Stormpaw's Destiny von Kalliope (Warrior Cats - New Clans, New Stories) ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Mitte April hatte die Blattfrische endgültig über die Blattleere gesiegt. Überall grünte es, die ersten Blüten bildeten sich an Bäumen und Blumen und alle schienen glücklicher und zufriedener zu sein, da die Jagdgründe wieder ergiebiger wurden. Die Versammlung am Heiligen Berg lag erst wenige Tage zurück, trotzdem war sie schon kein Gesprächsthema mehr. Stattdessen tratschte man einfach über die anderen Clans, ging dem alltäglichen Clanleben nach oder spekulierte, was an Fliederjunges so besonders war, dass der SternenClan sie bereits bei ihrer Geburt als zukünftige Heilerin des FeuerClans auserwählt hatte. „Lasst mich mit diesem Getratschte in Ruhe“, knurrte Honigblüte jeden an, der ihr auch nur ansatzweise Fragen über Fliederjunges stellte. Blaukralle und Rosentau hingegen waren dafür umso gesprächiger. „Der SternenClan erkennt damit ganz offensichtlich an, welch wichtiger Bestandteil des Clans meine Blutlinie ist.“ Rosentau machte nicht einmal den Versuch, ihr Ego zu verstecken. Genüsslich leckte sie sich nach ihrer Mahlzeit die Schnauze. „Meine Tochter Honigblüte ist Heilerin und nun wird auch meine Enkelin eine Heilerin werden. Zudem ist Blaukralle der beste Kandidat, um eines Tages Anführer zu werden.“ Sie schnurrte inbrünstig. „Fuchsauge wäre ja so stolz.“ „Fuchsauge und Blaukralle sind nicht mehr miteinander verwandt als du und ich“, korrigierte Eisbart sie genervt, stapfte an ihr vorüber in den Schatten der Büsche, die entlang der Ränder des Lagers wuchsen, und putzte sich dort sein Fell. Milchpfote machte Anstalten ihrem Vater zu folgen, blieb aber pflichtbewusst stehen, als Haselschweif auf die drei Schüler des Clans zulief. „Du hast heute sehr gut gejagt“, lobte er seine Schülerin und nickte auch Fleckenpfote und Sturmpfote zu. „Du bist zusammen mit Rindentänzer, Blaufell und mir für die Patrouille der nördlichen Revierhälfte eingeteilt. Fleckenpfote, du und Sturmpfote, ihr geht mit Blaukralle, Schneeflügel und Apfelpelz ins südliche Revier.“ „Alles klar.“ Fleckenpfote streckte zuerst seine Hinterläufe, dann die vordere Körperhälfte und schlang noch schnell den letzten Rest seiner Maus herunter. „Auf geht’s! Bis später, Milchpfote.“ „Bis später.“ Die Gruppe trennte sich und sie gingen zum Eingang, an dem bereits Blaukralle, Schneeflügel und Apfelpelz auf sie warteten. Blaukralle schnaubte wie immer abwertend, als er Sturmpfote zu nahe kam, doch Schneeflügel und Apfelpelz verwickelten den blauen Krieger in ein Gespräch über seine Tochter Fliederjunges und seine Gefährtin Zimtfeder, woraufhin er Sturmpfote einfach ignorierte. Sturmpfote und Fleckenpfote liefen den drei Kriegern schweigend hinterher, lauschten zum Teil dem Gespräch, zum Teil den Geräuschen des Waldes und dem Wind in den Baumkronen. „Zimtfeder hat sich gut von der Geburt erholt“, erzählte Blaukralle gerade. „Am Anfang hatte Honigblüte Sorge, dass Zimtfeder eventuell nicht genügend Milch produzieren würde, weil sie so klein ist, aber diese Sorge ist unbegründet. So wie es aussieht, wird Fliederjunges mein blaues Fell mit einigen cremefarbenen Stellen bekommen. Man sieht sofort, dass sie meine Tochter ist.“ Bla, bla, bla. Sturmpfote verdrehte die Augen und war froh, dass Blaukralle ihn dabei nicht sehen konnte, denn sonst wäre er ihm unter Garantie direkt an die Kehle gesprungen. „Meinst du, dass Milchpfote bald erneut ihre Kriegerprüfung ablegen kann?“ Dankbar für den Themenwechsel ging Sturmpfote sofort darauf ein. „Ich denke schon. Ihr letzter Versuch ist jetzt auch schon gut einen Mond her oder nicht? Sie erledigt im Prinzip schon die Aufgaben eines vollwertigen Kriegers, nur dass sie noch ihren Schülernamen trägt.“ Fleckenpfote nickte. „Ich denke auch, dass Haselschweif ihr bald eine neue Chance geben wird. Wie sie dann wohl als Kriegerin heißen wird? Vielleicht Milchsturkopf oder Milchbesserwisser.“ Der gefleckte Kater kicherte vor sich hin. Nach einer Weile blieb die Gruppe stehen und begann die Grenze zum ErdClan entlang des Bachlaufs zu markieren. Sie hatten gerade die Hälfte der Strecke geschafft, als auf der anderen Seite zwei ErdClan-Katzen aus den Schatten der Nadelbäume traten. „Oho, das Hauskätzchen auf Patrouille.“ Es schwang keine Feindseligkeit in der Stimme mit, wofür Sturmpfote dankbar war. Der weiße Kater hatte langes, dichtes Fell und eine überdurchschnittliche Größe, so wie fast alle ErdClan-Katzen. Dazu kamen graue und rote Stellen im Gesicht und am buschigen Schwanz sowie türkisgrüne Augen. „Borkenschnabel!“, begrüßte Schneeflügel den Kater fröhlich und bekam ein Kopfnicken als Antwort. „Und deinen Schüler hast du auch dabei. Mohnpfote, du bist wirklich groß geworden. Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du nur halb so groß.“ Mohnpfote plusterte sein flammend rotes Fell stolz auf, sagte jedoch nichts, sondern musterte stattdessen Sturmpfote. Borkenschnabel lachte. „Ja, ein richtiger ErdClan-Kater. Und das ist also Sturmpfote, über den alle nach der Versammlung geredet haben.“ Schneeflügel blickte ihren Schüler kurz von der Seite aus an. „Ja, das ist er. Mein Schüler.“ „Es ist gut, dass Schwarzstern dich endlich mit einem eigenen Schüler betraut hat. Es wurde wirklich Zeit.“ „Genug Plauderei“, unterbrach Blaukralle sie mit einem leisen Grollen in der Kehle. „Wir sind nicht hier, um uns mit dem ErdClan anzufreunden.“ „Wie immer eine Freude, Blaukralle.“ Borkenschnabel verneigte respektvoll, jedoch mit einem spöttischen Funkeln in den Augen sein Haupt, dann kehrte er dem Bach den Rücken zu und schlenderte davon. Mohnpfote starrte Sturmpfote noch einen Moment lang an, dann drehte auch er sich weg und schloss zu seinem Mentor auf, wobei man noch gut hören konnte, dass er sagte: „Sturmpfote sieht wirklich aus wie einer von uns.“ Blaukralle blickte den beiden ErdClan-Katern mit zusammengekniffenen Augen hinterher, dann wandte er sich an seine Begleiter. „Wir haben Zeit verloren. Ich schlage vor, dass wir uns aufteilen. Eine Gruppe übernimmt mit mir die Ostgrenze, eine Gruppe macht die Arbeit hier am Bach zu Ende.“ Apfelpelz schien nur vor Augen zu haben, dass sie mit Blaukralles Vorschlag schneller fertig sein würden, weshalb er sofort zustimmte. „Fleckenpfote und ich bleiben einfach hier.“ „Meinetwegen. Hier am Bach haben wir mehr Arbeit. Sturmpfote, du hast die Ostgrenze noch nie gemacht oder?“ Er schüttelte den Kopf. „Gut, dann wirst du mit Blaukralle gehen und wir machen hier alles fertig.“ Schneeflügel wies Sturmpfote mit einem Zucken ihres Schwanzes an, dass er Blaukralle folgen sollte, während sie am Bach blieb. Sie durchquerten das Revier auf dem kürzesten Weg, bis sie das Rauschen des Baches nicht mehr hören konnten und auch der Geruch des FeuerClans allmählich schwächer wurde. Sturmpfote war nur einmal an der südöstlichen Grenze gewesen, weil dahinter die Wildnis lag. Alles, was sich hinter der Grenze befand, stellte eine potenzielle Gefahr für die Clankatzen dar. Sturmpfote war überhaupt nicht davon begeistert, dass er nun alleine mit Blaukralle unterwegs war, aber er wollte Schneeflügel auch nicht verärgern. Schweigend markierte Blaukralle zuerst einen Baum, dann ein Stück weiter einen Felsen und wieder einen markanten Baum. Er trottete unbeirrt weiter und Sturmpfote folgte ihm, bis er merkte, dass sie die Grenze übertreten hatten. Nervös blickte Sturmpfote sich um. „Wir sollten nicht hier sein oder?“ Blaukralle knurrte leise. „Hast du etwa Angst, Hauskätzchen? Nur weil wir uns an der Grenze zur Wildnis aufhalten?“ „Wir sind doch schon längst hinter der Grenze“, beharrte Sturmpfote, blickte zurück zu den markierten Bäumen, die sich im Dickicht verloren. Doch Blaukralle ging einfach weiter. Er wollte nicht als Feigling dastehen, aber er spürte auch, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. „Du glaubst auch, dass du das Territorium des FeuerClans besser kennst als ich, nicht wahr?“ Herausfordernd blickte Blaukralle ihn an und blieb unvermittelt stehen. „Oder hast du etwa doch Angst und bist in Wahrheit einfach nur ein bemitleidenswertes, schwaches Hauskätzchen?“ Sturmpfote streckte die Schultern durch. „Nein! Ich bin ein Schüler des FeuerClans!“ Blaukralle erwiderte seinen Blick. „Wenn wir hier weiter gehen, kommen wir irgendwann zum Donnerweg der Zweibeiner. Das ist der Weg zu deinem Zuhause, Hauskätzchen.“ Er begann leise zu knurren. „Nein, das war niemals mein Zuhause. Ich gehöre in den FeuerClan und daran wirst du nichts ändern, Blaukralle.“ Der Krieger bleckte seine spitzen, weißen Zähne. „Und du zeigst einem Krieger gegenüber keinen Respekt. Was Schneeflügel und Schwarzstern nur dazu sagen werden, dass du beim kleinsten Anzeichen von Gefahr kneifst?“ Diese Worte rüttelten Sturmpfote durch. Würde Blaukralle wirklich erzählen, dass er an der Grenze zur Wildnis unsicher war? Natürlich würde er das. Empört legte Sturmpfote die Ohren an. „Ich kneife nicht.“ „Gut. Das ist gut.“ Zufrieden ließ Blaukralle seinen Blick über die Umgebung schweifen. „Dann beweise es mir. Eine richtige Clankatze hätte keine Angst, die Grenze zu übertreten und in die Wildnis zu gehen, um Heilkräuter für den Clan zu besorgen.“ Heilkräuter? Wuchs nicht alles, was Honigblüte brauchte, in ihrem Revier? „Welche Heilkräuter?“ „Nichts Besonderes“, sagte Blaukralle gedehnt und deutete in eine Richtung. „Geh einfach in diese Richtung und bring etwas Katzenminze mit. Du hast ja schließlich keine Angst, nicht wahr?“ „Nein, habe ich nicht.“ Er wollte Katzenminze? Gut, dann bekam er diese blöde Katzenminze. Sturmpfote stapfte an Blaukralle vorbei in die Büsche. Die Erde war feucht und moosig, dann wieder trocken. Schritt um Schritt kämpfte er sich durch die Hecken und Büsche, kletterte über Wurzeln, unter tief hängenden Ästen hindurch und entfernte sich dabei unbemerkt immer weiter von der Grenze des FeuerClans. Zuerst rauschte das Blut in seinen Ohren, weil er sich so über Blaukralles überhebliche Art aufregte, doch je länger er ging, desto mehr fragte er sich, ob Blaukralle ihn einfach nur verarscht hatte. Honigblüte brauchte mit Sicherheit keine Katzenminze von außerhalb, weil sie immer genügend Vorräte hatte. Milchpfote und Fleckenpfote hatten nie davon erzählt, dass sie die Grenzen überschritten hatten. Verunsichert blieb er stehen und witterte. Blaukralle war schon lange nicht mehr zu riechen und auch der FeuerClan drang kein bisschen an seine Nase. Ohne den vertrauten Geruch seines Clans fühlte er sich auf einmal alleine und schutzlos. Ob er einfach umkehren sollte? Sturmpfote ging noch einige Schritte und bemerkte zu spät, dass sich kleine Steinchen und Split unter dem Gewicht seiner Pfoten lösten. Im nächsten Moment brach der Boden unter ihm weg und er stürzte in die Tiefe. *** Mehrmals war Sturmpfote kurz davor in die silberblaue Welt des SternenClans abzutauchen, doch es fühlte sich an, als würde ihm diese mystische Parallelwelt immer wieder durch die Pfoten rinnen wie ein Wasserstrom. Mal glaubte er Umrisse zu sehen, dann wieder versank er in Traumlosigkeit. Ihm schien es, als würde jemand seinen Namen rufen, doch es war niemand da. Als er stöhnend die Augen öffnete, lag er auf kalter Erde und Geröll. Mindestens drei oder vier Fuchslängen über ihm klaffte ein Hang, an dem noch einige Grasbüschel hangen und sich an die Erdfetzen klammerten, die er nicht mit herunter gerissen hatte. Er war gestürzt – und Blaukralle hatte ihn direkt hierher gelotst. Knurrend setzte er sich auf. Wie hatte er Blaukralle nur vertrauen können? Er hätte auf sein Bauchgefühl hören sollen! Von wegen die Grenzen nur ein wenig übertreten, er musste ganz schön weit vom FeuerClan-Territorium entfernt sein. Ein schmatzendes Geräusch lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich und als er herumwirbelte, glaubte er bereits Blaukralle zu sehen, doch im nächsten Augenblick starrte er nur auf … ein Etwas? Das Loch, in das er gefallen war, maß vielleicht zwei mal drei Meter und am anderen Ende kauerte ein Kater – unkastriert, das roch man – und kaute auf den Resten einer Nacktschnecke herum. Bei dem Anblick drehte sich Sturmpfote beinahe der Magen um, doch noch schlimmer war der Geruch nach Eiter und Verwesung. Ging er von dem Kater mit den vielen kahlen Stellen aus oder stank er nur danach? Sturmpfote wollte es lieber nicht so genau wissen. Unsicher schaute er sich um, konnte jedoch keine Möglichkeit erkennen, wie man aus diesem Loch einfach herausklettern konnte. Der Kater, der gerade sein Mahl beendete, gähnte und entblößte dabei entzündetes Zahnfleisch und Zahnlücken. „Verwirrt?“ „Ich … wer bist du?“ „Wer bist du?“ Gefahr ging von dieser Flohschleuder offensichtlich keine aus, also entspannte Sturmpfote sich wieder ein bisschen. „Sturmpfote aus dem FeuerClan.“ Der Unbekannte begann amüsiert zu keckern. „Nein, nein. Schneckenpfote passt eher.“ „Sturmpfote“, wiederholte er genervt, stand auf und ging an den Wänden auf und ab. „Schneckenpfote“, beharrte der Kater, schwankte auf ihn zu und tippte ihm mit der stinkenden Pfote gegen den Kopf. „Weil du da drin so langsam bist wie eine Schnecke. Einfach schnurstracks in die Falle gelaufen. Ja, ja. Schnecken im Kopf.“ Sturmpfote ekelte sich vor dem Kater, blieb aber stehen und erwiderte den Blick seiner glasigen, fiebrigen Augen. Sie tränten und eines der Augen zuckte unkontrolliert. „Du hast das beobachtet?“ Warum war ihm der strenge Geruch des Katers dann nicht vorher aufgefallen? „Augen sind überall. Flohnacken sieht viel, oh ja. Viel. Wenig. Alles. Nichts.“ Wieder keckerte er und eine Spur Wahnsinn legte sich in das abgehackte Lachen. „Was bedeutet das schon?“ „Kannst du mir sagen, wie ich hier wieder raus komme?“ „Hast doch vier gesunde Pfoten, die dich tragen können. Schneckenhirn.“ Er rollte mit den Augen. Welchen Sinn hatte dieses Gespräch schon. Flohnacken schien ein Einzelläufer zu sein und ganz offensichtlich hatte er sie nicht mehr alle. „Du wirst nie ein Teil des Clans.“ „Bitte?“ „Hat der Blaue gesagt, als er geguckt hat. Der Blaue. Lass Flohnacken überlegen, dann fällt ihm der Name auch wieder ein.“ „Blaukralle war hier und hat mich einfach liegen gelassen?“ Fassungslos starrte Sturmpfote Flohnacken an. Nicht nur, dass Blaukralle ihn absichtlich in die Falle hatte laufen lassen, er hatte ihm nicht einmal geholfen! Vor Wut sträubte sich sein Fell in alle Richtungen. „Wenn ich den in die Pfoten kriege!“ Ja, was dann? Würde Schwarzstern ihm glauben? Flohnacken hatte sich bereits wieder wichtigeren Dingen zugewandt und pflückte eine weitere schwarze, glitschige Nacktschnecke von der Wand und begann sie mit den noch vorhandenen Zähnen zu zerbeißen. Sturmpfote war wütend, sehr wütend. Wie ein Wahnsinniger sprang er an dem Hang hinauf, krallte sich in Erde und Wurzeln und hievte sich auf diese Wiese in Rekordschnelle bis ans obere Ende, wo er sich über die Kante zog. Als er einen Blick über die Schulter warf, knatschte Flohnacken noch immer die Schnecke. „Kümmer dich nicht um mich“, sagte der Kater kichernd und fixierte Sturmpfote von unten. „Flohnacken kommt alleine klar. Ich nehme einfach den alten Kaninchenbau, durch den ich auch zu dir gekommen bin.“ Ein Kaninchenbau? Erst jetzt fiel Sturmpfote das Loch auf, das an einer Stelle der Bruchkante freigelegt war. „Du solltest dir lieber einen anderen Lebensraum suchen. Die Wildnis ist gefährlich.“ Flohnacken begann wahnsinnig mit den Augen zu rollen. „Clanleben ist auch gefährlich. Gesetz der Krieger. Sie stoßen Ihresgleichen aus, nur weil sich Blut vermischt. Hat Flohnacken schon alles gesehen. Augen sind überall. Überall, sage ich dir!“ Dann wurde sein Lachen immer lauter und schriller, bis es in ein schleimiges Husten überging. „Und bald wird Blut fließen, ich habe es gesehen!“ Okay, der war definitiv verrückt. Sturmpfote ließ Flohnacken mit seiner Schnecke alleine, eilte durch die Büsche, das Unterholz und begann bald darauf in einen Laufschritt zu verfallen. Seine Glieder schmerzten vom Sturz, aber das war nichts, was ihn aufhalten würde. Die Sonne ging bereits unter und als er endlich wieder das Gebiet des FeuerClans unter den Pfoten hatte, war es dunkel. Sturmpfotes Herz klopfte vor Anstrengung, Wut und Angst, als er den Hang zum Eingang des Lagers herunter glitt und mitten in eine Clanversammlung platzte. Rosentau legte fauchend die Ohren an, als sie ihn sah. Blaukralle stand neben Schwarzstern und Haselschweif, schräg hinter ihm saß Schneeflügel und warf Sturmpfote einen enttäuschten, missbilligenden Blick zu. Kieselpelz und Blaufell sträubten ebenfalls leicht ihr Fell. Verwirrt suchte Sturmpfote die Blicke von Milchpfote und Fleckenpfote, doch beide schauten nur peinlich berührt zu Boden. „Verräter!“, spuckte Rosentau ihm entgegen. „Erst missachtest du die Grenzen des Clans und behandelst einen Krieger respektlos, indem du seine Anweisungen missachtest, und jetzt traust du dich auch noch zurück!“ Schwarzstern schaute streng zu ihm herüber und winkte ihn mit der Schwanzspitze zu sich. „Sturmpfote, wo bist du gewesen?“ „Ich war mit Blaukralle an der südöstlichen Grenze unterwegs, als er mich dazu angestachelt hat die Grenze zu übertreten und immer tiefer in die Wildnis zu gehen. Ich wollte das nicht, aber ich dachte, dass es das Richtige wäre!“ „Lügner!“ Gemeinsam mit Rosentau erbosten sich auch Kieselpelz und Blaufell über seine Worte. Herbstwolke und Herbstfleck sträubten zwar ein wenig ihr Fell, gaben jedoch keine Kommentare ab. Falkenherz, die alles von ihrem Bau aus beobachtete, verzog das Gesicht, schwieg jedoch ebenfalls. Rosentau hingegen kam gerade erst so richtig in Fahrt. Sie stapfte langsam auf Sturmpfote zu, dessen Fell sich als Reaktion ebenfalls zu sträuben begann. „Wie kannst du es wagen einen so ehrbaren Krieger wie Blaukralle als Lügner zu beschimpfen!“ „Ich habe einen Zeugen!“, rief Sturmpfote ihr entgegen. Warum nur glaubte man ihm nicht? Zornig funkelte er Blaukralle an, der starr wie eine Statue an Schwarzsterns Seite stand. Er sah nicht aus, als wäre er glücklich mit dem, was er getan hätte, aber ein gewisser Ausdruck von purer Pflichterfüllung strahlte in seinem Gesicht. Dennoch zuckte er bei der Erwähnung des Zeugen minimal zusammen. Er wusste nicht, ob Schwarzstern dies auch bemerkt hatte, doch der Anführer beendete die Gespräche und das Fauchen. Dann drehte er sich ganz zu Sturmpfote. „Wer soll dein Zeuge sein?“ „Ein Einzelläufer namens Flohnacken. Er hat alles gesehen.“ Blaukralle atmete aus. Schwarzsterns Ohren zuckten leicht. Rosentau begann zu lachen. „Flohnacken? Die alte Bazillenschleuder ist wahnsinnig, das weiß jeder. Er streunt in weiten Kreisen um das Gebiet der vier Clans herum. Es wundert mich, dass er überhaupt noch am Leben ist. Gib einfach zu, dass du dir das nur ausgedacht hast. Du bist für das Leben im FeuerClan nicht geeignet!“ Schwarzstern brachte auch Rosentau zum Schweigen. Eine Weile musterte er Sturmpfote schweigend, dann schüttelte er den Kopf. „Du hast das Gebiet des FeuerClans verlassen und damit dich und deinen Clan in der Wildnis in Gefahr gebracht. Zur Strafe wirst du eine Woche lang Falkenherz‘ Bau alleine reinigen und sie versorgen. Zudem verfüge ich, dass du für diese Woche von allen Aktivitäten mit den anderen Schülern ausgeschlossen bist. Schneeflügel wird dich weiter unterrichten. Sieh dies als einmalige Warnung an, Sturmpfote. Sollte so ein Vorfall erneut passieren, werde ich dich härter bestrafen müssen.“ Rosentau und Blaukralle sahen unzufrieden aus, zogen sich jedoch schnell zurück, als sich die Versammlung auflöste. Sturmpfote atmete erleichtert durch. Zwar bedeutete diese Strafe eine Mehrbelastung für ihn und er würde eine Woche lang nichts mit Milchpfote und Fleckenpfote unternehmen können, aber wenigstens hatte Schwarzstern ihn nicht des Clans verwiesen, so wie Rosentau und Blaukralle es offensichtlich gehofft hatten. Er warf den beiden noch einen letzten, finsteren Blick zu, dann ging er zum Schülerbau. Milchpfote und Fleckenpfote schlossen kurze Zeit später zu ihm auf. „Sturmpfote, was sollte die Aktion denn!“ Fleckenpfote ließ sich neben ihn auf das Moosnest fallen. „Was hast du dir nur dabei gedacht?“ „Ich wusste zwar, dass Blaukralle mich hasst, aber ich dachte nicht, dass er zu solchen Mitteln greifen würde“, erwiderte Sturmpfote frustriert. Milchpfote ließ sich zu seiner anderen Seite nieder und begann sich die Pfoten zu lecken. „Du sagst also, dass Blaukralle uns alle angelogen hat und deine Version stimmt?“ „Ja, genau das tue ich. Glaubst du mir nicht?“ Die beiden wechselten einen schnellen Blick, dann seufzte Fleckenpfote. „Ich glaube dir. Dass Blaukralle dich nicht leiden kann, ist allgemein bekannt. Er würde dich am liebsten sofort aus dem Clan verbannen, wenn er könnte.“ „Trotzdem ist er ein sehr angesehener Krieger und das würde bedeuten, dass er seinen Anführer und seinen Clan ganz offen angelogen hat“, gab Milchpfote zu bedenken. „Ich weiß nicht, wem von euch beiden ich glauben soll.“ Dann seufzte sie. „Aber ich bin froh, dass du bleiben darfst. Falkenherz ist sehr nett, sie wird dir das Leben bestimmt nicht zu schwer machen.“ *** „Wir müssen reden.“ „Ich habe wirklich nicht gelogen!“ Schneeflügel schüttelte den Kopf. „Darum geht es nicht und zu diesem Vorfall möchte ich auch nichts mehr hören. Du weißt selbst, dass du die Grenzen des Clans unerlaubt übertreten hast. Bei allem Weiterem steht Blaukralles Wort gegen deins.“ Sturmpfote war frustriert. Nach dieser Sache straften ihn fast alle im Clan mit Missachtung und ignorierten ihn. Nur Falkenherz war wie immer und schien sich sogar noch mehr Mühe als sonst zu geben, indem sie Sturmpfote mit Geschichten aus ihrer Kriegerzeit aufzumuntern versuchte. „Worum geht es dann?“ Schneeflügel ließ sich unter einer Buche nieder, Sturmpfote folgte ihr. „Es geht um deine Ausbildung. Apfelpelz und Eisbart haben bereits gute Vorarbeit geleistet und auch ich bin mit dir bisher sehr zufrieden. Du machst dich gut und ich denke, dass es ein Vorteil für dich ist, dass du schon acht Monde alt warst, als du zu uns gekommen bist. Dadurch sind deine Sinne und deine Motorik besser entwickelt als bei den anderen Schülern, wenn sie mit sechs Monden ihre Ausbildung beginnen.“ Er gähnte müde. „Das klingt nach einem Aber.“ Schneeflügel lächelte leicht. „Du bist jetzt zehn Monde alt, deine Ausbildung bei uns geht seit zwei Monden. Es gab Schüler vor dir, die nach dieser Zeit bereits zum Krieger ernannt wurden.“ Sturmpfote nickte. „Blaukralle und Fuchsauge, ich kenne die Geschichten.“ Sie wiegte ihren Kopf leicht hin und her. „Ich will damit nicht sagen, dass du schon bereit dafür bist – Schwarzstern würde es ohnehin als zu früh für dich erachten, weil du nicht im Clan geboren bist. Aber ich möchte, dass du weißt, dass ich dich nur noch einen Mond lang unterrichten kann.“ Sofort saß er kerzengerade und jegliche Müdigkeit war wie weggeblasen. „Wieso das? Was passiert in einem Mond? Was wird dann aus mir?“ Schneeflügel strahlte eine innere Gelassenheit und Freude aus, die er bisher erst bei zwei Katzen im Clan gesehen hatte. War sie etwa … „Ich erwarte Junge“, bestätigte sie seine Vermutung. „Honigblüte sagt, dass es in etwa einem Mond soweit sein wird. Sobald ich in den Bau der Königinnen umziehe, wird Schwarzstern einen Ersatz für mich suchen. Blaukralle, Rosentau und Blaufell würden sich gewiss weigern, dich zu unterrichten. Vielleicht werden Eisbart oder Herbstwolke für mich einspringen. Das weiß ich nicht.“ Sturmpfote spürte, dass er sich einerseits für seine Mentorin freute, andererseits wollte er nicht, dass sie ihn sitzen ließ, denn so fühlte es sich an. „Das ist … ich freue mich für dich. Wirklich.“ „Danke.“ „Wer ist der Vater deiner Jungen?“ Ihre bernsteinfarbenen Augen waren unergründlich. „So etwas fragt man eine zukünftige Königin nicht. Im Clan hat jede Königin das Recht, den Vater ihrer Jungen für sich zu behalten.“ Er musterte sie neugierig. Würde sie etwa mit jemandem aus einem fremden Clan anbandeln? Nein, Schneeflügel doch nicht, dafür war sie viel zu loyal. Schwarzstern und Haselschweif durften wegen ihrer Ämter keine Jungen mehr bekommen. Blaukralle war Zimtfeders Gefährte, Blaufell der von Kieselpelz. Damit blieben nur noch Eisbart, Apfelpelz und Rindentänzer. Oder doch ein Kater aus einem der anderen Clans? Oder gar ein Einzelläufer? Oder hatten Blaukralle oder Blaufell gleich zwei Katzen im Clan beglückt? Fragen über Fragen. Ihm schwirrte der Kopf, doch Schneeflügel brachte ihn schnell auf andere Gedanken, indem sie ihn einmal quer durch das Revier scheuchte und sie genügend Beute besorgten, um den Clan versorgen zu können. *** Am Abend lagen die drei Schüler erschöpft beieinander. Sie waren satt und wollten nur noch schlafen, kamen jedoch nicht wirklich dazu, weil Fleckenpfote sich unruhiger umher wälzte, bis Milchpfote ihm einen Tritt verpasste. „Was ist denn los mit dir!“ Fleckenpfote rollte sich auf den Bauch. „Mir geht die ganze Zeit etwas nicht aus dem Kopf.“ „Das merken wir. Du bewegst dich so viel, dass es unmöglich ist dabei einzuschlafen.“ Sturmpfote stimmte ihr mit einem Brummen zu. „Sag schon, was bedrückt dich?“ Fleckenpfote seufzte. „Als ich heute mit Apfelpelz und Blaukralle an der Ostgrenze auf Patrouille war, habe ich einen Geruch gewittert, den ich nicht zuordnen konnte, der mir aber irgendwie Angst gemacht hat. Apfelpelz hat nichts gerochen und Blaukralle sagte, ich soll mich gefälligst um meine eigenen Angelegenheiten kümmern und da wäre nichts. Aber ich bin mir absolut sicher, dass ich etwas in der Luft gerochen habe.“ Milchpfote gähnte. „Deine Nase ist besser als die von den meisten im Clan, aber wenn es etwas wäre, worüber wir uns Gedanken machen müssten, hätten Apfelpelz und Blaukralle anders reagiert. Sie haben nichts gewittert, also wird alles in Ordnung sein. Der Geruch war weit entfernt. Vielleicht Fuchsdung oder so. Und jetzt lass uns endlich schlafen.“ Fleckenpfote grunzte. „Du machst dich lustig über mich.“ „Nein, das mache ich nicht.“ „Aber du glaubst, dass ich übertreibe.“ „Keine Ahnung? Schlaf. Jetzt.“ Fleckenpfote grunzte erneut, rollte sich auf die Seite und vergrub seine Nase in dem moosigen Nest, so als wollte er die Erinnerung an den weit entfernten Geruch damit unterdrücken. Sturmpfote rollte sich ebenfalls auf die andere Seite, schloss die Augen und hatte beim Einschlafen plötzlich wieder die Worte des verrückten Einzelläufers Flohnacken im Ohr: Und bald wird Blut fließen, ich habe es gesehen! Vielleicht hatte Fleckenpfote auch nur Flohnacken gerochen, der sich an der Grenze des FeuerClans herumtrieb. Ja, das musste es gewesen sein. Zufrieden mit dieser Erklärung schlief er ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)