Sirius Black von Liliputh (Sein Erleben von 1981 bis zu seinem Tod) ================================================================================ Kapitel 8: Hogwarts ------------------- Die Hütte ragte vor ihm auf. Sirius war, als wäre er in eine andere Zeit eingetaucht. Eine Zeit mit James, Peter und Remus. Eine Zeit des Wir-gegen-den-Rest-der-Welt-Gefühls, des Verbündetseins und der Freundschaft, die nichts auf der Welt zu trennen vermochte. Er hatte es geschafft, war so gut wie am Ziel. Mit schwerem Herzen blickte Sirius sich um. In Hogsmeade hatte sich manches geändert. Als hätte es noch eines Beweises bedurft, dass er nicht mehr herkam, um eine abenteuerliche Nacht mit seinen besten Freunden zu verbringen, sondern um zu morden. Der Hund hob den Kopf noch etwas höher und erkannte in einer Entfernung von etwa zweihundert Metern jene Kreaturen, die er um alles in der Welt umgehen musste. Die Dementoren schwebten hoch über den Grenzen Hogwarts'. Mit einem Umweg über den Verbotenen Wald müsste es ihm eigentlich gelingen, ihrem Einfluss fern zu bleiben. Doch dies würde er auf den folgenden Tag verschieben. Zu aufgewühlt fühlte er sich angesichts der vertrauten, geliebten Umgebung und seiner aufreibenden Flucht. An diesem Morgen war es wirklich knapp gewesen. Eine Muggel hatte ihn erkannt, soviel war Sirius nach ihrem entsetzten Blick klar gewesen. Der Wald, in dem er sich schlafen gelegt hatte, war voller Geräusche, Bewegungen und Schatten gewesen. In Kombination mit den Anstrengungen der Reise, der Sorge um Harry und der Erinnerungen an die Dementoren, welche in verworrenen und beängstigenden Traumbildern erschienen, ihn ständig aufschrecken ließen und ihm so den Schlaf raubten, hatte er eine seiner unruhigsten Nächte seit dem Ausbruch erlebt. Von einem lauten und nahe klingenden Knurren war Sirius geweckt worden und vor Schreck hatte er sich verwandelt. Erst nach dem schrillen Schrei der Hundebesitzerin war er zu sich gekommen, konnte die Traumbilder abstreifen und davon rennen. In seinen Ohren klangen ihre Hilferufe nach, während er sich durch dorniges Gestrüpp kämpfte und die Häftlingskleidung zerriss. Geistesgegenwärtig war er als Mann, nicht als Hund vor ihr geflohen. Wenn sie die Polizei rief, würde die magische Strafverfolgung augenblicklich informiert. Und wenn die Frau aussagte, dass sich der derzeit meistgesuchteste Verbrecher vor ihren Augen in einen Hund verwandelt hatte, würde die Muggelpolizei sie für verrückt und die magische Strafverfolgung zur Zeugin des Jahrzehnts erklären. Aber wie ernst würde die Frau genommen werden? Nun, das würde er zweifelsfrei in den nächsten Tagen in einer der Zeitungen lesen. Eine kleine Ewigkeit schien vergangen, bis sich sein Puls und die Atmung allmählich beruhigten. Erst jetzt bemerkte er, dass seine Hände und Unterarme bluteten und tiefe Dornen darin steckten. Fluchend zog er sie hinaus, bis ihn ein Funkeln innehalten ließ. Der See glitzerte in einem wunderbaren Blau, die vertraute Bergkette zeigte, wie nah Schloss Hogwarts lag. Zum ersten Mal wurde Sirius gewahr, wie weit er es geschafft hatte. Mit heftig pochendem Herzen verwandelte er sich zurück und hörte zum zweiten Mal an diesem Tag ein lautes Knurren. Urheber dessen war auch diesmal ein Hund, nur versetzte es ihn nicht mehr in Panik. Es stammte von ihm selbst, genauer gesagt: Seinem Magen. Er witterte. Ratte! Heißhungrig nahm er die Fährte auf. Die Freiheit schmeckte allemal besser als das Essen in Askaban während der Gefangenschaft. Dafür nahm er auch in Kauf, gemäß seiner Mondbeobachtungen seit sechs Wochen keine richtige Mahlzeit mehr zu sich genommen zu haben. Als sein größter Hunger gestillt war, rollte er sich zum letzten Mal, wie er inständig hoffte, unter freiem Himmel zusammen. Die Nase des Hundes zuckte. Sirius wurde davon geweckt und sah sich noch einmal langsam um, als müsse er sich seines Erreichten erneut versichern. Munter sprang er auf, seine Kräfte schienen für alle Dementoren der Welt auszureichen. Triumph erfüllte ihn. Er hatte es geschafft! Nicht nur, dass ihm als Erstem überhaupt die Flucht aus Askaban gelungen war, nicht nur, dass er es als Hochsicherheitsgefangener vermocht hatte, die Dementoren zu überlisten. Auch all die Wochen in Freiheit war er einer Ergreifung entkommen. Leichtfüßig sprang er über Äste, Zweige, Wurzeln und Gräben, die immer tiefer wurden, je dichter er in den Wald vordrang. Er war zu Hause! Dies war sein Zuhause gewesen, seitdem er im Alter von elf Jahren zum ersten Mal Schloss Hogwarts betreten hatte. Überglücklich, seiner entsetzlichen Familie entkommen zu sein. Endlich in Gegenwart jener zu sein, die von etwas anderem als Reinblütern, Slytherin und Familienehre sprachen. Wie er James kennengelernt hatte, wie sie es im fünften Jahr schafften, Animagi zu werden und wie der Hirsch, der Hund, der Wolf und die Ratte regelmäßig durch genau diesen Wald gestreift waren. Bis zu diesem Moment war ihm nicht bewusst gewesen, wie sehr er Hogwarts vermisst hatte. Euphorie und Dankbarkeit überwältigten ihn. Hoch über den Bäumen mussten die Dementoren spüren, dass hier ein Lebewesen mit menschlichen Emotionen durch den Wald strich. Er konzentrierte sich mit aller Kraft, die Gefühle zu unterdrücken. Sie konnten in diesem Moment gefährlich für ihn werden. Nach einer Weile spürte er wieder das altbekannte, abgestumpfte Gefühl gepaart mit Pragmatismus. Sein Ziel war die 'Peitschende Weide' und je weniger er wahrnahm, desto sicherer würde er dorthin gelangen. Sirius' Tatzen berührten lautlos den Waldboden, auf dem es vor Kleinsttieren wimmelte. Einen langen, dünnen Ast nahm er während des Laufens in sein Maul, der würde gebraucht. Nach zwanzig Minuten begann sein Herz, trotz aller Konzentration schneller zu schlagen. Da stand sie: Hoch aufragend, mit leicht schwingenden, doch drohenden Ästen. Und da erblickte Sirius auch den Knoten. Zielsicher traf die Spitze des Astes. Der Baum wurde reglos, was kaum auffiel, da der Hund außerhalb ihrer Reichweite war und die Zone nicht überschritten hatte, in welcher sie begann, auszuschlagen. Flink war er in den Spalt gesprungen und lief den langen Tunnel entlang, bis er zur Treppe gelangte. Die vier Pfoten wichen je zwei Armen und Beinen. Sirius strich sich das lange verfilzte Haar aus dem Gesicht und ließ den Blick über die Wände schweifen. Nichts hatte sich geändert. Ihm war, als könnten jeden Moment die drei Freunde hinter ihm in den Raum treten, mit vor Abenteuerlust funkelnden Augen. Der Mann fühlte einen Kloß im Hals. Seine Beine versagten und er hätte nicht sagen können, ob die Erinnerung oder der Hunger die Ursache waren. Rasch ließ er sich auf das Bett fallen. An diesem Ort waren sie alle zum ersten Mal als Tiere vereint gewesen. Und an diesem Ort würde er bleiben, bis die Gefahr für Harry gebannt und sein eigenes Verlangen nach Vergeltung gestillt worden war. -- Anhören könnt ihr euch das Kapitel hier: https://www.youtube.com/watch?v=nW4zJKLnWsw Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)