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Die 12 Prüfungen der Shina Fay

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01. Prüfung - Gnorm der Berserker

01. Pruefung - Gnorm der Berserker

„Auf meinen Rücken, Shina Fay. Der Tag ist noch lang und wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“, sagte Tarzon. Estrelle, die zuvor noch auf einem Baumstumpf gesessen hatte, kam herangeflogen, und setzte sich auf Shina Fays Schulter. „Nun Tarzon, reisen wir nach Süden.“ „Pass auf dich auf, Shina Fay.“ „Leb wohl Netanya.“ Mit einem kräftigen Satz setzte sich die Raubkatze in Bewegung. Netanya und die Bewohner des Dorfes sahen dem Trio nach, das immer kleiner wurde.

Schließlich hatten sie den Wald hinter sich gelassen. Shina Fay nahm den Duft ihrer Umgebung wahr. Es roch nach frisch geerntetem Weizen, nach Holunder und nach Gras. Es war Mittag, als Shina Fay einen kleinen Bach entdeckte. Dort rastete auch ein Kaufmann aus Dateria, dem Reich der Echsenmenschen. „Guten Tag Fremder.“, sagte Shina Fay. „Mein Name ist Ebros. Und wer bist du?“ „Ich bin Shina Fay. Stammesführerin vom Clan des roten Habichts.“ „Soso. Und was willst du so weit weg von Zuhause?“ „Ich suche Gnorm.“ „Gnorm den Berserker?“ „Eben jenen. Ich will ihn töten.“ „Du bist total verrückt Shina Fay. Gnorm ist ein paar Nummern zu groß für dich.“ „Dies wurde mir als Prüfung auferlegt. Und ich habe nicht vor zu scheitern Ebros. Wo finde ich Gnorm?“ „Er hat sein Lager unweit des großen Treibsandmeeres aufgeschlagen. Doch sei vorsichtig. Gnorm kommt schnell wie der Blitz, metzelt jeden nieder, der sich ihm in den Weg stellt, und verschwindet genauso schnell wie er gekommen ist.“

„Dann weiß ich, was ich tun muss.“ Ebros sah sie fragend an. Shina Fay Zog einen Pfeil aus ihrem Köcher und entfernte die lederne Schutzkappe. „Die Spitze dieses Pfeils ist mit dem Gift des Inlandtaipans bestrichen. Und dieses Gift wirkt sehr schnell. Ich habe noch mehr solcher Giftpfeile. Und alle mit den unterschiedlichsten Giften versehen.“ „Du bist wirklich clever Shina Fay, das muss man dir lassen.“ „Ich kann mit dem Bogen besser umgehen, als irgendjemand in Eteria.“ „Ich hab davon gehört. Ich denke, du bist die einzige, der es gelingen kann Gnorm zu töten. Ich wünsche dir viel Glück. Und bevor du weiter deiner Wege ziehst, will ich dir noch etwas mitgeben.“

Ebros kramte in einer seiner vielen Kisten, auf den Rücken seiner Echsen festgezurrt waren, und holte eine Goldkette mit einem riesigen Diamantanhänger heraus. „Diese Kette wird dich gegen jede Art von Zauber immun machen. Ich schenke sie dir.“ Damit hängte der Echsenmensch Shina Fay die Kette der Immunität um den Hals. „Danke für die Kette Ebros. Aber riskierst du nicht, von deinem Kunden eins aufs Dach zu bekommen?“ „Nein. Eure Hohepriesterin, Netanya, für die diese Kette eigentlich bestimmt 15

Gewesen wäre, ist mir als Lichtgestalt erschienen und hat mir aufgetragen, sie dir zu überlassen, denn Du würdest sie dringender brauchen.“ „Nochmals vielen Dank. Und mögen die Götter auf deinem weiteren Weg über dich wachen.“ „Und dir gutes Gelingen. Mach Gnorm fertig. Besser noch, schick ihn in die Hölle.“

Shina Fay machte sich wieder auf die Reise, während Ebros mit seiner Karawane weiter in Richtung des Elfenreiches zog. Die Landschaft änderte sich erneut. Statt einer weiten Grasfläche war das Gelände felsiger geworden, denn Shina Fay hatte die Ausläufer des Teufelsgebirges erreicht. Tarzon, der weiße Säbelzahntiger hielt seine Nase in die Luft und nahm Witterung auf. Auch Shina Fay und Estrelle merkten, dass etwas nicht stimmte. Der Schrei eines Adlers zerriss die Stille. Doch durch die Bergwände wurde das Echo um ein vielfaches reflektiert. Ein Weißkopfseeadler landete auf einem der vielen Findlinge, die den Weg säumten. „Gnorm hat eine weitere Karawane überfallen.“, sagte er. „Und wer bringt mir diese schlechten Nachrichten?“ „Ich bin Argon. Und die bist sicher Shina Fay.“ „Die bin ich. Wann und wo hat Gnorm die Karawane überfallen?“ „Vor einer Elfenstunde.“ „Ist noch gar nicht so lange her Argon. Aber hat dieser Berserker die Karawane überfallen?“ „In der Nähe der Höllenschlucht. Es war ein regelrechtes Massaker.“ „Wie lange brauche ich dorthin?“ „Vielleicht eine halbe Elfenstunde. Wenn du dich beeilst.“ „Weißt du zufälligerweise, wer der Unglücksrabe war, der das Pech hatte, Gnorms nächstes Opfer zu werden?“, fragte Estrelle. „Den Namen weiß ich nicht. Das Einzige, was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass er aus Istria stammt.“ „Das ist das Reich der Minotauren.“

Auf dem Weg zur Höllenschlucht schwiegen die drei eine Weile. Shina Fay dachte nach. „Also wenn die Minotauren spitz kriegen, dass eine ihrer Karawanen überfallen wurde, dann gute Nacht.“, sagte sie schließlich. „Wie darf ich das verstehen Shina Fay?“ „Die Antwort liegt doch auf der Hand, Tarzon. Die Minotauren sind für ihre Rachsucht bekannt.“ „Heißt im Klartext?“ „Wir müssen Gnorm finden und töten, bevor die Nachricht vom Überfall zu Minaton, dem König der Minotauren durchdringt.“ „Darf ich einen Vorschlag machen Shina Fay?“, fragte Tarzon. „Nur zu.“ „Wenn du Gnorm getötet hast, solltest du ihm den Kopf abschlagen und per Bote nach Taurin schicken.“ „Keine schlechte Idee.“

Am Ort des Geschehens angekommen, stieg Shina Fay von Tarzons Rücken und schaute sich um. Und was sie sah, wühlte die Elfe innerlich auf. Überall lagen Leichen und lagen Leute im Sterben. Sie fand einen Minotauren, der in eine seidene Robe gekleidet am Boden lag. „Shina Fay.“, sagte der Händler. „Midas? Seid Ihr das?“ „Ja. Gnorm hat uns überfallen.“ „Ich habe davon gehört. Was ist passiert?“ „Er hat uns den Weg versperrt und einen 16

Esel mit Waffen und ein Pferd mit Nahrung als Wegzoll verlangt.“ „Habt Ihr bezahlt?“ „Wo denkst du hin?“ Ich bin doch nicht verrückt. Ich habe abgelehnt und daraufhin hat Gnorm meine Eskorte nieder gemetzelt und mich lebensgefährlich verletzt. Bevor ich meine letzte Reise in die Endwelt antrete, will ich dir diese Schriftrolle mitgeben.“, sagte Midas. „Was ist das?“ „Eine Anweisung für ein neues Gift. Ich habe einen Kessel, den du noch mitnehmen solltest. Dann musst du die schwarze Spinne finden…“ Weiter kam Midas nicht, denn mit ihm war es zu Ende gegangen.

Shina Fay schichtete etwas Holz zu einem Scheiterhaufen auf und lud den Leichnam des Minotaurenhändlers darauf ab. Mit einer Fackel, die sie aus dem Holz einer Kiste entzündet hatte, setzte die Elfe den Scheiterhaufen in Brand. Sie nahm den Kessel und die Schriftrolle, verstaute alle in einer der Satteltaschen und machte sich wieder auf den Weg. Doch weit kam sie nicht mehr. Bei Anbruch der Dunkelheit erreichte Shina Fay die Ruine eines alten Elfenpalastes. Das Haupthaus war zum Teil eingestürzt oder vom Efeu überwuchert. Lediglich die Ställe und ein einziger Turm waren noch intakt. Die Elfe bemerkte, dass in einem der Räume Licht brannte. Sie beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Doch vorher brachte sie Tarzon und Estrelle in einem der Ställe unter.

Als sie den Turm betrat, zog sie ihre Schwerter, denn sie war misstrauisch. Ganz langsam stieg sie die Treppenstufen nach oben. Schließlich hatte sie das Stockwerk erreicht, auf dem das Zimmer mit dem Licht lag. Doch bevor sie das Zimmer betreten konnte, wurde sie von einem Wesen angegriffen, das sie noch nie zuvor gesehen hatte. Es sah aus wie ein Hund, lief aber auf zwei Beinen. In der linken Pfote trug es einen Morgenstern. Das Hundewesen wollte sich auf die Elfe stürzen, doch Shina Fay wich aus. Und bevor ihr Gegner wusste, wie ihm geschah, hatte Shina Fay ihn an die Wand gedrückt und hielt ihm ihre Schwerter an den Hals. „Bei mir musst Du früher aufstehen, wenn du mich töten willst.“, sagte sie und wollte die Schwerter schon zurückziehen, um das Hundewesen zu töten, als eine Stimme ertönte. „Haltet ein!“ Die Elfe wusste,, wem diese Stimme gehörte. Und tatsächlich, im Türrahmen stand Halgrim. „Komm herein, Shina Fay.“

White Angels Tochter steckte ihre Schwerter weg und folgte dem Schamanen. Im Zimmer folgte die nächste Überraschung. Denn dort stand Netanya, die Hohepriesterin der Elfen und neben ihr Minaton, der König der Minotauren. „Ich habe gehört was passiert ist. Und ich möchte dir danken, dass du bei Midas geblieben bist, bis er starb, Shina Fay.“, sagte der König. „Das war das Mindeste, was ich tun konnte. Aber Midas sprach von einer schwarzen Spinne, die ich finden müsste.“ „Dann hat er dir die Schriftrolle gegeben.“ 17
 

„Ja. Hier ist sie.“ Mit diesen Worten holte die Elfe das Pergament mit dem Rezept hervor. „Dann ist es wohl besser, wenn du noch etwas über sie erfährst, damit du weißt, was auf dich zukommt.“ „Wo lebt die schwarze Spinne?“ „Im Todesmoor. Vor allem jetzt dürfte sie wieder sehr aktiv sein. Denn es hat vor kurzem im Moor geregnet. Ein falscher Schritt kann dort jetzt den sicheren Tod bedeuten.“, sagte Halgrim. „Aber es gibt doch Pfade die markiert sind.“ „Die gibt es, Shina Fay. Allerdings achtet keiner auf die Markierungen, wenn er die schwarze Spinne hinter sich sieht. Und ehe man sich’s versieht, steckt man in einem Moorloch fest. Du kannst dir vorstellen, was passiert, wenn man in einer solchen Situation panisch wird.“ „Man wird in die Tiefe gezogen?“ „Gut aufgepasst Shina Fay.“

Minaton hatte inzwischen die Schriftrolle studiert. Oha! Was für eine Mischung. Das Blut der schwarzen Spinne und auch ihr Gift sollen in einem Kessel mit einander vermischt und dann gekocht werden.“ „Midas hat mir einen Kessel mitgegeben bevor er starb.“ „Gut. Das Blut und das Gift der schwarzen Spinne sind an sich für Minotauren und zumindest Elfen nicht gefährlich. Aber kombiniert sind sie tödlich.“, sagte Minaton. „Wie kann ich sie töten?“ „Die schwarze Spinne ist von einem Schild aus schwarzer Magie geschützt. Nur an ihrer Unterseite ist sie verletzlich.“ „Also ein Wurf mit dem Dolch oder ein Pfeil.“ „Kein Pfeil kann die Spinne töten. Der Dolch ist deine Waffe.“ „Es gibt aber nur einen Dolch, der für diese Mission geeignet ist.“, sagte Halgrim. „Welchen?“ „Den Gidbin.“ Netanya kramte in einer Truhe mit Waffen herum, bis sie einen Dolch mit einer 5 cm langen Diamantklinge und einem Griff aus Kupfer in der Hand hielt. „Das ist er.“ Sie gab den Dolch Shina Fay. „Mögen die Götter dich beschützen.“, sagte Minaton und legte der Elfe die Hand auf die Schulter.

Am nächsten Morgen brach Shina Fay auf. Sie entschied sich, dies noch vor Tagesanbruch zu tun, da das Todesmoor eine ordentliche Strecke entfernt vom alten Palast lag. Netanya hatte die junge Elfe noch ein Stück des Weges begleitet. Es war Mittag, als die junge Elfe das Moor erreicht hatte. Sie suchte nach einem Platz, an dem sie Tarzon unterstellen konnte. Sie glaubte, etwas gefunden zu haben, aber der vermeintliche Unterstand entpuppte sich schnell als die schwarze Spinne. Shina Fay merkte es, als zwei rotglühende diabolische Augen aufglühten. Als sich die Spinne bewegte hatte die Elfe endgültig Gewissheit. Allein schon die Größe des Tieres flößte Shina Fay gehörigen Respekt ein. Diese Spinne war ein Monster, denn sie war 55 Ellen lang und 27 Ellen breit. Das Insekt verschwand im Moor, denn es jagte ganz offensichtlich jemanden. 18

Shina Fay betrat das Moor über einen anderen Pfad. Da zerriss ein spitzer Angstschrei die Stille. Die junge Elfe und Estrelle, die Schleiereule, wussten, dass jemand in eines der vielen Moorlöcher geraten war. "Hilfe!" Shina Fay verharrte in ihrer Bewegung. Estrelle, die Schleiereule wollte etwas sagen, doch Shina Fay legte den Finger an die Lippen. Und dann hörte es auch die Eule. Die schwarze Spinne lief um das Moorloch herum, damit niemand der in Not geratenen Elfe zu Hilfe eilen konnte. Shina Fay und Estrelle tauschten einen Blick, denn beide dachten dasselbe. „Wie soll ich mit dieser Bestie fertig werden?“ „Ich lenke sie ab. Dann kannst du diesem Monster den Garaus machen.“, sagte Estrelle.

Estrelle flog los und über den Kopf der Spinne hinweg. Diese Aktion lenkte das riesige Insekt ab, sodass Shina Fay ein Seil an einem der Bäume befestigen konnte. Doch die schwarze Spinne hatte die Elfe bemerkt. Denn nun machte sie Jagd auf White Angels Tochter. Doch die junge Elfe war derart gerissen, dass sie der Monsterspinne ein ums andere Mal entwischte. Und dazu die Nerv tötenden Attacken der Schleiereule. Irgendwann hatte die schwarze Spinne aber die Schnauze gestrichen voll und sie richtete sich auf um zum Sprung anzusetzen. Auf diesen Augenblick hatte Shina Fay gewartet. Blitzschnell zog sie den Gidbin aus dem Schaft an ihrem Stiefel und warf ihn aus der Drehung des Oberkörpers heraus. Die Waffe traf die schwarze Spinne an ihrer verwundbarsten Stelle. Mit einem markerschütternden Todesschrei hauchte die Spinne ihr Leben aus.

Als diese Aufgabe erledigt war, zog Shina Fay ihre Artgenossin aus dem Moorloch. „Das war aber knapp. Danke für eure Hilfe.“ „Ich kann leider nicht zaubern. Außerdem musste ich die Spinne beschäftigen, damit ihr nach dem Seil greifen konntet.“ „Ich bin Raya.“ „Shina Fay. Freut mich euch kennenzulernen.“ „Warum so förmlich? Wir sind beides Waldelfen. Also können wir auch ebenso gut Freundinnen sein.“, sagte Raya. „Na schön. Warum nicht? Das bedeutet aber auch, dass wir einander vertrauen müssen. Und zwar ohne Vorbehalte. Du bist nicht aus Eteria, wie ich sehe.“ „Nein. Ich komme aus Erathia.“

Später am Tag hatte Shina Fay ein Feuer entfacht. Der Kessel, den Midas ihr überlassen hatte, hing bereits darüber. Gemeinsam mit Raya hatte White Angels Tochter den Kadaver der schwarzen Spinne ausgenommen und das Blut und das Gift aufgefangen. Die Waldelfe aus Erathia fertigte ein paar neue Schutzkappen, während Shina Fay ein Bündel Pfeile aus einer von Tarzons Satteltaschen geholt hatte. Netanya hatte sie ihr mitgegeben. Statt Bussardfedern waren diese Pfeile mit den Federn eines Kondors versehen. Schließlich kochte das Gift im Kessel. Raya zog die Nase kraus. „Das stinkt vielleicht.“, sagte sie. „Lässt sich nicht ändern. 19

Aber mit diesen Pfeilen schickt Du einen ganzen Stamm Berserker in die ewigen Jagdgründe.“

Schließlich war das Gift fertig und Shina Fay präparierte die Pfeile. Fünf dieser Pfeile gab sie Raya, die anderen fünf steckte sie in ihren eigenen Köcher. „Ich will nicht neugierig sein, Shina Fay. Aber was macht eine junge Elfe wie du soweit von zu Hause entfernt?“ „Mein Vater hat mir an meinem 25. Geburtstag per Testament seinen Bogen überlassen. „Traumfänger“ ist sein Name.“ „Sagtest du „Traumfänger“?“ „Du hast dich nicht verhört. Der Bogen meines Vaters heißt „Traumfänger“ Er ist aus reinstem Elfenbein gefertigt.“ „Weißt Du, dass dieser Bogen über magische Kräfte verfügt?“ „Vater sprach oft davon, dass „Traumfänger“ ein Zauberbogen ist.“ „Du führst ihn nicht. Warum?“ „Mein Halbbruder Leto war dagegen. Er wollte den Bogen für sich. Weil er ihm von den Göttern aber nicht zugesprochen wurde, hat mein Halbbruder meinen Clan verraten.“ „Er hat sich den Dunkelelfen angeschlossen.“, stellte Raya fest. „Ja. Aber das Orakel hat auch gesagt, dass ich noch nicht reif genug bin, um „Traumfänger“ zu führen. Ich muss zwölf Prüfungen bestehen, damit man mich seiner als würdig ansieht.“, sagte Shina Fay.

„Ich wüsste niemanden, der „Traumfängers“ würdiger wäre, als du Shina Fay.“ „Das Orakel sieht das aber anders.“ „Was ist deine Aufgabe für die erste Prüfung?“, wollte Raya wissen. „Ich soll Gnorm den Berserker töten.“ „Wage dich nicht zu nah an ihn heran. Er hat die Kraft von drei Bären. Seine beiden Äxte wiegen so viel wie zwei Wildschweine. Seine Arme sind drei Ellen lang.“ „Ich kann gut mit dem Bogen umgehen. Ich treffe ein Ziel noch auf 150 Schritte Entfernung.“ „Das ist beeindruckend. Aber Gnorms Oberschenkel sind vier Ellen dick,“ „Das Gift, mit dem ich die Pfeile präpariert habe, dringt durch das Gewebe nach innen. So steht es in der Schriftrolle.“

Die Nacht war hereingebrochen. Shina Fay und Raya hatten das Feuer neu angefacht, damit man sie in der Dunkelheit nicht überraschen konnte. Die junge Elfe hatte freiwillig die erste Wache übernommen. In der Dunkelheit gewahrte sie einen Lichtschimmer im Dickicht auf der gegenüberliegenden Seite des Waldes, in dem die beiden die Nacht verbrachten. Rasch weckte Shina Fay Raya. Die Elfe aus Erathia spähte in die Richtung, in der ihre neue Freundin das Licht gesehen hatte. „Das ist Gnorm. Darauf wette ich.“ „Was macht dich da so sicher Raya?“ „Wenn ein Berserker immer noch im Blutrausch ist, dann ist er von einem Flammenschild umhüllt. Das erklärt auch den Lichtschimmer im gegenüber liegenden Dickicht, den Du gesehen hast.“ Da zerriss ein lauter und tiefer Männerstimme erzeugter Schrei die Nacht. „Gnorms Blutrausch lässt nach 20
 

Shina Fay. Wir sollten noch vor Tagesanbruch aufbrechen.“ Da bin ich ganz deiner Meinung Raya.“

Gesagt, getan. Noch bevor die Sonne aufging, brachen die beiden Freundinnen auf. Am frühen Vormittag erreichten sie die Unglücksstelle. Shina Fay wusste sofort, was passiert war. Gnorm hatte eine Gruppe Reisender überfallen. „Diese Ausgeburt eines Bastards.“, fluchte die junge Elfe. „Auch dieses steht im Buch der Buchen, Du sollst, verflucht noch mal, nicht fluchen.“ „Saulustig. Ich lach mich kaputt.“

Ein Schluchzen erregte die Aufmerksamkeit der beiden Elfen. Sie liefen in diese Richtung und fanden ein Elfenkind. In seinen Armen hielt es den schlaffen Körper einer toten Elfe, die der Größe nach zu urteilen, die Mutter des Mädchens war. „Was jetzt?“, fragte Raya. „Zuerst müssen wir die Toten bestatten. Danach muss das Mädchen in mein Heimatdorf gebracht werden, denn hier ist es alles andere als sicher.“ „In beiden Punkt hast du Recht Shina Fay. Stellt sich nur die Frage, wie wir die Kleine von hier wegbringen.“ „Ich wünschte, Netanya wäre hier.“ Raya sah ihre neue Freundin fragend an. „Netanya ist die Hohepriesterin von Eterias Elfenstämmen.“ Das Klappern von Pferdehufen erklang. Aus dem Nebel, der sich nach Sonnenaufgang gebildet hatte, erschien ein Schimmel. Und auf ihm saß Netanya. Auch sie erfasste schnell, was sich schreckliches abgespielt haben mochte. „Du hast gut daran getan, mich zu rufen Shina Fay. Lasst uns die Scheiterhaufen aufschichten.“ Während Shina Fay und Raya das Holz für die Begräbniszeremonie zusammen suchten, kümmerte sich die Hohepriesterin um das Elfenmädchen. So erfuhr Netanya den Namen des Elfenkindes. Ayla.

Schließlich waren die Scheiterhaufen errichtet und die toten Mitglieder der Reisegruppe aufgebahrt. An jedem dieser Holzhaufen war eine Fackel in den weichen Erdboden gerammt, die nun eine nach der anderen angezündet wurden. Auf ein Zeichen von Netanya nahm Shina Fay eine Fackel auf und warf sie auf den entsprechenden Scheiterhaufen. Als auch der letzte Holzstapel brannte, stimmte die Hohepriesterin von Eterias Elfenstämmen das traditionelle Totenlied an. „Du, die unsterblich vom Geschlecht der grünen Drachen ich geglaubt, O holde Freundin meiner Nächte, so hat der Tod dich mir geraubt.“ Shina Fay stimmte mit in den Gesang ein, während Raya mit geschlossenen Augen daneben stand, die Hände zum Gebet gefaltet, und das Totengebet für die Helden Erathias sprach. „Dort treffe ich dann meinen Vater, dort treffe ich meine Mutter. Dort treffe ich dann meine Schwestern und Brüder. 21

Dort treffe ich all jene meiner Ahnenreihe von Beginn an. Sie rufen schon nach mir. Sie wollen, dass ich meinen Platz einnehme unter ihnen. Hinter den Toren von Arandil, wo die tapferen Krieger für immer leben!“ Netanya und Shina Fay sahen Raya fragend an.

„So gedenkt man in Erathia, meiner Heimat, der in Schlachten gefallenen Krieger.“, sagte Raya. „Ich finde, es ist erst mal wichtiger, Ayla in Sicherheit zu bringen.“ „Ich werde sie unter meine Fittiche nehmen und sie zur Hohepriesterin ausbilden.“, sagte Netanya. In Shina Fays Gesicht trat der Ausdruck blanken Entensetzens. „Was bedeutet das?“ „Das bedeutet, dass meine Zeit zu Ende geht. Ich wandele schon sehr lange auf dieser Welt. Wenn Ayla ihre Ausbildung beendet hat, werde ich meine letzte Reise nach Arandil antreten.“ „Ich dachte Arandil ist nur ein Mythos.“ „Für die Ungläubigen, wie deinen Halbbruder Leto, vielleicht. Aber noch ist es für mich nicht soweit. Aber auch deine Zeit wird irgendwann zu Ende gehen. Es kommt der Tag, an dem dein Körper keine Kraft mehr hat und nur noch ruhen will. Wenn du zum letzten Mal die Augen schließt, wird deine Seele deinen Körper verlassen und Arandil kommen, wo ich auf dich und Raya warten werde.“ Die beiden Freundinnen sahen die Hohepriesterin fragend an. „Ihr braucht nicht denken, dass ich nichts von eurer Freundschaft wüsste. Vergiss nicht, dass Raya dir ihr Leben verdankt. Eure Freundschaft ist etwas Besonderes.“

Netanya setzte Ayla auf ihr Pferd und stieg hinter ihr auf. „Ihr müsst euch beeilen. Gnorm weiß noch nichts, aber eine Karawane aus Kaitain ist auf dem Weg hierher.“ „Keine Sorge. Wir werden zur Stelle sein, wenn Gnorm auftaucht.“ „Ich verlass mich auf euch. Ihr müsst nach Norden.“ Shina Fay und Raya setzten sich auf Tarzons Rücken und der weiße Säbelzahntiger machte einen Satz vorwärts. „Kaitain. Ist das nicht die Heimat der Schakalmenschen?“ „Du meinst die Anubis-Krieger?“ „Wieso Anubis-Krieger?“ „Weil die Einwohner von Kaitain den Gott Anubis verehren, dessen Kopf wie der eines Schakals aussieht.“ Am späten Nachmittag trafen Shina Fay und Raya auf die Karawane aus Kaitain.

Ihr Anführer stellte sich Hafez vor. Shina Fay berichtete kurz, was sie und Raya in den Norden Eterias geführt hatte. „Wir haben von Gnorm gehört. Aber zu Gesicht bekommen haben wir ihn nicht.“ Ein Knacken im Dickicht durchbrach die Stille. Die beiden Elfen wussten, was dieses Geräusch zu bedeuten hatte. Ein Zweig war gebrochen, weil jemand mit vollem Gewicht darauf getreten war. Shina Fay zog einen der Giftpfeile aus dem Köcher, die sie vor kurzem präpariert hatte und legte ihn in die Sehne. Dann ging sie in die Hocke. Mit einem lauten Brüllen stürmte Gnorm aus dem Dickicht auf die Karawane zu. 22

Der Berserker entsprach genau Rayas Beschreibung. Allein schon seine schiere Größe von sieben Ellen flößte jedem Krieger Furcht ein. Der massige muskelbepackte Körper ruhte auf Beinen, die man für Säulen hätte halten können.

„Habt ihr tatsächlich geglaubt, dass ihr mir entkommt, wenn Ihr eine andere Route nehmt und später aufbrecht? Jede Karawane, die Eteria durchquert hat mir Wegzoll zu zahlen. Wer sich weigert, den töte ich.“, sagte der Berserker mit einer tiefen, donnernden Stimme, die zu der furchteinflößenden Gestalt passte. Auf Gnorms massigen Schultern saß ein massiger Kopf, dessen obere Gesichtshälfte von einem Wikingerhelm verdeckt wurde. Nur die Augenschlitze waren offen und gaben den Blick auf zwei gelbe Augen frei, in denen pure Mordlust loderte. In Gnorms Gesicht, dessen untere Hälfte von einem dichten, blonden Vollbart dominiert wurde trat nun ein diabolisches Grinsen. „Ihr denkt wohl, meine Drohungen sind nur leere Luft. Dann seht her!“ Mit einem einzigen Hieb seiner Axt spaltete der Berserker einem Anubis-Krieger den Schädel.

„Und jetzt her mit meinem Wegzoll!“ „Wir wissen ja gar nicht, was ihr als Wegzoll wollt.“, sagte Hafez gelassen. „Dasselbe, das ich von jeder Karawane verlange. Ein Pferd mit Nahrung.“ „So, jetzt hab ich mir den Schwachsinn ja wohl lange genug angehört.“, sagte Shina Fay. Der Berserker fuhr herum. „Du hast genug Leute umgebracht, du ausgekotzter Spargel und deshalb werde ich mit dir hier schon abrechnen, denn für dich wär ja schon eine Karawane zu schade.“ „Du bist doch schon jetzt eine tote Frau, junge Elfe.“, sagte Gnorm. Shina Fay konnte unbändige Wut in den Augen des Berserkers erkennen. Ihre Taktik ging also auf. Sie entschloss sich, ihren Gegner noch weiter zu provozieren. „Du stinkst ja geradezu vor Überheblichkeit, du Pappnase!“ Das war zu viel für Gnorm. Er hob seine Äxte um zuzuschlagen und ließ dabei den Ober- und Unterleib ungeschützt.

Shina Fay spannte den Bogen und schoss. Ein brennender Schmerz durchzuckte Gnorms rechtes Bein, als der Pfeil traf. Der Berserker versuchte, den Pfeil heraus zu ziehen, doch das Gift wirkte bereits. Das letzte, was Gnorm noch mitbekam waren Shina Fays letzte Worte. „Sag der Welt „Auf Wiedersehen“.“ Dann wurde dem Berserker schwarz vor Augen und er stürzte der Länge nach auf sein Gesicht.

„Die erste Prüfung hast du geschafft.“, sagte Raya. „Ja. Und da bin ich ganz froh drum. Erst die schwarze Spinne, dann dieser Berserker. Ich habe echt genug für heute.“ „Ihr habt mich und meine Karawane vor der sicheren Vernichtung bewahrt. Nehmt als Zeichen meines Dankes, diesen magischen Saphir. In euren Bogen eingesetzt können eure 23

Pfeile zu Eispfeilen werden.“ Shina Fay nahm den Edelstein dankend entgegen. „Wohin führt eure Reise?“, fragte sie Hafez. „Wir ziehen weiter nach Istria zu König Minaton.“ Da erinnerte sich die junge Elfe an Tarzons Vorschlag. Sie wollte eine von Gnorms Äxten anheben, doch sie war zu schwach. „habt Ihr was besonderes vor?“, fragte Hafez. „Ich will Gnorm den Kopf abschlagen und ihn an König Minaton senden.“ Der Karawanenführer mit dem Schakalskopf gab zweien seiner Krieger ein Zeichen. Diese schlugen den Kopf des Berserkers ab und packten ihn in eine mit Schutzzaubern versehene Kiste.

Dann trennten sich die Wege von Hafez und den beiden Freundinnen. Während die Karawane zu den Minotauren weiterzog, brachen Shina Fay und Raya zu Shina Fays Dorf auf. Tarzon rannte so schnell er konnte, um seine Herrin nach Hause zu bringen. Nach 5 Tagen und 5 Nächten kam Shina Fay nach Hause. Die Einwohner des Dorfes waren erfreut, sie wieder in die Arme schließen zu können. Auch Raya hieß man im Dorf willkommen. Zuerst herrschte Neugier, da noch keiner eine Elfe aus Erathia gesehen hatte. Raya besaß einen schlanken Körper, etwas kräftiger, als der ihrer Freundin, aber immer noch als Körper einer Elfe erkennbar. Auch ihr ovales Gesicht wies die typischen Gesichtszüge einer Elfe auf. Ihr rotblondes Haar fiel bis zu ihren wohlgeformten Brüsten. Auch ihre verführerischen grünen Augen schlugen die männlichen Bewohner des Dorfes in ihren Bann. Bekleidet war Raya mit einem braunen Kleid aus Elfenleder und braunen Stiefeln, die aus demselben Material gefertigt waren.

Aus der jubelnden Menge lösten sich Netanya und Ayla. „Ich gratuliere dir Shina Fay. Du hast die Prüfung bestanden.“, sagte die Hohepriesterin. Ayla sah die ältere Elfe aus ihren violetten Augen an. „Ich hätte dir auch etwas zu sagen.“ Shina Fay ging auf die Knie. „Es wäre klug von dir, wenn du nicht immer eine dicke Lippe riskieren würdest. In manchen Situationen mag es dir von Nutzen sein, den Gegner mit fiesen Sprüchen zu reizen. Wie du es mit Fenrir und Gnorm getan hast. Aber nicht jeder Gegner lässt sich leicht provozieren. Manche sind sogar hinterhältig und verschlagen.“ Shina Fay nahm sich Aylas Mahnung zu Herzen. 24



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