Die 12 Prüfungen der Shina Fay von BlueGenie1974 ================================================================================ Kapitel 5: 05. Prüfung - Duras der Nachtelf ------------------------------------------- 05. Pruefung – Duras der Nachtelf Eteria im Jahr des Kattas Die Nacht war in den Wäldern von Keros hereingebrochen. Der Wind spielte mit den Blättern der Bäume. Ein beruhigendes Rauschen war zu hören, als sich die Blätter im Wind bewegten. Die alles hätte einen Augenblick voller Harmonie beschreiben können, wäre da nicht ein Spion. Im Dickicht hatte sich ein Nachtelf versteckt. Sein Name war Colwin. Er hatte den Großteil des Tages damit verbracht, die Tiere des Waldes zu beobachten, damit die Nachtelfirokesen keinen Alarm schlugen. Jetzt in der Nacht waren die Irokesen nicht so wachsam und so konnte Colwin das Dorf in Ruhe auskundschaften. Als er in sein Versteck zurückkehrte, holte er eine Karte von Keros aus der Satteltasche seines Pferdes und faltete sie auseinander. Dann nahm er seine Umgebung noch einmal in Augenschein und suchte seinen Standort auf der Karte. Das Dorf war nicht auf der Karte verzeichnet. Colwin zog einen Federkiel und ein Tintenfass aus seinem Umhang und machte ein Kreuz. Danach sah er sich die Karte noch einmal an. Seit drei Monaten war er nun unterwegs. Und in dieser Zeit hatte er sechs neue Siedlungen der Nachtelfirokesen entdeckt. Mit dieser waren es sieben. Colwin beschloss seine Sachen zusammenzupacken und weiterzuziehen. Er stieg auf sein Pferd und wandte sich nach Süden, denn dort hatte er sich noch nicht umgesehen. Drei Tage und drei Nächte ritt Colwin durch, ehe er einen Nadelwald erreichte. Aus der Ferne konnte er die hohen Wipfel der Tannen, Kiefern, Lerchen und Douglasien erkennen. Auch Fichten und Pinien konnte der Nachtelf erkennen. Colwin beschloss sein Lager dieses Mal am Waldrand aufzuschlagen. Denn er hatte die bittere Erfahrung machen müssen, dass ihm die Nachtelfirokesen jedes Mal eine schmerzhafte Abreibung verpasst hatten, sobald einer ihrer Späher ihn entdeckt hatte. Dieses Risiko wollte er nicht eingehen. Bei Nacht schlich sich Colwin in den Wald. Ganz lautlos schlich er zwischen den Bäumen hindurch, bis er zu einer Lichtung kam. Der Nachtelf versteckte sich hinter dem Stamm einer Tanne und wartete ein paar Atemzüge, ehe er um den Stamm herum spitzte. Beim Anblick der Siedlung, war Colwin nicht sonderlich überrascht. Auch dass die Bewohner Nachtelfirokesen waren, überraschte ihn wenig. Damit war für den Nachtelf klar, was die neuen Siedlungen zu bedeuten hatten. Die Nachtelfirokesen kehrten zurück. Er kehrte zu seinem Lager zurück, und blieb dort bis zum nächsten Morgen. 64 Noch bevor die Sonne aufging machte sich Colwin auf den Weg nach Tansibor, der Hauptstadt von Keros. Nach einer Woche kehrte er dorthin zurück. Am Herrscherpalast zeigte er seinen Dienstausweis und wurde von einem Wächter in den Thronsaal geführt. Als Colwin den Saal betrat, sah er König Duras auf dem Thron sitzen. Am Thron selbst lehnte ein riesiges doppelschneidiges Messer. „Du bist schon zurück Colwin? Ich habe dich erst in einem Monat von deiner Mission zurück erwartet.“, sagte der König der Nachtelfen mit einer tiefen wohlklingenden Stimme. „Die Sache wird zu heikel mein König.“ „Inwiefern heikel?“ „Ich muss immer öfter schnell aufbrechen und kann auch nicht länger an einem Ort bleiben.“ „Verstehe. Hast du wenigstens etwas in Erfahrung bringen können?“ „Ja mein König.“ „Dann berichte Colwin.“ „Die Nachtelfirokesen sind zahlenmäßig wieder mehr geworden.“ „Und woraus schließt du das?“, fragte Duras, der Dunkelelfen. „Ich habe acht neue Siedlungen von ihnen entdeckt. Ich habe sie auf einer Karte eingezeichnet, die aus meinem Privatarchiv stammt. „Du weißt aber nicht, wie viel Einwohner in die Siedlungen haben?“ „Nein mein König. Sehen Sie, ich komme nicht einfach nah genug an die Siedlungen ran ohne entdeckt zu werden. Komme ich zu nah, bügeln mir die Nachtelfirokesen eins über.“ „Zeig mir bitte mal die Karte, Colwin.“ Der Adjutant der Königs reichte seinem Herrn die Karte. Duras studierte sie sehr genau. Er wandte sich zu Colwin um und sagte: „Setz die Soldaten der fünften Legion in Marsch. Sie sollen dieses Dorf ausradieren.“ Er zeigte mit seinem rechten Zeigefinger auf eines der drei neuen Dörfer im Osten von Keros, „Wie ihr befehlt mein Gebieter.“ Colwin brauchte zwei Tage bis er die Kaserne erreichte, in der die fünfte Legion stationiert war. Der Lagerkommandant, ein übergewichtiger Zenturio mit grünen Augen und blonden kurzen Haaren, kam dem Adjutanten des Königs eilig entgegen. „Lord Colwin, euer Besuch ehrt uns, welch unerwartetes Vergnügen. Colwin sah ihn genervt an. „Sparen Sie sich ihre Floskeln Zenturio. Ich bin hergekommen, weil ich Befehle für den Hauptmann der fünften Legion habe.“ „Soll ich Hauptmann Tartyron holen lassen?“ „Ich bitte darum Zenturio.“ Nur kurze Zeit später erschien ein schlaksiger junger Elf. Unter seinem linken Arm trug er seinen Helm. „Ihr habt mich rufen lassen, Mylord?“ „Ja, Hauptmann. König Duras schickt mich. Er hat eine Aufgabe für dich und deine Männer.“ „Und was sollen wir für ihn tun?“ „Ihr sollt eines der umliegenden Dörfer der Nachtelfirokesen ausradieren. Ich habe es hier auf der Karte eingezeichnet, da es neu ist. Es ist dieses hier.“ Colwin 65 zeigte auf das Dorf, das der König ausgewählt hatte. Tartyron nickte. „Den Befehl bekommen, heißt ihn ausführen.“ Noch am selben Abend hatte Tartyron seine Krieger zusammen gerufen. „Männer! Wir haben eine neue Aufgabe bekommen. Duras unser König wünscht, dass wir ein Dorf auslöschen, dass die Nachtelfirokesen neu gebaut haben. Es liegt nicht weit von hier. Eine Tagesreise entfernt. Legt euch schlafen Männer Denn morgen früh, vor Sonnenaufgang geht es los.“ Am darauf folgenden Tag verließen die Krieger vor dem Morgengrauen die Kaserne und machten sich auf den Weg in Richtung des Dorfes, dass sie von der Landkarte tilgen sollten. Sie bewegten sich rasch vorwärts, da sie ihre Aufgabe so schnell wie möglich erledigen wollten. Noch ahnten Tartyron und seine Legionäre nicht, dass dieser Einsatz in einem Fiasko enden sollte. Als die Truppe das Dorf erreichte, schwärmten die Soldaten des Königs aus und entzündeten mehrere Fackeln. Auf ein Zeichen ihres Hauptmanns stürmten die Soldaten vorwärts und steckten die Hütten in Brand. Die heranstürmenden Nachtelfirokesen hätten die Legionäre noch locker abwehren können, nicht jedoch Shina Fay und ihre Freundinnen, die unvermittelt durch ein magisches Portal kamen, dass Halgrim, der alte Schamane aus Shina Fays Dorf geöffnet hatte. Shina Fay überraschte Tartyron, ehe dieser überhaupt begriff was los war, hatte sie ihm mit ihren Schwertern den linken Unterarm abgetrennt. Zahlreiche Krieger der fünften Legion starben, wo sie auf die Erde fielen, entweder erwischten sie die Nachtelfirokesen, oder Jenna und Kaitlyn machten den Soldaten den Garaus. Der Rest kehrte total demoralisiert in die Kaserne zurück. Als der Kommandant des Lagers die Krieger sah, wusste er sofort, dass die fünfte Legion nahezu aufgerieben worden war. Hauptmann Tartyron wurde sofort ins Lazarett gebracht. Nach drei Tagen hatte sich sein Zustand soweit verbessert, dass man ihn nach Tansibor bringen konnte. Dort eingetroffen, dauerte es noch einmal eine ganze Woche, bis der Hauptmann vor König Duras treten konnte, um zu berichten. „Berichtet mir was sich zugtragen hat, Hauptmann Tartyron.“, sagte der König der Nachtelfen. „Wir haben das Dorf in Brand gesetzt, wie ihr befohlen habt. Wir waren gerade dabei, die dort lebenden Nachtelfirokesen zu massakrieren, als sich ein magisches Portal geöffnet hat, durch drei fremde Elfen kamen.“ „Männlich oder weiblich?“, fragte Colwin. „Es waren Frauen. Eine war eine Dunkelelfe, die zweite eine Blutelfe. 66 Die Anführerin war eine Waldelfe.“ „Und diese drei kamen durch ein magisches Portal?“ „Das ist richtig mein König.“, sagte Tartyron. „Könnt Ihr mir die Anführerin näher beschreiben?“ „Lange, hellbraune Haare, grüne Augen, schlank und schön anzusehen. Sie trug eine grüne Rüstung aus Elfenstahl. Bewaffnet war sie mit einem Bogen, einem Dolch und zwei Damaszenerschwertern.“ Bei der Beschreibung wurde Colwin hellhörig. „Könnte es sein, dass die drei weiblichen Elfen Shina Fay, Kaitlyn und Jenna waren?“ „Ich weiß nur den Namen der Waldelfe. Und er lautete tatsächlich Shina Fay.“ Duras wurde rot vor Zorn. Doch er hielt sich zurück. „Nun gut. Wenn diese kleine Waldelfe meine Feindschaft will bitte! Ich werde dieses junge Gemüse unter meinem Fuß zertrampeln.“, sagte er hart. „Shina Fay ist noch jung. Sie ist gerade mal 37 Jahre alt. Ihr aber seid schon 380 Jahre, also solltet ihr keine nennenswerten Schwierigkeiten mit ihr haben, mein Gebieter.“ „Wer schon eine Voodoo-Priesterin und eine Assassine besiegen kann, ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.“, sagte Tartyron. „Ihr müsst es ja wissen Hauptmann. Immerhin wart Ihr es, der mit ihr gekämpft hat. Wie schwer wird sie zu besiegen sein?“ „Sie ist sehr flink und wendig. Und ihr junges Alter merkt man Shina Fay nicht an, denn sie kämpft, als wäre sie schon 325 oder so alt wie Ihr Hoheit.“ „Hauptmann Tartyron, da Ihr nicht mehr in der Lage seid, euren aktiven Militärdienst weiter zu leisten, biete ich euch neben einer satten Beförderung, den Posten des Verteidigungsministers an.“ „Ich nehme dankend an, Sire.“ In Eterias Hauptstadt Endor traf eine Nachricht aus Keros ein, die Duras, der König der Nachtelfen seiner Kollegin Königin Ignissa durch einen Boten geschickt hatte. „Hiermit fordere ich, Duras, König der Nachtelfen, Shina Fay, die Stammesführerin vom Clan des roten Habichts, zum Zweikampf auf Leben und Tod heraus. Der Kampf soll am vierten Tag im Monat des Hasen im Grenzgebiet zwischen Eteria und Keros ausgetragen werden.“ Ignissa ließ ihren Stallmeister kommen und befahl ihm, ihr Pferd, einen Fuchshengst namens Loki, zu satteln. Bevor sie sich auf den Weg in die Provinz Aboleni machte, in der Shina Fay lebte, begab sich die Königin von Eteria noch einmal zu Netanya, der Hohepriesterin der Elfen Eterias. Sie traf die Priesterin und ihre Schülerin Ayla im Lehrzimmer. „Was führt euch zu mir, meine Königin?“, fragte die Hohepriesterin nach einer tiefen Verbeugung. „Dieses Dokument. Es kam heute per Bote aus Keros.“ Netanya las das Schreiben des Königs der Dunkelelfen, bevor sie es der Königin zurück gab. „Was hältst du davon Netanya?“ „Das sieht nicht gut aus. Ich habe Shina Fay noch nicht zu den Ereignissen in Keros befragen können.“ „Das wollte ich eigentlich machen. Aber wieso legt sich Shina Fay 67 gleich mit Duras an?“ „Ich kenne Shina Fay seit sie ein Kind ist. Sie würde nie so unüberlegt handeln. Wir sollten in das Dorf reiten, in dem sie lebt. Nur dort werden wir die Antworten finden.“, sagte Netanya. „Das hatte ich auch vor. Werdet Du und Ayla mich begleiten?“ „Ja. Ich glaube, dass es Ayla ganz gut tun würde, ein paar vertraute Gesichter wieder zu sehen.“ Im Dorf, in dem die junge Elfe lebte, herrschte helle Aufregung. Shina Fay sprach gerade mit Halgrim dem Schamanen. „Sag mal, Halgrim, was hast du dir eigentlich dabei gedacht, als du das magische Portal geöffnet hast?“ „Ich wollte Duras eins auswischen.“ „Ich hoffe nur, dass du dir im Klaren darüber bist, dass du mit deiner Tat einen eventuellen Krieg mit den Nachtelfen heraufbeschworen hast.“ „Duras hat sein eigenes Volk verraten, als er angefangen hat, die Nachtelfirokesen zu verfolgen und auszurotten.“ „Damit kannst du dich nicht rechtfertigen Halgrim. Zumindest nicht vor Duras.“ Die Stammesführerin war noch im Gespräch mit dem Schamanen, als Netanya und Königin Ignissa im Dorf ankamen. Die Königin und die Hohepriesterin wollten gerade das Ratsgebäude betreten, als Raya ihnen entgegen kam. „Netanya, ein Glück dass du kommst, Halgrim hat ohne Shina Fays Wissen ein magisches Portal nach Keros geöffnet und sie, Kaitlyn und Jenna hindurch geschickt.“ „Wir haben davon gehört, als mich diese Nachricht erreicht hat. Sie stammt von Duras, dem König der Nachtelfen. Wenn ich dich richtig verstanden habe, hat Halgrim eigenmächtig gehandelt.“, sagte Ignissa. „Zumindest hat Shina Fay keine Anweisung erteilt, ein Portal nach Keros zu öffnen. Sie spricht gerade mit Halgrim.“ „Auch wenn in diesem Punkt keine Schuld bei deiner Freundin liegt, ändert es nichts daran, dass König Duras ihr mehr oder minder ewige Rache geschworen hat. Seine Nachricht lässt keine andere Interpretation zu.“ Raya begleitete Ignissa und Netanya in das Ratsgebäude, in dem Shina Fay mit Halgrim sprach. Als die junge Elfe die Königin und die Hohepriesterin sah, sagte sie: „Meine Königin, Netanya, was führt euch hierher?“ „Dieses Dokument. Duras hat es per Bote an mich geschickt. Lies selbst.“ Shina Fay las die kurze Nachricht des Königs der Nachtelfen. Dann wandte sie sich an Halgrim. „Na? Bist du jetzt zufrieden? Duras fordert mit dieser Herausforderung meinen Kopf. Und das nur, weil du ihm unbedingt die Leviten lesen musstest.“ „Shina Fay, bitte beruhige dich. Es hätte schlimmer kommen können. Ich habe vor kurzem die Sterne gedeutet. Duras soll dein Gegner bei der fünften Prüfung werden. Wappne dich gut gegen diesen Tyrann.“, sagte Netanya. „Soll ich ihm persönlich antworten?“ „Das kannst du gerne machen.“ Noch am selben Abend setzte Shina Fay 68 eine Antwort an den König der Nachtelfen auf. „Mein König. Ich, Shina Fay, Stammesführerin vom Clan des roten Habichts, teile euch auf diesem Wege mit, dass ich eure Herausforderung annehme.“ Sie packte ihre Antwort in eine Tonröhre und versiegelte diese. Dann rief sie den Adjutanten ihres Großvaters und gab ihm die Röhre. „Geh zu König Duras und gib ihm das von mir.“ Danach reiste die junge Elfe mit ihren Freundinnen nach Masca und suchte ihren alten Freund den Mönch Remigius auf. Der alte Mann freute sich, Shina Fay wieder zu sehen. „Shina Fay. Es freut mich, dich zu sehen.“ „Ich freue mich auch, wieder hier zu sein.“ „Wie kann ich dir dieses Mal helfen?“ „Kannst du mir sämtliche Aufzeichnungen über Duras, den König der Nachtelfen, zur Verfügung stellen? Ich muss mich noch vorbereiten. Denn er wird mein Gegner in der nächsten Prüfung.“ Die nächsten Tage und Wochen verbrachte Shina Fay damit, sämtliche Folianten zu studieren, die sich mit Duras und seinen Kampftaktiken befassten. So erfuhr sie unter anderem, dass der König der Nachtelfen den Thron durch Verrat errungen hatte. Seitdem hatte er die Nachtelfirokesen systematisch verfolgen und ausrotten lassen. Doch das war noch nicht alles, was sie erfuhr. Duras hatte sogar sämtliche innenpolitische Gegner ausgeschaltet. Das erklärte zwar Halgrims Aktion, aber als Rechtfertigung konnte und wollte sie ihm dies nicht durchgehen lassen. Durch ihre Studien erfuhr die junge Elfe, dass der König der Nachtelfen es bevorzugte, seine Gegner mit seinem zweischneidigen Messer zur Strecke zu bringen, nachdem er dessen Klingen vergiftet hatte. „Gut zu wissen.“, dachte Shina Fay. In Keros traf unterdessen der Bote Shina Fays ein. Er verbeugte sich vor dem König der Nachtelfen. „Erhebt euch, junger Mann. Wie ich sehe, habt ihr etwas mitgebracht.“ „Das ist richtig Hoheit. Ich überbringe euch die Antwort meiner Herrin, Shina Fay.“ „Sagtest du Shina Fay?“ „Ja Hoheit.“ „Wieso antwortet mir die Stammesführerin vom Clan des roten Habichts selbst, und nicht Königin Ignissa? Denn meine Botschaft war an sie gerichtet.“ „Das weiß ich leider nicht. Ich bin nur ein kleiner Befehlsempfänger. Und mein Befehl lautete, euch die Botschaft meiner Herrin zu überbringen. Sie befindet sich in dieser Tonröhre.“ „Dann gib her.“, sagte Duras und nahm dem Boten die Röhre ab. Diese zerbrach er und las die Botschaft Shina Fays. Ein diabolisches Grinsen trat in Duras Gesicht. „Also nimmt deine Herrin meine Herausforderung an. Du kannst gehen. Kehre nach Eteria zurück und sage Shina Fay, dass es mir ein Vergnügen sein wird sie zu töten.“ In Masca hatte Jenna in ihrem Lederbeutel 69 nach gesehen und einen Smaragdring gefunden. Diesen Ring wollte sie ihrer neuen Freundin Shina Fay zum Geschenk machen, als Zeichen des Dankes, weil die junge Elfe sie aus der Gewalt Sorais befreit hatte. Sie fand die junge Elfe in ihrem Zimmer im Westflügel der alten Festung. „Hast du einen Augenblick Zeit für mich, Shina Fay?“ „Was hast du auf dem Herzen, Jenna?“ „Ich wollte dir diesen Ring schenken. Er hat einst Alina gehört. Er macht dich gegen jede Art von Gift immun. Egal, welche Art, sei es nun pflanzlich oder tierisch, Duras gegen dich einzusetzen gedenkt, er kann dir nichts anhaben, solange du diesen Ring an deinem Finger trägst.“ Shina Fay nahm den Ring und steckte ihn an ihren linken Ringfinger. „Ich danke dir Jenna. Darf ich ehrlich zu dir sein?“ „Nur zu.“ „Ich habe Angst. Ich meine, eine wütende Voodoo-Priesterin zu töten, ist eine Sache, aber einen im Kampf erfahrenen Regenten der Nachtelfen zu töten, ist doch etwas anderes.“ „So darfst du nicht denken, Shina Fay. Duras mag zwar erfahrener sein, als du. Doch du hast seine Kampftaktiken studiert. Du kannst ihn einschätzen. Glaubst du allen Ernstes, dass er das weiß?“ „Keine Ahnung.“ „Er kann es nicht wissen. Wie soll er das denn in Erfahrung bringen? Dazu bräuchte er einen Spion.“ Wie recht Jenna haben sollte, zeigte sich dann am Tag des Duells. Zuerst nahm Shina Fay den König der Nachtelfen genauer in Augenschein. Auffällig war sein riesengroßes zweischneidiges Messer, das Duras in der Hand hielt. Im Gegensatz zu seiner Kontrahentin zog es der Nachtelf vor, barfuß anzutreten. Seine langen schwarzen Haare flatterten offen im Wind, und gaben einen Blick auf das Gesicht des Königs frei. Sein ansonsten ovales Gesicht, hatte ein kantiges Kinn und seine violetten Augen blickten hart und unerbittlich drein. Bekleidet war Duras mit einem weiten Kilt, der aus schwarzen Kondorfedern bestand. Darüber trug der König der Nachtelfen ein Wams, das aus grünem Leder und lila gefärbten Leinen bestand. Ein Nackenschutz aus Elfenstahl, der auch über die Schultern reichte rundete dieses furchteinflößende Äußere ab. In seiner linken Hand hielt Duras ein magisches Licht. „So, so. Du bist also Shina Fay. Hoffentlich hat dir jemand gesagt, dass ich es hasse, wenn man sich als Außenstehender in die inneren Angelegenheiten meines Landes einmischt.“ „Das war nicht meine Idee. Sondern die unseres Schamanen Halgrim.“ „Es ist mir egal, auf wessen Mist die Sache gewachsen ist. Du hast dich in die inneren Angelegenheiten von Keros eingemischt. Normalerweise hätten wir dich vor ein Gericht stellen und zum Tode verurteilen müssen. Da du aber eine Stammesführerin bist, habe ich mich entschlossen, dir die Chance zu gewähren, dich im direkten Zweikampf mit mir zu messen. Damit du wenigstens einen ehrenhaften Tod findest.“ 70 „Saulustig. Ich lach mich kaputt.“ „Willst du Seifenopern quatschen oder wie? Wir sind nicht zum reden hier, sondern zum kämpfen.“ „Du hast es aber verdammt eilig Duras.“, sagte Shina Fay schnippisch. Duras verdrehte entnervt die Augen. Nun wusste Shina Fay, dass sie den König der Nachtelfen fast da hatte, wo sie ihn haben wollte. Sie musste ihn nur noch ein bisschen reizen. „So und jetzt lass uns Aufstellung nehmen. Denn gleich ist es aus mit dir.“ „Du stinkst ja geradezu vor Überheblichkeit, du Pappnase!“ Duras stürmte los, sein Messer über seinem Kopf schwingend. Die junge Elfe wich mit einer geschickten Drehung aus und verletzte den Tyrannen am linken Arm. Doch auch Duras hatte Shina Fay einen Kratzer beigebracht. Im Gegensatz zu seiner Kontrahentin, deren Schwerter nicht mit Gift bestrichen waren, war diese Seite seines Messers mit dem Gift des blauen Pfeilgiftfrosches präpariert. Dessen Gift wirkte sogar beim bloßen Kontakt mit der Haut tödlich. Da die junge Elfe jedoch Alinas Schutzring trug, blieb das Gift wirkungslos. Duras bemerkte dies sofort. „Bei den Göttern! Hier geht was nicht mit rechten Dingen zu.“ „Wie kommst du denn darauf, Duras?“ „Meine Klinge ist mit den Gift des blauen Pfeilgiftfrosches bestrichen. Dieses Gift wirkt sofort tödlich. Du müsstest normalerweise schon im Sterben liegen. Stattdessen hast du nichts weiter, als den Kratzer, den ich dir beigebracht habe.“ „Offenbar sind die Götter mir heute Abend wohl gesonnen, Duras.“ „Das glaubst aber auch nur du. Denn jetzt werde ich dir den Todesstoß versetzen.“ Duras stürmte erneut auf Shina Fay los. Allerdings schwang er sein Messer dieses Mal nicht über seinem Kopf, sonder eher zur Seite, um zum einen eine ordentliche Deckung zu haben, zum anderen, um von seiner wesentlich jüngeren Gegnerin nicht noch einmal so überrumpelt zu werden. Doch Shina Fay schaffte es erneut, den Regenten aus Keros zu übertölpeln. Sie tauchte unter ihm weg und schlitzte Duras den Rücken auf. Dieser konnte den brennenden Schmerz in seinem Rücken spüren. Also hatte Shina Fay ihn wieder erwischt. „Du Miststück! Verflucht seist du!“ „Auch dieses steht im Buch der Buchen, du sollst verflucht mal nicht fluchen!“ Duras verlor nun endgültig die Beherrschung. Er stürmte los, achtete aber nicht auf seine Gegnerin. Diese hatte sich zum Sprung bereit gemacht. Als der Nachtelf die Hälfte der Distanz zwischen sich und der jungen Elfe zurückgelegt hatte, machte Shina Fay einen Satz und sprang über ihn hinweg. Im Fallen packte sie den Nachtelfenkönig an seinen langen schwarzen Haaren und zog daran. Dadurch brachte sie den Tyrannen aus dem Gleichgewicht und Duras geriet ins Straucheln. Als er der Länge nach auf den Boden stürzte, verlor er sein Messer. 71 Da diese Waffe für Shina Fay zu schwer war, nahm sie kurzerhand ihren Dolch und stieß ihn tief in Duras Hals. Damit hatte sie einen weiteren Gegner besiegt und war ihrem Ziel, den Zauberbogen ihres Vaters „Traumfänger“ zu erringen, ein Stück näher gekommen. Doch nun galt es zu verhindern, dass nach dem Tod von Duras in Keros die Anarchie ausbrach. Daher hielt es Shina Fay für angebracht, nach Tansibor zu reisen und dabei zu helfen Recht und Ordnung wiederherzustellen. Um nun dafür zu sorgen, dass kein Stammesfürst benachteiligt wurde, schlug die junge Elfe vor, die Monarchie in Keros abzuschaffen, und stattdessen alle Clans an der Regierung zu beteiligen. Diese Idee fand großen Anklang und schon bald konnten die ersten freien Wahlen in Keros durchgeführt werden. Jeder Stamm sollte einen Kandidaten für das neue Parlament stellen. In einer geheimen Abstimmung sollten die Mitglieder der Stämme dann die neue Regierung von Keros wählen. Am zwölften Tag im Monat des Hasen stand die neue Regierung. Der erste frei gewählte Regent von Keros war eine Frau. Es war Leila, die Stammesführerin vom Clan der Nachtwölfe. Sie galt als weise, was innerpolitische Angelegenheiten anbelangte, allerdings hatte Leila auch den Ruf eines Hasenfußes weg, da sie bewaffnete Konflikte scheute, wie der Teufel das Weihwasser. Nach getaner Arbeit kehrte Shina Fay zurück in ihr kleines beschauliches Dorf in Aboleni, wo sie von ihren Freunden mit dem üblichen Begrüßungsfest empfangen wurde. Auch Vader, der Sohn aus dem Nachbardorf hatte sein Kommen angekündigt. Es war bereits dunkel, und die Bewohner hatten das Essen beendet, als Vader zu Shina Fay kam. „Ist schon eine Weile her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben.“, sagte er. „Seit dem Turnier nicht mehr. Wie ist es dir so ergangen?“ „Ich bin jetzt bei uns im Dorf der Jarl. Mein Vater ist vergangenen Sommer verstorben.“ „Mein Beileid.“, sagte Shina und drückte Vader die Hand. „Danke sehr. Und was machst du so?“ „Ich muss zwölf Prüfungen bestehen, damit ich den Zauberbogen meines Vaters bekomme. Mein Halbbruder, Leto, dieser gemeine Verräter, wollte den Bogen für sich.“ „Hat der Kerl einen Sockenschuss?“ „Ich weiß es nicht Vader. Aber eines weiß ich. Ich habe Angst, vor dem Tag, an dem ich Leto auf dem Schlachtfeld gegenüber treten muss. Auch wenn wir unterschiedliche Väter haben, so ist er doch irgendwie mein Bruder. Ich will ihn nicht töten, aber ich muss. Und davor graut mir.“ Vader legte seine Hand auf Shina Fays Schulter. „Du hast Stärke bewiesen. Du hast die Wahrheit gesagt. Es ist das schwerste das zu tun.“ „Es nützt doch nichts, wenn man versucht alles schön zu reden.“ „Das stimmt. Wenn es dir nichts 72 ausmacht, würde ich gerne eine Einladung an dich aussprechen.“ „Ich danke dir. Was willst du denn feiern?“ „Meine Hochzeit. Ich habe mich im Frühjahr verlobt.“ „Mein Glückwunsch. Und wer ist die Glückliche?“ „Sie heißt Jekaterina.“ „Hübscher Name. Wenn deine zukünftige Ehefrau auch so hübsch ist wie ihr Name, dann hast du das ganz große Los gezogen.“ Vader nickte. „Und wie steht’s bei dir in Sachen Liebe, Shina Fay?“ „Ich habe mich auch verliebt. In Galen, den jüngeren Sohn von König Meteron.“ „Eine gute Wahl.“ 73 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)