Beat of a Damned Lover von Khaosprinz (Übersetzung der gleichnamigen FF auf ff.net) ================================================================================ Kapitel 22: Unnachgiebiges Zögern --------------------------------- Die Gestalt guckte am toten Baum vorbei und ein Lächeln legte sich auf seine Lippen; der Junge da, der mit dem langen, schwarzen Haar, das war der, den er wollte. Er konnte die Macht von Black Dranzer von dem Jungen aus pulsieren fühlen, wie das Lied einer Sirene, das sich wieder und wieder in seinem Kopf wiederholte. Einst war es von einer anderen Macht blockiert worden, weil die Macht des weißen Tigers versucht hatte, Ray Kon vor der dunklen Macht des schwarzen Phönix' zu schützen. Und für eine Weile war es schwer gewesen, festzustellen, ob der Neko-Jin den dunklen Vogel tatsächlich hatte.   Aber jetzt war es offensichtlich.   Die Gestalt konnte noch immer die Macht des weißen Tigers spüren, aber sie beschütze den Jungen mit den goldenen Augen nicht mehr und pulsierte stattdessen wütend in der Tasche des Rothaarigen, der mit geradem Rücken dastand, während der Neko-Jin versuchte, sich in der dicken Jacke zu vergraben.   Die Gestalt konnte die Macht von Black Dranzer ganz in der Nähe spüren.   Er sabberte vor Erwartung.   Er würde nicht länger Zögern.   Er würde nicht mehr auf Boris hören.   Boris hatte die ganze Zeit über ihn Bescheid gewusst. Es war Boris gewesen, den die Gestalt als erses aufgesucht hatte, nach der Flucht vor den Ärzten. Boris hatte ihm gesagt, dass wenn er Kai Hiwatari tötete, dann würde Boris ihm beibringen, Black Dranzer zu kontrollieren.   Töte Kai Hiwatari und erlange die Kontrolle über den schwarzen Phönix.   Mehr wollte die Gestalt nicht.   Aber Boris war nervig gewesen; er hatte gesagt, dass sie warten müssen, hatte gesagt, dass sie es so aussehen lassen mussten, als ob sie nichts damit zu tun hätten. Boris hatte diesen 'tollen' Plan geschaffen, in welchem, unabhängig von der Meinung der Öffentlichkeit, niemand den Tod von Kai Hiwatari mit ihnen in Verbindung bringen könne.   Aber dann war Voltaire aufgetaucht.   Die Ankunft des alten Mannes und die Offenbarung, dass er nicht tot war, hatte die Dinge verlangsamt und das für zu lange.   Boris war ein Wrack und versuchte, etwas von der Kontrolle über eine Situation, mit der er vollständig überfordert war, wiederzuerlangen. Die Gestalt wollte nicht mehr weiter warten. Kai Hiwatari schien ihm die ganze Zeit gerade so durch die Lappen zu gehen.   Und damit, trotz Boris' Erwartung, dass sie nichts tat, war die Gestalt dem verführerischen Rufen von Black Dranzer gefolgt.   Und die hatte ihn hierher geführt.   Nun war er so nahe, dass die Sehnsucht nach Black Dranzer beinahe unerträglich war.   Er würde nicht länger zögern.   Er würde sich Black Dranzer nehmen.   Jetzt.                                                                                                                  „Du bist dumm!“   „...“   „Ein Idiot!“   „...“   „Ein verdammter Dummkopf!“   „...“   „Du bist dümmer als Tyson!“   „...“   „Du hast nicht 'mal ein Hirn!“   „...“   „Tatsächlich, du bist so dumm, dass ich glaube-“   „Wenn du darauf bestehst, mich weiterhin als dumm zu bezeichnen, trete ich dir den Schädel ein“, riss Kai letztlich der Geduldsfaden, nachdem er minutenlang dabei zugehört hatte, wie Bryan ihm erzählte, wie dumm er war.   „Ich nenn' dich dumm weil du dumm bist“, fuhr Bryan fort, als ob Kai nichts gesagt hätte. „Niemand, niemand mit Sinn und Verstand hätte Black Dranzer einem völlig Fremden gegeben!“   „Ray ist kein Fremder.“   „Ist er schon, wenn es um die Macht und Fähigkeiten dieses Bitbeasts geht!“   „Ray wusste, worauf er sich einlässt, als er ihn angenommen hat.“   „Nein, hat er nicht!“, bellte Bryan, „du hättest ihm auch genauso gut 'ne Zeitbombe geben können!“   „Ja, danke, dass du das deutlich machst“, knurrte der Phönix, der mörderisch aus dem Fenster auf die vorbeiziehende Landschaft schaute.   „Was hat dich besessen? War dein Verstand irgendwie auf Urlaub an dem Tag?“   „Hör' einfach auf zu reden.“   „Vielleicht hast du den Bladebreaker-Virus abbekommen!“, überlegte Bryan.   Kai sah ihn an. „Den was?“   „Den Bladebreaker-Virus“, wiederholte Bryan, „es gab mal eine Zeit, in der du ein Hirn hattest. Das scheint nicht länger der Wahrheit zu entsprechen.“ Bryan wedelte wild mit der Hand. „Ich gebe die Schuld dafür den Bladebreakers.“   „Oh, das tust du, nicht wahr?“ Kai biss die Zähne zusammen. Er war sich nicht sicher, ob er das noch lange mitmachen würde. Bryan schien fest entschlossen zu sein, den Phönix zu nerven, wie ein Ticken eine düstere Stille stört. Kai wusste nicht, warum Bryan so ätzend war, aber es machte ihn krank.   Es war, als ob Bryan wollte, dass er sich aufregte, um zu sehen, wie lange es dauerte, bis Kai platzte.   Warum tat er das?   Wenn Kai nicht reagierte, was bedeutete das?   Wenn Kai der Geduldsfaden riss, war das etwas gutes?   Kai schüttelte langsam den Kopf, um die Fragen in seinem Kopf zu verscheuchen.   Es war egal.   Alles.   Es war egal, was Bryan dachte.   Nach dem, was Bryan ihm angetan hatte, war das einzige, an das Kai denken wollte, warum er es Bryan überhaupt hatte tun lassen; er wollte auf keine andere Art über Bryan nachdenken. Er musste einfach verstehen, warum er so unvorsichtig geworden war mit dem Falken, dann könnte er darüber hinwegkommen und vergessen, dass er je irgendwas gewesen war.   Warum reagierte Kai nicht? Warum reagierte Kai nicht? Immer und immer wieder hallte die Frage in Bryans Kopf, sich wie ein Rad drehend; sein Hirn fühlte sich fast so an, als würde es sich wieder und wieder im Kreis drehen, als er nicht verstand, warum Kai nicht auf seine andauernden Vorhaltungen reagierte. Reagierte Kai nicht, weil es ihn nicht scherte, was Bryan von ihm dachte? War Kai darüber hinweg gekommen und hatte dabei den nutzlosen Haufen Mensch, der Bryan war, zurückgelassen? Warum reagierte Kai nicht? Er wollte, dass Kai ihn anfuhr. Er wollte, dass Kai bei einem seiner Köder anbiss. Dann würde Bryan wissen, wo er bei dem Phönix stand. Er würde wissen, ob er doch noch eine Chance hatte.   Bryan wusste, dass er es verkackt hatte.   Er hatte das sogar schon gewusst, als er seinen Griff um Kais Hals verstärkrt hatte; ein Teil von ihm war überrascht gewesen, dass Kai sich nicht gewehrt hatte. Warum nicht? Hatte er Kai so sehr mit seinem plötzlichen Angriff überrascht?   Zuerst war er nur voller Wut und Erstaunen gewesen. Wut, weil Kai ihm etwas erzählt hatte, dass so unglaublich lächerlich war und Erstaunen, weil da wirklich ein Teil, weit hinten in seinem Verstand, war, der sich fragte, wie hoch die Möglichkeit war, dass Tony noch lebte.   Letztlich hatte Bryan nie eine Leiche gesehen.   Jetzt allerdings sah es ganz danach aus, als ob Tony tatsächlich noch auf der Erde wandelte.   Wie stand Bryan zu dem Ganzen?   Er hatte einen Großteil seines Lebens damit verbracht, Kai für den Tod des einen Menschen verantwortlich zu machen, den Bryan je als Familie angesehen hatte.   Und jetzt sah es so aus, als hätte Bryan Kai ganz ohne Grund gehasst.   All das Hassen, das Verachten, das Verabescheuen, all das Bedürfnis nach Rache, der Wunsch, Kai zu töten, die giftigen Gedanken und die Sehnsucht, Kai leiden zu sehen.   All das und mehr, für NICHTS.   Bryan griff das Lenkrad des Autos so fest, dass seine Knöchel weiß wurden.   Und dann, um die ganze Situation nur noch unverdaulicher zu machen, hatte er all das hinter sich gelassen. All der Zorn, der Hass, die Verachtung und die Abscheu. Er hatte es alles hinter sich gelassen, sodass er sich selbst eine Chance auf eine Zukunft geben konnte. Als Voltaire ihn in das Hiwatari Anwesen eingeladen hatte, um Kai zu töten, hatte Bryan einen Part des Phönix' gesehen, den kein anderer auf der Welt kannte. Er hatte den geschlagenen, verlorenen, einsamen jungen Mann gesehen, der sich an Bryan gewandt hatte, weil Bryan der einzige gewesen war, an den er sich wenden konnte.   Nicht einmal Tala, Kais engster Freund war da gewesen.   Nein, es war Bryan gewesen.   Er, der Falke; der selbe Falke, der jedermanns Versuche, ihm nahe zu kommen, davongeschoben hatte. Es war Kai gewesen, der sich hinter seine Mauern geschlichen hatte, und Bryan verstand noch immer nicht, wie Kai das geschafft hatte. Er verstand noch viel weniger, warum er es überhaupt zugelassen hatte, dass Kai überhaupt erst versuchte, sich mit ihm anzufreunden.   Anfreunden.   Anfreunden war das falsche Wort. Kai war nie Bryans Freund gewesen. Nicht einmal Tala war Bryans Freund; Bryan hatte keine Freunde, er hatte nur Teamkollegen, aber Kai war auch nie ein Teamkollege gewesen.   Mitleid war, abgesehen von Wut, die erste Empfindung gewesen, die Bryan jemals für Kai gefühlt hatte. Dieses Mitleid hatte ihn beunruhigt; er hatte nicht gewusst, was er damit anstellen sollte, und es hatte seinen Geist übernommen und dabei alle Gefühle des Zorns und des Hasses verdrängt. Dieses Mitleid, das Gefühl unbekannten Mitleids, hatten Bryan verwirrt. Es hatte ihn verrückt gemacht. Und dann war es das gewesen war, was Bryan auf Kai aufmerksam gemacht hatte.   Es gab keinen Zweifel, Kai war sexy und Bryan hatte sich nie für Mädchen interessiert. Frauen waren für Bryan ein Mysterium; möglicherweise weil das einzige Beispiel des schöneren Geschlechts für Bryan seine Mutter war, und rundes, kleines Ding das eine Ewigkeit damit verbrachte, sauber zu machen und zu leise zu summen. Bryan vermutete, dass es spannendere Frauen auf der Welt gab, aber er hatte nie die Energie aufbringen können, tatsächlich da raus zu gehen und eine zu treffen.   Außerdem, wer wollte schon eine Frau, wenn er Kai haben konnte?   Kai war stark, scharfsinnig und schlau. Dank seiner Vergangenheit in der Abtei konnte er verstehen, weswegen Bryan niemals ein normaler Mensch sein würde. Er lobte dich, wenn du etwas richtig getan hast, und bestrafte dich, wenn du die Grenze überschritten hast.   Und das hatte Bryan getan.   Er hatte eine Grenze überschritten und jetzt bestrafte Kai ihn dafür.   Das Schlimme daran war, dass Bryan anfing, es zu bereuen, dem Phönix jemals wehgetan zu haben.   Reue. Ein weiteres, neues Gefühl, das Bryan nie zuvor gehabt hatte.   Er mochte es nicht. Er wusste nicht, wo diese ganzen neuen Emotionen her kamen, aber er mochte es nicht. Sie schlichen sich unaufhörlich an ihn heran. Es war, als ob all der Unterricht, den er hatte erleiden müssen, als Männer versucht hatten, seine Emotionen zu blockieren, nichts mehr wert waren; als ob er all das für nichts durchgemacht hätte, denn es war egal, wie sehr er sich anstrengte, Gefühle und Emotionen kamen langsam zu ihm zurück.   Er mochte es nicht.   Er hatte nicht mehr das Gefühl, dass er Bryan war.                                                                                                                  Tala blieb sehr ruhig; er war sich nicht ganz sicher, wann er plötzlich bemerkt hatte, dass jemand sie beobachtete, aber je mehr er darüber nachdachte, desto mehr wusste er. Jemand beobachtete sie; dort, hinter dem toten Baum, beobachtete sie jemand.   Ray lehnte sich noch immer gegen ihn, seine Augen halb geschlossen vor Schmerz, als er seine Seite hielt, wo die Kugel ihn erwischt hatte; er berschwerte sich nicht, aber es war offensichtlich, dass die Verletzung schmerzte. Und jetzt hatten sie einen Beobachter. Es nervte Tala. Er war sich nicht sicher gewesen, was er als nächstes tun sollte, ob er versuchen sollte, sich den anderen wieder anzuschließen oder irgendwo anders hin, bis Gras über die Sache gewachsen war. Jetzt beobachtete sie jemand und Tala war sich noch unsicherer, was er tun sollte.   Er konnte sich denken, dass es kein Freund war.   Es war nicht so, als Tala überhaupt noch viele Freunde hatte.   Er war sich ziemlich sicher, dass es nur Ray war, der bei ihm stehen würde.   Er runzelte die Stirn, als Tala auf den ebenholzfarbenen Kopf, der an seiner Brust ruhte, hinabschaute. Was würde Ray tun, wenn er Kai das nächste Mal sah? Würde er so tun, als empfinde er nichts für Tala und zu Kai zurückgehen, als ob nichts passiert wäre?   Tala rüttelte sich selbst.   Es war nichts passiert.   Sie hatten also Sex gehabt, na und?   Das bedeutete nichts.   Tala schaute zurück zu dem toten Baum und dachte über das Feuer nach.   Die Flammen waren nun verloschen, doch der Rauch stieg noch immer in einem dicken, schwarzen, wabernden Turm gen Himmel auf; hatte die Person hinter dem toten Baum das Feuer gestartet? Warum?   Tala hatte plötzlich den Eindruck, dass dieses Spiel, welches auch immer sie spielten, noch nicht vorbei war. „Tala?“ Rays Augen öffneten sich und er sah sich um. „Ist da jemand bei uns?“   Tala antwortete nicht und starrte stattdessen weiter auf den toten Baum.   Schnee wirbelte auf, der tote, geschwärzte Baum wackelte kurz und ein Mann, abgemagert und schmal, sprang hervor. Er grinste Ray und Tala fieberhaft an, bevor er seine Arme ausbreitete und frohlockend rief: „Hab' dich gefunden!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)