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Bloody Eternity

von

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Lass es dir eine Lehre sein

Der unschöne, und beinahe unglückliche Vorfall im Vampirjäger-Zirkel beschäftigte Jane mehr, als sie Aiden zeigte. Die Tatsache, dass Aiden sie unter einer eher altertümlichen Bezeichnung gerufen hatte, führte ihr mal wieder deutlich vor Augen, wie sehr er ihre eigenständige Person mit der bereits lang verstorbenen Neuntagekönigin in Verbindung brachte. Wen sonst hätte er mit „Mylady“ meinen sollen? Diese Erkenntnis traf sie härter als erwartet und hinterließ, auch wenn sie es nicht offen zugeben würde, einen sehr bitteren Nachgeschmack. Schließlich spielte die junge Frau schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken, ihn zu ihrem offiziellen Partner zu machen - und sollte er annehmen, dann würde die Partnerschaft unter keinem guten Stern stehen, wenn er dies nur tat, weil er Lady Grey in ihr sah. Auf welchem Vertrauen würde die Zusammenarbeit basieren, wenn Aiden sie nicht einmal als diejenige ansah und erkannte, die sie eben war?

Während der ganzen Fahrt vom Zirkel nach Hause, kreisten Janes Gedanken darum, wie und ob es überhaupt möglich wäre, unter diesen Umständen mit dem Vampir zusammenzuarbeiten - und ob es denn wirklich so schlimm wäre, wenn ein Teil von ihm noch immer ihre Vorfahrin in ihr sah. Der Fakt, das sie mittlerweile sogar nach Gründen suchte, die für einen Pakt sprachen, zeigte nur zu deutlich, wie sehr sie sich eine längerfristige und konstante Zusammenarbeit mit Aiden wünschte.

War es denn so schlimm, wenn er nicht gänzlich sie als eigenständige Person sah, hinterfragte die junge Frau das Ganze, als sie das Anwesen betrat, wo sie sich in ihr Zimmer zurückzog. Solange sie gemeinsam Aufträge erledigen konnten, er sie bei der Verfolgung ihrer Absichten unterstützte und sogar beschützte, wäre es doch irgendwie möglich, darüber hinweg zu sehen und den Stolz zumindest soweit zu ignorieren, dass die ganze Sache nicht dem ursprünglichen Ziel im Weg stand. Außerdem war Aiden unter den potentiellen Partnern trotz offensichtlicher Mängel, wie seiner Versessenheit auf ihren Schutz, seinem Trauma bezüglich ihrer Ahnin und seinem Hang zum Stalking, mit einem Sechser im Lotto zu vergleichen, sodass es eigentlich dumm wäre, ihn nicht 'vertraglich' an sich zu binden. Welcher Jäger konnte denn von sich behaupten, einen beinahe 500 Jahre alten Vampir an seiner Seite zu haben, der einem fast bis ins kleinste Detail gehorchte und ziemlich pflegeleicht war? Natürlich hatte sie noch Eldric, doch aufgrund seiner Position im Zirkel und den entsprechenden Verpflichtungen, war es nicht möglich, ihn offiziell zum Partner zu ernennen. Zudem war es im Bezug zum Oberhaupt nicht wirklich nötig, dies zu tun, da er ihr ohnehin im Hintergrund half und ihr Wege freihielt. Allein auf der Jagd war es ihm nicht möglich, ihr unter die Arme zu greifen. In der Hinsicht war Aiden perfekt. Er würde den 'Kreis' vervollständigen und ihr somit einiges erleichtern...

Noch bevor Jane es überhaupt bewusst denken konnte, war der Entschluss für eine permanente Zusammenarbeit mit Aiden gefasst und mit ihm der Plan, ihn am nächsten Tag darauf anzusprechen und die nötigen Vorkehrungen zu treffen. Wie sie von ihrem Ärger darüber, dass er sie nicht als eigenständige Person wahrnahm, zu dieser Erkenntnis gelangt war, war Jane später schleierhaft, doch das tat nichts zur Sache. Fakt war, dass ihr Mitbewohner sie ihrem Ziel näherbringen konnte, und wenn es darum ging, den Mörder ihres Vaters zu ergreifen, war ihr jedes Mittel recht.

Am nächsten Tag klopfte die junge Frau an die Tür des Gästezimmers, um Aiden ihren Entschluss mitzuteilen. Als niemand antwortete, trat sie hinein und fand... Nichts. Blinzelnd blieb sie in dem Raum stehen, der so ordentlich war, dass er fast leer wirkte. Nur der Stuhl, der nicht am Schreibtisch, sondern dem Fenster zugewandt platziert war, zeugte davon, dass hier jemand lebte.

Jane hatte sich geistig so sehr auf das folgende Gespräch eingestellt, dass es sie irritierte, Aiden nicht vorzufinden, obwohl dieser womöglich einfach außer Haus war. Sich ein wenig über sich selbst ärgernd, ging sie in die Küche, um zu frühstücken. Dabei wurde der Vampir vorerst aus ihren Gedanken verbannt, denn Elizabeth kam strahlend auf sie zu. Hinter ihr stand ihr Laptop aufgeklappt auf der Küchentheke.

„Liebes, ich habe ganz wundervolle Nachrichten!“, rief sie ganz aufgeregt. „Die Familie Ramos zieht wieder nach London. Diego hat mir gerade geschrieben.“

„Im Ernst?“, rief Jane und stürzte an den Computer, um die Nachricht mit eigenen Augen zu lesen. Als sie fertig war, war sie genauso aufgeregt wie ihre Mutter. Die Familien waren befreundet, solange Jane sich erinnern konnte – und dasselbe traf auf ihre Sprösslinge zu. Genau genommen war Gabriel Ramos in ihrer Kindheit Janes bester Freund gewesen, bis seine Familie wegen des Berufs des Vaters zurück nach Spanien gegangen war. Zwar hatten die jungen Leute Kontakt gehalten, doch waren Mails und gelegentliche Anrufe nicht dasselbe wie regelmäßige Gespräche.

„Nächsten Monat kommen Sie schon, um ihr Haus anzusehen!“

„Ich weiß“, lächelte Elizabeth, immerhin hatte auch sie die Mail gelesen. „Ich freue mich schon, sie alle wiederzusehen – und du dich bestimmt besonders auf Gabe.“

„Wir können ja hier eine Wiedersehensparty schmeißen.“

Ihre Mutter sah ein wenig besorgt aus. „Oh, ich weiß nicht… Aiden fühlt sich doch bei Menschenansammlungen immer so unwohl… Vielleicht warten wir lieber, bis die Ramos eingezogen sind und eine Einweihungsfeier machen?“

„So, so – du denkst also zuerst an Aiden…“, neckte Jane. Von Anfang an war ihr aufgefallen, wie gut die Ärztin und der Vampir sich verstanden, und inzwischen fand sie die Vorstellung, die beiden könnten sich verlieben, gar nicht mehr so befremdlich. Klar, begeistert wäre sie nicht, doch sie war seit Jahren der Meinung, dass ihre Mutter zu hübsch war, um alleine zu bleiben. Und abgesehen von gewissen nervigen Eigenschaften war Aiden respektvoll, zuverlässig, gewissenhaft und hilfsbereit, Charaktereigenschaften, die ihn durchaus zu einer guten Partie machten.

Doch Elizabeth überging die Stichelei ihrer Tochter amüsiert; sie hatten zuvor schon über dieses Thema gesprochen, und die Hausherrin war der Meinung, Aiden sei „nur ein guter Freund“, und es würde „komisch aussehen, wenn sie mit so einem jungen Kerl herumlaufen würde“. Davon, dass er genau genommen älter war als sie, wollte sie nichts hören.

Die beiden Frauen schwelgten ein wenig in Erinnerungen, bis Elizabeth meinte: „Gabriel wird sich bestimmt gut mit Aiden verstehen.“

Da war Jane sich nicht so sicher, denn inzwischen wusste sie, wie der Vampir auf andere Männer reagierte. Doch sie hätte ihm gerne von den Neuigkeiten erzählt, sodass sie fragte, wo ihr Hausgast war.

Elizabeth runzelte die Stirn. „Oh, ich habe ihn heute noch nicht gesehen. Wie ungewöhnlich, dass er so lange unterwegs ist.“

„Der kommt schon wieder“, sagte Jane, obwohl eine Stelle ganz hinten in ihrem Magen unangenehm zwickte, und beendete ihr Frühstück.

Doch als er sich Stunden später noch immer nicht blicken ließ, beschlich sie ein ungutes Gefühl und verstärkte sich, als sie ein nochmal in sein Zimmer ging und sah, dass gewisse Dinge verschwunden waren. Nicht, dass der Vampir Wert darauf gelegt hatte, dem Raum eine persönliche Note zu geben, doch so, wie sie es gerade vorfand, schien mehr zu bedeuten als einen Jagdausflug oder dergleichen.

Unter normalen Umständen hätte sie nicht derart in die Privatsphäre ihres Gastes eingegriffen, doch als ihr ungutes Gefühl nicht nachließ und der Vampir selbst am späten Abend einfach nicht auftauchte, betrat sie erneut sein Zimmer. Eine Weile stand sie vor dem Schrank, starrte die weiß gestrichenen Türen an. Sie wollte nicht, dass ihr Gefühl sich bestätigte, sobald sie ihn öffnete, und wenn sie sich irrte und Aiden jemals herausfand, dass sie seine Sachen durchsucht hatte, wollte sie sein Gesicht gar nicht sehen. Doch es war bereits neun, und so lange war er noch nie ohne ein Wort weggeblieben. Schließlich gab sie ein ungeduldiges Geräusch von sich und riss die Schranktüren auf wie ein Pflaster von einer Wunde. Als sie die komplett leergeräumten Schränke entdeckte und bemerkte, dass der Koffer fehlte, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.

Er war weg.

Für einen Moment starrte sie regungslos gegen die hölzerne Wand des Kleiderschrankes vor ihr, ehe sie leise und mit einem Anflug von Galgenhumor zu lachen begann. Wie dumm sie doch gewesen war! Sie hatte tatsächlich geglaubt, dass sie einem dahergelaufenen Vampir vertrauen und mit ihm zusammenarbeiten konnte! Dabei hatte sie doch als kleines Kind nur zu schmerzhaft und deutlich mitbekommen, wie skrupellos diese blutsaugenden Bestien sein konnten. Wie war sie bloß auf den absurden Gedanken gekommen, dass er anders war als seine Artgenossen? Nur, weil er sich ruhig verhalten, auf einige ihrer Befehle gehört und sich so hartnäckig in ihr Leben gemischt hatte, um ein Teil davon zu werden? Weil er ihre Mutter gerettet und sie beschützt hatte? Tz. Wie naiv konnte sie denn eigentlich sein? Womöglich war das alles sogar ein Teil seines eigentlich perfiden Planes gewesen. Was immer das Motiv dahinter war, es war ihr eine - wenn auch schmerzliche - Lehre, deren Konsequenz sie noch lange begleiten würden. Sie würde sich hüten, seinesgleichen wieder Vertrauen entgegen zu bringen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ihr Lieben,

vielen Dank für eure Treue und eure Kommentare. Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen und seid auch beim zweiten Buch dabei :)
Es geht auch direkt weiter, und zwar hier: https://ssl.animexx.de/fanfiction/381455/

Vielen Dank für eure Unterstützung und bis zum nächsten Mal.
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