Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 18. “Here, drink this. You’ll feel better.” (Laxerva) ------------------------------------------------------ Seufzend stieß Minerva die Tür auf und bereute es beinahe sofort wieder. Das Fairy Tail war so brechend voll wie eh und je. In einer Ecke fand ein lautstarker Wettkampf im Armdrücken statt. Um den Arenatisch herum standen und saßen lauter Zuschauer, die johlend und provozierend ihren jeweiligen Favoriten anfeuerten. Ziemlich am Rand der Szene saß Rogue und beobachtete den kindischen Wettstreit mit einem skeptischen Stirnrunzeln. Anscheinend war Sting einer der Kontrahenten, ansonsten hätte der Schwarzhaarige sich überhaupt nicht dafür interessiert. Für einen Moment erwog Minerva, sich zu Rogue dazu zu gesellen, aber sie verwarf den Gedanken wieder, als sie Natsus Kampfgeschrei hörte. Sie war eindeutig zu angeschlagen, um sich so nahe an diesen Unruheherd zu begeben. Sie ließ den Blick weiter wandern über all die besetzten Tische. An einem der größeren fand gerade eine Pokerrunde statt, allem Anschein nach strebte sie dem Ende entgegen, denn ein Großteil der Chips lag bereits fein säuberlich gestapelt vor Yukino. Ein mattes Lächeln umspielte kurz Minervas Lippen. Niemand traute es ihrer weißhaarigen Kameradin jemals zu, aber Yukino war die gefährlichste Pokerspielerin aller Zeiten. Mit ihrer sonst so liebreizenden Art und ihrem scharfen Verstand zockte sie regelmäßig den gesamten Stützpunkt ab. In der ruhigsten Ecke fachsimpelten ein paar Leute aus der Taktischen Abteilung miteinander. Die Wortführerinnen waren – wenig überraschend – Lucy und Levy. Normalerweise wäre das auch eine interessante Möglichkeit gewesen, den Abend zu verbringen, auch wenn Minerva als Teamführerin einen ziemlich guten Stand bei ihren Kameraden hatte und gerne auch ihre freien Abende mit eben diesen verbrachte. Aber gerade als Teamführerin wusste sie es zu schätzen, auch Einblick in die Überlegungen der oberen Riege zu erhalten, von denen schließlich auch ihr Leben und das der ihr anvertrauten Soldaten abhing. Doch heute war sie einfach nur müde und doch zu aufgewühlt, um sich in ihre kleine Kammer zu verziehen. Noch immer flackerten die Bilder des heutigen Tages vor ihrem inneren Auge auf und sie fragte sich, ob sie überhaupt jemals verschwinden würden. Minerva suchte die Theke ab, die ebenfalls voll besetzt war. Feuermeister Conbolt und Zeugmeister Mine hatten sich an einem Ende bereits ordentlich abgeschossen und säuselten der Bedienung irgendwelche Peinlichkeiten zu. Das übliche Bild also. Zu Minervas Erleichterung war der letzte freie Platz an der Theke sehr weit von ihnen entfernt. Für gewöhnlich könnte sie die volltrunkenen Komplimente der beiden Männer, die beinahe so alt wie ihr Vater waren, einfach an sich vorbei ziehen lassen, aber heute brauchte sie auch zu ihnen Abstand. Erst als sie schon fast den leeren Platz erreicht hatte, bemerkte sie, wer links davon und somit ganz an der Wand saß. Ausgerechnet einer der wenigen, die wussten, was Minerva heute durchgemacht hatte. Und obendrein genau die Person, neben der Minerva es schon in Höchstform selten lange aushielt. Es schien einfach wie ein Naturgesetz zu sein, dass es zwischen ihnen krachte. Ihre jeweiligen untergebenen Soldaten hatten sich deswegen sogar schon miteinander verschworen, um sie möglichst voneinander fern zu halten. Müde sah Minerva sich noch mal im vollen Schankraum um, aber die wenigen leeren Plätze, die sie sonst noch entdecken konnte, waren noch viel weniger verlockend – was schon eine Menge über die potenziellen Sitznachbarn aussagte, aber die Plätze neben ihnen waren ja auch nicht ohne Grund leer. Resigniert schwang Minerva sich auf den Barhocker und winkte Kinana heran, die sich offensichtlich erleichtert von Conbolt und Mine abwandte und ein Bier für den neuen Gast abzapfte. Dankbar für den Umstand, dass sie nicht einmal wirklich bestellen musste, weil die Barfrau ihre Vorlieben bereits kannte, nickte Minerva der Violetthaarigen einfach nur zu, ehe sie an ihrem Humpen nippte. Sie verzog das Gesicht. Sie war sich vollkommen sicher, dass dem nicht so war – so etwas war hier absolut undenkbar –, aber das Bier kam ihr dennoch schal vor. Die Flüssigkeit glitt unangenehm zäh durch ihre verengte Kehle und der Geruch reizte ihre hypersensibilisierte Nase. Unauffällig schob sie den Humpen ein kleines Stück von sich und starrte verdrossen auf die dunkle Thekenplatte hinunter, auf der unzählige Soldatengenerationen bereits ihre Nachrichten eingeritzt hatten. Unwillkürlich fragte sie sich, wie viele dieser Soldaten das gesehen hatten, was sie heute gesehen hatte. „Davor warnen sie einen nicht bei der Grundausbildung.“ Überrascht hob Minerva den Blick und blickte nach links. Ihr unliebsamer Sitznachbar blickte mit seinen orangefarbenen Augen finster in sein Wodka-Glas hinunter – komisch, dabei war Minerva sich sicher, dass er normalerweise auch bei Bier blieb. Seine Kiefer mahlten angespannt und seine dichten dunkelblonden Augenbrauen hatten sich zusammen gezogen. Seine kurzen, blonden Haare wirkten seltsam wirr, als wären seine breiten Hände mehrmals hindurch gefahren, und irgendwie ließ die breite, blitzförmige Narbe, die über seine rechte Augenbraue und bis hinunter zu seiner Wange verlief, ihn heute noch düsterer als sonst wirken. „Nein, tun sie nicht“, antwortete Minerva tonlos und ließ den Blick lieber über die vielen Fotos wandern, die mit Reißzwecken an den Hängeschränken hinter der Theke befestigt waren. Irgendwo unter all diesen Fotos gab es gewiss auch eines von Minervas Rekrutengruppe. Viele waren von den ehemals vierzig Soldaten nicht mehr übrig. Mehr als die Hälfte hatte nach der Grundausbildung aufgehört, einige waren versetzt worden und einige waren bereits in Erfüllung ihrer Pflicht gestorben… Der Einzige aus dieser Gruppe, den Minerva noch kannte, war ihr Sitznachbar. Genau wie Minerva hatte er zu den besten Absolventen bei der Abschlussprüfung gehört. Genau wie Minerva war er jetzt ein Teamführer. Sie waren geradezu zur Rivalität prädestiniert, aber irgendwie war das oft in offene Feindseligkeit umgeschlagen, ohne dass Minerva wirklich erklären könnte, warum. Es hatte zwischen ihnen irgendwie immer zum guten Ton gehört. Für die Leute in ihrem Umfeld war es oft viel nervenaufreibender als für sie Beide. Nur heute spürte Minerva nichts von dieser Rivalität und sie war dankbar darum. Das war ein Kampf, den sie nicht gewinnen konnte – nicht gewinnen wollte. Noch einmal versuchte Minerva, an ihrem Bier zu nippen, doch sie hatte das Gefühl, daran zu ersticken. Der Anblick des weißen Bierschaums erinnerte sie an weißblondes Haar, das wie ein Heiligenschein auf rostigem Untergrund ausgebreitet war. An ein bleiches Kindergesicht mit leeren großen, blauen Augen, die Miene voller Schrecken. An einen zierlichen, unnatürlich verdrehten Körper. An weitere Körper, blass wie Schnee, von roten Striemen und blauen Quetschungen abgesehen, übereinander geworfen auf der Ladefläche eines verbeulten Lastwagens wie wertlose Puppen… Dieses Mal schob sie den Humpen ganz offen von sich und fischte nach ihrer Börse. „Ich glaube, ich muss zu Doktor Marvell…“ Warum sie ausgerechnet ihrem Sitznachbarn gegenüber zugab, dass sie eine Einschlafhilfe brauchte, war ihr schleierhaft. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie das gegenüber ihren Kameraden zugeben würde, dabei würde sie ihnen sonst jederzeit ihr Leben anvertrauen. Als Kinana zu ihr kam, hob der Mann neben ihr sein Glas und spreizte Zeige- und Mittelfinger ab, ehe er nach rechts nickte. Die sonst so sattelfeste Barfrau hob überrascht die Augenbrauen und blickte zwischen ihren beiden Gästen hin und her, ehe sie der Anweisung nach kam, ein zweites Glas holte und es genau wie das des Blonden zur Hälfte füllte. Taktvoll zog sie sich danach zurück. Verwundert blickte Minerva von dem Glas vor ihr zu ihrem Sitznachbarn auf, doch der schenkte ihr nur einen kurzen, undeutbaren Seitenblick, ehe er seine Aufmerksamkeit seinem eigenen Glas widmete. „Trink’ das. Du wirst dich besser fühlen“, erklärte er leise. Das bezweifelte Minerva. Das Einzige, was sie vom Genuss dieser klaren Flüssigkeit erwartete, war ein tüchtiger Kater am nächsten Morgen. Doch andererseits hatte sie kaum noch etwas zu verlieren. Ihr Team würde es morgen so oder so mit einer unerträglichen Anführerin zu tun bekommen. Wortlos griff sie nach dem Wodka-Glas, zögerte noch einmal, dann stieß sie es sachte gegen das Glas ihres Sitznachbar, ehe sie es an ihre Lippen setzte… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)