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Sirius Black

Sein Erleben von 1981 bis zu seinem Tod
von

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Unter Verdacht

Das Feuer loderte hoch und warf große Schatten auf die steinernen Wände des abgedunkelten Raumes. Nur das leise knackende Holz war seit einiger Zeit zu hören. Nach der Warnung Dumbledores, die wie eine große Bombe eingeschlagen hatte, hüllten sich alle in Schweigen und hingen bedrückenden Gedanken nach. James' Arm war um die Taille Lilys geschlungen, ihre Hand lag in seiner anderen. Sirius sah aus dem Fenster und folgte der Silhouette jener großen, dünnen Gestalt, die gerade mit einem kleinen Gegenstand das Licht in die Straßenlaternen zurück huschen ließ.

Als die Kerze vor Sirius flackerte und erlosch, seufzte er leise. Lily gähnte verstohlen, schmiegte sich enger an ihren Mann und durchbrach die Stille.

„Wir haben bisher drei Mal Glück gehabt. Nun können wir nichts weiter tun, als zu hoffen.“

„Hoffen!“ Sirius spuckte das Wort verbittert aus. „Wir müssen etwas tun. Der Orden muss vollkommen neu organisiert werden. Es kann doch nicht sein, dass sich diese verdammten Todesser ungestraft und mühelos einen nach dem anderen von uns schnappen.“ Ungeduldig schlug er mit der Hand auf den Tisch. „Woher wissen sie von unseren Plänen? Wer ist der verdammte Spion?“

„Niemand von uns!“ Remus' Stimme klang entschieden und wurde dann eindringlich: „Wir müssen einander vertrauen.“

Sirius schüttelte den Kopf. „Wir müssen wachsamer werden. IRGENDEINEN Hinweis, irgendetwas muss es doch geben, das wir übersehen. Wer weiß davon, dass Harry im Juli geboren ist? Kaum jemand außer uns! Weshalb denkt Voldemort, dass es um ihn geht?“

„Das alles heißt aber nicht, dass jemand von uns Informationen weitergegeben hat“, beharrte Remus und reichte Peter, der sich nach der Erwähnung Voldemorts vor Schreck mit Butterbier bekleckert hatte, eine Serviette. „Sie hätten es auch so herausfinden können.“

Sirius schnaubte. „Und wie, bitte schön?“ Remus zuckte die Achseln und schwieg.

„Aber wenn es doch jemand von uns war...“, setzte Sirius langsam an und sah zu Lily. Der Anblick schnürte ihm den Hals zu.

Ja.

Wenn jemand unter ihnen zum Verräter geworden war, verlöre er seinen besten Freund, Lily und das Kind, dessen Pate er vor einem Jahr geworden war. Lily erschauderte und erhob sich, schlang die Decke etwas enger um sich und sah traurig in die Runde: „Ich gehe zu Bett“, murmelte sie. James folgte ihr nach einem flüchtigen Gruß ebenfalls und Peter, Remus und Sirius blieben allein zurück. Aufmerksam taxierte Sirius seine Freunde. Niemand von ihnen würde Lily und James jemals verraten. Niemals.

Oder vielleicht doch?

Sirius raufte sich die Haare. Wie kannst du diese Gedanken nur zulassen? Eure Freundschaft besteht seit so vielen Jahren. Und bei den leisesten Ungereimtheiten bekommst du schon solche Gedanken?

Schäm dich!

Doch es half nichts. Sein Blick traf den Remus', der ihn müde und erschöpft erwiderte. Sirius versuchte, sich ihn dabei vorzustellen, wie er mit einer dunklen Gestalt tuschelnd in einer Gasse stand und Informationen des Ordens weitergab, doch das war einfach absurd, unvorstellbar.

Beschämt senkte er den Blick.

Dumbledore wollte eindeutig nicht, dass jemand von ihnen der Geheimniswahrer würde. Vielmehr wollte er selbst den Zauber sprechen, der das Leben der kleinen Familie schützen sollte. Sirius fühlte sich gekränkt, des Misstrauens gegenüber. Doch zugleich kam er nicht umhin sich einzugestehen, dass die Zweifel gegen seine Freunde längst auch sein Herz fest im Griff hatten und es vergifteten. Man könnte meinen, du seist siebzig, so voller Skepsis, Angst und Zweifel. Dabei sagt man den Zwanzigjährigen doch nach, dass sie nichts fürchten. Schöner Gryffindor bist du!

Polternde schob Remus den Stuhl zurück. „Ich muss los, habe heute Nachtdienst.“

„Machs gut, Moony“, rief Peter und wandte sich an Sirius. „Sollen wir noch einen Abstecher in den Pub machen?“ Sirius nickte. Die Oktobernacht war nicht die erste kalte, doch in dieser waren die Straßen glatt geworden. Trotz der kurzen Strecke apparierten sie und drängten sich hastig in das Lokal.

„Moony hat gut reden mit seinem Vertrauensappell“, knurrte Sirius und nahm einen Schluck Butterbier. Peter ließ sein Glas sinken, biss sich auf die Lippe und schüttelte ratlos den Kopf.

„Was ist?“, fragte Sirius. Peter seufzte und rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.

„Ich weiß nicht“, murmelte er schließlich. „Lauter seltsame Gedanken in meinem Kopf…“ Er sah mit verzweifeltem Blick zu Sirius.

„Gedanken, die mich überkommen, die ich nicht möchte!“ Er schüttelte sich. Sirius setzte sich aufrechter hin.

„Was meinst du damit?“, rief er aufgeregt. Peter zuckte die Achseln.

„Ich habe ihn gesehen… Letzte Woche … mit...“

„JA?“ Sirius Stimme war laut geworden, einige Gäste drehten sich neugierig zu ihnen um und hastig senkte er seine Stimme. „Mit wem?“

„Also… also ich glaube, dass es… dass es Dolohow war. Und kurz darauf waren die Prewetts...“ Er brach ab. „Aber ich habe mich sicher getäuscht! Das ist unmöglich. Ich sage ja, mein Gehirn...“ Sein Ton wurde flehend. „Sirius, es kann nicht sein, oder?“

Sag nein! Befahl sich Sirius. Sag, dass er sich geirrt haben muss!

Er räusperte sich: „Niemals würde Remus… würde unser Moony so etwas tun.“

Peter nickte heftig. „Nein, nie“, bekräftigte er. Sie sahen einander an und Sirius konnte das selbe Gefühl in den Augen des Freundes lesen, welches ihn selbst umtrieb: Furcht.
 

Das Rauschen des Baches wirkte entlastend auf Sirius. James zu seiner Linken lächelte versonnen, während er den kleinen Harry festhielt, der Kieselsteine ins Wasser warf und übermütig lachte. „Den Besen haben wir gegen seinen hartnäckigen Widerstand zuhause gelassen“, rief James und schüttelte sich das Haar aus der Stirn. Sirius grinste. Ja, das konnte er sich nur allzu lebhaft vorstellen. Lily jedoch verzog keine Miene und wandte sich an ihren Mann: „Lass uns nach Hause gehen, ich fühle mich hier unwohl“, bat sie und sah sich nervös nach allen Seiten um.

Augenblicklich verschwand das Lächeln seines Freundes. Er nahm Harry auf den Arm und setzte ihn in den Kinderwagen. Lily blickte Sirius an und holte tief Luft.

„James und ich haben eine Entscheidung getroffen.“ Sirius nickte und wartete.

„Wir lehnen Dumbledores Angebot ab und bitten dich darum, unser Geheimniswahrer zu werden.“

Merlin sei Dank, schoss es Sirius durch den Kopf. Sie haben ihr Vertrauen in mich nicht verloren. „Aber auch du solltest dich verstecken“, fuhr Lily eindringlich fort. Sirius nickte.

„Das habe ich sowieso vor“, brummte er schweren Herzens.

„Irgendwann ist alles vorbei. Irgendwann werden wir wieder in Freiheit leben können...“ Lilys Stimme verlor sich.

Ja, dachte Sirius. Irgendwann. Doch wer weiß, wie viele Menschen wir bis dahin noch verlieren werden.

Eine zündende Idee

Sirius wusste zunächst nicht, was ihn geweckt hatte. Seine Zunge klebte am Gaumen, er versuchte, zu schlucken, doch sein Mund war wie ausgedörrt. Mit schweren Gliedern stieg er aus dem Bett, ging mit bloßen Füßen auf dem kalten Stein zur Küche und griff gierig nach dem noch gefüllten Becher. Gedankenverloren ließ sich Sirius auf den Stuhl sinken und starrte zum Mond hinauf. In weniger als einer Woche würde dieser so hell leuchten, dass Moony sich wieder einmal verstecken musste, um sich und andere zu schützen. Wehmütig legte Sirius den Kopf auf die Tischplatte.

Bei Vollmond vermisste er das Schloss und besonders die Ländereien noch mehr als üblich. Doch mittlerweile erfüllte der Vollmond ihn nicht nur mit Sehnsucht, sondern auch Angst: Bei Vollmond würde Fenrir Greyback, diese Bestie, wieder zuschlagen und in den Schlagzeilen der darauf folgenden Tage dominierten die Schreckensnachrichten des Werwolfes alle anderen.

Dabei hat Moony noch Glück gehabt, dass Dumbledore ihm eine Chance gegeben hat, dachte Sirius. Viele andere fristen ihr Dasein nach den Attacken als Ausgestoßene, bis sie selbst zu Tätern werden.

Erneut drängten sich ungebetene Bilder vor Sirius inneres Auge. Doch nun war er zu müde, um ihnen entgegenzutreten.

Wenn man die Sache mal ganz objektiv betrachtet, kann er es sein, so wie jeder andere auch. Und Peter meinte ja, Remus gesehen zu haben. Erschöpft und rastlos sprang er auf, lief verzweifelt die Küche auf und ab. Er ertrug seine Gedanken nicht, er ertrug die Enge nicht, er musste hier raus!

Frei und leicht auf vier Pfoten zu laufen, bis die Erschöpfung die Angst und die Zweifel vertreiben würde.

Kein Geräusch war zu hören, als Sirius mit gespitzten Ohren den Flur betrat. In diesen Zeiten musste er mehr denn je auf der Hut sein. Niemand durfte ihn bei seiner Verwandlung beobachten. In einer Ecke hinter den Müllkübeln fühlte er sich schließlich sicher genug und kurz darauf jagte ein großer, zottiger Hund mit weiten Sprüngen dahinter hervor.

Seine geschärften Sinne nahmen jedes Geräusch wahr, Schritte von der Straße, Gelächter und das Scharren der Ratten in einem Loch. Ihr strenger Geruch stieg ihm in die feuchte Nase. Unvorstellbar, dass echte Hunde sich von so etwas ernähren, dachte er und verlangsamte allmählich sein Tempo.

Im Mondlicht glitzerte der Bach geheimnisvoll, Kieselsteine drückten sich in Sirius' Tatzen.

Hier hatten sie zu Viert gestanden. Hier war er endgültig zu dem Menschen geworden, dem Lily und James ihr Leben anvertrauten.

Und wenn es ein Fehler ist?

Was, wenn Remus doch…? Was, wenn nur wenige Stunden nachdem ich den Zauber gesprochen habe Todesser kommen, um mich mit Gewalt zum Reden zu bringen?

Er vergrub den Kopf unter den Vorderpfoten und hörte ein leises, qualvolles Fiepen. Erschrocken verwandelte er sich, sein Herz raste. Nie zuvor hatte er von sich selbst einen solchen Laut vernommen. Gänsehaut breitete sich aus.

Ernüchtert richtete er sich auf. Es gibt kein Entkommen. Wenn ich den Zauber ausgeführt habe, fliehe ich. Bloß wohin?

Jedoch…

Plötzlich stand er stocksteif da. Die Todesser würden sich gewiss an ihn wenden, jeder konnte an einer Hand abzählen, dass die Potters ihn auswählen würden.

Was, wenn er mit Peter die Rollen tauschte? Der Gedanke elektrisierte ihn. Die Ausstrahlung ihres kleinen Freundes wäre in diesem Fall absolut perfekt! Schwach, hilflos und ängstlich.

Voldemort würde niemals erwarten, dass die Familie ihm diese Aufgabe geben würde. Ein breites Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des jungen Mannes aus. Endlich hatte er einen Ausweg gefunden.
 

„Wer ist da?“, erklang die misstrauische, ängstliche Stimme Peters.

„Ich bin es“, zischte Sirius. „Tatze.“

„Du?“ Das verblüffte Gesicht erschien im Türspalt. „Ist etwas geschehen? Es ist mitten in der Nacht.“ Wortlos drängte sich Sirius in die Wohnung.

„Ich habe eine Idee“, rief er aufgeregt. Und dann erzählte er.
 

Lily hatte die Beine dicht an den Körper angezogen, die Arme um die Knie geschlungen.

„Du möchtest mit Peter tauschen? Weshalb? Und was sagt Moony dazu?“

Unbehagen stieg in Sirius auf. Genau dies war die Frage, die er am Meisten gefürchtet hatte.

„Also … Ich...“, stotterte er und scharrte mit den Füßen.

„Du hast es ihm nicht gesagt?“ James' Stimme klang entsetzt. Schuldbewusst zog Sirius den Kopf ein. „Nein“, murmelte er, intensiv seine Schuhspitzen betrachtend.

Lily legte den Kopf auf die Knie, die Schultern begannen zu zucken. Mit drei großen Schritten durchquerte James das Wohnzimmer, setzte sich neben seine Frau und drückte den bebenden Körper an seine Brust.

„Was ist nur aus uns geworden?“, schluchzte Lily und hob das tränennasse Gesicht aus den Händen. „Wie weit ist es gekommen, dass wir den besten Freunden nicht mehr trauen können?“ Beinahe zornig befreite sie sich aus James Umarmung und stürmte die Treppenstufen hinauf.

Die Stirn in tiefe Falten gelegt sah James ihr nach. „Erzähle mir bitte, was mit Moony ist“, bat er monoton. Keine Emotionen färbten seine Stimme. Die Gefühlsachterbahn durch die permanente Bedrohung schien den besten Freund abgestumpft zu haben.

„Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll“, meinte James nach den Ausführungen Sirius. „Du bist seit zehn Jahren mein bester Freund und ich traue deinem Urteil. Ich werde mit Lily sprechen.“
 

Die Sonne färbte den Himmel in ein sanftes Rot, als die beiden Männer am Haus der Potters eintrafen. Peter nahm aus unerfindlichen Gründen nicht wahr, wie Sirius den Blickkontakt suchte. Sein Atem ging schneller und keuchender als üblich, er sah blass aus. Schweißperlen bedeckten die Stirn. Sirius legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Du wirst das hinkriegen“, versuchte er, den Freund zu beruhigen. „Ich bin ja bei dir.“

Peter spannte seine Schultern an und nickte, beide Lippen zusammen gepresst. Eilig ging er auf das Haus zu und klingelte. Die Tür flog auf, und eine kleine, schwarzhaarige Gestalt flog jauchzend an ihnen vorbei. Peter schrie auf und presste sich gegen die Wand des Vorbaues.

Sirius fing den auf sich zuschießenden Kleinen auf, herzte ihn und lachte angesichts Peters, der sich noch immer die Hand gegen die Brust presste, schallend.

„Kommt bitte rein“, rief Lily, deren angespanntes Gesicht aus der Haustür lugte. Wortlos nahm sie Harry aus Sirius Armen und trug ihn die Treppe hinauf.

Nacheinander traten die beiden Freunde in den Flur. Sofort überfiel Sirius ein eigentümliches Gefühl, als wäre er auf einer Zeremonie.

Oder wie auf einer Beerdigung, dachte er schaudernd. James, Peter und er stellten sich in einem Halbkreis auf und starrten zur Tür. Endlich erschien Lily und stellte sich unaufgefordert zu ihnen.

„Bist du bereit?“, fragte James und sah zu Peter. Dieser zitterte nach wie vor leicht, doch als er nickte, wirkte er entschlossen. Während die Schatten im Wohnzimmer immer länger wurden, erklang Peters Stimme laut und sicher durch den Raum.

Als Sirius wenige Stunden später das Haus verließ, leuchteten am Himmel die Sterne.

Die Nacht des 31. Oktober 1981

Im Treppenhaus kamen Sirius so viele Leute wie nie entgegen. Ihre Gesichter abgewandt, waren die Spuren von Hektik und Stress doch überdeutlich zu sehen.

Hoffentlich hat das alles bald ein Ende, dachte Sirius niedergeschlagen und stieg die Stufen in den dritten Stock hinauf. Am Ende des Ganges verharrte er, der ausgestreckte Zeigefinger schwebte über der Klingel, sein Herz schien auszusetzen. Das Namensschild Peters war verschwunden. Wo früher auf einem weißen Zettel Pettigrew gestanden hatte, war nur noch ein leeres Feld. Wie um die fehlenden Schläge auszugleichen, begann das Herz des Mannes nun zu rasen.

Was hat das zu bedeuten? Heftig presste er den Finger auf die Klingel. Lautes Schrillen zerriss die Stille, doch kein anderer Laut drang hinter der Tür hervor.

Die Geräusche der umliegenden Wohnungen klangen ruhig und so wie immer. Keine hektischen oder panischen Stimmen waren zu hören. Alles schien wie immer, bis auf die Tatsache, dass Peters Namen hier nicht mehr stand.

Und bis auf die Tatsache, dass Sirius das Gefühl drohenden Unheils ergriff. Entschlossen ballte er die Hand zur Faust und hämmerte gegen das Holz. „Peter! PETER!!!“

Er presste das Ohr an die Tür. Nichts.

Sirius zückte seinen Zauberstab und richtete ihn auf das Schloss.

„Alohomora“, krächzte er. Die Tür schwang auf und Sirius sprang in die Wohnung, den Zauberstab weiterhin ausgestreckt.

Was würde er vorfinden?

Jede Faser seines Körpers war angespannt, bei jedem Schritt erwartete er, angegriffen zu werden oder aber den leblosen Körper des Freundes zu entdecken. Doch nachdem er jeden Raum durchsucht hatte, sah er sich genauer um. Alles war so aufgeräumt wie immer, was in Peters Fall bedeutete, dass es nicht chaotischer als sonst aussah.

Weshalb fehlte dann das Namensschild? Wo war der Freund?

Sirius begann zu zittern. Ob Peter entführt wurde? Dann würde es hier anders aussehen. Er sprang so ungestüm vom Stuhl, dass dieser umkippte, doch Sirius achtete nicht darauf. Eine fürchterliche Angst erfasste sein Inneres. Ich muss nach Godrics Hollow.
 

Der Wind peitschte Sirius ins Gesicht, die Wolken wurden immer dichter und so fest er konnte umklammerte er den Lenker, der Oberkörper beinahe auf den Sitz des Motorrades gepresst. Von Weitem erkannte er die Umrisse des Dorfes, die Kirche, den großen Platz davor. Das Haus der Potters wurde immer größer, doch was er sah erschreckte ihn so sehr, dass er den Lenker verriss und Gefahr lief, abzustürzen. Gerade noch rechtzeitig gelang ihm die Notlandung.

Sprachlos starrte er auf die Ruine, die nur wenige Tage zuvor das Zuhause seines besten Freundes gewesen war. Zwei entgegen gesetzte Impulse rangen in ihm: Der, in das nahezu vollständig zerstörte Haus zu stürmen und zu überprüfen, ob es noch irgendetwas zu retten gab und der, stehenzubleiben, um das Schreckliche nicht sehen zu müssen.

Ein lautes, qualvolles Heulen drang aus dem Haus und ohne nachzudenken, rannte Sirius die Stufen des Vorbaues hoch. Die Haustür hing in den Angeln und im Flur lag…

„Nein, nein!“ War das seine Stimme, die da so flehte?

Grauen überflutete den jungen Mann, seine Knie gaben nach, die Hände umfassten das Gesicht des Toten. Die Brille des Freundes hing schief auf dem Gesicht, die Augen starrten ins Leere. Das Heulen, das Sirius ins Haus getrieben hatte, war erneut zu hören und zwang ihn dazu, sich aus der eigenen Starre zu lösen.

Doch als er aufstand fühlte er sich, als verweile seine Seele nach wie vor bei dem Toten, um über ihn zu wachen und das Unbegreifliche zu begreifen. Nur der Körper, mit den so heftig zitternden Knien, stieg langsam die hölzerne Treppe hinauf. Die riesenhafte Gestalt Hagrids erschien, den kleinen Harry an sich gepresst, die tote Lily zu seinen Füßen.

Sie sind alle tot, dachte Sirius und sah den Wildhüter an wie eine Erscheinung. Dies war nur ein Alptraum, ein furchtbarer Alptraum, den der nahende Sonnenaufgang gewiss beenden würde. Nichts, was hier geschah, nichts von den Eindrücken, die ihn so marterten war real. Und so stand er da, schweigend und um das Erwachen kämpfend. Bis -

„Ich bring' ihn zu seinen Verwandten.“ Hagrid lief auf ihn zu und mit großen Augen bemerkte Sirius, dass sich das Bündel bewegte und wimmerte. Sirius Hand glitt zu dem Gesicht und strich unsicher darüber. Die Haut war warm und weich, wenn auch die runden Bäckchen nass und die Augen gerötet waren. „Als ich hier ankam, hat er so geschrien, das kleine Würmchen“, erzählte Hagrid und schluchzte trocken.

„Es ist alles meine Schuld“, flüsterte Sirius tonlos. „Nur meine Schuld.“

„Unsinn, wie kommst'n da drauf, hm?“ Hagrid legte ihm eine seiner Pranken auf die Schulter, offenbar um ihn zu trösten, doch Sirius empfand nichts. Er spürte, wie ihm die Kräfte erneut schwanden und sank zu Boden.

„Du weiß' schon wer kann man eben nich' entkommen, is' einfach so. Aber wies scheint isser weg.“ Die Worte erreichten Sirius kaum. Stattdessen drang eine fast vergessene Erinnerung in sein Bewusstsein. „Gib Harry mir, Hagrid. Ich bin sein Pate.“ Plötzlich kehrte die Kraft in seine Beine zurück, er erhob sich und streckte die Arme nach Harry aus.

„Nein!“ Hagrid drückte das Baby enger an die Brust und schüttelte heftig den Kopf. „Dumbledore möchte, dass er zu seinen Verwandten kommt.“

Verwandte… Das Bild einer schlecht gelaunten Frau samt übergewichtigem Gatten erschien vor Sirius' innerem Auge. Die traurige Stimme Lilys klang ihm in den Ohren: „Sie war einfach immer neidisch, weißt du? Und … auch missgünstig. Ich glaube, sie hat mir nie verziehen, dass ich als Hexe geboren wurde. All die Jahre hat sie mich das spüren lassen.“

„Zu seinen Verwandten?“, rief Sirius entrüstet und richtete sich zu seiner vollen Größe auf, reichte allerdings nach wie vor nicht über den Ellenbogen des Riesen. „ICH bin sein Verwandter, ICH bin sein Pate. James wollte immer, dass ich für Harry sorge, falls ihnen etwas zustößt. Dumbledore kann nicht gemeint haben, Harry zu den Muggeln zu schicken. Bei mir hat er doch alles.“

Hagrid schüttelte ratlos den Kopf. „Du kannst ihn doch besuchen. Nachdem Lily und James...“ Sein Blick huschte über Lilys Körper. „Die Behörden werden gleich kommen...“ Die Wortfetzen verstummten und zum ersten Mal in dieser Nacht sah sich Sirius wirklich um. Durch die weggesprengte Decke waren die Sterne zu sehen, Feuerwerkskörper und Rauch.

Das hier ist kein Traum, begriff Sirius. Der Riese vor ihm war real, ebenso das Kind in den Armen, die Entscheidung Dumbledores, die nun mit einem Schlag Sinn ergab.

Er weiß nichts von unserem Rollentausch! Peter war all die Zeit über der Spion.

Der Nebel in seinem Kopf war Gedanken gewichen, die so schnell auf ihn einprasselten, dass er sie kaum zu sortieren vermochte. Ich muss Peter finden, um meine Unschuld zu beweisen. Nein, es geht nicht um Unschuld, es geht um Rache! In kürzester Zeit werden die Ministeriumsbeamten hier eintreffen und mich nach Askaban bringen. Ich muss weg! Am Besten so schnell wie möglich mit dem Motorrad. Nein, zu auffällig.

„Nimm mein Motorrad, Hagrid, ich brauche es nicht mehr.“ Seine Stimme klang absolut ruhig, kein Zittern erklang.

Hagrid schnäuzte sich heftig und nickte. „Bis bald, Sirius. Un' … mach dir keine Vorwürfe.“ Er stapfte aus dem Raum und ließ den jungen Mann allein zurück.

Die Verzweiflung drohte ihn zu übermannen, er stieß einen wilden Schrei aus und ballte in hilfloser Wut die Fäuste. Alles war vorbei. Das Leben von Lily und James… ausgelöscht. Nur wegen diesem einen Mistkerl, diesem Verräter, diesem rückgratlosen Wurm.

Die Stufen knarrten, als Sirius so schnell er konnte die Treppen hinab sprang. Im Garten blickte er auf die Ruine. „Rache!“, zischte er hasserfüllt und betrat die ausgestorbene Straße.

Der Morgen des 1. November 1981

Auf den Straßen herrschte hektisches Treiben. Menschen drängten dicht an Sirius vorbei, der getrieben durch die Stadt irrte. Hunger und Schlafmangel trübten seinen Verstand, doch Sirius Beine marschierten, scheinbar losgelöst vom Geist, zielstrebig durch das London der Muggel.

Zum ersten Mal in seinem Leben sehnte sich der junge Mann danach, dieser unwissenden Spezies Mensch anzugehören. Unwissend über die Terrorherrschaft, ahnungslos vom Krieg der Zauberer und verschont von persönlichen Verlusten.

Doch auch sie wurden nicht verschont, dachte Sirius. Er sah in das erschöpfte Gesicht eines früh gealterten Mannes, doch als Sirius seinen Blick suchte, war der Muggel bereits vorüber gegangen. Das Gefühl der Leere und Hoffnungslosigkeit wurde stärker. Der ungestüme, wilde und optimistische Teil seiner Seele schien im zerstörten Haus verblieben zu sein. Tränen stiegen in Sirius Augen und er machte sich nicht einmal die Mühe, sie weg zu wischen. Die Energie, die Hand zu heben, investierte er lieber in seine Beine, die ohnehin mit jedem weiteren Meter kraftloser aus schritten. Schließlich blieb er stehen. Seine Augen brannten, der Magen fühlte sich an wie ein übergroßes Loch, nach Nahrung verlangend. Er brauchte Schlaf!

Er musste etwas essen!

Er musste dem Ministerium entkommen.

Er musste Peter töten.

Die Überforderung vernebelte seinen Kopf.

„Junger Mann, kann man Ihnen helfen?“ Eine ältere Frau stand vor ihm, einen großen, geflochtenen Einkaufskorb in den Armen und musterte ihn besorgt. „Sie zittern ja.“ Mütterlich legte sie ihre dünne, runzlige Hand auf seinen Unterarm und Sirius zuckte zurück.

„In Ordnung“, brachte er mit zusammen gepresstem Kiefer hervor, nickte der Frau flüchtig zu und eilte davon. Der Kontakt zu ihr hatte seine Gedanken geklärt. Sirius ballte die Faust in seinem Umhang und spürte die beruhigende Struktur seiner einzigen Waffe. Entschlossen, als hätte er nie etwas anderes vorgehabt, betrat er einen Hauseingang, aus dem gerade ein Kind kam. Niemand war zu sehen. Sirius schloss die Augen, sein Oberkörper krümmte sich heftig. Sein Versäumnis fiel ihm erst auf, als es zu spät war. Er konnte die Tür unmöglich alleine öffnen. Laut bellend kratzte er mit seinen Vorderpfoten gegen die Scheibe. Die selbe alte Frau, die Sirius nur wenige Minuten zuvor angesprochen hatte, trat heran und drückte die schwere Tür auf. Ein leichter Wind strich Sirius um die Schnauze.

„Na, du bist ja ein Hübscher“, rief sie und versuchte ihn zu streicheln, doch Sirius preschte an ihr vorbei. Er hatte Witterung aufgenommen. Das diffuse Gefühl, welches ihn in diese Gegend getrieben hatte, intensivierte sich. Er spürte es. Peter war hier. Die belebte Straße entlang, die Kehle zugeschnürt, roch er den Angstgeruch seiner Beute immer stärker.

Es wurde Zeit…
 

Die Augen Peters weiteten sich, als Sirius gemessenen Schrittes auf ihn zu kam.

„Sirius“, schrie er und wich zurück. Kaltblütig erwiderte Sirius den panischen Blick. Er würde diesen wertlosen Haufen Dreck vernichten. Würde gelassen beobachten, wie das Licht aus den Augen des Mörders wich.

„Lily und James!“ Peters Stimme wurde schrill, Passanten blieben stehen und sahen mit argwöhnischer Miene von Sirius zu Peter, bis sich eine Menschentraube bildete.

„Sirius, wie konntest du das tun?“ Sirius fühlte sich, als wäre er von einem großen Schlagholz getroffen worden. Überrumpelt stand er da, fassungslos in die nach wie vor weit aufgerissenen Augen Peters starrend. „Sie waren doch noch so jung.“ Peter schluchzte, doch seine Hand fuhr in den Mantel. Sirius brüllte vor Wut: Nicht nur, dass dieser Kerl Lily und James verraten, sie ausgeliefert hatte, stand er nun leibhaftig vor ihm und bezichtigte ihn lauthals des Verrates. Sirius stieß die Faust in seinen Umhang und richtete den Stab auf Peters Gesicht. Die Muggel drängten von ihnen weg, ein ohrenbetäubender Knall ertönte, ein grüner Lichtblitz zuckte aus Sirius Zauberstab und die Straße verschwand in einer Staubwolke. Plötzlich war er umgeben aus einem Meer von Schreien. Sie fuhren dem Mann durch Mark und Bein, er rannte blind zu der Stelle, wo Peter nur Sekunden vorher gestanden haben musste, doch seine ausgestreckten Hände griffen ins Leere. Er stolperte über ein großes Hindernis und stürzte. Die Schreie machten ihn wahnsinnig, er presste die Hände auf beide Ohren und kniff die Augen zusammen.

Wie lange er so gekniet hatte, wusste Sirius nicht. Irgendwann löste er sich aus der verkrampften Haltung. Der Staub verschleierte nicht länger die Sicht und Sirius Knie begannen so heftig zu zittern, wie im Hause seines besten Freundes. Die Straße war aufgerissen, Rohre in mindestens zwei Metern Tiefe lagen frei. Doch viel entsetzlicher war der Anblick jener alten Frau, die ihm an diesem Tag zweimal geholfen hatte. Der Einkaufskorb lag neben ihr, Trauben und Tomaten waren heraus geschleudert worden. Doch was war das?

Sirius ging in die Knie und nahm das kleine Etwas in die Hand. Ein Finger. Sirius Oberkörper schüttelte sich, Tränen strömten über sein Gesicht. Er hatte es geschafft.

Alles war vorbei. Er litt solchen Hunger. Am Himmel näherten sich in rasender Geschwindigkeit die Umrisse von zwei Dutzend Hexen und Zauberern. Verwandle dich, befahl ein Teil in Sirius. Flieh!

Doch sein Körper schien eingefroren zu sein. So stand er da, während Triumph, befriedigte Rache, der unermessliche Verlust und die Schrecken des bisherigen Tages seinen Körper durchfluteten.

Seine Tränen waren versiegt, die Anspannung überwältigte ihn erneut und ein Prusten ertönte. Die Hexen und Zauberer kreisten ihn ein, Sirius spürte, wie sein Zauberstab aus der Hand flog und lachte. Er lachte voller Hysterie, Not, Verzweiflung und Wahnsinn. Vier kräftige Hände griffen nach ihm und er wurde weg geführt. Weg von dem Finger, der alten Frau und den unendlich vielen anderen, die ihr Leben durch Peter verloren hatten.

Ich habe Peter umgebracht, dachte er wieder und wieder, murmelte die Worte fast beschwörend vor sich hin, als hätten sie die Macht, ihn zu retten. Sirenen erklangen und kamen immer näher, Autos mit kreisenden Lichtern fuhren in die Straße, während Sirius in der Mitte der Zauberer lachte.
 

Die Seeluft hinterließ einen salzigen Geschmack auf Sirius Zunge. Apathisch schritt er die langen, steinernen Gänge des Ortes entlang, welches für eine ungewisse Zeit sein Zuhause würde. Sirius konnte nicht mehr denken. Schlafen. Schlafen. Jede Faser seines Körpers verlangte danach, liegen und für wenige Stunden dieser Welt entkommen zu dürfen.

Die Zelle war winzig, doch Sirius nahm nichts als die schmale Pritsche wahr. Ächzend sank er auf dem Bett nieder und noch bevor er die staubigen, blutigen Kleider ausziehen konnte – ja, noch bevor die dünne, zerschlissene Decke den schmerzenden Körper bedeckte, übermannte ihn der erlösende Schlaf.
 

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Anhören könnt ihr euch das Kapitel hier: https://www.youtube.com/watch?v=rg16BrtuHjo

Zerstörte Hoffnungen

Sirius erwachte von einem fremd klingenden Schrei. Müde, mit noch geschlossenen Augen, streckte er die Arme über den Kopf und ertastete metallische Stäbe. Nun nahm er auch den salzigen Geruch wahr und öffnete verwundert die Augen. Eine Möwe saß auf dem winzigen Fensterbrett und beobachtete ihn. Sirius erkannte sofort, dass ihr Schrei es war, der ihn geweckt hatte.

Mit steifen Gliedern erhob Sirius sich, ging zum Fenster und streckte der Möwe eine Hand entgegen. Das Tier schien zu überlegen, flog jedoch davon, als sich die Zellentür laut quietschend öffnete und ein Dementor erschien. Die Kälte raubte dem Gefangenen beinahe den Atem. Obwohl stetes zwei dieser Horrorgestalten vor der Zelle wachten, wurde die Luft durch den einen Meter um mindestens fünf Grad kälter. Wortlos stellte die Gestalt das Frühstück auf den Tisch und drehte sich um.

„Moment!“ Trotz des heftigen Zitterns der Knie klang seine Stimme kraftvoll und selbstbewusst. Ermutigt dadurch, ging er einen Schritt auf den Dementor zu.

„Wann ist der Prozess? Wie geht es weiter?“ Der Dementor hielt in seiner Bewegung inne, schien einen Moment lang zu stutzen und drehte sich dann zu dem Gefangenen um. Das Wesen atmete tief und rasselnd ein, doch Sirius war es, als sauge der Dementor weniger Luft ein, als seine Kraft. Heftig schwankend klammerte er sich an dem Bett fest, als die Bilder der Toten auf ihn einstürmten.
 

Ich. Bin. Unschuldig. Der Gedanke erschien hell wie gleißendes Licht, die Bilder wurden schwächer und verschwanden allmählich. Ich. Bin. Unschuldig. Das unkontrollierte Zittern ließ nach, die Luft erwärmte sich, doch der Dementor hatte die Zelle nicht verlassen. Sirius fühlte sich an einen Patronus erinnert, doch keiner war zu sehen.

„Es wird am Nachmittag jemand das Urteil verlesen.“ Die Gedanken überschlugen sich.

„Urteil?“, schrie er entsetzt. „Es gab doch noch gar keinen Prozess? Wie kann es möglich sein, dass…?“ Doch der Dementor war gegangen. Hilflos und wütend starrte Sirius durch die Stäbe, hinter denen lediglich unbewegliche Schatten die Anwesenheit der Kreaturen verrieten. Er steckte den Kopf so weit wie möglich durch die Gitter und redete weiter, doch eine Entgegnung blieb aus. Von überall her waren Stimmen zu hören, doch keine war verständlich.

„Gib's auf, Mann. Wer hier einmal ist, kommt auch nicht raus.“ Überrascht drehte Sirius den Kopf: Zu seiner Linken, einige Zellen weiter und somit im Dunklen verborgen, hatte eine Frau gesprochen. Sirius erkannte die Stimme nicht, doch noch ehe er ihr Antworten konnte, näherten sich ihm die Dementoren und Sirius zog hastig den Kopf zurück.
 

Unruhig ging er auf und ab. Das durfte doch alles nicht wahr sein! Würde er die Gelegenheit bekommen, sich zu verteidigen, könnte er alles erklären: Den Plan mit dem Fidelius Zauber, das Misstrauen gegen Remus und die tödliche Entscheidung, dem Schwächsten seiner Freunde zu vertrauen.

Peter… Zerrissen durch seinen eigenen Sprengfluch. Peter, der Verräter, den er ermordet hatte. Sirius richtete sich auf und ballte die Fäuste. Selbstjustiz hin oder her, er würde es jederzeit genauso machen und wenn er dafür sein restliches Leben hier sitzen musste. Grimmig nahm er auf der Pritsche Platz und wartete.
 

Die Hexe wirkte keinen Tag älter als Sirius. Nervös trat sie ein, flankiert von den Dementoren und rieb sich die Nase. Sirius sprang auf, blieb jedoch stehen, als sie einen Schritt zurück wich. Das Emblem auf dem lilafarbenen Umhang zeigte Sirius, dass hier seine letzte Rettung stand. Behutsam trat Sirius einen Schritt zurück, wies einladend auf den Stuhl und zwang sein Gesicht zu einem freundlichen Lächeln. Die Beamtin räusperte sich.

„Mein Name ist Helena McDonald, ich bin im Auftrag der Abteilung für Magische Strafverfolgung hier, um Ihnen das Urteil zu verkünden.“ Sirius gequältes Lächeln verschwand. Als er sprach, nahm er das Flehen kaum zur Kenntnis.

„Mrs McDonald, es gab doch noch nicht mal einen Prozess. Wie ist es dann möglich, dass Sie mir nun bereits das Urteil bekannt geben?“

Die Ministeriumshexe erwiderte seinen Blick nicht, sondern sah stattdessen einen knappen Meter über ihn.

„Aufgrund der Zeugenaussagen und Ihrer eindeutigen Schuld wurde entschieden, dass Ihre Anwesenheit für den Prozess nicht erforderlich ist.“

„Wer hat das entschieden?“, fauchte Sirius und vergaß ganz, freundlich zu sein.

„Der Leiter der Abteilung, Bartemius Crouch.“ Ihr Tonfall war nach Sirius Ausbruch kühler geworden, die Nervosität war gewichen. Sirius spürte, wie die Dementoren und die Hexe das Gefühl der Hoffnungslosigkeit verstärkten. Verzweifelt sah er sie an. Nun erwiderte sie seinen Blick direkt. Keine Regung war zu sehen.

„Ich denke, wir können beginnen.“ Mrs McDonald suchte in einem dünnen Stapel Pergament und zog schließlich eines der Seiten hervor. Die Namen von Vorsitzendem, Beisitzern, Protokollführern und viele Details mehr zogen an Sirius vorbei, ohne haften zu bleiben.

„Hauptzeuge: Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore.“ Sirius zuckte zusammen und hob den Blick von dem steinernen Boden. Jedes Wort schmerzte, während er wie hypnotisiert an den Lippen der Beamtin hing.

„… wegen Mordes und Verrates von Lily und James Potter, Peter Pettigrew sowie einunddreißig Muggeln zu einer lebenslangen Haftstrafe in Askaban verurteilt.“

„Ich bin unschuldig“, wisperte Sirius, doch die Hexe ignorierte es. Sie erhob sich, ebenso Sirius.

„Bitte, ich bin unschuldig“, rief Sirius. „Lassen Sie mich aussagen, ich werde alles erklären. Bitte. Oder Dumbledore. Ich muss Professor Dumbledore sprechen.“ Die Hexe ging schweigend an ihm vorbei. Sie durfte nicht gehen!

Sie musste ihm glauben!

Sirius griff nach ihrem Ärmel und umklammerte ihn, doch Sekunden später hielt sie den Zauberstab in der Hand und die kalten Hände der Dementoren schleuderten ihn auf das Bett.

„Bleiben Sie“, rief Sirius hoffnungslos. Die Gitter schlossen sich und mit ihnen verschwand der Rücken der Hexe in den Gängen des Gefängnisses.
 

Eingesperrt. Lebenslänglich. Der emotionslose Tonfall der Hexe verfolgte ihn. Ich habe sie nicht ermordet, dachte Sirius. Klammerte sich an den Gedanken, der das Einzige war, dass ihn vor dem Wahnsinn zu retten vermochte. Das Frühstück stand noch auf dem Tisch, doch der Appetit war ihm vergangen. Zitternd sah er sich um, wieder und wieder. Er würde den Rest seines Lebens hier sitzen müssen. War der Tod dem nicht vorzuziehen? Die Bilder von Lily und James traten jäh vor sein inneres Auge. Wie schön es wäre, mit ihnen wenigstens im Tode wieder vereint zu sein.

Heftig schüttelte Sirius den Kopf. Es war nicht sein Ziel, im Alter von 21 Jahren aufzugeben. Er hatte niemals aufgegeben. Er war unschuldig!

Doch wie viel Zeit würde verstreichen, bis ihm jemand Glauben schenkte?

Halte durch, murmelte er. Halte durch und überlebe. Und obwohl seine Kehle wie zugeschnürt war, setzte er sich an den Tisch und zwang das Essen in den entkräfteten Körper.
 

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Der Schock

Die Tage und Nächte glitten dahin. Aus Wochen wurden Monate. Sirius nahm einzig am Wetter wahr, wie der Winter dem Frühling wich und der Sommer herein brach. Er hatte sich in sein Innerstes zurück gezogen, träumend und somit sicher vor den Attacken der Dementoren. In seiner Welt existierten sie nicht, ebenso wenig die Rufe und Schreie seiner Mitgefangenen. Alles um ihn her verschwand in einem Schleier aus Leichtigkeit, während Tag für Tag und Jahr für Jahr verging.
 

Die vergitterte Tür quietschte leise, als eine große, vermummte Gestalt sie öffnete. Sirius blickte auf, erhob sich und aß mechanisch das Mittagessen. Er nahm von den fremden Stimmen kaum Notiz, bis der Minister vor ihm stand. Einen Moment lang sah Sirius ihn verwundert an. War tatsächlich schon wieder ein ganzes Jahr vergangen?

Die Lippen des Mannes vor ihm bewegten sich, formten Worte, die im ersten Augenblick fremd klangen, bis Sirius seine eigene Welt verließ und sich kurz schüttelte.

„Wie geht es Ihnen?“

Was für eine Frage. Sirius lag es auf der Zunge, den Minister aufzufordern, einen Selbstversuch zu starten. Fünf Jahre Isolationshaft, keine menschlichen Stimmen, bis auf Schreie und den jährlichen Besuch eines Ministers.

„Wie man sich nach fünf Jahren hier so fühlt“, erwiderte er sarkastisch, „ein bisschen Langeweile, der Alltag hier ist ja doch recht monoton.“

Die Beamten warfen sich vielsagende Blicke zu, der Minister räusperte sich verlegen. Sie fühlten sich verunsichert, Sirius spürte es.

„Dürfte ich Ihren Tagespropheten lesen? Ich habe eine Vorliebe für Kreuzworträtsel entwickelt“, setzte er noch eins drauf.

Hektisch griff Fudge in seinen Umhang, legte die Zeitung auf den Tisch, murmelte etwas Unverständliches und drängte hinaus. Freudlos grinsend beobachtete Sirius die Menschentraube, bis sie um die Ecke gegangen waren und das Stimmengewirr leiser wurde.

Das Kreuzworträtsel!

Sirius schnaubte und sah die Zeitung abfällig an, bis sein Blick auf die Datumsanzeige fiel. Seine Augen weiteten sich verblüfft. 1993.

Sein Kopf ratterte: Wann war er eingeliefert worden? Vor zwölf Jahren? Energisch schüttelte er den Kopf und sah noch einmal hin, doch die Zahlen blieben.

Was war in der Zeit geschehen? Sirius überflog die erste Seite und richtete sich plötzlich kerzengerade auf, fassungslos und entsetzt das Bild betrachtend.

Das konnte nicht sein!

Wie konnte das sein?

Zwölf Jahre lang hatte er gedacht, es geschafft zu haben.

Zwölf Jahre lang war sein einziger Trost an diesem Ort des Sterbens gewesen, dass der Verräter keinen Schaden mehr anrichten konnte.

In der Zelle neben ihm lachten der Minister und seine Begleiter auf, Sirius zuckte zusammen. Die alltägliche Stille war ihm so vertraut, dass jedes Geräusch nun zehnmal lauter erschien. Das Foto zeigte eine Großfamilie und getarnt unter ihnen, auf der Schulter eines sommersprossigen Jungen, saß der Totgeglaubte.

Wie konnte dieser elende Verräter überleben? Sirius raufte sich die Haare und schüttelte den Kopf. Wo ich selbst doch mit eigenen Augen sah, wie es den Verräter zerriss. Ich selbst habe doch den Finger...

Doch was ist das? Überrascht beugte sich Sirius näher über den kleinen Tisch, runzelte die Stirn und kniff die Augen zu schmalen Schlitzen. War das denn möglich? Der Ratte fehlte ein Zeh.

Sirius stöhnte laut und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn, während er den Artikel überflog. Hogwarts. Der Junge mit der Ratte ging nach Hogwarts. Wie Harry. In seinem Kopf herrschte Chaos und der Schock beeinträchtigte seinen Denkprozess erheblich. Er sprang auf und begann, in seiner Zelle auf und ab zu gehen. Sein Patenkind, der kleine Harry, war in Hogwarts. So wie dieser Junge und mit ihm der Verräter Peter Pettigrew. Sirius hielt inne. Die Erkenntnis, die ihn unvermittelt und glasklar überkam, vertrieb das Chaos.

Peter lebte also bei einer Zaubererfamilie.

Peter hatte überlebt.

Peter wusste, dass der Tag kommen würde, an dem Voldemort zurückkehrte.

Und vor allem wusste Peter, dass seine Anhänger ihm die Schuld am Untergang ihres Herren gegeben hatten.

Wie einen Film, der anlief, sah der Gefangene vor seinem inneren Auge, wie Peter zurückkehren würde. Wie er an die Seite seines Herren treten würde, um ihm den Jungen zu bringen, den Voldemort seit 13 Jahren jagte.

Sirius hatte häufig daran gedacht, dass es Harry nun gut ging und er ungefährdet zur Schule gehen und leben konnte. Doch diese Illusion war nun eingestürzt. Der Mörder schlief unerkannt direkt neben seinem Patenkind, bereit, zuzuschlagen, wenn die dunkle Seite wieder stärker wurde.

Bereit, auch den letzten der Familie Potter an Voldemort auszuliefern, um damit zu höchster Ehre zu gelangen. Sirius wurde schlecht bei dem Gedanken, wie Voldemort diesen schmutzigen, widerlichen Dreckskerl ehrte. Ihn in Gnaden aufnehmen würde.

Und er selbst, Sirius, war der Einzige, der es wusste. Längst war die Hoffnung, doch noch angehört zu werden, erloschen. Ohne Prozess hatte Crouch ihn nach Askaban bringen lassen, wie so viele Andere, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Niemand wusste, dass er mit Peter die Rollen getauscht hatte. Der Plan Voldemort zu täuschen, schien so perfekt.

Sirius Magen krampfte sich vor Wut zusammen, als er sich daran erinnerte, wie sie beide zusammengesessen und er Peter von seinem Misstrauen erzählt hatte. Und der Spion stimmte ihm natürlich in allem zu. Und so hatten sie Remus gegenüber erwähnt, dass Sirius der Geheimniswahrer würde.

Doch diese Geschichte aufzuklären? Es war kaum möglich gewesen, mit irgendjemandem zu sprechen, nachdem er in Askaban angekommen war. Und im Grunde war es Sirius auch egal gewesen. Er saß aufgrund des Mordes an Peter Pettigrew hier und das Motiv spielte keine Rolle. Wer hätte ihm geglaubt?

Nicht einmal Albus Dumbledore war gekommen, um das Gespräch mit ihm zu suchen. Der weise, fast hellsichtige Schulleiter, hatte sich getäuscht.

Ebenso wie er selbst. Nach und nach, angestachelt durch Bemerkungen Peters, kam er zu der Überzeugung, es müsse Lupin sein, der zum Verräter geworden war. Die Einflüsterungen, die gesellschaftlich etablierten Ansichten, Werwölfen könne man nicht trauen, hatten es in dem Moment, als es hart auf hart kam, entschieden.

In diesem Moment war das eingetreten, was der rebellische Sirius, der die Slytherin-Bande so triumphierend und stolz gesprengt hatte, sich nie vorstellen konnte: Die von ihm so verachtete, auf den Reinblutstatus bedachte Zauberergesellschaft hatte es geschafft, seine Sicht zu trüben und ihn jene Vorurteile glauben zu lassen, welche sie so munter seit Jahrhunderten propagierten.

Doch der Schmerz um den Verlust des Freundes drängte die Tatsache, dass auch er hereingefallen war, in den Hintergrund. Nichts würde ihm seinen Freund zurückgeben und den letzten Freundschaftsdienst, den er James erweisen konnte, hatte er ihm erwiesen. Alles andere war nebensächlich.

Er dachte an Remus. Auch der ehemalige Freund musste denken, dass Sirius der Verräter war und das Herz wurde ihm schwer. All die Jahre hatte er nicht an ihn gedacht, doch mit dem Anblick Peters wurde auch die Erinnerung an Remus und James wieder scharf. Er sah vor sich, wie sie auf ihren nächtlichen Streifzügen um Hogwarts herum schlichen. Wie sie glücklich ihre Zukunft planten. Wie James heiratete und er selbst Pate geworden war.

Und dann war es vorbei, war das Leben und ihre Zukunft von ihnen allen durch diesen Verräter zerstört worden. Wie er es genossen hatte, ihn zu ermorden! Sein Schwur gegenüber Lily und James, sein Leben für Harry einzusetzen, fiel ihm ein und er wusste, was ihm nun bevorstand.
 

In dieser Nacht empfand Sirius die Pritsche als besonders hart und unbequem. Unruhig rollte sich der große Hund von links nach rechts und zurück auf den Bauch. Das dicke Fell verschaffte ihm eine leichte Minderung und einmal mehr empfand er Dankbarkeit seiner animagischen Fähigkeit gegenüber. Der Gefangene war in den vergangenen Wochen noch dünner geworden. Rippen und Beckenknochen schmerzten auf der Unterlage und es wurde beinahe in jeder Nacht schwieriger, Schlaf zu finden. Nun erwies sich dieses körperliche Übel wie gerufen für die Umsetzung seines Plans: Er würde Askaban entfliehen.

Der Blick in die Zeitung und das Foto hatten Sirius aus seiner Lethargie befreit. Nun erhob er sich aus dem Bett und schlich auf die vergitterte Tür zu. Nur einen Moment später befand er sich auf dem Gang. Seine gespitzten Ohren nahmen leises Wimmern wahr, Stöhnen, Schreie und noch etwas anderes: Den rasselnden Atem der Dementoren. Jetzt oder nie!

Mit weiten Sprüngen jagte er auf das Tor zu, vorbei an unzähligen Zellen, in denen schattenhafte Gestalten in ihren Betten versuchten, eine weitere zermürbende Nacht zu überstehen, auch vorbei an den Dementoren selbst, die irritierte Laute von sich gaben, ihn jedoch nicht aufhielten, bis er am Wasser stand. Es gab keinen anderen Weg, als zu schwimmen. So unangenehm die Flucht nun würde, es gab nur diese Möglichkeit: Um Harry zu schützen würde er selbst Peter aufspüren und töten müssen. Wirklich töten, um das zu vollenden, was er geglaubt hatte, vor zwölf Jahren erledigt zu haben.
 

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Im Magnolienring

Das gleißende Licht der Sonne wärmte Sirius, während er ungläubig auf das Straßenschild sah. Ligusterweg! Nachdem er in wochenlanger, mäandernder Suche durch das Land der Muggel geirrt war, stand er wirklich und wahrhaftig hier. In den Wochen, die seit seinem Ausbruch vergangen sein mussten, fühlte er sich wie neugeboren. Das Leben strömte auf ihn ein und sein erstes Gefühl war Sehnsucht. Sehnsucht nach dem kleinen, lachenden Kind auf dem Besen, das vor nunmehr zwölf Jahren durch Peter zum Vollwaisen geworden war. Wie er wohl aussieht? Wie mag es ihm ergangen sein, bei dieser schrecklichen Familie?

Als wäre lediglich ein Tag verstrichen, hörte Sirius Hagrids Stimme. „Ligusterweg Nummer 4, Little Whinging, Surrey.“

Dass diese wichtige Information all die Jahre in Askaban überdauert hatte, überraschte ihn selbst.

Wie viel Zeit mochte vergangen sein?

Erst Tage nach dem Ausbruch war es ihm gelungen, einer Zeitung habhaft zu werden, doch ob das Datum stimmte, wusste er nicht zu sagen. Ein dreizehn Jahre altes Foto von ihm zierte das Titelbild. Zunächst verblüffte es ihn – früher informierten die amtierenden Minister ihre Kollegen aus der Muggelwelt nur in wirklich wichtigen Dingen. Doch dann fiel ihm ein, was ihm vorgeworfen wurde und seine Verwunderung schlug in ein resigniertes Verstehen um: Die Muggel wussten zwar nicht, dass er angeblich zahlreiche Menschen getötet hatte, doch Fudge schien überzeugt davon zu sein, dass ein entflohener Zauberer am Ehesten in der Muggelwelt Zuflucht suchen würde. Womit er ja richtig lag. Doch dass der Geflohene die Gestalt eines Hundes angenommen hatte, wusste niemand.

So war er unbehelligt voran gekommen, geschwächt von dem Hunger, mit nichts im Kopf außer dem Bild des Jungen mit Peter Pettegrew auf der Schulter. Dies hielt ihn auf den Beinen. Gefühltem stundenlangen Schwimmen folgte tagelanges laufen. Die Dementoren hatten seine Spur bereits verloren, nachdem er im Wasser war. Obwohl die seelensaugenden Wesen nicht in der Lage waren, die Gefühle von Tieren so wahrzunehmen wie die eines Menschen, war ihnen der Ausbruch nicht verborgen geblieben. Mochten seine Gefühle auch flacher und weniger menschlich sein: Gespürt hatten sie doch, dass er an ihnen vorbei rannte. Und dass Askaban auf eine Insel gebaut worden war, erwies sich nun als besonders günstig.

Sirius' Herz hämmerte gegen seine Brust, Freude und Angst durchfluteten ihn. Obgleich die Häuser dieser Straße sich wie ein Ei dem anderen glichen, spürte Sirius sofort, hinter welchen Fenstern Harry sein musste. Die Nummer Vier war nur ein paar Sprünge entfernt und doch trennte sie beide weniger die Mauer des Hauses, als eine Welt voneinander.

Petunia Dursley, in ihrer grenzenlosen Ignoranz, hatte Harry gewiss vorenthalten, dass sich noch ein lebender Magier um ihn sorgte. Sirius Black, der beste Freund seiner Eltern und Pate des kleinen Harry.

Doch von einer Frau, die der eigenen Schwester sogar verwehrte, zur Hochzeit zu kommen und die wiederum die Einladung zur Hochzeit nur wenige Monate später unbeantwortet gelassen hatte, erwartete Sirius nichts anderes. Heftiger Zorn erfasste Sirius ob dieser Ungerechtigkeit.

Bei mir hätte Harry aufwachsen sollen, bei mir! Sirius wurde gewahr, dass Peter nicht nur ihm ein Jahrzehnt genommen hatte, sondern auch Harry. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag.

Sein Blick glitt über die makellose Fassade, die blinkenden Fenster, den gepflegten Garten. Seine Gedanken überschlugen sich. Geh einfach hin und sieh nach, was kann schon passieren?

Du kannst dich unmöglich als Mann dort sehen lassen, was, wenn die Muggel dein Bild kennen?

Ist doch egal, ein kleiner Vergessenszauber und -

Du hast keinen Zauberstab!

Dann als Hund.

Sirius spitzte die Ohren. Was war das? Aufgebrachte Stimmen ertönten, eine Haustür wurde zugeschlagen.

James!

Mit gesträubten Nackenhaaren beobachtete Sirius, wie das Ebenbild des Freundes auf ihn zu kam. Der Hund vergaß beinahe, Atem zu schöpfen. Harry schien in Eile, doch die einbrechende Dunkelheit legte sich wie ein Schatten über das Gesicht seines Patenkindes und machte es Sirius unmöglich, seine Miene zu erkennen.

Weshalb hat er den Koffer bei sich? Ist denn schon August?

Aufgeregt hechelnd, jede Faser seines Körpers angespannt, folgte er der Silhouette Harrys. Schlich ihm nach, unschlüssig, ob er verborgen bleiben oder sich offenbaren sollte. Jetzt beugte sich Harry über den Koffer, richtete sich auf und starrte in seine Richtung. Sirius ging einen vorsichtigen Schritt auf ihn zu, doch Harry stöberte in seinem Koffer und Augenblicke später kniff Sirius geblendet die Augen zu. Seine Augen hatten sich so an die Dunkelhit gewöhnt, dass der dünne Strahl des Zauberstabes unangenehm war. Entsetzt verfolgte Sirius, wie Harry stürzte.

Der Wunsch, zu ihm zu laufen, war so groß, dass er sich nur mühsam beherrschen konnte, alle Vorsicht fahren zu lassen. Doch instinktiv kauerte er sich hinter einem Busch zusammen. Keine Sekunde zu früh!

Mit einem lauten Knall erschien der Fahrende Ritter. Harry deutete in seine Richtung und Sirius presste den Körper in eine kleine Mulde. Harry stieg in den Bus und das Gefährt verschwand.

Fort.

Verpasst!

Wann würde er Harry wieder so nah sein? Die Intensität seiner Gefühle überwältigten ihn und im Schatten einer großen Buche ließ er sich nieder. Da war dieser unendlich große Schmerz in seiner Brust. Es war eine Mischung aus Freude, Liebe und Verbundenheit, gepaart mit unendlicher Trauer, Wut und Verzweiflung.

Wie viele Jahre waren vergangen, seitdem er in diesem Ausmaß Gefühle wahrgenommen hatte? In Askaban erfüllten ihn keine Emotionen. Es war ein sinnloses und stumpfsinniges Dahinvegetieren gewesen, ohne Höhepunkte, doch auch ohne Tiefpunkte. Die Not, welche bei einigen seiner Mitgefangenen innerhalb weniger Wochen zur Nahrungsverweigerung und dann zum Tod führte, hatte ihn verschont.

Sirius blickte zum Himmel und betrachtete den Mond, der die baldige Verwandlung seines Freundes Remus anzeigte. Wenn ich nur wüsste, wo Remus lebt. Doch nein, selbst wenn ich es wüsste, würde ich ihn nicht aufsuchen. Das große Ziel war der Mord von Peter Pettegrew und dies war eine Aufgabe, die er ganz alleine ausführen würde. Er ist in Hogwarts, dachte er und der schwarze Hund erhob sich von seinem Lager am Baum und trottete los. Hogwarts entgegen.
 

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Hogwarts

Die Hütte ragte vor ihm auf. Sirius war, als wäre er in eine andere Zeit eingetaucht. Eine Zeit mit James, Peter und Remus. Eine Zeit des Wir-gegen-den-Rest-der-Welt-Gefühls, des Verbündetseins und der Freundschaft, die nichts auf der Welt zu trennen vermochte. Er hatte es geschafft, war so gut wie am Ziel. Mit schwerem Herzen blickte Sirius sich um. In Hogsmeade hatte sich manches geändert. Als hätte es noch eines Beweises bedurft, dass er nicht mehr herkam, um eine abenteuerliche Nacht mit seinen besten Freunden zu verbringen, sondern um zu morden.
 

Der Hund hob den Kopf noch etwas höher und erkannte in einer Entfernung von etwa zweihundert Metern jene Kreaturen, die er um alles in der Welt umgehen musste. Die Dementoren schwebten hoch über den Grenzen Hogwarts'. Mit einem Umweg über den Verbotenen Wald müsste es ihm eigentlich gelingen, ihrem Einfluss fern zu bleiben. Doch dies würde er auf den folgenden Tag verschieben. Zu aufgewühlt fühlte er sich angesichts der vertrauten, geliebten Umgebung und seiner aufreibenden Flucht. An diesem Morgen war es wirklich knapp gewesen. Eine Muggel hatte ihn erkannt, soviel war Sirius nach ihrem entsetzten Blick klar gewesen. Der Wald, in dem er sich schlafen gelegt hatte, war voller Geräusche, Bewegungen und Schatten gewesen. In Kombination mit den Anstrengungen der Reise, der Sorge um Harry und der Erinnerungen an die Dementoren, welche in verworrenen und beängstigenden Traumbildern erschienen, ihn ständig aufschrecken ließen und ihm so den Schlaf raubten, hatte er eine seiner unruhigsten Nächte seit dem Ausbruch erlebt.

Von einem lauten und nahe klingenden Knurren war Sirius geweckt worden und vor Schreck hatte er sich verwandelt. Erst nach dem schrillen Schrei der Hundebesitzerin war er zu sich gekommen, konnte die Traumbilder abstreifen und davon rennen. In seinen Ohren klangen ihre Hilferufe nach, während er sich durch dorniges Gestrüpp kämpfte und die Häftlingskleidung zerriss.

Geistesgegenwärtig war er als Mann, nicht als Hund vor ihr geflohen. Wenn sie die Polizei rief, würde die magische Strafverfolgung augenblicklich informiert. Und wenn die Frau aussagte, dass sich der derzeit meistgesuchteste Verbrecher vor ihren Augen in einen Hund verwandelt hatte, würde die Muggelpolizei sie für verrückt und die magische Strafverfolgung zur Zeugin des Jahrzehnts erklären.

Aber wie ernst würde die Frau genommen werden? Nun, das würde er zweifelsfrei in den nächsten Tagen in einer der Zeitungen lesen.

Eine kleine Ewigkeit schien vergangen, bis sich sein Puls und die Atmung allmählich beruhigten. Erst jetzt bemerkte er, dass seine Hände und Unterarme bluteten und tiefe Dornen darin steckten. Fluchend zog er sie hinaus, bis ihn ein Funkeln innehalten ließ. Der See glitzerte in einem wunderbaren Blau, die vertraute Bergkette zeigte, wie nah Schloss Hogwarts lag. Zum ersten Mal wurde Sirius gewahr, wie weit er es geschafft hatte. Mit heftig pochendem Herzen verwandelte er sich zurück und hörte zum zweiten Mal an diesem Tag ein lautes Knurren. Urheber dessen war auch diesmal ein Hund, nur versetzte es ihn nicht mehr in Panik. Es stammte von ihm selbst, genauer gesagt: Seinem Magen. Er witterte.

Ratte!

Heißhungrig nahm er die Fährte auf. Die Freiheit schmeckte allemal besser als das Essen in Askaban während der Gefangenschaft. Dafür nahm er auch in Kauf, gemäß seiner Mondbeobachtungen seit sechs Wochen keine richtige Mahlzeit mehr zu sich genommen zu haben. Als sein größter Hunger gestillt war, rollte er sich zum letzten Mal, wie er inständig hoffte, unter freiem Himmel zusammen.
 

Die Nase des Hundes zuckte. Sirius wurde davon geweckt und sah sich noch einmal langsam um, als müsse er sich seines Erreichten erneut versichern. Munter sprang er auf, seine Kräfte schienen für alle Dementoren der Welt auszureichen. Triumph erfüllte ihn.

Er hatte es geschafft!

Nicht nur, dass ihm als Erstem überhaupt die Flucht aus Askaban gelungen war, nicht nur, dass er es als Hochsicherheitsgefangener vermocht hatte, die Dementoren zu überlisten. Auch all die Wochen in Freiheit war er einer Ergreifung entkommen. Leichtfüßig sprang er über Äste, Zweige, Wurzeln und Gräben, die immer tiefer wurden, je dichter er in den Wald vordrang.

Er war zu Hause!

Dies war sein Zuhause gewesen, seitdem er im Alter von elf Jahren zum ersten Mal Schloss Hogwarts betreten hatte. Überglücklich, seiner entsetzlichen Familie entkommen zu sein. Endlich in Gegenwart jener zu sein, die von etwas anderem als Reinblütern, Slytherin und Familienehre sprachen. Wie er James kennengelernt hatte, wie sie es im fünften Jahr schafften, Animagi zu werden und wie der Hirsch, der Hund, der Wolf und die Ratte regelmäßig durch genau diesen Wald gestreift waren.

Bis zu diesem Moment war ihm nicht bewusst gewesen, wie sehr er Hogwarts vermisst hatte. Euphorie und Dankbarkeit überwältigten ihn. Hoch über den Bäumen mussten die Dementoren spüren, dass hier ein Lebewesen mit menschlichen Emotionen durch den Wald strich. Er konzentrierte sich mit aller Kraft, die Gefühle zu unterdrücken. Sie konnten in diesem Moment gefährlich für ihn werden. Nach einer Weile spürte er wieder das altbekannte, abgestumpfte Gefühl gepaart mit Pragmatismus. Sein Ziel war die 'Peitschende Weide' und je weniger er wahrnahm, desto sicherer würde er dorthin gelangen. Sirius' Tatzen berührten lautlos den Waldboden, auf dem es vor Kleinsttieren wimmelte. Einen langen, dünnen Ast nahm er während des Laufens in sein Maul, der würde gebraucht. Nach zwanzig Minuten begann sein Herz, trotz aller Konzentration schneller zu schlagen. Da stand sie: Hoch aufragend, mit leicht schwingenden, doch drohenden Ästen. Und da erblickte Sirius auch den Knoten. Zielsicher traf die Spitze des Astes. Der Baum wurde reglos, was kaum auffiel, da der Hund außerhalb ihrer Reichweite war und die Zone nicht überschritten hatte, in welcher sie begann, auszuschlagen. Flink war er in den Spalt gesprungen und lief den langen Tunnel entlang, bis er zur Treppe gelangte. Die vier Pfoten wichen je zwei Armen und Beinen. Sirius strich sich das lange verfilzte Haar aus dem Gesicht und ließ den Blick über die Wände schweifen. Nichts hatte sich geändert. Ihm war, als könnten jeden Moment die drei Freunde hinter ihm in den Raum treten, mit vor Abenteuerlust funkelnden Augen. Der Mann fühlte einen Kloß im Hals. Seine Beine versagten und er hätte nicht sagen können, ob die Erinnerung oder der Hunger die Ursache waren. Rasch ließ er sich auf das Bett fallen. An diesem Ort waren sie alle zum ersten Mal als Tiere vereint gewesen. Und an diesem Ort würde er bleiben, bis die Gefahr für Harry gebannt und sein eigenes Verlangen nach Vergeltung gestillt worden war.
 

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Der Kater

Sirius' Erwachen schmeckte nach Sehnsucht. Das Bett, auf dem er lag, war so muffig und mottenzerfressen, als wäre seit 20 Jahren keiner mehr hier gewesen, um sich darum zu kümmern. Also hatten die Gerüchte, welche Dumbledore nicht müde geworden war zu verbreiten, tatsächlich nachhaltig Eindruck hinterlassen. Sirius hatte nie zugehört, wenn der Schulleiter seine Gruselgeschichten über eine Bande von den wüstesten Gespenstern erzählte, vor denen sogar die Geister aus Hogwarts respektvollen Abstand einhielten. Doch sie waren zweifelsfrei beeindruckend genug gewesen, um auch heute noch dafür zu sorgen, dass kein Dorfbewohner dieser Hütte zu nahe kam.

24 Jahre waren verstrichen.

24 Jahre, seitdem der elfjährige Remus mit ihm eingeschult worden war und sich allmonatlich in dieser Hütte verwandelt hatte, um keinen der anderen Schüler und Schlossbewohner in Gefahr zu bringen. Fast war es Sirius, als sähe er noch die Mulde am Fußende, in welcher Remus' Körper nach den kräftezehrenden Verwandlungen Ruhe gefunden hatte.

Ab ihrem fünften Jahr war es manchmal vorgekommen, dass Peter, James und er die Nacht mit ihrem verwandelten Freund hier verbracht hatten. Niemandem war aufgefallen, dass sie ganze Nächte außerhalb des Schlosses verbracht hatten.

Sirius starrte auf die Tür, während schattenhafte Erinnerungen sich in sein Bewusstsein drängten. Immer heftiger wurden sie, bis er die Szene so gestochen scharf vor sich sah, als befände er sich in einer der atemberaubenden Theatervorstellungen, die er des Öfteren mit Lily und James besucht hatte.

„Hier gehst du jeden Monat hin?“ Peter starrt Remus mit vor Staunen weit aufgerissenen Augen an. Er ist, wie sie alle, 12 Jahre alt. Mit ehrfürchtigen Mienen sehen sie sich um und betrachten die tiefen Kratzer und Verwüstungen.

„Und das warst alles du? Ganz allein?“

„Ja.“ Remus klingt beschämt, während er verzagt auf die Spuren seiner Verwüstungen blickt.

„Wow.“ Wie beeindruckt Peter sich angesichts der animalischen Kräfte des Freundes anhört!

„Das würde ich ja gerne mal sehen, wie du hier wütest.“

„Bloß nicht!“ Entsetzt rauft Remus sich sein Haar. „Ihr würdet euch alle in Lebensgefahr bringen.“

„Das wäre schon eher etwas für unseren Freund Schniefelus“, kommentiert Sirius mit gehässigem Blick, was die anderen Drei zum Lachen bringt.

„Verdient hätte er es ja. Und wir hätten ihm sogar einen Gefallen getan und seiner unerträglichen Neugier Abhilfe geschaffen“, meint James grinsend. Er greift in seine Tasche, Sekunden später sind sie unter dem Tarnumhang verborgen und kehren zum Schloss zurück. Sirius weiß, wie unwohl sich Remus in seiner Haut fühlt. Er leidet darunter, die Verwandlungen nicht kontrollieren zu können. Eine Gefahr zu sein.
 

Doch als die Abenteuer in ihrem fünften Jahr begannen, war auch der Leidensdruck gewichen und sie genossen ihr Leben rundherum. Wie unbeschwert wir damals noch waren! Wehmütig seufzte Sirius. Die Bilder an der Hüttenwand verblassten und der Rücken des Mannes straffte sich. Es war nicht die Zeit, um sentimental zu werden. Er musste handeln. Sirius stieg die laut knarrenden Treppenstufen herab. Auf halber Strecke zog sich sein Körper zusammen und der Hund lief weiter. Frische Luft schlug ihm entgegen und weckte seine Lebensgeister endgültig. Nachdenklich streifte er durch den geliebten, vertrauten Wald. Die Bewegung tat Sirius gut. Sein Blick wanderte in die Ferne zu den Dementoren. Den Kreaturen, die den Mörder Peter Pettigrew hinter sicheren Mauern schützten. Sirius schritt zornig schneller aus.

Wie um alles in der Welt sollte er in das Schloss kommen?

All die Wochen hatte die Flucht seine gesamte Aufmerksamkeit beansprucht. Kaum einen Gedanken hatte er daran verschwendet, wie es weitergehen würde. Das Bild des Honigtopfes erschien vor seinem inneren Auge. Wenn es ihm gelänge dort einzudringen, käme er direkt zum Buckel der Hexenstatue im Schloss. Doch womöglich war der Geheimgang versiegelt worden.

Ich werde es nicht wissen, bis ich es versucht habe! Welcher Wochentag heute wohl ist? Könnte ich doch an eine Zeitung kommen… Ja, das mache ich. Ich gehe nach Hogsmeade und -

Sirius erstarrte und spitzte die Ohren. Ein aufgebrachtes Fauchen unterbrach seine Gedanken. Erschrocken richtete der Hund sich auf und drehte die Ohren in die Richtung des Geräusches. Dann löste sich die Spannung. In seiner menschlichen Gestalt hätte er lachen müssen: Es war ein Kater. Doch was für ein Kater!

Das Gesicht wirkte merkwürdig eingedellt, das Fell war rostrot und flauschig und er fauchte noch lauter. Nun wurde Sirius doch nervös. Manch aggressive Katze zerkratzte Hunden das Gesicht derartig, dass sie wochenlang Schmerzen litten. Was hatte der Kater nur?

Der Hund drehte seinen Kopf zu allen Seiten: Niemand war zu sehen. Plötzlich stieg Sehnsucht in ihm hoch. Wie lange hatte er das Fell eines Tieres nicht mehr mit bloßen Händen berühren können?

Der Augenblick war zu günstig, die Versuchung zu groß. Impulsiv verwandelte er sich.

Das Fauchen erstarb. Zögernd streckte Sirius seine Hände aus und machte lockende, schnalzende Geräusche mit der Zunge. Der Kater näherte sich ihm und Sirius griff nach dem Tier. Legte seine Hand fast ängstlich, mit wild klopfendem Herzen, auf den Rücken und spürte, dass der Kater einen Buckel machte und zu Schnurren begann. Sirius Herz verkrampfte sich. Wie sehr er doch mittlerweile die kleinen Dinge im Leben zu schätzen wusste!

Die Zeit stand still, in diesem Moment der Glücksseligkeit. Da waren nur er und das Tier, dessen geschmeidiges Fell Leben und Freiheit verkörperte. Dessen Beine sich mit zurückgezogenen Krallen in seiner Brusttasche vergruben.

Viel zu früh wurde Sirius von der Wirklichkeit wieder eingeholt. Ein Geräusch ließ ihn innehalten. Schritte. Im nächsten Augenblick waren auf der Lichtung wieder zwei Tiere zu sehen. Sirius duckte sich. Hagrid. Der Wildhüter war also nach wie vor hier.

Auch er wird mich für einen elenden Verräter halten, fuhr es Sirius durch den Kopf. Ob die Armbrust mir gilt?

Mit traurig hängendem Kopf schlich der Hund davon. Zu seiner Verwunderung folgte ihm der Kater bis zur Peitschenden Weide.

Ob er wohl mit mir kommt? Das wäre schön. Wie lange war ihm sämtliche Gesellschaft vorenthalten worden? Einem plötzlichen Impuls folgend stieß Sirius einen Laut aus. Der Kater reagierte und das Hundeherz schlug fast bis zu seiner Kehle. Es funktionierte!

Die Sprache der Tiere hatten Sirius, James, Remus und Peter schon früh nach ihrer Verwandlung entdeckt. Es ermöglichte ihnen, als Tiere untereinander zu kommunizieren und dieser Kater verstand es. Mit federnden Sprüngen stürmte Sirius auf die Peitschende Weide zu, den Kater auf seinen Fersen. Mit einem großen Satz überwand der Hund die kritische Zone, noch ehe die Weide reagieren konnte. Als der Kater am späten Abend die Hütte verließ, hinterließ er einen Mann, der das Gefühl hatte, nach 13 Jahren wieder einen Freund gefunden zu haben.
 

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Fehlschläge

Mit gerunzelter Stirn sah Sirius den Kater an, der ihm soeben Bericht erstattet hatte. Was für eine verfahrene Situation! Dabei war es so überzeugt davon gewesen, dass der Plan aufgehen würde. Man müsste den Kerl aus der Reserve locken, hatte Sirius gedacht. Und angesichts einer drohenden Zerfleischung durch einen Kater, wird selbst Peter es vorziehen, sich zu verwandeln. Doch der Verräter war wieder einmal davon gekommen. Und mehr noch waren Harrys Freunde aufgrund dessen heftig zerstritten. Sirius hatte sich vorgestellt, wie Peter vor aller Augen im vollen Gemeinschaftsraum erschienen wäre. Hunderte Zeugen. Die ungeheuerliche Nachricht würde sich wie ein einschlagender Blitz ausbreiten. In der Schule, dem Dorf und letztlich dem ganzen Land. Er wäre als Mann und Harrys Pate ins Schloss marschiert, staunende, bewundernde Blicke auf sich gerichtet. Das Zaubereinministerium und der Minister hätten sich offiziell bei ihm entschuldigt und sich bedankt, dass wegen seiner Mühen die Wahrheit ans Licht gekommen wäre.

Der Orden der Merlin erster Klasse würde Peter Pettigrew ab- und ihm anerkannt. Sirius hätte Harry kennenlernen können. Nach zwölf unendlich langen Jahren, die man ihnen beiden genommen hatte, wäre er James' Sohn zum ersten Mal wieder nahe, könnte ihn mit dem besten Freund vergleichen, sich an ihm satt sehen. Wehmütig seufzte Sirius auf. Er schwankte zwischen Enttäuschung und Wut, welche immer stärker wurde. Es drängte ihn danach, Peter selbst in die Hände zu bekommen. Mit ausgestrecktem Zauberstab über ihm zu stehen und das Leben des Spionen zu beenden. Avada Kedavra. Nie zuvor hatte er den Fluch benutzt, doch für diesen Verräter würde er es mit Vergnügen tun.

„Ich kann es natürlich weiter versuchen“, meinte Krummbein und sah ihn zweifelnd an. Unruhig zuckte die Nase des Hundes, als er entschlossen erwiderte: „Ich werde es selbst versuchen.“ Dies war ohnehin der ursprüngliche Plan gewesen, bis zu dem Tag, an dem er den Kater getroffen und als Verbündeten hatte gewinnen können.

„Sie reden immerzu von Hogsmeade“, informierte Krummbein. „Scheint, als wäre an Halloween der Großteil der Schüler nicht da. An diesem Tag scheint es am Günstigsten zu sein. Nur Harry hat keine Erlaubnis bekommen. Er muss bleiben.“

Im Herzen von Sirius startete ein Feuerwerk, die Gedanken schienen gelähmt und zugleich rasten sie in einer Geschwindigkeit durch seinen Kopf, dass er sie kaum zu fassen vermochte. Halloween. Der Tag vor zwölf Jahren, an dem Lily und James ermordet wurden. Der Tag, an dem Peter ihn ins Verderben gestürzt hatte. Wie symbolisch, dass ausgerechnet an Halloween Peters falsches Spiel offenbart würde.

Sirius sah sich selbst in den Gemeinschaftsraum treten, Peter aus der Tarnung treibend. Er würde sich Harry zuwenden und ihm sagen, dass er sein Pate sei und ab sofort immer für ihn da wäre. Dass er gekommen war, um diesmal wenigstens ihm das Leben zu retten. Wenn es ihm schon bei James und Lily misslungen war. Nie wieder würde Harry durch Peter Schaden zugefügt werden.
 

„Morgen ist es so weit. Sie haben heute den ganzen Tag von nichts anderem als Hogsmeade gesprochen“, rief Krummbein. Mittlerweile hatte die Aufregung Sirius' sogar den Kater ergriffen. Sie sahen einander an, der Schwanz des Hundes und des Katers zuckten unruhig. Als der Kater die Hütte verlassen hatte, ging Sirius auf und ab. Morgen würde der Tag sein, auf den er zwölf Jahre lang gewartet hatte. Morgen würden James und Lily gerächt. Morgen würde das Leben Peters eine äußerst unerfreuliche Wendung nehmen. Sirius grinste. Er stieg die knarrenden Stufen hinab und betrat den Gang.

Tatsächlich! Der Geheimgang war noch intakt. Zu Viert hatten sie ihn damals mithilfe von Zauberflüchen frei gesprengt und er endete in unmittelbarer Nähe des Portraits der Fetten Dame. Unvorstellbar, bei jedem ihrer nächtlichen Ausbrüche den Gang zwischen dem Honigtopf und dem Hexenbuckel im Schloss zu nutzen. Beruhigt legte Sirius sich auf das mottenzerfressene Bett. Morgen, dachte er. Dann war er schon eingeschlafen.
 

Hätte ich doch einen Zauberstab. Dann könnte ich mich wenigstens unsichtbar machen. Mit hämmerndem Herzen stand Sirius vor dem Stück Mauer, dass ihn vom Korridor in Hogwarts trennte.

Hätte ich wenigstens unsere Karte, dann könnte ich sehen, wer gerade hier herum schleicht. Was wohl aus ihr geworden ist? Vorsichtig drückte er und lautlos glitt die getarnte Tür beiseite. Sirius lauschte, hörte jedoch nichts. Trotz seiner flatternden Nerven machte sein Herz angesichts der vertrauten, geliebten Umgebung einen freudigen Hüpfer. Langsam sah er sich um, registrierte von den Portraits über die Wandteppiche jedes Detail und nahm es in sich auf. Hogwarts. Dort über dem Gemälde war sogar noch der Blutfleck. Zwar verblasste er, doch Sirius erkannte die Stelle dennoch, an der Schniefelus' Blut die Wand getroffen hatte. Was musste er James auch hinterrücks attackieren!?

Sirius machte einen Schritt, erstarrte jedoch mitten in der Bewegung und sah gebannt zur Treppe.

Lauf!, schoss es durch seinen Kopf. Er verbarg sich hinter einer Rüstung.

Snape! Sirius Kinnlade klappte herab. Was tat der denn hier? Sirius rieb sich die Augen, doch es war keine Halluzination: Severus Schniefelus Snape war tatsächlich auch hier. Jetzt ging er weiter und war außer Sicht, doch noch immer verharrte der Geflohene, bis er sich besann. Das Portrait der Fetten Dame war verlassen. Sie schien ausgegangen zu sein. Die Enttäuschung überwältigte ihn. Was nun? Sollte er warten? Für einen kuren Moment dachte er an Albus Dumbledore. Er könnte zu ihm gehen und sich offenbaren. Ihm die ganze Geschichte erzählen.

Vertraue keinem, niemand wird dir glauben, warnte das Misstrauen! Nein, es ging nicht, er selbst musste es schaffen. Und er würde es schaffen. Schon wieder Schritte. Der Kerl machte ihn wahnsinnig. Sein Haar war noch länger und fettiger geworden, einzig der raubtierhafte Gang war derselbe geblieben. Sirius drückte sich so dicht er konnte an den Rücken der Rüstung. Abscheu stieg in ihm hoch. Wie gerne würde er ihm einen gepfefferten Fluch aufhalsen, so dass ihm Hören und Sehen verginge. Nach einer halben Stunde gab er auf. Weder kam die Fette Dame zurück, noch verschwand Snape aus den Gängen. Was trieb er nur?

Herumschnüffeln, mit seiner übergroßen Nase!

Aufgebracht betrat er den Geheimgang und wartete in der Hütte auf die Zeit des Abendbrotes. Als die Dämmerung die Spitzen der Bäume immer weiter verfärbte, betrat er zum dritten Mal den Gang. Diesmal fühlte er eine kalte Gelassenheit. Wie von einem Magnet angezogen, setzte er die Füße voreinander. Peter, ich komme!

Er trat in den Korridor, wandte den Kopf nach links und rechts. Niemand war zu sehen, doch fernes Stimmengewirr sagte ihm, dass die Schüler beim Festessen saßen. Seine Faust schloss sich um den Dolch, den er seit seiner Flucht bei sich trug, nachdem er ihn einem Obdachlosen genommen hatte. Der kalte Griff fühlte sich gut in seiner verschwitzten Hand an. Mit entschlossener Miene wandte er sich der Fetten Dame zu.

„Lass mich rein“, forderte er.

„Passwort?“, fragte sie hochmütig und sah ihn von oben herab an. Das Passwort. Wie konnte er das vergessen haben? An alles mögliche hatte er gedacht, nur an das nicht. Er schluckte schwer.

„Ich habe es nicht. Ich bin gekommen, um meinen Sohn zu besuchen.“

Die Augen der Dame verengten sich.

„Um diese Zeit? Das glaube ich kaum. Zumal er gerade beim Abendessen sitzen dürfte.“

„Bitte, ich .. Ich muss in diesen Turm.“

„Kein Passwort, kein Eintritt!“, verkündete sie schnippisch. Das durfte doch alles nicht wahr sein. Nicht jetzt, nicht heute. Wie in einem Alptraum gefangen sah er das Portrait an und die Not verwandelte sich in Wut und die Wut in Raserei. Wahrscheinlich räkelte Peter sich gerade jetzt in einem der Himmelbetten, zufrieden mit sich und der Welt, geduldig abwartend bis es Zeit wurde, zu Handeln. Verwöhnt von einem Jungen, der ihn liebte, das Haustier schützte und hätschelte. Und plötzlich war es nicht mehr die Dame im Seidenkleid, die er vor sich sah, sondern das Gesicht des Verräters, das ihn auslachte, sich über ihn amüsierte. Mit einem Wutschrei hob er den Arm und stach auf das Gemälde ein, das ihm den Eintritt verwehrte, es unmöglich machte, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Es ihm unmöglich machte, aus der Illegalität zu kommen, rehabilitiert zu werden. James und Lily zu rächen. Die angestaute Wut der vergangenen Wochen entlud sich, die Dame schrie und floh, doch noch immer zerstörten tiefe Hiebe des Dolches das Portrait, bis ein Geräusch Sirius schlagartig in die Wirklichkeit zurück brachte. Peeves, der Poltergeist, kam rückwärts aus einer Wand geschwebt. Wie angefroren verhielt Sirius mitten in der Bewegung, den Arm noch immer erhoben, das Gesicht feuerrot und verschwitzt. Nichts wie weg hier, dachte er und Panik stieg in ihm hoch. Hals über Kopf rannte er in den Geheimgang zurück und ließ sich wenig später mit vor Tränen nassem Gesicht auf das Bett fallen.
 

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Quidditch

Die Depression fesselte Sirius die gesamte nächste Woche über ans Bett und Krummbein hielt aufgrund des täglich strenger werdenden Geruches bei seinen Besuchen immer größeren Abstand ein. Trotz der dunklen Wolke, die ihn zu umgeben schien, nahm sogar Sirius wahr, wie sein Fell durch den Staub spröde wurde und sich kleines Getier darin festsetzte. In den seltenen Momenten, da er als Mann unter der mottenzerfressen Decke lag, die sich eher wie eine Bleischürze lähmend auf ihm befand, roch er alten Schweiß.

„So kann es nicht weiter gehen“, sagte der Kater eines Nachmittags. Der Regen peitschte sturmgetrieben gegen die Läden und der Raum lag in fast vollkommener Dunkelheit. Erschöpft erwiderte Sirius den kritischen Blick. Seine Stimmbänder fühlten sich vom langen Schweigen verklebt an und er musste sich zunächst mehrfach räuspern, eher er ein monotones:

„Was soll ich denn tun?“ herausbrachte.

„Mit mir kommen“, entschied der Kater und sprang mit sichtlichem Widerwillen auf die vor Schmutz starre Decke. Resigniert erhob der Hund sich von seinem Lager und folgte seinem Gefährten. Die Wolken trieben so tief am Himmel, dass Sirius den Eindruck hatte, sie würden bis auf den Boden reichen. Doch der heftige Regen weckte unerwartet seine Lebensgeister und er sprang mitten in eine große Pfütze. Das Wasser tat ihm gut, der Dreck wurde gleichsam mit seiner Lethargie abgewaschen und versickerte durch das Abschütteln in der Erde.

„Na bitte“, meinte der Kater in recht selbstgefälligem Ton. Er jagte in weiten Sprüngen auf den Verbotenen Wald zu, Sirius auf den Fersen. Für einen kurzen Moment überfiel ihn erneut die tiefe Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, welche ihn seit dem missglückten Einbruch gefangen hielt. Doch als sie die Dementoren hinter sich gelassen hatten, genoss er den Ausflug aus vollem Herzen. Langsam gingen sie nebeneinander her. Obwohl die Bäume dicht beieinander standen, war es bedeutend heller als in der Hütte.

„Du darfst jetzt nicht aufgeben. Auch ich bin gescheitert, ja, aber dennoch wird die Ratte eines Tages durch uns enttarnt werden. Nur nicht den Mut verlieren.“ Sirius nickte. Seitdem er an der frischen Luft war, fühlte er sich stark und kämpferisch. Es war, als hätten die mächtigen Sturmböen alle trüben Gedanken aus seinem Kopf geblasen. Gerade wollte er antworten, als sein Blick auf fliegende Gestalten fiel, die ihn nicht ängstigten, sondern erfreuten.

„Quidditch“, rief er verblüfft und blieb abrupt stehen.

„Bitte? Ach ja, in der Tat. Sogar bei diesem Wetter kann den Jungen nichts davon abhalten. Sie möchten morgen um jeden Preis Siegen. Eine merkwürdige Sportart ist das....“

„Den Jungen?“, echote Sirius und starrte den Kater ungläubig an. „Welcher Junge?“ Krummbein wandte ihm sein eingedelltes Gesicht zu. Vermutlich hätte er die Augen verdreht, wäre es ihm möglich gewesen.

„Welcher Junge? Harry natürlich.“ Sirius verharrte, die Ohren gespitzt, während Welle um Welle von Euphorie und Schmerz ihn überwältigte.

Er ist ihm so ähnlich, nicht nur äußerlich, auch innerlich. Wieder stellte er sich vor, wie er Harry träfe, der ihn lieben würde, beinahe wie einen Vater. Und Sirius würde Harry lieben, so allumfassend, wie einen Sohn.

Die Nackenhaare des Katers sträubten sich und lautes Fauchen riss den Entflohenen aus seinem Tagtraum. Entsetzt bemerkte er, wie nahe sie beide den Dementoren gekommen waren. Langsam schwebten sie zu ihnen hinab. Panisch rannte er zur Peitschenden Weide zurück. Das war knapp. Schon wieder war er unvorsichtig gewesen, hatte den Sturm an Emotionen, welche er in der Nähe von Dementoren so überlebensnotwendig vermeiden musste, zugelassen.

„Diese Impulsivität wird dich noch Kopf und Kragen kosten“, mahnte eine Stimme in seinem Kopf, die wie Remus klang und ihn häufig zur Vorsicht trieb.

Harry spielt Quidditch, er ist wie James, hielt der aufgeregte Teil dagegen. Und schon morgen wirst du ihn spielen sehen können...
 

Mit heftig pochendem Herzen stieg Sirius die Tribüne hinauf. Bei jedem Absatz verharrte er, den Körper so nahe an den Boden gepresst, wie es ihm möglich war. Die Aufregung wuchs, je höher er stieg. Sah ihn jemand? Blickte einer der Schüler oder schlimmer noch: Einer der Lehrer in seine Richtung? Doch nein, alle Augen waren auf die kleinen, weit entfernten Gestalten auf ihren Besen gerichtet. Endlich war er in der höchsten Reihe angelangt, ließ sich auf einem der Sitze nieder und schien schon Sekunden später nur noch aus Augen zu bestehen. Wie elegant und präzise sein Patenkind sich bewegte, trotz des Sturms und Regens die Balance hielt. Wie James. Er war ihm so nahe...

„Bei Regen ist Fliegen einfach ätzend. Du kannst kaum etwas sehen und musst dann noch dieses winzige Ding fangen. Da braucht man schon einen sehr fähigen Spieler, der das schafft“, hörte er die Stimme von James. Sah ihn vor sich, wie er mit dem Schnatz spielte und sich die Haare zerstrubbelte. James. Wie sehr er ihn vermisste. Es war nicht mehr Harry, den er jetzt auf dem Spielfeld sah, sondern sein bester Freund. Der Schmerz verkrampfte ihm das Herz, ein Beben lief über das Fell. Ein Blitz erhellte den dunklen Himmel und als wäre er getroffen worden, kam Sirius in die Realität zurück.

Dementoren!

Hunderte von Dementoren schwebten auf ihn zu. Was tat er da? War er wahnsinnig, sich und Harry dieser Gefahr auszusetzen? Das Entsetzen elektrisierte ihn und wieder war er gezwungen, zu fliehen.
 

„Abgestürzt?“ Sirius Stimme war nicht mehr als ein heiseres Krächzen. Er schnappte nach Luft.

„Ja. Sie haben ihn in den Krankenflügel gebracht.“ Krummbein lief mit steil aufgerichtetem Flaschenbürstenschwanz in der Hütte auf und ab.

„Kannst du nach ihm sehen?“ Sirius Stimme hatte einen flehenden Ton angenommen.

„Unmöglich.“ Der Kater sah ihn resigniert an.

„Es ist allein meine Schuld“, schrie Sirius zornig auf. „Wäre ich nicht zum Spiel gekommen, wären diese verdammten Kreaturen nicht aufgetaucht!“ Voller Reue vergrub Sirius den Kopf unter den Tatzen. Wie er es auch anstellte, alles misslang. Er schwankte zwischen Raserei gegen sich und die Welt, insbesondere Peter und der Furcht um Harry. In geduckter Haltung lag er auf dem Boden und fletschte die Zähne. Wie lange er in dieser Stellung geblieben war, vermochte er nicht zu sagen. Irgendwann waren die Geräusche des Katers leiser geworden und verstummt.

Irgendwann konnte Sirius nur noch das Pfeifen des Windes wahrnehmen.

Irgendwann blickte Sirius sich in der leeren Hütte um. Er war allein, doch zugleich unfähig, es zu bleiben. Er musste irgendetwas tun, was auch immer!

Für einen wilden Moment mochte er überlegt haben, erneut ins Schloss einzudringen. Er hätte nicht einmal sagen können, welcher Drang stärker war: Der, Peter zu töten und auf dem Weg dahin alles zu zerstören, was sich ihm in den Weg stellte oder sich auf die Krankenstation zu schleichen, sich zu verwandeln. Harry alles zu erklären und ihn um Vergebung zu bitten. James' Sohn zu versprechen, dass er wieder gesund würde und sein Pate in dieser Zeit bei ihm bliebe.

Hör doch auf zu spinnen! Du hast wahrhaftig genug Schaden angerichtet!

Die Ungewissheit zerriss ihn. Unbeherrscht begann er, in dem viel zu kleinen Raum auf und ab zu laufen, gegen die Wände zu treten, bis weißer Staub den gesamten Boden bedeckte.

Warten, dachte er plötzlich ernüchtert. Du musst einfach warten. Du hast dreizehn Jahre lang gewartet, wenn du jetzt den Verstand verlierst, war alles umsonst. Sirius zwang sich, tiefe, beruhigende Atemzüge zu nehmen. Sein Bauch wölbte sich nach vorne und flachte dann wieder ab. Atemzug um Atemzug.

Er würde warten. Bis der Kater ihm den nächsten Bericht erstattete, bis er Peter töten würde, bis Harry und er eine richtige Familie wären.
 

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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  StarCat
2017-03-29T15:29:19+00:00 29.03.2017 17:29
Hallo!
bin gerade über diese FF gestolpert und finde dein Einstieg schon mal sehr gelungen. Du hast einen sehr angenehmen Schreibstil, auch wenn die Kapitel einen Ticken länger sein könnten. Aber das ist ja Geschmackssache.
Ich kann mir gut vorstellen, dass Peter, diese miese Ratte, tatsächlich Sirius gegenüber scheinheilig versucht hat, den Verdacht auf Remus zu lenken, finde diese Stelle sehr gut in Szene gesetzt.
Verstehe überhaupt nicht, warum du so wenige Kommentare hast. Wenn ich dir aber einen Tipp geben darf, versuche mal deine Geschichten (wenn du es nicht schon tust) parallel auf Fanfiction.de zu veröffentlichen. Da ist die Fanbase für Harry Potter größer als hier, da sollten deine FFs auch die Aufmerksamkeit kriegen, die sie verdienen. :)

Liebe Grüße

StarCat
Antwort von:  Liliputh
29.03.2017 19:38
Huhu,

vielen Dank für deinen Kommentar, freut mich sehr!
Was die Länge angeht, habe ich so als Minumum 1 000 Wörter, viel mehr würde mir zu einer einzelnen Szene gar nicht einfallen.
Ja, animexx ist ein bisschen verschlafen ;) Ich bin sogar auf fanfiktion und harrypotter xperts ^^
Die meisten Kommentare bekomme ich eigentlich auf YouTube, mittlerweile :)

Viele Grüße,
Liliputh


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