Bloody Eternity von RedRidingHoodie ================================================================================ Kapitel 9: Wie man Schlachten schlägt ------------------------------------- Jane war ziemlich überrascht, als Aiden statt ein paar Stunden, wie sie erwartet hatte, ganze zwei Tage von ihr fern blieb. Dennoch meldete sie sich nicht bei ihm. Sie selbst war eine Person, die Freiheiten sehr schätzte und Restriktionen verabscheute. Außerdem hatte sie so genug Zeit gehabt, die Akte zu studieren, die noch am selben Abend in ihren Briefkasten aufgetaucht war – Ihr Stalker hatte sie wohl bei ihr vorbei gebracht, ohne mit ihr zu sprechen. Dabei hatte sie vor allem das Phantombild zu dem Vampir angesehen und die physischen Züge studiert, da sie sich zu erinnern versuchte, ob es irgendwelche Parallelen zu jener Nacht gab, in der sie ihren Vater verloren hatte. Jedoch konnte sie sich leider nur vage erinnern und musste wohl oder übel den Serienkiller direkt ansprechen um herauszufinden, ob er wirklich der Mörder war, den sie suchte. Gerade, als sich die junge Frau leise seufzend in ihrem Sessel in ihrem Zimmer zurücklehnte, konnte sie ein lautes Surren vernehmen. Ihr Blick fiel auf ihr Smartphone, ehe sie es in die Hand nahm und Aidens Namen auf ihrem Display erkannte. „Ja?“, meldete sie sich knapp. Was hätte sie auch sagen sollen? Seinen Namen auszusprechen hätte sich komisch angefühlt. „Guten Abend, Jane.“ Wie förmlich er manchmal sprach… Sie fand es seltsam, denn es erinnerte sie daran, dass er aus einer anderen Zeit stammte, obwohl er nicht älter als ihre Freunde aussah. „Hättest du Zeit? Vielleicht sollten wir uns nochmal wegen unseres Auftrags unterhalten. Ich bin gerade bei dir.“ Sie stand auf und stellte sich ans Fenster, wo sie hinaussehen und eine schwarze Silhouette auf der anderen Straßenseite erblicken konnte. Sie musste nicht zweimal hinsehen um zu ahnen, dass es sich dabei um ihren vampirischen Partner handelte. Immerhin war dieses unangekündigte Auftauchen ein sehr typisches Verhaltensmuster seinerseits. „Ich könnte es nochmal mit einer Essenseinladung versuchen, wenn du noch kein Abendbrot hattest. Diesmal habe ich sogar einen Geldbeutel“, versprach er und sie hörte etwas klimpern, das wohl sein Portemonnaie sein musste. „Oh? Hast du das, wirklich?“, kam es leicht schmunzelnd über Janes Lippen, da sie beinahe lachen musste, weil sie an die letzte Einladung denken musste, bei der sie dann doch selbst die Rechnung beglichen hatte. „Nun, ich muss dich leider enttäuschen. Gegessen habe ich schon.“ Sie schwieg kurz und schielte zur Uhr, die kurz vor Acht zeigte. Da sie am nächsten Tag erst gegen Vormittag Vorlesungen hatte, hatte sie genug Zeit, noch auszugehen und zu diskutieren. „Aber um deine erste Frage zu beantworten: Ja, ich habe Zeit. Ich bin gleich bei dir“, fügte die junge Frau hinzu, ehe sie auflegte, ihre Jacke anzog und das Haus verließ. Ihrer Mutter erzählte sie, dass sie sich mit einem Freund treffen wollte, um ein paar Dinge zu besprechen. Nachdem sie der Ärztin einen kleinen Kuss auf die Wange gehaucht hatte, begab sich Jane nach draußen zu Aiden, der wie üblich strahlte, sobald sie näher kam. Jane deutete mit ihrem Kopf an, ihr in eine Richtung zu folgen. Sie steuerte einen kleinen Park an, der um diese Uhrzeit nicht unbedingt gut besucht war und den sie nach fünf Minuten erreichten. Schließlich war es besser, wenn sie ungestört miteinander reden konnten. Als sie eine ruhige Ecke gefunden hatten, blieb die junge Frau stehen und wandte sich mit verschränkten Armen an ihren vorübergehenden Partner. „Hast du noch irgendwas herausgefunden, das uns weiterhelfen könnte? Gibt es in den Vampirkreisen vielleicht Gerüchte, die über den Killer kursieren?“ In den Akten hatte sein Name - Richard Goodwin - gestanden und dass er bereits zu Lebzeiten als Mensch ein Serienkiller und in psychiatrischer Behandlung gewesen war. Jedoch konnte es ja sein, dass sonst noch wichtige Informationen existierten oder in den letzten Stunden ans Licht gekommen waren. „Vampirkreise?“, wiederholte Aiden belustigt. „Ja. Vampirkreise oder wie ihr euch auch nennen mögt. Eure… Bevölkerung, dein vampirisch-soziales Umfeld halt“, führte sie weiter aus und zuckte mit den Schultern. Natürlich ging die junge Frau nicht davon aus, dass Aiden wie Wölfe oder sonstige Rudeltiere ein Pack besaß; Vampire waren nicht gerade für ihre Gruppendynamik bekannt. Aber sie ging davon aus, dass er öfter mal mit gewissen Blutsaugern verkehrte. „Ist ´Vampirisch` überhaupt ein Wort?“, stichelte er ein wenig weiter. „Ich weiß es nicht. Spielt das denn eine Rolle? Vampir ist doch neutral, oder? Da kann vampirisch kaum abwertend sein?“, erwiderte sie augenverdrehend, ehe sie den Kopf schüttelte und sich durch die Haare fuhr. Da versuchte sie, ihm mal ein wenig entgegenzukommen und dann machte er sich auch noch über sie lustig. Uff. Am liebsten hätte sie einfach weiter ihre alten Kraftausdrückte verwendet, doch da sie ihr Gegenüber noch benötigte, musste sie sich wohl oder übel am Riemen reißen. Er versuchte merklich, sein Schmunzeln zu unterdrücken, schaffte es aber mehr schlecht als recht. „Tut mir leid, ich weiß es zu schätzen, dass du dir Mühe gibst“, sagte er, und wirkte trotz seines Amüsements ehrlich. Sie schüttelte nur den Kopf, um ihren Unmut zu zeigen, erwiderte jedoch nichts mehr. Er hätte sich ja sowieso nur lustig gemacht. „Beantworte lieber meine Frage.“ „Ich habe nicht sonderlich viele Bekannte, die mir etwas hätten sagen können“, gab er freimütig zu und schob die Hände in die Jackentaschen. Am liebsten hätte Jane sich die Hand vors Gesicht geschlagen, aber sie seufzte nur. Ein starker und alter Vampir zu sein war das eine. Ein starker und alter Vampir zu sein, der jedoch keine allzu guten sozialen Beziehungen besaß, war das andere. Dementsprechend war Jane froh, dass er momentan nur für diesen Auftrag ihr Partner war. Nun gut, wenn er trotz den mangelnden Kontakten irgendwie an Informationen kam, dann wäre es halb so schlimm. Jedoch tat dies im Moment nichts zur Sache, da der Vampirjäger-Zirkel gute Arbeit geleistet und alles Wichtige aufgelistet hatte, was jetzt auch Aiden auffiel. „Die Organisation weiß sowieso erstaunlich viel. Sie hatten sogar Informationen darüber, wer unseren Mr Goodwin verwandelt hat. Die Frage ist jetzt eher, wann wir loslegen wollen. Ich würde sagen, wir bringen die Sache so schnell wie möglich hinter uns, ehe noch mehr Menschen zu Schaden kommen, oder?“ „Je eher, desto besser. Und das mit den Informationen stimmt. In der Hinsicht haben wir wohl Glück.“ „Haben sie sonst nicht so viele Infos?“, fragte Aiden, den alle Details des Zirkels zu interessieren schienen. Bei dieser Erkenntnis runzelte Jane leicht die Stirn; er dachte ja wohl nicht darüber nach, der Organisation ohne ihre Zustimmung beizutreten, hoffte sie! „Nun, ich würde nicht sagen, dass sie nicht viele Informationen besitzen“, schob sie diese Überlegung vorerst beiseite, um sich auf das Gespräch zu konzentrieren. „Es reicht meist eigentlich aus. Es ist nur so, dass es mehr sein könnte“, erläuterte Jane, da schließlich nach wie vor eine längere Zusammenarbeit im Raum stand und er somit wohl ein paar Details über ihren Arbeitgeber verdient hatte. „Das liegt daran, dass der Job, den die Jäger verrichten um an weitere Daten zu kommen, etwas riskanter und nicht so einfach ist. Schließlich mischen sie sich direkt in die Vergangenheit der Mörder ein, die diese meist geheim halten möchten. Außerdem kommt es nicht selten vor, dass sie versuchen, andere Vampire zu konsultieren, welche ziemlich gewalttätig sein können.“ Was sie ihm wohl nicht erzählen musste, wenn sie daran dachte, wie er letztens nach seinem Gespräch mit der Vampirdame ausgesehen hatte. „Zudem sind es zu wenige Jäger, die diesen Job verrichten können oder wollen. Ich für meinen Teil habe so etwas in all den Jahren nur zweimal getan.“ „Wieso möchten das so wenige machen? Wird es schlechter bezahlt? Oder einfach, weil es mühseliger ist?“, wollte der Vampir interessiert wissen. „Und wieso machst du es nicht?“ „Die Bezahlung ist relativ gut. Aber es ist anstrengend und nicht sehr ergiebig“, erwiderte die junge Frau, ehe sie leise seufzte und die Arme vor der Brust verschränkte. Mit der letzten Frage hatte sie bereits gerechnet. „Als mein persönlicher Stalker hast du ja gesehen, dass ich aufgrund der Universität viel zu tun habe. Außerdem sind die meisten Aufträge in dem Bereich Parnteraufträge, weil sie eben so gefährlich sind und wie du ja weißt bin ich nicht unbedingt die geselligste Vampirjägerin im Zirkel. Zudem ist mit diesen Aufträgen viel Bürokratie verbunden, was das Ganze noch lästiger macht.“ Ihrer Meinung nach hatte sie an der Universität ohnehin schon genug mit Papieren und Arbeiten zu tun, da brauchte sie das alles nicht auch noch in ihrem Nebenjob. Dementsprechend hatte Jane bisher nur so wenige derartige Aufträge angenommen. Den einen, weil sie es tun musste (Natürlich auf Befehl von Eldric) und den anderen, weil sie gedacht hatte, dass er sie näher zu ihrem Ziel bringen würde. „Na, dann bleiben wir beim Jagen von Personen statt Informationen“, stimmte Aiden ihr munter zu. „Wann denkst du, sollen wir loslegen?“ Sie ließ den Blick durch den praktisch leeren Park schweifen, während sie über seine Frage nachdachte. Man konnte von weitem lediglich ein Pärchen auf einer Bank und einen Jogger mit seinem Hund erblicken. „Was hältst du von Samstag? Hast du da etwas vor?“, schlug die Vampirjägerin vor, wobei sie es absichtlich vermied, den Freitag vorzuschlagen. Man hätte natürlich meinen können, dass es für sie nicht schnell genug gehen konnte, doch da sie am morgigen Donnerstag noch Vorlesungen hatte und den Freitag mit Logan verplant hatte, weil der Abgabetermin für diese dämliche Arbeit bereits nächste Woche war, stand eigentlich nur noch der Samstag zur Debatte. Außerdem hatte sie es auch so eingeplant, dass sie, falls sie sich Verletzungen zuzog, einen Tag zum Ausruhen hatte anstatt sich den unweigerlichen Fragen ihres Projektpartners auszusetzen. Da Aiden diese Überlegungen natürlich nicht kannte, wohl aber ihre Ungeduld, zog er überrascht die Brauen hoch. „Nicht gleich übermorgen?“ Eigentlich hatte sie sich nicht rechtfertigen wollen, aber sie hatte ihm ja selbst angeboten, ihn in ihr Leben zu integrieren, also sollte sie sich wohl Mühe geben, etwas offener zu sein. „Ich habe praktisch jede freie Minute am Freitag mit Logan verplant. Der Abgabetermin für die Arbeit steht kurz bevor und wir müssen bis übermorgen die erste Fassung überarbeiten, damit wir genug Zeit für die Korrekturlesung haben“, erklärte die junge Frau, die mühsam ihren Wiederwillen herunterschluckte. Eine herbstliche Brise wehte vorbei, die Jane ein wenig erschaudern ließ. Instinktiv verschränkte sie die Arme fester vor dem Körper, wobei sie sich dafür verfluchte, keine dickere Jacke mitgenommen zu haben. „Sollen wir irgendwo rein gehen?“, fragte der Vampir sofort besorgt. „In der Nähe gibt es glaube ich eine Laube, die wäre zumindest windgeschützt.“ Jane runzelte leicht die Stirn. „Wieso weißt du das? Bist du öfter hier? Oder wohnst du in der Nähe?“, wollte die Vampirjägerin mit einer hochgezogenen Braue wissen, wobei sie aber direkt den Weg zur besagten Laube einschlug. Sie hatte nicht vor, krank zu werden, und außerdem war das Gerüst nur einige Minuten Fußweg entfernt. Aiden lehnte sich gegen die Wand der verlassenen Laube, sobald sie dort ankamen. „Ich wohne in der Nähe des Hyde Park in einem Hostel“, beantwortete er nur einen Teil ihrer Frage. „Wieso in einem Hostel? Hast du nicht genug Geld, um dir eine feste Bleibe zu suchen?“, wollte Jane wissen, obwohl sie sich gut vorstellen konnte, dass er ein kleines Vermögen besaß. Immerhin kam er ihr nicht verschwenderisch vor. Wenn man jedoch an den Vorfall zurückdachte, an dem er sie hatte einladen wollen, wäre ein Geldmangel vielleicht doch gar nicht so abwegig. „Doch, das hätte ich. Aber ich reise viel und es würde sich nicht lohnen, mir irgendwo etwas Festes zu suchen“, klärte er sie auf, wobei sein Lächeln eine leicht angespannte Note annahm, die Jane jedoch nicht hinterfragte. „Welche Adresse hast du dann bitteschön am College angegeben, als du dich immatrikuliert hast?“, wollte sie stattdessen neugierig und ein wenig irritiert wissen. Immerhin konnte sie sich gut vorstellen, dass das Dekanat ziemlich eigenartig reagiert hatte, wenn er die Adresse eines Hostels angegeben hatte. Für sie überraschend lachte der Vampir, ehe er antwortete: „Ich habe dasselbe gesagt wie dir: Dass ich viel reise und ´noch` keinen festen Wohnsitz habe. Allerdings hat die Dame wohl… Vergessen, dass ich noch einen angeben muss“, schloss er amüsiert. Die junge Frau runzelte die Stirn und legte dann schwer seufzend die Hand ins Gesicht, als sie diese sogenannte ´Erklärung` hörte. Aiden hatte also seinen hypnotischen Blick benutzt, um die arme Sekretärin gefügig zu machen. Unmöglich, so etwas! „Das kann doch nicht dein Ernst sein! Wenn du dich schon für eine Universität einschreibst, dann solltest du zusehen, dass du wenigstens eine Wohnung oder ein Studio besitzt. Immerhin wirkt das auf die zuständigen Leute überaus seltsam“, beschwerte sie sich schwer seufzend und schüttelte leicht den Kopf. Es war ja auch möglich, dass er aufgrund der nicht festen Adresse gewisse wichtige Informationen nicht erhielt. Jedoch würde das in seinem Fall wahrscheinlich keine allzu große Rolle spielen, da er sich ja nicht wirklich für das Studium interessierte und er ziemlich schnell verschwinden konnte, wenn die Dinge brenzlig würden. „Ich denke nicht, dass das irgendjemanden großartig interessiert, und selbst wenn…“ Er zuckte die Schultern. „Mich interessiert es sehr wohl“, entgegnete sie schlicht. „Wenn man Verdacht schöpft und nachforscht, könnte man möglicherweise darauf kommen, dass du nicht menschlich bist. So würde man natürlich deine Kontakte prüfen und deine Verbindung zu mir finden.“ Es war offensichtlich, dass ihre Sorgen Aiden amüsierten, und sie musste zugeben, dass es vielleicht ein wenig weit hergeholt war, doch musste man Janes Meinung nach jede erdenkliche Möglichkeit beachten und alle Gefahren ausschließen. Nicht auszudenken, was für ein Chaos herrschen würde, wenn ans Tageslicht käme, dass sie sich mit Vampiren abgab und einen solch gefährlichen Nebenjob verrichtete. Dabei würde sie und insbesondere ihre Familie in Gefahr geraten, weil solche Neuigkeiten mehr blutrünstige Kreaturen erreichen würden, die dann möglicherweise den Versuch starten würden, sie auszuschalten. Dementsprechend hoffte sie sehr, dass ihr temporärer Jagdpartner es einsah und sich, wenn auch nur zum Schein, eine Wohnung besorgen würde. Andererseits hatte er auch etwas erwähnt, das Jane Hoffnung machte, sodass sie fragte: „Du hast gesagt, du reist viel. Heißt das, ich darf davon ausgehen, dass du mir nicht mein Leben lang auf den Wecker gehen willst?“ „Nun, ich hoffe, dir irgendwann nicht mehr auf den Wecker zu gehen“, drehte er ihr die Worte ein wenig im Munde herum. Ihr hoffnungsvolles Lächeln erblasste, und sie zuckte mit den Schultern, da sie darauf keine Antwort geben konnte. Sie konnte nicht in die Zukunft sehen und nicht sagen, wie ihre Beziehung sich weiterentwickeln würde. Es konnte immerhin auch gut sein, dass ihre Abneigung ihm gegenüber wieder größer würde. Solange er sich jedoch gesittet benahm und keine Anzeichen dafür gab, mörderische Absichten zu verfolgen, würde sie sich wohl irgendwann an ihn gewöhnen. Die Zeichen dafür standen momentan recht positiv – Was wohl auch daran lag, dass Jane sich Mühe gab, Vampire nicht weiter alle als blutrünstige Monster anzusehen und Aiden versuchte, sich möglichst an die Regeln des Zirkels zu halten. Froh, dass er sich als ihr Partner eignete, war Jane allemal gewesen. Sie hatte zwar im Gegensatz zu Aiden nie an dessen Qualifikation gezweifelt – Auf sie wirkte er fast schon wie ein Pazifist, wenn man davon absah, dass er für seine Nahrung tötete. Aber mit ihm an ihrer Seite konnte sie endlich den Vampir jagen, der sehr wahrscheinlich ihren Vater auf dem Gewissen hatte, immerhin sprachen alle Anzeichen dafür, dass dieser Serienkiller, dieser Richard Goodwin, der Gesuchte war. Sie konnte es noch immer kaum fassen, wie nah sie ihrem Ziel nun endlich war, und fast empfand sie Dankbarkeit für den nervigen Vampir, der ihr das ermöglichte. Dessen scharfer Blick war auf die dunkle Umgebung gerichtet, sodass sie sein Gesicht nicht sehen konnte, als er fragte: „Deine Arbeit mit dem Jungen…“ „Logan?“ „Ja. Du hast in letzter Zeit viel daran gearbeitet. Bist du bisher zufrieden?“ Jane zuckte nur die Schultern. Sie konnte nicht wirklich behaupten, zufrieden damit zu sein, weil sie nicht einschätzen konnte, wie gut die Arbeit war. Zudem war die Brünette eher perfektionistisch veranlagt, weshalb man ihrer Meinung nach fast nichts gut genug machen konnte. „Ich denke, sie ist ganz in Ordnung. Aber Logan ist ganz aus dem Häuschen, weil er meint, dass unsere Arbeit genial ist und wahrscheinlich seine Noten in der Vorlesung pusht. Von daher würde ich sagen, dass sie schon ganz gut ist“, antwortete sie lässig, woraufhin er schmunzelte. „Wahrscheinlich ist es eine umwerfende Arbeit und du bist nur zu stolz, das zuzugeben. Ich bin mir sicher, du bekommst eine gute Note“, bestärkte er sie sanft. Da Aiden das nicht beurteilen konnte – Er hatte das Schriftstück ja nicht gelesen – entgegnete sie nichts darauf und ließ das Thema fallen. Eigentlich war sie nicht hergekommen, um ihre Leistungen an der Universität zu sprechen, und wenn sie Bestätigung für diese bräuchte, würde sie sich an ihre Mutter oder ihren Arbeitspartner wenden, sicher nicht an den Blutsauger. Sie ließ sich auf einem Bänkchen nieder und ließ den Blick in der Umgebung herumschweifen, ehe sie wieder zu ihrem zeitweiligen Partner aufblickte. Dieser beobachtete sie nämlich mit seinem komischen Lächeln, das sie die Stirn runzeln ließ. Er war schon ein seltsamer Zeitgenosse. „Was amüsiert dich jetzt schon wieder?“ „Nichts.“ Kurz sah es aus, als wolle der Vampir noch etwas sagen, doch dann entschied er sich anders, und bei seinem Gesichtsausdruck war das vielleicht auch besser so. Stattdessen wechselte er das Thema. „Übrigens habe ich gejagt, ohne zu töten. Das Mädchen habe ich dann in der Nähe eines Krankenhauses abgeliefert, ihr geht es sicher gut. Ich denke, das wird auch weiterhin machbar sein“, erzählte er, nicht wenig Stolz in der Stimme. Sie lehnte sich ein wenig zurück, schlug die Beine übereinander und beobachtete den zurückkehrenden Jogger mit seinem Hund, der an ihnen vorbei lief, ein wenig überrascht von dem, was Aiden ihr da erzählte – Und vor allem davon, dass er dafür offensichtlich Bestätigung wollte. Ein bisschen wie ein kleiner Junge, der eine gute Note nach Hause brachte. Sie konnte gar nicht anders, als zu lächeln. „Gut gemacht“, lobte Jane ihn ausnahmsweise mal ehrlich und mit sanfter Stimme, woraufhin er strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Sie hasste Vampire zwar immer noch und konnte die blutige Ernährungsweise an Menschen nicht ausstehen, doch schätze sie es bei allen Lebewesen, wenn man offensichtlich sein Bestes gab und versuchte, sich zum Besseren zu ändern. Ja, sie war stolz und perfektionistisch veranlagt und verlangte von ihren Partnern und Mitmenschen genau das Gleiche (Auch wenn sie diese damit oftmals überforderte), doch wusste sie Bemühungen bei ihnen offen zu schätzen. Dafür fielen ihre Standpauken allerdings saftig aus, wenn etwas schief lief. Die Vampirjägerin stand auf, klopfte den Dreck von ihrer Kleidung und streckte sich einmal ausgiebig, sodass ihre Gelenke knacksten. Es tat gut, ein wenig an der frischen Luft zu sein, nachdem sie in der letzten Zeit so viel in geschlossenen Räumen zu tun gehabt hatte. Außerdem musste sie Aiden ein wenig besser ´kennenlernen` und Zeit mit ihm verbringen, um sich die Entscheidung zu erleichtern, ob er ihr permanenter Partner werden sollte. Es diente also mal wieder alles als Mittel zum Zweck. „Und? Sonst noch was, das du loswerden willst?“, fragte sie entsprechend unverblümt Mal wieder hatte Jane damit gerechnet, dass Aiden ihren Aufbruch hinauszögern wollte, doch wie schon bei ihrem Besuch im Zirkel beugte er sich völlig ihrem Willen und begleitete sie ohne Protest zurück in Richtung der Villa. Während er überlegte, herrschte Stille zwischen ihnen, die nur vom Wind in den Baumwipfeln unterbrochen wurde. Die Vampirjägerin freute sich auf ihr warmes Zimmer. „Hm… Vielleicht noch die Bitte, dass du dir möglichst nicht wehtun solltest, wenn wir am Samstag loslegen.“ Aiden lächelte, aber sie merkte, dass er die Bitte ernst meinte, und nachdem er sich bei seinem Test so angestellt hatte, konnte sie sich auch vorstellen, wieso. „Ich werde es versuchen. Versprechen kann ich es dir allerdings nicht“, gab die Brünette ehrlich zu, die sich weniger Sorgen machte als ihr Begleiter. Er hatte ihr Blut gerochen und nichts getan, seine Panik war also nur ein gutes Zeichen dafür, dass er sich weiterhin Mühe geben würde, sich selbst zu kontrollieren. Außerdem wusste sie, wie unberechenbar und hitzköpfig sie beim Kämpfen sein konnte. Dennoch würde sie – Schon weil sie Eldric und den anderen keine weitere ´lustige` Geschichte liefern wollte – versuchen, sich ein wenig zurückzuhalten. Ihr Blick schweifte über die mittlerweile leeren Straßen, die zu ihrem Haus führten, und dann wieder zu ihrem Begleiter, als dieser wieder sprach. „Das genügt mir. Für den Rest sorge ich“, zwinkerte er ihr zu, woraufhin sie sich den Nasenrücken massierte. Er war so eine Glucke, es war unfassbar! „Darf ich… Dich auch um etwas bitten?“, wollte Jane leise wissen und er summte auffordernd. „Wenn… es möglich ist, möchte ich, dass du den Vampir nicht tötest – Selbst wenn es so aussieht, dass er mich überwältigen könnte. Ich will, dass du ihn im schlimmsten Fall einfach nur zurückhältst und ich mich mit ihm… Unterhalten kann. Sollte ich nicht in der Lage sein, ihn umzubringen, solltest du dies erst tun, wenn ich es dir sage oder ein Zeichen gebe. Denkst du, du kriegst das hin?“ Er sah sie so abwägend an, dass sie schon mit einer Absage rechnete. Verwundert hätte es Jane nicht, immerhin war er laut Eldric geradezu ´besessen` davon, sie zu beschützen. Bei diesem Kommentar hätte sie wirklich zu gerne gewusst, wie genau Aiden auf die Fragen ihrer Kollegen in dem Test geantwortet hatte. „Wenn er dich angreift, werde ich ihn aufhalten. Egal, was dafür nötig ist“, stellte der Vampir klar, die Stimme ohne Kompromissbereitschaft, woraufhin sie nur seufzte. „Aber ich werde ihn für dich aufhalten, solange ich kann. Hast du vielleicht Beruhigungspfeile oder so? Ich denke, wenn wir mit ihm kämpfen, wird er danach zu sehr in Rage sein, um dir Informationen zu liefern.“ „Ich brauche einen Partner. Keinen Aufpasser“, meinte sie Augenverdrehend, wobei sie erneut einen kräftigen Luftzug verspürte und für einen kurzen Moment erschauderte. Sie beschleunigte ein wenig ihren Schritt, um nicht noch länger der kühlen Abendluft ausgesetzt zu sein. Schließlich stand in wenigen Tagen der große Auftrag bevor und eine Erkältung war generell nichts Erfreuliches. „Was die Bewaffnung angeht, mach dir keine Sorgen. Ich warte seit Monaten darauf, diesen Auftrag zu bekommen, und bin bestens vorbereitet“, fuhr die Vampirjägerin dann fort und blieb vor der Einfahrt ihres Anwesens stehen. Wäre ihr Verhältnis noch so schlecht wie am Anfang ihrer Bekanntschaft, hätte sie Aiden einfach stehen gelassen oder hätte sogar versucht, ihn zu verjagen. Da sie nun jedoch Partner waren und einigermaßen gesittet miteinander umgehen wollten, wartete sie darauf, bis das Gespräch richtig beendet wurde. Natürlich hatte er vorher noch etwas zu ihrer Beschwerde zu sagen. „Ich möchte keine Vampire töten. Was also soll meine Aufgabe bei dieser Partnerschaft sein, wenn nicht, dich zu beschützen? Ich fürchte, solange du mit mir arbeitest, wirst du mit einem Partner und Beschützer auskommen müssen.“ Da musste die Brünette ihrem Gegenüber wohl oder übel Recht geben. Schließlich hatte dieser oft genug betont, dass er gegen das Töten seiner Artgenossen war – Was ja verständlich war. Immerhin war es für einen Menschen auch nichts Normales, einen anderen Menschen umzubringen. Passen tat ihre seine Wachhund-Manier deshalb natürlich trotzdem nicht, weshalb sie nur herablassend schnaubte und die Arme verschränkte. Daraufhin lächelte der Vampir. „Gute Nacht, Jane. Wir sehen uns Morgen.“ Irgendwie klang das aus seinem Mund immer noch wie eine Drohung. Es gehörte irgendwie schon dazu, dass Aiden Jane zu den morgendlichen Vorlesungen Kaffee überreichte, den sie dann dankend (und gelegentlich sogar mit einem Lächeln) entgegennahm. Deshalb war sie am nächsten Tag nicht überrascht, als er sie mit einem Pappbecher begrüßte. Zwar unterhielt sie sich ab und zu mit dem Vampir über die bevorstehende Jagd, doch da die Vorlesungen überaus wichtig waren und sie sich bereits besprochen hatten, konzentrierte Jane sich lieber auf das Schulische. Demzufolge dachte sie nicht viel über den Auftrag nach, als sie sich am Freitag mit Logan bei sich zuhause zurückzog und mit ihm praktisch den ganzen Tag verbrachte. Trotz der anstrengenden Arbeit hatten die beiden jungen Studenten viel Spaß, da sie immer mal wieder rumalberten, sie sich über außerschulische Dinge unterhielten und sich ein wenig näherkamen beziehungsweise besser kennenlernten. Die Zusammenarbeit mit ihm würde sich wohl auch in Zukunft immer als angenehm erweisen, sodass die Brünette sicher nie etwas gegen ein gemeinsames Projekt einzuwenden hätte. Für die Vampirjägerin verging die Zeit zum Samstag folglich schnell und nach einem liebevollen Abschied von ihrer Mutter fuhr Jane zum besagten Treffpunkt, wobei sie ihren Audi in einiger Distanz parkte. Der Vampir wartete schon auf sie und sah zum dunklen Himmel auf, über den Wolkenfetzen peitschten. Er hatte sich nicht anders gekleidet als sonst – Dunkle Jeans, Turnschuhe, grauer Pullover – Und sah insgesamt entspannt aus, als hätte er das alles schon tausend Mal gemacht. Sicher hatte er sie schon wesentlich früher bemerkt, doch er sah erst auf, sobald Jane nur noch wenige Schritte von ihm entfernt war. „Bereit?“, begrüßte er seine Partnerin, die nur knapp nickte. „Bist du diesmal warm genug angezogen?“ Die Brünette verdrehte die Augen und zog es vor, würdevoll zu schweigen. Natürlich musste er auf ihr ständiges Frösteln während der letzten Besprechung anspielen. Zum Glück war es trotz des starken Windes deutlich wärmer als am Mittwochabend, sodass sie keine weiteren Vorkehrungen für ihre Garderobe hatte treffen müssen. Außerdem hatte das neue Oberteil, welches sie vor wenigen Tagen mit Aiden im Zirkel gekauft hatte, sowie die speziell angefertigten, hautengen Hosen eine eingebaute Temperaturkontrolle. Demzufolge würde die junge Frau am heutigen Abend bestimmt nicht frieren. Stattdessen kontrollierte Jane auf seine Frage hin noch ein Mal ihre Ausrüstung, die aus der neuen Pistole, ein paar Beruhigungspfeilen und einem Messer bestand. All das hatte sie an ihrem Körper befestigt; Die Desert Eagle sowie fünf Beruhigungspfeile hatte sie an ihrem Ledergürtel festgemacht (Welcher natürlich eine Sonderanfertigung des Zirkels war), während sie das Messer etwas oberhalb ihres Knöchels an der Stiefelette befestigt hatte. „Gehen wir das Ganze nochmal durch“, beschloss die junge Frau, als sie sich auf dem Weg zu dem Feld machten, wo sie auf die beiden Vampire warten sollte. „Du begibst dich in sein Revier, tust so, als würdest du jagen und lockst ihn zu mir, wo wir ihn mit den Betäubungspfeilen lahmlegen und festnageln, damit ich ihn befragen und anschließend umlegen kann.“ Als er besorgt die Stirn runzelte, fürchtete Jane schon, ihr Partner würde wieder so ausflippen und Panik schieben wie im Zirkel, aber dann nickte er. „Bleib hier, auch, wenn es länger dauert als geplant. Ich möchte dich nicht suchen müssen“, wies er sie an, dann, er hatte sich schon halb abgewandt, sah er sie doch nochmal an und fügte sanfter hinzu: „Bitte.“ Mit diesen Worten machte er sich auf in das Gebiet des Vampirs. Man musste wohl nicht erwähnen, dass es der jungen Frau gegen den Strich ging, nicht mit ihrem Jagdpartner mitgehen zu können und während des Wartens die Füße stillhalten zu müssen. Am liebsten hätte sie den Vampir zur Seite geschoben und wäre alleine ins Revier einmarschiert, doch da es gegen die Abmachung war und sie versuchte, sich zurückzuhalten, tat sie es nicht. Stattdessen lehnte sie sich an die Mauer hinter ihr und wartete darauf, dass Aiden endlich wieder zurückkehrte. Die Zeit verging schleichend und hätte er ihr nicht gesagt, dass sie warten sollte, selbst wenn es sich in die Länge zog, wäre sie schon längst selbst losgezogen und hätte sich nach dem Serienkiller umgesehen. Stattdessen ging Jane immer wieder auf und ab, tapste ungeduldig mit dem Fuß auf den Asphaltboden rum oder knirschte mit den Zähnen, um sich zurückzuhalten. „Wo bleibt er nur…?“, murmelte die Brünette leise und sichtlich genervt, ehe sie in der Bewegung innehielt, als sie so etwas wie Schreie vernehmen konnte. Instinktiv wollte sie aus dem Versteck raus und nachsehen, warum ein paar Passanten solche Laute von sich gaben, doch hielt sie sich im letzten Moment mit großer Mühe zurück. Schließlich konnte es gut sein, dass es Aidens Plan war. Wenn sie sich jetzt einmischte, war es möglich, dass sie seine Vorbereitungen ruinierte und das wollte sie nicht – Zumindest nicht, wenn es denn den Weg zum Ziel erschwerte. Folglich atmete Jane tief durch, versuchte, ruhig und geduldig zu bleiben, während die Zeit nicht schnell genug vergehen konnte und sie zum ersten Mal in ihrem Leben das Auftauchen eines Vampires herbeiwünschte, nicht nur, um diesen umzulegen – zumindest einen von ihnen nicht. ~ Aiden ~ Wie in einer Gegend, in der ein Serienkiller umging, zu erwarten war, war nicht viel los auf den nächtlichen Straßen und es dauerte eine Weile, bis der starke Wind Aiden eine Fährte zutrug. Er blieb stehen, zögerte aber, weil es sich um mehrere Männer handelte, und sein Artgenosse wahrscheinlich interessierter an Frauen war. Aber es konnte sein, dass Frauen sich gar nicht auf die Straßen wagten und er wollte keine Zeit verschwenden. Immerhin hatte er Jane alleine zurückgelassen und seine Gedanken wanderten immer wieder besorgt zu seiner Partnerin, während er unterwegs war, um den Serienkiller aufzuscheuchen. Schließlich setzte Aiden sich in Bewegung; er musste die Kerle ja nicht jagen, sondern sie nur ein bisschen in Aufregung versetzen. An einer Straßenecke fand er die Gruppe, die aus fünf Heranwachsenden bestand, die sich offenbar als eine Art Mutprobe auf die Straße gewagt hatten. Keiner von ihnen war älter als zwanzig. Sie lachten und schupsten sich gegenseitig in dunkle Seitengassen. Aiden beobachtete das eine Weile, dann beschloss er, ihnen einen Denkzettel zu verpassen, denn durch ihre Spielchen verspotteten sie die Opfer des Killers. Er verbarg sich in einer der Sackgassen, an denen die Jungs vorbeiliefen, und stieß genau in dem Moment eine Mülltonne um, als sie herannahten. „Alter, was war das?“, fragte einer von ihnen besorgt, woraufhin die anderen johlten und meinten, das wäre bestimmt nur eine Katze und er sollte sich nicht so anstellen. „Ich weiß nicht… Ne Katze kann doch nicht so was Großes umstoßen…“ „Dann geh doch nachsehen, wenn du meinst, es sei der Killer“, lachte einer seiner Freunde und nach kurzem hin und her näherte sich der Junge Aiden, der aus seinem Versteck trat, sobald das Licht der Straßenlaterne sie nicht mehr erreichte. Der Jugendliche wich mit einem Entsetzenslaut zurück, dann fuhr er den Vampir mit zittriger Stimme an: „W-Was machst du hier hinten? Verpiss dich gefälligst, du Freak!“ Aiden legte den Kopf schief und lächelte mit gebleckten Zähnen, die genauso wie seine Augen im schwachen Licht aufblitzten. „Wieso? Ihr habt mich doch gesucht, oder?“, fragte er mit tiefer, leicht knurrender Stimme. Der Junge weitete die Augen, wich rückwärts von ihm ab, dann nahm er die Beine in die Hand und rannte davon. „Da-Da-Das ist der Psycho!“, schrie er, und obwohl seine Freunde zuerst lachten, rannten sie ihm nach und nach hinterher, als Aiden gemächlich aus der Gasse schlenderte. Vollkommen abgestumpft waren die Sinne der Menschen also doch noch nicht; sie spürten das Raubtier an ihm. Der Vampir sah ihnen amüsiert nach, dann hob er den Kopf in den Wind auf der Suche nach einer neuen Fährte. Immerhin sollte er ein ganzes Viertel in Aufregung versetzen. Er erschreckte jeden Menschen, den er auftreiben konnte, ähnlich wie die Teenager, aber da es so wenige waren, dauerte es eine ganze Weile, bis seine eigentliche Beute auf ihn aufmerksam wurde. Zuerst merkte Aiden nicht, dass er nicht alleine war, weil der Wind ungünstig stand, doch dann hielt er mitten in der Bewegung inne. Noch bevor er den Geruch zuordnen konnte, den er nur flüchtig hatte wahrnehmen können, stürzte sich ein Schatten auf ihn und er wurde zu Boden gerissen. Er schürfte sich die Wange auf, als sein Kontrahent ihm den Kopf gegen den Asphalt knallte. „Was glaubst du eigentlich, was du hier suchst, du kleiner Wichser?“, fragte eine schnarrende Stimme über ihm. Aiden spürte bereits Hände an seinem Hals, riss sich aber mitsamt dem anderen Vampir herum, ehe der versuchen konnte, ihm wortwörtlich den Kopf abzureißen, und schleuderte den anderen mit Wucht von sich. Beide rappelten sich auf, und Aiden konnte den Killer das erste Mal sehen. Der Mann war groß und breitschultrig wie er selbst und hatte auch eine ähnliche Haarfarbe, sah aber alles in allem wesentlich ungepflegter und einfach wilder aus als Aiden. In seinen hellen Augen blitzte der Wahnsinn und er spuckte auf den dreckigen Boden. Aiden lächelte nach einem kurzen Scan seines Gegners und verlagerte das Gewicht ein wenig. „Was ich suche? Hm… Abendessen wäre nicht schlecht?“, beantwortete er die Frage, dann ging er auf den Killer los. Er gab sich in dem Kampf keine Mühe, wollte den anderen erstens über seine Fähigkeiten im Unklaren lassen und ihn zweitens dazu bringen, ihm zu folgen, wenn er gleich das Weite suchte. Dafür musste er zwar ein paar Kratzer einstecken, unter anderem auch einen unschönen, tiefen Schnitt, der ihm das halbe Ohr abtrennte, aber schließlich war er auf dem Weg zurück zu Jane. Die Vampire erreichten den Park auf der Seite, die Janes Aufenthaltsort gegenüberlag, und ihr Partner auf Zeit musste über einen hohen Maschendrahtzaun klettern, um auf die Grasfläche zu gelangen. Er ließ sich auf den matschigen Rasen fallen und lief einige Schritte über das verwilderte Footballfeld. Der Wind war noch stärker geworden und riss an den Bäumen, die den Kampfplatz umstellten wie ein natürlicher Sichtschutz. Irgendwo unter ihnen war hoffentlich Jane, aber Aidens flüchtiger Blick konnte sie nicht entdecken, und da brüllte ihn auch schon der andere Vampir an. „Verschissener kleiner Feigling, kämpf gefälligst wie ein Mann, wenn du schon in fremden Revieren wilderst!“, keifte sein Verfolger, der ihm über den Zaun nachsetzte. Als Aiden tatsächlich stehenblieb und sich nach ihm umwandte, schien er jedoch überrascht und sein Blick glitt unruhig über die Bäume in der Nähe. „Was spielst du, Pisser?“ „Fangen“, antwortete Aiden gutmütig, dann duckte er sich und sprang seinen Gegner an, wobei er zum ersten Mal seine volle Kraft einsetzte und ihn zu Boden riss. Während sie sich schlugen, hatte Aiden keine Zeit, nach Jane Ausschau zu halten, aber er konnte sie in der Nähe wittern. Blieb nur zu hoffen, dass sie sich raushielt. Natürlich tat sie das nicht. Aus dem Augenwinkel sah er, wie sie mit gezogener Waffe aus ihrer Deckung hervorpreschte und auf sie zu rannte. Verdammt, konnte sie nicht warten, bis er den Gegner fixiert hatte? Dieser nutzte seine kurze Ablenkung, um mit den Klauen die Schläfe aufzuschlitzen, was ihn zurücktaumeln ließ. In seinen Ohren war ein helles Sirren zu hören, aber er war im nächsten Moment wieder auf den Beinen und griff Richard an, der wohl überrascht von der neuen Aggressivität des anderen Vampires war. Doch dann sah der Serienkiller Jane und erkannte, dass Aiden seine ´Beute` verteidigte. Höhnisch lachte Richard auf und tänzelte ein paar Schritte zurück. „Eine Menschenhure?“, fragte er noch, doch dann zuckte er leicht zusammen, als ihn einer der Beruhigungspfeile am Nacken traf. Wie eine Fliege schlug er nach dem Geschoss und starrte es an, ehe er wütend aufbrüllte. „Ihr… Elenden Drecksschweine!“, knurrte der ziemlich verwilderte Vampir und stürzte sich wieder auf Aiden. Dieser duckte sich unter einem Schlag weg, packte Richards Arm und schickte ihn mit einem Hüftwurf zu Boden. Der Serienkiller war langsamer durch den Beruhigungspfeil und noch bevor er sich aufrappeln konnte, saß Aiden auf seinem Schoß, um ihm mit voller Wucht ins Gesicht zu schlagen, weil er Jane angesehen hatte, und noch einmal, weil er sie Hure genannt hatte. Nach einigen Sekunden wurden die Bewegungen des Killers deutlich träger und sein Blick verklärt. Dennoch versuchte er mit der Faust auszuholen um Aiden zu schlagen, doch konnte man sehen, dass es ihn viel Energie kostete und er keine bedrohliche Kraft in die Schläge mehr legen konnte. Während das Betäubungsmittel seine Wirkung entfaltete, näherte Jane sich mit langsamen Schritten. „Steh mit ihm auf und halt ihn still“, befahl sie Aiden fast tonlos. Ihre Beute fluchte, als sie auf die Beine gezerrt wurde und wand sich, aber der Griff um seine Arme war zu fest, als dass er sich hätte losmachen können. Während Aiden ein wenig mit Richard rang, nahm seine Partnerin ihre Desert Eagle in die Hand, entriegelte diese und wandte sich mit hartem Gesichtsausdruck an ihre Beute. „Du Miststück!“, schimpfte er ungehalten, woraufhin die Angesprochene nur müde schmunzelte. Ihr Partner reagierte nicht so gelassen wie sie. Er rammte Richard das Knie in den Rücken, was diesen in sich zusammensacken ließ, und knurrte ihm warnend ins Ohr. Noch so eine Frechheit würde er nicht dulden. „Und genau dieses Miststück wird dir deinen wohlverdienten Tod bringen“, erklärte Jane leise, die nicht zu interessieren schien, wie brutal ihr Helfer zu ihrer Beute war, solange dieser sie nicht umbrachte. Wie eiskalt ihre Stimme klingen konnte… Mit dem Kolben ihrer Waffe hob sie Richards Kinn. Wegen seines völlig verwilderten Äußeren und seiner langen Haare hatte sie sein Gesicht bis dato nicht genau betrachten können. Richard machte keine Anstalten, noch etwas zu sagen, als die Jägerin ihn jetzt eingehend begutachtete. Aiden dagegen sah ein wenig beunruhigt zu. Was hatte sie vor? Warum tötete sie ihn nicht einfach? „Schließlich warst du es doch, nicht wahr? Du warst es, der damals eingebrochen ist und ihn einfach…!“, fuhr die junge Frau fort, bevor sie abrupt abbrach und völlig erstarrte, als sie das Gesicht des Serienkillers direkt ansehen konnte. Ihre Augen weiteten sich mit jeder weiteren Sekunde Stück für Stück während ihr Gesichtsausdruck von einem Gefühl zum anderen wechselte. Aus der anfänglichen Kälte entstand Schock, der wiederum der Wut wich. Diese hielt jedoch nicht lange an, bevor Trauer und pure Verzweiflung folgten. Wie in Zeitlupe löste sich der Griff um ihre Waffe, bis diese zu Boden plumpste. „Jane…?“, sprach Aiden sie alarmiert an, aber sie reagierte nicht. Stattdessen nutzte Richard die Ablenkung, um sich von ihm loszureißen und mit einem Satz auf die junge Frau zu stürzen. „Jane, Jane“, äffte er Aidens besorgte Stimme nach, während er die Jägerin mit sich zog, ihre Hände in seiner Gewalt, sodass sie sich nicht wehren konnte. Ihre Waffe lag noch zu den Füßen ihres Partners. „Ich bring die kleine Schlampe um, du unwürdiges Schoßhündchen! Komm mir nicht zu nahe, sonst reiß ich ihr sofort die hübsche Kehle auf!“ Sobald sie wieder einigermaßen bei sich war, versuchte die junge Frau, sich aus den Fängen des blutrünstigen Vampirs zu befreien, doch dieser verfestigte seinen Griff um ihren Körper nur noch mehr, sodass sie vor Schmerz aufkeuchte. „Na? Wer bringt hier wem den Tod?“, säuselte Richard amüsiert und grinste über Jane hinweg Aiden an, sodass seine Fangzähne sichtbar wurden. Als der Serienkiller sah, wie der andere Vampir sich ihm nähern wollte, wich er ein wenig zurück. „Ah, ah, ah! Noch ein Schritt und es fließt Blut… Ihr süßes Blut…“ Aiden indes war wie gelähmt, verharrte in der halb geduckten Haltung, in der er den beiden hatte nachsetzten wollen. Richard fasste sie an… Dieser Psychopath fasste Jane an. Und er konnte absolut nichts dagegen tun, denn sobald er sich bewegte, würde der andere Vampir das Mädchen töten, und wenn es das letzte war, das er tat bevor Aiden ihm die Wirbelsäule rausriss. Hilflosigkeit und rasende Wut pumpten Aiden durch den Körper und entfesselten sich in einem Brüllen. Bilder aus einer anderen Zeit, aus einem anderen Leben, lösten sich aus seinem Gedächtnis. Blut, das in langem, dunklem Haar verkrustete, ein schlaffer Laib und diese Augen… Nie würde er diese leeren, grünen Augen vergessen, die einst so voller Leben gewesen waren und auf denen sich eine Fliege niedergelassen hatte, als Aiden sie zuletzt sah… Aber er wagte es nicht, sich zu bewegen, also staute alle Aggression sich in ihm ohne Ventil. Der verrückte Vampir beugte sich zum Hals der jungen Frau und wagte es sogar, darüber zu lecken, woraufhin Jane leicht erschauderte und Aiden tief knurrte. „Hm… vielleicht sollte ich ein wenig davon kosten…“, fuhr der langhaarige Vampir fort und beugte sich tiefer über sie. In dem Moment stampfte Jane mit dem Fuß auf, holte aus und rammte das versteckt eingebaute Messer am hinteren Stiefelabsatz, das sie durch die Bewegung aktiviert hatte, tief in das Schienbein des Wahnsinnigen. Dieser stieß sie von sich und noch in derselben Sekunde stürzte Aiden sich mit einem Fauchen auf ihn und riss ihn zu Boden. In dem Moment nahm er nichts wahr außer dem Wunsch, dem Lebewesen unter ihm Schmerzen zu bereiten und ab und zu das befriedigende Brechen eines Knochens. Er grub die langen Klauen in jedes Stück Fleisch, das er zu fassen bekam, prügelte auf das Gesicht ein, bis es nicht mehr als solches zu erkennen war, riss ihm den Arm aus, als sein Feind sich zur Wehr setzen wollte, aber es war nicht genug. Nicht genug Schmerz für den Frevel, Janes Blut beschmutzen zu wollen. Aiden – So hieß er doch? Er wusste es nicht mehr – wollte ihn wimmern sehen, wollte ihn leiden sehen…. Schwer atmend sah er zu der Stelle, an der Janes Waffe lag, aber soweit er wusste, war darin im Moment nur Betäubungsmunition, und das reichte ihm nicht. Er wollte das kranke Hirn dieses Bastards in Fetzen sprengen. Er wollte, dass er unfassbare Schmerzen litt, bevor er ihm den Gefallen tat, ihn zu töten. Sein Blick wanderte weiter auf der Suche nach etwas, mit dem er seinem Feind Schmerzen zufügen konnte, und blieb an Jane hängen, bei deren Anblick seine Nasenflügel sich weiteten. Gott, sie roch so gut, und sie war am Leben… Sie lebte…Er hatte sie schon tot am Boden gesehen, aber sie lebte… Trotz seines Versagens hatte er das unverschämte Glück, dass sie unverletzt war und er dankte allen Göttern, an die er nicht glaubte, für dieses Geschenk. Er blinzelte den roten Glanz aus seinen Augen, was man von der Mordlust in seinem Herzen nicht gerade sagen konnte. „Brauchst du ihn noch oder kann ich ihn töten?“, fragte er abgeklärt, als solle er den Müll rausbringen. Mehr war der andere Vampir, der sich kaum mehr regte, für ihn nicht; Abfall. Trotzdem hatte Jane ihn gebeten, Richard am Leben zu lassen, und daran wollte er sich halten, und wenn es ihn in den Fingern juckte, den Kopf abzureißen, dessen unwürdige Zähne sich ihrem Hals genähert hatten. Als er sich Richard wieder etwas bewusster wurde, grub Aiden ihm die Nägel in das kaum mehr als solches zu erkennende Gesicht. Die Zähne hatte er ihm ausgeschlagen. Sie hätten fast Janes Hals beschmutzt, ein Gedanke, bei dem sein Hass wieder aufloderte. Wie hatte er es wagen können…? Als Aiden zu Jane aufblickte, sah er, dass sie mit der Waffe auf ihn und das Stück Fleisch unter ihm zielte. „Du kannst ihn beseitigen“, erteilte sie die Erlaubnis und keine Sekunde später hatte Aiden auch schon den Kopf des anderen Vampirs in der Hand. Unglaublich befriedigt atmete er auf und konnte sich im Moment nicht mal dafür schämen, so etwas wegen des Todes eines Artgenossen zu empfinden. Er war voller Adrenalin, aufgeputscht von der eigenen Hilflosigkeit. So hatte er sich nie wieder fühlen wollen, es war so frustrierend und erniedrigend. Er hatte auf sie aufpassen wollen, und dann hatte dieser Dreck es geschafft, seine Hände an Jane zu legen… Sie war einen Moment lang verwirrt gewesen und statt sie zu unterstützen, hatte er sie in Gefahr gebracht. Voll kühler Professionalität schüttete Jane ein Mittel, das an ihrem Gürtel gehangen hatte, auf die Leiche, dann zündete sie diese an. Es war erstaunlich, wie leicht seinesgleichen brannte, dachte Aiden fasziniert und angewidert zugleich. Neben ihm starrte Jane ausdruckslos in die Flammen und sagte kein Wort, auch dann nicht, als sie den Ort des Geschehens verließ, um zu ihrem Auto zurückzukehren. Nachdem er dermaßen versagt hatte, wunderte es ihn nicht, dass sie ihn nicht sehen wollte, alleine lassen würde er sie jetzt aber sicher nicht. Außerdem wollte er endlich Antworten. Er ließ ihr ein wenig Vorsprung, damit sie sich fassen konnte, und so saß sie schon im Audi, als Aiden dazu kam. Sie hatte das Gesicht in den Händen geborgen. Der Anblick brach ihm das Herz. Was machte diese starke Frau gerade nur so verletzlich…? Nach kurzem Zögern ging er zu ihrem Wagen, klopfte an die Scheibe und öffnete ungebeten die Fahrertür. „Es tut mir leid, dass du in Gefahr warst“, sagte er direkt, wobei er einen prüfenden Blick auf das Zündschloss warf. So, wie sie gerade aussah, sollte sie lieber nicht fahren: Sie sah zwar auch nicht aus, als würde sie sofort abhauen, aber es wäre ihm lieber gewesen, sie würde sich von ihm heimbringen lassen. „Es war nicht deine Schuld“, entgegnete sie wie mechanisch. Sie reagierte kaum auf ihn, und das war Aiden nicht gewöhnt. Mit ihrer Abneigung konnte er inzwischen umgehen, aber einfach Luft für sie zu sein, machte ihn unruhig. Er kannte sie noch nicht gut genug um zu wissen, wie er sie aus diesem Loch holen konnte, außerdem wusste er noch nicht mal, wo das Problem lag. Irgendetwas hatte sie gewollt und nicht bekommen, so viel konnte er sich zusammenreimen, aber die Details kannte er nicht. „Er hat dich angegriffen, du konntest nichts dagegen tun. Ich hätte ihn festhalten müssen…“ Er wusste, dass das nicht ihr Problem war, aber er wollte nicht, dass sie sich für seine Fehler schuldig fühlte. Er hatte eine Aufgabe gehabt, diesen Irren festzuhalten, und nicht mal das hatte er geschafft. Erbärmlich. Kein Wunder, dass sie ihn nicht mal mehr ansah. „Als ob. Du hast keinen Fehler gemacht. Nicht einen einzigen. Du weißt ganz genau, dass ich es war, die uns beinahe auf dem silbernen Tablett serviert hätte.“ Er presste die Lippen aufeinander und schwieg einen Moment. Es hatte wohl keinen Sinn, weiter darüber zu diskutieren, vor allem nicht jetzt. Das hieß nicht, dass er ihr die Schuld gab, aber ihre glasigen Augen hielten ihn davon ab, weiter in sie einzudringen. Er wollte Jane wirklich nicht weinen sehen. Als er sie wieder ansah, war sein Gesichtsausdruck ernst. „Was ist da gerade passiert, Jane?“, wollte er wissen, immerhin hatte sie diese Starre in Lebensgefahr gebracht. Wenn er wüsste, was los war, könnte er beim nächsten Mal gegebenenfalls reagieren – Falls es ein ´nächstes Mal` geben würde, denn sie hatten ihre erste Jagd zwar erfolgreich abgeschlossen, aber wirklich gut war es nicht gelaufen. Sein Blick fiel auf ihren Hals, den dieses Subjekt – Er zitterte vor Wut, als er nur daran dachte – abgeleckt hatte. Der Speichel stank ekelhaft aus ihrem sonst so süßen Duft heraus und unwillkürlich strich er die Stelle mit den Fingern nach. Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen, ihr Halt gegeben, aber das hätte sie wohl kaum zugelassen. Sie regte sich nicht, selbst als er sie ohne ihre Einverständnis berührte, behielt einfach das Gesicht in den Händen verborgen. „Ich habe mich geirrt… Er… Er war es nicht“, kam es leise und brüchig über ihre Lippen. „Ich habe mich… Einfach geirrt… Hah!“ Aiden verschränkte die Arme vor der Brust, um der Verführung zu wiederstehen, sie noch einmal zu berühren. Warum musste ihm auch jetzt auffallen, wie weich ihre Haut war? Unpassend. „Wer war er nicht?“, fragte er mit Nachdruck, da er nicht verstand, was sie meinte, und ihr seltsames Lachen beunruhigte ihn am meisten. „Wen suchst du, Jane?“ „Ich weiß nicht… Ich… Weiß es einfach nicht mehr…“, fügte sie mit leerem Blick hinzu. Ungläubig sah er sie an. Sie wusste es nicht mehr? Sie wusste nicht, wieso sie sie beide in Lebensgefahr gebracht hatte? Und damit meinte er nicht ihren Aussetzer, sondern die Jagd insgesamt. Nur ihr abwesender Blick hielt ihn davon ab, sehr ungeduldig auf diese Worte zu reagieren. Sie war gerade nicht bei sich, es war nicht ihre Schuld. Er rieb sich unschlüssig den Nacken, schüttelte den Kopf und gab für den Moment auf. Gerade war wohl nichts aus ihr rauszukriegen. „Wenn du es mir irgendwann sagen möchtest, kann ich dir vielleicht bei der Suche helfen“, beendete er deshalb in sanfter Tonlage das Thema. Er hatte ja bereits gesagt, dass er sie bei ihrer Jagd unterstützen würde. Wenn er den Grund dafür kannte, wäre es nur ein umso größerer Anreiz. Die junge Frau atmete auf, ehe sie sich mit zittrigen Händen durch die Haare fuhr und sich daran machte, sich anzuschnallen und den Motor zu starten. Aiden nahm ihr blitzschnell den Schlüssel ab und trat einen Schritt zur Seite, damit sie aussteigen konnte. „Rutsch rüber, ich fahr dich“, befahl er und machte eine auffordernde Handbewegung, als sie sich nicht rührte. „Schau nicht so, ich kann fahren. Im Gegensatz zu dir, du stehst unter Schock.“ Er wartete geduldig, ob sie tun würde, was er sagte. Groß andere Möglichkeiten hatte sie aber nicht, denn er würde ihr den Schlüssel nicht wiedergeben und wenn sie Anstalten machte zu laufen, würde er sie eben tragen. Ihre Sache. Scheinbar hatte sie gerade aber nicht die Kraft, sich zu streiten, und so rutschte sie wortlos auf den Beifahrersitz, wo sie sich anschnallte. Ohne ihn weiter zu beachten, lehnte sie den Kopf an die Fensterscheibe und schloss erschöpft die Augen. Aiden orientierte sich ein wenig, ehe er den Motor startete. Er war wirklich lange nicht mehr gefahren, schaffte es aber, sie aus der Parklücke zu manövrieren und schlug dank seines guten Orientierungssinnes die richtige Richtung ein. Sein Blick war hauptsächlich auf die Straße gerichtet, obwohl er immer wieder zu seiner Beifahrerin linste. Einmal meinte er, ein verräterisches Glitzern an ihrer Wange gesehen zu haben, aber das konnte nicht sein. Jane weinte nicht. Aber das Schweigen im Wagen überforderte ihn und wurde immer drückender, je länger die Fahrt dauerte. Schließlich erreichten sie Janes Haus und zum ersten Mal seit ihrer Begegnung war Aiden froh auf die Aussicht, gehen zu können. Natürlich wollte er eigentlich bei ihr bleiben und sie trösten, aber da er nicht wusste, wie, sie nicht mal in den Arm nehmen konnte, fühlte er sich nur noch nutzloser als sowieso schon. Er hielt auf dem Parkplatz vor dem Haus und stieg mit verschränkten Armen aus, den beunruhigten Blick auf Jane gerichtet. „Immerhin haben wir den Serienkiller unschädlich gemacht“, seufzte er nach dem langen Schweigen und lächelte schwach, als er ihr den Schlüssel gab. Er trat vorsichtig näher zu seiner Partnerin – Oder war sie das jetzt nicht mehr? – Und berührte sie sacht am Arm. „Versuch, zu schlafen, ok? Das klingt abgedroschen, aber wenn man ausgeruht ist, sieht vieles gar nicht mehr so schlimm aus.“ „Hm“, kam es lediglich über ihre Lippen, ehe sie kurz nickte und sich dann abwandte, um sich ins Haus zurückzuziehen. Aiden wartete, bis sie drinnen war, dann bezog er einen Wachtposten in der Nähe. So hatte er wenigstens das Gefühl, bei ihr sein zu können, wo es ihr so schlecht ging. Von seinem Platz aus konnte er sehen, wie das Licht in Janes Zimmer an, aber nicht wieder aus ging. Er hatte sich unter einen Baum zurückgezogen, als es anfing zu regnen, und lehnte jetzt an dessen Stamm, die Arme verschränkt, den Blick auf ihr Fenster geheftet, als könne er so schlechte Träume von ihr fernhalten. Erst viel später, als sie das Licht gelöscht hatte, verließ Aiden äußerst wiederwillig das Anwesen. Auf dem Weg zu seiner Unterkunft ließ er das Geschehene revuepassieren und versuchte, sich einen Reim aus Janes Verhalten zu machen. Sie hatte Richard nichts gefragt, also konnte ihr Schock nicht von einer Information kommen, die sie erhalten hatte. Es ging folglich um den anderen Vampir. Aber was hatte Jane mit diesem Abschaum zu schaffen? Die Überlegungen wiederstrebte ihm zutiefst, aber vielleicht war sie mit ihm bekannt gewesen. Vielleicht hatte sie gehofft, er wäre nicht der Serienkiller, für den alle ihn hielten und war entsetzt davon, dass er es doch war? Dergleichen unangenehme Überlegungen rollten ihm durch den Kopf, während er sich die Nacht um die Ohren schlug, indem er seine Zimmerdecke anstarrte. Unter diese Gedanken mischten sich die Bilder ihres schiefgegangenen Auftrags, immer wieder musste er zusehen, wie der Killer Jane an sich riss, wie er sie mit sich zog, wie er sie beinahe gebissen hätte… Aidens Hand krampfte sich um die Bettdecke unter ihm und er kniff die Augen zusammen, aber es half nichts; auch die letzten Bilder aus Janes altem Leben mischten sich unter die neuen Eindrücke. Er sah sie tot am Boden liegen und als er in einen unruhigen Schlaf sank, wusste er nicht mehr, welche der beiden Frauen jetzt tot war und ob es überhaupt einen Unterschied gab. Sie gaben ihm beide die Schuld und er zitterte am ganzen Körper, als er mit einem ´Nein!`, aufschreckte. Ein paar Minuten blieb er sitzen, dann rieb er sich erschöpft die Augen. Dieses Mädchen hatte einen viel zu großen Einfluss auf ihn. Er schaffte es einfach nicht, sie von seinen Gefühlen für Lady Jane Grey zu trennen, egal, wie sehr er es versuchte. Für ihn war sie ein Teil seines ganzen Lebens, nicht erst seit drei Wochen, und er konnte den Gedanken, sie nochmal zu verlieren, einfach nicht ertragen. Er konnte es nicht ertragen zu wissen, dass es ihr gerade schlecht ging und er absolut nichts für sie tun konnte, weil sie ihn eben noch nicht mal einen Monat lang kannte und ihn entsprechend nicht an sich ranlassen würde. Frustriert stieg er unter die Dusche, wodurch er hoffte, etwas zu sich zu kommen, aber der Wunsch, bei Jane zu sein, wurde einfach nicht schwächer, sodass er kurz darauf bereits auf dem Weg zu ihrem Haus war. Aiden spielte eine Weile mit seinem Handy, bevor er sich dazu durchringen konnte, tatsächlich ihre Nummer zu wählen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)