Stormpaw's Destiny von Kalliope (Warrior Cats - New Clans, New Stories) ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Schneeflügel wiegte zufrieden ihren Kopf hin und her und ihre bernsteinfarbenen Augen fixierten den jungen Schüler. „Apfelpelz und Eisbart haben gute Arbeit geleistet.“ „Oder ich bin einfach ein Naturtalent“, feixte Sturmpfote, halb im Scherz und halb ernst gemeint. Ebenfalls zufrieden scharrte er den Sand zur Seite, mit dem er die Frischbeute vom Morgen verdeckt hatte. Zwei Meisen und drei Mäuse, dazu das Eichhörnchen, das er gemeinsam mit Schneeflügel erlegt hatte. Ja, mit dieser Ausbeute konnte er wirklich zufrieden sein. Sein Training mit Schneeflügel ging bereits seit etwas mehr als einer Woche. Zuerst hatte er die Kriegerin für reserviert gehalten, doch zusammen mit dem Schnee und Eis taute auch Schneeflügel zunehmend auf. Allmählich verstand Sturmpfote, welches tiefe Bündnis einen Mentor und seinen Schüler miteinander verband. Schneeflügel war nun seine erste Ansprechpartnerin im Clan, seine Mentorin, seine Sparringspartnerin. Hin und wieder übte er gemeinsam mit Fleckenpfote oder Milchpfote das Jagen und Kämpfen, aber die meiste Zeit über streifte er entweder alleine mit Schneeflügel oder in einer der Patrouillen durch das Revier des FeuerClans. Drei Wochen war er bereits beim FeuerClan und er fühlte sich endlich wie Zuhause. Es war Ende März, die Blattleere ging langsam aber sicher in die Blattfrische über und nur noch selten dachte er an seine Zeit als Hauskätzchen zurück. Schneeflügel half ihm beim Tragen der Beute, die sie gemeinsam durch den Laubwald, über die Lichtung und die Senke hinab ins Lager brachten, wo man bereits auf sie wartete. Schwarzstern, der gerade mit Haselschweif und Rosentau in ein Gespräch vertieft war, nahm Sturmpfotes Beute zur Kenntnis, nickte einmal kurz und nahm dann den Gesprächsfaden wieder auf. Blaukralle, der gerade von Zimtfeder den Nacken geputzt bekam, schaute ebenfalls auf, versteifte sich aber und warf einen gehässigen Blick in Sturmpfotes Richtung, doch wenigstens blieben die Kommentare aus. Manchmal wünschte Sturmpfote sich, dass der blaue Krieger sich ihm gegenüber offen im Ton vergreifen würde, damit er einen Grund hatte, um ihm die Leviten zu lesen, doch mehr als böse Blicke und Lästereien hinter seinem Rücken gab es nicht. Als hätte Schneeflügel seine Gedanken erraten, schüttelte sie tadelnd den Kopf. „Vergiss es, Sturmpfote. Erstens würde das nur Unfrieden im Clan stiften und zweitens hättest du keine Chance gegen Blaukralle.“ Er legte die Beute ab, warf Blaukralle einen letzten, finsteren Blick zu und stapfte dann gemeinsam mit Schneeflügel zum Schülerbau. „Wieso nicht? Ich bin ein Stück größer als er und du hast selbst gesagt, dass ich viel Kraft habe.“ „Hast du auch.“ Sie klang, als wäre sie von diesem Thema genervt. „Aber Größe und Kraft sind nicht alles, das solltest du allmählich begriffen haben. Du bist neun Monde alt, Blaukralle zwei Jahre. Er hat mehr Erfahrung im Kämpfen als du, außerdem hast du noch den schlaksigen Körperbau eines Jungtieres.“ Empörung machte sich in ihm breit. Er war mehr als nur ein Jungtier! Sturmpfote plusterte sein Brustfell auf. „Was soll das denn heißen?“ Schneeflügels linkes Ohr, dessen Spitze durch einen Kampf zerfranst war, zuckte, was ein sicheres Indiz dafür war, dass er sie gerade tatsächlich nervte. „Du bist groß und wirst sicherlich noch ein wenig wachsen, aber dir fehlen die richtigen Proportionierungen und die Breite des Körpers. Das kommt erst, wenn du ausgewachsen bist.“ Er wollte etwas erwidern, verkniff es sich aber und murrte stattdessen leise vor sich hin. Seine Mentorin gähnte, streckte sich und blickte dann zum Bau der Krieger. „Ich werde mich hinlegen. Du hast den restlichen Tag frei. Gute Arbeit für heute, Sturmpfote.“ Dann verabschiedete sie sich mit einem gemächlichen Ruck ihres Schwanzes und krabbelte zu ihrem Nest aus Moos und getrockneten Gräsern. Sturmpfote streckte sich ebenfalls, verspürte aber zu viel Energie in den Gliedern und stromerte aus diesem Grund einmal quer durch das Lager. Milchpfote lag in der Sonne und döste, wobei er sie nicht stören wollte. Wo war Fleckenpfote? Nicht da. Offensichtlich war er noch mit Apfelpelz unterwegs. Dafür entdeckte er Fleckenpfotes Mutter Herbstwolke, die genau wie ihr Sohn einen schwarzweiß gefleckten Pelz besaß, im Gegensatz zu ihm aber bernsteinfarbene Augen hatte, die sie – so hatte es ihm Milchpfote erzählt – mit ihren Schwestern Steinkralle, Milchpfotes verstorbener Mutter, und Schneeflügel teilte. Das machte Fleckenpfote und Milchpfote zu Cousin und Cousine, außerdem war Sturmpfotes Mentorin die Tante der beiden. Tief in Gedanken versunken ging Sturmpfote die Verwandtschaftsbeziehungen im Clan durch, was er sehr verwirrend und unübersichtlich fand, da fast jeder irgendwie mit jedem verwandt war, selbst wenn es nur über diverse Ecken und Generationen war. Schneeflügel, Steinkralle und Herbstwolke waren Schwestern. Ebenso stammten Herbstfleck, Kieselpelz und Zimtfeders Vater aus einem Wurf. Zimtfeders Mutter und Haselschweif waren die Kinder von Falkenherz, der Ältesten. Herbstfleck war die Mutter von Ahornseele und Rindentänzer. Rosentau und Fuchsauge, Schwarzsterns Sohn, hatten zwei Kinder, Apfelpelz und die Heilerin Honigblüte. Rosentau und Blaufell waren die Eltern von Blaukralle. Noch einmal ging Sturmpfote alles durch und kam dann zu dem Schluss, dass Schwarzstern und er als nicht im FeuerClan Geborene frisches, gesundes Blut in die Linien brachten. Beim SternenClan, was dachte er da eigentlich? Sturmpfote schüttelte sich bei dem Gedanken. Mit seinen neun Monden kam er in das Alter, in dem man auch über andere Bedürfnisse nachdachte. Seine Mutter hatte ihm einmal erzählt, dass Kater und Katzen in seinem Alter von den Zweibeinern an einen Ort gebracht wurden, wo ein anderer Zweibeiner sie aufschnitt und ihnen damit die Fähigkeit nahm, dass sie jemals Junge bekommen konnten. Seiner Mutter war dies erspart geblieben, da ihre Zweibeiner stets gewollt hatten, dass sie Junge mit anderen, langhaarigen Katern bekam. Wenn Sturmpfote so darüber nachdachte, gab es nicht viele Katzen im Clan, die als Partnerinnen für ihn in Frage kommen würden. Da wären natürlich Milchpfote und Ahornseele, die beide in seinem Alter waren. Oder Zimtfeder, die allerdings bereits die Gefährtin von Blaukralle war, was jeder sehen konnte. Und so, wie der blaue Kater sich in der letzten Zeit um sie kümmerte und um sie herum schlich, würde es Sturmpfote nicht wundern, wenn Zimtfeder bereits Junge von Blaukralle erwartete, die diese Blattfrische geboren werden würden. Er schien nicht der einzige zu sein, der sich mit den steigenden Temperaturen dem Thema Frühlingsgefühle widmete, denn ein Gespräch zwischen Rosentau und Blaufell riss ihn aus seinen Gedanken. „Sieh an, sieh an, sieh an“, sprach Rosentau schnurrend, doch in ihrer Stimme lag etwas Schneidendes, Gefährliches. „Du und Kieselpelz. Dann stimmen die Gerüchte also.“ Der große, blaue Kater mit dem dichten Fell nahm Haltung an und musterte Rosentau finster. „Was geht dich das an?“ „Oh, es geht mich überhaupt nichts an, mit wem du dich in deiner Freizeit vergnügst, mein Lieber. Es war lediglich eine Feststellung.“ Rosentau ließ sich elegant auf dem von der Sonne erwärmten Boden nieder und begann sich die Vorderpfoten zu lecken. „Der Clan kann Junge immer gebrauchen. Du wirst dich bestimmt an die glorreiche Zeit erinnern, in der jeder Clan gut drei Dutzend Mitglieder zählte. Die Zeit, in der –“ Blaufell unterbrach sie. „Die Zeit des glorreichen Fuchsauge, ja, ja, ich weiß. Erspar mir deine Nostalgie, Rosentau.“ Die Katze fuhr ihre Krallen aus und wieder ein, als müsste sie sich wirklich beherrschen, um ihrem ehemaligen Geliebten nicht einen Pfotenhieb zu verpassen. „Wie dem auch sei“, sprach sie stattdessen betont ruhig. „Ich wünsche euch beiden für eure Jungen nur das Beste.“ Wieso klang es, als würde sie genau das Gegenteil davon meinen? „Natürlich werden sie niemals auch nur annähernd an Blaukralle herankommen. Du siehst ja selbst, wie weit er es bereits gebracht hat, obwohl er dein lethargisches Blut in sich trägt.“ „Pass auf, was du sagst“, knurrte Blaufell, legte die Ohren an und machte einen drohenden Schritt auf Rosentau zu. In diesem Augenblick eilte Kieselpelz zu ihm herüber, rieb ihren Kopf beruhigend an seiner Flanke und leckte ihm dann über das Ohr. „Sie ist es nicht wert. Komm.“ Blaufell folgte ihr widerwillig. „Nur das Beste“, wiederholte Rosentau, dann fiel ihr Blick auf Sturmpfote, der alles mitbekommen hatte. Sie bleckte die Zähne und leckte sich anschließend über die Schnauze. „Auch du wirst noch merken, wo du hingehörst, Hauskätzchen. Auch du wirst es merken.“ Dann rollte sie sich auf die Seite und widmete sich weiter ihrer Körperpflege. *** Die Zeit des Trainings flog nur so dahin. Sturmpfote ging vollkommen im Clanleben auf und nach zwei weiteren Wochen – Sturmpfote lebte nun bereits seit bald eineinhalb Monaten im FeuerClan – war wieder Vollmond und die Versammlung der vier Clans stand an. Wie üblich wurde darüber spekuliert, wer Schwarzstern begleiten durfte, doch im Gegensatz zum letzten Mal hatten andere Gesprächsthemen an diesem Tag den Vorrang. Es war April und Zimtfeder hatte verkündet, dass sie Junge von Blaukralle erwartete, so wie Sturmpfote es sich bereits gedacht hatte. Ihr Bauch war rundlich, prall, aber nicht so dick, wie er es vermutet hätte. Honigblüte hatte sie kürzlich untersucht und angeordnet, dass Zimtfeder in den Bau der Königinnen ziehen sollte, da sie kurz vor der Entbindung stand. Herbstfleck, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte den anderen Königinnen und Jungen zu dienen, wich Zimtfeder nun keinen Augenblick mehr von der Seite. Rosentau stolzierte herum, als würde sie selbst Junge erwarten. Mit stolzgeschwellter Brust ließ sie sich von jedem in ein Gespräch über Zimtfeder und Blaukralle verwickeln und wirkte dabei ungewöhnlich fröhlich und zufrieden. Jeder merkte, wie sehr sie Zimtfeder mochte und sich für ihren Sohn und dessen Gefährtin freute. Trotzdem mutmaßte Sturmpfote, dass Rosentau insgeheim nur darauf hoffte, dass ihre Enkel ebenfalls angesehene Krieger wurden. Honigblüte hatte sich gegen Mittag zu der Aussage hinreißen lassen, dass Zimtfeders Wurf wohl klein sein würde, aber genau konnte sie das auch nicht vorhersagen. Am Nachmittag wurde wild darüber spekuliert, wann auch Kieselpelz in den Königinnenbau umziehen würde und wie die Jungen wohl heißen mochten. Die meisten wetteten, dass Blaukralle und Zimtfeder den Namen Fuchsjunges in Gedenken an Fuchsauge wählten, um Rosentau damit eine Freude zu machen. Am Abend konnten Sturmpfote, Milchpfote und Fleckenpfote das ganze Getratsche nicht mehr hören und zogen sich in ihren Schülerbau zurück, wo sie warteten, bis Schwarzstern eine Versammlung einberief, um zu verkünden, wer ihn bei Mondhoch begleiten würde. „Ich fordere alle Katzen, die alt genug sind, um selbst Beute zu machen, dazu auf, sich hier zu einem Clan-Treffen zu versammeln.“ Schwarzstern streifte jeden einmal kurz mit seinem Blick, dann nannte er ohne große Umschweife sechs Namen. „Haselschweif, Schneeflügel, Ahornseele, Rindentänzer, Milchpfote und Sturmpfote.“ Ein Raunen ging durch den Clan. Milchpfote stupste ihn erfreut an, während Sturmpfote glaubte, dass er sich verhört haben musste. Doch das Raunen erstarb kurz darauf. Blaukralle und Rosentau warfen ihm finstere Blicke zu, dann verstreuten sich alle über das Lager hinweg. Haselschweif kam zu ihnen und nickte beiden kurz zu. „Schwarzstern möchte, dass du deine Anwesenheit bei der Versammlung als Ansporn siehst“, teilte er Milchpfote mit. Dann drehte er sich zu Sturmpfote. „Außerdem möchte er dich den anderen Clans als offizielles Mitglied des FeuerClans vorstellen. Haltet euch bereit, wir brechen pünktlich auf.“ Vorfreude, Stolz und Aufregung durchströmte Sturmpfotes Herz. „Das ist eine große Ehrung“, sagte Milchpfote und nahm ihm damit die Worte aus dem Mund. „Schwarzstern muss wirklich großes Vertrauen in dich und deine Fähigkeiten haben.“ Vor Aufregung wippte sein buschiger, grauer Schwanz unkontrollierbar auf und ab. „Ich freue mich so!“ Fleckenpfote wirkte ein wenig enttäuscht, weil er schon wieder nicht mitgehen konnte, freute sich dann aber für seine beiden Freude und legte sich bald darauf schlafen. Sturmpfote konnte nicht schlafen. Er bekam kein Auge zu. Zunächst wälzte er sich von einer Seite zur anderen, gab es schließlich ganz auf und wartete einfach, bis Haselschweif am Eingang des Schülerbaus auftauchte. Milchpfote und er folgte dem Zweiten Anführer zum Eingang des Lagers, wo bereits die anderen auf sie warteten. Wortlos ging Schwarzstern voraus, Haselschweif in etwa einer Fuchslänge Abstand links neben ihm, um Schwarzsterns blinden Fleck, der aus seinem nahezu blinken, linken Auge resultierte, zu decken. Dann Schneeflügel, alleine. Dahinter liefen Ahornseele und Rindentänzer, wobei die junge Kriegerin wie ein Wasserfall ohne Punkt und Komma quasselte, bis sie den Bach erreichten. Zuletzt kamen Milchpfote und Sturmpfote. Der Bach, der noch vor wenigen Wochen komplett zugefroren und mit einer dicken Schneeschicht bedeckt war, zeigte nun seine wahre Gestalt. Er war an den breitesten Stellen in den Kurven knapp vier Meter breit, ansonsten zwischen zwei und drei Metern und dabei so tief, dass man in der Mitte ein kleines Stück schwimmen musste. Milchpfote erklärte ihm leise, dass es weiter im Norden auch eine Stelle gab, an der sie über Steine und Sandbänke springen konnten, ohne dass mehr als die Pfoten nass wurden, doch Schwarzstern bevorzugte die direkte Streckte ohne Umwege. Sturmpfote zögerte, weil er nicht wollte, dass das Wasser seinen langen Pelz durchnässte, doch dann legte er die Zweifel ab, um nicht als verweichlichtes Hauskätzchen da zu stehen. Außerdem verzog Milchpfote ebenfalls angewidert das Gesicht, was ihn beruhigte. Hinter dem Bach schüttelten alle ihr Fell aus und trotteten dann weiter bis zur äußersten, westlichen Grenze des FeuerClan-Territoriums. Von jetzt auf gleich kam eine unsichtbare Linie, hinter der der Geruch des FeuerClans abnahm. Sie ließen die letzten Grenzmarkierungen hinter sich, liefen bergauf und durchbrachen den schützenden Laubwald, als sie auf eine freie Grasebene traten. Der Berg stieg noch eine Weile weiter an, wurde dann oben flacher und schließlich erreichten sie ein Plateau, das übersichtlich war und in dessen Mitte eine riesige, uralte Eiche wuchs – der einzige Baum auf dem gesamten Heiligen Berg. Der FeuerClan war der letzte Clan. Alle anderen warteten bereits auf sie und Sturmpfote spürte, wie andere ihn bereits verwirrt oder neugierig-interessiert musterten. Er setzte sich absichtlich zwischen Milchpfote und Schneeflügel und legte sich flach auf den Boden, um nicht groß aufzufallen, was natürlich nicht funktionierte. Zu seinem Erstaunen ließ das Interesse an ihm aber schnell nach, als die vier Anführer sich auf zwei tief hängende Äste verteilten. Zu ihren Füßen ließen sich die Zweiten Anführer zwischen den großen, furchigen Wurzeln nieder. Davor verteilten sich in einem Halbkreis die vier Clans. Das Gemurmel erstarb und alle wandten sich den Anführern zu, die vom Licht des Vollmonds angeschienen wurden. „Clans des Heiligen Bergs.“ Eine schneeweiße Katzendame mit kurzem Fell und intensiven, blauen Augen ging von einer liegenden in eine sitzende Position über, wobei sie elegant den Schwanz um ihre Pfoten legte. „Das ist Silberstern, die Anführerin des WasserClans“, flüsterte Milchpfote ihm leise zu. „Ganz links außen ist ihr Clan.“ Sturmpfote war dankbar dafür, dass sie ihm alles erklärte. Er folgte ihrem Blick. Der FeuerClan saß rechts außen, somit dem WasserClan in Luftlinie direkt gegenüber. Bereits auf den ersten Blick war ersichtlich, dass es im WasserClan mehr weiße Katzen gab als in jedem anderen Clan. Mehr als die Hälfte aller anwesenden WasserClan-Krieger war ebenfalls schneeweiß. Auf fünf weiße Krieger kamen nur zwei getigerte. Sturmpfote fielen sofort zwei etwas kleinere, weiße Katzen auf – ebenfalls Schüler? Dann ergriff Silberstern wieder das Wort. „Hiermit möchte ich die Versammlung eröffnen.“ Ihre Stimme war so klar und schneidend wie die Winterluft und hallte mühelos über alle vier Clans hinweg. „Wie wir bereits bei der letzten Versammlung besprochen haben, hat die Blattleere in allen Clans Opfer gefordert. Die letzten zwei Blattleeren waren – ich muss es leider so nennen – eine Katastrophe für den WasserClan. Umso erfreuter bin ich, dass ich nun verkünden kann, dass wir auf dem Weg zurück zu unserer alten Stärke sind.“ Ihre dunkelblauen Augen hefteten sich auf ihren Clan. „Zum ersten Mal seit sechzehn Monden kann ich verkünden, dass wir wieder Schüler im WasserClan haben. Eispfote und Schneepfote, erhebt euch.“ Die beiden kleineren Katzen standen auf. Eispfote war ein Kater mit glattem, kurzem Fell, einem blauen und einem hellgrünen Auge sowie einem sehr entschlossenen Blick. Schneepfote hatte mittellanges, seidiges Fell und hellblaue Augen. Die ergaben sich demütig den Glückwünschen der anderen Clans und dem stolzen Gejubel aller WasserClan-Krieger, dann legten sie sich wieder hin. Silberstern wirkte sehr zufrieden. „Wie ihr seht, ist der WasserClan nicht länger durch die Schwäche gekennzeichnet, die uns von einigen anderen nachgesagt wurde.“ Ihren Worten folgte empörtes Zischen und Schnauben des WasserClans. „Wir sind keineswegs angreifbar und steigen bereits zu unserer alten Stärke auf.“ In ihren Worten schwang eine versteckte Drohung mit, doch sie beließ es dabei und legte sich nieder. Nach ihr stand ein sandfarbener Kater mit dunklen Abzeichen und Gesichtsmaske auf. „Wacholderstern“, raunte Milchpfote ihm zu. „Der Anführer des LuftClans.“ Wacholderstern reckte sein Kinn in die Höhe. „Auch der LuftClan ist keinesfalls angreifbar. Dank der aufkommenden Blattfrische sind unsere Jagdgründe wieder mit reichlich Beute gefüllt. Leider muss ich euch aber auch eine traurige Nachricht mitteilen. Keiner unserer Ältesten hat die Blattleere überlebt. Davon werden wir uns jedoch keineswegs unterkriegen lassen und wir sehen zuversichtlich in die Zukunft.“ Mit diesen Worten legte auch Wacholderstern sich wieder hin. „Angeblich hat die Blattleere den LuftClan am schlimmsten getroffen“, murmelte Milchpfote Sturmpfote leise zu. „Jetzt kommt Löwenzahnstern, der Anführer des ErdClans.“ Wie auf Kommando erhob sich ein riesiger Kater mit langem, buschigem Schwanz. Er war sogar noch größer als Schwarzstern und sein Winterfell war dermaßen plüschig, dass es aussah wie eine Löwenmähne. „Dem ErdClan geht es gut. Unsere Jagdgründe sind gut gefüllt und wir erwarten Nachwuchs von drei Königinnen. Außerdem möchte ich euch Rauchpfote vorstellen, unseren neuen Heilerschüler. Tigerfuß wird ihn alles lehren, was er weiß. Erheb dich, Rauchpfote.“ Wie schon zuvor bei Schneepfote und Eispfote stand der Schüler auf und ließ sich von allen vier Clans begrüßen. Rauchpfote hatte rauchgraues Fell und einen wachen, aber auch leicht nervösen Blick. Er schien froh zu sein, als er sich wieder hinlegen durfte. „Weitere Neuigkeiten gibt es nicht.“ Löwenzahnstern ließ sich nieder. Offenbar war er nicht gerade von der gesprächigen Sorte. Zuletzt stand Schwarzstern auf. Sturmpfote hatte ihn immer für groß und majestätisch gehalten, aber neben Löwenzahnstern wirkte selbst Schwarzstern klein und zierlich. „Katzen aller vier Clans“, begann Schwarzstern. „Auch ich habe Neuigkeiten zu verkünden, die mit dem Zuwachs des FeuerClans zu tun haben. Zunächst möchte ich euch Ahornseele und Rindentänzer vorstellen, die beiden neusten Krieger im FeuerClan. Erhebt euch.“ Die beiden ließen den Jubel wortlos über sich ergehen und brachten alles schnell hinter sich. Dann fuhr Schwarzstern fort und mit jedem Wort begann Sturmpfotes Herz schneller zu klopfen. „Wir erwarten Nachwuchs von zwei Königinnen.“ Schwarzstern stockte minimal, aber dennoch wahrnehmbar, als müsste er erst Kraft sammeln, um die folgenden Worte auszusprechen. „Außerdem hat der SternenClan zu unserer Heilerin Honigblüte gesprochen, weshalb wir uns dazu entschlossen haben das Hauskätzchen Sturm in den FeuerClan aufzunehmen.“ Geschockte Laute gingen durch die drei anderen Clans. „Zwei Wochen lang hat er sich bewährt und ist nun zu einem vollwertigen Mitglied des FeuerClans und offiziell zum Schüler ernannt worden. Sturmpfote, erheb dich.“ Sturmpfotes Beine zitterten, als er aufstand, und das Blut rauschte in seinen Ohren. Schwarzsterns letzte Worte gingen in dem aufgebrachten Gerede unter. Der WasserClan sträubte aufgebracht und wütend sein Fell, der LuftClan stimmte ebenfalls in die Abwertung mit ein. Nur der ErdClan blieb vergleichsweise ruhig, auch wenn keiner begeistert aussah. „Ein Hauskätzchen?“ Silberstern war mit gesträubtem Fell aufgesprungen und fixierte nun Schwarzstern. „Wie kannst du das Gesetz der Krieger dermaßen mit den Pfoten treten! Ein Hauskätzchen ist verweichlicht und schwach und hat nichts am Heiligen Berg zu suchen!“ Schwarzstern erwiderte ihren herausfordernden Blick. „Und was willst du dagegen tun, Silberstern? Der SternenClan hat Sturmpfote als Schüler des FeuerClans bereits akzeptiert.“ „Hat er das wirklich oder erzählst du uns das nur, um zu rechtfertigen, dass eine HalbClan-Katze wie du nun auch noch Hauskätzchen aufnimmt?“ „Hüte deine Zunge!“ Schwarzsterns Worte warten ein tiefes, drohendes Grollen, das Silberstern und ihr Clan damit quittierten, dass sie sich erhoben und laut fauchten. Wacholderstern funkelte Schwarzstern ebenfalls an. „Einst war der FeuerClan ehrbar, doch nun besteht berechtigter Zweifel daran, dass eine HalbClan-Katze den FeuerClan führen kann.“ „Das reicht“, unterbrach Löwenzahnstern die drei Streithähne und seine pure, massige Gestalt reichte aus, um auch die Clankatzen zu ihren Füßen zu beruhigen. „Schwarzsterns Position als Anführer steht nicht zur Diskussion. Der SternenClan hat ihn als Anführer des FeuerClans angenommen und aus diesem Grund werden wir seine Entscheidungen für seinen Clan akzeptieren.“ Nur widerwillig setzten Wacholderstern und Silberstern sich wieder auf ihren Ast. Sie rückten näher zusammen wie eine Einheit im Kampf gegen HalbClan-Katzen, Einzelläufer und Hauskätzchen. Löwenzahnstern drehte sich zu Schwarzstern um. „Doch auch ich muss zu bedenken geben, dass ein Hauskätzchen am Heiligen Berg nichts zu suchen hat.“ „Er ist kein Hauskätzchen mehr“, ergriff Schwarzstern für Sturmpfote Partei und der junge Schüler fühlte Dankbarkeit für seinen Anführer. „In seinem Herzen war Sturmpfote auch niemals ein Hauskätzchen. Der SternenClan hat ihn zu uns geführt und nur aus diesem Grund haben wir ihn aufgenommen. Er ist jetzt einer von uns, ein Teil des FeuerClans.“ Löwenzahnstern neigte sein Haupt. „Fürwahr, so sei es dann. Hast du uns sonst noch etwas zu berichten?“ Schwarzstern nutzte die kurze Verschnaufpause, um seine Haltung wieder zu finden. „Nein, das war alles.“ „Gut. Dann beende ich hiermit die Versammlung. Kehrt alle sicher in eure Lager zurück.“ Löwenzahnstern sprang von seinem Ast und landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden. Ihm folgten die anderen Anführer und sie alle gingen zu ihren Clans. „Macht euch bereit“, sagte Schneeflügel leise und erhob sich bereits mit gespannten Muskeln. „Der Heilige Berg ist kein Ort des Kampfes, doch dem WasserClan ist nicht zu trauen. Es ist besser, wenn wir hier so schnell wie möglich verschwinden.“ „Es ist meine Schuld, dass der Streit ausgebrochen ist“, sprach Sturmpfote, doch seine Mentorin schüttelte sanft den Kopf. „Nein, Sturmpfote. Du kannst nichts dafür, dass Silberstern das Gesetz der Krieger sehr streng auslegt und Wacholderstern nicht genug Mumm besitzt, um ihr zu widersprechen.“ Kaum waren Haselschweif und Schwarzstern bei ihnen, verließen sie als geschlossene Gruppe den Heiligen Berg. *** Sie kehrten zum Lager des FeuerClans zurück und rochen die Aufregung noch vor dem Eingang zum Lager. „Was ist passiert?“ Schwarzstern schob sich an den anderen vorbei, bis er auf Eisbart traf, der wie ein Ruhepol inmitten des versammelten Clans stand. „Nichts, was diese Aufregung rechtfertigt.“ Eisbart gähnte gelangweilt. „Zumindest nicht für alle von uns. Zimtfeder hat ihre Jungen zur Welt gebracht. Das hat Honigblüte aus dem Schlaf gerissen. Sie ist jetzt zusammen mit Herbstfleck und Blaukralle bei Zimtfeder.“ Schwarzstern entspannte sich. „Gut. Wie geht es Zimtfeder? Wie viele Jungen sind es?“ „Wissen wir noch nicht“, keifte Rosentau ungehalten und stapfte breitbeinig im Lager herum. „Herbstfleck und Honigblüte lassen mich nicht in den Königinnenbau und Blaukralle ist noch nicht draußen gewesen.“ Genervt legte Schwarzstern ein Ohr an. „Es bist auch nicht du, die ein Recht auf die Ruhe des Königinnenbaus hat.“ Rosentau duckte sich unter den barschen Worten ihres Anführers hinweg und kauerte sich schlecht gelaunt in die Menge. Es dauerte nicht lange, bis sich etwas tat. Blaukralle krabbelte aus der Abzweigung, die Honigblütes Heilerbau vom Königinnenbau trennte, schwieg jedoch beharrlich und wartete, bis Honigblüte an seine Seite trat. Herbstfleck war auch zu sehen, sie blieb jedoch in der Deckung des Baus. „Was kannst du uns mitteilen, Honigblüte?“, fragte Schwarzstern. Honigblüte wirkte seltsam gefasst, was gar nicht zu ihrer Art passte, obgleich ihr Schwanz minimal zuckte und verriet, dass etwas tief in ihr vorging. „Kaum dass ihr zur Versammlung gegangen seid, haben bei Zimtfeder die Wehen eingesetzt. Sie hat sich tapfer durch ihre erste Geburt gekämpft und ein gesundes Junge zur Welt gebracht.“ Erleichterung durchströmte den Clan und die ersten riefen bereits Glückwünsche. Rosentau hingegen sah enttäuscht aus, ganz so, als wollte sie sagen: „Nur eins?“ „Aber das ist nicht alles“, stellte Schwarzstern fest. Honigblüte atmete tief ein und aus. „Nein, das ist nicht alles.“ Sie nickte Blaukralle zu. Die Augen des Katers leuchteten vor Stolz und Freude. „Ich verkünde hiermit, dass mein erstes Junge, meine Tochter, den Namen Fliederjunges tragen wird.“ Fliederjunges, nicht Fuchsjunges. Rosentau hätte nicht enttäuschter aussehen können, doch sie fasste sich schnell wieder. Schwarzstern hingegen hatte seinen Blick keine Sekunde von Honigblüte gelassen. Seine Brust vibrierte leicht. „Was noch, Honigblüte?“ Es wurde still und alle warteten auf das, was die Heilerin zu verkünden hatte. Honigblüte sammelte sich, dann sprach sie: „Der SternenClan hat zu mir gesprochen. Fliederjunges ist dazu auserwählt, meine Nachfolgerin zu werden. Sobald sie alt genug ist, werde ich sie in den Künsten der Heiler unterweisen und im Alter von sechs Monden wird sie meine Schülerin werden.“ Sobald sie alt genug ist. Sturmpfote fand, dass es so klang, als hätte Honigblüte keine Zeit mehr mit Fliederjunges‘ Ausbildung zu verlieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)