Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 30. “One more chapter.” (Gajeel-Juvia-Levy) ------------------------------------------- Levy ließ sich nur selten dazu überreden, jemandem eine Geschichte vorzulesen. Es war noch nie ihre Lieblingsdisziplin gewesen. Schon als Kind hatte sie sich davor gesträubt und wenn man sie doch dazu genötigt hatte, war sie pausenlos ins Stottern geraten, hatte versehentlich Zeilen übersprungen und war – wenn sie nicht vorher schon das Handtuch geworfen hatte – über kurz oder lang immer leiser geworden. Denn so sehr sie eine Geschichte auch liebte und so schnell und flüssig sie diese normalerweise auch lesen konnte, sie wurde grundsätzlich nervös, wenn ihr jemand beim Vorlesen zusah und –hörte. Die Blicke von Klassenkameraden und Lehrern hatten immer für furchtbares Lampenfieber bei ihr gesorgt und sobald die Ersten von ihnen angefangen hatten, über Levys Fehler zu lachen, war das Ganze im Grunde zur Todesspirale geworden. Nach ihrem Schulabschluss war das Jahre lang kein Thema mehr gewesen. An der Universität hatte sie keine Texte mehr vorlesen müssen – zumindest keine fiorianischen, wenn sie welche in Alt-Encasisch vorlesen musste, war das ein ganz anderes Thema – und als Doktorandin auch nicht. Aber dann war ihre Partnerin Tante von sehr quirligen Zwillingen geworden… „Noch ein Kapitel!“ Seufzend ließ Levy ihren Abenteuerroman sinken und blickte über den Rand ihrer dunkelroten Lesebrille hinweg zu Juvia, die es sich auf der anderen Seite der langen Eckcouch gemütlich gemacht hatte. Die riesige, flauschige Kuscheldecke lag über ihrer beider Beine und schützte sie vor der unangenehmen Kälte des Spätherbstes, aber zusätzlich hatte Juvia sich in eine Strickjacke gewickelt und hielt eine Tasse mit dampfenden Tee in der Hand, die sie von Zeit zu Zeit aufgefüllt hatte, während sie Levy zugehört hatte. Jetzt blickte Juvia mit großen, flehenden Augen zu Levy und hatte damit große Ähnlichkeit mit ihrem Neffen und ihrer Nichte. Die traktierten Levy auch immer mit diesen Bettelblicken, welche der Doktorandin das Gefühl gaben, das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte zu begehen, wenn sie ihnen einen Wunsch abschlug. Nur war dieses Gefühl bei Juvia fast noch schlimmer, eben weil Juvia diesen Blick auch im Erwachsenenalter noch vollkommen arglos anwendete, während die Zwillinge ihn jetzt schon sehr gezielt einsetzten. Diese Durchtriebenheit mussten sie eindeutig von Juvias Bruder Totomaru haben, denn Aries war so ziemlich der zurückhaltendste und argloseste Mensch der Welt. Auf der Suche nach einer Rettung sah Levy sich im Wohnzimmer um und kämpfte dabei gegen ihre Verlegenheit und Unsicherheit an. Seit sie das erste Mal beim Babysitten von den Zwillingen dazu überredet/gezwungen worden war, ihnen ein Märchen vorzulesen, kam Levy aus dieser ganzen Sache nicht mehr heraus. Juvia hatte sie irgendwann mal dabei erwischt und danach hatte sie sie so lange angebettelt, bis Levy ihr auch etwas vorgelesen hatte. Am Anfang war es eine furchtbare Stotterpartie gewesen. Levy hatte sich wieder an ihre Schulzeit erinnert gefühlt und sich kaum beruhigen können. Aber Juvia hatte sie kein einziges Mal ausgelacht – nicht dass Levy ihr das jemals zugetraut hätte –, sondern immer nur wie gebannt zugehört. Mittlerweile stotterte Levy nicht mehr, geriet höchstens gelegentlich ins Stocken, wenn sie im Eifer einer spannenden Szene zu schnell wurde, aber es erfüllte sie doch jedes Mal zunächst mit Unsicherheit, wenn Juvia sie darum bat, ihr vorzulesen. „Guck’ nicht so, du musst doch nur ein Kapitel vorlesen.“ Angesäuert blickte Levy zu Gajeel, der sich im Sessel lümmelte. Eigentlich hatte sie geglaubt, er wäre eingeschlafen, aber anscheinend hatte er doch zugehört. Irgendwie machte der Gedanke Levy noch nervöser. „Hast du etwa auch zugehört?“, fragte Levy und wünschte sich, ihre Wangen würden nicht so furchtbar heiß werden. „’türlich“, brummte Gajeel und zuckte mit den breiten Schultern. „Is gut.“ Das entlockte der Doktorandin ein Stirnrunzeln. Was wollte Gajeel denn damit ausdrücken? Dass ihm das Buch gefiel? Warum musste er bloß immer so wortkarg sein?! Er musste ja nicht gleich so eine Plappertasche wie Levys beste Freundin sein, aber dass er selbst im trauten Heim nicht klar darüber reden konnte, was er dachte, machte Levy manchmal wahnsinnig. Sie war einfach nicht gut darin, so etwas zu interpretieren und diese ganze Situation war immer noch ungewohnt für sie – immerhin gewöhnte man sich nicht von Jetzt auf Gleich daran, ein Liebesverhältnis mit gleich zwei Menschen zu haben. Insbesondere dann nicht, wenn nicht darüber geredet wurde. Es hatte sich… einfach so ergeben? Anders konnte Levy es wirklich nicht beschreiben. Dabei hatte es ganz harmlos damit angefangen, dass sie zusammen eine WG gebildet hatten, als Levy noch im Aufbaustudium gesteckt hatte und sich etwas Neues hatte suchen müssen, weil ihre vorherige Mitbewohnerin ungeplant schwanger geworden war und mit ihrem Freund zusammen gezogen war. Mit Gajeel und Juvia hatte es von Anfang an geknistert und keiner der Beiden hatte sich je etwas daraus gemacht, dieses ganze Gefühlswirrwarr klar zu definieren. Sie hatten sich einfach treiben lassen – und Levy mitgerissen. Ein leises Kichern lenkte Levys Aufmerksamkeit zurück zu Juvia, die verschlagen in Gajeels Richtung blickte, ehe sie Levy zuzwinkerte. „Was Gajeel eigentlich sagen möchte, ist, dass er dir genauso gerne zuhört wie Juvia.“ Gajeel schnaufte leise, widersprach jedoch nicht. Levys Wangen fühlten sich jetzt so an, als würden sie in Flammen stehen. „A-aber ich kann doch gar nicht gut vorlesen!“, widersprach sie zaghaft. Abwägend wiegte Juvia den Kopf hin und her, ehe sie mit den schmalen Schultern zuckte. „Juvia findet es schön. Sie hört dir gerne zu und sie schaut gerne zu, wie viel Freude du an der Geschichte hast. Gajeel übrigens auch.“ Wieder brummte der junge Mann. „Lies einfach weiter vor. Oder nein, lasst uns zuerst ins Bett gehen. Ist gemütlicher.“ Begeistert stellte Juvia ihre Teetasse neben der halbleeren Kanne auf dem Couchtisch ab und klatschte dann in die Hände. „Das ist eine großartige Idee, Gajeel! Dann können wir kuscheln!“ „Was auch immer“, murmelte Gajeel und stand auf, um schon mal ins Schlafzimmer zu gehen. Technisch gesehen war es Juvias Schlafzimmer, aber irgendwie war es schon seit Monaten ihr gemeinsames Schlafzimmer. Levy nutzte ihr eigenes Zimmer fast nur noch, wenn sie an ihrer Doktorarbeit schrieb oder dergleichen, aber ihr Bett in dem Zimmer war schon lange unberührt geblieben. Immer noch zutiefst verlegen blickte Levy zwischen Gajeel und Juvia hin und her. Letztere krabbelte über das Sofa auf sie zu, beugte sich lächelnd über das Buch und gab Levy einen Kuss, ehe sie mit leuchtenden Augen den Kopf schräg legte. „Nur noch ein Kapitel. Bitte?“ Wie könnte sie bei diesem Blick überhaupt noch an Widerworte denken? Levy nickte belämmert und ließ sich von ihrer enthusiastischen Partnerin auf die Beine und ins Schlafzimmer ziehen, wo Gajeel bereits auf sie Beide wartete. Als Levy sich zwischen seinen Beinen aufs Bett setzte und ihren Rücken an seine Brust lehnte, während Juvia sich an seine Seite kuschelte, legte er einen Arm um Juvias Schultern und den anderen um Levys Taille. Eine von Juvias zierlichen Händen kam auf Levys Oberschenkel zum Ruhen. Für einen Moment nahm Levy sich die Zeit, die intime Nähe einfach nur zu genießen. Dann klappte sie ihr Buch wieder auf und begann, das nächste Kapitel vorzulesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)