~ Love at third sight ~ von Nea-chan (Mit dem Herz gegen alle Regeln) ================================================================================ Kapitel 28: K vs. Y - Friendly match ------------------------------------ Momoko sah was ein von Sehnsucht erfülltes Herz aus ihrem Vater gemacht hatte... Wie sehr hatte er ihre Mutter geliebt und dann war sie einfach eines Tages fortgegangen? Und sie sah es an Yosuke, der es geschafft hatte, in kürzester Zeit, ihr Vertrauen zu gewinnen und ihr so viel gegeben hatte, nur um den zarten Keim ihrer Freundschaft dann auf furchtbare Weise wieder zu zerstören, ehe mehr daraus hätte erblühen können. Lieber lebte sie glücklich und zufrieden mit jemanden zusammen, der sie zu schätzen wusste und es ehrlich mit ihr meinte, als das Risiko einzugehen, so verletzt zu werden, dass es ihr Leben ruinierte. Zum Glück hatte Takuro das Gespräch auf andere Themen wie die Schule und seine Zukunftspläne umlenken können, auf das sich Shôichirô auch interessiert einließ. Seine anfangs kühle Haltung ihrem Verlobten gegenüber verschwand nach und nach, da er sich von seiner netten, strebsamen Seite zeigte und keinen Zweifel daran ließ, dass er die perfekte Partie für seine Tochter war. Beim Abschied lagen sie sich lange in den Armen. Momoko konnte ihrem Vater ansehen, dass er unter der Trennung von ihr litt und sich wünschte für sie da zu sein, obwohl sie längst erwachsen war. Doch, auch wenn er während ihres Besuchs über ruhig und gefasst wirkte, lauerte unter dieser Oberfläche immer noch die Depression und die Lust auf Alkohol. Es würde noch Wochen dauern, bis es so weit war, dass er wieder nach Hause konnte. „Du kannst ihn alle zwei Wochen sehen. Wir kommen wieder her, versprochen.“, sagte Takuro zu ihr, als sie bereits wieder mit dem Auto auf der Heimreise waren. Ihr nachdenkliches Schweigen war ihm aufgefallen. „Danke dafür, dass du das möglich machst.“ Sie schenkte dem Dunkelhaarigen ein Lächeln, aber für mehr Zuneigung fehlte ihr der Wille. Erneut verträumt schaute sie aus dem Fenster und hing ihren Gedanken nach. ~*~ Kazuya Yanagiba hatte sich seinen Sonntag irgendwie anders vorgestellt. Es war herrliches Wetter; der Himmel war blau und die Sonne schien, für Ende April schon fast etwas zu warm, auf die Erde herab. Eigentlich wäre das ein perfekter Tag, um mit seiner Freundin etwas zu unternehmen, für die er extra hin und wieder aus Tokyo in seine alte Heimat kam. Doch Yuri hatte andere Pläne gehabt und konnte dabei sehr durchsetzungsfähig sein, wenn sie wollte. Dann war sie gar nicht mehr so süß, zurückhaltend und wohlerzogen, wie sie sich sonst immer gab. Trotzdem lächelte der blonde Fußballspieler vor sich hin, denn so war seine Freundin nun mal und anders wollte er sie nicht haben. Für ihre Freunde und Familie setzte sie sich immer mit ganzer Leidenschaft ein. So auch diesmal. Als sie ihn vor einer Woche, mitten in der Nacht, wegen einem Notfall angerufen hatte, hatte sie ihm haarklein von seinem ehemaligen Klassenkameraden und ihrer Freundin Momoko erzählt. Geduldig hatte er sich alles angehört und sie nicht ein Mal unterbrochen, obwohl er das ein oder andere Mal mehr als verblüfft von ihren Erzählungen war. In den fünf Wochen, seit dem Klassentreffen, war anscheinend eine ganze Menge passiert und es brauchte eine Weile, bis er alles, was ihm erzählt wurde, auch halbwegs verstanden hatte. „Bitte Kazuya, kannst du nicht noch mal mit Yosuke reden? Momoko ist so verschlossen und erzählt nichts Genaues, aber ich bin mir sicher, dass da etwas faul ist.“ „Yuri, meinst du nicht, dass das die Zwei schon selber klären müssen? Anscheinend haben sie doch größere Differenzen, als du dachtest. Da sollten wir uns nicht einmischen.“, hatte er versucht sie auszubremsen. „Machst du dir keine Sorgen? Yosuke war immer dein bester Freund, es sollte dir wichtig sein, was bei ihm los ist und wie es ihm geht.“, hatte sie ihm klar gemacht. Sie stellte sich das so einfach vor, immerhin wohnten sie in zwei verschiedenen Städten… aber ganz Unrecht hatte sie nicht. Nach dem Abgang von der Mittelstufe war der Kontakt zu dem Torwart nur noch spärlich gewesen. „Was schlägst du denn vor, Yuri?“ „Triff dich mal wieder mit ihm und versuch ihm etwas auf den Zahn zu fühlen. Als Mann und sein ehemaliger Kapitän, kannst du das doch viel besser als Hinagiku oder ich. Dich respektiert er.“ Ihr hochmotivierter Tonfall brachte ihn zum Grinsen. „Ok, ich wollte sowieso nächstes Wochenende kommen. Ich werde ihn fragen, ob er Lust auf ein Freundschaftsspiel hat.“, hatte er ihr versprochen. Und hier stand er nun, mit einem Fußball unter den Arm geklemmt auf einem Bolzplatz, der im Park nahe ihrer alten Schule lag. Yosuke war über seine spontane, telefonische Einladung zwar überrascht gewesen und hatte zunächst zögerlich reagiert, aber zu einem Spiel, gegen seinen alten Kapitän, am Ende dann doch nicht nein sagen können. Kazuya warf einen Blick auf seine Armbanduhr, die ihm 14 Uhr anzeigte, Yosuke musste also jeden Moment auftauchen. Der blonde Spieler strich sich die Haare aus der Stirn, obwohl er nur ein blaues, kurzärmeliges Shirt und eine kakifarbene Bermuda trug, schwitze er. „Hey, Kazuya!“ Der dunkelhaarige Torwart lief winkend über den Platz auf ihn zu, auch er hatte sportliche, kurze Sachen zu seinen Fußballschuhen an. „Pünktlich auf die Minute!“, lobte Kazuya ihn grinsend und schlug in die freundschaftlich erhobene Hand ein und zog seinen Kumpel zu einem Schulterklopfer zu sich heran. „Hast du etwas anderes erwartet? Ich bin bestens in Form.“ „Wenn sich dein Tor genauso auf dich verlassen kann, wird das ein interessantes Training mit dir.“ „Logisch! Wie geht es dir sonst so? Wie ist Tokyo? Man hört ja kaum was von dir.“, fragte Yosuke und legte seine Umhängetasche zu der seines Freundes auf den Boden. „Ich bin sehr eingespannt. Schule und viel Fußballtraining, da bleibt kaum Zeit für anderes. Von Tokyo kenne ich eigentlich nur meine Ecke, aber es ist toll. Eine aufregende Stadt, aber mein Zuhause und Yuri fehlen mir oft.“ „Natürlich, Yuri… hat das irgendwann ein Ende? Also eure Fernbeziehung?“ Kazuya lächelte zufrieden. „Sie paukt fleißig um an einer Uni in Tokyo angenommen zu werden, damit wir während der Collegezeit zusammenziehen können.“ Yosuke staunte anerkennend. Es war also wirklich etwas Ernstes zwischen ihnen beiden. „Und wie läuft es bei dir so?“, fragte der Blonde wie selbstverständlich zurück. Die Miene des Torwarts verhärtete sich augenblicklich. „Ehrlich gesagt… ist es bei mir zurzeit alles etwas kompliziert.“ „Wirklich? Läuft es in der Schule oder privat nicht gut?“ Kazuya war selber verwundert darüber, wie gut es ihm gelang den Unwissenden zu mimen. Sein Gesichtsausdruck verriet nichts darüber, dass er bereits bestens im Bilde war. „Privat, aber lass und später davon reden, jetzt will ich kicken!“, wich er aus. Mit entflammten Blick und siegessicherer Miene, grinste er seinen ehemaligen Mitschüler an und kramte seine Torwarthandschuhe aus seiner Tasche hervor. Der Blonde zuckte mit den Schultern und ließ sich von Yosukes Enthusiasmus anstecken. Vielleicht würde ein gutes, anspruchsvolles Spiel die Zunge seines Freundes von ganz allein lockern. Nachdem sie sich mit ein paar Runden um den Platz und ein paar Dehnungsübungen warm gemacht hatten, spielten sich die beiden jungen Männer gegenseitig ein paar einfache Pässe zu. Schnell wurde ihnen klar, dass sie wirklich mehr als gut in Form waren und ihr Spiel nach wie vor beherrschten. Bald schon wechselten sie deswegen von den Anfängerübungen zu erwachsenen Zweikämpfen. Kazuya war unglaublich schnell und wendig; mit konzentriertem Ausdruck bewegte er das runde Leder vor seinen Füßen her als wäre es ein Teil von ihm. Yosuke, der für gewöhnlich im Tor stand, hatte Mühe dem Stürmer angemessen die Stirn zu bieten, doch selten hatte er so viel Spaß beim Fußball gehabt wie jetzt, denn so gute Gegner hatte er nicht oft. Kein Wunder, dass man ihn in Tokyo für die Nachwuchsmannschaft angeworben hatte. Schwitzend stieben sie oft Brust an Brust durch den staubigen, roten Sand und versuchten sich gegenseitig den Ball abzunehmen. Foulen kam für keinen von ihnen in Frage, dieses Spiel unter Freunden fair für sich zu entscheiden, war eine Frage der Ehre! Sie hetzten von einer Seite zur anderen, ohne das je einer von ihnen die Chance bekam, einen gezielten Schuss auf das gegnerische Tor abzugeben. Die beiden jungen Männer waren so vertieft in ihre schweißtreibende Beinarbeit, dass sie gar nicht bemerkten, wie sich am Rande des Platzes Parkbesucher ansammelten, die ihrem Treiben interessiert folgten. Für sie war es nur ein einfaches Spiel, für Außenstehende eine regelrechte Show. Zwei durchtrainierte, gutaussehende Fußballer, die offensichtlich genau wussten was sie da taten und so professionelle Moves vollführten, dass es den Zuschauern begeisterte Laute entlockte. Schließlich gelang es Kazuya aus ihrem Zweikampf, mitsamt dem Ball, auszubrechen und schon stürmte er mit großen Schritten auf Yosukes Tor zu. Der Dunkelhaarige schlitterte durch den Sand, als er, Haken schlagend, bremste und seinen Gegner mit einem Sprint verfolgen musste. Aber es war zu spät, der blonde Stürmer holte bereits aus und schoss den Fußball mit einem so heftigen Tritt ins Tor, dass der Aufprall zwischen seinem Fuß und dem Leder wie ein Paukenschlag über den Platz schallte. Bewunderndes Raunen wurde unter den immer mehr werdenden Zuschauern laut. Yosuke warf seinen Oberkörper nach vorn und stützte sich mit den Armen auf seinen Oberschenkeln ab. Schweiß tropfte von seiner Stirn; er atmete heftig und erschöpft. „Du warst gut, Yosuke.“, hörte er Kazuya lobend sagen. Geschafft, aber zufrieden richtete er sich wieder auf und sah seinem etwas größeren Gegenüber in die hellen Augen. „Ach was, ich hab dich nicht mal im Ansatz eingeholt!“, beschwerte er sich schnaufend, grinste aber dabei. „Du bist auch nicht umsonst Torwart, deine Stärken liegen in Sprüngen und in deiner Beobachtungsgabe.“, tröstete der Blonde ihn und klopfte dabei aufmunternd auf seine Schulter. Zeitgleich wurden sie auf ihre Bobachter am Rande des Platzes aufmerksam, die anscheinend ungeduldig darauf warteten, dass es weiter ging. „Oh, Publikum.“, stellte Yosuke fest. Kazuya lächelte hinüber, was ein paar jüngere Damen erröten ließ. „Na, wie sieht’s aus? Willst du eine Revanche im Tor? Ein paar Elf Meter vielleicht?“, schlug er danach seinem dunkelhaarigen Freund vor. Yosukes Augen blitzten siegessicher auf. Das war eine Disziplin ganz nach seinem Geschmack, aber wenn es jemanden gab, der ihn darin schlagen konnte, dann war das sein ehemaliger Mannschaftskapitän. „Einverstanden.“ Er schlurfte los um den Fußball aus dem Tor zu klauben und warf ihn mit beiden Händen seinem Freund zu, der ihn ganz cool mit der Brust abfing und anschließend unter seinem rechten Fuß positionierte. Yosuke wischte sich mit dem Arm den Schweiß aus dem Gesicht und suchte zwischen den Pfosten nach dem richtigen Platz für seine Aufstellung. Kazuya war schnell und kräftig, er musste also vorher erahnen wohin der Stürmer schießen würde, sonst erreichte er den Ball niemals rechtzeitig. Sein Gegenspieler rollte das Leder zu dem richtigen Punkt vor das Tor, sodass die kleine Menschenmenge an der Seite leise vor Freude darüber jauchzte, dass wieder Spannung in das Spiel kam. Zum Glück war Publikum den beiden Spielern nicht fremd. Yosuke hatte sich kaum von den Zuschauern gelöst, als urplötzlich, wie aus dem Nichts, gefährlich surrend der Fußball auf ihn zugeschnellt kam. In letzter Sekunde packte der Torwart ihn mit beiden Händen, nur wenige Zentimeter vor seinem Gesicht. „Lass dich nicht ablenken, Fuma! Etwas mehr Konzentration!“, maßregelte ihn Kazuya streng. Unglaublich! Er spielte sich tatsächlich immer noch als Kapitän auf! Mit strengem Blick ließ der Braunhaarige den Ball fallen und trat ihn noch in der Luft zurück zu seinem Gegner. Funken sprühten aus ihren Augen, während sie sich über die elf Meter hinweg taxierten. Konzentriert veränderte Yosuke seine Haltung; stellte die Beine weiter auseinander, beugte sich weiter vor, hob die behandschuhten Hände rechts und links von sich hoch und wartete auf den nächsten Schuss. Eine Drehung von Kazuyas linkem Fuß verriet ihm in Sekundenbruchteilen, dass er mit rechts schießen würde. Während dieser also ausholte, verlagerte der Torwart bereits sein Gewicht und machte sich zum Absprung bereit. Es folgte ein dröhnender Schuss, ein Hechtsprung zwischen den Torpfosten und Jubel am Platzrand. Yosuke hatte auch diesen haarscharfen Schuss gehalten und landete gerade wieder federnd auf seinen Füßen. Triumphierend hielt er den Ball in die Höhe. „Gut gemacht. Und jetzt machen wir bitte ernst.“ Verdattert schaute Yosuke zu Kazuya hinüber. Wie hatte er das gemeint, dass sie jetzt ernst machen sollten? War das eben etwa noch nichts gewesen? Er warf den Ball zurück und flitzte auf seinen Platz. Der Blonde war wie ausgewechselt, sein Gesichtsausdruck war hart und durchdringend. Er holte Anlauf, lief wendig im Zickzack und schoss schließlich mit so einer Wucht, dass der Dunkelhaarige nur noch raten konnte, woher der Ball kam. Dieser rotierte im Netz, noch ehe Yosuke abgesprungen war, um ihn abzublocken. Schockiert starrte er mit seinen hellbraunen Augen auf den aus dem Netz kullernden Fußball. »Das war der Wahnsinn! Ich konnte unmöglich voraussehen, von wo der Schuss kommen würde! Das war Profiliga-Niveau!« Es war kein Wunder, dass man Kazuya Yanagiba wollte; er hatte das Zeug dazu später in der Nationalmannschaft zu spielen. In Yosuke kribbelte alles vor Aufregung, denn das war genau das, was er auch wollte. Er wollte genau so spielen und nicht nur zum reinen Vergnügen! Die Ernüchterung traf ihn hart, als er daran dachte, dass er es sich nicht erlauben konnte von einer Fußballkarriere zu träumen. Vor ein paar Wochen noch war ihm nicht klar gewesen, was aus ihm werden sollte, denn ihn beschäftigten andere Dinge… und nun, wo ihm bewusst wurde wie ernst es ihm mit seinem Hobby war, war diese Option gesperrt. Plötzlich frustriert, schoss er den Ball ziellos in Kazuyas Richtung und verließ sein Tor. Er zog sich im Gehen die Handschuhe aus und steuerte seine Tasche an, in die er sie verschwinden ließ. „Hey Yosuke, was ist los?“, fragte ihn sein Freund, der perplex zu ihm rüber joggte. „Nichts, ich will nur nicht mehr spielen.“, entgegnete er ohne aufzusehen und labte sich an seiner mitgebrachten Wasserflasche. Kazuya blickte schweigend auf ihn hinab. Er konnte nur erahnen, dass der Torwart nicht wegen dieser einen, kleinen Niederlage auf ein Mal so missmutig gestimmt war. Die Zuschauer in ihrer Nähe nuschelten irritiert, was ihn aufhorchen ließ. Er blickte kopfschüttelnd in ihre Richtung. „Entschuldigen Sie, aber ich glaube, heute gibt es nichts mehr zu sehen. Wir sind hier fertig.“, vertröstete der Blonde sie wie gewohnt unglaublich höflich. Die Menschentraube löste sich nach anfänglichem Zögern enttäuscht auf und jeder ging wieder seine eigenen Wege. „Was ist los?“, fragte er erneut an Yosuke gewandt, diesmal ruhiger und ernster. „Ich sagte doch schon, mir ist die Lust vergangen.“ „Nun, das sehe ich… aber das hat nichts mit meinem Treffer zu tun, oder?“ Verblüfft sah der Dunkelhaarige zu ihm auf. Statt darauf mit Worten einzugehen, hielt Kazuya ihm die ausgestreckte Hand hin. „Wenn du nicht mehr spielen willst, lass uns reden. Ok?“ Yosuke runzelte die Stirn, nickte dann aber und ergriff die aufhelfende Hand seines Freundes. Nachdem sich die Beiden an einem öffentlichen Trinkbrunnen erfrischt hatten, nahmen sie eine der freistehenden Parkbänke für sich ein, von der aus sie den Springbrunnen des Parks im Auge hatten. Es war ein angenehmes, ruhiges Plätzchen im Schatten. Perfekt zum Verschnaufen und zum Reden. „Nun erzähl mal, was beschäftigt dich denn so, dass es dir sogar die Laune beim Fußball verdirbt?“ Yosuke streckte sich und verschränkte die Hände hinter seinem Kopf. Es gab so vieles, was ihm im Moment die Laune verdarb. Wo sollte er anfangen? Vor allem ohne seinen besten Freund völlig zu schockieren? Er warf ihm einen Blick aus dem Augenwinkel zu und traf auf eine gefasste, erwartungsvolle Miene. Er musste sich jemanden anvertrauen und Kazuya war der anständigste, intelligenteste Mensch, den er kannte. Wenn er es ihm nicht sagen konnte, dann niemandem. „Es geht um Hiromi und mich.“, fing er schließlich mit einem schwermütigen Seufzen an. Der Blonde nickte stumm und wartete weiter. „Das wird jetzt etwas kompliziert… bitte hör mich bis zum Ende an, ehe du mich verurteilst.“ Insgeheim schluckte Kazuya, denn einen Teil der Geschichte war er sich sicher bereits zu kennen, doch er ließ sich nichts anmerken. „Okay.“, antwortete er ruhig, „Es ist so… wir leben eigentlich schon eine sehr lange Zeit nur nebeneinander her, statt miteinander. Wir unternehmen zwar fast alles gemeinsam, aber es hat mich schon lange nicht mehr glücklich gemacht, sie um mich zu haben. Bisher hatte ich das verdrängt, weil ich dachte, das ist der Trott des Alltags und der Schulstress…“ Yosuke machte eine Pause, in der er sich nach vorne lehnte und sich mit den Unterarmen auf seinen Schenkeln abstützte. „Aber dann habe ich jemanden kennengelernt, der mich wieder daran erinnert hat, wie viel Spaß ich früher immer hatte. Mit dir, unserer Mannschaft, unseren Freunden.“ Sein Gesprächspartner runzelte konzentriert die Stirn, schwieg aber weiterhin. „Ich sah diese Person immer öfter und fühlte mich von mal zu mal lebendiger und gleichzeitig einsamer als zuvor, denn ich erkannte, dass ich mich nach anderen Dingen sehnte und nichts mehr für Hiromi empfand.“, endete der Dunkelhaarige und sah Kazuya ernst an. „Daraufhin beschloss ich, dass ich mit ihr Schluss machen musste, doch es kam alles anders… Gerade als ich es ihr sagte, eröffnete sie mir, dass sie schwanger ist.“ Yosuke atmete tief ein und wartete gespannt auf Kazuyas Reaktion zu dieser Offenbarung. Sein grauäugiges Gegenüber blinzelte mehrmals unsicher. Er war schockiert das Gerücht von Yuri tatsächlich aus dem Munde des Torwart bestätigt zu bekommen, doch gleichzeitig war es keine wirkliche Überraschung mehr. So gut lügen konnte er dann doch nicht, dass er ihm den völlig Überrumpelten vorspielen konnte. „Dann stimmt es also?“, hinterfragte er möglichst gefasst. Der Dunkelhaarige sah ihn zunächst verwundert an, zog dann aber sogleich skeptisch seine Augenbrauen zusammen. „Du wusstest es schon?“, presste er zwischen seinen Lippen hervor. Es war eine eher rhetorische Frage. „Ehrlich gesagt, ja.“, gab Kazuya schuldbewusst zu. „Aber woher? Ach… natürlich, von Yuri. Momoko hat es also herumerzählt.“, wurde ihm bitter klar. Schmallippig verlor er sofort die Lust dieses Gespräch fortzuführen, gekränkt griff er nach seiner Tasche und wollte aufstehen, doch sein ehemaliger Kapitän hielt ihn am Arm zurück. „Jetzt bleib doch hier und lass uns weiter reden!“, forderte er ihn streng auf. „Wozu? Du, Yuri, Hinagiku und wer weiß ich nicht noch alles – ihr seid doch wahrscheinlich alle bestens im Bilde. Also wozu dieses scheinheilige Verhör?“ Kazuyas Griff um seinem Arm wurde fester und sein Blick ernster. „Ich bin nicht hier, um dich zu verhören! Und wenn ich komplett im Bilde wäre, würde ich nicht fragen!“ „Warum hast du mir dann vorgespielt, du wüsstest nicht, was mit mir los ist?“ „Weil ich wollte, dass du dich von dir aus mir anvertraust. Sollte ich dich etwa direkt beim Hallo mit den neusten Entwicklungen aus deinem Leben konfrontieren? Du hättest doch sofort dicht gemacht und wärst gegangen!“ Yosuke schnaubte und setzte sich wieder, sodass Kazuya ihn los ließ. Ungern gab er zu, dass der Größere damit wahrscheinlich Recht hatte. „Na schön… also wieso dieses Treffen und dieses Gespräch?“, fragte er mit leicht genervtem Unterton. „Um ehrlich zu sein bin ich in Yuris Auftrag hier. Sie macht sich Sorgen um Momoko und alles was sie weiß ist wohl, dass du ein Grund dafür bist.“ Das er gezwungen war wieder an sie zu denken, belastete ihn. Nur allzu oft verfolgten ihn ihre blauen Augen, die ihn tief bestürzt und verletzt angeblickt hatten, in den dunklen, einsamen Nächten auf seiner Couch. Sein schlechtes Gewissen musste ihn nicht auch noch tagsüber quälen. Beschämt schaute er auf seine Hände, die er zwischen seinen Knien immer wieder ver- und entschränkte. Wenn Yuri ihren Freund vorschickte, weil sie sich sorgte, musste es um die Blauäugige schlimm bestellt sein. „Wie geht es ihr?“, fragte er leise, sodass Kazuya ihn kaum verstand. „Ich weiß es nicht genau, aber Yuri sagte sie hätte geweint, als sie und Hinagiku kurz über dich gesprochen hatten, nachdem sie wohl nach einem entgleisten Date mit Takuro wieder zuhause aufgetaucht war.“ Dem Torwart wurde in diesem Augenblick bewusst, dass er gar nicht wusste, was aus dem Streber und Momoko geworden war, nachdem er mit ihr gebrochen hatte. Er hatte sich verboten über sie nachzudenken, auch wenn er sie trotzdem nicht vergessen konnte. „Sind sie… sind sie jetzt nicht mehr zusammen?“, hinterfragte er zögernd und versuchte dabei es eher gleichgültig klingen zu lassen. Seinem Gesprächspartner entging aber nicht, wie angespannt seine Augen hin und her huschten. „Doch. Soweit ich weiß, haben sie sich noch vor Ort versöhnt und sind seither inniger miteinander, als je zuvor. So zumindest Yuris Eindruck.“ Diese Antwort schlug tief in Yosukes Inneres ein. Takuro hatte sie also nicht verlassen. Natürlich nicht, er wäre ein Idiot, wenn er so ein Mädchen sausen lassen würde… und obwohl er hätte erleichtert sein müssen, das genau das eingetreten war, zu dem er sie an jenem Abend hatte bringen wollen, war er es nicht. Es ärgerte ihn zu hören, dass sie inniger miteinander umgingen, als vorher. „Na dann sollte es ihr doch wunderbar gehen! Also warum macht ihr euch dann Sorgen um sie?“, entgegnete er eine Spur zu herablassend. Kazuya runzelte die Stirn. „Kannst du sie wirklich so wenig ausstehen? Was hat sie dir denn getan, dass du an diesem Abend so hässlich zu ihr warst? Ich war mir sicher, dass das nicht zu dir passt, nachdem ich es von Yuri gehört hatte, aber jetzt, wo du hier neben mir sitzt und diesen Tonfall anschlägst… da bin ich mir nicht mehr so sicher.“ Yosuke erwiderte seinen Blick erschrocken. „Ich dachte, Momoko hat nichts weiter erzählt?“ „Ihr wart wohl kurzfristig befreundet und aus irgendeinem Grund war Momoko an dem Abend bei dir, wo du ihr dann das von der Schwangerschaft erzählt hast. Danach sollst du ihr auf sehr gemeine, unmissverständliche Weise klar gemacht haben, dass eure Freundschaft wieder beendet ist. Mehr hat sie im Großen und Ganzen nicht gesagt.“ Es entstand eine bedeutungsvolle Pause. „Erklärst du es mir, Yosuke?“, bat der Stürmer seinen Freund milde klingend. „Da gibt es nichts zu erklären. Es ist so, wie sie gesagt hat.“, antwortete er kühl. „Das glaube ich nicht. Sie ist doch diese Person, von der du gesprochen hast? Die du getroffen hast und durch die du dich wieder lebendig gefühlt hast?“ Yosuke schluckte und wand seinen Blick ab. Abstreiten war wohl sinnlos. „Ja…“ „Wie kann sie auf der einen Seite jemand sein, der anscheinend etwas von dir so berührt hat, dass du deine Lebensweise deswegen verändern und mit ihr befreundet sein wolltest und auf der anderen Seite gleichzeitig die, die du am allermeisten aus deinem Leben ausschließen willst?“ Der Braunhaarige biss sich fest auf die Unterlippe, denn er wusste nicht, wie er das erklären sollte. „War es nur, weil Hiromi schwanger ist und sie vor Eifersucht überschäumen würde, wenn ihr Freunde wärt?“, versuchte Kazuya seinem Freund auf die Sprünge zu helfen. Eilig nickte Yosuke dazu, obwohl sein Ausdruck nicht erleichtert schien. Sein Gegenüber musterte ihn eingehend. „Wirklich? Für mich fühlt sich das nämlich anders an.“ Der Torwart fühlte sich inzwischen tatsächlich verhört. Unter den Blicken seines Freundes wurde ihm ganz anders; nervöser Schweiß lief seinen Rücken hinunter und er fühlte sich sehr unbehaglich. „Es gibt keinen anderen Grund.“, bekräftigte er. Kazuyas helle Augen ließen sich nicht verunsichern. „Hast du dich in Momoko verliebt?“ Seine Frage kam unvermittelt. Yosuke spürte, wie das Blut aus seinem Gesicht wich und seine Züge ihm entglitten. Die Sprachlosigkeit sollte Kazuya Antwort genug sein. „Ich wusste doch, dass das andere Szenario nicht zu dir passt.“, sagte er mit einer Spur Selbstzufriedenheit. Doch Yosuke fand in diesem Moment seine Fassung wieder und schüttelte energisch den Kopf. „Nein! So ist das nicht, es ist viel komplizierter! Ich habe dir doch ganz am Anfang schon gesagt, dass es eine schwierige Geschichte ist… und du mich nicht verurteilen sollst, ehe ich sie beendet habe.“ Jetzt war Kazuya doch wieder durcheinander, dabei war er sich sicher gewesen auf der richtigen Spur zu sein. „Na gut, dann erzähl. Ich höre zu.“ Yosuke sammelte sich und holte abermals tief Luft. „Es stimmt, sie war diejenige, mit der ich mich hin und wieder traf und wir haben uns angefreundet. Es war eine kurze, aber sehr schöne Zeit mit ihr, aber sie hat ein paar echt komplizierte, private Probleme… vordergründig hatte Takuro zum Beispiel etwas dagegen, dass wir uns sehen. Aber gerade weil wir beide ein paar Probleme in unseren Beziehungen hatten, haben wir uns wohl so gut verstanden. Sie ist auch ganz anders als Hiromi; herzlicher, ehrlicher, irgendwie lustiger…“ Kazuya zweifelte daran, dass die verwirrende Geschichte seines Freundes irgendwo anders enden konnte, als darin, dass sie sich ineinander verliebt hatten. Immer mehr verengten sich seinen Augen zu prüfenden Schlitzen. „Jedenfalls entwickelte sich eine gewisse Anziehung zwischen uns, je mehr wir von unseren Partnern und Problemen gefrustet waren und über all das sprachen. Wenn ich ehrlich bin, fühlte ich mich von ihr schon seit dem Klassentreffen angezogen, aber nicht auf romantische Weise.“ »Oh Gott!«, schoss es dem Blonden durch den Kopf und er riss die Augen auf. „Willst du mir weiß machen, ihr hattet was miteinander?!“, schlussfolgerte er ernsthaft schockiert. Yosuke versuchte sein aufgeregtes Herz zu beruhigen, das sein Blut verräterisch in sein ohnehin überhitztes Gesicht pumpte. Er schluckte. „Ja, ein Mal… leider.“ Fassungslos vergrub Kazuya sein Gesicht in seinen Händen und stöhnte langgezogen. „Das glaube ich nicht… das macht mich sprachlos!“ Seine grauen Augen musterten den jüngeren Torwart eingehend, doch dessen Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel an der Echtheit seiner Worte. „Aber warum?! Sie ist verlobt, du hast eine Freundin… ich verstehe das nicht. Euch beide nicht. Ich hätte das keinem von euch beiden zugetraut!“ „Glaub mir, wir uns auch nicht. Das war ganz sicher nicht geplant.“ „Na das hoffe ich doch! Ich falle sonst vom Glauben ab… aber warum?!“, bohrte der Stürmer weiter. „Ich sagte doch schon, es ist kompliziert… da kam eins zum anderen.“ Der Blonde schnaubte resignierend. „Yosuke, ich kann es nicht verstehen, wenn du mir nicht alles erzählst. Ich habe Zeit, erkläre es mir. Es kann unmöglich so kompliziert sein, dass ich es nicht verstehe.“ Er rang sich ein ermutigendes Lächeln ab. Der Braunhaarige war schon immer etwas verschlossen, wenn er Probleme hatte. Zu Kazuyas Glück lehnte sich Yosuke zurück und setzte zu einer langen, ausführlichen Erklärung an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)