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Erinnerungen an ein Palastleben

von

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Ankunft in der Hauptstadt

>>Irgendetwas war anders. Er konnte es nicht genau definieren, vor allem, da es nichts Greifbares war. Alles um ihn herum war wie immer. Die zu nahen Wände, die engen Ketten, die eingeschüchterten Wachen. Nichts davon hatte sich verändert. Es war eher vergleichbar mit einer Veränderung in der Luft. So als würde eine kühle Brise durch die heißen Temperaturen hier drin schneiden. Oder als wäre in tiefster Dunkelheit eine einzelne Kerze entzündet worden. Und zum ersten Mal seit Wochen, erzeugte diese Veränderung einen klaren Gedanken in seinem Kopf…«

 

 

 

Die ersten Kirschblüten hatten sich bereits geöffnet, als sie endlich die Hauptstadt erreichten. Im Vergleich zu den Dörfern und Städten, die sie in den letzten Wochen gesehen hatten, war Heian-kyō gigantisch. Mit all den Häusern und unzähligen Tempeln, konnte man selbst von einem Turm im Zentrum der Stadt nicht dessen Außengrenzen erahnen.

An der Hauptstadt floss der Fluss Kamo vorbei. Oder besser gesagt, die Stadt schmiegte sich an diesen, als wären beide unzertrennlich miteinander verwoben. Eine Einheit, die gemeinsam entstanden sein musste.

Händler fuhren mit ihren Schiffen auf dem Fluss auf und ab und einige Häuser waren so weit über den Fluss gebaut, dass deren Bewohner über Seilzüge ihre gekauften Waren direkt von einem Boot in ihr Haus ziehen konnten. Doch auch auf den Brücken, die über den Fluss führten, boten Händler ihre Waren an. So viele verschiedene Dinge, dass Kasumi gar nicht mehr aus dem Staunen heraus kam.

Die Stadt pulsierte in einem anderen Rhythmus als alles, was sie jemals gesehen hatte und mit diesem Hauch von Frühling in der Luft, schien das Leben nur noch kräftiger durch die Straßen zu vibrieren. Angetrieben vom Palst des Tennō, der im Herzen der Stadt wie auf einer Wolke zu schweben schien.

Jedes einzelne Bauwerk, jede noch so exotische Ware auf dem Markt und jeder Mensch in den Straßen, machten Kasumi bewusst, warum Yōkai nicht mehr gern gesehen waren. Gut, das waren sie noch nie, doch mittlerweile war die Jagd auf sie fast schon zu einem Volkssport geworden. Die Menschen, die all das hier erschaffen hatten, wollten einfach nicht, dass diese prächtige Stadt wieder zerstört wurde. Sie wollten die Kontrolle über ihre Umgebung und alles, was sich darin befand. Also würden sie alles vernichten, was sie nicht kontrollieren konnten.

Ein kalter Schauer lief Kasumi, bei diesem Gedanken, über den Rücken. Dass sich auch Yōkai ein Leben aufgebaut hatten, daran hatte sicher noch nie jemand gedacht. Ein Leben, wie Kasumi einmal eins gehabt hatte. Bis ihr das passiert war, was jeder einzelne hier fürchtete. Es war ihr genommen worden und dabei hatten die Zerstörungswut und der Hass der Menschen keine Grenzen gekannt.

Aus diesem Grund hätte sie selbst wütend auf die Menschen sein müssen, doch sie konnte sie einfach nicht hassen. Denn in diesem Moment wurde ihr auch klar, dass jeder nur versuchte zu leben, wie es ihm beigebracht worden war.

Wenn sie in solch einer Stadt, bei einer normalen Familie aufgewachsen wäre, dann wäre sie heute vielleicht genau wie all die Menschen hier. Sie würde ihr Leben genießen und um jeden Preis versuchen es gegen die Yōkai zu verteidigen. Doch in diesem Moment spürte sie, wie ihr Kind zu treten begann. Irritiert sah sie auf ihren wohlgeformten Leib und legte eine Hand an die Stelle, die ihr Kind getreten hatte. Ein Lächeln auf den Lippen.

Es hatte Recht. Egal wie sie aufgewachsen wäre, egal welches Leben sie gelebt hätte. Irgendwie wäre sie hier an diesen Punkt gekommen. Immer. Denn sie war sich sicher, dass sie ihrem Mann niemals widerstehen könnte. Ob sie die Yōkai nun hasste oder nicht. Seinem Zauber wäre sie nicht entkommen. Und wenn doch, dann wäre er sicher ihrem verfallen.

„Kasumi? Was machst du denn? Wir sind endlich da!“

Kazumas Stimme ließ Kasumi auf sehen. Die Jungs waren ein Stück voraus gegangen, warteten jetzt allerdings darauf, dass sie zu ihnen aufschloss. Als sie ihre Brüder jetzt so ansah, musste sie Lächeln. Im Gedränge der vielen Menschen stachen sie extrem heraus und das ohne, dass es ihnen im Geringsten bewusst war.

Keiji, der mit seinen langen, offenen Haaren und seinen klaren, eisblauen Augen einfach nur eine Augenweide war. So scheinbar unerreichbar und doch machte ihn sein kleiner Tick, immer eine Haarsträhne hinter sein Ohr zu schieben, liebenswert menschlich.

Kazuma, dessen honigblondes Haar und smaragdgrünen Augen über alles hinweg strahlten und der kaum eine Sekunde stillstehen konnte. Wie ein kleiner Junge, im Körper eines Mannes. Immer fröhlich und optimistisch, konnte kaum etwas seine Einstellung trüben.

Und Benjiro, der weiße Krieger, der jederzeit eins seiner kastanienbraunen Augen auf seinen Gefährten hatte. Immer wachsam, auch was seine Umgebung betraf, entging ihm einfach nichts. Dabei konnte ein Lächeln auf seinen Lippen jedes noch so kalte Herz zum schmelzen bringen.

Alle Drei überschattet von der mächtigen Gestalt Matsukazes, der Aufmerksam die Umgebung beobachtete und sich doch niemals zu weit von seinem neuen Herren entfernte. Während die Frauen eher den Jungs hinterher sahen, wurde Matsukaze wegen seinen prächtigen Körperbaus und seiner nebelweißen Farbe eher von den Männern gemustert, die in ihm sicher eine große Geldquelle sahen. Doch niemand wagte es auch nur in die Nähe dieser vier zu geraten.

In den letzten Wochen hatte Kasumi sie alle auf so intensive Weise kennen gelernt, dass es sich anfühlte, als wären sie schon Jahre zusammen unterwegs. Sie vertrauten sich, ohne Geheimnisse voreinander zu haben. Sie waren eine Familie geworden und wenn Kasumi sich wieder erinnern würde, wenn sie ihren Mann gefunden hatte, dann würde sie diese Drei weiterhin in ihrem Leben wissen wollen.

Dieser Gedanken ließ ihr Lächeln noch breiter werden und so trat sie zu ihren Brüdern und ließ Kazuma einen Arm um ihren schlingen. Jetzt endlich würde sie ihr Zuhause sehen.

Als sie die Hauptstadt erreicht hatten, hatte Keiji seinen Männern frei gegeben, bis er zu seiner nächsten Mission aufbrechen würde. Aus diesem Grund waren alle zu ihren Familien und ihrem Zuhause zurückgekehrt. Genau das, was sie hier auch taten.

Keiji besaß ein großzügig gestaltetes Haus direkt am Fluss, welches er zusammen mit Benjiro und Kazuma bewohnte. Von hier aus lag der Kaiserpalast keine viertel Stunde zu Fuß entfernt. Der Ort, an dem sich sein Daimyō und sein direkter Vorgesetzter befanden und an dem er seinen Bericht erstatten musste. Doch bevor er das tun würde, wollte er Matsukaze in dem kleinen Stall unterbringen, der zu seinem Haus gehörte und Kasumi alles zeigen.

Nach der Eingangstür und dem Genkan öffnet sich das Haus zuerst in einen großen, langgezogenen Raum. In diesem Gäste empfangen, gegessen oder gemeinsam Zeit verbracht werden konnte. Von diesem Gemeinschaftsraum gingen zwei weitere Zimmer sowie die Küche ab. Eins der Zimmer gehörte Keiji allein. Hier arbeitete und schlief er. Das andere Zimmer teilten sich Benjiro und Kazuma. Die beiden Zimmer waren jedoch mit einer weiteren Tür verbunden.

Durch jeden der drei hinteren Räume gelange man durch eine weitere Tür in einen geräumigen Hinterhof. Hier befand sich, hinter einer Trennwand, eine Art Badezimmer. Ansonsten gab es nur noch eine Hintertür, die über eine Treppe auf einen Steg direkt am Fluss führte. Dort war es Schiffen möglich anzulegen und Kasumi war sich sicher, dass Keiji darüber alle Gäste empfing, die das Haus nicht durch die Vordertür betreten konnten.

Für einen reinen Männerhaushalt war das Haus im Großen und Ganzen sehr ordentlich. Dennoch schafften es die Jungs, das totale Chaos zu erzeugen, als sie es betraten.

Während Keiji sofort in sein Zimmer stürmte um dort seine Sachen zusammen zu packen, riss Benjiro die Zwischentür auf und warf Kazuma und seine Sachen einfach hindurch in Keijis Zimmer. Kazuma selbst drängte Kasumi dazu sich zu setzen und verschwand anschließend in der Küche, nur um, Minuten später, mit etwas Tee zurück zu kommen.

„W- was genau geht hier vor?“, fragte Kasumi irritiert.

„Wonach sieht es denn aus? Wir richten dein Zimmer her.“, antwortete Kazuma freudestrahlend, während er sich neben Kasumi setzte und Tee in zwei Tassen goss.

„Aber das ist doch nicht nötig! Mir würde auch irgendwo eine Ecke ausreichen. Immerhin waren wir jetzt so lange zusammen in diesen Zelten unterwegs, da weiß ich doch gar nicht, was ich mit einem ganzen Zimmer für mich alleine anfangen soll.“, wiedersprach Kasumi heftig, doch die Jungs ließen sich nicht beirren.

Keiji, der gerade die Tür zum Hinterhof öffnete, hielt inne und sah zu Kasumi.

„Du bist jetzt in der Hauptstadt und lebst in einem Drei-Männer-Haushalt. Ich will nicht, dass du bei den Nachbarn gleich einen unangebrachten Ruf bekommst. Außerdem kann ich es nicht verantworten, wenn dich Benjiro mit seinem Schnarchen die ganze Nacht wach hält.“, erklärte er mit einem breiten Grinsen, nur um Sekunden später einer Sake Schale auszuweichen.

„Wer schnarcht hier?“, fragte Benjiro rauflustig und wog bereits die nächste Sake Schale in seiner Hand.

„Wenn, dann muss sie vor dir beschützt werden! Wenn man dich nicht festbindet wälzt du dich doch immer quer durch den Raum.“, fügte er mit einem warnenden Knurren hinzu.

Natürlich würde Keiji, diesen Angriff auf sich, nicht unbeantwortet lassen, weshalb er sofort begann einen Tonkrug abzuschätzen, um herauszufinden, wie er diesen am besten an sein Ziel befördern konnte. Doch bevor die zwei noch sämtliche Einrichtung nacheinander warfen, ging Kasumi dazwischen.

„In Ordnung. Ich bin mir zwar sicher, dass es wunderbar so funktioniert hätte, doch ich nehme das Zimmer. Unter der Bedingung, dass ihr nichts weiter nach euch werft.“, erklärte sie und versuchte ein Kichern zu unterdrücken.

Auch wenn sie alle großartige Krieger und hochangesehene Bürger dieser Stadt waren, benahmen sie sich doch viel zu oft wie kleine Kinder. Was Kasumi immer ungemein amüsierte.

Auf frischer Tat ertappt, stellte Keiji den Krug zurück und griff sich stattdessen einen Besen, um den frei gewordenen Raum einmal gründlich zu fegen. Erst nachdem Keiji mit Kasumis neuem Zimmer zufrieden war, setzte er sich zusammen mit Benjiro an den Tisch um ebenfalls eine Tasse Tee zu trinken.

„Wir sollten heute noch zum Palast um unseren Bericht abzugeben. Vielleicht können wir dann auch ein paar Tage frei nehmen.“, schlug er vor, nachdem er seinen Tasse geleert hatte.

„Gute Idee, dann können wir Kasumi in den Norden begleiten. Vielleicht finden wir dort jemanden, der sie kennt.“, stimmte Kazuma sofort zu.

„Es könnte auf jeden Fall nicht schaden.“, sagte Benjiro mit einem bedächtigen Nicken.

Bei diesen Worten begann Kasumis Herz schneller zu schlagen. So lange hatte sie ihre Brüder auf ihrer Mission unterstütz, dass sie gar nicht mehr daran gedacht hatte, in den Norden zu reisen. Natürlich wollte sie ihre Erinnerungen und vor allem ihren Mann wieder finden, doch sie hatte nicht damit gerechnet, dass es jetzt so schnell gehen könnte. Vielleicht würde sie ihm in ein paar Tagen wieder gegenüber stehen und alles würde sich in Wohlgefallen auflösen. Obwohl ihr der Abschied von ihren Brüdern schwer fallen würde.

„Ist alles in Ordnung, Imōto-san?“

Keijis besorgte Stimme, ließ Kasumi blinzeln und ihn mit einem kleinen Lächeln ansehen. Dabei spürte sie nur zu deutlich die Tränen, die versuchten sich einen Weg aus ihr heraus zu bahnen.

„Ja, alles in Ordnung. Ich dachte nur gerade daran, dass ich euch möglicherweise bald verlassen muss… Das stimmt mich irgendwie traurig.“

Noch während sie sprach, legte Kazuma einen Arm um Kasumis Schultern und zog sie an sich.

„Oh, Imōto-chan! Wir werden dich auf keinen Fall verlassen, dessen kannst du dir sicher sein.“

„Kazuma hat Recht. Auch wenn wir uns nicht mehr so oft sehen werden, werden wir doch an deiner Seite sein und dir zu Hilfe eilen, solltest du uns brauchen.“

Es waren Benjiros Worte, die Kasumi schließlich doch die Tränen in die Augen trieben. Mit dem Saum ihres Ärmels wischte sie diese weg und schenkte ihren Brüdern ein Lächeln.

„Ich danke euch. Ich wüsste nicht, was ich ohne euch getan hätte!“

Plötzlich schlug Keiji beide Hände auf den Tisch, so dass sämtliches Geschirr klirrte, und sprang auf.

„Genug jetzt von diesen Sentimentalitäten. Noch ist nicht die Zeit für Verabschiedungen. Jetzt sollten wir erst einmal zum Palast gehen!“, rief er und schritt entschlossen zur Tür.

Als er dort für einen Moment stehen blieb um seine Schuhe anzuziehen, glaubt Kasumi etwas in seinem Augenwinkel glitzern zu sehen, was ein kleines Lächeln auf ihre Lippen zauberte. Auch wenn Keiji es nicht sagte, doch der drohende Abschied ging ihm genau so nahe wie seinen Brüdern. Vielleicht sogar noch ein Stück näher.

 

 

Kurz darauf betraten die Vier den Kaiserpalast durch eine kleine Seitenpforte. Nachdem die dortige Wache Kasumi mit einem scharfen Blick gemustert hatte, war sie schließlich als Begleitung von Keiji akzeptiert und eingelassen worden.

„Die Wachen hier sind sehr streng und dulden es nicht, wenn etwas außerhalb der Norm passiert. Versuche also nicht wieder so viel Unruhe zu stiften.“, warnte Keiji Kasumi, woraufhin sie ihm einen amüsierten Blick zuwarf.

„Willst du damit etwa sagen, dass du bei Terumoto und Isami keinen Spaß hattest?“

Keiji begegnete ihrem Blick und seufzte kurz.

„Doch… Aber hier könnte es dich deinen Kopf kosten…“

Und unsere. Das war es, was Keiji nicht aussprach, aber was Kasumi mehr als bewusst war. Sollte sie hier wegen irgendetwas aufgegriffen oder sogar zum Tod verurteilt werden, dann würden ihre Brüder das nicht schweigend akzeptieren und bei einer kopflosen Aktion wahrscheinlich ebenfalls zum Tod verurteilt werden.

Dieser Gedanke beunruhige Kasumi, doch er machte sie auch irgendwie glücklich. Sie wollte zwar nicht, dass ihre Brüder starben, doch das sie es für sie tun würden, erfüllte sie mit Stolz. Deshalb schlang sie einen Arm um Keijis und schmiegte sich für einen Moment an ihn.

„Keine Sorge, ich versuche mich zu beherrschen.“, versprach sie daher.

Während sie auf dem Weg zu einem der Nebengebäude waren, in dem die militärischen Oberhäupter des Landes ihre Sitzungen abhielten, bestaunte Kasumi die schiere Größe der Anlage. Unzählige Gärten und Gebäude wechselten sich ab und grenzten aneinander. Tempel, Wohnhäuser, große Hallen für Theater und viele weitere. Und sie hatte angenommen, Terumotos Anwesen war verwirrend gewesen.

Obwohl hier alles sehr akkurat angelegt war, sorgte die schiere Größe für kaum Überblick. Aus diesem Grund versuchte Kasumi auch, obwohl sie sich alles ganz genau ansah, nicht zu weit hinter ihren Brüdern zurück zu fallen. Immerhin wollte sie nicht, dass sie sie auch noch suchen mussten, weil sie sich verlaufen hatte. Aber für den unwahrscheinlichen Fall, liefen hier auch genügend Adlige und Bedienstete über das Gelände. Sollte sie wirklich Hilfe brauchen, konnte sie sicher auch jemanden von ihnen nach dem Weg fragen.

„Wir sind da, Kasumi. Könntest du bitte hier warten? Frauen ist der Zugang zu diesem Gebäude leider strengstens untersagt.“, erklärte Keiji, als er vor einem langen, zweistöckigen Haus zum Stehen kam.

Einen Moment musterte Kasumi das Schild, das neben der Eingangstür angebracht war. Auf dieser rot lackierten Tafel, stand in goldenen Lettern: ‘Sicherheits- und militärische Angelegenheiten‘. Und obwohl es ein sonniger Frühlingstag war, lief es Kasumi eiskalt den Rücken herunter, als sie das las. Wenn allein der äußere Eindruck dieses Hauses eine solche Wirkung auf sie hatte, war sie wirklich froh, dass sie dieses Gebäude nicht betreten musste.

„Kein Problem. Ich werde natürlich hier warten, bis ihr zurück seid.“, erklärte Kasumi und schenkte ihren Brüder noch ein letztes Lächeln, bevor sie alle das Gebäude betraten.

 

 

Keiji schritt voran. Den langen Flur entlang, bis fast ans andere Ende des Gebäudes. Der letzte Raum dort gehörte ihrem Daimyō selbst, doch Keiji musste seine Berichte an seinen direkten Vorgesetzten abgeben. Seinen General und Onkel, Maeda Toshiie.

Vor dessen Tür hielt er kurz inne und atmete noch einmal tief durch, bevor er klopfte. Die Antwort ließ einen Moment zu lange auf sich warten, doch dann kam ein knappes Herein aus dem Raum hinter der Tür. Entschlossen schob Keiji die Tür auf und betrat mit seinen Brüdern direkt hinter sich, das Büro seines Onkels.

Es war pragmatisch eingerichtet. Ein großer Schreibtisch, auf dem nur die nötigsten Unterlagen ausgebreitet waren, diverse Schränke und Truhen an der hinteren Wand und an den seitlichen Wänden unzählige Karten von allen möglichen Gegenden des Landes. Sein Onkel saß am Schreibtisch und schrieb gerade etwas auf. Er hob nicht seinen Blick, als die Drei eintraten und reagierte auch  nicht auf sie, als sie die Tür hinter sich schlossen und sich tief verneigten.

So verharrten sie, fast zehn Minuten. Eine Machtdemonstration, wie nicht anders zu erwarten von seinem Onkel. Denn Keiji und seine Brüder durften weder sprechen, noch sich erheben, bevor ihr Vorgesetzter nicht zuerst gesprochen hatte. Schließlich legte er doch den Pinsel zur Seite und musterte die drei mit einem abschätzigen Blick.

„Wie ich hörte, wurde die erhoffte Yōkai Armee weder gefunden noch ausgemerzt. Tatsächlich hat es überhaupt keinen Kampf gegeben. Ich habe also ganz umsonst fast einhundert Mann in den Westen geschickt.“, zischte der General.

Äußerlich ließ sich Keiji zwar nichts anmerken, als er sich langsam wieder aus seiner Verbeugung erhob, doch innerlich zuckte er zusammen. Wie so oft, hatte sein Onkel tatsächlich einen Spion auf sie angesetzt und dieser war natürlich vor ihnen hier gewesen.

„Taishō Maeda, wir sind wie befohlen nach Yamaguchi aufgebrochen, fanden allerdings nichts weiter als eine Streitigkeit zwischen der Herrin dort und dem Verwalter von Hagi. Diese Angelegenheit konnten wir jedoch klären-“

„Am Stadtverwalter von Hagi gab es keinen Zweifel. Viel eher war diese Hexe von Yamaguchi das Problem!“, unterbracht ihn der General scharf.

„Aber du, Keiji, glaubtest wieder alles besser zu wissen! Irgendwann werde ich persönlich dafür sorgen, dass dir das das Genick brechen wird!“

Mit zusammengebissenen Zähnen neigte Keiji kurz den Kopf, zog dann seinen Bericht aus einer Tasche und legte ihn auf den Schreibtisch seines Onkels. Benjiro und Kazuma folgte stumm seinem Beispiel.

„So wird es wohl kommen… Onkel. Doch bis es so weit ist, würde ich gerne ein paar Tage Urlaub für Kazuma, Benjiro und mich beantragen.“, sagte Keiji fest entschlossen sich nicht von seinem Ziel abbringen zu lassen.

Toshiie Maeda musterte einen unendlich langen Moment seinen Neffen. Bis er sich schließlich mit einem Lächeln zurücklehnte.

„Dein Antrag wird abgelehnt. Ich habe bereits die nächste Aufgabe für dich vorgesehen. Morgen Früh wirst du dich als Erster zum Dienst im nördlichen Außenposten der Stadt melden. Deine kleinen Freunde, dürfen dich gerne dorthin begleiten... Genauso, wie diese Frau.“

Die letzten beiden Sätze, spie der General aus, als wäre es etwas Ungenießbares in seinem Mund. Doch selbst das wischte das hinterlistige Grinsen nicht aus seinem Gesicht, während er mit Freuden dabei zusah, wie Keiji innerlich vor Wut kochte.

„Verstanden!“, war die einzige Antwort, die er jetzt noch für seinen Onkel übrig hatte.

Eigentlich hatte er seinen Urlaubswunsch härter verteidigen wollen. Sich mehr dafür einsetzten wollen. Doch als sein Onkel Kasumi erwähnte… Das hatte ihn aus seiner Bahn geworfen. Natürlich war nichts anderes von den Spionen seines Onkels zu erwarten. Bisher hatte er sich auch noch nie viel daraus gemacht, was sie diesem berichteten, doch wenn er irgendetwas mit Kasumi vor hatte, dann würde er seinen Onkel vernichten.

„Ausgezeichnet. Dann dürft ihr jetzt gehen.“, kam sofort die Antwort und Keiji konnte hören, wie zufrieden sein Onkel mit sich selbst war.

Erst als sie das Gebäude verlassen hatten, holte Keiji mit der Faust aus und rammte sie mit voller Wucht in Benjiros dargebotene Handfläche. Dieser kannte die ganze Prozedur schon und war der Einzige, der Keijis Schlag ohne Schaden aushalten konnte. Weshalb er nach jeder Besprechung mit Keijis Onkel bereit stand um seiner Wut Luft zu verschaffen.

„Dieser Bastard!“, rief Keiji, bevor er seine Faust langsam öffnete und die Finger ausschüttelte.

„Irgendwann werde ich ihn von diesem Stuhl zerren und der Welt zeigen, was für ein widerwärtiger, unbedeutender Mensch er doch ist!“

„Wenn es so weit ist, wird es mir ein Vergnügen sein, dir behilflich zu sein.“, entgegnete Benjiro sofort.

„Auf mich kannst du dich auch verlassen, Bruder.“, sagte Kazuma und legte Keiji eine Hand auf die Schulter.

Dieser brauchte einen Moment, bis er sich wieder beruhigt hatte. Egal wie sehr sein Onkel versuchte ihn klein zu halten, Keiji würde niemals aufgeben. Er würde stärker werden, eine noch höhere Position erreichen und vielleicht einmal frei von seinem Onkel sein. Und dann, würde er seinen Onkel in den Dreck stoßen, so wie er es verdient hatte. Er würde dafür sorgen, dass er am Ende ganz allein wäre und es niemanden kümmern würde, was mit ihm geschah.

Tief durchatmend sah sich Keiji um, bevor er seine Brüder wieder ansah.

„Wo steckt eigentlich Kasumi?“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen,

ich hoffe ihr hattet schöne Weihnachten und ein paar erholsame Feiertage.

Jetzt ist es endlich so weit. *Trommelwirbel* Das erste Kapitel der 2. Hälfte ist da!
Wenn ich ehrlich bin, dann war dieses Kapitel bisher das schwierigste für mich. Das liegt daran, dass ich zum Schreiben immer Musik höre. Gerade wenn ich eine bestimmte Stimmung erzeugen will, muss da einfach das passende Lied dazu laufen. Für dieses Kapitel wollte sich aber absolut nichts Passendes finden. Deshalb hat es auch etwas länger gedauert -.-
Aber jetzt ist es da und ich freue mich um so mehr, dass es endlich weiter gehen kann. Gleichzeitig muss ich mich entschuldigen, dass auf Sesshōmaru leider noch ein bisschen gewartet werden muss. Ich hoffe ihr habt trotzdem Spaß beim Lesen.

Dafür habe ich hier wieder mal eine kleine Worterklärung:
Tennō ist der Kaiser von Japan (https://de.wikipedia.org/wiki/Tenn%C5%8D)
Genkan ist der Eingangsbereich in einem Haus(https://de.wikipedia.org/wiki/Genkan)
(Sollte ich mal vergessen ein Wort zu erklären, dann sagt mir bitte Bescheid. Ich bin so verwirrt, was ich hier schon erklärt hab und was nicht, dass mir vielleicht mal ein Wort durchrutscht. Nachträglich ergänze ich das aber gerne ☺)


Ganz liebe Grüße
Eure C-T-Black

PS: Meine Charakterliste wurde natürlich um eins ergänzt ^^ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Anitasan
2017-12-28T04:43:22+00:00 28.12.2017 05:43
Schönes Kapitel.
Natürlich bin ich traurig das ich auf Sesshomaru noch soo lange warten muss aber lässt sich halt nicht ändern.
Wobei der erste Einblick, über seinen momentanen Verbleib, hast du ja schon gegeben.
Oder war das anders gemeint am Anfang?
Das kursiv geschriebene?
Ich glaube nicht.
Na ja abwarten was jetzt passiert.
Mach schnell weiter und einen guten Rutsch ins neue Jahr.
LG Anitasan
Antwort von:  C-T-Black
28.12.2017 13:19
Deine Vermutungen zum kursiven Anfang sind ganz Richtig.
Eigentlich hatte ich mal geplant, das ganze FF auch noch aus Sesshōmarus Sicht zu schreiben, aber mittlerweile bin ich davon wieder abgekommen. Deshalb will ich seine Sicht wenigstens ein kleines bisschen so einbauen ^^
Dir auch einen guten Rutsch ins neue Jahr und vielen Dank.
Gruß
C-T-Black


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