Erinnerungen an ein Palastleben von C-T-Black ================================================================================ Kapitel 5: Die Herrin des Schlosses ----------------------------------- Der Duft von Jasmin erfüllte den Raum, als bernsteinfarbene Flüssigkeit in die Teeschalen gegossen wurde. Nachdem zwei Schalen gefüllt waren, trat der Diener zurück in die Schatten des Raumes. Seine Herrin griff nach ihrem Tee und behielt ihren unfreiwilligen Gast dabei die ganze Zeit im Blick. Raidon hatte Kasumi in dieses Schloss gebracht und erst in diesem Raum wieder herunter gelassen. Er hatte sie allerdings erst aus den Augen gelassen, als die Reiterin den Raum betrat. Nur war sie diesmal nicht in eine Rüstung gekleidet, sondern in einen eleganten Kimono, der ihre rehbraunen Augen betonte. Ihre hellbraunen Haare waren zu einer einfachen und doch eleganten Frisur hochgesteckt. Fast hätte sie die Frau nicht wiedererkannt, doch ihre Bewegungen zeigten ihre Macht und der Respekt der anderen machte deutlich, wer sie war. Sie war die Herrin dieses Schlosses und Anführerin der Yōkai. Diejenige, die den Angriff auf das Lager befohlen hatte. Und jetzt saß sie ihr gegenüber und bot ihr Tee an. Das Ganze war so absurd, dass Kasumi unwillkürlich tat, was die Frau von ihr verlangte und ebenfalls nach ihrer Teeschale griff. Auf dem Boden der weißen Schale war eine einzelne Kirschblüte gemalt und Kasumi bevorzugte es diese anzusehen, während die Frau ihr gegenüber einen Schluck trank. „Ich frage mich schon die ganze Zeit: Was macht ihr, als Frau in eurem Zustand, bei einem Haufen ungewaschener Männer?“ Wie zuvor, als sie mit Raidon gesprochen hatte, war ihre Stimme jetzt sanft und süß. Der scharfe Ton, den sie in ihrer Rüstung an den Tag gelegt hatte, schien fast schon Einbildung gewesen zu sein, im Vergleich zu dem jetzigen. Doch so süß ihre Stimme auch war, er hing so schwer wie Honig über ihnen. Sie versuchte sie einzulullen. Nett zu ihr zu sein um Informationen aus Kasumi herauszubekommen. Das begriff sie sofort. Warum sollte sie auch sonst hier her gebracht worden sein, während mit Keiji und dem Rest sonst was passiert war? „Was ist mit den Männern geschehen?“, fragte Kasumi deshalb, ohne auf die Frage zu antworten und trank ebenfalls einen Schluck Tee. Jetzt war sie es, die die Frau nicht aus den Augen ließ und für den Bruchteil einer Sekunde blitzte etwas in ihren Augen auf, das auch Einbildung hätte sein können. Doch Kasumi war sich sicher, dass es etwas wie Respekt gewesen war. „Ich habe sie in meinem Kerker unterbringen lassen. Da ich ihr Erscheinen als Drohung, gar als Übernahmeversuch deute!“ Ihre Antwort entsprach der Wahrheit. Das konnte sie genau erkennen und es erleichterte Kasumi. Immerhin lebten sie noch und waren hoffentlich unverletzt. Doch mit dieser Antwort kam eine neue Frage auf: „Warum wurde ich dann nicht in diesen Kerker gesperrt? Haltet ihr mich für keine Gefahr?“ Ein Lächeln huschte über die Lippen der Frau. Während Kasumi hier versuchte Keiji und alle anderen aus ihrer Gefangenschaft zu befreien, sah es so aus als amüsiere sich ihr Gegenüber geradezu prächtig. Und auch wenn sie als Herrin so vieler Yōkai sicher selten Gäste hatte, mit denen sie Spaß haben konnte, würde sich Kasumi erst wieder entspannen, wenn sie wusste dass Ihre Brüder frei und unverletzt waren. „Ganz im Gegenteil. Ich, als Herrin dieses Schlosses, kenne nur zu gut den Wert einer Frau. Aus diesem Grund scheint ihr mir, im Gegensatz zu diesen Soldaten, die geeignetste Gesprächspartnerin!“ Sie misstraute also Männern. Das war interessant und Kasumi nahm einen weiteren Schluck ihres Tees. Sie wollte Zeit schinden um sich einen Plan zu überlegen, wie sie hier wieder heil herauskommen würden. Säße ihr ein Mann gegenüber, dann hätte sie versucht bei diesem als schwache Frau, den Beschützerinstinkt hervorzurufen um an ihr Ziel zu kommen. Doch wenn sie die Frau auf der anderen Seite des niedrigen Tisches so ansah, ahnte sie, dass das hier nicht funktionieren würde. Diese Frau würde ihre Schwäche eher verachten, als darauf einzugehen. Deshalb entschied sie nicht zu spielen und durch die einfache Wahrheit ans Ziel zu kommen. „Ich bin niemand, der Entscheidungen für alle trifft.“, sagte sie deshalb wahrheitsgemäß. Keiji war der Einzige, der für alle entschied. Dass er vor seinen Entscheidungen gerne die Meinung anderer einholte, musste an dieser Stelle ja nicht erwähnt werden. Die Frau musterte sie einen Moment, bevor sie sich etwas nach vorne lehnte. „Ich bin mir sicher, wenn ihr eurem Mann in seinen schwachen Momenten ein paar entsprechende Worte zuflüstert, wird er diese mit Sicherheit beherzigen!“ Diese Aussage, ließ Wut in Kasumi aufsteigen. Wut darüber, wie wenig diese Frau von Keiji und seinen Männer hielt und darüber, für was für eine Art Frau sieh Kasumi hielt. Doch sie ließ sich nichts anmerken. Vor allem würde sie sich nicht in einen Wutausbruch drängen lassen. So viel Spielraum würde sie dieser Frau nicht einräumen. Niemand manipulierte sie auf diese Weise. „Schlagt ihr mir gerade eure eigenen Methoden vor? Niemals würde ich meinen Brüdern etwas raten, dass ihren Ruf oder ihre Ehre beschädigen würde!“ Den ersten Satz hatte sie nicht zurückhalten können. Er lag ihr so sehr auf der Zunge, dass er einfach über ihre Lippen kam, als sie diese geöffnet hatte. Aber sie fragte sich wirklich wie diese Frau die Herrin eines solchen Schlosses sein konnte. Sie war höchstens ein paar Jahre älter als Kasumi selbst und es kam ihr nicht so vor, als wäre sie in dieses Schloss hinein geboren worden. Irgendwie war sie in seinen Besitz gelangt und auch wenn sie unter normalen Umständen niemals so etwas fragen würde, hatten die Worte dieser Frau ihre Frage geradezu provoziert. Mit ihrer Aussage hatte sie noch versuch die Schärfe der Frage etwas zu mildern. Nur hatte das offensichtlich nicht sonderlich gut gewirkt, denn eine Ader begann an der Schläfe der Frau zu pulsieren. „W- Was habt ihr gesagt?“ Die Frage kam schneidend über ihre Lippen. Ihrer Hände begannen zu zittern und sie veränderte ihre Sitzposition leicht, um mit einer Hand unter ein Tuch zu ihrer rechten zu greifen. Mit Sicherheit war darunter eine Waffe versteckt, die sie auch benutzten würde, wenn Kasumi sie weiter provozierte. Doch ihre Neugier war geweckt und sie sprach weiter, bevor sie darüber nachdenken konnte: „Ich fragte euch, wie ihr die Herrin dieses Schlosses geworden seid! Habt ihr so wenig Respekt vor dem anderen Geschlecht, dass ihr dem Herrscher hier etwas zugeflüstert habt um alles zu übernehmen. Und danach beseitigt, wenn ihr mir so etwas vorschlagt? Ich würde so etwas niemals in Betracht ziehen!“ Aus dem Zittern wurde ein Beben und sämtliche Farbe wich aus dem Gesicht der Frau. Kasumi hatte es zu weit getrieben, dass begriff sie in diesem Moment, doch sie verhielt sich ruhig. Um Vergebung zu flehen, würde jetzt auch nichts mehr an der Situation ändern. Die Frau stellte ihre Teeschale zurück auf den Tisch, der zwischen ihnen stand. Etwas von dem Tee schwappte über den Rand, während sei nach der Waffe unter dem Tuch griff. Ihr Bogen, in den sie unglaublich schnell einen Pfeil einlegte, dessen Spitze sie auf Kasumis Herz richtete. „Wie kannst du es wagen so mit mir zu sprechen? Ich habe nach dem Tod meines Mannes versucht dieses Land hier aufrecht zu erhalten. Habe gekämpft und es unzählige Male verteidigt. Niemand wirft mir vor, dass ich es unehrenhaft erworben hätte!“, zischte sie wütend. So war es also gewesen. Sie hatte ihren Mann geliebt und verloren. So wie Kasumi ihren Ehemann verloren hatte und wie sie ihn mit Sicherheit geliebt hatte. Doch sie war zuerst beleidigt worden. „Dann hört auf mir Dinge vorzuschlagen, die außer Frage stehen! Wir sind nur hier um eine Bande Rebellen festzunehmen. Doch mittlerweile glaube ich, dass das nur ein falscher Vorwand für den Daimyō war, um an euer Reich zu kommen.“, entgegnete sie ehrlich. Auch wenn es ihr erst richtig klar wurde, als sie es ausgesprochen hatte. Kasumi begriff in diesem Moment, dass Keiji eine Marionette des Daimyōs war und keinesfalls ernst genommen wurde. Das verletzte sie fast noch mehr, als die Worte dieser Frau und in dem Moment formte sich ein Plan in ihrem Geiste. Doch alles zu seiner Zeit. Jetzt würde sie erst einmal Keiji und die anderen befreien. Ein Luftzug schoss an Kasumis Gesicht vorbei und sie spürte ein leichtes Brennen an ihrer Wange und einen Tropfen warmer Flüssigkeit. Die Sehe des Bogens vibrierte noch, genauso wie der Schaft des Pfeils, der jetzt weit hinter ihr in der Wand steckte. Kasumi begegnete dem überraschten Blick der Frau, die offenbar von sich selbst erschreckt war, dass sie den Pfeil wirklich losgelassen hatte. Doch sie konnte es verstehen. Sie war wütend gewesen. So etwas atmete man nicht einfach weg. So etwas musste man rauslassen. Und immerhin hatte sie nicht mehr auf ihr Herz gezielt. Fast hätte sie gefragt, ob es ihr jetzt besser ging, doch ihr Gegenüber sprach zuerst. „Wer seid ihr?“ Unglaube lag in ihrer Stimme und Kasumi schenkte ihr ein Lächeln. Sie konnte auch nicht erklären woher diese Ruhe kam, die sie zu jeder Zeit erfüllte, doch diese hatte ihr schon gute Dienste erwiesen. Ehrlich gesagt schüchterte es sogar manche Männer ein, wenn sie so ruhig und kontrolliert vor ihnen stand und handelte. Und sie glaubt ganz fest daran, dass das eine Eigenschaft war, die sie von ihrem Ehemann gelernt hatte. Die Frau ließ ihren Bogen sinken, ging in die Knie und legte den Bogen neben sich. Dabei sah sie Kasumi an, als wäre sie alles andere als ein Mensch. „Ich bin nur eine Frau, die ihren verschwundenen Ehemann sucht und dabei von ihren Brüdern begleitet wird.“, erklärte Kasumi schlicht. Die Frau blinzelte. „Ihr… Ihr sucht euren Mann? Was ist mit ihm geschehen? Die Frage kam so zaghaft über ihre Lippen wie ein Windhauch. Ein Flüstern, dass man leicht überhören konnte. Doch Kasumi verstand sie nur zu gut. Sie wollte ihr gerade antworten, als ein Bild vor ihrem inneren Auge aufblitzte. Eine Person, die in blauen Rauch gehüllt war und ein schwarz gekleideter Krieger auf einem braunen Ross. Das Symbol eines schwarzen Drachens an ihm. Überrascht schnappte sie nach Luft. Kasumi zitterte am ganzen Körper und sie wusste genau, was sie gesehen hatte. Kazuma hatte es ihr gesagt. Die Beschreibung der Dorfbewohner… Für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie den Überfall auf ihr Zuhause gesehen. „Was war das?“ Die Stimme der Frau brachte Kasumi ins Hier und Jetzt zurück. Sie sah ihr Gegenüber an, brauchte allerdings noch einen Moment, um alles in Worte zu fassen. „Unser Anwesen wurde angegriffen. Mein Ehemann sorgte dafür, dass ich entkommen konnte. Doch seitdem ist er verschwunden. Das Einzige, dass ich weiß ist, dass er noch irgendwo da draußen ist und ich werde ihn finden!“ Egal wie klein die Chance war. Kasumi würde sich nicht damit zufrieden geben, ihn niemals zu finden. Und wenn sie nur seinen leblosen Körper aufspüren konnte. Sie brauchte einfach die Gewissheit ihn gefunden zu haben. Sonst könnte sie niemals Ruhe und Frieden finden. „Ihr erinnert mich an mich selbst. Ihr seid die Frau eines Yōkais nicht wahr? Und ihr würdet euer Leben für das seine geben… Mein Mann war ebenfalls ein mächtiger Yōkai, doch er fiel in einer Schlacht, ohne dass ich ihn hätte beschützen können. Ich trauerte lange um ihn, ließ sein Reich fast verkommen. Doch dann begriff ich, dass ich nicht so weitermachen konnte. Ich lernte das Kämpfen, verteidigte sein Land. Unser Land und übernahm die Herrschaft hier. Ich habe ebenfalls von diesen Schatten gehört. Die Kokuryū, deren erklärtes Ziel es ist, alle Yōkai in diesem Land zu vernichten. Im Angesicht dessen kann ich mich wohl glücklich schätzen, dass ich und meine Leute nur als Rebellen eingestuft wurden und nur ihr hier seid und nicht diese Krieger.“ Die Herrin des Schlosses unterbrach sich kurz, um sich einen neuen Tee einzuschenken und einen Schluck zu nehmen, bevor sie fortfuhr: „Du kannst mich Isami nennen und ich will dir helfen gegen diese dunkle Bedrohung vorzugehen, sollte das dein Ziel sein. Ich kann mir nämlich nur zu gut vorstellen, wie es mir ergangen wäre, wäre dieses Schloss überfallen worden. Es muss unbeschreiblich schmerzvoll gewesen sein… Doch bevor ich euch helfen kann, müsst ihr mir einen Gefallen tun…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)