Aller Anfang von Chaosbande ================================================================================ Fragen über Fragen ------------------ Unruhig begann Harry auf dem Motorrad hin und her zu rutschen, als Hagrid durch die Wolkendecke nach unten sank und der Schwarzhaarige das Haus der Dursleys entdeckte. Noch wirkte es weit entfernt und klein wie ein Schneckenhaus, doch inzwischen wusste Harry wie sehr dieser Anblick täuschte. Er hörte wie Hagrid etwas murmelte und fühlte eine Welle über sich waschen. Was war das denn gewesen? “Ein einfacher Spruch, damit uns die Muggle nicht sehen oder bemerken”, beantworte Hagrid seine unausgesprochene Frage. “Werden in dem kleinen Wald dort, in der Nähe des Hauses, runtergehen. Motorrad bleibt da.” “Die Menschen hier würden auch komisch reagieren, wenn plötzlich ein Motorrad vom Himmel fällt”, stimmte Harry dem Riesen zu und klammerte sich fest, als dieser in einen schnellen Sinkflug überging. Doch der Potter bekam seltsamerweise keine Angst, als die Bäume rasant näher kamen. Erstens vertraute er Hagrid - aus ihm unerklärlichen Gründen - und zweitens rauschte nicht nur Adrenalin durch seinen Körper, sondern ebenso Freude darauf gleich Sanara wieder zu sehen. Er konnte es gar nicht mehr erwarten, ihr alles zu erzählen. Wie die kleine Schlange wohl reagieren würde? So abgelenkt bekam er nicht mit, wie Hagrid schließlich holprig zur Landung ansetzte. Keuchend wurde ihm die Luft aus den Lungenflügeln gepresst und er konnte ein panisches Quietschen nicht verhindern, als er einen Moment glaubte von dem Gefährt zu rutschen. Doch Hagrids großer Arm hielt ihn auf dem Platz, während das Motorrad knapp vor einem großen Baum zu stehen kam. “T’schuldige. Landungen sind nicht mein Ding”, gestand der Ältere und stieg mit Harry im Arm ab. Als der Schwarzhaarige wieder festen Boden unter den Füßen hatte, musste er sich einen Moment auf den Knien abstützen. Seine Beine hatten sich durch die Landung in Wackelpudding verwandelt und er schwor sich, bei der nächsten Landung mit so einem ‘Flummimanöver’ zu rechnen. Langsam richtete er sich wieder auf und blickte seinen Begleiter zuversichtlich lächelnd an. Auch wenn das Herz gefühlt noch in der Hose steckte, wollte er doch nicht mehr diesen geknickten Ausdruck auf Hagrids Gesicht sehen. “Es war ein toller Flug, danke. Eigentlich war es gar nicht so schlimm, nur unerwartet. Das mit der Landung kriegst du mit ein wenig Übung schon noch hin.” Das Strahlen auf dem Gesicht seines neuen Freundes gab ihm ein unglaublich gutes Gefühl und so lief er ebenso mit einem strahlenden Grinsen in Richtung Ligusterweg 4.   Schnell hatte er den so sorgsam versteckten Zweitschlüssel - unter einem Blumentopf - gefunden. Genauso schnell war er in seine Kammer, sowie in den Waschkeller gehuscht und hatte den Anteil der Kleidung, der im Großen und Ganzen noch tragbar war, in zwei Beutel gestopft. Dazu war noch sein Lieblingsbuch gekommen. Auch hatte er seine Spardose, die eine ausgewaschene Margarine Dose war, geplündert. Es mochten zwar nur 20 Pfund sein, aber damit würde er es schon irgendwie schaffen. Hunger zu haben war er schließlich gewohnt und somit müsste der eine Monat bis Schulbeginn theoretisch zu schaffen sein. Wobei … was war denn eigentlich mit den Schulgebühren für Hogwarts? Dafür würden weder die paar Pfund reichen, noch konnte er sich vorstellen, dass die Dursleys dafür aufkamen. Unsicher biss er sich auf der Unterlippe herum. Konnte er Hagrid darauf ansprechen?   Doch weiter kam er in seinen Überlegungen nicht, denn Hagrids Frage, ob er alles habe, holte ihn aus seinen Gedanken. “Nein … also …” Wie sollte er dem Älteren nur die Sache mit Sanara klar machen? Wie würde der große Mann wohl reagieren? Obwohl … vielleicht war es ja ganz normal, dass man in Hagrids Welt mit Schlangen sprechen konnte? Vielleicht war das ja gar nicht so besonders für den Anderen, sondern etwas alltägliches. Nun, die einzige Möglichkeit es herauszufinden, blieb wohl nur mit offenen Karten zu spielen. Schulterzuckend drehte er sich wortlos um und bedeutete Hagrid mit einem Winken zu folgen. Dieser hatte sich Harrys Taschen über die Schultern geworfen und warf immer wieder einen finsteren Blick in Richtung Harrys ehemaliges Zimmer.   “Sanara?” Ein panischer Aufschrei in seinem Rücken, ließ ihn zurück zu Hagrid gucken. Warum war Hagrid denn nun so blass? Doch gerade, als er den Älteren fragen wollte was los war, lenkte ihn das Rascheln von trockenen Blättern zu seiner Linken ab. “Harry?”, ertönte es zischelnd und schon schob sich seine kleine geschuppte Freundin aus dem Gestrüpp.   “Hey Sanara. Schön dich zu sehen.” Grinsend trat er zu seiner kleinen Freundin heran, kniete sich auf den staubigen Boden und streichelte sanft über die braunen Schuppen. Kraulte sie am Kinn und hatte irgendwie das Gefühl, als wenn ihn nun nichts mehr schocken würde. Zusammen mit Sanara konnte dieser neue Lebensabschnitt einfach nur gut werden, denn in ihr hatte er eine treue Vertraute. “Kleine, du wirst es mir nicht glauben, aber es ist soooo viel passiert und erst war es alles recht normal. Mitten im Nirgendwo, aber ganz ok und dann … dann kam Hagrid an meinem Geburtstag und hat mir gesagt …”   Ein lautes Zischen seitens Sanara ließ ihn in seinem aufgeregten Plappern innehalten. “Kleiner … wer ist dieses monströse Zweibein? Der ist so groß wie ein Berg …”, schmunzelnd konnte der Schwarzhaarige seiner Freundin nur zustimmen. “Warum zittert der denn so und sieht aus wie eine Maus?” Mit schief gelegtem Kopf fixierte die Glattschlange den Unbekannten.      “Das, Sanara, ist Hagrid. Er war wohl ein Freund meiner Eltern, oder so und er hat mich von den Dursleys weggeholt. Das ist ja, was ich die ganze Zeit sagen will: Ich soll wohl nach Hogwarts gehen und dafür hat er mir einen Brief mitgebracht. Also …” Schnaufend versuchte er seine Gedanken zu sortieren. Ansonsten würde er hier nächste Woche noch sitzen und reden. Er konnte auch noch später erzählen, was passiert war und es mit Hogwarts auf sich hatte. “Also ich wollte dich eigentlich fragen, ob du mich begleiten willst. Ich … ich hätte dich nämlich sehr gerne in Hogwarts dabei.” Verlegen blickte er auf seine Knie und die eingetretene Stille zwischen ihnen, begann unangenehm drückend zu werden. Auf jeden Fall kam ihm dies so vor. Würde Sanara mitkommen? Würde sie sich auf dieses Abenteuer mit ihm einlassen? Es war eine ganz andere Sache, als ihre bisherigen Streifzüge. Hogwarts, Magie, Zauberer und laut Hagrid waren er und seine Eltern auch noch bekannt in dieser fremden Welt. Dabei fiel ihm stirnrunzelnd auf, dass er nicht mal genau wusste, WARUM dies so war. Nun, bestimmt konnte Hagrid ihm darüber später mehr sagen.   Ein deutlicher Schlag gegen seine Schulter ließ ihn den Kopf heben und seine schuppige Freundin anblicken. Verbissen kniff er die Lippen zusammen. Oder besser gesagt, er versuchte krampfhaft nicht zu kichern. Sanara sah aber in diesem ‘Modus’ auch einfach zu niedlich aus. Diese hatte sich nämlich so weit es ging vor ihm aufgerichtet und wiegte sich drohend hin und her. Ein deutliches - in Harrys Ohren wütend klingendes - Zischen wurde in seine Richtung ausgestoßen und der Schwarzhaarige brachte vorsorgliche ein wenig Abstand zwischen sie beide, als die Schlange in seine Richtung schnappte. Oh Mist, die war wirklich wütend! “Dasss … du … du fragssst wirklich …”   “Sanara, es … also es tut mir leid.” Doch weiter kam er nicht, schnappte Sanara doch wieder in seine Richtung und schrie ihn schon geradezu an.   “Esss. tut. dir. LEID? Kleiner, hassst du ne Delle in den Ssschuppen? Natürlich komme ich mit dir mit! Ich lasss dich nicht mit so einem Berg an Zzzweibein alleine!” Entschlossen zischelte die Glattschlange in Richtung besagten ‘Berg’, wodurch Harry erneut ein seltsam quietschendes Geräusch von diesem vernehmen konnte. Doch darum wollte er sich später kümmern. “Du bist mein Schlüpfling, Harry. Mein Freund. Ich passe auf dich auf, wie du auf mich. Bei meiner Schlangenehre!”   “Ha …. Harry … ist … also, geht es dir gut?”, unterbrach die ungewohnt kratzige Stimme Hagrids das Zwiegespräch, der ungewöhnlichen Freunde. Lächelnd drehte der Potter seinen Kopf zu dem großen Mann herum und nickte. “Alles gut Hagrid, wir reden nur gerade über Hogwarts und ob Sanara mitkommen will.” Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht, als ihm wirklich bewusst wurde, dass Sanara sich nicht nur beruhigt hatte, sondern auch definitiv mit ihm zusammen in das ‘Abenteuer Hogwarts’ aufbrechen wollte. Geschwind drehte er sich zu der Schlange zurück und breitete seine Arme aus. Nur einen Wimpernschlag später lag die Glattschlange auf seinen Schultern, den Kopf an seiner Wange angeschmiegt. “Bei unserer Schlangenehre”, flüsterte er glücklich und konnte nur schwer die Tränen der Freude zurückdrängen. Nun würde alles besser werden!   Mit Sanara auf den Schultern erhob er sich und drehte sich zu Hagrid herum. Dieser starrte ihn mit großen Augen und offenem Mund an, als würde er gerade einen Geist sehen. “Hast du einen Geist gesehen, Hagrid?”, sprach er seinen Gedanken aus, denn so langsam kam ihm das Verhalten des Älteren wirklich merkwürdig vor. Obwohl … “Oder hast du Angst vor Schlangen?”, rutschte ihm seine andere Vermutung raus. Das erklärte in seinen Augen auf jeden Fall, warum sich der Andere so seltsam verhielt. Tante Petunia zeigte solch ein Verhalten, wenn sie eine Ratte oder Spinne sah. ‘Schockgefrostet’ nannte es Dudley immer.   “Bei Merlins Unterhose und Morganas Nachtgewand …”, stammelte Hagrid nur und schüttelte den Kopf, während er sich zeitgleich die Augen rieb. “Nein … also mir geht es gut … es ist nur ein Schock. Du und diese … Schlange ...” “Warum Hagrid? Es ist doch nur eine Schlange? Das verstehe ich nicht. Ach ja, wir können übrigens, ich habe jetzt alles.” Liebevoll streichelte er über Sanaras Kopf. “Bei allen Thestralen, das … das wird was werden. Kommt wohl mit, was?” Doch Harry nickte nur und ging voller Vorfreude zurück in Richtung des versteckten Motorrads. Das Haus der Dursleys erleichtert hinter sich lassend. “Warum ist es ein Schock, Hagrid?”, griff der Junge seine vorherige Frage auf. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er jetzt - wo Hagrid so aus dem Konzept war - am ehesten an Informationen kam. Doch seine kindliche Ungeduld wurde auf die Probe gestellt und größer, ehe Hagrid endlich im Wald sein Schweigen brach. “Es ist nur … ist schwer darüber zu reden. Bitte schweig. Mehr als einmal schaff ich das nicht.” Tief holte der Größere mit geschlossenen Augen Luft, ehe er beinahe entschuldigend Harrys Blick auffing. “Hat zu tun mit deiner Narbe. Deinen Eltern”, erneut stockte der Hüter Hogwarts und schien zu überlegen, welche Worte die richtigen waren. “Sagte ja, Lily und James starben nicht bei nem Autounfall. Sie starben als Helden im Krieg. Waren gute und tapfere Menschen. Stark und treu.” Vollkommen im Bann von Hagrids Worten, drängte der Potter-Spross sämtliche Fragen zurück, die wie Bienen in seinem Kopf schwirrten und beobachte den Älteren, der mit wehmütigen Blick ins Leere starrte. Nur nebenbei registriere er, dass sie beide wohl irgendwie und irgendwann auf dem trockenen Waldboden Platz genommen hatten. “Sie stellten sich immer wieder gegen IHN. So viele starben, doch deine Eltern … deine Eltern überlebten immer und immer wieder. Manche sagten Wunder, ich sage sie waren begnadete Magier. Doch dann … dann kam der 31.10. … ich bin vielleicht nicht der Richtige, der dir das erzählt …”, stockte der Riese in seiner Erzählung und musterte Harry. Doch dieser schüttelte nur eifrig mit dem Kopf. “Nein Hagrid. Dir haben meine Eltern etwas bedeutet und du ihnen bestimmt auch. Ihr ward Freunde. Bitte erzähl du es mir.” Einen kurzen Moment wirkte es, als hätten seine Worte den Größeren nicht erreicht, doch dann nickte dieser, wischte sich verstohlen Tränen aus den Augenwinkeln und straffte den Rücken.   “Hast Recht. Danke, Harry.” “Äh … kein Problem”, gab der Schwarzhaarige unsicher zurück und Hagrid musste unwillkürlich lächeln. Der Junge hatte vielleicht James Aussehen, aber eindeutig Lilys gütiges Herz. Sein eigenes Herz stach bei diesem Gedanken. Der Kleine konnte ja nicht wissen, wie Recht er mit seiner Aussage hatte. Mit Lily hatte er oft gesprochen, während sie die Einhörner versorgt hatte und James - sowie dessen Freunde - hatte er mehr als einmal bei Streichen erwischt und auch gedeckt. Er räusperte sich und kniff sich heimlich ins Knie. Der Schmerz half ihm, sich wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. “Also … wo war ich? Ach ja, dann kam der Tag, an dem etwas schief ging. Sie hatten sich versteckt und ER fand heraus wo. Ich … ich weiß nicht, was genau passiert ist, aber als ich ankam, waren … waren die beiden … tot. ER war nicht mehr im Haus.” Unaufhaltsam drängten die Erinnerungen an jene Nacht wieder an die Oberfläche.   Es war, als wenn er wieder dort wäre. Das Knacken des beinahe komplett zerstörten Hauses, während es darum kämpfte nicht zusammenzubrechen. Der Geruch von Feuer, Staub, Gewalt. Das drückende Gefühl von starker Magie und Angst. Nein, eigentlich eher Panik, die man beinahe auf der Zunge schmecken konnte. Der Staub, der ihm den Weg durch das Haus erschwerte und er James so erst bemerkte, als er mit dem Fuß gegen dessen Arm stieß. Hagrid erinnerte sich nur zu gut daran, wie er fassungslos auf den Leichnam gestarrt hatte und sein Hirn einfach nicht eins und eins zusammenzählen konnte oder wollte. Es konnte, nein DURFTE einfach nicht wahr sein! Die kleine Familie sollte hier doch sicher sein vor IHM. Immer und immer wieder wurde ihm dies gesagt. Während er James als letzte Geste die Augen schloss, ließ ihn ein seltsames Geräusch aus dem ersten Stock zusammenzucken. War da noch jemand Anderes im Haus? Wo waren Lily und der kleine Wurm Harry? Vielleicht waren sie noch am Leben und hatten sich dort oben versteckt. Oder das Böse, flüsterte ihm eine kleine Stimme seines ängstlichen Unterbewusstseins. Doch er verdrängte letzteren Gedanken und stieg mit erhobenem Regenschirm die knarzende Treppe empor.   “Ging durch all die Trümmer nach oben. Die Schäden, waren weniger als im Erdgeschoss. Dann hab ichs gehört. N’ leises Schluchzen. Bin hin und dann …” Tief einatmend versuchte er den Kloß niederzuringen, ebenso wie den Flashback, der wieder mit kalten Händen nach ihm griff. “Dann hab ich euch gesehen. Dich und … und deine Mom. Sie … sie”, stotterte er und kam vollkommen aus dem Konzept, als der Flashback ihn schließlich ergrifft und er erneut Lilys leblosen Körper mit den panisch aufgerissenen Augen sah.   Diese grünen Augen, die so viel Verzweiflung und Panik zeigten und doch … doch ebenso viel Entschlossenheit und Liebe. Grüne Augen, die ihn in seinen Träumen aufsuchten und ihn gleichzeitig ernüchterten, wie auch ermutigten durchzuhalten und zu kämpfen. Lily war ihm eine seiner besten Freundinnen geworden, denn sie hatte immer zu ihm gehalten und ein offenes Ohr gehabt.   Eine kleine Hand auf seinem Arm holte ihn aus der Erinnerung. Erst als dann eine weitere Hand sanft über sein Gesicht strich, bemerkte er die Tränen, die erneut seine Wangen hinab in sdem wilden Bart verschwanden. Nur mühevoll konnte er ein Zusammenzucken verhindern, als er den Kopf hon. Denn sofort nahmen ihn zwei sehr lebendige, wenn auch glänzende, grüne Augen gefangen. Einen kurzen Moment kam es ihm so vor, als wenn er wieder Lily vor sich hätte, doch dann fiel ihm nicht nur auf, dass die Augen ihres Sohnes ein dunkleres Grün hatten, sondern der Junge begann auch zaghaft zu reden.   “Ist schon gut, Hagrid. Ich kann es mir schon denken. Mom war tot und ich … ich halt nicht.” Betretenes Schweigen trat ein, ehe der Jüngere sich mit neugierigem Blick wieder an Hagrid wandte. “Was mich interessiert: Wie bin ich da raus gekommen? Wieso lebe ich noch und was mich noch mehr interessiert, wen meinst du mit “ER” oder “IHN”?”     Während der Größere erneut mit sich zu hadern schien, fand Harry dass der Andere ihm eine Antwort schuldig war. Es waren schließlich SEINE Eltern gewesen, die brutal ums Leben gekommen waren. Das es so gewesen war, konnte er deutlich aus Hagrids Erzählung heraushören. Auch hatten ihn die Worte nicht komplett kalt gelassen und Tränen waren in seine Augen gestiegen, doch im Großen und Ganzen hatte er gebannt gelauscht und die neuen Informationen aufgesaugt. Hagrid, der anscheinend als Erster am Tatort gewesen war, erweckte eher sein Mitgefühl als seine tote Eltern. Vielleicht war dies ganz normal, weil er seine Eltern nie kennengelernt hatte? Verwirrt über die eigenen Gefühle, überhörte er beinahe Hagrids Antwort. “... dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf.” “Wie bitte?”, gab der Grünäugige zurück. Noch einmal schien Hagrid sämtlichen Mut zusammen zukratzen, ehe er den Namen “Voldemort!” geradezu herausschrie.   Ein Schwarm Krähen stieß laut krächzend in den Himmel und Harry folgte ihnen vollkommen in Gedanken mit den Augen, während er mit einer Hand sanft Sanaras Kopf streichelte. Immer und immer wieder wisperte er “Voldemort”. Testete den Namen auf der Zunge und in seinen Ohren. So hieß also der Mann, der ihm die Eltern genommen hatte. Der Mann, vor dem Hagrid so große Angst hatte, dass er den Namen nicht aussprechen konnte. Ihn anscheinend nicht mal hören wollte, wippte der riesige Mann doch inzwischen mit zugehaltenen Ohren leicht vor und zurück.   Irritiert blickte der Potter zu dem wildwirkenden Mann, stand schließlich auf und stellte sich vor diesen. “Hagrid?”, versuchte er leise, jedoch ohne Erfolg. “Hagrid!” damit ergriff er die Hände des Anderen und zog so fest er konnte. “Hör auf … sag den Namen nicht”, stammelte der Ältere und warf Harry einen flehenden Blick zu. “Warum?”, rutschte es dem Schwarzhaarigen auch schon raus, ehe er es verhindern konnte. ‘Warum’ war wohl das Wort, welches im Moment in dicken, leuchtenden Buchstaben durch seinen Kopf kreiste. “Bringt Unglück”, gestand Hagrid schließlich. “Warum?” Mit gerunzelter Stirn trat Harry einige Schritte zurück und musterte den Größeren mit schief gelegtem Kopf. “Wehe du erzählst mir nachher nicht alles haarklein. Ich kriege hier nur Hormone ab. Angst, Trauer, Aufregung …”, mischte sich nun auch Sanara ein, die bisher erstaunlich ruhig geblieben war. “Natürlich, Kleines.”   “Es ist gruselig, wenn du das machst”, kam es zittrig von Hagrid. “Warum?” “Weil … weil ER das angeblich auch tut.” “Was, Hagrid? Was macht Voldemort auch?” Dass der Angesprochene bei dem Namen wieder zusammenzuckte, ignorierte der Jüngere einfach. Ja, Voldemort mochte ein grausamer Mörder sein. Er mochte der Mörder seiner Eltern sein und ihm diese Narbe verpasst haben, aber trotzdem kam dem Potter diese Angst vor einem Namen komisch und nicht richtig vor. Der Meinung war der Potter schon, seitdem er begriffen hatte, dass die Mitschüler Angst hatten auch nur den Namen einer von Dudleys Bandenmitglieder auszusprechen. Von Dudleys höchstpersönlich ganz zu schweigen. Harrys Meinung nach, bekam die Person viel zu viel Macht durch diese Angst. Ein Name an sich war nichts Böses. Auf jeden Fall nach Harrys Meinung. Er würde sich diese Marotte von Hagrid nicht annehmen, beschloss er. “Hagrid, was macht Voldemort angeblich?”, versuchte er erneut heraus zu bekommen. Auch seine vorher gestellten Fragen waren ihm noch nicht beantwortet worden, fiel ihm dabei auf. “Das da”, kam mit einer wedelnden Handbewegung in seine Richtung zurück. Mit gerunzelter Stirn überlegte Harry, was der Andere meinen könnte, als sein Blick auf die leise zischende Sanara fiel. “Du meinst mit Schlangen reden?” Umgehend bestätigte Hagrid seine Vermutung mit einem energischen Nicken. In Harrys Kopf raste es und all die neu gewonnen Informationen wirbelten durcheinander.   “Lass uns fahren. Wird dunkel und ich will vorher da sein”, bestimmte Hagrid und erhob sich nun ebenfalls. Einen Moment hielt der große Mann inne, ehe er Harry mit festem Blick fixierte. “Habe dir heute ne Menge Informationen gegeben. Hät ich eigentlich nicht tun sollen. Aber hast es dir verdient, ist ja dein Leben”, sagte der Hüter Hogwarts und zuckte mit den Schultern ehe er fortfuhr. “Du bist ein Potter. Du bist ‘Der-Junge-der-überlebt-hat’. Wird viele Menschen geben die dich deswegen mögen und ebenso deswegen hassen.” Harry hatte das ‘Warum?’ schon auf der Zunge, doch Hagrid bedeutete ihm zu schweigen. “ER hatte auch Leute die ihn gemocht haben und gemacht haben was er sagt. Böse Sachen. Die schwarze Seite sieht dich als den Bösen. Die weiße Seite jedoch, deren Anführer Dumbledore ist, bewundert dich dafür, dass du als Baby den Todesfluch überlebt hast. Will nur sagen … also, pass auf dich auf. Ach und das mit … mit deiner Schlange. Schlangensprache gilt als böse. Solltest geheim halten.” Beinahe beschämt wirkend, kratzte sich Hagrid am Kinn, während Harry nur mit Mühe eine Erwiderung hinabschlucken konnte.   Hatte er nicht erst gestern über ‘schwarz’ und ‘weiß’, ‘gut’ und ‘böse’ nachgedacht und festgestellt, dass es mehr geben musste? Die Worte aus dem Brief kamen ihm in den Sinn: ‘Nichts ist wie es scheint und vertraue niemanden!’ Was wenn … “Na dann, aufsteigen. Nächster Halt, London, Tropfender Kessel”, riss ihn Hagrid aus den Gedanken.   Während der ganzen Fahrt - oder musste es nicht eigentlich Flug heißen? - tauschte sich Harry leise mit Sanara aus. Dabei raus gekommen war das Fazit, dass sie sich wohl einfach nur überraschen lassen konnten und mit allem Möglichen rechnen mussten. Sanara hatte sich fürchterlich aufgeregt, als Harry das Verhalten der Dursleys und was sie ihm alles verschwiegen hatten, erwähnte und wäre beinahe hinabgefallen. Beinahe, wenn der Junge nicht blitzschnell zugegriffen hätte und sie vor einem vorzeitigen Tod bewahrt hätte. Hagrid hatte es mit einem geschmunzelten “Ganz der Vater” kommentiert. Was natürlich wieder neue, unbeantwortete, Fragen gebracht hatte. Allgemein war Hagrid während des ganzen Weg nach London jedoch sehr schweigsam. Der Potter schob es jedoch darauf, dass er sich durch das Zwiegespräch mit Sanara nicht wohlfühlte.   Warum konnte er etwas, was der Mörder seiner Eltern ebenfalls konnte? Warum zum Geier hatte er überlebt? Voldemort war beim besten Willen kein bisschen gnädig vorgegangen an dem Abend und doch … doch saß er hier. Quicklebendig und mit nicht mehr als einer blitzförmigen Narbe auf der Stirn. Dieser Narbe und endlich einer Erklärung für seine komischen ‘bunte Lichtblitze Träume’. Das war im Moment - neben der Nervosität wegen dem neuen Unbekannten - auch sein hauptsächliches Gefühl. Ein euphorisches Hochgefühl aufgrund der Gewissheit, dass er eben NICHT verrückt war. Es gab fliegende Motorräder. Es gab bunte Lichtblitze, die Zauber waren und es konnten schon mal Sachen passieren, die so nicht geplant oder gewollt waren. Das war dann einfach Magie. Magie … es gab sie wirklich! Schmunzelnd funktionierte Harry kurzerhand den Schwanz seiner geschuppten Freundin zum Zauberstab um.   Angesteckt von Harrys guter Laune spielte die Schlange mit und versteifte sich. Hatte sie ihren Schlüpfling jemals so gut gelaunt erlebt? Da musste man sich ja, in ihren Augen, einfach anstecken lassen. Gut, dieser komische, monströse Kerl zog die ganze Zeit ein Gesicht als würde er eine schlechte Maus fressen, aber solange er Harry nichts tat, war es ihr egal. Der Kleine schien dem Fremden zu vertrauen, einfach weil der schon mit den Eltern befreundet war und den Jungen von den bösen Verwandten geholt hatte. Wofür Sanara dem Anderen sehr dankbar war, aber trotzdem … Fest wickelte sie sich mit der vorderen Hälfte um das Handgelenk des Jungen, als dieser Hagrid in Richtung Bogen flog. Noch einmal brauchte sie dieses Nahtoderlebnis wirklich nicht. Zumal ihr dieses ‘Fliegen’ überhaupt nicht gut gefiel. Schlangen gehörten auf den Boden, Punkt! Hin und her schwang ihr Kleiner ihren Schwanz mit sanften Bewegungen, ehe er plötzlich er laut anfing zu lachen.   “Sanara, mir ist gerade etwas eingefallen. Dudley hat eine wirklich schlechte Zaubershow im Fernseher geguckt. Als ich die Formel laut nachgesprochen habe, sind meine Verwandten ausgerastet.”   “Und jetzt weißt du auch, warum”, mutmaßte sie belustigt, was Harry benickte. “Was hast du denn gesagt, Kleiner?”   “Abra Kadabra”, meinte sie den Jungen gesagt hören zu haben, während er grinsend ihren Schwanz schwang, doch der panische Aufschrei Hagrids, sowie die Geräusche einer sehr unsanften Landung überdeckten dies quasi gleichzeitig.   Wirklich, das mit der Landung musste Hagrid noch üben, doch konnte er dies nicht laut aussprechen. Wurde er doch, kaum dass das Fahrzeug stand, grob heruntergezogen und baumelte durch Hagrids festen Griff in der Luft.   “Ha … Hagrid …”, stammelte er verwirrt doch der Andere schien ihn nicht zu hören, sondern begann ihn einfach zu schütteln. “NIEMALS! NIEMALS WILL ICH DAS WIEDER VON DIR HÖREN, HAST DU VERSTANDEN?” “Was?”, schaffte er zwischen den Schüttlern hervorzubringen. “Dieses Wort … niemals wieder!”, gab Hagrid nun leiser, aber immer noch grollend zurück und stellte Harry unsanft auf dem Boden ab. Vollkommen seines Gleichgewichtssinns beraubt, taumelte er nach hinten gegen das Motorrad. Hatte er sich in dem Freund seiner Eltern getäuscht? Nein, sein Bauchgefühl sagte ihm etwas anderes. Während er wieder zu Atem kam und das Stechen in seinem Kopf langsam aufhörte, blickte er dem Anderen ins Gesicht. Was der Potter in dessen Augen sah, jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Es war keine Angst. Keine Panik. Es war blanke Furcht. “Warum?” “WEIL ES…” Tief Luft holend schien Hagrid sich beruhigen zu wollen. “Weil es das Muggle Wort für … für DEN Spruch ist”, gab Hagrid ominös zurück, ehe er Harry mit plötzlich hartem Blick fixierte. “Avada Kedavra. Der Spruch der deine Eltern und viele Andere tötete.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)