nicht da gewesen… Sie schlängelte sich durch das Chaos hindurch und blieb direkt vor dem Kartonstapel mit dem Blumentopf stehen. Jetzt erkannte sie, dass er mit Bedacht dorthin gestellt worden war. Hier erreichte die Pflanze genügend Licht. Ganz behutsam strich Juvia mit der Spitze ihres Zeigefingers über die geöffnete Blüte, genoss das samtig weiche Gefühl der zarten Blätter an ihrer Haut, bewunderte die vielen Blautöne. Von Nahem erkannte sie, dass sich einige Violettschimmer dazwischen gemogelt hatten. „Sie hat mich an dich erinnert.“ Als Juvia sich herum drehte, erkannte sie im Türrahmen Lyon. Er trug eine dunkle Jeanshose, die schon bessere Tage gesehen hatte – an einem Knie war sie aufgerissen, eine der Gürtelschlaufen war kaputt und nun wurde sie auch noch von Farbklecksen verziert –, und ein schwarzes Muskelshirt mit ausgefranstem Saum und weiteren Farbklecksen. Auf der Wange war ein Streifen Farbe zu erkennen, den er wohl unbewusst breit geschmiert hatte. Seine Haare standen in alle Richtungen ab. Es war ein ganz und gar ungewohnter Anblick, ein scharfer Kontrast zur sonstigen Perfektion, die Lyon selbst dann an den Tag legte, wenn er nicht Anzug und Krawatte für die Arbeit tragen musste, aber in Juvias Augen sah er dennoch umwerfend aus. Das hatte sie schon vor vier Jahren gedacht, als sie ihm in dem kleinen Café, in dem sie damals gearbeitet hatte, zum ersten Mal einen Kaffee rüber gereicht hatte. Und seitdem war sie um kein Jota von dieser Meinung abgewichen: Lyon war der attraktivste, charmanteste und schlichtweg perfekteste Mann auf dem gesamten Planeten! „An Juvia?“, fragte sie verwirrt und blickte zurück zu der wunderschönen Blume, die sie nicht benennen konnte. Leider kannte sie sich bei weitem nicht so gut mit Pflanzen aus, wie sie gerne würde – dabei hätte sie sich gerne ein bisschen zur Balkonpflanzen belesen, weil sie sich so sehr auf die neue Wohnung mit dem großen Balkon gefreut hatte, aber auf der Zielgeraden hatte es viel mehr Probleme mit ihrer Masterarbeit und dem damit zusammenhängenden Papierkram gegeben, als sie eigentlich gedacht hätte. Zu ihrem Unmut war genau dieser Papierkram auch der Grund gewesen, warum sie heute – an ihrem ersten Tag in der gemeinsamen Wohnung mit Lyon! – nicht beim Renovieren von Schlaf- und Arbeitszimmer hatte helfen können. Stattdessen war sie nämlich zum Studierendensekretariat gestiefelt und hatte dort sage und schreibe zwei Stunden lang gewartet, bis sie an der Reihe war, um das Problem mit ihrer angeblich verschwundenen Masterarbeit aus der Welt zu schaffen. Die hatte sie vor einer Woche extra per Einschreiben losgeschickt, aber irgendwie war das Kuvert mit den drei Exemplaren abhanden gekommen. Nach einer langen Diskussion hatte Juvia, die glücklicherweise einen USB-Stick mit der Arbeit dabei gehabt hatte – ein Ratschlag von Lyon – zum naheliegenden Kopierraum gehen müssen, wo sie erst einmal eine halbe Stunde darauf gewartet hatte, dass eines der Geräte frei wurde, ehe sie gut und gerne eine weitere halbe Stunde damit zugebracht hatte, ihre Masterarbeit dreimal auszudrucken. Dann hatte sie die Nachmittagsöffnungszeit des Studierendensekretariats abwarten müssen – zu viel Zeit, um geduldig bleiben zu können, aber zu wenig Zeit, um wenigstens eine Weile hier helfen zu können. Dabei hatte sie sich seit Wochen darauf gefreut, gemeinsam mit Lyon die Räume einzurichten, die sie fortan zusammen bewohnen würden. Sie hatte sogar davon geträumt, mit Lyon zu malern und wie schön es wäre, wenn er ihr einen Farbklecks von der Wange wischen und sie dann zärtlich küssen würde – denn er konnte so, so gut küssen! Mit diesem umwerfenden Lächeln, bei dem Juvias Herz jedes Mal Purzelbäume schlug, zuckte Lyon mit den Schultern. „Ich habe sie im Baumarkt gesehen und musste gleich an dich denken. Gefallen sie dir?“ „Juvia liebt sie!“, antwortete die Blauhaarige enthusiastisch und beeilte sich, den Hindernisparcours durch das Wohnzimmer schnell hinter sich zu bringen, um die Arme um den Hals ihres Freundes schlingen und sich für einen Kuss strecken zu können. Ein warmes, brodelndes Gefühl machte sich in ihrem Inneren breit, als er einen Arm um ihre Taille schlang und die freie Hand in ihren Haaren vergrub. Als sie sich wieder voneinander lösten, war Juvias Gesicht heiß vor Freude und auf Lyons Zügen zeichnete sich diese ganz besondere Weichheit ab, von der Juvia sich sicher war, dass sie sie als Einzige jemals zu Gesicht bekommen hatte. „Es tut Juvia so schrecklich Leid, dass sie dir heute den ganzen Tag nicht helfen konnte!“, flüsterte sie. „Das muss es nicht, es war nicht deine Schuld“, erwiderte Lyon sanft, fischte nach der Tüte mit den Dönern und zog Juvia sanft mit sich in den Flur. „Und ich habe mein Versprechen gehalten und nur das Arbeitszimmer eingerichtet und die Küche neu gestrichen und Tisch und Stühle eingeräumt. Um das Schlafzimmer können wir uns morgen gemeinsam kümmern.“ „Juvia freut sich schon darauf!“, versicherte sie begeistert. Als sie sich mit Lyon am Küchentisch nieder ließ und begann, ihren eigenen Döner auszupacken, konnte Juvia nicht mehr aufhören zu lächeln. Nach einem halben Jahr Wohnungssuche, Planung, Masterarbeitsstress, Jobsuche und schließlich Umzugsstress war sie nun endlich dort angekommen, wovon sie schon vor vier Jahren heimlich geträumt hatte, nachdem der attraktive Weißhaarige mit dem charmanten Lächeln ihr ein viel zu großzügiges Trinkgeld gegeben und das Café wieder verlassen hatte: Eine gemeinsame Wohnung mit dem Mann ihrer Träume! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)