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~ Love at third sight ~

Mit dem Herz gegen alle Regeln
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Die Vorgeschichte zu "Love at third sight"
http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/372915/?js_back=1
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Day 2.2 – Fatal boat trip

Sie hatten mit einem einfachen Boot oder einem kleinen Schiff extra für Rundfahrten gerechnet, aber etwas entfernt vom Strand hatte sie eine schnittige Yacht erwartet!

Sie war so groß, dass die Gruppe extra mit einem kleinen Beiboot zu ihr gebracht werden musste, da sie in flacheren Gewässern nicht vor Anker gehen konnte. Sie hatte ein flaches Heck mit noch flacherem Aufstieg, von dem man bequem ohne Leiter ins Wasser und zurück klettern konnte. Eine sehr ausladende Sitzlandschaft, in U-Form und aus hellem Stoff, bot dort mehr als genug Platz für sie und noch mehr Leute. Direkt dahinter ging es zur Treppe nach unten in den Schiffsbauch oder zu dem höher liegenden Kapitänshaus, das zum Bug hinaus zeigte. Direkt vor den Fenstern, aus denen der in eine weiße Uniform gekleidete Kapitän spähte, war eine großzügige Liegefläche in den Boden eingelassen, auf der sich bequem vier Menschen gleichzeitig sonnen konnten. Oder man hielt sich an der Reling fest und ließ sich den Wind ins Gesicht wehen, ganz wie in Titanic.

Im Schiffsbauch gab es neben dem Zugang zum Motorraum noch ein kleines Badezimmer, eine versteckte Kombüse und einen Wohnraum mit Bar und Esstisch. Aber weil das Wetter einfach fabelhaft war, saßen sie draußen auf der Sitzlandschaft und ließen sich von einem Matrosen bedienen.

„Ich fühle mich total underdressed!“, witzelte Yuri, als ihr direkt von einem Tablett eisgekühlter Multivitaminsaft in einer Sektflöte serviert wurde.

„Wem sagst du das!“, stimmte Hinagiku zu. „Das ist echt pikfein hier.“

„Schön, dass ihr es genießt.“

„Und wie, Takuro! Und wie!“, schwärmte Hiromi mit halbvollem Mund.

Genüsslich seufzend schob sie sich gerade ein Brötchen mit feiner Marmelade in den Mund.

Yosuke neben ihr hielt sich mit Begeisterungsstürmen lieber zurück, obwohl er insgeheim nicht leugnen konnte, dass es schon ziemlich cool war, so den Tag zu beginnen. Es fuchste ihn doch sehr, dass der Brillenträger immer wieder neue Dinge aus dem Hut zauberte, mit denen er angeben konnte. Er gab sich Mühe, wie die anderen einfach Spaß daran zu haben und es zu genießen, aber das wollte ihm nicht so recht gelingen. Immerzu hatte er das Gefühl, Takuros hämischen Blick auf sich zu spüren. Dass er ihnen allen nicht einfach nur gerne eine Freude machte, sondern beweisen wollte, was für ein toller Typ er im Gegensatz zu ihm und Kazuya war: einflussreich, wohlhabend, großzügig – doch das kaufte Yosuke ihm nicht ab. Durch Momoko wusste er, dass das alles ohnehin nur Fassade war, denn für diesen oberflächlichen Luxus hatte der Streber bislang noch nichts selbst leisten müssen.

Trotzdem konnte er den Neid nicht ganz abschütteln, denn so etwas würde er Momoko niemals bieten können…

»Moment, warum Momoko?«, schoss es ihm verwirrt durch den Kopf.

„Darling, willst du auch mal probieren?“

Aus dem Tagtraum aufgeschreckt, blinzelte er in Hiromis erwartungsvolle Augen.

Sie hielt ihm einen Löffel mit limettengrüner Götterspeise entgegen.

„Äh, klar.“, antwortete er hastig und verschlang den Happs, ohne wirklich auf den Geschmack zu achten.

Als er sich bewusst wurde, dass er sich von Hiromi in Anwesenheit seiner Freunde hatte füttern lassen, wurde er etwas verlegen und wischte sich mit der Hand fahrig über den Mund.

Yuri und Kazuya sparten sich anstandshalber komische Blicke oder gar einen neckenden Kommentar und Hinagiku war zum Glück gerade selber mit Schlemmen beschäftigt. Yosukes Augen hoben sich hinüber zu Momoko, die als Einzige keinen großen Appetit gehabt hatte und an der Reling am Heck stand. Er war erleichtert, dass sie ihn und Hiromi nicht beobachtet hatte. Gedankenversunken schien sie zu beobachteten, wie die Schiffsschraube unter der Yacht einen Sog ins Wasser schnitt und eine Schneise aus weiß aufschäumenden Wellen hinter sich her zog. Ihre offenen Haare flatterten die ganze Zeit um ihr Gesicht herum, aber sie genoss trotzdem ungestört den Moment und die Aussicht.

Er bekam große Lust ihr Gesellschaft zu leisten. Wie gern Yosuke jetzt einfach aufstehen wollte, um sich mit ihr über das Geländer zu beugen und das Wetter und den salzigen Wind zu genießen…

„Ich gehe mal kurz rüber zu Momoko, ok?“, hörte er sich sagen.

Kurzentschlossen schnappte er sich ein frisches Glas Saft und ging damit hinüber zu ihr, ohne auf die Reaktionen seiner Freunde zu achten. Was war schließlich schon dabei?

»Wir sind nur Freunde.«, rechtfertigte er sich in Gedanken.

Der Motor und das tosende Wasser übertönten seine Schritte, nicht aber sein Herzklopfen, das in seinen Ohren widerhallte. Je näher er kam, desto mulmiger fühlte es sich in seiner Magengegend an.

„Hi.“, grüßte er die Rosahaarige verhalten lächelnd.

Überrascht wand sie sich ihm zu. Gegen den Rückenwind ankämpfend versuchte sie vergeblich ihre losen Haarsträhnen hinter die Ohren zu schieben.

„Durst?“, fragte Yosuke fast schüchtern und hielt ihr das beschlagene Glas hin.

Mit einem genauso zurückhaltenden Lächeln nahm sie es ihm ab und hob es wie zu einem Trinkspruch an.

„Fürchterlich übertrieben, oder? Saft in einem Sektglas?“, scherzte sie augenrollend, ehe sie einen Schluck nahm.

Zustimmend nickte er, froh darüber, dass sie den Moment auflockerte.

„Wem sagst du das.“

Momoko lehnte sich wieder mit beiden Armen über die Reling und sah in die Ferne. Da es nicht so aussah, als würde sie das Gespräch fortführten, stützte er sich mit überkreuzten Armen ebenfalls ab und ergriff erneut Initiative.

„Wir haben schon länger nicht mehr miteinander geplaudert.“

„Stimmt. Seit gestern nicht.“

Sie brauchte nicht zu erwähnen, seit wann genau. Yosuke wusste noch sehr gut, wann und wie sie auseinander gegangen waren.

„Alles ok zwischen uns? Sind wir noch Freunde?“

Wieder richteten sich ihre klaren Augen auf ihn. Ernst, aber ohne Vorwurf oder Zorn in ihnen.

„Natürlich. Du hast doch nichts falsch gemacht! Ich weiß auch nicht, was mich da gestern geritten hat, dass ich mich so albern aufgeführt habe.“

„Du brauchst dich nicht rechtfertigen. Ich wäre wohl auch ganz schön schockiert, wenn ich dich und Takuro beim Rummachen auf der Terrasse erwischen würde.“

Was scherzhaft klang, verpasste Momoko offensichtlich einen heftigen Stich. Schlagartig verfinsterte sich ihr Blick, den sie grimmig wieder auf das Meer richtete.

„So etwas wirst du niemals erleben! Niemals würde ich mich irgendeinem Mann so aufdrängen.“

„Oh je, da bin ich ja gerade in ein ganz schönes Fettnäpfchen getreten, nicht wahr?“, sagte der Dunkelhaarige bedauernd. „Tut mir leid. Ich habe nur versucht, die Stimmung aufzulockern, damit wir nicht so verkrampft miteinander umgehen. Wir vermeiden ja sogar, uns gegenseitig anzusehen und genau so sollte das nicht zwischen uns laufen. Wir wollten hier doch Spaß zusammen haben…“

Er fuhr sich in seine lang gewordenen Haare und strich sie nach hinten. Umsonst zwar, aber Momoko erkannte an dieser Verunsicherung ausstrahlenden Geste und seiner Miene, dass er es ehrlich versucht hatte und einfach nicht anders wusste, wie er es angehen sollte. Er strahlte dieselbe Unbeholfenheit aus, die sie empfand.

Ihre Gesichtszüge wurden wieder weicher. Sanft stieß sie ihn in einer freundschaftlichen Geste mit ihrer Schulter am Arm an.

„Du brauchst doch gar nichts Spezielles tun, damit wieder alles ok ist. Es reicht völlig, wenn du mir zulächelst.“

Schüchtern, was so gar nicht zu dem sonst so toughen Yosuke passte, lachte er kurz tonlos in sich hinein und schüttelte dabei den Kopf.

„Das Simpelste kann manchmal so schwer sein.“

Doch dann nahm er den Blickkontakt wieder auf und überwand sich zu dem Lächeln, das ihm aus unerfindlichen Gründen so schwer fiel.

Er horchte in sich hinein: Sein Herz klopfte immer noch unaufhörlich schneller und das hatte rein gar nichts damit zu tun, dass sie umwerfend aussah oder weil er befürchtet hatte, dass sie böse auf ihn wäre. Es war allein ihre Gegenwart, die ihn so aufwühlte.

Der pulsierende Muskel in seiner Brust beschleunigte sein Tempo noch mal, als sich Momokos Wangen plötzlich rot färbten und sie sein Lächeln inbrünstig erwiderte. Es war diese Art Lächeln, bei der ihre blauen Augen lebhaft funkelten, so wie Saphire im Sonnenlicht.

„Geht doch“, sagte sie neckend und ließ den Wind wieder mit ihrem Vorhang aus Haaren spielen, der ihr Gesicht vor Yosukes Blick verhüllte.

»Himmel!«, dachte er wie sooft schon und wollte sich am liebsten ans Herz fassen, das einen Satz nach dem anderen machte.

Ein Blick von ihr, ein Lächeln… und er wusste nicht mehr, was er denken oder fühlen sollte. Er hatte immer angenommen, genau über seine Gefühle bescheid zu wissen und alles zu kontrollieren, was er tat und dachte. Doch bei Momoko verlor er diese Kontrolle und bestand nur noch aus dem Moment und einem reißenden Fluss aus Emotionen und Impulsen, dem er sich nicht widersetzen konnte. Das hatten die vielen Momente nur bewiesen, in denen sie beide sich nahe gekommen und viel zu weit gegangen waren.

Yosuke fühlte, wie sich jede Zelle seines Körpers in einen Magneten zu verwandeln schien, der von ihr angezogen wurde. Seine Haut stand unter einer Art elektrischen Spannung und lauerte hungrig auf jede noch so kleine Berührung von ihr. Er musste mit aller Macht dagegen ankämpfen, ihr nicht das Haar wieder aus dem Gesicht zu streichen oder ihre Hand zu nehmen.

Nicht tun zu dürfen, wonach es ihn verlangte, bereitete ihm tatsächlich körperlichen Schmerz. Er fühlte ihn tief in sich drin und fand den Ursprung in seinem Herzen.

Mit geschlossenen Augen versuchte Yosuke hinzuhören – war es das, worauf Kazuya ihn aufmerksam machen wollte? Diese Gefühle?

Er würde noch verrückt werden, wenn er nicht bald eine Gelegenheit bekam, um mit Momoko wirklich allein zu sein und allem auf den Grund zu gehen.

„Na, ihr zwei? Klasse Gefühl hier zu stehen, oder?“

Kazuya schob sich ganz beiläufig zwischen sie und hatte zu allem Überfluss auch noch Hiromi im Schlepptau, die sich, strahlend vor Bewunderung für die Aussicht, ebenfalls an das Geländer vordrängte, an dem es langsam eng wurde.

„Die Yacht gleitet geradezu durch die Wellen, man merkt ja kaum etwas davon!“, staunte sie, während sie mit beiden Händen versuchte, ihre Locken zu zähmen, die vom Fahrtwind ebenfalls erfasst wurden.

„Darf ich euch Yosuke kurz entführen?“, fragte der Blonde mitten in ihr Staunen hinein. „Ich würde mir mit ihm gerne mal das Innere des Boots ansehen. Das wäre euch sicherlich zu langweilig.“

Fragend wechselten der Torwart und die Hobbyfotografin Blicke, doch sie widersprachen nicht.

„Sicher, dann kann ich hier ein bisschen mit Momolein schwatzen.“, zwitscherte Hiromi erfreut und rückte auch sogleich ein Stück auf.
 

Nicht sicher, was sie davon halten sollte, warf Momoko einen Blick nach hinten, wo Yosuke und sein Freund gerade im Schiffsbauch verschwanden und sich Takuro und Hinagiku auf der Sitzlandschaft bei einem Saft unterhielten.

„Na, worüber habt ihr so geplaudert?“, fragte die Lilahaarige mit erstaunlich normal klingender Stimme.

„Willst du dich jetzt wirklich mit mir unterhalten?“, hinterfragte Momoko skeptisch.

Hiromi stemmte die Hände in die Hüfte und machte ein ertapptes Gesicht.

„Du bist bestimmt noch sauer wegen vorhin. Ich muss wohl zugeben, dass ich heute nicht mit dem richtigen Fuß aufgestanden bin. Ich wollte eigentlich gar nicht streiten, nachdem wir uns doch gestern Abend noch so gut unterhalten haben.“

„Hm, schon gut. Ich hatte fast erwartet, dass das gestern mehr ein Versehen von dir war. Nett und ernsthaft sind zwei Eigenschaften, die man von dir nicht unbedingt gewohnt ist.“, antwortete Momoko etwas gleichgültig.

Sie wollte nicht an das Gespräch vom Vorabend denken. Es erinnerte sie zu sehr daran, dass Hiromi durchaus eine Frau war, die verletzlich und zu ernsthaften Gefühlen in der Lage war.

„Hey, sei doch nicht so fies zu mir!“, meckerte sie schmollend. „Ich dachte, wir seien inzwischen so was wie Freundinnen geworden.“

Die Rosahaarige schnaubte verächtlich, aber gab dem Ganzen eine Chance.

„Ich weiß ja nicht… aber wenn du dich für vorhin entschuldigen möchtest…“

„Das tue ich!“, fiel sie ihr ins Wort.

Perplex machte Momoko große Augen. Hiromis Miene wirkte ernst und entschlossen. Als diese dann auch noch ihre linke Hand in ihre schloss, war sie gänzlich sprachlos.

„Kein Zank mehr, ab jetzt werde ich mir Mühe geben, dir als Freundin gerecht zu werden.“

Die Blauäugige klappte ihren Mund immer wieder auf und zu, in dem vergeblichen Versuch, etwas Passendes zu erwidern.

Doch ihr fehlten die Worte. Was Hiromi da sagte klang löblich, doch in Momokos Ohren hallte es anders wider. Sie wollte sich doch gar nicht mit dieser Person anfreunden! Sich mit ihr anzufreunden würde bedeuten, sie auch auf emotionaler Ebene an sich heranzulassen und das war nun wirklich das Letzte, das sie wollte! Eine Freundschaft mit der schwangeren Lebensgefährtin des Jungen, in den sie heimlich verliebt war? Um Himmels Willen – sie hatte wirklich schon genug Punkte auf ihrer Liste, die sie nachts nicht gut schlafen ließen.

„Kein Zank mehr, danach sehen wir weiter. Wie klingt das?“

Bot sie ihr entgegenkommend an. Mehr durfte wirklich niemand von ihr verlangen und sie hoffte sehr, dass sich Hiromi damit zufrieden geben würde. Es konnte schließlich nicht schaden, wenn sie ihre zänkische Ader wenigstens hier während des Urlaubes ablegen würde.

„Das klingt nach einem Anfang, Momolein.“, entgegnete der Lockenkopf einverstanden, der anschließend sogleich ein typisches Alltagsgespräch anstieß.
 

Kazuya schliff Yosuke ohne ein Wort zu sagen unter Deck, bis in dessen hinterste Ecke, was nichts Gutes bedeuten konnte.

„Das war aber eine kurze Führung.“, witzelte er unsicher.

„Ich bin nicht wegen der schicken Ausstattung mit dir hier runter gekommen.“, setzte der Blonde ernst an.

„Ja, das habe ich schon befürchtet.“

„Gut, kannst du mir dann vielleicht verraten, was das da eben war?“

Der ausgestreckte Zeigefinger seines Freundes zeigte symbolisch Richtung Heck.

„Ich habe mich nur ein bisschen mit Momoko unterhalten.“, antwortete Yosuke schlicht.

Er war sich nicht bewusst, etwas Falsches getan zu haben.

„Das hat man gesehen.“, bestätigte Kazuya mit ironischem Unterton und verschränkten Armen. „Man hat zwar kein Wort verstanden, aber für mich sah es eher nach heftigem Anschmachten aus.“

„Wie bitte?“, entfuhr es Yosuke entrüstet. „Wir haben uns nicht angeschmachtet!“

„Sie dich vielleicht nicht, aber du sie.“

Er überlegte kurz, ob etwas an diesem Vorwurf dran war, aber er konnte sich beim besten Willen nicht mal an eine einzige Geste erinnern, die so etwas rübergebracht haben könnte.

Kazuya analysierte jede Regung in seinem Gesicht, während er nachdachte.

„Du streitest es nicht ab?“

Der Dunkelhaarige griff sich mit beiden Händen in den Nacken und starrte entnervt an die niedrige Decke.

„Keine Ahnung. Ich glaube nicht, dass ich sie angeschmachtet habe. Wir haben wirklich nur geredet.“

Er klang ehrlich und das musste auch Kazuya einsehen.

„Das mag dir so vorgekommen sein, aber man hätte schon blind sein müssen, um zu übersehen, wie du sie angestarrt hast. Du kannst von Glück reden, dass die anderen in dem Moment abgelenkt waren.“

Ein schiefes Lächeln lag auf seinen Lippen.

„Ist das so? Wie habe ich sie denn angeblich angestarrt?“, fragte Yosuke herausfordernd, ohne das Lächeln zu erwidern.

„Hm… schwer zu beschreiben…“ Sein Freund ließ sich einen Moment Zeit, die richtigen Worte zu finden. „So als würdest du das erste Mal einen Sonnenaufgang sehen.“

»Wie passend.«, dachte Yosuke.

Er schloss die Augen und war sofort wieder an seinem geheimen Ort auf dem Hügel. Dort, wo die Vögel jeden neuen Tag begrüßten und von wo aus man sehen konnte, wie das erste, tief orangefarbene Tageslicht die Hügelspitzen küsste und sich dann ins Tal vorarbeitete. Als in seiner Erinnerung auch noch Momoko auftauchte, wie sie neben ihm auf dem Baumstamm saß, Fotos schoss und dabei über das ganze Gesicht strahlte, begann sein Herz von neuem zu Flattern.

Sein Freund schnipste, um seinen hypnotischen Zustand aufzulösen.

„Hey, Yosuke! Was ist denn los mit dir?“

Dieser wand sich ihm mit funkelndem Blick zu.

„Das weiß ich nicht! Und das ist deine Schuld!“

„Meine Schuld?“, reagierte der Blonde verdutzt.

Du hast gestern mit diesem Gerede angefangen, dass ich in sie verliebt wäre und endlich klare Verhältnisse schaffen müsse! Seitdem geht mir nichts anderes mehr im Kopf herum, denn ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich sie liebe! Jetzt versuche ich jeden Augenblick, jede Geste, sogar jedes Wort darauf zu analysieren, was es mir bedeutet oder ausmacht. Deswegen kann ich kaum noch klar denken!“

Kazuya packte seinen verwirrten Freund, der sich wortwörtlich die Haare raufte, bei den Schultern.

„Sei nicht dumm, du weißt es doch längst…“

Da war er wieder, dieser ruhige, eindringliche Ton, mit dem er ihn und die anderen Spieler schon zu Kapitänszeiten in der Fußballmannschaft beschworen und wieder auf Kurs gebracht hatte.

Trotzig schüttelte Yosuke seinen braunhaarigen Schopf.

„Ich weiß eigentlich gar nichts! In meinem Kopf herrscht nur noch Chaos.“

Sein Gegenüber boxte ihn ohne viel Kraft gegen die Brust und ließ seine Faust dort ruhen.

„Deine Antwort findest du nicht in deinem Kopf, sondern hier.“

Einen unendlich gedehnten Augenblick sahen sie sich für ein stummes Gefecht in die Augen. Letztendlich war es der Jüngere von ihnen, der einknickte.

„Woher soll ich es wissen? Wie wusstest du es?“

„Darauf kann ich dir keine Patentantwort geben, das musst du schon selbst herausfinden.“

Yosuke ließ enttäuscht die Schultern hängen.

„Großartig. Du schleppst mich für eine Standpauke hier her und trotzdem bin ich danach kein Stückchen schlauer.“

„Dann starr Momoko für den Anfang einfach nicht mehr so seltsam vor unseren Freunden an und schließ den Mund, wenn sie dich anlacht.“

Der Torwart bekam heiße Ohren vor Verlegenheit.

„Danke, für deine Hilfe.“, konterte er ironisch, während Kazuya sich ins Fäustchen lachte.

„Jederzeit.“, witzelte er zurück. „Einen Rat habe ich vielleicht doch noch für dich: Denk nicht so viel darüber nach, was dir alles an ihr gefällt, wie viel Spaß ihr zusammen habt oder was dir eure gemeinsamen Momente bedeuten. Geh lieber mal in dich und versuche herauszufinden, welche Dinge für dich ohne sie nicht mehr funktionieren würden.“

Sein Freund nickte dankbar, obwohl ihm in diesem Augenblick noch nicht ganz klar war, wie er das verstehen sollte.
 

~*~
 

Die Yacht hatte einige Kreise vor der schönen Küste gezogen, ehe sie ihre Fahrt für eine Pause einstellte und vor Anker ging.

Der Kapitän teilte ihnen über Takuro mit, dass sie an einer günstigen Stelle zum Schwimmen und Tauchen ankerten. Eine willkommene Abwechslung, denn so langsam war das Frühstück verdaut und die Gesprächsthemen aufgebraucht. An Deck in der Hitze der immer höher steigenden Sonne zu schwitzen, verlor allmählich seinen Reiz.

Momoko drapierte das Tuch wieder ordentlich um ihre Schultern und verzog das Gesicht dabei. Die Sonne hatte sich bei dem ausgedehnten Plausch mit Hiromi heimlich weiter durch die groben Maschen in ihre Haut gebrannt. Sie schmerzte, wenn der Stoff über die roten Stellen schupperte.

„Alles ok?“, fragte Hinagiku sie gerade, als sie dabei war sich alles auszuziehen, was nicht zu ihren Badesachen gehörte.

„Ja ja, meine Haut ist nur etwas gereizt… Willst du etwa so ins Wasser springen?“

Erfolgreich vom Thema abgelenkt, zeigte sie auf die kleine Schiene, die immer noch den Knöchel ihrer Freundin stützte.

„Ach, das is’ doch nichts! Das hält mich doch nich’ vom Schwimmen ab.“

„Deine Tapferkeit ist vorbildlich, aber die hier wirst du trotzdem tragen müssen.“, mischte sich Takuro ein und reichte ihr an Momoko vorbei eine orangefarbene Schwimmweste.

Hinagiku glotzte das klobige Ding verständnislos an.

„Die trag ich nich’! Ich bin doch keine invalide Oma!“

„Das nicht, aber du bist verletzt. Also müssen wir Sicherheitsvorkehrungen treffen.“

„Ich bin nich’ verletzt, ich habe nur einen verknacksten Knöchel!“

„Und wie willst du mit diesem Knöchel im Wasser paddeln, ohne unterzugehen? Tut mir leid, Hinalein, aber entweder du trägst diese Weste, oder du bleibst im Trockenen.“, erklärte Takuro ungewohnt durchsetzungsfähig.

Bockig und uneinsichtig wie ein Kind, stemmte die Kurzhaarige die Hände in die Hüfte und blickte sich zu dem Matrosen um, der ganz in ihrer Nähe stand und den Anker kontrollierte.

„Haben sie das gehört? Darf er mir solche Vorschriften machen?“

Sie erhoffte sich Unterstützung von ihm, das verriet der sture Unterton in ihrer Stimme. Der Matrose aber grinste nur amüsiert und nickte.

„Er nicht, aber der Kapitän darf das und es ist seine Anordnung, Fräulein.“

Momoko kicherte leise, Hinagiku hingegen verschränkte die Arme und schnaubte unzufrieden.

Sie schnappte sich die unförmige Weste und zog sie widerwillig über.

„Wehe du machst Fotos von mir in diesem Teil!“

„Das kann ich dir leider nicht versprechen.“

Frech streckte sie ihrer Freundin die Zunge heraus und brachte sich anschließend schnell hinter Takuro in Sicherheit, damit Hinagiku sie nicht zu fassen bekam.

„Dann hast du deine Fotokamera also wieder mit dabei?“

Die Rosahaarige drehte sich nach Yosukes Stimme um. Zusammen mit Kazuya musste er gerade wieder an Deck gekommen sein.

Es fühlte sich seltsam an, wenn er vor den anderen so selbstverständlich mit ihr umging. Irgendwie komisch, weil sie nicht nur den Freund in ihm sah, der er sein sollte. Aber er lachte ihr ganz unbekümmert entgegen, als wäre es nie anders gewesen. Als würden sie keine dunklen Geheimnisse miteinander teilen.

Momoko schluckte dieses störende Gefühl herunter, das sie daran hemmte einfach ausgelassen zu sein und gab sich locker.

„Was denkst du denn? Irgendjemand muss doch dokumentieren, was wir hier erleben.“, antwortete sie schmunzelnd, was Yosuke mit einem wissenden Blick erwiderte.

„Wir gehen also eine Runde im Meer schwimmen?“, mischte sich Kazuya ein.

„Das Wasser hier soll wenig Strömung haben und deswegen sicher und sehr klar sein. Ideal für eine kleine Abkühlung.“, erklärte Takuro zufrieden.

„Schwimmen klingt toll, aber ist es nicht tief hier?“, fragte Yuri, die sich frisch entblättert zu ihnen gesellte.

„Sicher, unter uns sind schon zwanzig Meter oder etwas mehr bis zum Grund.“

Hiromi, die ebenfalls dem Gespräch lauschte, schnappte ängstlich nach Luft.

„So tief?! Oh je! Da traue ich mich nicht rein! Das ist doch bestimmt auch furchtbar kalt!“

Ohne es genau zu wissen, fröstelte die Schwangere schon und rieb sich die eingebildete Gänsehaut von den Oberarmen.

„Sei doch keine Memme, Hiromi! So kalt wird es schon nicht sein!“, zog Hinagiku sie auf.

„Ich bin keine Memme, sondern schwanger und empfindlich!“

„Mädels, kein Stress! Jeder hält mal seinen Fuß ins Wasser und entscheidet dann, ob er reingehen will oder nicht.“, griff Kazuya schlichtend ein.

„Ich gehe dann mal besser die Kamera holen.“

Mit einem heimlichen Augenrollen ging Momoko los und ließ die anderen einen Moment lang hinter sich.

Sie hatte ihre Kamera gerade in der Hand, als sie Takuros Aufschrei hörte, gefolgt von einem Platschen und einem gurgelnd gerufenem „Hinagiku!“. Was passiert war, konnte Momoko sich schnell zusammenreimen. Eilig war sie zur Stelle, um den Moment und das Gelächter drumherum mit ihrem Objektiv einzufangen.

Japsend hielt sich Takuro mit hektischen Bewegungen an der Oberfläche. Sein langes Haar klebte ihm schwarz wie Pech kreuz und quer im Gesicht. An Deck lachten die anderen aus vollem Leib über Hinagikus Streich.

„Hast du ihn also reingeschubst, ja?“, erkundigte Momoko sich amüsiert.

„Na, was denkst du denn?“, antwortete diese zwischen zwei Lachanfällen. „Das ist dafür, dass ich diese dämliche Schwimmweste tragen muss! Jetzt sind wir quitt!“, rief sie den um Fassung ringenden Takuro zu.

Die Kurzhaarige stand mit beiden Füßen auf der Kante des Aufstieges und kurz überlegte Momoko, ob sie es wagen sollte, sie ebenfalls zu schubsen. Wegen ihres Knöchels konnte sie sich allerdings nicht dazu überwinden.

Hiromi hatte da weniger Hemmungen – wie aus dem Nichts war sie plötzlich da und stieß Hinagiku von hinten mit beiden Händen gegen die Schultern, sodass diese nicht mal mehr Zeit hatte, um zu schreien, bevor sie ins Wasser fiel.

„Du Miststück!“, fauchte ihr Opfer Gift und Galle spuckend, als es wieder auftauchte, doch Hiromi machte sich gar nichts daraus und feixte nur kess.

„Jetzt kannst du mir ja sagen, ob das Wasser warm genug ist.“, setzte sie provozierend nach.

Aus anfänglicher Wut wurde Anerkennung, Hinagiku versuchte es mit Humor zu sehen.

„Ganz schön schlagfertig, nicht schlecht. Aber sei froh, dass du momentan Narrenfreiheit hast, sonst würde ich jetzt zu dir hoch kommen und dich jagen, bis du freiwillig von Bord hüpfst!“

Hiromi lachte, aber es war kein hämisches Lachen, sondern ein ehrlich gemeintes. Sie lachte tatsächlich aus Spaß!

Wie bei allen Menschen machte sie das gleich noch viel hübscher, als sie sowieso schon war. Momoko wand sich ab und versteckte sich wieder hinter ihrer Kamera, damit sich dieser Anblick nicht bei ihr einbrennen und ihr schlechtes Gewissen wecken konnte.

„Okay, jetzt will ich auch mal probieren, wie kalt es wirklich ist!“

Yuri stieg vorsichtig auf den Aufstieg, auf den hin und wieder eine kleine Welle schwappte und erschauderte, als das Wasser ihre Füße umspülte.

„Hui! Das ist kalt!“, stellte sie fest und hüpfte sofort wieder aufs Deck zurück.

„Na, dann ist das nichts für mich. Ich bleibe lieber auf dem Boot und kühle höchstens meine Füße.“, entschied Hiromi sogleich.

„So schlimm ist es eigentlich gar nicht, wenn man erstmal drin ist!“, rief ihr Takuro ermunternd zu, der inzwischen ein paar kleine Bahnen zog.

„Komm, Yuri. Lass uns zusammen reinspringen.“, schlug Kazuya seiner Freundin vor, die er liebevoll lächelnd an die Hand nahm.

Die grünen Augen der Brünetten leuchteten verliebt und sie errötete unter seinem ebenso intensiven Blick.

Eine Berührung, ein Augenaufschlag und die Welt stand kurz still. Das war der Karies verursachende, rosa Zuckerguss einer jeden kitschigen Liebesromanze, die Momoko aus Filmen und Büchern kannte. Trotzdem empfand sie für den Bruchteil einer Sekunde heftigen Neid auf ihre beiden Freunde. Diese Magie des Augenblicks war ihr nicht unbekannt, aber es würde wohl immer ein Traum bleiben, diesem Gefühl offen Ausdruck zu verleihen.

„Ich weiß nicht, Kazuya. Vielleicht sollten wir uns erst langsam an die Temperatur gewöhnen?“

„Du brichst dir schon keinen Nagel ab! Los, rein mit euch! No Risk, no Fun!“, rief wieder mal Hinagiku herausfordernd.

„Ganz Unrecht hat sie nicht.“, sagte der Blonde grinsend.

Schnell schob er seinen Arm unter Yuris Beine und hob sie hoch.

„NEIN!“, schrie sie schrill und krallte sich dabei an seinem Hals fest, doch da war ihr sportlicher Freund auch schon abgesprungen und riss sie mit sich in die Wellen schlagenden Fluten.

Ein ordentlicher Schwall Wasser spritzte hinauf zu Momoko, die lachend und kreischend mit hochgerissener Kamera zur Seite sprang.

Yuri ließ, kaum mit dem Kopf über der Oberfläche, einen ganzen Hagel wütender Worte auf ihren Freund nieder, aber dieser lachte nur und spritzte mit Wasser nach ihr. Dies entwickelte sich schnell zu einem Wettbewerb, nachdem Hinagiku ihrer brünetten Freundin heimtückisch in den Rücken gefallen war und sie an den Schultern untergestukt hatte.

Die vier Schwimmenden machten zusammen so viel Aktion, dass Momoko aus dem Knipsen gar nicht mehr heraus kam. Etwa eine viertel Stunde lang beobachtete Yosuke das Treiben und die fleißige Fotografin stumm, bis er sich in Bewegung setzte.

Die Rosahaarige zuckte zusammen, als sich seine Hand auf ihre brennende Schulter legte.

„Hoppla, ich wollte dich nicht erschrecken.“

„Hast du gar nicht. Es ist nur… ach, nichts weiter.“, wich sie aus und setzte ihr Auge wieder an den Sucher.

Yosuke griff vorsichtig nach der Kamera und nahm sie ihr unter einem verwirrten Blick aus der Hand.

„Du wirst nie auf irgendeinem Urlaubsbild zu sehen sein, wenn immer nur du die Fotos schießt. Willst du nicht auch eine Runde schwimmen?“

Hiromi stellte sich zu den beiden dazu, ganz unschuldig lächelte sie Momoko entgegen.

„Genau, geh dich doch auch ein bisschen amüsieren. Yojo-Maus und ich halten für dich die Stellung hier.“

Es dauerte kaum einen Wimpernschlag, in der beide einander ansahen, dass sie Dasselbe über Hiromis Vorschlag dachten. Zumindest fast.

Ohne ihr dabei ins Gesicht zu sehen, reichte Yosuke seiner Partnerin die Kamera.

„Würdest du bitte kurz darauf aufpassen?“

Sie und Momoko sahen kurz gleichermaßen perplex drein, aber der Dunkelhaarige ließ beiden keine Zeit, um das Wort zu ergreifen.

Kurzerhand schlüpfte er aus seinem hellgrünen Hemd, was fast einen Beinahe-Herzstillstand bei den zwei jungen Frauen verursachte, und schob Momoko dann am Kreuz Richtung Meer.

Oh, nein, nein, nein, nein, nein!“, winselte Momoko, als sie ahnte, was ihr blühte. „Tu das nicht!“

Doch der Torwart grinste schon und war mehr als bereit.

„Warte, was ist mit mir?“, legte Hiromi verwirrt Einspruch ein.

„Mach doch Fotos oder lass einfach die Seele baumeln.“, rief er ihr beschäftigt zu.

Momoko hatte jedoch nicht vor, dieser Person ihre kostbare Kamera zu überlassen oder sich von Yosuke ins Wasser schubsen zu lassen, weswegen sie ihn mit aller Macht bekämpfte.

„Vergiss es!“, schimpfte sie ganz außer Atem, weil sich das Stemmen gegen seinen gestählten Fußballerkörper zum wahren Kraftakt entwickelte.

Lachend zog er sie zu sich heran und drehte ihr die Arme auf den Rücken, als wäre sie nur ein schwächliches Kind, das sich mit ihm angelegt hatte.

„Wirf sie endlich rein!“, brüllte Kazuya und sogar Takuro jubelte ihm anfeuernd zu.

Er setzte ein verschlagenes Grinsen auf.

„Wenn du mit mir ringen willst, sind Ort und Art falsch gewählt.“, flüsterte er Momoko unauffällig ins Ohr.

Über die Zweideutigkeit seiner Worte schockiert, vernachlässigte sie eine Sekunde lang ihre Deckung.

Yosuke ließ sich kein zweites Mal bitten - flink und mühelos, als wäre sein wehrloses Opfer nichts weiter, als eine federleichte Puppe - hob er Momoko auf und warf sie mit Schwung in die Luft. Ihr spitzer Schrei durchschnitt den Wind und endete erst, als das kalte Wasser über ihrem Kopf zusammenschlug und ihr unerbittlich salzig in Mund, Nase und Augen schoss.

„SCHUFT!“, gurgelte sie protestierend, während sie an die Oberfläche paddelte und sich vergeblich die Haare aus den Augen rieb.

Auch bei ihr waren das Gelächter und der Jubel ihrer Freunde groß.

Gerade, als sie wieder halbwegs gegen die Sonne und das Salzwasser in ihren Augen anblinzeln konnte, hörte sie das vertraute Klicken ihres Fotoapparates. Ganz verwundert sah sie, dass Hiromi sich tatsächlich dazu herabgelassen hatte, ihren Job als Fotografin zu übernehmen. Das freute sie einerseits irgendwie, wenngleich sie auf der anderen Seite den eingelegten Film betrauerte, da sie dem Lockenkopf kein sonderlich großes Talent an der Kamera zutraute.

„Sah gut aus, dein Abgang.“, lobte Hinagiku sie provozierend.

Grinsend kam sie auf sie zu geschwommen.

„Ich wusste gar nicht, dass du so schreien kannst.“, kommentierte Takuro lachend, der ebenfalls um sie herum schwamm.

Die junge Frau wurde rot vor Scham, musste aber inzwischen selber darüber lächeln.

Mit einem herausfordernden Blick suchte sie nach ihrem Peiniger, der immer noch an Deck stand, mit verschränkten Armen und zufrieden grinsend.

„Du willst also schon wieder eine Abreibung, ja? Hat dir das gestern noch nicht gereicht?“

Laut lachte Yosuke auf.

„Falls du unser kleines Gefecht am Strand meinst – da habe ja wohl eindeutig ich dir eine Lektion erteilt.“

„Ach so… denkst du das? Nun, heute scheinst du der Feigling zu sein, der sich nicht ins Wasser traut.“

Seine braungrünen Augen blitzten provoziert auf.

„Feige nennst du mich? Würde ich dann das machen?“

Alles im Wasser schrie auf und paddelte auseinander, als der Torwart zu einem sportlichen Anlauf ansetzte, für den er im selben Moment vom Matrosen einen verbalen Rüffel bekam, und dann mit einem eleganten Köpper zwischen sie in die Fluten sprang.

Im Wasser tauchte er in einem sanften Bogen unter die anderen, bis er direkt unter Momoko war und sie an den Füßen zu sich runter zog. Natürlich wehrte sie sich erschrocken, unzählige Blasen schwirrten um sie beide herum, bis Yosuke sie an der Hüfte in seine Tiefe gezogen hatte und ihr amüsiert zulächelte. Er hatte gewonnen und teilte ihr das mit seiner einzigartig ausdrucksstarken Mimik mit. Momokos Umgebung war außer mit Meeresrauschen noch von Herzklopfen erfüllt.

Wieder an der Luft trieben sie sofort in einem Reflex auseinander. So wie Magnete, die sich eben noch angezogen hatten und sich jetzt voneinander abstießen, weil man ihre Polarität vertauscht hatte. Ganz außer Atem tauschten beide noch einen kurzen, intensiven Blick, bevor sie sich wieder vor den Augen der anderen in beste Freunde verwandelten.

„Momoko!“, rief Yuri besorgt.

Kurz rutschte ihr deswegen das Herz in die Hose.

„Hattest du nicht eben noch dein weißes Tuch um?“

Einen Moment lang war sie erleichtert, dass es nicht darum ging, dass sie sich irgendwie auffällig verhalten hatte, doch dann kam die Sorge.

Obwohl sie schon spürte, dass ihr Stricktuch nicht mehr um ihre Schultern lag, fasste sie trotzdem noch mal dorthin. Etwas fahrig drehte sie sich um die eigene Achse, aber sie konnte nichts auf den schillernden Wellen erkennen, dass nach ihrem Tuch aussah.

„Oh nein, ich hatte es noch, bevor ich ins Wasser gefallen bin…“

Sofort versammelten sich ihre Freunde um sie, Yosuke mit einem betroffenen Gesichtsausdruck.

„Tut mir leid, dass ist meine Schuld. Ich hätte dich nicht einfach reinwerfen dürfen.“

Die Rosahaarige reagierte nicht auf seine Entschuldigung, da sie fieberhaft versuchte, etwas in dem Wasser um sich herum zu erkennen.

Allerdings erhielt er von Takuro einen mahnenden Blick.

„Ich kann mich nicht erinnern, dass du es noch hattest, als du wieder aufgetaucht bist. Du musst es schon verloren haben, bevor Yosuke reingesprungen ist. Wahrscheinlich hat die Strömung es schon weggetragen.“, rekapitulierte Kazuya bedauernd.

„Und zum Tauchen ist es hier zu tief.“, ergänzte ihr Verlobter untröstlich klingend. „Ich kaufe dir hier in der Nähe in einem Geschäft gerne ein neues Tuch. Sei nicht traurig.“

Momoko resignierte und hob den Blick endlich wieder zu all den Schwimmenden um sich herum, die ihr mitleidige Blicke zuwarfen.

Es war nichts Besonderes daran, aber da sie nicht viel besaß und sich aus eigener Kraft zurzeit nichts Neues leisten können würde, war es trotzdem ärgerlich. Es wäre einfach, Takuros Angebot anzunehmen, aber nach wie vor war es ihr unangenehm, wenn er sie verwöhnte.

„Nicht so schlimm.“, sagte sie schließlich. „Es war eh ein ganz altes Teil. Schwamm drüber.“

Ihr optimistisches Lachen erleichterte ihre Freunde, aber Yosuke sah, dass das Lächeln ihre Augen nicht erreichte.
 

Die Stimmung hellte sich schnell wieder auf, als Hiromi ihnen zum Trost einen vom Matrosen frisch aufgeblasenen Wasserball zuwarf, den sie sich alle sogar im Wechsel mit ihr, die noch auf dem Boot stand, zuspielten.

Hinagiku war trotz ihrer Schwimmweste und dem etwas lädierten Fuß äußerst flink unterwegs und konkurrierte wieder stark mit ihren männlichen Mitspielern. Nach einer ganzen Weile meldete sich Takuro, der bis dahin tapfer durchgehalten hatte, deswegen für eine Pause ab und stieg fix und fertig wieder an Bord. Kaum war er unter Deck verschwunden, wohin ihm die durstige Hiromi gefolgt war, brauchte auch Momoko eine Verschnaufpause. Allerdings reichte es ihr, sich an dem flachen Aufstieg festzuhalten und für ein paar Momente den Kopf zwischen die Schultern sinken zu lassen und durchzuatmen.

Schwimmen war sehr entkräftend, obwohl es auch unheimlich viel Spaß machte, darin rumzutoben. Der Auftrieb des Salzwassers machte einem das Halten über der Oberfläche zusätzlich leicht, aber trotzdem war sie völlig erschöpft.

So langsam hatte die Mittagssonne ihren Zenith erreicht, Momoko fühlte ihre Strahlen abermals auf ihrer ohnehin wunden Haut brennen. Die Wasserperlen auf ihren Schultern verstärkten den Effekt noch. Genervt seufzend tauchte sie unter in das kühle Nass, um den unangenehmen Schmerz zu lindern. An das Salzwasser hatten sich ihre Augen während des Spiels schon gewöhnt und so kam es, dass sie sie öffnete, um sich den Bauch der Yacht und die Schiffsschraube anzusehen. Ihr Blick folgte dabei auch der Ankerkette nach unten in trübere Gewässer. Sie tauchte wieder auf, um neu Luft zu holen, und danach sofort wieder unter, denn sie hatte etwas Eigenartiges entdeckt und wollte nachsehen, ob es sich dabei vielleicht um eine Qualle handelte.

Als Momoko erkannte, dass es ihr verloren geglaubtes Stricktuch war, was sich um die Eisenkette des Ankers verfangen hatte und dort wie ein lebendiges Wesen in der Strömung hin und her wallte, freute sie sich sofort! Dem Impuls folgend, es sich wieder zurück zu holen, holte sie noch ein letztes Mal tief Luft und stieß sich dann nach unten ab, während ihre Freunde sich weiterhin an der Oberfläche zum Spaß kappelten.

Nach einigen Tauchzügen spürte sie, wie sich bereits der Wasserdruck auf ihre Ohren erhöhte. Das war kein schönes Gefühl, aber es war nicht mehr allzu weit - sie hatte ihr Tuch ja fast erreicht.

»Nur noch ein kleines Stück!«, dachte sie bei sich und gerade, als der Druck schon unangenehm und auch ihr Sauerstoffvorrat langsam knapp wurde, bekam sie den Stoff an einem Zipfel zu fassen.

Stolz und glücklich, über ihren Erfolg, wollte Momoko wieder auftauchen und zog kräftig an dem Tuch, doch das gab sich unerwartet widerspenstig. Nur die schwere Eisenkette schwang im Wasser leicht hin und her. Das Tuch hing fest, der grobmaschige Stoff musste sich in einem der Kettenelemente verfangen haben.

Leicht hektisch zog sich die junge Frau daran herunter und wühlte in dem sich in der Strömung wiegenden Tuch nach dem verursachenden Problem. Doch in der Eile konnte sie nichts erkennen. Resignierend ließ sie von ihrem Versuch ab und schwamm aufwärts, um ihre Lungen wieder mit frischer Luft zu füllen.

Ein Ruck durchfuhr sie, als sie bei dem Versuch plötzlich an ihrer linken Hand hängen blieb. Vor Schreck hatte Momoko einiges an Luft aus ihren Lungen gestoßen, was nun in einem Strom aus Blasen nach oben trieb. Fahrig fummelte sie an dem Stoff herum, der sich irgendwie an ihrem Ringfinger verfangen hatte, doch er ließ sich nicht lösen!

Das Wasser nahm ihr die nötige Kraft, denn bei jeder Bewegung gab auch die Ankerkette nach. Der Stoff selbst war einfach zu fest, um ihn mit bloßer Hand zu zerreißen. Auch ihr Ring war wie um ihren Finger geschmiedet und rührte sich kein Stück…

Sie brauchte Luft! Panik ergriff Besitz von ihr, Momokos Bewegungen wurden hektischer, unkoordinierter, ängstlicher – verzweifelt schrie sie in der Stille des Meeres um Hilfe, doch ihre Freunde, die über ihr schwammen und vergnügt spielten, hörten sie nicht, noch nahmen sie die aufsteigenden Luftblasen wahr.
 

Kazuya und Hinagiku lieferten sich nach der beendeten Partie Wasserball gerade einen freundschaftlichen Ringkampf im Wasser. Berührungsängste kannte die burschikose Hochschülerin nicht.

Angefeuert und durch unfaire Spritzattacken unterstützt, wurden sie dabei von Yuri und Yosuke, die sie unerlässlich wie Haie im Kreis umschwammen. Hiromi saß lässig auf dem Bootsaufstieg und ließ ihre Füße im Wasser baumeln, während sie den vier Wassergladiatoren zujubelte. Takuro hatte sich grob die Haare trocken gerieben und trug noch das Handtuch um die Schultern gelegt, als er mit zwei Getränken in den Händen wieder aus dem Bauch des Bootes nach oben kam. Eines davon reichte er zuvorkommend der Schwangeren. Zusammen beobachten sie das Schauspiel, das sich gerade dem Ende zuneigte.

So geschickt und kräftig Hinagiku auch war, gegen Kazuya hatte sie keine Chance.

Erschöpft schwammen beide letztendlich zum Boot, um sich daran festzuhalten und sich eine kleine Atempause zu gönnen. Yuri folgte ihnen gerade und Yosuke ebenfalls.

Das war der Moment in dem ihnen allen gleichzeitig auffiel, dass Momoko fehlte.

„Wann ist Momoko denn aus dem Wasser gegangen? War ihr kalt?“, fragte Yuri verwundert, weil ihre Freundin auch nicht bei ihrem Verlobten auf dem Deck zu sehen war.

Hiromi nuckelte an ihrem Strohhalm und zuckte unwissend mit den Schultern.

„Also, ich habe sie hier nicht gesehen und kann mich auch nicht erinnern, dass sie an mir vorbei aus dem Wasser gestiegen ist.“

„Drinnen habe ich sie auch nicht gesehen.“, sagte Takuro ratlos und mit einem Anflug von Unsicherheit.

Verunsicherte Blicke wurden schweigend ausgetauscht.

Yosuke verkrampfte sich jedoch augenblicklich und begann sich nach allen Richtungen umzusehen. Während die anderen noch relativ unbekümmert überlegten, wo ihre Freundin wohl steckte, machte sich bei ihm aus dem Nichts heraus eine Panik breit.

„Sie versteckt sich bestimmt auf der anderen Seite vom Boot, um uns zu erschrecken. Los, komm schon raus, Momoko! Wir fallen auf diesen doofen Trick nicht rein!“, rief Hinagiku und ließ sich halbherzig um das Heck treiben, um nach der Rosahaarigen Ausschau zu halten.

Ganz so, als würde sie gleich um die Ecke schauen und ihr frech die Zunge rausstrecken.

Kazuya hingegen nahm die Sorge und den Schock seines Freundes im Augenwinkel wahr und beurteilte die Situation sofort ernster.

„Das ist kein Spaß – wer hat sie wann zuletzt gesehen?“

Die nun getauschten Blicke waren deutlich unentspannter als zuvor. Jeder von ihnen wusste in diesem Moment mit Bestimmtheit, dass Momoko beim Wasserball mitgespielt hatte, aber nicht mehr bei allem danach.

„Suchen wir sie.“, ergänzte der Blonde bestimmt ohne Zögern und begann um das Boot zu schwimmen.

Sofort kam auch an Deck Bewegung; Takuro wollte die Reling entlanglaufen, um von dort aus Ausschau zu halten und Hiromi wollte noch mal drinnen nach der Vermissten suchen.

Yosuke hatte das alles jedoch nicht mehr abgewartet, sondern war sofort abgetaucht, nachdem Kazuya dieselbe Sorge in seine Worte gelegt hatte, die er empfand.

Obwohl das nicht ansatzweise das beschrieb, was wirklich in ihm vorging: Da war ganz plötzlich eine tiefschwarze Eiseskälte, die sich in seinem Magen ausbreitete und ihn förmlich lähmte. Steif und schwerfällig durchschnitten seine Glieder das Wasser. Das Salzwasser brannte höllisch in seinen Augen, doch er zwang sich trotzdem, sie weit offen zu lassen. Sein Herz hämmerte so wild vor lauter Angst in seiner Brust, dass seinem gut konditionierten Körper die Luft schneller ausging, als gewöhnlich.

Der Gedanke, nicht mit Sicherheit zu wissen, wann er Momoko zuletzt bei sich und den anderen im Wasser gesehen hatte, fraß ihn regelrecht auf... Das konnte nichts Gutes bedeuten. Doch noch bevor er in seinem Kopf die möglichen Horrorszenarien durchspielen konnte, tat sich eine seiner schlimmsten Befürchtungen direkt vor ihm auf, als er Momokos rosa Haar viele Meter unter dem Boot treiben sah.

Ohne nachzudenken tauchte er tiefer zu ihr hinab, plötzlich schnell und wendig wie ein Fisch, der um sein Leben schwamm. Die Lähmung von eben war weggewischt und wich einem neuen, viel schlimmeren, geradezu unaussprechlichem Gefühl…

Wie eine brennende Kerze schwebte Momoko in aufrechter Haltung im Wasser, ihr Haar wallte geheimnisvoll um ihr Gesicht und den fast reglosen Körper. Trotzdem hob sie genau in diesem Moment den Blick zur Oberfläche, erschöpft und irgendwie kapitulierend. Ein Mal noch kam Leben in sie, als sie Yosuke erkannte. Ihre ozeanblauen Augen weiteten sich erstaunt und sie streckte die rechte Hand nach ihm aus, als wäre es das Letzte, zu dem sie imstande war.

Da erkannte Yosuke, dass sie mit der anderen Hand an etwas Weißem festhing, das sich wiederum in der Ankerkette verfangen hatte. Es war das Tuch, das sie verloren hatte, nachdem er sie zuvor ins Wasser geworfen hatte. Ihre bläulich angelaufenen Lippen formten stumm seinen Namen, als er ihre Fingerspitzen endlich mit seinen berührte und sich zu ihr runter zog. Sofort begann er an dem Stoff zu zerren und zu reißen und ihr den Ring vom Finger ziehen zu wollen, doch genau wie sie war er unter den gegebenen Bedingungen erfolglos. Wütend stieß er einen ungehörten Fluch aus und versuchte es wieder und wieder, ohne Rücksicht darauf, dass seine Luft bereits so knapp geworden war, dass er eigentlich auftauchen musste. Aber Momoko in dieser ausweglosen Situation zurückzulassen kam für ihn nicht in Frage.

Während er sie zu befreien versuchte, mobilisierte sie noch mal alles was sie hatte und wehrte sich gegen das Ertrinken, aber ihre Kräfte hatten sie längst verlassen. Sie wollte in Ohnmacht fallen, doch Yosuke nahm ihr grauenhaft blasses Gesicht in seine Hände und flehte sie mit eindringlichen Blicken an, bei ihm zu bleiben. In seiner Verzweiflung drückte er seinen Mund auf ihren und versuchte so, ihr seinen eigenen Atem in die Lungen zu pressen. Doch mehr, als dass sie sich vor Husten fürchterlich wand, geschah nicht. Momoko hatte bereits zu viel Wasser eingeatmet.

Es half nichts, er würde auftauchen und Hilfe holen müssen, obwohl es ihm bei dem Gedanken, sie mit ihrer Panik allein zu lassen, das Herz zerriss.

Ein Schatten über ihm verwarf diesen Plan, denn es war Kazuya, der genau jetzt zu ihnen abtauchte. Sein Gesicht bei Momokos Anblick spiegelte ansatzweise wider, was Yosuke zuvor empfunden hatte. Diesen ereilte in dieser Sekunde ein Geistesblitz, woraufhin er hektisch die Eisenkette hin und her riss und mit der anderen Hand nach oben zeigte. Damit signalisierte er seinem Freund, dass der Anker unverzüglich gehoben werden musste. Kazuya nickte und zeigte ihm das OK-Zeichen, ehe er blitzschnell auftauchte.

Yosuke, fast erleichtert, wand sich wieder Momoko zu, der er ein ermunterndes Lächeln schenken wollte, doch zu seinem Schrecken war sie nicht mehr bei Bewusstsein. Auch ein Rütteln an ihren Schultern konnte sie nicht dazu bewegen, die Augen wieder zu öffnen.

Eine unsichtbare Klinge, bohrte sich scharf schneidend in sein Herz – der Gedanke, er könnte das Blau in ihnen nie wieder strahlen sehen, brachte ihn um den Verstand. Es gab keinen Raum in seinem Innern für dieses unsagbar schreckliche Gefühl! Ihr Körper in seinen Armen, leblos und schwindend, war nichts, das er ertragen konnte!

Der Anker bewegte sich endlich und die Kette wurde nach oben gezogen, der Dunkelhaarige hielt sich mit einer Hand an ihr fest, mit der anderen hielt er Momokos schlaffen Körper an sich gepresst. Als sein Kopf die Oberfläche endlich durchbrach bemerkte er erst körperlich, wie sehr seine Lungen nach Sauerstoff gegiert hatten. Wie musste es da erst Momoko ergehen? Die Spule, die den Anker aufrollte, stoppte, aber ihr Kopf hing weiterhin leblos auf seiner Schulter.

„Sie atmet nicht!“, schrie Yosuke krächzend, weil er noch niemanden von den anderen sehen konnte.

Wieder war Kazuya sofort bei ihm und diesmal hatte er einen Rettungsring und ein Messer dabei, mit dem er das Tuch kurzerhand zerschnitt. Danach legten sie Momoko gemeinsam über den Ring, der an einem Seil zum Heck der Yacht gezogen wurde.

„Oh mein Gott!“, rief Yuri und schlug die Hände vor den Mund, als der Kapitän und Takuro gleichzeitig ihre Freundin aus dem Wasser zogen und flach auf den Rücken auf das Deck legten.

Es passierte alles so schnell, trotzdem kam es Yosuke wie eine Ewigkeit vor, seit er Momoko entdeckt hatte, bis zu ihrer Rettung. In seiner Wahrnehmung bewegten sich alle viel zu langsam – warum unternahm niemand etwas? Wieso standen sie alle nur um sie herum? Wieso half ihr niemand?

Der Kapitän reagierte ruhig und souverän. Er legte seine Hände überkreuzt auf ihre Brust und presste sie in einer schnellen Stoßbewegung so stark nach unten, dass sich Momokos Körper aufbäumte und ein großer Schwall Wasser aus ihrem Mund schoss. Sofort hustete und würgte sie, als wäre sie nie bewusstlos gewesen. Gurgelnd krümmte sie sich auf dem Boden und schnappte mit allen Leibeskräften nach Luft.

„Gott sei Dank!“, stieß Takuro erleichtert aus und schloss ihren immer noch bebenden Körper in seine Arme.

Hinagiku, die genau wie Hiromi ganz blass war und hinter Momoko stand, legte ihr mit zitternden Händen eine Decke um die Schultern, die sie geistesgegenwärtig geholt hatte. Yuri lag daneben in Kazuyas Armen, der sie tröstend streichelte, und versuchte nicht zu weinen. Nur Yosuke hing noch zur Hälfte im Wasser. Für ihn war es, als hätte sein Herz erst wieder angefangen zu schlagen, nachdem Momoko den erlösenden Atemzug getan hatte. Auf einmal fühlte er sich fürchterlich erschöpft, irgendwie matt und kraftlos. Seine Muskeln taten weh, seine Lunge brannte höllisch und auch er wollte am liebsten losheulen. Denn obwohl er sich körperlich plötzlich so elend fühlte, war die Erleichterung so groß und befreiend, wie er es noch nie zuvor empfunden hatte.

„Fräulein Hanasaki, wissen Sie, wo Sie sind? Wissen Sie, was passiert ist?“

Die junge Frau nickte knapp und versuchte sich mit den Augen zu orientieren.

„Sie haben Glück im Unglück gehabt, da Sie anscheinend nicht allzu lange unter Wasser und nur kurz ohnmächtig gewesen waren. Das hätte ohne die Hilfe in letzter Minute übel für Sie enden können!“

Momoko hustete immer noch Wasser hoch und atmete rasselnd. Sie hörte, was der Kapitän sagte, war aber zu einer angemessenen Reaktion noch nicht in der Lage.

„Wir sollten zurückfahren und sie zu einem Arzt bringen, vorsichtshalber.“, schlug Takuro ernst vor, während er seine Freundin fest in die Decke einwickelte und vom Boden hoch hievte.

Ihre Beine waren wie Gummi und standen nur sehr unsicher und zittrig von selbst. Wie ein hilfloses Äffchen klammerte sie sich deswegen an Takuro fest, der ihr nur allzu gerne half.

„Komm schon raus, Kumpel.“, sagte Kazuya, der anscheinend als einziger Notiz von dessen Zustand genommen hatte, zu Yosuke.

Der Dunkelhaarige nahm die ihm gereichte Hand dankbar an und ließ sich auf das Boot ziehen.

Nur verstohlen traute er sich, in Momokos Richtung zu schauen. Was passiert war, fühlte sich vollkommen surreal an. Es ging ihr nicht gut, aber sie lebte und war nicht fort. Sie in den Armen eines anderen liegen zu sehen war in diesem Moment der schönste und schrecklichste Anblick zugleich.

Da sah er auf einmal Takuro mit einem weiteren Handtuch auf sich zukommen. Automatisch wappnete sich der Torwart für eine anrollende Gefahr, schließlich war er der Grund dafür, dass das schicksalhafte Tuch verloren gegangen war.

Allerdings hatte der Brillenträger keine Vorwürfe im Sinn.

„Hier, für dich.“, sagte er und drückte ihm das Handtuch in die Hände. „Ich kann gerade gar nicht ausdrücken, wie dankbar ich dir bin, dass du für sie da warst.“

Yosuke stutzte und suchte nach irgendeiner Spur von Falschheit in Takuros Miene oder in seinem Tonfall, aber die Dankbarkeit war echt. Das erkannte er an dem verletzlichen Flackern in seinen rotbraunen Augen.

„Mir fehlen im Augenblick die Worte… du hast sie gerettet, das vergesse ich dir nie. Du hast etwas gut bei mir.“

Diese Worte mussten ihm schwer fallen, aber sie kamen voller Inbrunst über seine schmalen Lippen. Das machte für Yosuke alles aus einem unerfindlichen Grund nur noch schwerer.

„Lass mich bitte wissen, wenn ich etwas für dich tun kann.“

Erneut huschte Yosukes Blick zu Momoko hinüber, die er dabei ertappte, wie sie genau in diesem Moment weg sah.

Endlich fand er seine Stimme wieder.

„Lass mal stecken, Takuro. Das, was ich will, kannst du mir eh nicht geben.“

Mit einer Spur Traurigkeit in der Stimme beendete er damit das kurze Gespräch und warf sich das Handtuch über die Schulter, um damit unter Deck zu verschwinden.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Die Vorgeschichte zu "Love at third sight"
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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2018-01-03T14:12:49+00:00 03.01.2018 15:12
Wenn das mal kein Geständnis zu sich selbst war lieber Yosuke 😋

Momoko bist du Wahnsinnig geworden, das hätte durch aus noch schlimmer ausgehen können, und Vorfällen hast du noch yosuke fast in Gefahr gebracht.i hoffe du hast daraus gelernt.es nächste mal keine Dummheiten anstellen mit ertrinken oder soo

Oh man hey takuro kümmere dich gut weiter um deine kindergarten Freundin und verlieb dich in Sie ^^ damit mein Traumpaar endlich näher kommt und hirumi bitte lass sie .... ach i weiß nicht 🤔

Wie du siehst hat es mich wieder fasziniert das Kapitel ^^
Von:  Mayosch
2017-12-25T19:09:15+00:00 25.12.2017 20:09
Hallo erstmal und fröhliche Weihnachten :)
Das Kapitel war so umfangreich, dass ich gar nicht weiß wo ich anfangen soll. Aber es gefällt mir unglaublich gut. Ich finde es süß, dass Yosuke die Nähe von Momoko sucht und auch mit ihr spricht trotz der Anwesenheit der Freunde. Doch vor allem gefällt mir Kazuya in diesem Kapitel wirklich sehr. Er ist für seinen Freund da und weist ihn z.B. auf das "Anschmachten" hin obwohl sich Yosuke sich das nicht Bewusst ist oder eher nicht wahrhaben will. Aber es passt wirklich gut. Auch als Momoko fast ertrunken ist und Kazuya genau sehen konnte, wie Yosuke leicht panisch wurde, war er für seinen besten Freund da. Aber es war wirklich der letzte Satz von Yosuke bei dem ich grinsen musste. Ich glaube das es wie eine Schocktherapie für ihn war als er ihren Bewusstlosen Körper sah und auch die Tatsache, das es Takeru war, der sich anschließend um sie kümmerte und nicht er!! Denn hier muss es KLICK gemacht haben, ich meine, dass er sie will auch wenn er sie nicht haben kann/darf(?) Entschuldige, wenn ich soviel Unsinn schreibe aber es war wirklich ein sehr gefühlsbetontes Kapitel und ich hoffe, dass du mein Kommentar definitiv als Positiv empfindest! Denn es ist wirklich gut! Und warte ich mal geduldig auf das nächste Kapitel :)

Liebe Grüße

Mayosch

Antwort von:  Nea-chan
26.12.2017 01:37
Hallo, Mayosch :D

Danke, danke, danke! Ich freue mich sehr über Dein Feedback und habe es als sehr positiv aufgefasst - Danke!

Schön, dass es Dir gefallen hat und ja - den Schlusssatz interpretierst Du schon ganz richtig 😎

Mal sehen, wie schnell ich mit dem nächsten Kapitel nachrücken kann.

Liebe Grüße, Nea


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