Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 8. “Take my seat.” (NaYu) ------------------------- „Bist du dir sicher, dass ich dich nicht mit dem Auto abholen soll?“ Natsu verkniff sich ein genervtes Stöhnen. Seit Lucy im letzten Schwangerschaftstrimester war, war sie so vollgestopft mit Hormonen, dass sie alles und jeden bemutterte. Normalerweise war das lustig, insbesondere wenn der werdende Vater Opfer dieser Hormonschwankungen wurde – Grays Gesicht, als Lucy ihm einen Vortrag über vorsichtiges Fahren gehalten hatte, würde Natsu sein Leben lang nicht vergessen –, aber heute traf es zu Natsus Leidwesen ihn selbst. Beinahe bereute er, dass er Gray versprochen hatte, auf Lucy aufzupassen, während der wegen einer zweitägigen Messe in Crocus übernachten musste. „Bleib’ Zuhause, Lu, die Bahn ist gleich da.“ „Aber mit Krücken in der Straßenbahn und dann auch noch in den Bus umsteigen…“ Lucy klang, als ginge es um eine Weltreise und nicht um eine Fahrt, die Natsu schon hunderte Male hinter sich gebracht hatte, seit seine beiden besten Freunde sich ein historisches Backsteinhaus am Stadtrand vom Erbe ihrer Eltern gekauft hatten. Immerhin war das ehemalige Bauernhaus, bei dessen Renovierung er so tatkräftig mit angepackt hatte, fast so etwas wie sein zweites Zuhause. „Lu, ich habe mir nur den Fuß gebrochen und ich laufe schon seit zwei Wochen auf Krücken. Ich bin mit den Dingern garantiert immer noch schneller als Gray ohne.“ „Was heißt hier nur den Fuß gebrochen? Du kannst froh sein, dass er noch dran ist!“ Schon nach dem dritten Wort hielt Natsu sich das Handy vom Ohr, denn die Blondine am anderen Ende der Leitung schlug jetzt ihren besonders schrillen Tonfall ein, mit dem sie es schon im zweiten Trimester zur Meisterschaft gebracht hatte. Lucy war schon immer grandios darin gewesen, sich viel zu sehr aufzuregen – etwas, was Natsu nur allzu gerne noch etwas mehr angestachelt hatte –, aber seit sie schwanger war, hatte das noch ganz andere Dimensionen angenommen. Natsu schwankte diesbezüglich immer zwischen Schadenfreude in Bezug auf Gray und Sorge in Bezug auf seinen ungeborenen Patensohn. „Ah, da kommt die Bahn! Lu, ich bin in einer Dreiviertelstunde bei dir. Bis dann!“ Ohne seiner Freundin eine weitere Chance zum Protestieren zu geben, beendete Natsu das Telefonat und schob sich das Handy in die Hosentasche, ehe er seine rechte Krücke wieder aufnahm, die er neben sich gegen die Wand gelehnt hatte, um telefonieren zu können. Links und rechts von ihm drängten sich die Leute an die Türen der Straßenbahn, ohne sonderlich viel Rücksicht auf den jungen Mann in ihrer Mitte zu nehmen, der mit einem schweren Rucksack und einem dicken Gipsschuh samt Krücken ausgerüstet war. Zum Glück hatte Natsu schon genug Übung damit und hielt mit seinen Schultern mühelos dagegen, wenn er wieder geschubst wurde. Nachdem alle Anderen eingestiegen waren, stemmte er sich in die Straßenbahn und sah sich nach einem freien Platz um. Es wäre schön, wenigstens einen sicheren Stehplatz zu haben, damit er sich anlehnen konnte, aber keiner machte für ihn Platz. Nicht verwunderlich, Natsu kannte das schon seit Jahren so mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln. Deshalb fuhr er normalerweise lieber mit dem Fahrrad zu Grays und Lucys Haus, aber das fiel momentan ja leider aus. „Entschuldigung.“ Überrascht drehte Natsu sich nach rechts, wo eine junge Frau von einem Einzelplatz aufstand, ein Finger zwischen die Seiten ihres beängstigend dicken Buches geklemmt. Sie war hübsch, war Natsus erster Gedanke. Klein und zierlich gebaut mit einem herzförmigen Gesicht und einer niedlichen Stupsnase. Ihre Augen waren groß und braun und ihre weißen Haare kurz. Eine Haarspange mit einer blauen Kunstblume steckte darin, eigentlich ein eher kindlicher Schmuck, aber er passte ausgesprochen gut zum Gesamtbild der Weißhaarigen. Und sie hatte hübsche Lippen. Sie waren etwas schmal und ungeschminkt, nicht dieser typische Kussmund, den viele andere Frauen spazieren trugen. Nicht dass Natsu grundsätzlich ein Problem mit Lippenstift und all dem Kram hätte. Oft genug hatte er Lucy vor einem Date mit Gray versichern müssen, dass ihr Make up perfekt war – auch wenn er sich dabei jedes Mal gefragt hatte, warum sie nicht einfach Juvia und Meredy um Rat fragte –, und er hatte es auch immer ernst gemeint. Er hatte sich sogar gefreut, als Lucy fast ein Jahr nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters endlich wieder die Energie aufgebracht hatte, sich zu schminken. Aber diese junge Frau hier sah auch ohne all diesen Kram sehr hübsch aus und- Natsu blinzelte verwirrt, als ihm bewusst wurde, dass sich die Lippen der Weißhaarigen bewegt hatten. Er war so in Gedanken gewesen, dass er sie zuerst nicht verstanden hatte und jetzt stand sie vor ihm und sah verlegen zwischen ihm und dem nun leeren Platz hin und her. „Hä?“, brachte er hervor. „Ich sagte: Nehmen Sie meinen Platz“, wiederholte die Weißhaarige und schien dabei nicht die Spur genervt oder ungeduldig. Ganz im Gegenteil, sie schien geradezu eine Ausgeburt von Geduld und Verständnis zu sein und wirkte eher sogar etwas verlegen. „Ach, das geht schon“, winkte Natsu leichtsinnig ab. „Ich kann mit den Krü-“ Er wurde unterbrochen, als die Straßenbahn mit einem Ruck anfuhr. Um sich an einer der Stangen festhalten zu können, musste er die rechte Krücke fallen lassen. Als die Fahrt ruhiger wurde, rieb er sich verlegen den Hinterkopf. „Das war Absicht.“ Die Mundwinkel der Weißhaarigen zuckten sachte – wie süß! Alle Anderen reagierten auf Natsus Possen meistens mit einem Augenrollen! – und sie bückte sich, um die Krücke aufzuheben, ehe sie wieder auf den Platz deutete. „Bitte setzen Sie sich.“ Obwohl sie immer noch so sanft wirkte, spürte Natsu auch einen Hauch von Strenge bei ihr. Nicht diese beinahe mörderische Drohung, mit der Erza ihn und Gray immer bei der Stange hielt, oder die explosive Art von Lucy. Die Weißhaarige schien sich besser unter Kontrolle zu haben, aber in ihren braunen Augen machte ein störrisches Funkeln klar, dass sie sich nicht wieder hinsetzen würde. Irgendwie fühlte Natsu sich davon weder eingeschüchtert wie bei Erza, noch herausgefordert wie bei Lucy, sondern er wollte sich fügen, einfach um ein noch schöneres Lächeln aus der jungen Frau heraus zu kitzeln. Aber das musste er natürlich richtig angehen. „Unter zwei Bedingungen“, platzte es also aus ihm heraus. Seine Krücke noch immer in der Hand, runzelte die junge Frau die Stirn. „Bedingungen?“ „Erstens darfst du mich nicht mehr siezen“, erklärte er freiheraus. Ein wenig perplex nickte die Weißhaarige und trat noch etwas mehr beiseite, damit Natsu sich den Rucksack von den Schultern streifen und sich auf den Platz plumpsen lassen konnte. „Okay, und Ihre- ich meine deine zweite Bedingung?“ Natsu ließ den Rucksack zwischen seinen Beinen auf den Boden fallen und klemmte die ihm verbliebene Krücke zwischen sich und der Wand ein. Gerade wollte er auch mit der zweiten, ihm wieder übergebenen Krücke so verfahren, als es schon wieder durch die Bahn ruckte. Ohne darüber nachzudenken, ließ er die Krücke Krücke sein und schlang einen Arm um die Taille der Weißhaarigen, um sie zu stabilisieren. Ihr Gesicht wurde krebsrot, aber gleichzeitig klammerte sich ihre freie Hand an seine Schulter. Der Druck ihrer zierlichen Finger hinterließ auch durch den Stoff seines offenen Hemdes und des darunter befindlichen T-Shirts ein angenehmes Kribbeln auf Natsus Haut. „Das meinte ich eigentlich nicht mit der zweiten Bedingung, aber das ist auch gut“, lachte er, ohne die Weißhaarige loszulassen. Beinahe könnte er schwören, dass Rauch aus ihren Ohren stieß, aber ihre Hand hob sich und schlug ihm verlegen auf die Schulter. „I-ich bin mir nicht sicher, o-ob ich die… die zweite Bedingung jetzt noch erfüllen will“, presste sie atemlos hervor. Diese Mischung aus grenzenloser Verlegenheit und einer kecken Note war wirklich sehr ansprechend. Selbst als er nicht mehr lachte, konnte Natsu einfach nicht anders, als der Weißhaarigen sein breitestes Lächeln zu schenken. „Zweitens will ich deinen Namen wissen. Oh, und mein Name ist Natsu. Natsu Dragneel.“ Er hielt ihr die Rechte zum Handschlag hoch. Wieder löste die Weißhaarige ihre Hand von seiner Schulter und er bedauerte bereits den verringerten Kontakt, aber dann ergriff sie seine Hand. Ihre Haut war weicher, als er es sich vorgestellt hatte, und ihre Finger zitterten ein wenig, aber nach einigen Sekunden drückte sie seine Hand, sachte, aber resolut. „Yukino“, sagte sie leise. Auf ihre schmalen Lippen schlich sich ein Lächeln, noch ein wenig wackelig vor Verlegenheit, aber dennoch unglaublich schön! „Ich heiße Yukino Aguria.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)