~ Love at third sight ~ von Nea-chan (Mit dem Herz gegen alle Regeln) ================================================================================ Kapitel 48: Precious moments (Part II) -------------------------------------- Ein seliges Lächeln umspielte seine Lippen, während er Momoko dabei zusah, wie sie die Morgenröte mit ihrer Kamera einfing. Das Fotografieren machte aus ihr einen anderen Menschen; sie war viel konzentrierter und ihre Aura sprühte nur so vor Leidenschaft für ihre Sache. So war es schon immer gewesen. Auch, als sie noch ein junges, naives Mädchen gewesen war. Ihre ehrliche Euphorie riss ihn mit. Yosuke wendete seinen Blick amüsiert zum Sonnenaufgang und atmete dabei tief die frische Morgenluft ein. Die Stille um sie herum war eigentlich keine; überall war Leben und Gewimmel. Singende Vögel, geschäftige Kleintiere im Unterholz und müde Insekten, die sich schwerfällig aufmachten, um die Ersten an den taufrischen Blütenkelchen zu sein. Dazwischen war nur der seichte Wind in den Bäumen und das Klicken von Momokos Fotoapparat zu hören. Er war so tief in seinem Tagtraum versunken, dass er fast vergaß, dass das noch nicht das Ende der Überraschung war. Die Sonne hatte sich inzwischen knapp über den Horizont erhoben. „Die Aussicht ist einfach ein Traum! Woher kennst du diesen Platz?“, durchbrach die eifrige Fotografin als erstes die Ruhe. „Von früher, als ich jünger war.“ Sie ließ die Kamera in ihren Händen sinken. Ihre blauen Augen richteten sich auf ihn. „Wie viel jünger?“ Er schmunzelte etwas verlegen und zeigte auf seine Gitarrentasche, die sie immer noch auf dem Rücken trug. „Als ich damals anfing Gitarre zu spielen, war ich schlecht. Grottenschlecht.“ Momoko lachte kurz amüsiert. „Ich übte zuhause, wann immer es mir die Zeit neben der Schule erlaubte und meine Mutter nicht da war. Doch das Gejaule ging den Nachbarn ziemlich bald auf die Nerven und ich wollte mich nicht in der Schule zum Gespött machen, wenn ich dort übte…“ „Also hast du dir einen Platz gesucht, an dem du niemanden gestört hast.“, führte die junge Frau seinen Satz zu Ende. Yosuke nickte bestätigend und zuckte mit den Schultern. „Ich kann nicht ausschließen, dass ich vielleicht ein paar Eichhörnchen verschreckt habe, aber ja. Das stimmt.“, antwortete er spitzbübig lächelnd. Sie gab ihm ein strahlendes Lächeln dafür zurück, weswegen sein Herz sofort schneller schlug. Wieder war er da, der flüchtige Gedanke, warum er nicht schon vor langer Zeit bemerkt hatte, wie schön sie eigentlich war. Momoko bemerkte seine geistige Abwesenheit und legte prüfend den Kopf schief. „Und? Verschreckst du heute immer noch wehrlose Tiere mit deinem Spiel?“ Er blinzelte und kratzte sich ertappt am Hinterkopf. „Ich weiß es nicht. Ich habe jahrelang nicht mehr gespielt; Fußball konnte ich irgendwie besser, also habe ich mich mehr darauf konzentriert.“ „Schade, dabei ist es hier so schön… Ich hätte diese Idylle vermisst.“ Er nickte zustimmend. „Die Aussicht war auch einer der Gründe, wieso das hier mein Platz wurde. Es war inspirierend.“ Sie schaute erneut von ihm in die Ferne, aber hob den Sucher nicht mehr an ihr Auge. Momoko genoss einfach, was sie sah. Genau wie er. „Und wen hast du schon alles hier hinauf geführt?“, setzte sie nach kurzem Schweigen wieder an. Der Dunkelhaarige kniff die Augen zusammen. Hatte er da eine Spur Eifersucht in ihrer Stimme mitschwingen hören? „Niemanden. Keiner außer mir kennt diese Lichtung. Bis auf dich, jetzt.“, antwortete er ihr ernst. Momokos Herz begann zu flattern, als sie das hörte. Sie fühlte wie ihr das Blut in den Kopf stieg und vermied es, Yosuke dabei anzusehen. Würde sie es doch tun, wäre schnell offensichtlich, wie sehr ihr das imponierte. Es war sein ganz persönlicher, geheimer Ort und er teilte ihn mit ihr, so wie er auch seine Erinnerungen an damals mit ihr teilte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass viele andere neben ihr von seinem niedergelegten Hobby wussten. Das war wie ein noch weiteres Geschenk an sie, vor allem aber war das ein großer Vertrauensbeweis. Wäre dies ein Date – und sie vermied tunlichst, es als eines einzustufen – wäre es perfekt! Sie brauchte keinen Protz, keine Liebesschwüre, rote Rosen oder unzählige Kerzen; das hier reichte völlig. Er, sie, dieser Hügel, der Sonnenaufgang und die kostbaren Momente, die sie hier miteinander verbrachten. Yosuke räusperte sich lautstark. „Kann ich vielleicht meine Gitarre haben?“ „Oh! Ja, sicher!“, stammelte sie peinlich berührt. Jetzt war sie es gewesen, die geträumt hatte. Sie tauschten die Taschen gegeneinander aus, Momoko verstaute ihre Kamera und stellte dann alles neben den Baumstamm. Vorsichtig tastete sie dessen grünlich-braungraue Rinde ab, um festzustellen, ob sie es wagen konnte, sich mit ihrem feinen Sommerkleid darauf niederzulassen. »Wieder ein Punkt mehr, warum ich besser eine robuste Shorts angezogen hätte.«, dachte sie zerknirscht. Doch zu ihrem Glück war sie sauber und trocken, also raffte sie ihren Rock und setzte sich. Erwartungsvoll beobachtete sie Yosuke dabei, wie er sich mit der Gitarre zu ihr setzte und begann an den Wirbeln zu drehen. Mit einem kleinen Plektrum riss er dabei die einzelnen Saiten solange immer wieder an, bis sie seiner Meinung nach den richtigen Ton spielten. Es war ein merkwürdiges Gefühl, ihn mit einem Musikinstrument, statt mit einem Ball in den Händen zu sehen. Seine Ausstrahlung war sanfter und ruhiger, als auf dem Fußballplatz. „Was spielst du denn?“, fragte sie neugierig. Er grinste verschwörerisch. „Warte es ab, vielleicht erkennst du es ja selber.“ Momoko schluckte. Wenn er nicht irgendeinen bekannten, japanischen Popsong spielen würde, standen ihre Chancen schlecht, dass sie es erraten konnte. Yosuke beachtete ihre Unsicherheit nicht, sondern positionierte sich richtig, legte die Finger seiner linken Hand um den Gitarrenhals und griff in die Saiten. Die ersten Töne, die er seinem Instrument entlockte, waren etwas holprig und steif, doch das überspielte er gekonnt mit einem charmanten Lachen. „Gib mir einen Moment, ich muss erst warm werden.“ Die Rosahaarige stimmte in sein leises Lachen entzückt mit ein. Es war irgendwie beruhigend zu sehen, dass es auch Dinge gab, in denen dieser sagenhaft tolle Typ nicht großartig war. Einige Augenblicke später hatte er den Dreh dann aber endlich raus, straffte sich noch mal und begann von vorne zu spielen. Die Noten flossen langsam und irgendwie traurig dahin. Es war ein ruhiges Lied, aber im Refrain auch aufwühlend und mitreißend. Momoko überlegte angestrengt; sie war sich sicher, diesen Song schon mal gehört zu haben, aber kam partout nicht auf den Titel. Er war bekannt und es gab ungezählte Interpretationen von ihm… „Das ist You raise me up, von Rolf Lovland.”, klärte Yosuke sie ungefragt auf und beendete sein Spiel dabei. „You raise me up?“, wiederholte sie den Titel fragend. Sie meinte sich an das Lied zu erinnern, allerdings unter einem japanischen Titel. Er hob seinen Blick und schaute sie mit seinen durchdringenden, klaren Augen an. Ihr Atem stockte unwillkürlich. Der Torwart sparte sich Erklärungen, setzte sein Plektrum erneut an und begann, zu ihrer absoluten Verblüffung, leise zu singen. When I am down and, oh my soul, so weary When troubles come and my heart burdened be Then, I am still and wait here in the silence Until you come and sit awhile with me. You raise me up, so I can stand on mountains You raise me up, to walk on stormy seas I am strong, when I am on your shoulders You raise me up: To more than I can be. Seine flache, rechte Hand legte sich auf die Saiten über dem Klangloch und brachte sie so zum Verstummen. Eine Gänsehaut überzog Momokos gesamten Körper. Yosukes tiefe, melodische Stimme, die anfangs ein wenig schüchtern gesungen hatte, hatte sich perfekt in sein Gitarrenspiel und die Töne eingefügt, die er auf ihr hervorgebracht hatte. Verlegen schaute er wieder zu ihr und sie war unfähig seinen Blick nicht zu erwidern. „Das… das ist ein wirklich schönes Lied.“, flüsterte sie ehrfürchtig. Ihr Herz pochte so heftig, dass ihre Finger zitterten und sie sich bis in ihre Haarspitzen von Elektrizität durchströmt fühlte. „Danke.“, murmelte Yosuke erleichtert darüber, dass sie ihn nicht auslachte. „Das war aber nur die erste Strophe. Ich dachte, den Rest würdest du vielleicht singen.“ „Ich?!“, stieß sie entsetzt aus. „Du kannst nicht schlechter sein, als ich. Ich habe dich schließlich auf dem Klassentreffen singen hören.“ „Aber, aber, aber… ich kenne den englischen Text gar nicht!“, wehrte Momoko sich wild herumfuchtelnd und mit puterroter Gesichtshaut. Er grinste, so als schien er nur darauf gewartet zu haben, dass sie so argumentieren würde. Mit einem Handgriff an einer seiner Hosentaschen, zückte er ein gefaltetes Blatt Papier und reichte es ihr. »Der Songtext, natürlich…«, stellte sie unglücklich fest. Ihr Herz machte einen weiteren Satz, als sich Yosukes rechte Hand ermutigend auf ihr linkes Knie legte. Das Funkeln in seinen Augen dabei war entwaffnend. „Du kannst das. Es geht auch nicht darum es perfekt zu machen, sondern um das Gefühl, was der Song transportiert.“ Irritiert blinzelte die junge Frau ihn an. Seit wann redete er so geschwollen fachmännisch? War das der wiedererweckte Musiker in ihm? „Und… welches Gefühl ist das?“, hinterfragte sie unsicher. Seine Miene wurde nachdenklicher. Er zog seine Hand zurück und lehnte sich lässig über seine Gitarre, während er der Sonne dabei zusah, wie sie weiter aufstieg. „Dasselbe das ich habe, wenn ich mit dir zusammen bin.“ Momoko stockte der Atem; mit großen Augen schaute sie in sein Profil. Sie war sprachlos, doch noch mehr erstaunte sie, dass Yosuke plötzlich deutlich nervöser wirkte und sich ein warmer Hauch Farbe auf sein sonnengebräuntes Gesicht legte. Stolpernd setzte ihr Herz seine Arbeit fort. „Yosuke…“, hauchte sie ohne zu wissen, wie der Satz eigentlich weitergehen sollte. Er drehte sich wieder zu ihr um, die Augen leuchtend vor Aufregung. Er war genauso verlegen wie sie. „Wir haben doch vorgestern Nacht darüber am Telefon gesprochen, wie gestresst und eingeengt wir uns fühlen.“ Sie erinnerte sich an das heimliche Telefonat auf dem Balkon und nickte. Gespannt strich sie sich eine Haarsträhne hinter das Ohr und lehnte sich zu ihm rüber. „In der Schule mache ich tagtäglich gute Miene zum bösen Spiel. Ich lächle, gebe mich verliebt und fürsorglich, doch Hiromi führt mich, wo sie nur kann, vor wie ein Hündchen, das ein besonderes Kunststück kann. Sie schämt sich kein Stück für ihre Situation. Ich wünschte, ich hätte ihr Selbstvertrauen, aber sie ist es ja auch nicht, die die beschuldigenden und verurteilenden Blicke der Mitschüler und Lehrer erntet.“ Yosukes Ton wurde bitter und sein Gesichtsausdruck wütend. „Das… tut mir leid…“, wollte Momoko tröstend sagen, doch er schüttelte abwehrend den Kopf. „Muss es nicht. Es enttäuscht mich nur maßlos, dass niemand von den anderen sieht, dass ich ihr die Schwangerschaft ja nicht aufgedrängt habe! Und das auch niemand versteht, was ich dafür letztendlich alles opfern muss. Für Hiromi geht alles normal weiter, sie träumt von einem kleinen, harmonischen Familienidyll, aber für mich schließen sich so viele Türen…. Und an jeder Ecke schlagen mir die Vorurteile ins Gesicht. Das macht mich krank!“ Erschrocken, über so viel unverblümte Ehrlichkeit, bildete sich ein Kloß in Momokos Hals. „Ich versuche mein Bestes zu geben, damit sie glücklich ist und wir es vielleicht irgendwann zusammen sein können, aber ich möchte fast täglich mindestens ein Mal einfach alles hinwerfen und mich nicht mehr verstellen müssen. Manchmal fehlt mir dann die Kraft nach vorne zu blicken und ich rede mir ein, dass ich das nicht schaffe; dass ich versagen werde.“ Yosuke atmete tief ein und aus, um sich zu sammeln. Die Falten auf seiner Stirn lockerten sich. Bedrückt schaute Momoko auf ihren rechten Ringfinger. Sie wusste nur allzu gut, wovon er sprach. „Doch dann denke ich an dich, verbringe Zeit mit dir und das gibt mir dann neuen Auftrieb.“ Ein Ruck ging durch seine Sitznachbarin. Sein Herz hämmerte wie wild. Wie würde sie reagieren? Erstarrt vor Schreck saß sie da und hielt den Blick gebannt auf ihre Hände gerichtet. Ihre Wangen glühten geradezu. Ob er sich falsch ausgedrückt hatte? „Pfirsichtörtchen?“ Endlich schaute sie zu ihm auf; die blauen Augen groß und verletzlich wie die eines Rehs. „Es ist nichts. Ich war nur… überrascht.“, erklärte sie schüchtern lächelnd. Yosuke ahnte nicht, wie tief seine direkten Worte in ihr Innerstes eingedrungen waren. „Ich dachte, du empfindest genauso, deswegen…“ „Das tue ich!“, fiel sie ihm hastig ins Wort. Perplex erwiderte er ihren Blick. „Das tue ich… und das weißt du. Darüber haben wir schon mal gesprochen.“, begann sie noch mal ruhiger. Ihre Worte hallten als ein warmes Gefühl in seiner Brust wider. Er konnte gar nicht anders, als sie dafür anzustrahlen. „Und um dieses Gefühl geht es in dem Lied. Schau dir den Text an.“ Momoko tat wie ihr geheißen und faltete, mit noch immer geröteten Wangen, das Blatt Papier in ihren Händen auseinander. Der Dunkelhaarige wusste, dass Englisch nicht ihr bestes Schulfach gewesen war, doch so konzentriert, wie ihre Augen über die Worte flogen, schienen ihre Kenntnisse für diese simplen Zeilen auszureichen. Nach ein paar Minuten schaute sie wieder auf. Ihre Augen leuchteten dabei berührt. „Du hast Recht. Es ist sehr schön…“ „Noch viel schöner ist es, wenn man es vollständig gesungen hört. Wollen wir?“ Sie wirkte unsicher und zögerlich, doch als er seine Gitarre anstimmte und die ersten Noten die Luft erfüllten, setzte sie mit leiser Stimme ein. When I am down and, oh my soul, so weary When troubles come and my heart burdened be Then, I am still and wait here in the silence Until you come and sit awhile with me. You raise me up, so I can stand on mountains You raise me up, to walk on stormy seas I am strong, when I am on your shoulders You raise me up: To more than I can be. In seinem Magen kribbelte es wie verrückt, als ihre zarte hohe Stimme nach dieser ersten Strophe verstummte. „Ich sagte doch, du kannst es!“, ermutigte er sie begeistert. „Leg in der nächsten Strophe ruhig mehr Gefühl rein, hier hört dich schließlich niemand außer mir.“ „Ich kenne den Song kaum; ich treffe die Töne bestimmt nicht oder verhaspel mich mit den Wörtern!“, befürchtete sie. „Ich spiele extra langsam. Es ist nicht schlimm, wenn es beim ersten Mal nicht alles stimmt.“ Ohne Umschweife glitt sein Plektrum wieder über die Saiten. There is no life - no life without its hunger Each restless heart beats so imperfectly But when you come and I am filled with wonder Sometimes, I think I glimpse eternity. You raise me up, so I can stand on mountains You raise me up, to walk on stormy seas I am strong, when I am on your shoulders You raise me up: To more than I can be. Yosuke startete ein kleines Solo und schaute sie dabei sehr zufrieden an. „Und jetzt noch mal, lauter! Sei mutig.“ Momoko schluckte angespannt und holte dann tief Luft. You raise me up, so I can stand on mountains! You raise me up, to walk on stormy seas! I am strong, when I am on your shoulders! You raise me up: To more than I can be! „Noch mal!”, rief er ihr erneut zu und setzte selbst unterstützend mit ein. You raise me up, so I can stand on mountains! You raise me up, to walk on stormy seas! I am strong, when I am on your shoulders! You raise me up: To more than I can be! You raise me up: To more than… I can be… Die Melodie verstummte, sie sahen einander an. Und dann begannen sie prustend zu lachen. Die Anspannung fiel ganz einfach von ihnen ab. „Na, das war doch gar nicht so schlecht!“, lachte Yosuke durch einen Tränenschleier blinzelnd. „Hi hi, na ja… ich weiß ja nicht! Jedenfalls ist es ausbaufähig“, erwiderte Momoko nach Luft schnappend. Natürlich war ihr spontaner Gesang weder auf den Punkt genau, noch technisch einwandfrei gewesen, aber es war ein Anfang. „Wenn du möchtest, dann versuchen wir es noch mal eine Tonlage höher, sodass es besser zu deiner Stimme passt und vielleicht auch etwas ruhiger.“ Hoffnungsvoll sah er zu ihr rüber. Er erntete ein einverstandenes Lächeln; das Eis war gebrochen. Momoko zählte die Durchgänge nicht, die sie machten, aber von Mal zu mal wurde sie sicherer. Bald schon brauchte sie den Zettel in ihren Händen nicht mehr, sondern konnte beim Singen in die Ferne schauen und die Aussicht auf sich wirken lassen. Es war wirklich ein wunderschönes und zeitloses Lied. Ihr Herz schwoll an, wenn sie daran dachte, dass Yosuke neben ihr diese Person war, die ihr wie im Lied beschrieben, diese Kräfte verlieh, wenn ihr Herz und ihre Seele ins Wanken gerieten. Beinahe tat dieses Gefühl im Herzen weh… Ob er dasselbe fühlte? Aus dem Augenwinkel heraus sah sie zu, wie er in sein Gitarrenspiel versunken war. Er war so viel für sie geworden: ein Freund; ein Leidensgenosse; ein Liebhaber… aber das alles schien nicht auszureichen, um zu beschreiben, was er für sie war. Er machte sie glücklich, das war das Einzige, dessen sie sich gewiss war. Und da war sie wieder, die Angst, die sich kalt und kriechend in ihr Unterbewusstsein schlich. Niemals würde sie auf ihn verzichten können. Jeder Tag, jede Stunde und Minute, die sie miteinander verbrachten, auch ohne intim miteinander zu werden, machte ihr den Gedanken daran immer unerträglicher. Tränen stiegen in ihren Augen auf und ihre Stimme versagte. „Hey, was ist los?“ Hart holte sie seine besorgte Stimme in die Wirklichkeit zurück. Hektisch wischte sie sich die verräterischen Tränen aus den Augenwinkeln. „Gar nichts! Es ist nur das Lied, es ist irgendwie so traurig.“, versuchte sie sich herauszureden. Yosuke tat, was er immer tat; er reagierte perfekt. Sofort hatte er sein Instrument aus der Hand gelegt und rückte zu ihr rüber, sodass er sie mit einem Arm tröstend umarmen konnte. Woher sollte er wissen, dass seine Nähe den Schmerz in ihrer Brust nur noch anwachsen ließ? Obwohl sie es nicht wollte und sogar versuchte sie wegzulachen, liefen die Tränen nun unaufhaltsam über ihre Wangen. „Du weinst doch nicht deswegen?“, fragte er misstrauisch mit milder Stimme und streichelte ihren rechten Oberarm, während er ihre Linke Hand mit seiner drückte. „Ich weine doch gar nicht!“, protestierte sie halbherzig und schniefte dabei laut. „Doch, tust du.“, rüffelte der Torwart sie mit einem hilflosen Lächeln auf den Lippen. Momoko legte ihren Kopf auf seine Schulter. Wie er sie festhielt war so schön… sie fühlte sich so geborgen in seiner Umarmung. »Wenn es doch nur immer so sein könnte….« Ein nur allzu bekanntes Grollen ruinierte den Augenblick. Aufgeschreckt sahen sie einander an und lauschten dem klagenden Laut, der erst aus ihrem und dann einstimmend auch aus Yosukes Magen drang. „Hunger?“, hinterfragte er rhetorisch und grinste dabei schief. „Oh ja.“ Ihre Tränen versiegten angesichts der aberwitzigen Situation schnell. Sie schob ihre wehmütigen Gedanken und die plötzlichen Ängste für den Augenblick beiseite, damit sie nicht die kurze, schöne Zeit, die sie beide gerade miteinander verlebt hatten, überschatteten. Die junge Frau griff zu einer ihrer Taschen und packte das mitgebrachte Essen, sowie eine Thermoskanne mit Tee aus. Ausgehungert machten sie sich über ihr längst überfälliges Frühstück her und verloren kein Wort mehr darüber, was Momoko eben noch so aufgewühlt hatte. Während sie aßen, sich unterhielten und dabei der erwachenden Flora und Fauna um sich herum lauschten, dachte sie insgeheim über ihn und sich nach. Ihr Freundschaft-Plus-Verhältnis zueinander war verzwickter, als sie erwartet hätte. Allein die letzte Woche hatte mächtig an den Nerven der Beiden gezerrt. Das Lügengespinst um sie herum würde stetig wachsen und immer schwerer aufrecht zu erhalten sein. Es musste doch noch einen anderen Weg geben, um in Yosukes Nähe sein zu können, ohne Angst zu haben, dass sie erwischt wurden… Und den gab es auch, aber ob er begehbar war? Was, außer jeder Menge Überredungskunst, Fingerspitzengefühl und Verhandlungsgeschick, musste sie dafür aufbringen? Yosuke machte im selben Augenblick einen kleinen Scherz und lachte jungenhaft. Ihr Herz, flüchtig abgelenkt von ihren Sorgen, flatterte vergnügt auf. »Egal. Ich muss es tun!«, beschloss sie daraufhin selbstbewusst und legte dieses unangenehme Thema, für den Rest dieses Treffens, zu den Akten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)