The Wolves among us von UrrSharrador ("Die Werwölfe erwachen. Sie wählen ihr heutiges Opfer ... Die Werwölfe schlafen wieder ein." [Video-Opening online]) ================================================================================ Kapitel 19: La Grande Faucheuse ------------------------------- ~ 19 ~ - Der Hintere Bezirk, erster Tag -   Sasuke wurde viel zu früh aus einem verkaterten Schlaf gebimmelt, als sein Handy läutete. Verschlafen setzte er sich auf. Kiba am anderen Ende des Zimmers schnarchte noch, als könnte nichts seine Nachtruhe erschüttern. Da er in Unterwäsche schlief, musste Sasuke erst seine Hosentaschen nach seinem Handy durchsuchen. Stirnrunzelnd betrachtete er das Display. Kakashi Hatake rief ihn an. Ein Arbeitskollege seines Bruders, den er und einige andere aus der Clique zufällig auch privat recht gut kannten. Was konnte er nur wollen, um diese Uhrzeit? Sasuke nahm den Anruf entgegen und meldete sich mit heiserer Stimme. „Ja?“   Das Hotel bot selbstredend keine Frühstückspension oder ähnlichen Luxus. Tenten und Sakura waren die Ersten, die irgendwann gegen zehn Uhr aufstanden, den versprochenen Trip zur Polizeistation machten und auf dem Rückweg Frühstück für alle einkauften. Tenten berichtete dem Polizeiposten alles, was sie gehört und gesehen hatte. Der alte Beamte war nicht unfreundlich, aber er wirkte etwas durch den Wind. Er versprach, sich um alles zu kümmern. Sakura sprach Tenten zuliebe die Sache mit dem Personenschutz an, doch letztlich meinte Tenten selbst, dass das wohl eine übertriebene Vorsichtsmaßnahme wäre. Immerhin wäre sie immer mit ihren Freunden unterwegs, und die waren eine beachtlich große Gruppe. Als sie mit Croissants und kannenweise Coffee-To-Go ins La Grande zurückkamen, schliefen die meisten anderen noch. Es dauerte bis nach Mittag, ehe alle wach wurden. Die meisten waren dankbar über das Frühstück, einigen lag der gestrige Abend noch schwer im Magen. Temari weigerte sich sogar aufzustehen, also blieben die Freunde vorerst in ihrem Stockwerk, das sie für sich allein hatten. Die Stimmung war so trübe, wie nach einer durchzechten Nacht zu erwarten gewesen war, dabei hatten sie gar nicht so viel getrunken. Die Betten waren aber auch alles andere als bequem gewesen. Kiba war einer der Letzten, die mit verquollenen Augen, ein „Morgen“ krächzend, aus ihrem Zimmer kamen. Nachdem er sich seine Ration des verspäteten Frühstücks abgeholt hatte, fragte er: „Hat jemand Sasuke gesehen?“ „Schläft er nicht noch?“, fragte Sakura. „Jetzt wo du es sagst, es wäre ungewöhnlich, wenn er so lange pennen würde“, stellte Naruto fest. Kiba runzelte die Stirn. „Sein Bett ist jedenfalls leer. Als ich aufgewacht bin, war er schon fort.“ Alarmiert sahen die anderen einander an. „Hat er irgendwas dagelassen? Oder ist er mit all seinen Sachen fort?“, fragte Shino. Sein Zimmernachbar zuckte mit den Schultern. „Nichts mehr da. Sein Bett hat er nicht gemacht.“ „Denkt ihr … es ist ihm etwas zugestoßen?“, fragte Hinata vorsichtig. „Der Typ von gestern, auf der Feuerleiter!“, rief Tenten aus. „Ich hab’s ihm gesagt, oder? Der hat uns erkannt!“ „Langsam, langsam.“ Shikamaru bohrte mit dem Finger in seinem Ohr und gähnte. „Noch ist nichts bewiesen. Kiba, war eure Zimmertür abgeschlossen?“ „Ähm … In der Nacht, meinst du? Glaub schon … Keine Ahnung“, gab Kiba zu. Natürlich war er für so etwas zu betrunken gewesen. „Sasuke war doch schon immer ein Einzelgänger“, sagte Kankurou. „Sicher, dass er nicht einfach selbst einkaufen gegangen ist?“ „Unten im Erdgeschoss gibt’s eine Überwachungskamera, oder?“, fragte Tenten. „Wir lassen uns die Bänder zeigen, dann sehen wir ja, ob er aus freien Stücken rausgegangen ist oder nicht.“ „Tut nicht gleich so, als wäre das hier irgendein Verbrecherghetto“, wiegelte Sakura ab. „Es ist der Hintere Bezirk, ja, aber das muss doch nicht heißen …“ Die Blicke, denen sie begegnete, sprachen Bände. Sie verstummte. „Was ist denn los?“ Temari schleppte sich mit dunklen Augenringen auf den Flur. „Na, auch schon wach?“, fragte Shikamaru. „Ich bin auch verwundert, dass du vor mir aufgestanden bist“, sagte sie trocken. „Ich geh jetzt nach unten und frage nach dem Überwachungsband“, sagte Tenten resolut und wollte davonstapfen. „Da hab ich eine bessere Idee.“ Sakura fischte schwungvoll ihr Handy heraus. „Oh“, machte Tenten. Von den anderen kam verhaltenes Gelächter. Die meisten hatten offenbar wirklich nicht daran gedacht, Sasuke einfach anzurufen. Sakura wählte und hob das Handy zu ihrem Ohr. Die Spannung war wie mit den Händen zu greifen. Je länger Sakura nichts sagte, desto unruhiger wurden alle. Tenten mahlte mit den Zähnen, ohne es zu merken. Schon fragte sie sich, ob sie nicht doch hätte Polizeischutz beantragen sollen – nein, sie durfte jetzt nicht so selbstsüchtig sein! „Hebt nicht ab“, murmelte Sakura schließlich und ließ Tentens schlimmste Befürchtungen wahr werden. „Scheiße.“ Naruto trat gegen die Wand. „Wo ist er nur einfach hingegangen?“ Tenten biss sich auf die Unterlippe und machte den Mund auf, um eine Vermutung zu äußern. In dem Moment piepte Sakuras Handy kurz. „Eine SMS. Von Sasuke!“, rief sie aufgeregt, öffnete die Nachricht und starrte darauf. Lösegeldforderung, schoss es Tenten schon durch den Kopf, aber dann stieß Sakura erleichtert die Luft aus. „Er schreibt, er meldet sich später.“ Sie hielt das Display in die Runde, damit jeder die drei einfachen Worte lesen konnte. Melde mich später. „Also ist er freiwillig … Ohne sich zu verabschieden …?“, stammelte Naruto. „Passt doch zu ihm, oder?“, entgegnete Kiba.   Sphinx‘ Blick glitt durch die erwartungsvolle Runde und blieb an Itachi kleben. „Ich bin untröstlich. Neu dabei und bereits ausgeschieden. Itachi ist gestorben. Er war kein Werwolf und kein Vampir.“   „Es tut mir leid“, sagte Kakashi. „Vielleicht hätte ich damit warten sollen, es dir mitzuteilen …“ „Nein, es ist gut so“, sagte Sasuke ernst. Sie standen in Kakashis Büro im Polizeihauptquartier der Stadt. Den dampfenden Kaffee, der vor ihm auf dem Schreibtisch stand, hatte Sasuke trotz seines gewaltigen Katers nicht angerührt. „Sie haben ihn gefunden?“ „Das Licht war noch an. Dein Bruder hat oft die Nacht durchgemacht, also wollte ich ihn bitten, sich etwas auszuruhen. Wie ich das einschätze, ist es irgendwann in den Nachtstunden passiert.“ Sasuke biss die Zähne zusammen. So konnte er vermutlich nicht mal Kakashi selbst den Vorwurf machen, zu spät zur Arbeit erschienen zu sein. Selbst der Notarzt hatte nur noch Itachis Tod feststellen können. Und es hatte so lange gedauert, bis Sasuke das Taxi hergebracht hatte, dass ihm nicht mal ein Blick auf seinen Bruder vergönnt gewesen war. Vielleicht war es auch besser, wenn er bis zur Bestattung wartete. Jedoch … „Und es ist sicher, dass es ein Herzanfall war? Itachi war noch nicht so alt.“ Kakashi trug seine übliche, undifferenzierte Miene zur Schau. „Ich kann verstehen, dass du das nicht glauben willst. Allerdings war er wirklich viel Stress ausgesetzt, und er war auch nicht in bester körperlicher Verfassung …“ „Das ist eine Lüge“, sagte Sasuke eisig. „Er war ein renommierter Kriminalpolizist, oder?“ „Ja, aber …“ „Wer so erfolgreich ist, stirbt nicht an einem bisschen Stress. Wird es eine Obduktion geben?“ Das Stirnband, das Kakashi wohl aus modischen Gründen auch im Büro trug, zuckte. Ein untrügliches Zeichen, dass er die Stirn runzelte. „Vermutlich. Aber du solltest nicht davon ausgehen, dass irgendein Verbrechen vorliegt, Sasuke.“ „Genau das tue ich aber“, sagte Sasuke verbissen. „Er ist jeder Menge gefährlicher Leute auf die Schliche gekommen. Oder deren Freunden. Er hatte Feinde, von denen einigen sein Tod sicher gelegen kommt. Glauben Sie mir.“ Wer könnte es besser wissen als Sasuke selbst? Immerhin hatte er seinem Bruder auch einst den Tod geschworen. Damals, als er herausgefunden hatte, dass der Tod ihrer Eltern kein Zufall gewesen war, sondern dass Itachi schon damals die falschen Leute provoziert hatte. Für Sasuke war Itachi damit selbst schuld daran gewesen. Letztlich hatte er die Stadt deswegen verlassen, mit dem festen Vorsatz, erst wiederzukehren, wenn sein Bruder bekommen hatte, was er verdiente. Vor etwas mehr als einem halben Jahr war es schließlich gewesen, dass Itachi die Täter selbst geschnappt hatte. Die folgenden Enthüllungsstorys der Presse hatten Sasuke wachgerüttelt – das und seine Freunde hier in der Stadt hatten ihn dazu bewogen, zurückzukehren und seinen Bruder mit neuen Augen zu sehen. Und nun war er tot. Einfach so. Das, was Sasuke früher gewollt hatte, war eingetreten. Auf eine Art, die einfach nur traurig und lächerlich zugleich war! Kakashi trat hinter den Besucherstuhl und legte Sasuke die Hand auf die Schulter. „Ich kann mir vorstellen, wie es jetzt in dir aussieht. Wenn du jemanden zum Reden brauchst, kannst du gerne zu mir kommen.“ „Ich möchte das Büro meines Bruders sehen.“ Kakashi schüttelte den Kopf. „Er ist längst nicht mehr …“ „Ich weiß, dass sie ihn schon abtransportiert haben! Ich will das Büro sehen.“ Der Polizist seufzte. „Das geht nicht.“ „Wieso nicht? Es liegt doch angeblich kein Verbrechen vor. Also wird es kaum versiegelt sein“, erwiderte Sasuke herausfordernd. Kakashi seufzte nur noch einmal. „Na gut. Aber nur für einen Moment.“   „Wir entscheiden auch dieses Mal durch Zufall, wer der Bürgermeister wird.“ Sphinx warf die Karte senkrecht in die Luft. Das Los fiel auf Tayuya. „Das ist doch Beschiss!“, rief Kiba. „Das letzte Mal war’s auch ständig jemand aus eurer Gruppe.“ „Wir stecken hier alle im selben Boot, Blödmann“, fauchte sie zornig. „Also halt den Rand, sonst lynchen wir dich als Erstes.“ „Wie aufs Stichwort.“ Sphinx klatschte in die Hände. „Fangt an.“ Die erste Runde war vermutlich immer tückisch. Noch dazu war niemand getötet worden. Shikamaru hatte die Namen aller Spieler auf seinen Notizzettel geschrieben. Einen konnte er immerhin schon eindeutig identifizieren. Itachi war der Geist. Der Geist starb in der ersten Nacht. Daran war nichts zu rütteln. Die Hexe konnte nur Werwolfopfer heilen, der Leibwächter nur vor Angriffen schützen. Sonst gab es keinen Charakter, der sein Leben verlängern konnte. Gut, dass es nur einen Toten gab. „Eine Frage.“ Sakura hob die Hand. „Es gibt doch einen Geist, oder? Laut Charakterkarte sollte der uns jede Nacht einen Buchstaben als Botschaft aus dem Jenseits schicken. Was hat er jetzt eigentlich geschrieben?“ „Es hat sich in der Nacht irgendwie so angehört, als wollte er das nicht“, brummte Chouji. Sphinx‘ Lächeln wurde sichtbar säuerlich. „So ist es. Ich habe nicht darauf vergessen. Aber der Geist hat es vorgezogen, gar keine Nachricht zu schreiben. Er hat sich geweigert, mir einen Buchstaben zu zeigen.“ Sphinx sah Itachi dabei nicht an, aber für Shikamaru war es nun klar. Er notierte Geist neben seinem Namen. Aber warum hatte er keinen Buchstaben geschrieben? Das Spiel ging über eine unbestimmte Zahl von Runden, aber mehr als zehn würden es bei der Konstellation nicht werden, also war jeder Hinweis kostbar! Und Itachi war gewiss alles andere als dumm … Was bedeutete, dass die Tatsache, dass es keinen Hinweis gab, schon ein Hinweis an sich war. Nur welcher? Gab es etwa gar keine Wölfe und keine Vampire, und Sphinx log? Das war absurd. Der Grund musste ein anderer sein. „Wir sind gut unterwegs“, behauptete Temari. „So wie ich das verstanden habe, ist nur der Geist gestorben, und die Wölfe hatten diese Nacht keinen Erfolg. Also sehen wir zu, dass wir gleich mal einen von ihnen lynchen.“ „Und hier muss ich hinzufügen, dass einer – oder besser, eine – von euch an diesem Tag aus dem Dorf verbannt wurde. Ganz wie die Alte Vettel es sich gewünscht hat“, sagte Sphinx. „Ino, du wurdest verbannt. Du kannst weder gelyncht werden, noch jemanden zum Lynchen nominieren. Geh bitte ins Wartezimmer.“ „Ist mir auch recht.“ Ino stand auf und begab sich in den kleinen Raum, in dem laut den Erzählungen der anderen immer jene Spieler hatten warten müssen, die ausgeschieden waren. Sobald die Tür hinter ihr zugefallen war, machten die anderen weiter. Vor allem die Veteranen in diesem Spiel machten sich eifrig ans Verdächtigen. Sie wussten offenbar schon, dass man in so einem Fall nur raten konnte und das Spiel irgendwie ins Rollen bringen musste. Deidara nominierte Sasori, wie aus Jux und Spaß, aber niemand schloss sich ihm an, bevor Sakon und Tayuya auf Hinata losgingen. Shikamaru notierte dennoch jede Anschuldigung und machte sich bereit, den Ausgang der Abstimmung genau zu dokumentieren, ebenso wer für Tod und wer für Leben stimmte. „Gut, lynchen wir das Mauerblümchen“, entschied Tayuya in ihrer Funktion als Bürgermeister. „Nenn sie nicht so, du … du Kerl in einem Frauenkörper!“, rief Naruto, dem offenbar keine bessere Beleidigung einfiel. „Schnauze. Also, Hände ausstrecken. Auf drei wird abgestimmt. Eins, zwei …“ „Unglücklicherweise“, Sphinx unterbrach sie mit einem lauten Klatschen, „ist es einem von euch nicht vergönnt, an der Abstimmung teilzunehmen.“ Die anderen sahen verwirrt in sein blitzendes Grinsen, ehe sie sich an die Regeln erinnerten, die die Vampire betrafen.   Sie sprachen noch über Sasuke, da wurde irgendwo unter ihnen ein Radau hörbar. „Wenn du uns nicht sofort sagst, wo der Typ steckt … Ich schwöre dir, ich garantiere für nichts! Dämliche Tusse!“ Shikamaru seufzte. Das war also die typische Kundschaft des La Grande. Bisher waren sie auf keinen anderen Gast gestoßen, aber das musste ja nichts heißen. Die Leute, die hier abstiegen, waren sicher auch eher nachtaktiv. Zumindest was ihre Geschäfte wahrscheinlich betraf. Interessanterweise war es eine weibliche Stimme, die da das halbe Hotel zusammenschrie. Man hörte noch jemanden undeutlich sprechen, dann herrschte wieder Ruhe. „Was meint ihr, was mit Sasuke los ist?“, fragte Naruto. Trotz allem war er besorgt. „Wir können nur warten, bis er von sich aus mit uns darüber redet“, sagte Sakura. „So war es ja schon immer“, fügte sie bitter hinzu. Natürlich hielt das die anderen nicht davon ab, zu spekulieren. Neji meinte, es könnte mit Sasukes Familie zusammenhängen. Es war schließlich schon einmal vorgekommen, dass er sich deswegen von seinen Freunden abgekapselt hatte. Während sie noch alle auf dem Flur herumstanden, wurden plötzlich hastige Schritte im Treppenhaus laut. Ein kraushaariger, gebräunter junger Mann in zerfetzten Klamotten kam herauf und stutzte, als er sie sah. „Was für’n Auflauf ist denn das? Gibt’s hier was gratis?“ Keiner der Freunde antwortete. „Stumm, oder was? Sagt mal, habt ihr hier zufällig so ‘nen Quacksalber gesehen? Bläuliches Haar, Brillenschlange.“ „Wir wissen nicht, wen du meinst“, sagte Neji. Der Fremde zuckte mit den Schultern. „Ich seh trotzdem nach.“ Er machte Anstalten, zur ersten Tür zu gehen, da trat Kiba ihm in den Weg. „Was glaubst du, was du da tust? Das sind unsere Zimmer.“ Der andere funkelte ihn an. „Ist mir scheißegal. Mach den Weg frei, sonst setzt es was.“ Shikamaru hob verblüfft eine Augenbraue. War der Typ ein wenig Banane? Er war allein und zettelte einen Streit gegen zwölf an? „Scheiße nochmal!“, ertönte die weibliche Stimme von vorher. Es klang, als befände sie sich ein Stockwerk unter ihnen. „Kidoumaru! Jiroubou! Bewegt eure Ärsche hier her!“ „Hast du die Klos in dieser Ruine gefunden, oder was?“, griente der Typ vor ihnen laut, zwinkerte den Freunden dann aber zu. „Noch mal Glück gehabt. Ich komm auf euch zurück.“ Er machte kehrt und marschierte die Treppe hinunter. „Was war jetzt das?“, fragte Neji perplex. „Frag was Leichteres“, murmelte Temari. „Nur ein Spinner. Wir sollten ihm keine Beachtung zollen“, meinte Gaara simpel. Keine drei Sekunden später hörten sie auch den seltsamen Kerl einen erschrockenen Ruf ausstoßen. „Jetzt reicht’s“, knurrte Kiba. „Ich hab keine Ahnung, warum die Typen sich hier so aufspielen, aber mir brummt der Schädel und die sollen gefälligst mal die Klappe halten!“ Er stapfte trotzig die Treppe runter. Shikamaru folgte ihm, wenn auch mehr aus Interesse, was denn hier eigentlich los war. Der dritte Stock sah exakt wie der vierte aus, nur dass lediglich zwei Personen auf dem Flur standen: der Zopf-Typ von vorhin und ein rothaariges Mädchen in Punker-Klamotten. Sie standen vor einer offen stehenden Tür und starrten in das Zimmer hinein. Kiba erreichte sie als Erster, folgte ihren Blicken und sog scharf die Luft ein. „Was ist denn los?“ Tenten kam ebenfalls an der Tür an, hinter ihr Lee, und aus einem unteren Stockwerk schnaufte ein dicker Junge wie eine Dampflok heran, der wohl der dritte im Bunde der Straßengang – Shikamaru konnte sich diese Leute nur als solche vorstellen – war. Als Nächstes erreichte er selbst die offene Tür und spähte an den anderen vorbei. Was er sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Das Zimmer allein war schon düster. Bandplakate mit grausigen Motiven und blutroter Schrift zierten die Wände. Ein schwarzer Teppich bedeckte die schäbigen Dielen. Der Schreibtisch, der Schrank und sogar das Bett waren komplett in Schwarz gehalten. Der Bewohner dieses Zimmers musste es auf Lebenszeit gemietet haben, wenn er es so herrichten durfte, dachte Shikamaru. Und dessen Lebenszeit schien nunmehr vorbei. Er lag auf dem ehemals schwarzen, nun blutdurchtränkten Teppich wie auf einem Serviertablett. Sein fast ebenso schwarzer, ausgewaschener Morgenmantel klaffte an seiner Brust auseinander, wo ein grauer Stachel wie ein überdimensionaler Schaschlik-Spieß ihn durchbohrt hatte. Rund um den Teppich und die rote Lache, die sich über dessen Ränder hinweg ausgebreitet hatte, war mit Blut ein Kreis gezogen worden, in den zusätzlich ein Dreieck gemalt war. Shikamaru erkannte das Symbol erst auf den zweiten Blick als solches. Wo hatte er es nur schon einmal gesehen? Er bemerkte kaum, wie die anderen sich neben ihn drängten, und er wusste auch nicht, wer ihm alles gefolgt war. Er wusste nur eines: In diesem Zimmer, unter demselben Dach, unter dem sie geschlafen hatten, war ein Mord passiert. Seine Nackenhaare richteten sich auf. Das rothaarige Mädchen riss irgendeinen Witz über den Toten, den er nur halb mitbekam. Dann hörte er plötzlich Kankurou neben sich rufen: „Das … Das ist doch …“ Er trat zwei Schritte in den Raum hinein. „Kennst du ihn?“, fragte Temari, die auch plötzlich da war. „Ihr kennt ihn auch“, behauptete ihr Bruder. „Nur nicht ohne Schminke. Das ist der Bandleader von Pain for Jashin.“   „Verdammt, das Spiel ist doch beschissen!“, maulte Hidan, als Sphinx‘ Finger auf ihn zeigte. „Ihr Arschlöcher. Ich darf ab jetzt die Augen offen halten, oder? Bin schon gespannt, welche Wichser das waren.“ „Da Shikamaru allein derjenige ist, der die Wahrheit herausfinden muss, können die Toten ruhig in der Runde sitzen bleiben und nachts zusehen“, sagte Sphinx. „Sobald ihr irgendetwas verratet, ist das Spiel selbstredend vorbei.“ Die Vampire hatten die Eigenheit, dass sie ihre Opfer zwar bei Nacht wählten, diese allerdings erst Tags darauf starben, sobald die erste Abstimmung angekündigt wurde. Über Hinatas Schuld oder Unschuld würde ohne Hidans Stimme entschieden werden.   „Also schön.“ Die rothaarige junge Frau sah ihre beiden männlichen Begleiter an. „Zeit, zu verschwinden, oder was meint ihr?“ „Halt“, sagte Gaara eisig. „Wohin wollt ihr?“ „Fort von hier?“, schlug das Mädchen vor. So ziemlich jeder hatte sich mittlerweile in diesem Stockwerk versammelt. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Sakura schlug sich die Hand vor den Mund, Tenten und Naruto rissen die Augen auf, Hinata erstarrte zur Salzsäule. Und das waren nur die Reaktionen, die Shikamaru beobachten konnte, denn er selbst war auch bis ins Mark getroffen. Das war doch wie in einem schlechten Film hier! Er hatte noch nie eine echte Leiche gesehen. „Wir sollten die Polizei rufen“, sagte Shino. „Das dürft ihr tun. Viel Spaß“, sagte die Rothaarige fröhlich. „Ich würde an eurer Stelle hier warten, bis sie eure Aussage haben“, schnitt Gaaras Stimme ihnen den Weg ab. „Ihr habt die Leiche als Erstes gesehen.“ „Und? Das geht uns nichts an.“ „Unten gibt es eine Überwachungskamera.“ Shikamaru massierte sich die Schläfen. „Eure Gesichter sind sicher aufgenommen worden. Wenn wir erzählen, dass ihr die Leiche gefunden habt, und ihr seid verschwunden, was glaubt ihr, was die Polizei tut?“ Die drei starrten ihn eindeutig feindselig an. Eine Tür in dem Stockwerk öffnete sich, und ein verschlafenes Auge blinzelte hinter einer unordentlichen Haarmähne hervor. „Was is’n hier für ein Krach?“ „Der übernachtet auch hier?“, brachte Temari hervor. Shikamaru war nicht ganz so überrascht. Das La Grande war die beste Wahl für jemanden, der auf dem Gig gewesen war und einen Platz zum Schlafen gesucht hatte. „Ist das verboten?“ nuschelte Deidara, dann erkannte er sie. „Hm. Die Kratzbürste von gestern.“ „Du!“, stieß Naruto hervor und war mit einem schnellen Schritt bei ihm, packte ihn am Kragen seines unschuldsweißen Hemdes. „Du hast Ino was ins Getränk getan!“ „Hä? Was willst du?“, murrte Deidara unwillig. „Gestern! Die Whiskeys! Ino, unsere Freundin!“ „Ich erinnere mich. Ist ihr etwa schlecht geworden?“ Sein Grinsen war eindeutig dreckig. „Du, ich sollte dich …“ Sakura war es, die ihn von Deidara fortriss. „Das bringt doch jetzt nichts! Wir haben Wichtigeres zu tun.“ Naruto sah aus, als wollte er widersprechen, dann wandte er sich demonstrativ von dem anderen ab. „Hab ich was verpasst?“, fragte Deidara verwirrt, ehe sein Blick zur offenen Tür glitt. „Oh … Scheiße.“   Die Abstimmung endete damit, dass Hinata überlebte. Shikamaru notierte sich rasch, wohin welcher Daumen zeigte, und er hatte das Gefühl, dass die anderen ihn auch einen Deut länger ausstreckten, als notwendig gewesen wäre. Dann ging das Nominieren weiter. Kiba beschuldigte Sakura, ohne besonderen Grund. Sasori machte mit, wieder stimmte allerdings die Mehrheit für Leben. Jiroubou beschuldigte Tenten, auch grundlos, wie er sagte, aber niemand ging mit. Deidara versuchte es noch einmal mit Sasori, aber wieder stieg niemand darauf ein. Eine Weile ging das so hin und her, bis Tayuya sagte: „Können wir beim nächsten Mal bitte alle auf Tod stimmen? So wird das nie was.“ „Sie hat nicht unrecht“, gab Kimimaro ihr recht. „Wenn zu lange keine Entscheidung getroffen wird, rufe ich die nächste Nacht“, verkündete Sphinx lächelnd.   Die Mühlen des Gesetzes mahlten in diesem Stadtteil offenbar langsam, denn es dauerte fast eine Stunde, ehe die Polizei anrückte. Irgendwie mussten sie diese Zeit überbrücken, und die Anspannung, die sie alle befallen hatte, war unerträglich – vor allem, da die drei Fremden sichtlich äußerst gereizt waren. Weil sie etwas tun wollten, nahmen Shino und Kankurou – und schließlich auch Shikamaru, obwohl ihm vor der Leiche graute – trotz der ausdrücklichen Ermahnung der anderen, nicht in das Zimmer zu gehen, den Tatort ein wenig unter die Lupe. Hinter dem Toten auf dem Schreibtisch stand ein schwarzes Notebook, geöffnet und an das Stromnetz angeschlossen. Es gab keinen Energiesparmodus, Bildschirmschoner und keine Benutzersperre, und die Website, die angezeigt wurde, zog den Blick magisch an, sodass sie das Gerät früher oder später sowieso untersucht hätten. Erst wirkte es wie eine Fanseite der Band des Toten. Dasselbe Zeichen, das um die Leiche gemalt worden war, zierte ein Banner ganz oben. Blutrot stand darunter: Blut für Jashin. Darunter wiederum war ein gewöhnliches Forum zu sehen, wie es sie im Internet zu Hunderttausenden gab. Shikamaru notierte sich zuerst die Adresse der Website, ein undurchschaubares Wirrwarr aus Buchstaben und Zahlen, zu dem sicherlich keine Suchmaschine der Welt führte. Er hatte von solchen obskuren Webseiten gehört. Man brauchte den genauen Link, oder man fand sie nicht. Die Themen, um die sich das Forum drehte, waren allesamt unheimlich. Es gab einen eigenen Thread mit dem Titel Vorschläge Opfer, dann noch Jashins Prophezeiungen und ähnliche okkulte Einträge. Es wirkte wie eine Spielwiese für Leute mit einem Faible für Teufelsanbetung. Interessant war der oberste Thread. Er trug den simplen Titel Opfer und besaß einen einzigen Eintrag, verfasst von einem Benutzer namens Hidan – was einerseits nach Kankurous Wissensstand der Name des toten Bandleaders war, andererseits auch der des Benutzers, der eben an diesem Notebook eingeloggt war. Daneben stand in Klammern der Zusatz Administrator. Mit anderen Worten, Hidan selbst hatte dieses Forum betreut, und was noch wichtiger war, bevor er ermordet worden war, hatte er eine Nachricht darin hinterlassen. Die Versuchung war zu groß, als dass Shikamaru und die anderen diese Gelegenheit hätten verstreichen lassen können. Außerdem lenkte sie das Ermitteln von der Tatsache ab, dass sie vielleicht eine Weile mit einer Leiche im selben Haus geschlafen hatten. Wie lange Hidan schon tot war, konnten sie nicht sagen; keiner wollte ihn berühren und sie hatten mit so etwas keine Erfahrung. „Geht weg von da“, wisperte Tenten von der Tür her. „Leute, bitte, ihr kriegt nur Ärger“, sagte auch Sakura, aber Kankurou wickelte seine Finger in ein Taschentuch und klickte mit der Maus auf den Opfer-Thread. Shikamaru kam kurz in den Sinn, dass er wohl wahnsinnig und seine Vernunft noch beeinträchtigt vom Vortag war – was er hier tat, war sicher ein Fehler, dazu geschmacklos und wahrscheinlich gesetzeswidrig –, aber als die Seite sich öffnete, mussten alle Bedenken der Neugierde weichen. Und es kam selten genug vor, dass sich Shikamaru Nara für etwas interessierte. „Der verarscht uns doch“, stieß Kankurou aus. Der einzige Eintrag war kurz nach Mittag verfasst worden. Gestern bei unserem Auftritt verkündete ich noch, dass es der Wille Jashins wäre, ein Opfer unter den Anwesenden zu wählen. Heute hat mich seine Weisheit erneut erleuchtet. Der große Jashin hat mich selbst als sein geliebtes Opfer ausgewählt. Ich werde ihm als Nahrung dienen. Fühlt euch nicht alleingelassen, Jünger Jashins. Ich werde weiterhin aus dem Jenseits zu euch sprechen und Jashins Willen verkünden.   Bis die Polizei endlich das La Grande erreichte, harrten die Freunde, die drei Unbekannten und die anderen Bewohner der Etage schließlich im Treppenhaus aus. Der Tatort wurde gesichert, die Spurensicherung machte sich ans Werk. In der Lobby war eine kleine Sitzecke aus alten Sofas, dort nahm ein Beamter die Aussagen der Zeugen auf. Es war derselbe, dem Tenten auch schon ihr gestriges Erlebnis berichtet hatte, ein dürrer, alter Mann namens Toto, der aussah, als hätte er die Pensionierung längst hinter sich.   „Eines ist mir nicht ganz klar“, sagte Tenten. „Warum spielt er mit?“ Sie deutete auf den alten Mann namens Toto, der Shikamaru in der Nacht zuvor angesprochen hatte. Er strich sich wiederholt über die Stirn, wirkte aber hochkonzentriert. Ein Irrer, der Shikamarus Logik durcheinanderbringen sollte? „Ich habe euch doch versprochen, alle freizulassen, die mit mir gespielt und noch nicht gewonnen haben“, sagte Sphinx süffisant. „Er ist einer von vielen. Ein langjähriger Freund von mir, nicht wahr, Toto? Er spielt stellvertretend für alle, die vor euch kamen.“ Toto zuckte zusammen, dann funkelte er Sphinx an. „Die Wölfe werden dich auch eines Tages erwischen, Sphinx. Auch wenn du immer der Moderator bist.“ Seine Hände zitterten. „Bitte, der Kerl hat doch ‘nen Dachschaden!“, stöhnte Kiba. Shikamaru hoffte, dass das zumindest in Bezug auf dieses Spiel nicht zutraf.   Toto überflog den Bericht – oder was immer die Zettel in seinem Klemmbrett darstellten – und fasste zusammen: „Sie waren also alle am Tatort. Und mit Ausnahme von Ihnen, Ihnen und Ihnen“, er deutete auf die drei Gangkids, die sich als Tayuya, Kidoumaru und Jiroubou vorgestellt hatten, „hatten Sie alle ein Zimmer in diesem Hotel gemietet.“ Die Freunde nickten. Außer ihnen, Deidara und dem Opfer, das tatsächlich Hidan hieß, war noch ein weiterer Gast in der Lobby: Sasori, der Mann, den Gaara und seine Geschwister von Zuhause kannten. Er hatte ein Zimmer ein Stockwerk tiefer belegt. Offenbar war es im Hinteren Bezirk so üblich, Aussagen gleich in einem Aufwasch aufzunehmen. „Es gibt noch sechs andere Gäste“, sagte Toto mit Blick auf die Rezeptionsdame, die argwöhnisch zu der Gruppe herübersah, die ihre Sofas zu sprengen drohte, und die die Nachricht, in ihrem Etablissement gäbe es eine Leiche, recht gelassen aufzunehmen schien. „Sie alle haben aber spätestens um acht Uhr das Haus verlassen. Weitere drei Gäste haben noch früher wieder ausgecheckt. Die Bänder der Überwachungskamera zeigen, dass das Mordopfer um acht Uhr dreißig wach und am Leben war.“ „Und wie genau äußerte sich das?“, fragte Shikamaru. Er wusste, worauf dieses Gespräch hinauslief, und er traute diesem alten, zittrigen Polizisten, der offenbar nicht einmal bei der Kripo war, nicht ganz zu, seinen Job ordentlich zu erledigen. Toto bedachte ihn mit einem nachdenklichen Blick. „Um halb acht betrat ein Mann das La Grande, der, den Aussagen von Kankurou Sabakuno zufolge, Mitglied in der Band des Opfers war. Er stieg die Treppen hoch. Um halb neun kam er in Begleitung des Opfers zurück, das ihn vor der Tür verabschiedete und dann wieder ins Treppenhaus ging – sicherlich zurück in sein Zimmer. Es trug da bereits den Morgenmantel, in dem es getötet wurde. Frau …“ Er überflog den Bericht, offenbar auf der Suche nach einem Namen, den er allerdings auf die Schnelle nicht fand. „Die Dame an der Rezeption ist auf dem Video zu sehen. Sie war den ganzen Tag seit sieben Uhr hinter dem Schalter. Das ist ein wasserdichtes Alibi.“ Wieder musterte er die versammelten achtzehn Personen. „Sie wissen, was das bedeutet?“ „Dass es Selbstmord war“, sagte Gaara sofort. „Keiner von uns hat Hidan ermordet. Und er hat seinen Tod selbst angekündigt.“ Totos Augen wurden schmal. „Sie haben den Tatort betreten.“ „Wir haben nur gesehen, was nicht zu übersehen war“, versuchte Sakura die Wogen zu glätten. „In der Tat deutet alles auf einen rituellen Selbstmord hin“, sagte Toto fachmännisch. „Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, liegt ein Mord vor.“ „Und wir sind die Hauptverdächtigen“, brummte Kiba nach dieser wenig geistreichen Schlussfolgerung. „Sie sind die einzigen Verdächtigen. Sonst war ja niemand im Hotel, als der Mord geschah. Das letzte Lebenszeichen des Opfers wurde um halb neun Uhr morgens dokumentiert. Die … Opferung wurde schließlich um zwölf Uhr eins im Internet angekündigt, aber inwieweit das ein verlässliches Lebenszeichen ist, ist ungewiss. Ich möchte Sie alle bitten, sich zu unserer … meiner Verfügung zu halten.“ Shikamaru entgingen nicht die giftigen Blicke, die Tayuya und Kidoumaru den anderen zuwarfen, die sie gezwungen hatten, hierzubleiben. Nun hatte die Polizei Namen und Anschriften von ihnen, aber er traute ihnen zu, zumindest bei Letzterem gelogen zu haben. Soweit Shikamaru das verstanden hatte, hatten die drei jemanden in diesem Hotel gesucht, der hier schon öfters genächtigt hatte. Die Empfangsdame hatte angegeben, von ihnen bedroht worden zu sein, als sie versichert hätte, dass dieser Mann – offenbar ein Arzt – nicht hier wäre. Daraufhin hatten sie einfach an alle Zimmertüren gepocht. Die mit der Leiche dahinter war nicht verschlossen gewesen, und so hatte Tayuya Hidan entdeckt. Toto überflog zum wiederholten Mal seine Spickzettel, dann zuckte er mit den Schultern, ging und ließ seine Zeugen und Verdächtigen einfach sitzen. „Ganz toll gemacht, ihr Sherlocks“, zischte Tayuya. „Jetzt haben wir die Bullen an der Backe. Als ob wir nicht schon so genügend Stress hätten.“ „Wer hat denn einfach so das Hotel gestürmt?“, gab Naruto wütend zurück. Die Geschehnisse seit gestern gingen ihm an die Substanz. Offenbar war Shikamaru nicht der Einzige, der sich wünschte, ihre Wiedersehensfeier nicht an diesem Ort geplant zu haben. „Ach, leckt mich doch“, fauchte Tayuya. „Gerne“, griente Kiba. „Deine Adresse kenne ich ja jetzt.“ Ihr Fuß traf ihn zielgenau zwischen die Beine. Ächzend ging er in die Knie. Tayuya rauschte davon, ihre Spießgesellen im Schlepptau, als sie plötzlich eine Stimme zurückhielt. „Du da. Du heißt Kidoumaru, nicht wahr?“   „Von mir aus, dann lynchen wir eben ihn.“ Tayuya rollte mit den Augen. „Ich bin auch dafür. Bringen wir es hinter uns.“ „Du hast doch genauso wenig einen Beweis wie alle anderen“, maulte Kidoumaru. „Und ich soll jetzt dafür herhalten? So haben wir nicht gewettet.“ „Ich weiß, dass du ein Werwolf bist“, behauptete Shino. „Warum? Das werde ich nicht sagen. Aber ihr könnt mir glauben.“   „Wer will das wissen?“ Betont langsam drehte Kidoumaru sich um. Tayuya blieb in der Tür zur Lobby stehen. „Hä? Warst du vorher auch schon da?“ Nichts an Shino verriet, dass er mehr war als eine Statue. Wie üblich hatte er seinen Jackenkragen selbst hier drinnen hochgeschlagen, eine Kapuze auf dem Kopf und eine Sonnenbrille vor den Augen. „Kanntest du das Opfer?“, fragte er. „Ich hab diesem Bullen-Spinner schon gesagt, dass ich ihn noch nie im Leben gesehen habe. Was soll das, hast du noch nicht genug Detektiv gespielt?“ „Ich glaube, dass du gelogen hast. Warum? Weil ich dich gestern Abend gesehen habe. Wir waren auf dem Weg ins Twilight, und du bist hinter uns in die gleiche Richtung gegangen. Wohin hättest du sonst gewollt, wenn nicht zu seinem Konzert?“ „Hast du dich deshalb unterwegs so oft umgedreht, Shino?“, fragte Lee. Tayuya horchte sichtbar auf. Kidoumaru wirkte für einen Moment sprachlos. „Vielleicht bin ich in eines der Pubs in der Nähe gegangen, schon mal daran gedacht? Ich war nicht im Twilight. Und überhaupt, was rede ich mit dir? Gehen wir.“ Nun war er es, der die Führung übernahm, und Tayuya und Jiroubou folgen ihm. „Er hat gelogen“, stellte Shino fest, nachdem sie gegangen waren. „Möglich“, sagte Shikamaru. „Aber ich weiß nicht, ob die drei nicht sogar über ihre Namen gelogen haben. Wir sollten da nicht zu viel hineininterpretieren. Es waren viele Leute unterwegs, gestern Abend. Und selbst wenn er Hidan kannte, die drei hätten doch kaum Zeit gehabt, ihn zu töten. Kaum dass sie hier waren, haben sie schon die Leiche gefunden.“ „Und der Todeszeitpunkt muss erst geklärt werden“, fügte Neji hinzu. „Ist euch … eigentlich klar, was ihr damit andeutet?“, fragte Temari mit gedrückter Stimmung. „Es war Selbstmord, Temari“, erwiderte Gaara. „Aber falls nicht“, beharrte sie, „ist einer von uns ein Mörder.“   „Du warst also gestern Nacht in der Nähe vom Twilight?“ Tayuya fühlte das Messer in ihrer Tasche. Sie gingen die Gasse entlang zu ihrer zweiten Anlaufstelle – den Arzt zu finden hatte theoretisch oberste Priorität, aber da gab es etwas, das, ohne sich an so banale Dinge wie Vernunft zu halten, noch vorher getan werden musste. „Und wenn? Spielt das eine Rolle?“ Falls Kidoumaru unwohl zumute war, ließ er es sich nicht anmerken. „Allerdings.“ Als Jiroubou das Schnappen ihres Messers hörte, blieb er stehen und drehte sich grimmig schweigend um. Da er zuvorderst ging, blockierte er fast den ganzen Weg. Kidoumaru konnte unmöglich an ihm vorbei. Plötzlich begann er zu schwitzen. „Leute“, keuchte er. „Macht keinen Scheiß!“ „Selber“, fauchte Tayuya. „Du beantwortest mir jetzt noch ein paar Fragen. Und ich warne dich: Ob mir die Antworten gefallen oder nicht, ich kann genauso skrupellos sein wie du!“   Sphinx zählte die Stimmen für Kidoumarus Hinrichtung, Shikamaru notierte auch gleich seine Henker dazu. „Knapp, aber doch“, stellte Tayuya fest. Dreizehn von sechsundzwanzig Daumen zeigten auf Tod, der der Bürgermeisterin war das Zünglein an der Waage. „Somit wird Kidoumaru gelyncht.“ Und natürlich musste Sphinx eine Kunstpause machen, ehe er verriet, ob das Opfer ein Werwolf oder Vampir gewesen war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)