Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 59. “Wow.” (LoLu) ----------------- Kritisch betrachtete Lucy sich im Spiegel und fragte sich dabei zum wiederholten Mal, warum sie sich ausgerechnet vom Schulschwarm hatte breitschlagen lassen, ihn zum Abschlussball zu begleiten. Wahrscheinlich weil er Wochen lang nicht locker gelassen hatte. Und irgendwie auch, weil sie nicht alleine gehen wollte, nachdem sie es endlich geschafft hatte, ihren besten Freund und bisherigen Ballpartner dazu zu bringen, das Mädchen zu fragen, für das er schon seit einem Jahr schwärmte. Nicht dass Lucy letzteres nun bereute, aber sie fragte sich nun doch, ob es an ihrem Abschlussball wirklich so schlimm war, alleine aufzukreuzen, statt mit einem Weiberhelden der höchsten Güteklasse aufzumarschieren. Hatte sie nicht gerade im letzten Schuljahr genug in der Hinsicht durch? Eigentlich hatte sie sich nach Dan doch geschworen, dass sie erst einmal genug von Romanzen jedweder Art hatte, und die Anfrage des Schulschwarms war eindeutig romantischer Natur gewesen… Seufzend schüttelte Lucy den Kopf und strich sich eine Strähne aus der Stirn. Sie hatte ihre langen Haare zu einem linksseitigen Chignon gebunden, nachdem sie sicher eine Stunde lang verschiedene Hochsteck- und Flechtfrisuren ausprobiert hatte. Nach der vierten hatte ihr Bruder sich in seinem Zimmer verbarrikadiert, damit sie ihn nicht mehr nach seiner Meinung fragen konnte. Mieser Verräter. Der sollte noch mal ankommen und fragen, welches T-Shirt er zu einem Date mit Rogue anziehen sollte! Mit dem Make-up hatte Lucy sich bei welchem weniger Mühe gemacht. Dezenter Lidschatten und Kajal, Wimperntusche, Rouge und rosé schimmernder Lipgloss. Nicht dass sie es nicht mochte, sich mit allen Schikanen so richtig aufzudonnern, aber erstens machte das beim Frisieren viel mehr Spaß als beim Schminken und zweitens wollte sie nicht, dass ihr heutiger Begleiter oder irgendjemand sonst zu viel in die Sache hinein interpretierte. Außerdem war ihr Kleid schon spektakulär genug. Es war ein Traum aus dunkelblauen Satin mit nur einem breiten Träger über der rechten Schulter, während der Stoff an der linken Hüfte noch mal gerafft wurde und von dort ausgehend mit Paletten besetzt war, die bei der Raffung zunahmen, während sie rarer gesäht waren, je weiter sie von der Raffung entfernt waren. Das Kleid war rechtsseitig bodenlang, während es links durch die Raffung immer wieder einen Blick auf Lucys Waden zuließ, die dank des regelmäßigen Volleyballtrainings straff und schlank waren. Die Füße steckten in hochhackigen, schwarzen Pumps, die Lucy auch schon bei ein paar Firmenveranstaltungen ihres Vaters getragen hatte, weshalb sie nicht befürchten musste, sich damit zum Affen zu machen. Alles in allem war sie sehr zufrieden mit ihrer Aufmachung. Aber ein kleines I-Tüpfelchen fehlte noch. Lucy konnte nicht den Finger darauf legen, aber ihr kam es irgendwie unvollständig vor. Egal wie lange sie sich vor dem Spiegel drehte, sie kam einfach nicht drauf. Normalerweise hatte sie für so etwas immer ihre Mutter als Beraterin zur Hilfe, aber die war mit ihrem Mann für eine Woche bei einer Tochterfirma in Alvarez eingespannt und bereitete sich wahrscheinlich gerade selbst auf irgendeine Abendveranstaltung vor. „Du brauchst das hier.“ Überrascht drehte Lucy sich zu ihrem Bruder um, der in der Tür stand und mit kritischer Miene ein Silberkettchen mit Anhänger mit dem gebogenen Zeigefinger in die Höhe hielt und leicht schwenken ließ. „Woher hast du das?“, japste Lucy, als sie den feingliedrigen Anhänger in Form eines Löwen erkannte, der eigentlich ihrer Mutter gehörte. „Ma hat ihn mir gegeben. Sie meinte, du wirst ihn sicher für dein Outfit brauchen“, erklärte Sting und zuckte mit den Schultern. „Dabei siehst du auch so gut aus.“ „Davon versteht ihr Männer nichts“, erwiderte Lucy und eilte mit großen Schritten zu ihrem Bruder, um ihm die Kette abzunehmen und die winzige Klammer zu öffnen. „Hilfst du mir?“ „Ich dachte, davon verstehen wir Männer nichts“, erwiderte Sting frech und streckte ihr die Zunge heraus, nahm ihr die Kette jedoch ab und legte sie ihr um den Hals. Er hatte einige Mühe damit, die Klammer wieder zu schließen, aber schließlich trat er mit einem zufriedenen Brummen einen Schritt zurück. „Du siehst genauso aus wie vorher, nur halt mit Kette.“ „Pass’ nur auf, wenn du nächstes Jahr mit Rogue zum Abschlussball gehst, dann wirst du auch Ewigkeiten brauchen“, erwiderte Lucy erhaben und betrachtete sich im Spiegel, wobei ihr nicht entging, wie sich die Wangen ihres Bruders hinter ihr röteten. Wie immer hatte ihre Mutter den richtigen Riecher, mit der Kette war Lucys Aufmachung perfekt! Ehe die Geschwister sich weiter miteinander zanken konnten, klingelte es. Lucy griff schnell nach ihrer kleinen Handtasche – natürlich passend zu ihrem Kleid, was auch sonst? – und eilte mit großen Schritten in den Flur und weiter in das Zimmer ihres jüngsten Bruders Lector, der bereits auf der breiten Fensterbank hockte und aus seinem Fenster starrte, von dem aus er einen perfekten Blick auf den Eingangsbereich der opulenten Villa hatte. „Mit dem willst du ausgehen, Lu?“, fragte Lector und blickte mit skeptischer Miene über seine Schulter. „Ich gehe nicht mit ihm aus. Er begleitet mich nur zum Abschlussball“, erwiderte Lucy und stützte sich an Lectors Schulter ab, um ebenfalls einen Blick auf ihren Begleiter zu erhaschen. Er sah gut aus, war ihr erster Gedanke. Ihr zweiter Gedanke war, dass er zu gut aussah. Der dunkle Anzug schien ihm wie auf den Leib geschneidert zu sein, brachte seine Schultern perfekt zur Geltung und umschmeichelte seine schlanke, aber maskuline Statur. Er hatte wider aller Erwartungen auf eine steife Krawatte verzichtet und die oberen beiden Knöpfe des weißen Hemds offen gelassen, was die festliche Garderobe etwas auflockerte. In der Brusttasche des Jacketts steckte ein rotes Taschentuch. Seine kupferfarbenen Haare erinnerten wie eh und je an eine Löwenmähne, was mit diesem Aufzug umso besser passte. Er erinnerte an einen stolzen, aufrechten Löwen, mächtig und majestätisch und… „Warum trägt er eine Sonnenbrille?“, unterbrach Lector Lucys Gedanken. „Wahrscheinlich um seine Coolness zu retten“, mutmaßte Sting trocken. „Lucy, bist du dir sicher, dass du ausgerechnet mit Loke King ausgehen willst?“ „Ich gehe nicht mit ihm aus, er begleitet mich nur-“ „Zum Abschlussball, schon klar“, seufzte Sting und schüttelte aus irgendeinem Grund den Kopf, während Lector albern kicherte. „Ihr seid doof!“, schmollte Lucy und verließ wieder Lectors Zimmer, um dem Flur bis zur breiten Treppe zu folgen, die in die große Eingangshalle hinunter führte, wo bereits Spetto die Tür für Loke öffnete. Lucy hörte, wie er sich charmant bei der Haushälterin bedankte, die daraufhin überraschend mädchenhaft lachte. „Was für ein Süßholzraspler“, murmelte Sting, der Lucy gemeinsam mit Lector auf dem Fuße folgte. „Es kann nicht jeder so ein Flegel wie du sein“, schimpfte Lucy und fragte sich im nächsten Moment, warum sie Loke eigentlich verteidigte, wo sie sich doch vorher so gesträubt hatte, den Schulschwarm zu begleiten. „Rogue steht auf Flegel“, gab Lector neunmalklug zum Besten. Während ihre Brüder sich tuschelnd miteinander zankten und am oberen Absatz der Treppe zurück blieben, stieg Lucy selbige weiter hinunter. Als sie auf halber Höhe war, bemerkte Loke das Klicken ihrer Absätze, nahm sich die Sonnenbrille ab und hob den Blick. Auf seinen Lippen lag bereits ein gewinnendes Lächeln, doch als er Lucy sah, geriet das Lächeln ins Schwanken und ihm blieb der Mund offen stehen vor Überraschung. Auf einmal klopfte Lucy das Herz bis zum Hals und sie musste sich richtig anstrengen, auf den letzten Stufen nicht ins Wanken zu geraten. Hatte sie es doch übertrieben? Passte die Frisur nicht zum Kleid? War das Kleid zu gewagt? Oder zu langweilig? Und warum war ihr das auf einmal so wichtig, dass sie Loke gefiel? Als sie den Fuß der Treppe erreicht hatte, starrte Loke sie noch immer offenen Mundes an. Von oben hörte Lucy das Kichern ihrer Brüder und die halbe Dienerschaft des Hauses tummelte sich im hinteren Bereich der Eingangshalle, während Spetto neugierig zwischen Lucy und Loke hin und her sah. „Wollen wir?“, fragte Lucy, um die peinliche Stille endlich zu durchbrechen, schämte sich jedoch im nächsten Moment für ihre piepsige Stimme. Loke blieb ihr eine Antwort schuldig. Sein Blick wanderte zum wiederholten Mal über ihre gesamte Erscheinung, als wollte er sich jedes noch so kleine Detail einprägen. Als sein Blick ihrem begegnete, verspürte Lucy einen Schauder, der ihren Rücken hinunter lief, und ihr stieg die Hitze in die Wangen. In dem Versuch, sich selbst in den Griff zu kriegen, räusperte sie sich vernehmlich. „Also?“ „Natürlich“, beeilte Loke sich zu sagen und sein Blick huschte noch einmal über Lucys gesamten Körper, ehe er sich endlich fing und ihr ein atemberaubendes Lächeln schenkte. „Aber du bist einfach… Wow!“ Von oben erklang ein zweistimmiges Prusten, aber Lucy hörte es kaum, weil es so sehr in ihren Ohren rauschte. Mittlerweile waren ihre Wangen feuerrot und sie schwankte zwischen dem Wunsch, schreiend weg zu laufen, und dem, hier und jetzt einen Freudentanz aufzuführen. So simpel es auch war, sie konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor solch ein ehrliches Kompliment erhalten zu haben, das sie so sehr gefreut hatte! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)