Die 12 Prüfungen der Shina Fay von BlueGenie1974 ================================================================================ Kapitel 4: 04. Prüfung - Sorais die Voodoo-Priesterin ----------------------------------------------------- 04. Pruefung – Sorais die Voodoo-Priesterin Eteria im Jahr der Ratte Dichter Schnee fiel auf die Gipfel des Drachenzahns, dem zweithöchsten Berg im Teufelsgebirge. Doch tief in einer Höhle, die sich im inneren des Berges befand, brannte ein Feuer. Eine Frau saß dort. An beiden Wänden der Höhle hingen riesige Gerüste, auf denen die Frau die Schädel ihrer Opfer beeindruckend zur Schau stellte. Auf der linken Seite der Höhle stand eine Pike, mit einem Totenkopf darauf. Dieses Artefakt wies die Frau als Voodoo-Priesterin aus. Aus einem kleinen Tongefäß entnahm die Voodoo-Priesterin eine kleine Menge eines roten Pulvers, die sie dann ins Feuer warf. Sofort wuchs das Feuer bis zur Höhlendecke heran. Die Voodoo-Priesterin sprach einen Beschwörungszauber und ließ so ihren Blick über Eteria schweifen, um nach neuen Opfern zu suchen. Zuerst sah sie sich in Endor um. Doch dort wurde sie nicht fündig. Als nächstes ließ sie ihr geistiges Auge nach Vortavor, Galens Heimat wandern, aber auch dort lebte niemand, der ein würdiges Opfer für die Voodoo-Priesterin darstellte. Daraufhin suchte sie weiter. Auch in der Goyoma-Wüste wurde die Priesterin nicht fündig. Auch im Grenzgebiet zu Darkwood, dem Reich der Dunkelelfen war niemand, den Sorais, so hieß die Voodoo-Priesterin, hätte opfern können. Also ließ sie ihr geistiges Auge noch einmal auf Wanderschaft gehen. Doch auch in der nördlichen Region, im Massanella-Gebirge hatte sie keinen Erfolg. Sorais musste sich eingestehen, dass ihre Suche nur halbherzig war. Denn das Massanella-Gebirge war das Reich von Darmona, der bösen Naga-Königin. Auch die Gegend von Edendale Castle und dem dazugehörigen Edendale Forrest bot wenige Aussichten auf Erfolg. Das Todesmoor kam auch nicht infrage. Dort bestand das Risiko, selbst den Tod zu finden. Dann kam Sorais in die Wälder von Aboleni. Das geistige Auge der Voodoo-Priesterin fand Shina Fay und ihre Freundinnen. „Ja, die junge Waldelfe ist genau richtig. Aber noch soll sie leben dürfen. Genieße dein Leben, solange du noch Zeit dazu hast, junge Elfe. Denn wenn ich dich hole, ist es vorbei.“ Schließlich wurde sie doch noch fündig. An der Grenze zu Coluacan lag ein kleines Dorf. In diesem Dorf lebten zwei Blutelfen. Eine junge, und eine ältere. Und beide waren perfekte Opfer. Sorais sprach einen weiteren Zauber, der den Flammenspiegel in ein Tor verwandelte. Sie durchschritt das Tor und kam in das Dorf. Die Voodoo-Priesterin überrumpelte die beiden Blutelfen und nahm sie mit sich in ihr Versteck auf dem Drachenzahn. In ihrem Versteck sah sich Sorais ihre beiden Opfer genau an. Die ältere Elfe 53 hatte braune Haare, die bis zu ihren Brüsten reichten, braune Augen und die für Elfen typischen spitzen Ohren. Auch ihr Körper und ihr Gesicht, waren ebenso klar als elfisch zu erkennen. Bekleidet war die Elfe mit einem lila Kleid und braunen Sandalen. „Nenn mir deinen Namen.“ „Alina.“ „Was habt ihr mit uns vor?“, fragte die junge Blutelfe voller Angst. „Schweig! Du redest erst, wenn ich es dir gestatte. HAST DU VERSTANDEN?“ So herrschte Sorais das Blutelfenmädchen an. Dann nahm sie das Mädchen genauer in Augenschein. Die Elfe hatte lilane Haare, die bis zu ihren kleinen Brüsten reichten. Dazu kamen der schlanke Körper und das ovale Gesicht, sowie die spitzen Ohren, die eine Elfe kennzeichneten. Bekleidet war die junge Blutelfe mit einem lila Roch, einem Top in derselben Farbe und einen Mantel, der vom selben Lila-Ton war, wie Rock und Oberteil. Dazu kamen braune Lederstiefel. Sorais sah diesem jungen Geschöpf ins Gesicht und sah Furcht in seinen violetten Augen. „Wie ist dein Name?“ „J-Jenna.“, sagte die junge Elfe. „Stottere nicht, wenn du mit mir redest!“, schrie die Voodoo-Priesterin das Mädchen an. „Du wolltest wissen, was ich mit euch vorhabe. Pass gut auf.“ Mit diesen Worten packte Sorais Alina am Handgelenk und zerrte sie nach oben. Die Voodoo-Priesterin fesselte die ältere Blutelfe an ein Gestell aus Metall. Dabei achtete sie darauf, dass Alina ihr das Gesicht zugewandt hatte. Danach steckte sie einen langen Kunstfinger auf ihren rechten Zeigefinger und tauchte ihn in eine schwarze Flüssigkeit. „So und jetzt sieh genau hin.“, sagte Sorais. Sie trat hinter Alina und hob ihre rechte Hand. Dann rief die Voodoo-Priesterin mit voller Stimme: „Mein Gott Baal! Nimm dieses Opfer an, das ich, Sorais, deine ergebene Dienerin, in voller Demut darbringe!“ Dann stieß sie den Kunstfinger tief in Alinas Hals und sprach laut eine Voodoo-Formel. Alina stieß noch einmal einen lauten Schrei aus, ehe alle Farbe aus Farbe aus ihrem Gesicht wich und ihr Kopf nach links zur Seite fiel. Sorais ließ ein diabolisches Lachen erklingen. „Mit dir werde ich genau dasselbe tun. Doch vorher sollst du miterleben, wie ich Ators Tochter, Shina Fay, meinem Gott als Opfer darbringe.“ „Was hat Shina Fay euch getan, dass ihr ihren Tod beschlossen habt?“ „Sie hat meine Schwester Seetha getötet. Ihr Tod wird mir die Genugtuung verschaffen, mich an der Mörderin meiner Schwester gerächt zu haben.“ „Davon wird Seetha auch nicht wieder lebendig.“, sagte Jenna. „Spar dir deine moralischen Belehrungen.“ Shina Fay weilte unterdessen in Masca, der alten Festung auf dem Teufelsberg und studierte sämtliche Folianten, die sich mit Elementezaubern befassten. Sie war gerade dabei, sämtliche 54 Feuerzauber zu studieren, als Bruder Remigius das Studierzimmer betrat. „Ich störe deine Studien nur ungern, Shina Fay, aber da ist jemand, der dich sprechen möchte.“ „Wer ist es?“ „Er kommt aus Sedenia, wo immer das auch sein mag.“ „Das ist der Sitz der Götter der Elfen!“, entfuhr es Kaitlyn. „Führ ihn herein, Remigius.“ Der alte Mönch neigte den Kopf. „Wer mag dich sprechen wollen, Shina Fay?“ „Ganz ehrlich Raya, ich weiß genauso viel wie ihr.“ Remigius kehrte in Begleitung eines alten Elfen zurück. Sein Kopf- und sein Barthaar waren schneeweiß. Sein Bart reichte fast bis auf den Boden. Bekleidet war der alte Elf mit einer blauen Tunika und braunen Sandalen. Auf dem Kopf trug er einen goldenen Lorbeerkranz. In der rechten Hand hielt er einen Stock aus Akazienholz. Shina Fay erkannte, dass sie den obersten aller Elfengötter vor sich hatte. Rasch ging sie auf die Knie und verbeugte sich. Kaitlyn und Raya taten es ihr nach. Der alte Elf sah die Freundinnen aus seinen violetten Augen an. Dann sagte er mit einer tiefen, beruhigenden Stimme: „Erhebt euch, ihr drei.“ „Was führt euch zu mir Oswin, Göttervater der Elfen?“, fragte Shina Fay. „Ich bin gekommen, um dich wissen zu lassen, dass du schon sehr bald zu deiner vierten Prüfung aufbrechen musst. Sie wird dich auf den Drachenzahn führen. Zu Sorais, der Voodoo-Priesterin. Sie hat zwei Blutelfen in ihrer Gewalt. Alina, die ältere hat sie schon ihrem Gott geopfert. Jenna, das Mädchen soll sehr bald folgen.“ „Gebt mir noch zwei Tage für meine Studien, Oswin.“ „Die zwei Tage seien dir gewährt, Shina Fay.“ Oswin zog sich zurück. Auch Bruder Remigius ließ die drei Freundinnen allein. „Es würde mich nicht wundern, wenn Sorais deine Unterhaltung mit Oswin durch einen Zauber belauscht haben sollte.“ „Traust du ihr das zu Kaitlyn?“ „Einer Voodoo-Priesterin, die so böse ist, wie Sorais, trau ich alles zu.“ Und das Kaitlyn recht hatte, zeigte sich an der Reaktion der Voodoo-Priesterin. Sie sprühte Gift und Galle. „Beim Blute meiner Mutter! Wie kann dieser alte Elfengreis es wagen, Shina Fay zu warnen?“ „Oswins Wege sind unergründlich.“, sagte Jenna. „Du bist ruhig! Wenn du noch einmal ohne meine Erlaubnis den Mund aufmachst, schneide ich dir die Zunge heraus.“ Jenna schloss ihre Augen und murmelte eine Beschwörungsformel. Als die junge Blutelfe diese beendet hatte und die Augen öffnete, glühten ihre Augen rot. „Höre Sorais! Höre meine Worte!“ „Schweig Jenna!“ Ein raues Lachen ertönte. „Ich bin nicht Jenna. Ich bin Serena, das Orakel der Blutelfen. Deine Zeit ist abgelaufen. Shina Fay wird dich töten.“ „Das glaube ich kaum! Eher wird das Gegenteil eintreten. Ators Tochter soll für das büßen, was sie meiner Familie angetan hat!“, schrie Sorais das Orakel an. „Deine Rache wirst du nicht bekommen, Sorais. 55 Stattdessen wirst du bei lebendigem Leib von innen verbrennen. DIES WIRD DEIN SCHICKSAL SEIN!!!“ „Du wagst es, mich um meine Rache zu betrügen? Fahr zur Hölle!“ Sorais wollte einen Zauber wirken, doch das Orakel blockte ihn ab. Stattdessen wurde due Voodoo-Priesterin an die Wand geschleudert. Ein helles, aber dennoch diabolisches Lachen erklang und hallte von den Wänden der Höhle wieder. Shina Fay nutzte die verbliebene Zeit um weiter zu lernen. Vor allem den Feuerpfeil lernte sie in- und auswendig. „Glaubst du wirklich, dass es dir was bringt, wenn du diesen einen Zauber immer wieder runter leierst?“, fragte Raya ihre Freundin. „Vielleicht habe ich nur eine Chance, Sorais beim ersten Mal auszuschalten. Wenn ich es nicht schaffe, könnte die Voodoo-Priesterin das Blatt wenden. Und zwar zu ihren Gunsten.“ „So hab ich das noch gar nicht gesehen. Aber egal, wie man die Sache sieht, die Fakten sprechen für sich. Deine zwei Tage sind rum und du musst zum Drachenzahn aufbrechen Shina Fay.“ „Kommt Ihr mit Ladies?“ „Na aber sowas von glaub mir.“ „Wenn wir dich allein ziehen lassen, welcher Ruhm bleibt dann noch für uns?“ „Also dann. Auf zum Drachenzahn.“ „Allzu weit werdet ihr drei es nicht haben.“ Unbemerkt hatte Bruder Remigius das Studierzimmer betreten. Shina Fay fuhr herum. „Und wie kommst du darauf, Remigius?“ „Weil der Drachenzahn der zweithöchste Berg im Teufelsgebirge ist.“ Gemeinsam mit dem alten Mönch stiegen die drei Elfen auf die Aussichtsbrüstung und sahen sich das Teufelsgebirge näher an. Shina Fay entdeckte den Drachenzahn sofort, da er wie der Zahn eines Drachens aussah. „Von hier oben sieht alles so nah und einfach aus.“, sagte Kaitlyn. „Es sieht einfach aus. Aber erst mal müssen wir vom Teufelsberg runter. Und das ist nicht einfach, wie ihr ja selbst wisst.“ „Runter müssen wir so oder so, wenn wir auf den Drachenzahn wollen.“ „Wie weit ist es bis dorthin Remigius?“, fragte Shina Fay den alten Mönch. „Zwei Tagesreisen von hier entfernt liegt der Drachenzahn. Wende dich gen Osten, Shina Fay.“ Am nächsten Morgen brach Shina Fay zusammen mit Kaitlyn und Raya auf. Desdemona, die Naga-Königin, verabschiedete sich von ihnen. „Komm heil nach Hause. Ich musste schon um meine Schwester trauern, Ich will dich nicht auch noch beweinen.“, sagte sie. „Ich werde auf mich aufpassen, Desdemona.“ „Viel Glück. Du wirst es brauchen.“ „Du hast mir doch damals diesen Armreif geschenkt, der mich gegen Voodoo-Zauber schützt. Damit kann Sorais mir nichts anhaben.“ „Ich wünschte, ich könnte dich begleiten, aber der Aufstieg ist mit meinem Schlangenleib nicht zu schaffen.“, sagte Desdemona. „Warum begleitest du uns nicht bis zum Fuß des Berges?“ 56 „Viel zu riskant. Ich werde in deinem Dorf auf euch warten, Shina Fay.“ Die junge Elfe umarmte die Naga-Königin noch einmal. Dann ging es los. Tarzon, der Shina Fay und Kaitlyn trug, marschierte vorne weg. Dahinter folgte Raya mit ihrem Säbelzahntiger. Die drei Freundinnen ritten bis zum Mittag, ehe sie an einem Bach eine Rast einlegten, der von einem See gespeist wurde. Kaitlyn fing mit einem handgemachten Speer ein paar Fische. Als diese über dem Feuer brieten meinte Raya: „Und du glaubst wirklich, dass du nur einen Versuch hast?“ „Wahrscheinlich. Wenn das, was in Remigius Büchern steht wahr ist, dann wird eine Voodoo-Priesterin gefährlicher, je mehr sie wütend wird. Ich muss Sorais töten, solange ihre Wut nicht in Hass umschlägt.“ „Wenn es dafür nicht schon zu spät ist.“ Shina Fay stand auf und fuhr herum um den Sprecher in Augenschein zu nehmen. Vor ihr stand ein unbekannter Elf. Sein Gesicht hatte er unter einer Kapuze verborgen, die zu einem schwarzen Umhang gehörte. „Wer seid ihr?“, fragte Shina Fay. „Ich bin Ataron. Ich komme von weit her. Aus Keros, dem Reich der Nachtelfen.“ Dann schlug der Fremde die Kapuze seines Umhangs zurück und Shina Fay konnte sein Gesicht sehen. Ataron hatte ein ovales Gesicht, nur etwas breiter. Seine gelben Augen strahlten Güte aus. Auffällig waren allerdings sein kräftiger Körperbau, sein dichter schwarzer Vollbart und seine Frisur. Ein Großteil des Haupthaares fehlte. Nur in der Mitte war ein Haarstreifen übrig geblieben. „Ihr seid nie und nimmer ein Nachtelf.“, sagte Raya. „Ich bin ein Nachtelfirokese. Einst waren wir in unserer Heimat die zahlenmäßig stärkste Gruppe. Aber seid Duras an der Macht ist, sind die Nachtelfirokesen nahezu ausgerottet.“ „Ist Duras krank im Kopf oder was hat der?“ „Wer weiß. Aber du musst noch viel lernen, bevor du gegen Sorais antreten kannst, Shina Fay. Und viel Zeit haben wir nicht. Also fangen wir gleich mit dem Unterricht an.“, sagte Ataron. „Erst wird gegessen. Die Fische sind fertig.“ Der resolute Unterton in Kaitlyns Stimme ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Dunkelelfe es ernst meinte. Nur widerwillig gab der Nachtelfirokese klein bei, obwohl er sich eingestehen musste, dass ihm der Magen bis zu den Kniekehlen hing. Nach dem Essen brachte Ataron Ators Tochter noch ein paar neue Zauber bei. Bei einem Ausweichmanöver der jungen Elfe entdeckte der Nachtelfirokese Desdemonas Armreif. „Dieser Armreif, den du an deiner Schulter trägst, wofür ist der?“ „Er soll mich vor Voodoo-Zaubern schützen.“ „Wer immer dir diesen Armreif überlassen hat, hat in weiser Voraussicht gehandelt.“ „Desdemona hat ihn mir geschenkt.“ „Wer ist Desdemona?“ „Eine Naga-Königin.“ 57 „Naga-Königinnen schließen selten Freundschaften, „Mir und Raya verdankt sie ihr Leben. Die Karawane, die sie und ihre Schwester eskortiert haben, wurde von Tyrion überfallen.“ „Tyrion? Der Echsenkrieger aus Vetera?“ „Genau der.“ „Ich hab gehört, dass du diejenige warst, die Tyrion zur Strecke gebracht hat.“ „Nicht nur ihn. Gnorm und Nekane hab ich auch erledigt.“ „Und jetzt Sorais. Wieso ausgerechnet du, Shina Fay?“ „Es ist eine Prüfung. Die vierte von 12.“ „Haben die Götter dir etwa zwölf Prüfungen auferlegt?“ „Ja. Erst wenn ich die letzte Prüfung bestanden habe, bekomme ich den Bogen meines Vaters Ator, „Traumfänger“.“ „Wen du „Traumfänger führst, werden die Nachtelfirokesen an deiner Seite kämpfen.“ „Die alte Prophezeiung.“ „Genau so ist es. Jeder Elf und jede Elfe kennt sie. Egal, ob man aus Eteria stammt, aus Keros oder Darkwood.“ Bis zum frühen Nachmittag übte Shina Fay noch mit Ataron. Dann entschied, dass es Zeit war, wieder aufzubrechen. „Wie weit werden wir kommen, bis es dunkel wird?“, fragte Ataron. „Wir reiten soweit, wie wir noch kommen. Je näher ich an Sorais ran komme, umso schneller kann ich meine Aufgabe erledigen.“ „Aber stell dir das nicht zu leicht vor. Sorais Zorn ist grenzenlos.“ Und wie recht Ataron hatte, bekam Jenna am eigenen Leib zu spüren. Die Voodoo-Priesterin demütigte das Blutelfenmädchen, indem sie auf dessen Körper urinierte. Sie drohte Jenna weitere Qualen an, sollte Shina Fay sie noch länger warten lassen. Als die Dunkelheit anbrach, hatten die Elfen eine Höhle unweit des Drachenzahns erreicht. Ataron entfachte ein Feuer, über dem später ein Wildschwein gebraten wurde. Während sie aßen erschien Sorais. „Wie lange soll ich noch auf dich warten, Shina Fay?“, schrie sie. „Hast du es wirklich so eilig zu sterben?“ „DU stirbst. Oder glaubst du wirklich allen Ernstes, dass ich den Mord an meiner Schwester Seetha ungesühnt lasse?“ „Deine Schwester hat MEINEN VATER getötet.“ „Ich weiß. Eigentlich sollte Seetha das Turnier gewinnen. Aber du musstest ja unbedingt gegen unsere Spielregeln verstoßen. Deshalb hat Seetha deinen Vater vergiftet.“ „Wenn ich eins nicht leiden kann, Sorais, dann sind das Leute, die mit gezinkten Karten spielen. Du und Seetha gehört dazu. Ich habe deine Schwester getötet, dich werde ich auch töten. Vor allem hasse ich es, wenn man mich beim Essen stört.“ „Spar dir deine dummen Sprüche, Shina Fay. Oder soll ich die junge Blutelfe, die ich in meiner Gewalt habe, noch weiter quälen?“ Mit diesen Worten verschwand Sorais. „Mann, dieses Miststück scheint ja einen richtigen Hass auf dich zu haben, Shina Fay.“ „Hat man ja gemerkt. Aber spätestens morgen ist alles vorbei.“ „Sei trotzdem vorsichtig.“ „Ich bin bestimmt nicht leichtsinnig Kaitlyn. Ich nehme so was nie auf die leichte Schulter.“ „Eins verstehe ich aber nicht. 58 Wie kann es sein, dass Seetha eine Halbelfe ist, Sorais aber ein Mensch. Und trotzdem sind beide Geschwister. Wie kann das sein?“ „Ich kann es mir nur so erklären Raya. Bei Seetha haben sich das menschliche und das elfische Erbgut gleichermaßen durchgesetzt. Während bei Sorais das menschliche Erbgut das dominante war.“, erklärte Shina Fay. Am nächsten Morgen brachen Shina Fay und die anderen auf. Stille. Kein Laut war zu hören. Zuerst war es neblig und Shina Fay fröstelte ein wenig. Als die kleine Gruppe den Fuß des Drachenzahns erreicht hatte, wurde der Nebel von einem heftigen Regenschauer abgelöst. Shina Fay widerstrebte es, bei solch einem Wetter auf einen Berg zu steigen, doch ihr war durchaus bewusst, dass Sorais ihre Drohung, Jenna noch weitere Qualen anzutun durchaus ernst meinte, und die junge Blutelfe entsprechend schlecht behandeln würde. Das konnte sie unmöglich zulassen. „Lass es lieber Shina Fay. Es ist zu gefährlich.“, sagte Raya. „Deine Freundin hat Recht. Warte ein bisschen, bis sich das Wetter bessert. Die Stammesführerin vom Clan des roten Habichts sah ein, dass das Risiko zu groß war. Stattdessen suchten die Elfen Schutz in einer Höhle. Ataron, der Nachtelfirokese untersuchte ihren Unterschlupf. Und er wurde fündig, denn er fand Alinas Geist. „Ich muss Shina Fay warnen.“, sagte der Geist. „Warum?“ „Sorais hat in ihrer Höhle mehrere Zombies als Wächter an den unterschiedlichsten stellen postiert. Außerdem hat sie die Reichweite ihrer Voodoo-Zauber verbessert. Shina Fay kann die Höhle nicht betreten und somit ihren Bogen nicht einsetzen.“ „Und woher weißt du das alles?“ „Ich bin ein Geist, schon vergessen? Ich kann überall hin, ohne wahrgenommen zu werden. So höre und sehe ich alles.“ Shina Fay hatte die Unterhaltung mit angehört. „Danke für die Warnung. Aber ich habe mir schon was einfallen lassen. Sorais wird sich wundern.“ Als es Mittag war, hatte es aufgehört zu regnen. Shina Fay probierte den Aufstieg. Als Zeichen, so hatten die vier es verabredet, sollte die junge Elfe mit einem Stein erst zweimal, dann einmal und dann wieder zweimal an den nackten Fels schlagen, wenn der Aufstieg machbar war. Raya befand sich gerade außerhalb der Höhle und sah sich um, als sie das Zeichen vernahm. „Es geht los. Shina Fay hat das Zeichen gegeben.“ Raya ging als erste. Dann kam Kaitlyn, während Ataron die Nachhut bildete. Als die drei Shina Fay erreicht hatten ging es gemeinsam weiter. Ataron übernahm die Führung, weil er der erfahrenste in Sachen Bergsteigen war. „Darf ich dich mal was fragen, Shina Fay?“, sagte der Nachtelfirokese bei einer kleinen Rast. 59 „Was willst du wissen?“ „Was hast du dir für Sorais einfallen lassen?“ Die junge Elfe öffnete ein kleinen Lederbeutel an ihrer Hüfte und holte ein paar kleine Kugeln heraus. „Was bitte schön ist das denn?“, fragte Ataron. „Lass die Kugel mal in diese Spalte hinter uns fallen.“ Der Nachtelfirokese ließ die Kugel in die besagte Spalte fallen. Als die Kugel am Boden aufschlug ertönte ein dumpfer Knall und eine Rauchwolke stieg auf. „Ein paar von diesen Kugeln und Sorais ist ihres Vorteils beraubt. Denn um ihre Voodoo-Zauber wirkungsvoll einzusetzen, muss sie mich sehen. Außerdem sind ihre Wächter sind dann wirkungslos. Denn die kann ich mit meinen Schwertern ungesehen ausschalten.“ „Cleveres Mädchen.“, sagte Ataron. Die vier setzten den Aufstieg fort. Am Gipfel angekommen bemerkte Shina Fay zwei von Sorais Wächtern, die den Eingang zum Versteck der Voodoo-Priesterin bewachten. Raya und Kaitlyn sollten die beiden ausschalten. Während Kaitlyn den Zombie auf der linken Seite mit ihrer Todeswolke zur Strecke brachte, bedachte die Waldelfe aus Erathia ihren Gegner mit einem Pfeil direkt ins Herz. Damit war der Weg bis zum ersten größeren Raum. Dort hatte die Voodoo-Priesterin drei weitere Wächter postiert, während der Hauptraum von untoten Kreaturen nur so wimmelte. Ehe die drei Untoten wussten, wie ihnen geschah, hatte Shina Fay ihnen mit ihren Damaszener-Schwertern die Kehlen durchgeschnitten. Ataron, der Nachtelfirokese sandte seinen Geist aus, um den Raum hinter der ersten Kammer zu erkunden. „Im Raum hinter diesem hier befindet sich der Hauptraum. Jenna ist dort angekettet.“ „Und wo ist Sorais?“ „Sie steht in der Mitte des Raumes. Ihre Wächter konnte ich nicht entdecken.“ Aus dem Nichts ertönte Alinas Stimme. „Ich habe sie ausgeschaltet.“ „Danke Alina.“, sagte Shina Fay. „Keine Ursache. Würdest du mir einen Gefallen tun?“ „Sicher. Du hast mich gewarnt und mir auch die restlichen Zombie-Wächter vom Hals geschafft. Da ist es nur rechtens, wenn ich mich entsprechend bei dir revanchiere.“ „Dann bitte ich dich, nimm du dich an meiner Stelle meines Proteges an.“ „Heißt das, du warst Jennas Mentorin?“ „Ja. Kümmere du dich jetzt um sie.“ „Ich kann Jenna leider nichts beibringen, ich bin selbst noch am Lernen.“ Shina Fay beschloss aufs Ganze zu gehen. Sie stellte sich in den Übergang zum Hauptraum, stemmte die Hände in die Hüften und sagte: „Dein Verhalten ist wirklich erbärmlich, Sorais. Dass du dich nicht schämst, eine junge Blutelfe als Faustpfand zu missbrauchen, um mich herzulocken.“ „Dir werden deine dummen Sprüche noch vergehen, Shina Fay.“ Danach wirkte Sorais einen ihrer gefürchteten Voodoo-Zauber. 60 Eigentlich hätte Shina Fay von innen her von Maden und Würmern aufgefressen werden sollen, doch nichts geschah. Die junge Elfe lächelte süffisant und betrachtete ihre Gegnerin genauer. Sorais war fünf Ellen groß, hatte stechende braune Augen und hüftlange schwarze Haare. Dazu kam ein für menschliche Verhältnisse schlanker Körper. Das Gesicht war ebenfalls oval, allerdings wies keine elfischen, sondern menschliche Züge auf. Der hübsche Mund war zu einem diabolischen Grinsen verzogen. Auf dem Kopf trug Sorais ein Diadem mit roten Federn an dessen Spitze. Die Mitte zierte ein Totenkopf. Ihre schwarzen Haare waren ab dem Hals zu Zöpfen geflochten. Bekleidet war die Voodoo-Priesterin mit einem roten Kleid mit schwarz-weißen Ärmeln und einem schwarz-weißen Muster im Brustbereich. Dazu kamen schwarze Netzstrümpfe und schwarze Schuhe mit Absätzen. In ihrer linken Hand hielt Sorais ihren Dreispitz mit dem Totenschädel in der Mitte. „Na gut. Der erste Voodoo-Zauber hat nicht funktioniert. Künstlerpech halt. Aber jetzt mach ich dich fertig. Diesen Zauber wirst du nie überstehen.“, zischte Sorais. Sie sprach den nächsten Zauberspruch und schleuderte ihn Shina Fay entgegen. Eigentlich hätten aus dem Inneren der jungen Elfe dutzende giftiger Spinnen hervorbrechen sollen. Doch wieder blieb der Zauber wirkungslos. „Da geht doch was nicht mit rechten Dingen zu. Wie kann es sein, dass du gleich zwei starke Voodoo-Zauber unbeschadet überstehst?“ „Siehst du den Armreif an meiner rechten Schulter? Was glaubst du, was hat er für Fähigkeiten?“ „Du willst doch nicht etwa andeuten, dass du durch diesen Armreif vor MEINEN VOODOO-Zaubern geschützt wirst?“ „Genau das ist der Fall. Du hattest zwei Versuche. Aber jetzt bin ich dran.“ Shina Fay legte einen Pfeil in die Sehne ihres Bogen und zielte auf Sorais Bauch, wo sich die lebenswichtigen Organe befanden. Bevor sie den Pfeil auf die Reise schickte schrie sie laut das Wort „BRISINGIR“. Blitzschnell wurde der Pfeil von orangeroten Flammen eingehüllt. Sorais wirkte schnell einen Verteidigungszauber, der den Feuerpfeil durch sie hindurch fliegen ließ. Der Pfeil schlug in die Wand hinter Sorais ein und öffnete einen dahinterliegenden Raum. Die Voodoo-Priesterin stieß ein diabolisches Lachen aus, dachte sie doch, dass der Pfeil keinerlei Schaden bei ihr angerichtet hatte. „Du kannst aufgeben Shina Fay. Du bist verloren.“ „Bist du dir da so sicher Sorais?“ „Und ob. Wenn ich dich schon nicht mit meinen Voodoo-Formeln besiegen kann, dann töte ich dich eben so.“ Shina Fay sprach in der alten Sprache einen weiteren Feuerzauber, der einen kleinen Funken in Sorais entzündete. Mit Entsetzen sah Sorais, wie Rauchschwaden aus ihrem Körper drangen. 61 „WAS HAST DU GETAN?“„Ich lasse dich von innen verbrennen Sorais. Stirb recht schön.“ Die Voodoo-Priesterin sah Shina Fay zuerst entgeistert an, dann erinnerte sie sich an Serenas Prophezeiung. Das Orakel der Blutelfen hatte ihr doch gesagt, dass sie von innen verbrennen würde. Während sie mit White Angels Tochter gekämpft hatte, hatten Kaitlyn und Raya Jenna befreit. Zusammen mit Shina Fay und Ataron rannten sie aus der Höhle. Als sie den ersten Raum wieder erreicht hatten, hörten sie hinter sich ein tiefes, dunkles Grollen. Als Shina Fay sich umdrehte um sehen, wer sie und die anderen verfolgte, sah sie zwei rote diabolische Augen in der Dunkelheit aufleuchten. Nur kurze Zeit später zwängte sich ein riesige Ungetüm durch den Pass zwischen den Kammern. Die Kreatur war 12 Ellen groß und mit dichtem weißen Fell bedeckt. An beiden Händen hatte das Biest drei lange Krallen und einen mit langen messerscharfen Zähnen bestückten Mund. Am Unterkiefer befanden sich noch zwei lange Stoßzähne. „Was bei Oswins Blut ist das?“ fragte die junge Elfe. „Ein Behemoth. Entscheide schnell, denn ich habe das Gefühl, dass wir bei diesem Burschen ganz oben auf der Speisekarte stehen.“ Ohne lange zu überlegen zog Shina Fay einen Pfeil mit einer Kondor-Feder aus dem Köcher und legte an. Viel Zeit hatte sie nicht und so ließ sie die Sehne los und schickte einen weiteren Giftpfeil auf seine todbringende Reise. Der Pfeil traf den Behemoth im linken Oberschenkel. Da das Gift jedoch schnell wirkte, hatte das Ungeheuer keine Gelegenheit mehr, den Pfeil herauszuziehen. Schließlich atmete das Monster zum letzten Mal aus. „Ich denke, hier sind wir fertig.“, sagte Raya. „Das denke ich auch.“ „Was wirst du jetzt machen, Shina Fay?“, wollte Ataron wissen. „Zuerst werde ich in mein Dorf zurückkehren. Und irgendwann will ich wieder hierher ins Teufelsgebirge. Ich will auf den Teufelsberg und in der alten Bergfestung meine Studien weiterführen.“ „Ein weiser Entschluss.“ Vier Wochen, nach Shina Fays Triumph kehrte Shina Fay in ihr Dorf zurück. Ataron wollte sich schon vorher in Richtung seiner Heimat verabschieden, doch Shina Fay überredete ihn, sie zu begleiten, weil sie wusste, dass es wieder ein großes Fest geben würde. „Ich bin dabei, wenn’s ums Essen geht.“, hatte der Nachtelfirokese gesagt. Später am Abend saß Shina Fay mit ihrem Großvater zusammen. „Ein Behemoth sagst du?“, fragte Etgo. „Ja. Ich frage mich, woher sie kommen, und was sie so gefährlich macht.“ „Warum fragst du nicht deinen Kumpel Bruder Remigius? Der weiß doch alles.“ „Das mache ich garantiert. Wenn ich wieder in Masca bin, werde ich die Bücher wieder wälzen.“ „Ganz ehrlich. Ich finde es schön, dass du so viel lernst. 62 Aber es ist so, dass du manchmal sehr lange von zu Hause weg bist. Wir vermissen dich.“ „Das tut Galen auch, Großvater.“ „Wer ist Galen?“ „Er ist der jüngere Sohn von König Meteron.“ Etgo klappte der Unterkiefer runter. 63 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)