Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 46. “You can go first.” (MacbethSorano) --------------------------------------- „Alles klar, Leute, Schluss für heute“, brummte Erik und machte eine scheuchende Handbewegung in Richtung der Tür, aber Sorano war sich sicher, dass er für einen Moment zu seinem Handy hinunter schielte, das während der Besprechung auf dem Arbeitstisch gelegen hatte. Wahrscheinlich hatte er mal wieder ein Telefondate, aber es wäre ein Fehler, ihn darauf anzusprechen. Dann würde er schon aus Prinzip einen von ihnen einspannen, um mit ihm noch einen zu heben, nur um zu beweisen, dass er nicht zu einer bestimmten Uhrzeit irgendwo anrufen wollte – und in der Folge würde er mies gelaunt sein, weil er seine Herzensdame versetzt hatte. Sie hatten das Ganze schon mehrmals durchgemacht, bevor auch der Letzte von ihnen begriffen hatte, was für ein Vollidiot der Oberfeldwebel ihrer Gruppe war, wenn es um diese Frau ging. „Und ich will nicht schon wieder etwas davon hören, dass ihr euch angefaucht habt“, fügte er noch mit einem finsteren Blick in Soranos und Macbeths Richtung hinzu, woraufhin Sawyer neben ihm kicherte. Mit einem Augenrollen stand Sorano auf und verließ Eriks zeitweiliges Quartier, das ihm in der kleinen Kaserne von Oak Town zur Verfügung gestellt worden war. Hatte er ein Glück, dass er Oberfeldwebel war und ein eigenes Zimmer bekam! Die Anderen mussten sich immer zu zweit ein Zimmer teilen. Und natürlich musste Sorano sich wieder ein Zimmer mit Macbeth teilen. Wenn Richard nicht der schlimmste Schnarcher aller Zeiten und Sawyer nicht ein nerviges Klatschmaul wäre, hätte sie auch dieses Mal dagegen protestiert, einfach um weiterhin ihren Standpunkt klar zu machen, dass sie eben nichts vom werten Herrn Generalssohn von-und-zu-Macbeth wollte, nur weil sie ein einziges Mal zu viel von Sawyers Selbstgebrannten gekippt und sich den Gleichaltrigen schön gesoffen hatte. Missmutig und doch darum bemüht, das nicht offensichtlich werden zu lassen, schleppte Sorano ihren Seesack in ihr Quartier. Sie machte sich gar nicht erst die Mühe, sich damit zu beeilen, ihren Kulturbeutel aus dem Sack zu graben, damit sie schnell ins Gemeinschaftsbad konnte. Ihre Kameraden wussten, dass es Sorano herzlich wenig juckte, sich mit ihnen ein Bad zu teilen, und dass sie nicht einmal mit der Wimper zuckte, wenn sie an einer ganzen Reihe besetzter Pissoirs vorbei laufen musste. Aber wenn sie es vermeiden konnte, sich Richards grauenhaften Duschgesang anzuhören, ließ sie die Männer immer vor. Auch dann, wenn sie – so wie heute – viel zu müde war, um sich die Zeit damit zu vertreiben, eine neue Postkarte für ihre kleine Schwester zu schreiben. Sie machte Yukino gerne eine Freude, indem sie ihre Sucht nach Postkarten befriedigte, und irgendwie machte es ihr selbst auch Spaß, die kurzen Texte zu verfassen, aber nach diesem langen Tag konnte sie sich nicht darauf konzentrieren. Morgen konnte sie die Postkarte auch noch beschreiben. Oder übermorgen. Sie würden noch ein paar Wochen hier bleiben, weil sie wieder ein paar Frischlinge für die Special Forces einreiten sollten. An den Anfang eines solchen Aufenthalts setzte Erik zu Soranos Leidwesen immer eine sehr ausgiebige Erkundung des Geländes und der Stadt. Er wollte wissen, mit was für einer Umgebung die Anwärter vertraut waren. Flaches, strukturloses Gelände zog oft Unachtsamkeit nach sich. In traditionell behafteten Regionen waren die Anwärter erstaunlich lax, wenn es um die Einhaltung der einheitlichen Kleidung ging, und neigten eher dazu, ihr Zugehörigkeitsgefühl für eine Religion oder ethnische Gruppe durch Wimpel, Bänder und dergleichen zu demonstrieren – außerdem sprachen sie oft einen grauenhaften Dialekt, was eine effektive Kommandoübermittlung mitunter katastrophal schwierig machte. An all das passte Erik seinen Trainingsplan an, um die Anwärter so unbarmherzig und effektiv wie nur irgend möglich zu drillen. In der Regel schafften es nur ein oder zwei von zehn Anwärtern, durch Eriks harte Schule zu kommen. Diejenigen, die sich durchbissen, kamen dafür als echte Soldaten aus der Sache heraus, die sich tatsächlich für die riskanten Einsätze der Special Forces eigneten. Der Erfolg gab Eriks Methode also Recht. „Du kannst zuerst gehen.“ Überrascht blickte Sorano von ihrem Seesack auf, welchen sie auf dem Stuhl neben ihrer Pritsche abgestellt hatte. Den Riemen seines eigenen Seesacks noch um die rechte Schulter geschlungen, stand Macbeth in der Tür. Seine Miene war beinahe undeutbar. Er hatte sich noch nie gerne in die Karten schauen lassen. Aber in seinem Blick lag etwas Seltsames. Sorano konnte nicht den Finger darauf legen, aber es war einfach seltsam… Ein kleiner Teil von ihr würde gerne einfach danach fragen, auch wenn das bedeutete, zu zugeben, dass ihr mehr an dem Schönling lag, den sie schon so lange kannte. Aber wie immer erlaubte sie diesem kleinen Teil nicht, zu Wort zu kommen. Sie musste doch einen Ruf wahren! „Was ist mit Richard und Sawyer?“, fragte sie mit einem Stirnrunzeln. „Die schauen noch mal bei dem Pub am Stadtrand vorbei. Bis Richard angesäuselt ist und Sawyer mit ihm die Geduld verliert, hast du sicher eine Stunde Zeit. Das sollte selbst für dich reichen.“ Mit einer rüden Geste zur Antwort zog Sorano ihren Kulturbeutel und Wechselsachen aus ihrem Seesack, ehe sie im Gemeinschaftsbad verschwand. Erst als das herrlich heiße Wasser der Dusche jede Faser ihres Körpers erwärmte, kam ihr der Gedanke, dass Sawyer und Richard den Pub gar nicht gesehen haben konnten, weil nur sie, Macbeth und Erik beim Stadtrundgang an ihm vorbei gelaufen waren, während die anderen Beiden bereits das Waffenarsenal der Kaserne in Augenschein genommen hatten. Hatte Macbeth sie etwa darauf aufmerksam gemacht, damit Sorano zuerst duschen konnte, ohne Ohrenbluten befürchten zu müssen? Und wenn ja… warum? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)