Zum Inhalt der Seite

~ Love at third sight ~

Mit dem Herz gegen alle Regeln
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Folgt LATS jetzt auch auf Facebook!
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
https://www.facebook.com/love.at.third.sight
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Confession

„Der Film war der Knaller!“

Hinagikus laute, begeisterte Stimme gellte über den Platz vor dem Kino.

„Der Stunt am Ende… BHOOM! Weg waren die Mistkerle!“, resümierte sie weiter, bestens gelaunt.

Yuri neben ihr hielt sich die Ohren zu und rollte mit den Augen in Momokos Richtung. Die Rosahaarige machte eine entschuldigende Miene, fand das Verhalten ihrer burschikosen Freundin dabei aber eigentlich ganz witzig.

„Also mir war das alles viel zu laut und brutal! Wie kann man nur auf solche Filme stehen?!“, äußerte sich die Brünette klagend.

Ihre Freundin mit der Kurzhaarfrisur grinste nur frech und streckte ihr die Zunge entgegen.

„Sehr erwachsen, wirklich.“

„Ätsch! Es kann ja nicht jeder nur auf kitschige Liebesfilme oder Komödien stehen.“

Yuri verschränkte ihre Arme und nahm eine strenge Haltung ein, die perfekt zu ihrer adretten Erscheinung in weißer Bluse und enger, dunkelblauer Röhrenjeans passte. Anklagend wendete sie sich wieder der heimlich amüsierten Momoko zu.

„Das hast du mir ja schön eingebrockt, beste Freundin.“

„Entschuldigung.“, drückte sie zwischen zwei leisen Lachern heraus.

Mittags am Kino angekommen, hatten sie nach eingehender Prüfung des aktuellen Kinoprogramms und einer angeregten Debatte darüber, welcher Film aus welchen Gründen der sehenswerteste war, letztendlich abgestimmt. Hinagiku wollte von Anfang an in den neusten Aktionstreifen gehen, aber Yuri stand der Sinn mehr nach Romantik. Dabei hatte sie voll auf Momokos Unterstützung gezählt, denn auf sie war früher in dem Punkt immer Verlass gewesen.

Doch ausgerechnet heute stand der blauäugigen, jungen Frau nicht der Sinn nach Liebesdramen und jeder Menge Happy End. Ihr Herz war noch von den frühmorgendlichen Erlebnissen aufgewühlt genug. Was sie danach gebraucht hatte, war etwas Neutralisierendes und da kam ihr eine geballte Ladung testosterongesteuerter, ruppiger Helden und bis an die Zähne bewaffneter Gangster gerade recht.

„Also ich fand den Film eigentlich auch ganz gut.“, gab sie zu.

„Ha! Sag ich doch!“, feierte Hinagiku diese Aussage und klatschte begeistert in die Hände.

„Momoko! Du Verräterin!“

Die Grünhaarige, in luftige Shorts und in ein Top gekleidet, schnappte ihre Unterstützerin schnell am Handgelenk und ergriff gemeinsam mit ihr die Flucht. Wie kleine Kinder brachten sie sicheren Abstand zwischen sich und die grummelnde Yuri.

Es war sagenhaft, wie verändert Momoko sich in Gegenwart ihrer Freundinnen fühlte. Jünger, fast wie ein Kind… Der Morgen, den sie mit Yosuke verbracht hatte, begann wie ein schöner Traum zu verschwimmen. Das machte es leichter für sie nicht immerzu daran zu denken.
 

„Lasst und etwas essen gehen, der Film war lang und ich verhungere allmählich!“

„Und das aus deinem Mund, Yuri.“, zog Hinagiku die schlanke, hochgewachsene Oberschülerin auf.

Es war inzwischen früher Nachmittag geworden und natürlich hatte die Brünette jeden Grund zu klagen, denn Popcorn und Softdrinks konnten keinen Magen glücklich stimmen, der regelmäßige Mahlzeiten gewohnt war.

„Ich habe auch Hunger… ich bin für Okonomiyaki!“, schlug Momoko vor.

„Au ja!“, stimmten ihre beiden Begleiterinnen unisono zu.

Ein Schnellimbiss mit Sitzgelegenheit war in der gut befüllten Promenade rasch gefunden. An diesem Sonntag war einiges los auf den Straßen, obwohl nur die wenigsten Lokale und Geschäfte geöffnet hatten.

Um der schwülen Wärme und der unnachgiebigen, späten Maisonne wenigstens ein bisschen zu entgehen, setzte sich das Trio weit weg von der Fensterfront. Es war ein kleiner Laden mit dunklen Möbeln und noch dunkleren Holztäfelungen an den Wänden. Im Hintergrund leierte altmodische Enka-Musik vor sich hin und die Luft war geschwängert vom Duft frisch gebratenen Weißkohls und Bonito-Flocken.

„Wenigstens gibt es Deckenventilatoren!“, bemerkte Yuri erleichtert und fächerte sich mit der Getränkekarte frischen Wind in den verschwitzten Nacken.

Mit der freien Hand holte sie ihre Haare über ihre linke Schulter nach vorne und ordnete ihre schweren, braunen Locken. Stöhnend beschwerte sie sich weiter: „Das ist kein Wetter für offen getragene, lange Haare.“

In stiller Zustimmung lüftete auch Momoko ihre Mähne ein wenig. Nur Hinagiku grinste selbstgefällig und schnipste gelassen eine Haarsträhne, ihrer Bobfrisur, in die Luft.

„Tja, bei solchen Luxusproblemen kann ich nicht mitreden.“, kommentierte sie ihre Geste frech.

Sofort wurde sie dafür von Yuri gemaßregelt und es entstand ein weiteres, kleines Streitgespräch. Diesmal über das Pro und Kontra von langen und kurzen Haaren. Momoko stand derweil auf und bestellte am Tresen direkt Eistee für sie drei.

Wieder an ihrem Platz angekommen, blätterte sie müde in der Speisekarte zwischen all den möglichen Zutaten für die Okonomiyaki hin und her. Sie gähnte langgezogen.

„Hey, was ist denn los mit dir? Das hast du schon im Kino andauernd gemacht und dir dabei sogar die Augen gerieben. Hast du die Nacht durchgemacht, oder was?“

Perplex schaute sie in Hinagikus braune Augen. Diese saß über ihren Eistee gebeugt und nuckelte genüsslich am Strohhalm herum, ohne den Blick von ihr zu wenden. Wie ein Luchs, der seine Beute beobachtete.

„Was, ich? Nein… ich, äh… habe nur nicht so gut geschlafen. Das ist alles.“

Du und nicht gut geschlafen? Du schläfst doch immer wie ein Murmeltier!“

Momoko warf Yuri dafür einen vorwurfsvollen Blick zu.

„Tse, früher vielleicht, als wir keine anderen Probleme außer unseren Schulnoten und die Deadlines für unsere Schülerzeitung hatten.“, konterte sie schnippisch.

„Wo drückt denn der Schuh? Lief das Date mit Takuro nicht gut?“

Hinagiku sprach das Wort Date wie ein Schimpfwort aus und ließ fast genauso angewidert ihre Augenbrauen dazu tanzen. Yuri war eine ähnliche Skepsis anzusehen; beiden lag die zweifelhafte Verbindung zwischen ihr und Takuro nach wie vor quer im Magen. Sie waren genauso stur und schwer zu überzeugen, wie ihr Vater.

Die Rosahaarige fühlte, wie ihr Gesicht heißer wurde, aber versuchte dennoch sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen. Geräuschvoll schlürfte sie hastig die letzten Tropfen ihres Getränks aus. Schmelzend rutschten die zurückgebliebenen Eiswürfel in dem nun leeren Glas ineinander.

„Da läuft alles perfekt.“, betonte Momoko heraushebend. „Außerdem war das kein Date, sondern ein gemeinsamer Besuch bei meinem Vater.“

Von diesem hatte sie ihnen bereits ausgiebig auf ihrem Weg zum Kino erzählt, nachdem sie sie von Zuhause abgeholt hatten. Sehr hatten sie sich mit ihr darüber gefreut, dass Shôichirô eine baldige Entlassung bevorstand.

Nur die Details rund um ihr Gefühlswirrwahr, während des Besuches, sowie ihre nicht ganz freiwillige Übernachtung bei Takuro, hatte sie ausgelassen. Die sittsam erzogene Yuri wäre sonst wahrscheinlich, vor lauter Schreck, auf ihrer Bank in Ohnmacht gefallen.

Und wie Hinagiku wohl erst darauf reagieren würde…? Das wollte sie sich lieber gar nicht erst ausmalen.

„Nein, nein… damit hatte meine unruhige Nacht nichts zu tun.“, ergänzte sie, nachdem ihr das bohrende Starren ihrer Freundinnen langsam unangenehm wurde.

„Entschuldigung, haben die Damen schon gewählt?“

Der Kellner; ein smarter, gut gebauter Japaner mit kurzen, schwarzen Haaren und Grübchen in den Wangen, unterbrach sie nur ungern. Momokos Freundinnen reagierten bei seinem Anblick pubertär wie eh und je, als hätte sich seit der Mittelschule nichts geändert.

Mit einem strahlenden Lächeln und Herzchen in den Augen, kokettierten sie liebreizend mit ihm und gaben kichernd ihre Bestellungen auf. Sie selbst erhielt sich wenigstens ihr letztes bisschen Selbstachtung und bestellte so, wie es erwachsene Menschen tun würden.

Kaum war er weg, beugte sie sich kopfschüttelnd und flüsternd zu den Pheromon versprühenden Damen hinüber.

„Also wirklich… das Hinagiku Typen wie ihn anschmachtet kann ich ja noch verstehen, aber du, Yuri, du hast doch Kazuya.“

Yuri drückte ihr edles Kreuz durch und gab sich völlig unbeeindruckt von Momokos halbherziger Kritik an ihrem Flirtverhalten.

„An Kazuya reicht ja auch absolut niemand heran, deshalb ist Schauen erlaubt. Er hat deswegen nichts zu befürchten, denn er ist und bleibt meine Nummer Eins! Trotzdem ist es doch ein schönes Gefühl für eine Frau, wenn sie merkt, dass auch andere Männer sie beachten.“

Melodramatisch warf sie ihre langen Haare mit einer schwungvollen Kopfbewegung, wie aus einem Shampoo-Werbespot, nach hinten. Sie ließ keinen Zweifel daran, dass sie sich für eine vollwertige, reife Frau hielt.

„Aber du hast doch ihn angeschmachtet und nicht andersherum.“, korrigierte Hinagiku sie provozierend.

„Ach! Was weißt du schon! Dich hat er doch gar nicht erst wahrgenommen! Immerhin hatte er eine Lady vor sich, da blieb kein Platz für ein Mannsweib in seinem Blickfeld.“

„Bitte?!“

„Hey, hey, hey! Kommt mal wieder runter, Mädels!“, schritt Momoko lachend ein.

Sie grinste hilflos in die kleine Runde.

„Ich bin mir sicher, der Kellner hat euch beide gleich nett angelächelt. So, wie er es mit jeder seiner Kundinnen tut.“

Sie zwinkerte ihnen beschwichtigend zu und lehnte sich dann wieder entspannt in ihren Sitz zurück.

„Hört, hört… da spricht die Profi-Kellnerin aus ihr.“, zog Yuri sie neckend auf.

Der kleine, alberne Zank war längst vergessen. Er war sowieso nicht von ernster Natur gewesen.

„So ist es.“, reagierte die Rosahaarige prompt.

Hinagiku verschränkte die Arme und grinste sie verschlagen an. Ihre Augenbrauen tanzten dabei wieder La Ola.

„Für ein ordentliches Trinkgeld lächelst du bestimmt auch allerhand Typen in eurem Café an, oder?“

Es sollte ein Witz sein; ein harmloser Spaß, aber niemand lachte darüber.

Der fade Beigeschmack, den ihre unglücklich gewählte Ausdrucksweise verursacht hatte, war nicht zu ignorieren. Zwar lächelten alle Beteiligten verkniffen, doch sogar Hinagiku selbst merkte, dass ein peinliches Schweigen entstanden war. Vielleicht wäre es anders angekommen, wenn ihre Freundin nicht wirklich jeden Heller zwei Mal umdrehen müsste.

„Ach sag mal, Momoko…“, wechselte Yuri, geistesgegenwärtig und taktvoll, wie sie war, das Thema. „…das wollte ich dich vorhin schon fragen: Du und Takuro, ihr hattet also keinen großen Streit nach unserem Abend letzte Woche?“

Die junge Frau blinzelte nur verwirrt, also holte die Brünette weiter aus.

„Na du sagtest doch vorhin, dass es zwischen euch gut läuft.“ Sie mied das Adjektiv perfekt. „Er war dir also nicht lange sauer, dass wir dich in einen Club geschleppt haben?“

„Yosuke hatte uns nämlich den Eindruck vermittelt, dass er echt stinkig drauf war, deswegen...“, ergänzte die Kurzhaarige.

Da war er: Der Name desjenigen, den sie seit einigen Stunden versuchte in die hinterste Ecke ihrer Gedanken zu verbannen. Unweigerlich beschleunigte sich ihr Puls und das Blut strömte ihr in die Wangen. Sie hörte es vor Aufregung darüber, dass man ihr ihre Nervosität vielleicht ansehen könnte, sogar in ihren Ohren rauschen.

Yuri und Hinagiku beobachteten das angeregte Mienenspiel in ihrem Gesicht.

„Äh… Momoko? Alles ok?“

Nein nichts war ok; in ihrer rechten Hand ließ sie ihr leeres Glas immer wieder kreisen und starrte dabei, mit tiefen Falten auf der Stirn, die sich verflüssigenden Eiswürfel an.

„Momoko???“, wiederholte Yuri, deutlich besorgter, als beim ersten Mal, ihre Frage nachdrücklich.

Endlich schaute sie auf und in die grünen Augen ihres wenig älteren Gegenübers. Danach in die Rehbraunen von Hinagiku, die einen noch fragenderen Eindruck, als ihre Sitznachbarin machte.

„Nun, es ist so… Takuro war schon etwas… verstimmt wegen der Sache. Das hatte ich euch ja letztens schon am Telefon erzählt. Das war aber nicht nur wegen des Clubs oder meinem Outfit oder wegen dem Alkohol…“

„Alkohol?!“, warfen ihre Freundinnen schockiert ein.

„…sondern weil er ziemlich eifersüchtig und misstrauisch ist.“, erklärte sie ungerührt zu Ende.

„Du hast Alkohol getrunken?“, hakte Yuri beharrlich nach.

Momoko schnaubte entnervt. Hätte sie doch besser ihr voreiliges Mundwerk gehalten.

„Ja~ha… aber das ist nicht das Thema.“

Hinagiku, immer schnell begeistert von jeder Dummheit, die man anstellen konnte, lehnte sich so weit es ging über den Tisch.

„Wie bist’e denn da drangekommen?“

Die Rosahaarige rollte mit den Augen. Sie kam anscheinend nicht weiter, wenn sie den Fragen ihrer Tischgesellinnen auswich.

„Von diesem Kerl, der versucht hat bei mir zu landen.“, gestand sie deshalb notgedrungen.

Die burschikose junge Frau ihr gegenüber wurde sofort hellhörig.

„Der, den Yosuke dann für dich platt gemacht hat?“

Wieder erstarrte sie kurz und lief rot an. Mit gesenktem Blick nickte sie zögerlich.

„Ja…“

Analysierend kniff die Dunkelhaarige die Augen zusammen. Sie merkte sofort, dass Momoko etwas Bestimmtes auf dem Herzen hatte.

„Takuro war wütend wegen Yosuke, stimmt’s? Weil er euch zusammen gesehen hat.“, schlussfolgerte sie.

Erleichtert, dass Yuri das Thema wieder in die richtige Richtung lenkte und gleichzeitig auch noch das Kernproblem ansprach, schaute sie auf.

„Ja, das stimmt. Er ist vor Eifersucht fast ausgeflippt, obwohl er und ich nur geredet haben…“

Bei der Erinnerung daran, biss sie sich verärgert auf die Unterlippe. Die verdrängten Bilder und Dialoge, dieser Auseinandersetzung, lebten in ihren Gedanken wieder auf. Er hatte sie wie seinen Besitz behandelt, über den er herrschen und verfügen konnte, wie es ihm beliebte. Ihre Nackenhaare stellten sich bei der Verachtung, die sie in diesem Moment wieder für ihn empfand, auf.

„Aber er hat sich wieder beruhigt?“, hinterfragte Hinagiku mit argwöhnischem Blick.

„Ja, schon… aber er hat mir danach strikt verboten mich mit Yosuke abzugeben und eigentlich ist sein Vertrauen in euch auch auf ein Minimum zusammengeschrumpft. Am liebsten wäre es ihm, wenn ich mich nur noch auf ihn und unsere Zukunft konzentrieren- und mir eher Bekanntschaften in seinen Kreisen suchen würde.“, erklärte sie verbittert.

Waaas? Der spinnt doch total! Jetzt verstehe ich auch richtig, wieso Yosuke dir aus dem Weg gehen wollte! Er wusste von Takuros Spleen und dass das nur Ärger für euch beide geben würde.“

Yuri schaute Hinagiku perplex an. Ob die junge Sportlerin ihr noch nicht alles von der Begegnung in dem Club erzählt hatte?

„Heißt das, Takuro ist so eifersüchtig und misstrauisch, dass er dir deswegen gleich komplett Männerfreundschaften und ein bisschen harmlosen Spaß verbietet?“

Momoko schluckte bedrückt.

„So kann man das sagen.“

Sie behielt lieber für sich, dass er sie in der letzten Woche beinahe krankhaft überwacht hatte und es fast an ein Wunder grenzte, dass er ihr überhaupt dieses Treffen mit ihnen erlaubte. Noch viel mehr galt es allerdings zu verschweigen, dass sein Misstrauen leider nicht unbegründet war…

„Was ist denn das für eine Beziehung, wenn er dir nicht vertraut und dir alles verbietet, das dir etwas bedeutet?“, schimpfte die Dunkelhaarige verärgert.

„So ist das ja auch wieder nicht… meine Fotografie und meinen Job im Maid-Café lässt er mich ja auch machen.“, versuchte sie Takuro ein wenig zu verteidigen, denn ihr schlechtes Gewissen, ihm gegenüber, meldete sich.

Hinagiku funkelte sie ungläubig an.

„Aber passen tut es ihm nicht wirklich, stimmt’s?“

Daraufhin wollte sie noch etwas erwidern, doch sie war entwaffnet. Sie hatte keine Argumente dagegen und wenn, dann wären es nur erlogene gewesen.

Ihre beiden Freundinnen schauten sich bedeutsam an. Momokos Schweigen war aufschlussreicher für sie, als tausend Worte. Wieder war es die Kurzhaarige, die sie nach dieser kurzen Pause ansprach.

„Hast du seitdem trotzdem mal wieder etwas von Fuma gehört? Und seid ihr denn noch dazu gekommen euch auszusprechen, bevor Takuro dich eingesackt hat?“

Sie konnte ihre Frage so salopp verpacken wie sie wollte, die blauäugige Highschool-Schülerin rutschte trotzdem verlegen in ihrem Sitz zusammen und wich den neugierigen Blicken der Beiden aus.

„Ja, wir hatten danach noch mal Kontakt…“, nuschelte sie fast so leise vor sich her, dass es zwischen dem Summen des Deckenventilators und den Geräuschen aus der offenen Imbissküche fast nicht zu hören war.

Yuri und Hinagiku hatten die Ohren aber gut genug gespitzt. Sie rissen verblüfft ihre Augen auf und taxierten sie mit interessierten Blicken.

Momokos Gesicht begann erneut zu glühen, denn Kontakt war im höchsten Maße untertrieben ausgedrückt!

„Müssen wir dir wirklich jede Einzelheit aus der Nase ziehen oder rückst du jetzt endlich von selbst mit der Sprache raus?“, forderte die Größere von beiden ungeduldig.

„Er… er hat mich am Montag nach der Schule abgefangen. Da haben wir dann auf dem Heimweg zu mir geredet.“

»Geredet! Wenn es mal nur das gewesen wäre!!!«, dachte sie beschämt.

Ihr Kopf rauchte förmlich bei all den heißen Erinnerungen an diesen Tag.

„War da nicht dieser Wolkenbruch?“, bemerkte Hinagiku beiläufig.

„Schon… ich habe mein Rad geschoben und wir haben uns notgedrungen einen Regenschirm geteilt.“, erklärte Momoko leise und begann nervös am Saum ihres Kleides herumzuspielen.

Ihr Herz hämmerte verräterisch in ihrer Brust und sie ahnte schon, welche Reaktionen ihre Antwort nach sich ziehen würde.

Die selbsternannte Lady unter ihnen verfiel nach dieser Erläuterung auch direkt in ihre altbekannte Schnappatmung. Ihre perfekt manikürten Finger gruben sich dabei aufgeregt in die unnachgiebige Tischplatte.

„Im Ernst jetzt?“

Resignierend nickte die Blauäugige stumm.

„Von dieser Geschichte bekomme ich ja richtiges Herzklopfen! Das ist ja fast wie bei Romeo und Julia! Er, der Todfeind von Julias Verlobten, schleicht sich nachts heimlich unter ihren Balkon und verführt sie…“

Rot wie eine Tomate, machte Momoko eine beschwörende Handbewegung, damit Yuri ja aufhörte, ihre poetischen Hirngespinste weiter laut auszusprechen.

„Schhhh, erzähl doch keinen Mist! So war das gar nicht!“, zischte sie eindringlich.

Reflexartig sah sie sich um, ob auch niemand sie belauschte, obwohl sie eigentlich wusste, dass diese Befürchtung unbegründet war. Hinagiku ließ das nur noch mehr stutzen.

„Du glühst wie ’ne Lavalampe und benimmst dich grad wie ’ne echte Schwerenöterin. Ihr habt also nur geredet… über was denn? Habt ihr euch ausgesprochen und vertragen?“

Die Rosahaarige verschränkte ihre Arme ebenfalls und ging in Abwehrhaltung.

„Wisst ihr… Ihr klingt beide so, als wolltet ihr ihm und mir immer noch eine Liebesbeziehung anhängen. Da ist aber nichts zwischen uns! Wir wissen beide ganz genau, wohin wir gehören.“

„Hm…“, seufzte Yuri nachdenklich und zeichnete mit ihrem rechten Mittelfinger den Rand ihres Glases Runde um Runde nach. „Du musst aber schon zugeben, dass das irgendwie alles sehr dramatisch und… na ja, auch romantisch klingt.“

„Da ist weder Drama noch Romantik bei uns im Spiel!“, beharrte Momoko ernst.

Hinagiku verschränkte die Hände hinter ihrem Kopf und lehnte sich lässig zurück.

„Ich finde, Yuri hat Recht. Erst erzählst du uns gar nichts davon, dass du dich mit Yosuke auf wundersame Weise vertragen und angefreundet hast, dann zerstreitet ihr euch wegen Hiromi und Takuro so stark, dass du einen halben Nervenzusammenbruch hast; heulst und ihm nicht mal gegenüber stehen willst… Dann erfahre ich von ihm, dass er sich nur aus Rücksicht auf die Beziehung zwischen dir und Takuro wie ein Idiot verhalten hat und nun holt Yosuke dich wiederum heimlich von der Schule ab und ihr teilt euch sogar einen Schirm. Wenn das nicht klingt, wie ein Schmierenroman, na dann weiß ich auch nicht…“

Yuri nickte die Ausführung dankbar ab.

„Siehst du, Momoko? Selbst Hinagiku findet das alles merkwürdig.“

Natürlich war das merkwürdig! Wollte sich die Hobbyfotografin am liebsten lautstark verteidigen. Ihnen fehlte ja auch mehr als die Hälfte an Informationen… sie waren so nah an der Wahrheit dran, aber ahnten nicht, wie kompliziert das alles tatsächlich war.

„Ich bin mit Takuro verlobt. Und Yosuke ist mit Hiromi zusammen. Wir sind nur Freunde. Punkt.“, ratterte sie störrisch herunter.

Sie würde sich auf keinen Fall in die Ecke drängen und aus der Reserve locken lassen. Egal was sie wirklich für den jungen Torwart empfand, sie würde es niemanden zeigen. Ihr Herz begehrte gegen ihren Willen, den süßen Schmerz in ihrer Brust niederzuringen, heftig klopfend auf, doch ihr Verstand war in diesen Minuten stärker.

„Und das werde ich auch beweisen.“, setzte sie ganz ruhig fort.

Die ungeteilte Aufmerksamkeit und Verwunderung ihrer Freundinnen galt nun ganz ihr, selbst als der süße Kellner in diesem Moment ihre Okonomiyaki servierte und dabei wieder sein strahlendes Zahnpasta-Lächeln präsentierte.

„Takuro wird mir nicht erlauben mit Yosuke Kontakt zu haben. Wahrscheinlich nicht mal, wenn er dabei wäre und ich bin mir sicher, wenn Hiromi wüsste, dass wir uns gut verstehen und uns zwischendurch sogar heimlich gesehen haben, würde sie ganz schön durchdrehen.“

Hinagiku grinste breit und süffisant.

„Die würde ’nen richtiges Fass aufmachen! Da würde ich gerne Mäuschen spielen.“, kicherte sie amüsiert.

„Pscht!“, maßregelte Yuri sie und trat ihr unter dem Tisch gegen den Fuß.

„Das Problem ist… die Freundschaft zu euch ist ihm auch ein Dorn im Auge. Im Grunde ist jeder für ihn eine Bedrohung, der ihn damals zur Schulzeit ausgeschlossen hat oder ihm in irgendeiner Weise überlegen ist.“

„Ach so? Ich hab’ ja eher das Gefühl, dass wir diesem Neu-Schnösel nicht mehr gut genug sind…“, unterbrach sie erneut die Grünhaarige.

Hi-na-gi-ku! Kannst du sie nicht ein Mal ausreden lassen?!“

„Ist schon gut. Ganz Unrecht hast du ja damit nicht. Takuro ist charakterlich etwas… unbeständig. Wie man es auch dreht und wendet, meine Freunde und mein Leben sind mit dem, was er sich vorstellt, derzeit irgendwie schwer vereinbar.“

Bedauernd schauten Yuris smaragdgrüne Augen in ihre. Langsam schien sie zu begreifen, in welcher Zwickmühle sie steckte.

„Wir sind dir natürlich so wichtig, dass du uns nicht für ihn aufgeben möchtest, aber seine Wünsche und Bedürfnisse sind dir auch nicht egal.“, schlussfolgerte sie logisch.

Momoko nickte, obwohl es nur der halben Wahrheit entsprach. Er würde sie vielleicht oder sogar wahrscheinlich, mit ihren Problemen unter Druck setzen, wenn sie sich seinem Willen widersetzte oder er gar herausfand, was sie alles hinter seinem Rücken veranstaltete.

Aber das konnte sie ihnen nicht sagen, obwohl sie ja schon längst wussten, aus welchen Gründen sie eigentlich dieser Eheschließung zugestimmt hatte.

„Und Yosuke ist dir auch wichtig.“, ergänzte ihre Sitznachbarin ausnahmsweise ohne irgendeinen spitzen Unterton.

Um die aufsteigenden Flugzeuge in ihrem Bauch ruhig zu stellen, begann Momoko ihr Okonomiyaki in sich reinzuschaufeln. Das Katsubushi darauf tanzte noch zitternd in der aufsteigenden Wärme.

„Ich habe beschlossen mit Takuro ganz offen zu reden.“, erzählte sie mit vollem Mund und ignorierte dabei ganz bewusst Hinagikus letzte Aussage. „Es muss auch einen Weg geben, dass wir uns alle miteinander verstehen ohne Vorurteile zu haben oder uns gegenseitig zu misstrauen. Wir müssten nur gemeinsam hin und wieder Zeit miteinander verbringen.“

„Wir alle? Wen schließt du da mit ein? Und wie stellst du dir das vor?“, hinterfragte Yuri kritisch.

Weiter auf ihr Essen konzentriert, redete die Angesprochene kauend weiter.

„Na alle eben. Takuro, euch, Kazuya und…“

Sie brachte es kaum über die Lippen; konnte sie doch selbst nicht glauben, dass sie diesen Entschluss gefasst hatte. „…und eben auch Yosuke und… Hiromi.“

„Hiromi?!“, stießen die Mädchen gleichzeitig entrüstet aus.

„Ich weiß! Himmel, ich bin auch kein Fan von ihr, aber sie gehört nun mal zu Yosuke dazu! Also, was soll ich machen?“

„Schätzchen, das klappt niemals. Takuro dazu zu bringen sich mit uns oder sogar mit den Jungs zu verstehen, das hielt ich ja schon für ’ne Schnapsidee. Aber DIE soll auch noch bei uns mitmischen? Ist die Mayo auf deinem Essen nicht mehr gut, hat man dir was in den Eistee getan oder was? Du kannst sie doch noch am wenigsten von uns ausstehen!“

„Ich hätte wohl eine andere Formulierung dafür verwendet, aber ich schließe mich Hinagiku da voll an!“

Momoko schluckte herunter und seufzte hoffnungslos. Sie legte ihre ineinander verschränkten Hände vor sich auf den Tisch und sah ihren Freundinnen bittend in die Augen.

„Bitte, lasst mich nicht hängen. Ich habe noch keinen genauen Plan, wie das werden oder funktionieren soll, aber wenn, dann geht das nur mit eurer Hilfe. Wenn ihr der Sache keine Chance gebt, dann brauche ich Takuro gar nicht erst darauf anzusprechen.“

Beide tauschten bedrückte Blicke, aber es sah nicht so aus, als würden sie nur wegen der herzerweichenden Betonung in ihrer Stimme sofort nachgeben wollen. Momoko musste ihnen mehr erzählen, damit sie ihren Leidensdruck besser verstanden.

„Takuro will nach dem Abschlussjahr wieder im Ausland studieren und er will, dass ich mit ihm mit gehe.“

Sofort wandten sie sich, mit angehaltener Luft, wieder zu ihr um.

„Wenn wir uns jetzt schon nicht mehr uneingeschränkt sehen können, wann und wo wir es wollen, dann befürchte ich, dass wir uns völlig aus den Augen verlieren werden, wenn ich erstmal nicht mehr hier in Japan lebe. Takuro wird euch bestimmt nicht zu Besuchen zu uns einladen, vielleicht auf Betteln meinerseits, aber niemals… niemals…“

Plötzlich versagte ihre Stimme und Tränen verschleierten ihre Sicht.

Sofort sprangen ihre Freundinnen auf und nahmen sie tröstend in ihre Mitte.

„Momoko… ich wusste nicht, dass es so ernst ist…“, beschwichtigte Yuri sie und strich ihr das Haar aus dem Gesicht.

Hinagiku zog ein Stofftaschentuch aus ihrer Hosentasche und reichte es dem aufschluchzenden Häufchen neben sich.

„Deswegen musst du doch nich’ gleich heulen... Is’ ja kein Wunder, dass du nachts nicht pennen kannst, wenn du dich mit so was beschäftigst.“

Tränenerstickt schüttelte Momoko den Kopf und schnäuzte jämmerlich in das Tuch. Sie war selbst geschockt von ihrem Gefühlsausbruch. Die Mädchen um sie herum wussten nicht, was los war. Auch, wenn sie es glaubten.

Aber da sie ihren Satz nicht mehr hatte beenden können, fehlte ihnen die wichtigste Information.

»…aber niemals Yosuke.«

Schon zum zweiten Mal an diesem Tag brachte sie der Gedanke zum Weinen, dass sie irgendwann endgültig von diesem Mann getrennt sein würde.

Stumm trafen derweil ihre ehemaligen Klassenkameradinnen eine Entscheidung, die sie sich über ein verstehendes Nicken gegenseitig mitteilten.

„Hey, alles wird gut. Natürlich ziehen wir drei gemeinsam an einem Strang. Ich kenne Takuro schon so viele Jahre; es wäre doch gelacht, wenn wir das nicht hinbekommen!“, versuchte Hinagiku sie aufzumuntern.

„Genau, und Kazuya wäre der Letzte, der sich deiner Idee verweigern würde. Er kennt Yosuke und kann eigentlich mit jedem umgehen, also wird das schon werden! Mit Hiromi werden wir dann auch noch fertig. Also rede mit deinem Freund und dann findet sich schon eine Lösung.“

Momoko lachte leise zwischen ihren verebbenden Schluchzern und empfing das warme, liebevolle Lächeln ihrer besten Freundinnen. Ein Stein fiel ihr vom Herzen.

„Danke.“, hauchte sie leise und tupfte sich die Tränen von den Wangen.

Sie setzten sich alle wieder an ihre Plätze und machten sich nun auch über ihre Okonomiyaki her, ehe sie zu kalt wurden.

Nur der verheulten Momoko war der Appetit vergangen. Obwohl sie sich hätte freuen müssen, eine der zu bestreitenden Hürden, für ihren Plan, erfolgreich genommen zu haben, fiel ihr das ausgelassen sein sehr schwer. In ihr drin herrschte Chaos und allmählich dämmerte ihr, dass ihre Idee nur auf ihrem eigenen Egoismus beruhte und rein gar nichts damit zu tun hatte, dass sich möglichst alle Involvierten miteinander verstanden. Es ging ihr dabei nur um Yosuke; um einen Weg, wie sie es möglich machen konnte, nicht auf ihn verzichten zu müssen und nicht jedes Treffen mit ihm in aller Heimlichkeit ablaufen zu lassen.

»Ich bin so dumm…«

Sie schnaubte mit einem zynischen Lächeln auf den Lippen und stützte ihren Kopf dabei auf ihrem linken Arm ab, damit ihre Gegenüber ihren leidenden Gesichtsausdruck nicht gleich mitbekamen. Es war sinnlos, sich weiter etwas vormachen zu wollen, denn ihr Körper und vor allem ihr Herz, schlugen schon länger einen sehr eindeutigen Ton an.

Sie hatte es noch am Morgen, während des Sonnenaufgangs, nicht wahrhaben wollen, aber jetzt war es ihr klar; sie war dabei sich in Yosuke Fuma zu verlieben.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Folgt LATS jetzt auch auf Facebook!
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
https://www.facebook.com/love.at.third.sight
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Anne208
2016-02-24T20:34:42+00:00 24.02.2016 21:34
Omg... ob das alles so gut geht...
Es scheint mir, das momoko langsam daran zerbricht!
Ich hoffe, es gibt für die beiden, ein happy end.
Und alles ist nur ein böser Traum.
Momoko liebt yosuke und er liebt sie!
Er lässt sie nicht so einfach gehn.

Nein das darf er ganz einfach nicht!

So ich brauche jetzt schon neue nägel!
Bitte bitte bitte lass es ein happy end geben...

Ps. Du hast es toll geschrieben! !!!!!!


Zurück