The Wolves among us von UrrSharrador ("Die Werwölfe erwachen. Sie wählen ihr heutiges Opfer ... Die Werwölfe schlafen wieder ein." [Video-Opening online]) ================================================================================ Kapitel 23: Apathie ------------------- ~ 23 ~   (2:15 Uhr) Das wart ihr!“, rief Toto und seine Pistole blitzte schon wieder gefährlich auf. Die Freunde wichen zurück zu den Wänden. „Nur die Ruhe“, sagte Kakashi. „Nein! Sie sind mir genauso suspekt wie alle anderen hier! Wer kann denn noch das Schlüsselloch verklebt haben?“ „Wer sagt, dass Sie es nicht selbst waren?“, fragte Sasuke plötzlich, und Toto wurde schlagartig still. Dann bekam er einen roten Kopf. „Ich?“, krächzte er. „Warum sollte ich das tun?“ „Er hat recht“, sagte Shino. „Es würde keinen Sinn machen. Warum? Weil er ohnehin der Einzige mit einem Schlüssel ist.“ „Ich meine ja nur.“ Sasuke zuckte mit den Schultern. „Ständig beschuldigt er uns. Wer sagt uns, dass er nicht auch schon vor uns hier war und mit dem Täter unter einer Decke steckt? Die Entführer haben selbst zugegeben, dass sie mehrere Leute sind. Und denkt mal dran, wie locker seine Waffe sitzt.“ „Hier wird niemand mehr beschuldigt, Sasuke“, sagte Kakashi streng. „Gehen wir die Fakten durch. Wer kam wann und wie hierher? Toto, welchen Weg haben Sie genommen, als sie zu uns gegangen sind?“ Gemeinsam eruierten sie, was sie alle getan hatten, seit sie das Hotel betreten hatten. Die Straßengang war als Erstes hergelangt und hatte getrennt den vorderen Kellerteil durchsucht. Dann war Narutos Clique gekommen. Etwa zu der Zeit musste Kimimaro die Schaltzentrale für das Garagentor zerstört haben. Ein paar Minuten später waren Naruto und die anderen erst auf die Straßengang gestoßen. Naruto und Sasuke hatten im Erdgeschoss den vorderen Teil der Lobby untersucht, Shikamaru und Chouji das Restaurant und die Küche. Temari, Ino und Tenten hatten sich nach hinten begeben, zur Hotelbar und zu dem Laden. Hinata, Kiba und Shino hatten einen weiteren Flur im Erdgeschoss übernommen, Kankurou, Gaara, Neji und Lee den ersten Stock. Während sie gesucht hatten, hatte Kankurou sich von seiner Gruppe getrennt und Temari von Gaaras angeblichem Anfall erzählt. Daraufhin war sie nach oben gegangen und er bei Ino und Tenten geblieben. Kakashi war indessen durch ein Fenster im zweiten Stock eingestiegen. Toto war durch den Bediensteteneingang gekommen, zu dem es auf seiner Polizeistelle einen Schlüssel gab. Er hatte die Tür hinterher wieder abgeschlossen. Die Straßengang war im Keller geblieben und Kimimaro hatte sich abermals von der Gruppe getrennt, angeblich, wie die anderen schließlich zugaben, um eine Toilette zu suchen. Er war entweder in der Garage oder im Treppenhaus geblieben, von wo aus er in jeden beliebigen Stock hätte gehen können, und ab dem zweiten Stock aufwärts war es unwahrscheinlich, dass ihn jemand gesehen hätte. Naruto und Sasuke hatten Sakuras Leiche schließlich in der Umkleidekammer im vorderen Teil der Lobby entdeckt. Auf Narutos Schrei hin waren Shikamaru, Chouji, Kiba, Shino und Hinata dorthin geeilt. Kakashi war eher zufällig in die Lobby hinuntergeschlichen und hatte dort Chouji und Shino getroffen, die die anderen holen sollten. Indessen war Toto auf Tayuya, Jiroubou und Sakon gestoßen und hatte sie schnurstracks in die Lobby hinauf gescheucht, weil auch er Naruto gehört hatte. Dort waren die beiden Gruppen zusammengetroffen, und auch Temari, Gaara, Neji und Lee waren aus dem ersten Stock gekommen. Auf der Suche nach den Mädchen hatten sie dann Tentens und Kankurous Leiche und die bewusstlose Ino in dem Laden gefunden. Zu dem Zeitpunkt fehlte nur noch Kimimaro, der von Toto erschossen wurde, kaum dass er sich gezeigt hatte. „So wie ich das sehe, hatte also dennoch nur Kimimaro Gelegenheit, die Tür zu blockieren“, sagte Shino. „Warum? Weil er der Einzige ist, dessen Aufenthaltsort nicht geklärt werden kann.“ „So einfach ist es leider nicht“, murmelte Toto zerknirscht. „Kommt mal mit.“ Er führte sie ein Stück den Gang zurück, öffnete eine – unverschlossene – Tür und dahinter offenbarten sich ein toter Lastenaufzug und ein winziges Treppenhaus. „Der Lieferantenaufgang. Aufzug und Treppe führen in den jeweils hinteren Bereich der einzelnen Stockwerke.“ „Habt ihr dieses Treppenhaus oben gesehen?“, fragte Shikamaru. Gaara schüttelte den Kopf. „Nein. Wir haben nacheinander die Gästezimmer durchsucht. Wir sind nicht bis ganz nach hinten gekommen, als uns die anderen geholt haben. Wir waren gerade erst mit einen Seitenflügel fertig.“ „Was Toto also sagen will, ist, dass jeder, der in der Zwischenzeit ohne Aufsicht war, die Lieferantentreppe benutzt haben könnte, um das Schloss hier zu verstopfen“, fasste Shikamaru zusammen. „Das ist doch lächerlich!“, rief Kiba. „Wer von uns sollte denn einfach mal so irgendein x-beliebiges Schoss verkleben?“ „Vielleicht jemand, der mit Kimimaro zusammengearbeitet hat. Der hat ja auch versucht, uns hier einzusperren. Wenn derjenige über das Hotel Bescheid weiß, ist er vielleicht auf Nummer sicher gegangen. Oder er hat Toto sogar gesehen, wie er bei der Hintertür reinkam.“ Shikamaru wandte sich an Tayuya und Sakon. „Bei dieser Sache mit Sakon … Ihr habt gesagt, es waren mindestens drei. Könnt ihr euch vorstellen, dass außer Kidoumaru noch Kimimaro dabei war?“ „Ein Alibi hatten jedenfalls nur Jiroubu und ich“, sagte Tayuya. „Wenn das so ist, dann hat Kimimaro die Kugel umso mehr verdient!“ „Und wenn wir einfach ein Fenster öffnen?“, fragte Lee plötzlich. „Die Fenster sind alle doppelt und dreifach gesichert. Du bräuchtest einen speziellen Schlüssel dafür“, sagte Kakashi. „Dann schlagen wir sie einfach ein!“ Sasuke schnaubte. „Viel Spaß dabei. Diese Scheiben halten so einiges aus. Ich hab sie mir mal angesehen. Da musst du schon mit einer Panzerfaust dagegenschießen.“ „Jetzt übertreibst du“, meinte Naruto. „Die Fenster sind tatsächlich sehr stabil“, sagte Kakashi. „Ich habe mich auch ein wenig über das Hotel informiert. Offenbar war es den Erbauern wichtig, es einbruchssicher zu machen. Ich bezweifle, dass wir sie mit unseren Kalibern zerschießen können.“ „Kein Wunder, wenn man bedenkt, wo wir hier sind“, murmelte Temari. „Aber oben ist doch ein Fenster kaputt?“, meinte Naruto. „Es ist nicht kaputt. Die Scheibe fehlt ganz einfach.“ „Dann basteln wir eben ein Seil aus Bettlaken und klettern daran nach draußen!“ „Wir sollten vorher lieber nachsehen, ob die Leiter noch steht!“, fiel Chouji ein. „Genau. So oder so, wir verschwinden von hier und überlassen den Rest der Spurensicherung, würde ich sagen.“ „Als ob ich euch so einfach davonkommen lassen würde!“, rief Toto. Die Freunde hatten sich schon fast an den Anblick der Pistole in seiner Hand gewöhnt, schien es Shikamaru. Und das war nicht gut. Er drohte viel damit herum, ja, aber Kimimaro hatte er auch schon erschossen. Obwohl er offenbar schuldig gewesen war – sollte so jemand wirklich Polizist sein? „Ihr da! Ihr geht schön da rüber an die Wand! Alle, die im ersten Stock waren, los, los! Man kann euch nicht trauen!“ Die vier vom ersten Stock waren die Einzigen, die das Schloss außer Kimimaro hätten sabotieren können, also Gaara, Temari, Lee und Neji. Er winkte sie heftig mit seinem Schießeisen zur Seite. „Jetzt ist es aber wirklich genug“, ging Kakashi wieder einmal dazwischen. „Mit diesen Verdächtigungen erreichen wir nichts.“ „Pah! Ich weiß genau, wie das läuft. Kaum lässt man Leute wie euch aus den Augen, seid ihr verschwunden!“ „Jetzt aber mal halblang!“ Temaris Miene war zornumwölkt. „Sind wir auf einmal Schwerverbrecher oder was?“ „Ruhe! Ihr zieht jetzt eure Jacken aus und leert eure Taschen und werft alles hierher auf den Boden! Und dann machen wir eine Leibesvisitation! Jemand von euch hat Klebstoff dabei, da bin ich mir sicher!“ „Klebstoff.“ Sie verzog das Gesicht zu einem versuchten Schmunzeln. „Jetzt wird es langsam lächerlich.“ „Ruhe! Ausziehen!“ „Wenn Sie glauben, ich lasse mich von Ihnen begrapschen, haben Sie sich geschnitten!“, gab sie zurück und verschränkte die Arme. Dabei war Temari eine der wenigen, die in dieser lauen Nacht überhaupt eine dünne Herbstjacke trug. Toto packte seine Pistole beidhändig. „Runter mit der Jacke.“ „Nein!“ Es klickte, und plötzlich richtete Kakashi seine Pistole auf den Polizisten. „Es tut mir leid, aber ich bin mit Ihren Methoden nicht einverstanden. All diese Menschen hier haben in der letzten Stunde jemanden verloren, der ihnen wichtig war. Es ist natürlich, dass wir alle etwas gereizt sind. Sie machen es nur schlimmer. Sollten Sie schießen, schieße ich auch.“ Die Drohung hing wie kalter Rauch in der Luft. Toto biss sich auf die Lippe. Shikamaru sah plötzlich hinter ihm einen Schatten, aber noch ehe er eine Warnung ausstoßen konnte, quoll pure Schwärze die Treppe herunter und hüllte Toto ein. Der Polizist schrie, die anderen duckten sich für den Fall, dass sich ein Schuss löste. Die Taschenlampe polterte zu Boden und ging mit einem Klirren aus. Dann ertönte ein Ächzen. Eine schwarze Gestalt hockte auf Toto und drehte ihm den Arm auf den Rücken. Die Pistole hatte sie ihm entrungen. Kakashi nahm ihn sofort ins Visier. „Runter von ihm! Und weg mit der Waffe!“ „Nur die Ruhe, alter Freund“, kam eine bekannte Stimme unter der schwarzen Mütze hervor. Der Mann drehte das Gesicht, sodass ihre Smartphone-Lichter ihn erfassen konnten. „Sie?“, rief Chouji, während Shikamaru einfach nur perplex war. Niemand Geringerer als Asuma hatte Toto entwaffnet. Kakashi ließ die Pistole sinken, als er ihn erkannte, und Asuma richtete sich auf. Toto wimmerte und beschwerte sich, aber seine Waffe war er los. „Ich weiß nicht genau, was hier los ist, aber der Mann kam mir nicht geheuer vor. Ich behalte die Pistole, wenn es euch recht ist.“ Niemand hatte etwas einzuwenden, selbst die Straßengang nicht. „Was machen Sie hier?“, platzte Chouji heraus. „Dasselbe wie Kakashi, nehme ich an.“ Die beiden hatten schon öfters zusammengearbeitet, hatte Shikamaru gehört. „Ich dachte, ich greife euch unter die Arme. Ich zähle nicht als Polizei, also hatte ich vor, mich als Einbrecher zu tarnen. Habt ihr eure Freundin schon gefunden?“ Als er Sakura erwähnte, schwiegen die anderen betreten. Asumas Blick verdüsterte sich, als er die traurige Wahrheit erahnte. Sie tauschten nochmal Informationen aus. Asuma war über eine Leiter in den zweiten Stock geklettert – die Leiter war nicht seine eigene, also musste er Kakashis verwendet haben. Im Gegensatz zu dem Polizisten war er jedoch im zweiten Stock geblieben und hatte sich dort umgesehen. „Dabei habe ich die beiden hier getroffen. Ihr könnt jetzt runterkommen!“, rief er die Treppe hoch. Verblüfft starrten die Freunde nach oben. Der Lichtschein von zwei Taschenlampen flackerte, und zwei Männer trabten herab, die Gesichter eine Mischung aus Missmut und Neugier. Sasori und Deidara. „Ihr“, sagte Naruto düster. „Dann wären ja jetzt wirklich alle versammelt, die im La Grande waren“, stellte Shikamaru fest. „Ihr kennt sie also?“, fragte Asuma. „Sie haben im zweiten Stock herumgelungert, in der VIP-Lounge. Sie sagen, jemand hätte sie erpresst, herzukommen, und nun wüssten sie nicht, was sie tun sollten.“ „Erpresst ist ein so erniedrigendes Wort, hm“, meinte Deidara. „Sagen wir, es wurde uns empfohlen, mal im NeoMetropolis einzuchecken.“ „Der Porsche in der Garage“, erinnerte sich Shino. „Das wart also ihr.“ „War die Garage da noch leer?“, fragte Kakashi, und die beiden nickten. Sie waren also die Ersten gewesen. „Dann haben wir um zwei Verdächtige mehr“, stellte Sasuke kühl fest. „Verdächtige für was? Diese komischen Pfeilmarkierungen waren schon da, hm“, sagte Deidara. „Wir sind den Pfeilen nach oben gefolgt. Im zweiten Stock gibt es keine mehr davon, also haben wir dort haltgemacht. Ist das verboten? Warum seid ihr überhaupt hier?“ „In diesem Hotel sind in Summe vier Menschen gestorben“, sagte Kakashi düster. „Sie können sich ausrechnen, was verdächtig in diesem Fall bedeutet.“   Asuma hob die Hand. „Ja, bitte?“, fragte Sphinx. „Da ich wieder ins Dorf zurückkehren darf, eine Frage. Ist es nicht an der Zeit, uns zu sagen, welche Karten überhaupt mitspielen? Ich denke, es ist quasi unmöglich, alles richtig zu erraten, wenn man nicht weiß, wie viele Dorfbewohner mit und wie viele ohne Spezialfähigkeiten es gibt.“ „Das wollte ich Sie auch schon bitten“, sagte Kurenai nickend. „Hm.“ Der Spielleiter verschränkte die Arme. „Schön. Weil ihr alle so eifrig bei der Sache seid, gebe ich euch den Zwischenstand. Also, es sind insgesamt folgende Karten im Spiel: der Kultführer, die Zaubermeisterin, die Seherin, der Strolch, der Paranormale Ermittler, der Alte Mann, der Leibwächter, die Hexe, der Vampirjäger, der Trunkenbold, der Verfluchte, die Doppelgängerin, der Geist, der Harte Bursche, die Unruhestifterin, die Märtyrerin, der Priester, der Prinz und die Alte Vettel. Dann gibt es noch eine unbestimmte Anzahl von Vampiren und eine unbestimmte Anzahl von Werwölfen, wobei einer der Werwölfe das Wolfsjunge ist. Alle übrigen Spieler sind Freimaurer; gewöhnliche Dorfbewohner gibt es diesmal keine. Und natürlich haben wir wieder ein Liebespaar. Jetzt, nach dem zweiten Tag, sind noch zwanzig Spieler am Leben. War das ausführlich genug?“ Shikamaru kam kaum zum Mitschreiben, aber was er nicht gleich niederkritzeln konnte, merkte er sich zum Glück lange genug. Die anderen nickten. „Schön“, meinte Sphinx. „Dann bricht jetzt wieder die Nacht herein.“ - Der Hintere Bezirk, dritte Nacht - (2:25 Uhr) Nachdem Toto gezwungenermaßen seine Schießwut verloren hatte, machten sich die Freunde auf in den zweiten Stock, um das fehlende Fenster zu suchen. Vielleicht hatten sie ja doch Glück und die Leiter stand noch dort. Es war die letzte Möglichkeit, das Hotel zu verlassen. Während sie die enge Treppe des Personalaufgangs erklommen, waren die Freunde bedrückt. Jetzt, als es keine unmittelbare Gefahr mehr gab, schlug die Müdigkeit zu, die aber immerhin die Trauer um ihre verlorenen Freunde dämpfte. Es war eine schleichende Prozession, die sich da durch das Stiegenhaus wand. Der zweite Stock sah aus wie der erste, wenn man Temari glauben durfte. Es gab zwei Flügel, in denen Gästezimmer untergebracht waren, und im hinteren Bereich, in den die Treppe durch eine doppelte Flügeltür mündete, einige weitere, exklusivere Zimmer sowie die VIP-Lounge. Dort lagen aufgerissene Chipstüten herum, und geöffnete Bierflaschen standen auf dem Tisch. Daneben stapelten sich einige Plastikbecher. „Habt ihr das alles mitgebracht?“, fragte Kakashi Deidara und Sasori. „Haben wir in einem Lagerraum gefunden“, meinte Deidara achselzuckend „Das Haltbarkeitsdatum war noch okay.“ Naruto kam das ein wenig merkwürdig vor, aber er wollte nicht mehr darüber nachdenken. Sein Kopf  fühlte sich mehr und mehr wie mit Watte gefüllt an. Kakashi brachte sie in den rechten Flügel. Dort im Gang war es kalt. Das Fenster ganz am Ende fehlte, als hätte jemand vergessen es einzubauen. Asuma warf einen Blick hinaus. „Sieht schlecht aus“, murmelte er. Naruto beugte sich ebenfalls etwas vor. Die Leiter lag unten am Boden. Es war fraglich, ob ein Windstoß sie umgerissen hatte, viel eher glaubte er an Sabotage, wie sie sie schon zweimal erlebt hatten. „Also sitzen wir hier wirklich fest?“, fragte Hinata ängstlich. Naruto hätte gern etwas Aufmunterndes erwidert, brachte aber kein Wort über die Lippen. „Das muss jemand von euch gewesen sein!“, sagte Toto und deutete auf Deidara, Sasori und Asuma. „Fangen Sie schon wieder an?“, knurrte Naruto. Er hatte die Nase voll von dem Kerl. „Wir sollten die Nerven behalten“, sagte Shino. „Jemand hatte die Idee, ein Seil aus Betttüchern zu machen, richtig? Wir könnten uns aus dem Fenster abseilen.“ „Negativ“, sagte Deidara. „Wir haben uns umgesehen. In keinem der Zimmer ist noch irgendwas Brauchbares. Die haben nur die Matratzen drinnen gelassen. Die Vorhänge sind auch weg.“ „Nur in der Lounge gibt es noch welche“, sagte Sasori. „Allerdings sind die so dünn, dass sie bei der geringsten Belastung reißen würden.“ „Na toll. Und wenn wir unsere Klamotten zusammenbinden?“ Naruto betrachtete seine Freunde. Da die Nacht unnatürlich warm für diese Jahreszeit war, hatten die meisten nur ein Shirt an. Einzig Kakashi, Temari und Gaara trugen leichte Windjacken. Hinata besaß eine warme Daunenjacke und Shino trug wie immer ziemlich schwere Kleidung. Ob das reichen würde? Die Toten wollte er auf keinen Fall anrühren. „Vergiss es“, sagte Temari. „Wir sind hier im zweiten Stock, und knapp neben der Mauer geht es runter bis in die Etage mit der Garage. Der Hang, der auf normale Höhe führt, ist einen Meter von der Hauswand entfernt. Das heißt, wir müssten uns fast vier Stockwerke weit abseilen.“ Sie maß Toto mit einem finsteren Blick. „Und der Nächste, der mir sagt, ich soll mich ausziehen, den köpfe ich sowieso.“ „Ach was?“, meinte Tayuya zuckersüß. „Es geht hier um unsere Freiheit. Hast du was zu verbergen, Schwester?“ „Wenn du mich so fragst, ja. Im Gegensatz zu dir, wie man sieht“, giftete Temari zurück. „Das reicht jetzt“, sagte Kakashi forsch. „Es muss noch eine Möglichkeit geben, bei der wir uns nicht den Hals brechen. Richten wir uns in der Lounge ein und überlegen, was wir tun können.“   „Übrigens, vergessen wir nicht, dass nun die dritte Nacht ist. Der Trunkenbold erwacht, wird nüchtern und erinnert sich daran, wer er eigentlich ist. Ich zeige dir die Karte mit deiner wahren Persönlichkeit, die du jetzt annimmst. Wenn du die Regelkarte studieren willst, tu das nicht zu auffällig, ja? Dann zeige mir, was du tun willst.“ Der Trunkenbold also. Shikamaru grübelte mit geschlossenen Augen. Einer von ihnen war scheinbar ein normaler Dorfbewohner gewesen, aber nun war er ausgenüchtert und hatte quasi seine wahre Bestimmung erfahren. Und es war jemand, der sofort im Raum umherzeigen musste, damit Sphinx erfuhr, wen er auswählen wollte. Der Spielleiter hatte in der ersten Nacht alle Figuren gerufen, die einmalig aufwachten, aber das war sicher nur eine Finte gewesen. Bei einem von ihnen hatte niemand die Augen geöffnet, und Sphinx hatte nur so getan, als würde er die Entscheidung dieser Figur zur Kenntnis nehmen. Wenn der Betrunkene aber in Wahrheit zum Beispiel die Seherin war, würde Sphinx sie ganz normal aufrufen, wie jede Nacht. Dass der Betrunkene ihm jetzt zeigen sollte, was er tun wollte, konnte nur bedeuten, dass Sphinx das anders nicht rausfinden konnte, also dass es eine Figur war, die genau einmal im Spiel – und üblicherweise am Anfang – aufwachte. Im Geiste ging Shikamaru diese Figuren durch. Es gab genau zwei davon.   (2:45 Uhr) Die VIP-Lounge im zweiten Stock war groß und gemütlich. Sie konnte die zwanzig Menschen dennoch nur knapp beherbergen – es gab zwar weiche Stoffsesseln und eine breite Couch, die sich um ein hübsches Glastischchen wand, aber es waren zu wenige Sitzplätze für alle. Die Lounge befand sich hinter einer milchigen Glaswand, etwas abgeschirmt vom Rest des Hotels, und es gab auch hier eine schmucke Bar aus dunklem Teakholz und dahinter leere Spirituosen-Regale. Der Boden war mit dunklen Teppichen ausgelegt, Mini-Kronleuchter hingen von der ebenfalls dunkel getäfelten Decke herab. Vor die Fenster konnte man die leichten, dünnen Vorhänge ziehen, von denen Sasori erzählt hatte und deren Rotton bereits am Verblassen war. Alles in allem hätte man hier sicherlich ein hübsches Ambiente. Allerdings gab es auch hier kein Licht. Kakashi musste sie extra bitten, damit Sasori und Deidara ihre Taschenlampen zur Verfügung stellten und sie so auf niedrigen, wohl für Blumen gedachten Beistelltischen drapierten, dass die Sitzgelegenheiten wenigstens ein wenig Licht erfuhren und die Freunde die Akkus ihrer Smartphones schonen konnten. Naruto wollte sich gar nicht vorstellen, was passierte, wenn diese zuneige gingen und sie hier in völliger Finsternis hockten. Speziell in den Fluren würde das Mondlicht nicht reichen. Toto besaß ebenfalls eine starke Taschenlampe, doch die war bei seinem Gerangel mit Asuma kaputtgegangen. Auf eigene Faust durchsuchten sie noch einmal die Lounge. Die Bar war fast leergeräumt, nur in einem kleinen Schrank standen Flaschen und Schachteln mit Resten von Putzmitteln und Geschirrtüchern. Im hinteren Bereich der Lounge gab es Toiletten. Da die Bierflaschen nicht für alle reichten und sie bei dem Anblick merkten, wie durstig sie waren, rangen sich die Freunde durch, mit den Bechern das stehende Wasser aus den Spülkästen zu schöpfen. Es war recht sauber, wenn auch brackig. Kakashi versuchte wiederholt zu telefonieren, Temari, Ino und Kiba probierten ebenfalls alles Menschenmögliche mit ihren Smartphones aus, jedoch hatte immer noch keiner von ihnen ein Netz oder einen Zugang zum Internet. Einige Eifrige unter ihnen diskutierten bereits, was sie nun tun konnten. Naruto beteiligte sich nicht daran. Er saß neben Sasuke, der offensichtlich vor sich hingrübelte. „Was überlegst du?“, fragte er, um irgendetwas zu sagen und sich abzulenken. „Ob wir an alles gedacht haben.“ „Hä?“ Sasuke sah ihn nicht an und sprach mit gesenkter Stimme. Sonst schien ihnen niemand zuzuhören. „Jemand hat Sakura entführt, uns alle hergelockt und sie umgebracht. Ich glaube nicht mehr, dass wir irgendein Abkommen gebrochen haben oder dass es Kakashis oder Totos Schuld ist. Der Mörder wollte Sakura so oder so töten. Aus Rache für Kidoumaru.“ „Aber weswegen sollte er ausgerechnet Sakura umbringen? Sie hatte doch damit nichts zu tun!“ Sasuke lächelte leise, aber es wirkte nicht fröhlich. „Du weißt wenig über Rache. Sie kann schon mal verschlungene Wege gehen. Ich vermute, weil wir alle im La Grande waren, hat der Mörder einen Groll gegen uns alle. Er will uns alle töten. Und das bedeutet, es ist sicherlich mehr als einer.“ „Das lässt sich ja wohl nicht mehr leugnen“, murmelte Naruto. „Sakon wurde von drei Leuten zusammengeschlagen. Einer davon war Kidoumaru. Der wurde aus dem Verkehr gezogen. Die anderen haben geplant, uns alle hier einzusperren. Kimimaro hat das Garagentor geschlossen und den Kontrollraum demoliert. Ich wette, die Polizei würde seine Fingerabdrücke auf der Feuerwehraxt finden. Ich kann dir sogar noch einen Beweis nennen. Wie hätte der Täter sonst von Kidoumarus Schicksal erfahren sollen, wenn er nicht direkt an der Quelle säße?“ „Hm. Aber … Ach so, du warst ja nicht dabei. Tayuya hat Sakura angerufen und sich bedankt. Es war ziemlich offensichtlich, dass sie etwas Schlimmes mit Kidoumaru angestellt haben.“ „Verstehe.“ Sasuke musterte finster die Rothaarige, die eben lautstark mit Jiroubou stritt. „Also wussten noch mehr Leute davon.“ „Kimimaro ist ja jetzt tot“, nahm Naruto den Faden wieder auf. „Ja. Somit haben sie vielleicht noch einen Mitstreiter. Es kann sein, dass er gar nicht hier ist. Es kann aber auch sein, dass er sich noch irgendwo im Hotel versteckt – oder dass er einer von uns ist.“ Naruto bekam eine Gänsehaut. „Aber wieso sollte einer von uns … Wenn, dann ist es noch einer von dieser Gang!“ „Denk an Kankurou“, erinnerte ihn Sasuke. „Keine Ahnung, was in seinem Kopf vorgegangen ist, aber er hat uns ganz schön an der Nase rumgeführt.“ Naruto schwieg. „Da ist noch etwas, das mich stört“, erwiderte Sasuke. Täuschte sich Naruto, oder sprach er nun noch leiser als ohnehin schon? „Die Art, wie er Tenten hingerichtet hat. Es kann mir keiner erzählen, dass das nicht mit irgendeinem okkulten Unsinn zu tun hat. Noch dazu diese Botschaft von Hidan, dass Jashin zwei Opfer gewählt hätte. Es hat schon bei Hidan selbst angefangen.“ „Meinst du, man will die Morde diesem Jashin in die Schuhe schieben?“ „Schön wär’s. Ich vermute, es ist andersherum. Jemand mordet extra für Jashin. Irgendein fanatischer Spinner. Und ich glaube, auch Kankurou war nicht allein. Allein macht so etwas niemand.“ „Du … du meinst also, es gibt irgendeine … Sekte, die Jashin Opfer bringt?“ „Ich habe die Aufzeichnungen von meinem Bruder durchgesehen. Kurz vor seinem Tod hatte er es mit etlichen rituellen Morden zu tun, bei denen die Opfer ähnlich zugerichtet wurden wie Hidan und Tenten. Ein Serienmord im Dienste eines Dämons, so hat Itachi es bezeichnet. Er starb, bevor er mehr herausfinden konnte.“ „Das mit deinem Bruder … tut mir übrigens leid“, murmelte Naruto betreten. „Spar dir das.“ Sasuke sog kräftig an seiner Zigarette. Wenn er so weitermachte, hatte er seine Packung bald aufgeraucht. Wie als Antwort auf diesen Gedankengang, hustete er plötzlich. Naruto bemerkte Schweißperlen in seinem Gesicht und runzelte die Stirn. „Itachi war diesen Kerlen jedenfalls auf der Spur, und er glaubte auch, dass es mehrere sind.“ „Dann würde ich sagen, dieser Hidan und seine Band sind verdächtig!“ „Nicht unbedingt. Jashin ist nicht einfach nur deren Kunstfigur. Er ist ein echter, mythologischer Dämon – sofern so was echt sein kann. In unseren Breitengraden wurde er schon von etlichen Sekten verehrt. Und eine davon begeht nun in seinem Auftrag Morde an unseren Freunden.“ Naruto blies die Backen auf und ließ sich in seinen Sessel sinken. Da war alles dubioser, als er geahnt hatte … In dem Moment kam Ino zurück, die sich wieder einigermaßen gefangen hatte. Sie war in jede Ecke der Lounge gegangen, mit ihrem Smartphone in der Hand. „Keine Chance. Nirgendwo Empfang.“ „Das ist echt seltsam.“ Shikamaru kratzte sich am Kinn. „Die Sendemasten reichen ja auch bis außerhalb der Stadt. Wieso sollte gerade hier ein Funkloch sein?“ Er hatte das Notebook aus dem Laden mitgenommen und werkte damit herum. „WLAN gibt es hier auch nirgendwo welches. Das wundert mich zwar weniger, aber das mit dem Handynetz ist schon merkwürdig.“ Sie versuchten es im Endeffekt alle noch einmal, aber keiner von ihnen kam irgendwo durch. „Hast du eine Erklärung dafür?“, fragte Asuma Shikamaru. Dieser seufzte und verschränkte die Arme im Nacken. „Ich habe eine Theorie, aber sie muss nicht stimmen. Es gibt da so Geräte, Störsender quasi. Richtig eingesetzt, können die unseren Empfang blockieren. Vielleicht hat auch jemand einen WiFi-Jammer aufgestellt.“ „Und wo könnten diese Geräte sein?“ „Tja, gute Frage. Ich habe keinen Tau, wie weit so etwas reicht. Aber wenn die Täter auf Nummer sicher gehen wollten, dann haben sie sie sicher irgendwo im Hotel versteckt. Wenn wir sie ausschalten, können wir womöglich wieder Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen und Hilfe anfordern.“ „Das heißt, wir dürfen hier, in einem nachtfinsteren Hotel, eine Schnitzeljagd veranstalten?“, fragte Kiba wenig begeistert. „Es ist nur eine Theorie“, wiederholte Shikamaru. „Es kann auch sein, dass wir hier wirklich zufällig in einem Funkloch oder so ähnlich sind.“ „Da glaube ich lieber an so einen Jammer“, sagte Temari trocken. „Die Frage ist, wie suchen wir danach? Sollen wir uns lieber aufteilen? Sonst dauert es ja ewig.“ „Aufteilen halte ich für eine schlechte Idee, solange wir nicht wissen, ob sich noch jemand in diesem Hotel versteckt“, sagte Kakashi.   „Es gilt dasselbe wie in den Runden zuvor: Die Doppelgängerin weiß selbst, wenn derjenige, den sie kopiert hat, gestorben ist. Falls das der Fall ist, öffnet sie nun die Augen und ich zeige ihr die Karte, die diese Person hatte. Dann nimmt sie deren Identität an. Kommen wir zu den Schutz-Charakteren.“   „Vielleicht geht es in Ordnung, wenn wir uns in zwei Gruppen aufteilen“, sagte Asuma. „Wir haben zwei Pistolen, aber wir sind so viele, dass wir nicht auf alle gleichzeitig aufpassen können. Die Mehrheit sollte hier in der Lounge bleiben. Sie hat nur einen Eingang, sollte also relativ sicher sein, und sie kann mehrere Leute aufnehmen.“ „Gute Idee“, sagte Kakashi. „Währenddessen durchkämmt eine zweite Gruppe das Hotel und sucht den Störsender. Das werden wir beide machen.“ Er nickte Asuma zu. „Da wir nur zwei Waffen haben, sollten wir kein Risiko eingehen. Wir lassen eine hier bei euch.“ „Dann wird es Zeit, dass ich meine Pistole wiederbekomme.“ Toto schmollte. Kakashi überlegte nicht lange. „Tut mir leid, aber ich möchte Sie heute nicht mehr mit einer Waffe in der Hand sehen.“ Sein Blick glitt kurz über Sasuke und Naruto, dann sagte er: „Shikamaru. Ich gebe sie dir.“ „Muss das sein?“ Shikamaru nahm die Pistole mit spitzen Fingern entgegen. „Ich bin nicht gerade erpicht drauf, zu schießen.“ „So weit kommt es hoffentlich nicht.“ Kakashi deutete auf die Milchglastür. „Behaltet einfach die Tür im Auge. Wenn ihr dahinter Licht seht, seid wachsam. Wenn wir es sind, klopfen wir dreimal gegen das Glas.“ „Wir beeilen uns“, fügte Asuma hinzu. „Shikamaru, wie sieht so ein Störgerät aus?“ „Keine Ahnung. Ich hab nur mal davon gehört. Irgendwas typisch Technisches vermutlich.“ Er zuckte die Achseln. „In diesem kahlen Hotel wird’s vielleicht eh auffallen.“ „Wohin geht ihr?“, fragte plötzlich Neji, als Asuma und Kakashi sich aufrichteten. Seit sie in der Lounge angekommen waren, hatte er mit düsterer Miene und düsterem Ton mit Lee gesprochen. Es hatte nicht so ausgesehen, als ob man auf die beiden in dieser Nacht noch zählen könnte. Neji schien vor allem Tentens Tod so nahezugehen, dass er in stiller Trauer fast sämtliche Lebenszeichen seinerseits unterdrückte und wie eine wandelnde Leiche wirkte. Lees Augen waren gerötet. Schon seit sie Sakura gefunden hatten, hatte er immer wieder geweint und sich Vorwürfe gemacht. Jetzt schienen sie sich beide etwas gefangen zu haben. Kakashi erklärte Neji noch einmal, was sie vorhatten. „Ich komme mit“, beschloss dieser. „Ich werde etwas zu unserem Überleben beitragen. Sonst werde ich wahnsinnig.“ Er sprach wieder distanziert und berechnend, so sachlich, als ginge es ihn nichts an, aber allein so ein Geständnis bedeutete von ihm eine Menge. Seine Entschlossenheit ließ Kakashi und Asuma zögern. „Wir beide sind im Schleichen vermutlich besser geübt …“, begann Asuma. „Ich betreibe Kampfsport. Da lernt man Ruhe und Selbstbeherrschung. Und ich kann zuschlagen, wenn es sein muss.“ Nach einigem Hin und Her erweichte sie seine Beharrlichkeit. Kakashi reichte ihm seine dunkle Jacke, damit sein helles Hemd nicht so sehr auffiel. Ehe sie gingen, wandte sich Neji noch einmal an Lee. „Kommst du klar?“ „Ja.“ Lees Augen funkelten wieder. „Du hilfst suchen, und ich passe hier auf alle auf. Ich werde nicht zulassen, dass irgendjemandem hier etwas passiert, das schwöre ich!“ Er wollte nun also in die Beschützerrolle schlüpfen. Das konnte nur heißen, dass es mit ihm wieder bergauf ging. Gebückt und erst mal ohne Licht schlichen Kakashi, Asuma und Neji aus der Lounge. Sie würden noch einmal das erste, dann dieses hier und danach die darüberliegenden Stockwerke durchsuchen. Niemand wusste, wie lange das dauern konnte, aber sie hatten vereinbart, sich in spätestens zwei Stunden zu melden. „Und wenn wir Glück haben, telefonisch“, hatte Asuma gesagt. Danach gab es nicht viel für die Leute in der Lounge zu tun. Sakon, Jiroubou und Tayuya hatten sich in einer Ecke nahe der Bar zusammengerottet. Sasori und Deidara hatten ein paar Chipspackungen geöffnet, die auf den Tischen lagen, aber niemand sonst rührte sie an. „Wir können euch zeigen, wo wir sie herhaben“, sagte Deidara mampfend. „Vielleicht finden wir da noch mehr.“ „Wir sollten nicht unnötig herumstreunen“, sagte Shino, und niemand hatte etwas anzufügen. Toto ging unruhig in der Lounge auf und ab; ihn schien irgendetwas zu beschäftigen. Wahrscheinlich seine Pistole, die Shikamaru schließlich an Chouji weitergereicht hatte. Dieser beobachtete die Tür, während Shikamaru versuchte, etwas über das Notebook in Erfahrung zu bringen. Dabei behielt er streng Akkustand und Uhr im Auge. Es war kurz vor halb vier, und das Notebook hatte laut Anzeige noch für etwa eine Stunde Strom. Er musste sich also beeilen. „Shikamaru“, sagte Chouji irgendwann, während er sich durch die Ordnerstrukturen wühlte. „Hm?“ Sein Freund deutete wortlos auf Temari, die sich in der anderen Ecke des Raumes auf den Teppichboden gekauert, die Füße angezogen und das Gesicht in den Händen vergraben hatte. Shikamaru hätte ihr gerne Trost gespendet. Nicht nur, dass ihr Bruder tot war, es sah auch ganz so aus, als hätte er jemanden aus ihrer Clique ermordet. Shikamaru hatte leider keine Ahnung, was er zu ihr sagen sollte. Hilfesuchend sah er sich im Raum und entdeckte Gaara, der mit verschränkten Armen an der Wand stand und Shikamarus Blicke verfolgt hatte. Er nickte zum Zeichen, dass er verstand, und ging langsam zu Temari, um mit ihr zu reden. Vielleicht mussten die Geschwister ohnehin erst mal unter sich sein. Die Straßengang machte sich irgendwann daran, die Bar zu durchsuchen. Als sie nichts fanden, reichte Deidara ihnen grinsend eine Packung Chips, die sie ihm schließlich unfreundlich aus der Hand und aufrissen. Sasuke saß schweigend in einem Sessel, rauchte, als wollte er unbedingt noch heute an Lungenkrebs sterben, und schien etwas auf seinem Handy zu betrachten. Er sah nur auf, wenn jemand an ihm vorüberging, als täte er etwas Verbotenes. Kiba versuchte Ino aufzuheitern, bekam aber nur einsilbige Antworten auf seine halbherzigen Witze. Auch Chouji versuchte sie in ein Gespräch zu verwickeln, da sie nach wie vor furchtbar aussah. Lee beäugte die Glastür mit eiserner Gewissenhaftigkeit. Hinata zog Naruto irgendwann in Richtung der Toiletten, die von der Lounge aus erreichbar waren. Shikamaru konnte nicht hören, was sie zu ihm sagte, aber vermutlich sollte er vor ihrer Kabinentür warten. Als sie die Lounge betreten hatten, hatten sie auch die Toiletten nach versteckten Feinden abgesucht, aber wenn sie sich so sicherer fühlte … Shikamaru wandte sich wieder seinen Daten zu. „Schon etwas gefunden?“, fragte Shino, der neben ihm saß. „Nichts“, seufzte Shikamaru. „Das Notebook scheint brandneu zu sein. Keine Programme außer die üblichen sind drauf, nichts ist personalisiert, und der einzige Benutzer ist der Administrator.“ „Dachte ich mir“, meinte Shino. „Warum? Weil es zu schön gewesen wäre.“ „Du sagt es“, meinte er mit einem neuerlichen Seufzen.   Naruto war mit Hinata von der Toilette zurückgekommen und hatte sich erschöpft wieder in seinen Sessel gesetzt. Hinata saß nun neben ihm und hielt seine Hand fest. Mit einem Mal spürte er die Müdigkeit wie einen Hammer auf sich herabfahren. Es dauerte nicht lange, da wurden seine Gedanken träge und er döste ein. Er erwachte, als Sasuke ihm sachte gegen das Schienbein trat. „W-was?“, murmelte er verschlafen und sah sich nach einer Bedrohung um. „Der rothaarige Kerl, der aussieht, als wäre er high. Sag mir noch mal, wie er heißt.“ „Ähm … Sasori, glaube ich. Wieso?“, fragte Naruto verwirrt. Was sollte das plötzlich? „Was weißt du über ihn?“ „Hm …“ Naruto runzelte die Stirn, als er angestrengt nachdachte. „Warst du nicht … Ach so, du warst gerade an der Bar, als Temari es uns erzählt hat.“ „Was für eine Bar?“ „Wir haben ihn im Twilight schon getroffen.“ „Tatsächlich?“ Sasukes Miene hellte sich interessiert auf. „Ja, äh … Also laut Temari haben sie früher mal in seiner Nähe gewohnt. Er hat da einen Spielzeugladen gehabt. Und sie haben getuschelt, dass er krumme Geschäfte dreht.“ „Hm.“ Sasuke schien nachdenklich. „Also kannten Gaara und seine Geschwister ihn. Von euch kannte ihn niemand, oder?“ „Nein, wieso?“ „Egal“, winkte Sasuke ab. „Vergiss es einfach.“ „Na dann.“ Naruto war zu schläfrig, um noch lange darüber nachzudenken. Es dauerte nicht lange, dann dämmerte er wieder weg.   (3:40 Uhr) Shikamarus Augen brannten vor Müdigkeit, als sich an der Bar der Lounge ein kleiner Tumult erhob. Jemand stöhnte laut. Als Shikamaru aufsah, bemerkte er, dass Sakon auf dem Boden zusammengesunken war, die Stirn schweißglänzend und kreideweiß im Licht der Taschenlampen. „Ist mir egal!“, sagte Tayuya eben zu Shino, der mit ein paar anderen zu ihnen gegangen war. „Wenn da tatsächlich welche sind, holen wir sie uns!“ „Du kannst ja gar nicht wissen, ob die Kammer nicht auch komplett ausgeräumt ist!“, sagte Kiba. „Sei doch mal vernünftig! Deine anderen Freunde hast du ja auch einfach abserviert.“ Tayuya sah ihn mit blitzenden Augen an. „Also schön, wenn du verantworten willst, dass er stirbt, bitte!“ „Niemand stirbt hier“, sagte Sasuke, der von seinem Sessel aufgestanden war. Naruto war ebenfalls wieder wach und taumelte ein wenig unbeholfen hinter ihm her. „Schmerzen bringen einen nicht um.“ „Lass ihn doch einfach schreien, hm“, schlug Deidara vor. „Ist doch sicherer, als rauszugehen.“ „Hast du Angst, rauszugehen?“, fragte Tayuya spitz. „Was ist denn hier los?“, mischte sich auch Temari ein. Shikamaru trat nun ebenfalls näher. „Unser Freund ist schon viel zu lange hier. Eigentlich gehört er ins Bett“, erklärte Jiroubou. „Er hat ein Loch im Bauch!“, behauptete Tayuya. „Dieser Quacksalber hat ihn ein wenig zusammengeflickt, aber wir sind einfach schon zu lange auf den Beinen! Die Schmerzmittel haben nachgelassen, und ich halte das Gestöhne nicht aus!“ „Wir haben, als wir angekommen sind, auch den dritten Stock ein wenig durchsucht“, berichtete Sasori. „Es gibt dort eine Erste-Hilfe-Kammer.“ „Also ein Geschoss über uns“, sagte Shikamaru. „Sind da noch Medikamente drin?“ „Wir haben nicht nachgesehen.“ „Was bringt ihr ihn auch mit!“, sagte Naruto. „Es wäre besser für ihn gewesen, zuhause zu bleiben!“ Tayuya starrte ihn böse an. „Unser Zuhause kann leider jederzeit von einer anderen Gang gestürmt werden. Dann wäre erstens unser Ruf hinüber und zweitens auch Sakon.“ „Nur die Ruhe“, sagte plötzlich Toto. „Wir regeln das schon. Bis in den dritten Stock ist es nicht weit. Wir holen ihm seine Schmerzmittel, und alles ist gut.“ „Sie wollen doch nur ihre Pistole zurück“, sagte Kiba misstrauisch. „Nein, ich meine es so, wie ich sage.“ Er sah betreten zu Boden und knetete die Hände. „Als Polizist bin ich ein Versager. Das war schon immer so. Ich muss wenigstens das schaffen. Sonst werd‘ ich mir ewig Vorwürfe machen, selbst wenn ich in Rente bin.“ „Mir sind deine Komplexe sowas von schnuppe. Ich gehe jetzt jedenfalls in den dritten Stock“, verkündete Tayuya und sah Shikamaru an. „Die Knarre wirst du mir ja wohl nicht geben, oder?“ „Bedaure.“ Sie schnaubte. „Auch gut. Jiroubou, du bleibst bei Sakon. Ich traue diesen Typen nicht.“ Der Dicke nickte. „Du da. Hackfresse.“ Sie deutete auf Sasori. „Du gehst mit und zeigst mir den Weg.“ „Sasori“, sagte er mit einem leicht genervten Lächeln. „Wie auch immer.“ „Es wäre gut, wenn ihr trotzdem die Pistole mitnehmen würdet“, sagte Shino. „Warum? Man kann nie wissen. Wir können uns hier verbarrikadieren, aber dort draußen in den Fluren seid ihr sonst ungeschützt.“ Shikamaru kam es plötzlich so vor, als trüge er nun die Verantwortung. Die Sache gefiel ihm immer weniger. Sowohl Toto als auch Tayuya und Sasori sahen ihn erwartungsvoll an. Er musste sie aufhalten. Die Sache war einfach viel zu riskant … Auf der anderen Seite war nicht gesagt, dass dort draußen jemand lauerte … Nein, es war andersrum. Es war nicht gesagt, dass dort niemand lauerte. Tayuyas Augen blitzten. „Versuch gar nicht erst, mich aufzuhalten. Von so ‘nem Muttersöhnchen wie dir lasse ich mir nämlich gar nichts sagen.“ Er konnte sie wohl höchstens mit Gewalt davon abhalten. Und dann hätte er zumindest den massigen Jiroubou gegen sich … Und was, wenn Tayuya dort im Finsteren ihr eigenes Ding drehen wollte? Der Gedanke kam ihm ganz plötzlich. Sie und Sasori waren alles andere als vertrauenswürdig; was, wenn sie Asuma und die anderen irgendwie anfielen? „Will … sonst noch jemand mitgehen?“, fragte er. Dem man trauen kann?, fügte er in Gedanken hinzu. „Wenn du willst, gehe ich mit“, sagte Shino. „Dann kannst du dich weiter um das Notebook kümmern.“ Shikamaru glaubte nicht, dass er etwas aus der Kiste rausbekommen würde, aber er hatte keine Lust, mit der Waffe in der Hand durch dunkle Gänge zu spazieren. „Einverstanden.“ Chouji reichte Shino Totos Pistole. „Dann gehen wir auch mit“, sagte plötzlich Temari. Sie funkelte ihren Bekannten an. „Wir trauen ihm nämlich nicht.“ Shikamaru rollte mit den Augen, und sie bemerkte es. „Was denn? Sasori ist eine zweifelhafte Person, findest du nicht? Wenn keiner auf ihn aufpasst, schnappt er sich noch die Waffe.“ „Du verkennst mich“, sagte Sasori. Sein Lächeln nahm eine bittere Note an. „Und für Tayuya gilt dasselbe. Und für Toto auch. Nichts für ungut. Shino wird Unterstützung brauchen. Gaara und ich kommen mit.“ Und damit war das entschieden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)