~ Love at third sight ~ von Nea-chan (Mit dem Herz gegen alle Regeln) ================================================================================ Kapitel 39: Plaintext and decisions ----------------------------------- Yosuke fiel ein riesen Stein vom Herzen, als Momokos Textnachricht ihn zur späten Stunde erreichte. Fast hatte er daran gezweifelt, dass sie sich noch bei ihm melden würde. Er hatte befürchtet, dass sie Skrupel bekommen könnte und deswegen wieder alles abblocken und ungeschehen machen wollte. Doch sie bat ihn zu kommen, genauso wie abgesprochen. Es war nicht leicht gewesen, sich glaubwürdig davon zu stehlen, ohne dass es Hiromi verdächtig vorkam, doch nachdem sie beide nach dem Essen noch ein relativ friedliches und produktives Alltagsgespräch geführt hatten, befand sie sich in zuversichtlicher Hochstimmung. Eine lange Joggingrunde, um für seinen Sport fit zu bleiben, war seine Erklärung für den späten Ausflug. Sie glaubte ihm das ausnahmsweise ohne nachzubohren und so hoffte er, dass sie auch müde genug war, um dieses Mal nicht auf seine Rückkehr zu warten. Der Torwart joggte nun also in langen, lockeren Trainigsklamotten den weiten Weg durch die Straßen bis zu Momokos Haus. Außer Atem und schwitzend erreichte er ihre Straße, in der bereits die alten Laternen ihr gelbes Licht auf den Bürgersteig warfen. Yosuke zog seine graue Sweatjacke aus und band sie sich um die Hüfte, so erhitzt konnte er doch nicht bei der jungen Hobbyfotografin aufschlagen. Mit in die Hüfte gestemmten Händen, streckte er sich durch und sah zum Himmel hinauf, der erstaunlich klar war und an dem sich die ersten Sterne abzeichneten. Er zog die frische, gereinigte Nachtluft tief in seine Lungen und akklimatisierte sich langsam aber sicher. Nur sein Herz schlug nach wie vor schneller als sonst. Der Sportler fasste mit der rechten Hand dorthin, wo es verräterisch gegen seine Brust schlug; er war nervös. Was würde sie sagen? Was würde er sagen? Wohin würde das klärende Gespräch führen? Was sollten sie tun, oder was lieber nicht? Was wollten sie beide? Gab es überhaupt ein “Wir“ für sie? Die kreisenden Gedanken in seinem Kopf kamen zum Stillstand, als er sich vor Momokos Haustür wiederfand und klingelte; es brannte bereits Licht im Wohnzimmer. Sein Puls beschleunigte sich aufgeregt, je länger er wartete, dabei waren es nur Sekunden, bis die junge Hausherrin schließlich öffnete. „Hi.“, begrüßte sie ihn zurückhaltend und ein schüchternes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Die Anspannung fiel von ihm ab, jetzt, wo sie vor ihm stand. „Hi.“, erwiderte er auf ähnliche Weise. Schnell zog Yosuke die Hände aus den Taschen seiner Jogginghose und entknotete seine Jacke. „Interessanter Aufzug.“, bemerkte die Rosahaarige. Ihre Augen funkelten amüsiert. Es war unmöglich daraufhin nicht ebenfalls zu grinsen. „Tja… ich habe mein Trainingspensum für heute noch nicht erfüllt, also dachte ich, ich könnte das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.“, scherzte er. Momoko schloss die Tür hinter ihm und drehte sich zum Wohnzimmer um. „Ach so? Und ich habe schon gedacht, dass das deine Tarnung war, um von Hiromi wegzukommen.“, gab sie zurück. Ihr ironischer Unterton war nicht zu überhören, aber spätestens ihr spitzbübiges Grinsen verriet ihr Spielchen. Das war ihre Art ihre Nervosität zu überspielen. „Tut mir leid, wenn ich dich enttäuscht habe.“, spielte Yosuke mit und streifte sich kopfschüttelnd seine Turnschuhe ab. Seine Gastgeberin zog aus dem Schuhschrank der Garderobe ein Paar braune Pantoffeln und stellte sie vor ihm ab. „Hier, probier die mal an. Dann musst du nicht auf Socken laufen.“ Er schlüpfte in die leichten Latschen und fand genug Platz für seine Füße darin. Vielleicht sogar etwas zu viel. „Danke, die sollten gehen. Gehören sie deinem Vater?“ „Ja, aber im Moment braucht er sie ja nicht. Er hätte bestimmt nichts dagegen, dass ich sie dir leihe.“ Der Dunkelhaarige schaute Momoko prüfend in die blauen Augen, doch wenn dort irgendwo noch die Verletzlichkeit des vergangenen Nachmittags war, hielt sie diese geschickt verborgen. Je länger er sie ansah, desto verlegener wurde die junge Frau, bis sie schließlich ihren Blick senkte und sich fahrig eine Haarsträhne hinter ihr Ohr schob. „Ähem… kann ich dir etwas zu Trinken anbieten?“, wechselte sie lautstark räuspernd das Thema. „Oh. Ja, klar.“ Sie kicherte leise. Etwas flatterte dabei aufgeregt in seiner Körpermitte. „Okay…und was?“, hakte sie amüsiert nach. „Das ist mir eigentlich egal. Was du grad da hast.“ „Sehr präzise. Dann muss ich doch mal schauen, was ich unter egal in meiner Küche finde.“, späßelte sie weiter und drehte sich schwungvoll auf dem Hacken um. Ihr sportlicher Gast nutze den Moment, um ihre Aufmachung sehr genau in Augenschein zu nehmen. Ihr langes Haar fiel in schweren, ungezähmten Wellen über ihren Rücken und sie trug ein kurzes, dunkelbraunes Strickkleid zu einem dünnen, weißen Langarmshirt mit Rollkragen. Es war nicht gerade das züchtigste Outfit, wie ihm sein urteilender Blick auf ihre langen, nackten Beine verriet. Auch das Kleid lag sehr eng auf ihrer Silhouette. Er schloss schnell die Augen und schüttelte sich, um seine unzüchtigen Gedanken abzuwehren und einen klaren Kopf zu bewahren. „Sag mal, hast du abgenommen?“, fragte er sie trotzdem, als sie hinter die Theke ihrer offenen Küche verschwand. Überrascht sah sie zu ihm hinüber und wurde rot. „Wie?“, fragte sie verdattert zurück. »Was für eine saudämliche Frage…«, schimpfte Yosuke sich selbst. „Entschuldige… du kommst mir nur schmaler um die Körpermitte und an den Beinen vor, als noch vor drei Wochen.“, erklärte er sich etwas peinlich berührt. Sie schaute ihn aus großen Augen an, sagte aber nichts. In diesem Blick lag viel mehr, als Worte jetzt erklärt hätten. Die Röte ihrer Wangen verriet, dass sie lieber nicht nachfragen wollte, wie ihm das aufgefallen war. Ihr Schweigen machte außerdem deutlich, dass sie sich zu den Gründen ihrer Abnahme nicht äußern würde. Er räusperte sich, hängte endlich seine Jacke auf und gesellte sich dann zu ihr in die Küche. Die Atmosphäre, wie sie geschäftig ihrer Tätigkeit auf der Arbeitsfläche nachging und er sie dabei beobachtete, rief Erinnerungen in ihm wach. Sinnierend starrte er wieder ihre Kehrseite an. „Du machst mich nervös.“, durchbrach Momoko die Stille und holte ihn damit aus seinen Tagträumen zurück. Sie schaute über ihre Schulter zu ihm nach hinten, während sie in zwei Tassen abwechselnd herumrührte. „Ich? Dich nervös?“, hinterfragte er verblüfft. Sie wand ihr Gesicht wieder um, aber nickte sichtbar. Yosuke biss sich auf die Unterlippe und stellte sich vor, wie ihr Gesicht gerade die Farbe einer reifen Tomante annahm, während sie ungewöhnlich lang mit den Tassen hantierte. Sein Herzschlag beschleunigte sich erneut; mutig trat er leise an sie heran und strich ihr das Haar vom Nacken über die Schulter. Erschrocken zuckte die Blauäugige vor ihm zurück und starrte ihn verwirrt an. „Was machst du da?!“ Er lächelte sie trotz ihres harschen Tons warm an. „Das ist wie ein Déjà-vu, stimmt’s?“ Konsterniert erwiderte sie seinen Blick, bis ihr klar wurde, worauf er anspielte. Jetzt wusste sie auch, wieso sie selbst so nervös war. Die Situation erinnerte sie an den Tag nach dem Klassentreffen. „Damit verbinde ich aber nicht nur gute Erinnerungen.“, bemerkte sie nach einer kurzen Denkpause und erlangte räuspernd ihre Fassung zurück. Noch ehe sie sich wieder zur Arbeitsfläche umdrehte, nahm Yosuke ihre linke Hand in seine. Er betrachtete ihre helle Haut, schaute ihr dann in die blauen, verwirrten Augen, strich mit seinem Daumen über ihre Fingerknöchel und vertiefte seinen Blick. Eine Gänsehaut ergriff Besitz von ihr; er tat es schon wieder! „Aber damals fing alles an…“, sagte er leise. Momoko entzog ihm mit Herzrasen ihre Hand und reichte ihm stattdessen rüde seine Tasse. Sein Gesichtsausdruck wirkte angesichts des schwarzbraunen, würzig riechenden Heißgetränks, etwas unglücklich. „Stimmt etwas damit nicht?“, wollte Momoko wissen. „Kaffee? Um diese Uhrzeit?“, fragte er ungläubig. Die Rosahaarige zuckte mit den Schultern. „Wir beide brauchen jetzt einen klaren Kopf, da hielt ich Koffein für eine gute Idee. Außerdem hattest du die Wahl und hast sie mir überlassen.“ Sie grinste ihn frech an und nippte an ihrer Tasse. Unzufriedenes Grummeln röhrte in diesem Moment aus Yosukes Magengegend. Er lächelte entschuldigend, als sie ihn deswegen erstaunt musterte. „Hiromi hat versucht mich mit ihrem selbstgemachten Abendessen zu vergiften, deswegen reagiert mein Magen jetzt etwas gereizt, bei dem Gedanken an Kaffee.“ Die junge Frau lachte leise auf, eine gewisse Schadenfreude konnte sie sich einfach nicht verkneifen. „Du Ärmster!“, zog sie ihn kichernd auf. Pikiert rümpfte der Dunkelhaarige die Nase. „Tut mir leid, aber das kann ich mir nur zu gut lebhaft vorstellen! Warum hast du denn nichts gesagt?“, lenkte sie sofort wieder ein. „Na ja… was hätte das geändert?“ „Gar nichts, stimmt. Aber versuch es doch mal mit dem Kaffee, der soll ja anregend auf die Verdauung wirken.“ Es war schon fast unheimlich, wie locker sie miteinander umgingen, obwohl immer noch eine gewisse, knisternde und gleichzeitig beklemmende Stimmung zwischen ihnen herrschte. Diese Leichtigkeit war es wert erhalten zu werden. „Wir müssen reden.“, setzte Yosuke ernst an. Momokos Miene wurde sofort strenger. „Dann lass uns hoch in mein Zimmer gehen. Es ist mir lieber, wenn dabei niemand Neugieriges durch die Wohnzimmerfenster schaut.“ Das war einleuchtend. Sie wollte nicht riskieren, dass Takuro oder ihre Freundinnen, aus welchem Grund auch immer, plötzlich vor ihrer Tür standen und sahen, dass sie beide auf der Couch ein angeregtes Schwätzchen miteinander hielten. „Okay. Ladies first.“, antwortete er einverstanden und ließ ihr den Vortritt nach oben. Sie rollte mit den Augen, aber schmunzelte. Yosuke konnte sich nicht erinnern schon mal in Momokos Zimmer gewesen zu sein. Sie hatte ein sehr typisches Mädchenzimmer mit hellem Teppich, weißen Möbeln und vielen, pastellfarbigen Akzenten. Es war ordentlich und organisiert, nur ihr Schreibtisch lag voll mit Fotoumschlägen, einzelnen Fotografien und ihrer Kamera. „Schau nicht so, ich brauche mein kleines Chaos.“, ermahnte sie ihn, stellte ihre Tasse ab und schob flüchtig ein paar Bilder zu einem ordentlichen Stapel zusammen. Der Torwart hob unschuldig beide Hände, sofern das mit der heißen Tasse in einer Hand eben ging. „Ich habe doch gar nichts bemängelt.“ „Das ist auch besser so!“, entgegnete sie gespielt streng. „Setz dich ruhig auf mein Bett. An Stühlen mangelt es hier.“ Er tat, wie ihm geheißen und ließ sich auf die gesteppte Tagesdecke nieder. „Sind das alles deine privaten Aufnahmen?“, fragte er neugierig. „Zum Teil, das Meiste sind Fotos von den Veranstaltungen, wo ich an den Wochenenden manchmal nebenbei fotografiere. Die Haushaltskasse… du weißt schon.“, erzählte Momoko ruhig und beendete schließlich ihre halbherzige Aufräumaktion. „Stimmt. Einer deiner Nebenjobs… Hast du eigentlich auch noch Fotos von früher? Aus der Mittelschule?“ Sie hielt kurz inne, um zu überlegen. Nach wenigen Augenblicken sah sie ihn mit schief gelegtem Kopf von der Seite an. „Schon möglich.“ Ihre Lippen verzogen sich zu einem verheißungsvollen Lächeln. Yosuke konnte gar nicht anders als es zu erwidern, doch dann änderte sich ihr Gesichtsausdruck. Ihre Miene wurde ernster und bedrückt. „Wir sollten uns jetzt aber nicht ablenken lassen.“, mahnte sie ihn bestimmt. Er senkte seinen Blick zu der Kaffeetasse in seinen Händen und nickte. „Du hast Recht, tut mir leid. Ich weiß, dass dieses Gespräch unausweichlich ist, aber ich fürchte mich ehrlich gesagt ein wenig davor.“, gestand der Dunkelhaarige. Als er wieder aufsah, bemerkte er einen erleichterten Ausdruck in Momokos Gesicht. Lässig zog sie mit einer Hand ihren Schreibtischstuhl herum und setzte sich auf ihn, sodass sie nur eine Armlänge von ihm entfernt saß. „Dann geht das also nicht nur mir so.“, gab sie verlegen lächelnd zu. Von einer unsichtbaren Last befreit, atmete er laut aus. „Okay, dann bin ich ja beruhigt. Also… wo fangen wir am besten an…“ Grübelnd nahm er einen großen Schluck von seinem Kaffee und stellte die Tasse dann entschlossen auf dem Nachttisch neben einer kleinen Lampe ab. Er leckte sich angespannt zurückgebliebene Tropfen von den Lippen und blickte dann in die blauen Augen seiner Gesprächspartnerin. Sie flackerten aufgeregt. Die ganze Körpersprache der jungen Frau verriet ihre Nervosität. Ihre Knie waren dicht zusammengepresst, ihre Hände ruhten Flach in ihrem Schoß und ihr Rücken war unnatürlich gerade aufgerichtet. Yosuke unterdrückte seine eigene Unsicherheit, beugte sich zu ihr vor, zog sie an ihren Händen mitsamt Stuhl trotz Protestlauts näher zu sich heran, sodass sie nun Knie an Knie voreinander saßen. Mit Absicht ließ er seine Hände auf ihren Beinen ruhen. Ihr entrüsteter Gesichtsausdruck und ihre Schamesröte amüsierten ihn kurz, bevor er sich wieder zusammen riss. „Als erstes muss ich wohl zugeben, dass es mir nicht leid tut, was heute Nachmittag zwischen uns passiert ist.“ Er drückte vorsichtig ihre Knie und sie errötete noch intensiver dabei, aber schwieg abwartend. „Deine Nähe macht etwas mit mir, dass ich nicht erklären kann. Es ist kein Tag vergangen, an dem ich mich nicht nach dir gesehnt habe… und ich meine nicht nur das Körperliche. Da ist mehr zwischen uns. Etwas, auf das ich nicht mehr verzichten möchte.“ Ihre Augen warfen ihm durch den Vorhang ihrer dichten Wimpern einen schüchternen Blick zu. Ob ihr Herz genauso raste wie seines? „Bitte versteh mich nicht falsch, es ist so, wie ich dir bereits gesagt habe. Dein Lachen hat mir gefehlt, unser unbeschwerter Umgang miteinander, das Rumblödeln und unsere Gespräche… einfach alles. Ich habe dich als Freundin und Leidensgenossin vermisst. Wenn du bei mir bist erscheint mir alles, um mich herum, viel leichter. Mit dir kann ich Spaß haben und ausgelassen sein; ich muss mich nicht verstellen.“, beendete er seine erste Ausführung. Sie legte ihre Hände beruhigend auf seine. „Ich habe mich auch schrecklich einsam gefühlt ohne dich… Mit dir zu reden ist anders als mit Yuri oder Hinagiku. Du bringst mich ehrlich zum Lachen und anders als bei ihnen, brauche ich vor dir keine Geheimnisse haben. Ich habe das Gefühl dir alles erzählen zu können; in jeder Hinsicht. Mir geht es also genauso, wie dir.“ Momoko bedachte ihn mit einem warmen Ausdruck in ihrem Blick, aber diesmal empfand er dabei nur Bestürzung. Sie stutzte bei seiner Reaktion; ihre Augen flackerten unsicher auf. „Als du damals nach deinem Date mit Takuro so aufgewühlt zu mir gekommen bist, hast du ein paar verwirrende Dinge gesagt und ich hatte Angst, dass du dich in mich verliebt haben könntest.“, setzte er wieder an. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, er wollte sie nicht verletzen oder taktlos sein, aber er war ihr seine ungeschönte Ehrlichkeit schuldig. Er zwang sich sie anzusehen und abzuwarten, wie sie seine Konfrontation damit auffasste. Beinahe ungerührt davon, hörte sie ihm ruhig zu und schaute dann nachdenklich auf ihre Hände, die auf seinen auflagen. „Anfangs dachte ich, ich würde mich nur körperlich zu dir hingezogen fühlen. Einfach, weil mein Leben langweilig geworden war. Du bist plötzlich darin aufgetaucht; vom hässlichen Entlein zu einem schönen Schwan herangewachsen und warst plötzlich ausgerechnet die Freundin von Takuro Amano. Das hat mich gereizt und provoziert, mich neugierig gemacht und unangebrachte Jagdinstinkte in mir geweckt…“ Momoko runzelte grimmig ihre Stirn, weswegen Yosuke ohne Atempause weiterredete. „…aber dann habe ich dich schnell näher kennengelernt und zugelassen, dass du mein Herz berührst. Du wurdest mir wichtig, obwohl ich es zuerst nicht wahrhaben wollte. Doch als du dann nach unserer Nacht und diesem Date zu mir kamst… ich hätte an diesem Abend nicht damit umgehen können, wenn du mir gesagt hättest, dass du mehr als Freundschaft für mich empfindest.“ Sie schaute in seiner kurzen Sprechpause zu ihm auf, aber ihre Miene verriet nichts darüber, was sie gerade fühlte. Nur ihre Stirn hatte sich wieder geglättet. „Pfirsichtörtchen… du bedeutest mir viel, aber in meinem Leben ist kein Platz für die Liebe. Ich bin nicht gut in solchen Dingen, ich weiß nicht mal, ob ich Hiromi jemals wirklich geliebt habe. Trotzdem sind sie und das Baby alles, worum sich meine Welt dreht. Ich kann sie nicht im Stich lassen oder riskieren, dass mein Kind ohne Vater aufwächst. Es macht mir keinen Spaß und ich fühle mich oft wie ein Gefangener in dieser Situation, aber ich lasse nicht andere für meine Fehler büßen. Wenn das jemand verstehen kann, dann du.“ Die Rosahaarige schaute nun bedrückt, fast traurig auf ihren glänzenden Verlobungsring. Yosuke schluckte schwer an seiner Anspannung. „Das tue ich.“, antwortete sie konzentriert. „Tatsächlich habe ich damals in meiner Aufregung kurz darüber nachgedacht, ob wir beide etwas mehr füreinander empfinden würden, wenn es Hiromi und Takuro nicht geben würde... Sag, hättest du mich denn beachtet und mir dieselbe Aufmerksamkeit geschenkt, wenn wir uns einfach so auf dem Klassentreffen wiedergesehen hätten? Ohne die Beiden und ohne unsere Probleme?“ Sie musterte ihn prüfend; ihr Puls überschlug sich in ihrer Brust. Seine braungrünen Augen schauten unsicher hin und her, nervös fuhr er sich mit einer Hand durch sein Haar und vergrub anschließend sein Gesicht in ihr. „Ich weiß es nicht.“, gestand er unzufrieden. „Das macht nichts. Es spielt keine Rolle, denn ich will genau Dasselbe wie du.“, entgegnete sie beschwichtigend. Er hob erstaunt seinen Blick. „Dann hast du nicht aufgegeben daran zu glauben, dass du dich doch noch in Takuro verlieben könntest?“ Momoko schaute ihn streng an. „Alles hat sich verändert, doch ich gebe weiter mein Bestes… ich habe nur das Gefühl, dass es sich niemals ganz richtig anfühlen wird, mit ihm zusammen zu sein. Seine Nähe und Zudringlichkeit ersticken mich irgendwie… ich brauche mehr als das, aber ich will und werde an der Verlobung mit ihm trotzdem festhalten. Ich kann nicht anders… Romantik und Liebe, das ist etwas für Kinder. Für junge Mädchen, die in der Mittelschule hübschen Jungs nachlaufen und von ihrem Prinzen auf einem weißen Ross träumen. Ich verstehe nichts von der Liebe, aber ich habe gesehen, wie sie meinen Vater zerstört hat und das will ich nicht für mich. Sie würde alles nur verkomplizieren.“ Sie lächelte kurz spöttisch, schürzte dann aber ihre Lippen und blinzelte ihre feuchten Augen trocken. Da saßen sie nun also und hatten sich gestanden, dass es nichts zu gestehen gab. „Jetzt stehen wir wieder am Anfang. Du hast jemanden, ich habe jemanden und wir wollen beide nicht von unserem Kurs abweichen. Ist das dann das Ende? Müssen wir uns jetzt Lebewohl sagen?“ Momoko konnte ihre Bestürzung darüber nicht zurückhalten und umschloss fest Yosukes Hände. »Ich kann nicht!« schrie eine Stimme in ihrem Kopf. „Wenn du mich nicht fort schickst, werde ich nicht gehen.“, antwortete er ernst und verschränkte seine Finger mit ihren. Sie sah ihn aus ihren großen, verzweifelten Augen erwartungsvoll an. „Wie oft soll uns das Leben denn schließlich noch vor Augen führen, dass das nicht funktioniert? Bis wir begreifen, dass wir sowieso nicht voneinander lassen können? Es ist nie bei dem Abschied geblieben; über kurz oder lang zieht es einen von uns doch wieder zu dem anderen.“, erläuterte er, nicht ohne dabei etwas zynisch zu klingen. „Was ich sage klingt alles so geschwollen, aber ich finde keine anderen Worte dafür. So fühlt es sich zumindest für mich an.“, ergänzte er. Momoko fasste Mut und sammelte sich für ihre Erwiderung. „Wenn du nicht da bist fühlt es sich an, als würde ich eingehen. Die Freundschaft zu dir ist das einzige bisschen heimliches Glück, das noch Licht und Lebendigkeit in mein Leben bringt und mich aufrecht hält. Niemand sonst versteht so wie du, wie es mir geht.“, erzählte sie mit brüchiger Stimme. „Denkst du, mir geht es anders? Aber so gut du mir auch tust, oder ich dir, wir könnten füreinander der Untergang sein.“ „Dann willst du doch gehen?“, hinterfragte sie traurig. „Nein! Denn obwohl ich in meinem Kopf weiß, dass es falsch ist, was wir tun, hat sich in den letzten Wochen und Monaten nichts jemals so richtig angefühlt. Ich will wenigstens ein Mal nicht auf meinen Kopf hören.“ Eine Träne rollte über ihre rechte Wange, als sie in seine aufrichtigen Augen schaute und heftiges Herzklopfen bekam. „Wir sind beide einsam, obwohl wir eigentlich glücklich sein müssten. Nicht wahr? Wir sind so undankbar…“, stellte sie schwermütig fest. „Es tut mir leid, dass ich so egoistisch bin und es dir schwer mache, das Richtige zu tun, aber ich glaube nicht, dass ich mich von dir fernhalten kann.“, hauchte er schmerzlich lächelnd und wischte dabei mit seiner linken Hand die Träne von ihrer Haut. Ihr Herz flatterte aufgeregt unter der Berührung und seinen Worten. „Du machst mir nichts schwer. Das mit uns, das ist das Einzige, worüber niemand sonst Kontrolle hat. Ich will das Gefühl nicht verlieren wenigstens über eine Sache, in meinem Leben, selbst bestimmen zu können.“ Sie lächelte ihn mit Tränen in den Augen an. Dieser Anblick warf seine Gefühle durcheinander; am liebsten wollte er sie in seine Arme ziehen und ihr versprechen, dass alles gut werden würde und es nie wieder einen Grund gäbe zu weinen, doch das konnte er nicht. Sie bewegten sich auf einen unsicheren, moralisch verwerflichen, Pfad zu, der ihnen viel geben, aber auch alles nehmen konnte. „Schhhh… nicht weinen.“ „Tu ich doch gar nicht.“, log sie dreist und wischte sich die Augenwinkel trocken. Yosuke schmunzelte. „Doch, tust du wohl. Was machen wir jetzt nur…“, seufzte er müde. Die junge Frau schüttelte den Kopf und zuckte unwirsch mit den Schultern. „Ich weiß es nicht… ich fühle mich wie ein schlechter Mensch, dabei bin ich so gar nicht.“ „Vielleicht sind wir aber doch so und sollten das akzeptieren?“ Verständnislos funkelte sie ihn an, doch er erzählte unbeeindruckt davon weiter. „Wir haben uns gegenseitig dazu gebracht Seiten an uns zu entdecken, die wir noch gar nicht kannten, unsere Grenzen auszuloten und sie zu überschreiten.“ „Wie meinst du das?“, fragte sie mit argwöhnischem Tonfall nach. Wieder musste der dunkelhaarige Torwart grinsen. Er hob seine rechte Hand und legte es an ihr Kinn, um es anzuheben. „Ich hielt dich zum Beispiel immer für vorlaut, tollpatschig und schüchtern, aber ich hätte nie gedacht, dass du auch sehr erwachsen, sexy und verrucht sein kannst.“ Momoko lief rot an und schnappte aufgeregt nach Luft. „Stimmt ja gar nicht!“, dementierte sie verlegen und schob seine Hand weg. Der schlummernde Wolf in ihm spitzte die Ohren und reckte den Hals. „Nicht? Soll ich deine Erinnerungen daran auffrischen, wie du sein kannst?“, raunte er verschwörerisch. Sofort spürte er sein Gegenüber unter seinen Handflächen erzittern, als er sie provozierend ihre Schenkel hinauf gleiten ließ. Allerdings hielt sie ihn keine Sekunde später entschieden davon ab und schob sich und ihren Stuhl außerhalb seiner Reichweite. „Lass das! Lenk nicht vom Thema ab.“, ermahnte sie ihn knurrend. Amüsiert räusperte er sich und fuhr dann mit seiner Erklärung fort. „Ich wollte damit sagen, dass wir wahrscheinlich nicht die Menschen sind, die wir gerne sein würden. Wir sind nicht bedingungslos treu, wir fügen uns nicht ohne Murren in unser Schicksal und wir wollen mehr vom Leben, als uns zusteht. So sind wir eben; wir sind keine perfekt guten Menschen, aber sind wir deswegen gleich schlechte?“ Die Rosahaarige dachte über seine Worte nach. „Früher hätte ich wahrscheinlich mit ja geantwortet, aber es gibt nicht nur Schwarz und Weiß in dieser Hinsicht...“ Yosuke war froh, dass Momoko verstand, worauf er hinaus wollte. Auch wenn das als Rechtfertigung für ihr Verhalten und ihre Begierden vor den Augen Außenstehender alles andere als akzeptabel wäre. „Was wird dann jetzt nun? Sind wir wider aller Vernunft wieder einfach Freunde?“ Der Braunhaarige überlegte kurz, schüttelte dann aber langsam seinen Kopf. „Nein, ich glaube nicht, dass ich das kann.“ Erschrocken, er könnte ihre Freundschaft meinen, starrte sie ihn mit weit aufgerissenen Augen an. „Es nie wieder tun, meinte ich.“, setzte er belustigt hinzu, als er die Doppeldeutigkeit, in seinem Satz, durch ihren entsetzten Gesichtsausdruck verstand. Die Blauäugige errötete, als der Groschen bei ihr fiel. „Du denkst wirklich dauernd nur an das Eine, oder?“, grummelte sie verlegen und schaute möglichst entrüstet dabei. „Hey, ich habe mich dir nie aufgedrängt. Du warst es doch, die mich in ihr Haus gezogen- und... na ja…“, scherzte er anzüglich und zwinkerte ihr vielsagend zu. Momokos Kopf wurde purpurrot vor Scham; Yosuke konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. „Yosuke Fuma… du bist wirklich ein ungehobelter Mistkerl…“, schimpfte sie kleinlaut und schmollte weiter peinlich berührt vor sich hin. „Nein, ich bringe dich nur unglaublich gern aus der Fassung.“, erklärte er selbstgefällig. Sie schnaubte verächtlich, verschränkte ihre Arme und schlug ihr rechtes Bein über. „Ich muss gestehen, dass dir das teilweise im Minutentakt gelingt.“ „Unter anderem deswegen bin ich doch noch hier, oder?“, raunte er gefährlich. Mit glühendem Gesicht erwiderte sie verlegen seinen durchdringen Blick. „Du hast vorhin gesagt, du brauchst mehr. Mehr was?“ Sein Tonfall brachte sie ganz durcheinander; erhitzt wich die Blauäugige seinem Blick aus und versuchte sich durch das Pulsieren ihres Blutes, in den Ohren, auf eine Antwort zu konzentrieren. „Was willst du denn von mir hören? Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich dich brauche… das ich einsam bin ohne dich.“, wich sie ihm aus. Plötzlich erhob er sich, tat einen Schritt auf sie zu, griff nach ihren Händen, zog sie an ihnen wieder zu sich heran und ließ sich dann zurück aufs Bett fallen, sodass sie mit einem kräftigen Rück von ihrem Drehstuhl gerissen wurde und direkt in seine Arme stolperte. Rittlings auf seinen Beinen sitzend, verhalf er ihr grinsend zu einer aufrechten, würdevolleren Position. Noch bevor sie den Schrecken überwunden hatte, ergriff Yosuke auch schon wieder das Wort. „Ich will, dass du ehrlich zu dir selbst und auch zu mir bist! Du kannst so cool tun wie du willst, aber ich sehe dir an, dass ich dich nicht kalt lasse… War mit diesem Mehr vielleicht Leidenschaft gemeint? Das brechen der Regeln; die Lust am Leben? Frei zu sein und zu tun, wonach einem der Sinn steht?“ Unterstreichend ließ er seine Hände anregend ihre schmale Taille hinter gleiten, während ihre auf seinen Schultern auflagen. „Warum tust du das?“, fragte sie flüsternd. Ein elektrisierender Schauer packte sie, als sie seine Finger an ihrer Hüfte fühlte und seine Augen sich bedeutsam verdunkelten. „Weil ich mehr von dir möchte, als nur deine Freundschaft. Gegen alle Regeln.“ „Gegen alle Vernunft…“, ergänzte sie raunend. „Genau.“ Sein Atem streifte ihr Gesicht und alle ihre kleinen Härchen stellen sich auf. Ihr Herz verselbstständigte sich und pumpte ihr Blut tosend durch ihre Venen; sie war machtlos gegen seine Anziehung. „Was machst du nur mit mir?“, hauchte sie benommen, als sie seine Lippen fast schon auf ihren spüren konnte. „Nein, was machst du mit mir?“, konterte er, drückte im Anschluss daran, aufreizend ihre straffen Oberschenkel. „Du willst also Freundschaft plus? Eine Affäre?“, wich Momoko aus und warf ihr vorgefallenes Haar mit einer schwungvollen Kopfbewegung nach hinten. „Ich will dich so wie du bist und ich will dich ganz; ohne Liebe und Verpflichtungen. Mir ist egal, wie man das nennt.“ Yosuke sah sie lange sehnsüchtig an, so als erwartete er eine Antwort auf eine unausgesprochene Frage. »Will ich das auch?«, stellte sie sich die Frage in Gedanken selbst. Es gab keinen anderen Weg, um nicht auf Yosuke verzichten zu müssen. Anstatt etwas zu sagen, rutschte sie auf seinem Schoß näher heran und schlang ihre Arme um seinen Hals. Stirn an Stirn blickten sie sich aus glühenden Augen an, bis sie ihren Mund quälend langsam auf seinen sinken ließ, was eine Antwort überflüssig machte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)