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~ Love at third sight ~

Mit dem Herz gegen alle Regeln
von

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White lies and other secrets

Ihre Schicht im Maid-Café war zu Ende; der Laden war geschlossen und sie und ihre Kolleginnen mussten nur noch aufräumen und ein wenig durchputzen, bevor sie sich alle in den Feierabend verabschieden konnten.

Momoko, die ihr Haar heute zu zwei weit oben sitzenden Zöpfen hochgebunden hatte, wischte gerade heiter summend die Tische des Lokals ab und wechselte verschmutzte Tischdeckchen aus.

„Hey Momoko-chan! Du warst ja heute so gut drauf! Ist was passiert?“

Sie drehte sich zu ihrer brünetten Kollegin um, die sich um die Blumen auf den Tischen kümmerte.

„Nein, ich habe einfach gute Laune.“

„Gute Laune? Du hast heute so gestrahlt, dass die Sonne neidisch wurde!“

Die Rosahaarige winkte lässig ab und schüttelte energisch ihren Kopf.

„Ach was, das bildest du dir ein!“, dementierte sie etwas verlegen.

„Tatsächlich? Also mir ist es auch aufgefallen.“, klinkte sich jetzt auch ihre Chefin mit in das Gespräch ein.

Prüfend verschränkte sie die Arme vor ihrer Brust und musterte Momokos Miene sehr genau.

„Läuft es zuhause besser?“, fragte sie.

Ihre junge Angestellte schlug die Augen nieder, lächelte aber.

„Ja, kann man so sagen.“, antwortete sie leise.

„Aah lass mich raten, da spielt doch noch etwas anderes eine Rolle. Oder sollte ich besser sagen jemand anderes?“

Momoko errötete und schüttelte erneut den Kopf.

„Nein! Ja… aber es ist nicht so, wie sie denken!“

Ihre Chefin merkte schnell, dass sie nicht in Gegenwart ihrer Kolleginnen weiterreden wollte. Mit einem entschiedenen Blick und Kopfrucken gab sie der brünetten Kellnerin zu verstehen, dass woanders noch genug Aufräumarbeiten auf sie warteten. Diese zog enttäuscht von dannen.

„Dieser jemand muss dir ja wirklich gut tun, wenn du so ausgelassen sein kannst, obwohl du es in der letzten Zeit nicht wirklich leicht hattest.“, begann ihre Vorgesetzt wieder, als sämtliche Lauscher außer Hörweite waren.

„Ja… ich konnte mich endlich mal so richtig aussprechen.“

„Dein Verlobter?“, hinterfragte die erwachsene Frau neugierig.

Die junge Maid sah kurz nachdenklich weg und strich sich eine Strähne hinter ihr rechtes Ohr.

„Nein… aber ein Freund.“

Die Schwarzhaarige sah erstaunt zu ihr hinunter.

„Ach so? Ich bin fest davon ausgegangen, dass dein vergnügter Singsang und deine gute Stimmung nur von einer Verliebtheit herrühren kann…“

Momoko rutschte das Herz in die Hose, aufgeregt blinzelte sie ihr Gegenüber an.

„Nicht doch! So ist das nicht! Wir sind nur Freunde!“, rechtfertigte sie sich aufgeregt.

Um Himmels Willen! Sie und Yosuke verliebt? Sie kannten sich doch kaum, mal abgesehen davon, dass jeder von ihnen in einer festen Beziehung steckte und sie sowieso viel zu unterschiedlich waren!

„Aber der junge Mann, der da draußen auf dich wartet, ist es nicht, oder?“

Die junge Frau folgte dem wegweisenden Daumen ihrer Chefin durch das Schaufenster hindurch, wo sie einen schicken, dunklen Wagen entdeckte, neben dem ein Mann in hellgrauer Anzughose und weinrotem Hemd stand.

„Takuro!“, entfuhr es ihr verblüfft.

„Dein Freund?“

„Mein Verlobter.“, berichtigte Momoko trocken.

Ihre Vorgesetzte schaute immer wieder zwischen ihr und dem draußen offensichtlich wartenden Jungen hin und her. Die Schülerin wusste schon, warum sie dabei einen so irritierten Eindruck machte, denn in ihrer Miene war nichts mehr von der Ausgelassenheit, über die sie eben noch gesprochen hatten, zu erkennen.

Nervös zog sich etwas in der Magengegend der Blauäugigen zusammen, als sie dem Blick ihres Verlobten begegnete. Er lächelte ihr zu, in der Erwartung, sie würde es erwidern. Langsam löste Momoko sich aus ihrer Schockstarre und rang sich ein überfordertes Lächeln ab.

„Wusstest du nicht, dass er dich abholt?“, flüsterte ihr ihre Chefin zu, in der Gewissheit, dass Takuro sie durch das Glas nicht hören konnte.

„Nein. Er wollte mich bestimmt überraschen.“, antwortete Momoko monoton.

„So wie du schaust ist ihm das auch gelungen… alles in Ordnung mit dir?“

„Ja, aber darf ich vielleicht gleich gehen? Ich würde ihn ungern da draußen warten lassen…“

Sie hoffte man konnte ihrem Blick entnehmen, dass ihr weitere Fragen unangenehm waren und sie ungern unter seinen bewachenden Augen weiter arbeiten wollte.

„Selbstverständlich, wir sind eh fast fertig. Geh und hol deine Sachen.“

Ihre Chefin schaute streng; Momoko war klar, dass sie ihr anmerkte, dass etwas nicht stimmte. Vielleicht musste sie ihr das beim nächsten Mal erklären…

Sie flitzte eilig nach hinten zur Umkleide, schnappte sich nur ihre Wechselsachen und ihre Handtasche und zog dann an den neugierig schauenden Maiden vorbei, die noch den letzten Rest an Arbeit erledigten. Die Tür des Cafés klingelte, als sie es verließ und in die kühle Frühlingsnacht trat.

„Takuro! So eine Überraschung!“, rief sie ihm atemlos entgegen.

„Aber Momoko, du hättest dich doch noch in Ruhe umziehen können.“, entgegnete er lachend, kam aber direkt auf sie zu und legte ihr sein Jackett um die nackten Schultern.

„Ich wollte dich aber nicht unnötig warten lassen… wie komme ich denn zu der Ehre?“

Der Schwarzhaarige grinste verschwörerisch.

„Nun, ich wollte dir mein neustes Vehikel vorstellen und es mit dir einweihen.“

Er zeigte dabei auf den dunklen Wagen, den sie bereits vorhin schon bemerkt hatte.

„Ist das etwa deiner?! Du hast doch noch gar keinen Führerschein!“, stellte Momoko erschrocken fest.

Takuro lachte und belächelte ihre Besorgnis.

„Aber ich habe einen Fahrer. Der Wagen gehört offiziell meinen Eltern, aber er und der Chauffeur werden von meinen Verwandten in Amerika gestellt. Man schrieb mir, dass man mich damit motivieren will meinen Abschluss besonders gut zu machen, dann würde dieser Luxus später ein ganz normaler Teil meines Lebens sein. Kein Wunder, wenn man einen guten Job bekommt…“

Seiner weiblichen Begleitung behagte der Gedanke von dieser Art Luxus nicht wirklich. Sie fühlte sich unwohl in einer Welt, in der Derartiges normal war. Sie selbst kämpfte im Moment schließlich um jeden Yen an Trinkgeld, damit man ihr Zuhause nicht den Strom abstellte.

„Das ist… beeindruckend.“, war alles, was sie dazu sagen konnte, ohne das er es in den falschen Hals bekam.

„Na komm, steig ein. Es ist kühl und du bist nicht passend angezogen.“

Wie ein echter Gentleman hielt Takuro ihr die Tür zur Rückbank auf. Auf ihren kurzen Rock bedacht stieg sie vorsichtig rückwärts ein und fühlte sofort, wie sich weiches Leder an ihre Haut schmiegte. Der selbstsichere Brillenträger stieg von der anderen Seite ein und setzte sich direkt neben sie. Vorne saß wie angekündigt ein Mann in einem förmlichen Anzug und mit einer noch förmlicheren Mütze. Der Motor startete, Takuro musste dem Fahrer schon mitgeteilt haben, wohin er sie bringen sollte.

„Danke, dass du mich abholst und nach Hause bringst.“, bedankte Momoko sich höflich und spielte dabei nervös am Stoff ihrer Schürze herum.

„Keine Ursache, du bist doch schließlich meine Verlobte. Vielleicht komme ich dich jetzt regelmäßig abholen. Mir ist sowieso nicht ganz wohl dabei, dass du so spät abends allein diesen weiten Weg gehen musst.“

Er rutschte näher zu ihr heran und legte seinen rechten Arm lässig um sie herum.

„Das musst du nicht! Es macht mir nichts aus!“, versicherte sie ihm aufgebracht und zugleich verlegen.

Takuro grinste selbstgefällig, er genoss die Tatsache es aber jeder Zeit tun zu können, wenn ihm der Sinn danach stand.

„Weißt du, Momoko… ich wollte dich zwar eigentlich erst Sonntag ausführen, aber es ist ja grad Hanami und die Bäume blühen ja nicht besonders lang… da habe ich mir gedacht, dass wir beide doch auch schon morgen nach dem Unterricht zusammen auf eines der Feste gehen könnten. Abends gibt es bei den Hängen immer ein romantisches Feuerwerk.“

Sie wurde schlagartig aschfahl; das konnte doch nicht wahr sein!

„Mo- morgen?“, fragte sie mit schriller Stimme.

Ihren Verlobten brachte ihre geschockte Reaktion ins Stutzen.

„Was ist? Hältst du das für keine gute Idee? Stimmt irgendwas nicht?“

Momoko sah kurz aus dem dunkel getönten Fenster. Ihre Augen huschten aufgeregt hin und her ohne wirklich etwas zu fixieren. Ihr Mund fühlte sich rau und trocken an, sie konnte Takuro doch unmöglich erzählen, dass sie sich schon mit Yosuke für das Kirschblütenfest verabredet hatte!

Er drückte ihre Schulter um ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken.

„Was ist los?“

Sein Ton war ernst und sein Gesichtsausdruck finster.

„Ich… ich bin nur so überrascht! Morgen schon… Hanami… weißt du, eigentlich passt mir das nicht wirklich…“

Angespannt zerknitterte sie den Rüschensaum ihrer Schürze, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und das auf sehr unangenehme Art und Weise. Die linke Hand ihres Sitznachbarn legte sich auf ihre. Momoko schluckte und hoffte, dass er das fürchterliche Zittern ihrer Finger nicht spüren würde.

„Warum nicht? Du musst doch morgen nicht arbeiten.“

„Aber… ich habe so wenig Zeit für die Schule, ich muss zwischendurch auch mal lernen. Du weißt doch, ich bin nicht so ein Genie wie du.“, versuchte sie zu scherzen, doch es klang sehr unsicher.

„Auf den einen Nachmittag kommt es doch aber nicht an. Nach all dem was hinter dir liegt hast du auch mal etwas Entspannung verdient.“, versuchte Takuro mit liebevoller Stimme auf sie einzureden.

Die junge Frau kniff die Augen zusammen und biss sich auf die Unterlippe.

„Ich möchte aber nicht!“, sagte sie sehr entschieden.

Ihr Verlobter wich vor ihrer barschen Antwort erschrocken zurück.

„Aber Momoko… so kenne ich dich ja gar nicht…“

„Dräng mich nicht! Bitte… ich habe mich auf Sonntag eingestellt und freue mich auf dieses Date mit dir… deine spontane Einladung ehrt mich, aber ich möchte morgen für mich sein…“

Ihr Herz, das sich anfühlte als würde es ihr gleich aus der Brust springen, schlug verräterisch laut und heftig während sie sprach. Inständig hoffte sie, dass Takuro ihre Notlüge glauben und ihre Ausrede respektieren würde. Um nichts in der Welt wollte sie das Treffen mit Yosuke absagen, es war ihr Licht im Dunkel, wenn sie an den kommenden Sonntag dachte.

Es war verdächtig still im Auto geworden, stoisch blickte Momoko aus dem Fenster und wartete voller Angst die Antwort ihres Verlobten ab.

„Geht es dir zu schnell? Oder liegt es an der Sache mit deinem Vater? Ich versichere dir, dass es ihm gut geht und ich nur etwas Spaß morgen mit dir haben wollen würde…“

„Ta-kun…“, unterbrach sie ihn mit flehender Stimme und schaute mit scheuem Blick zu ihm auf.

Jetzt konnte sie nur noch ihr Charme retten! Sie mochte unerfahren und etwas naiv sein, aber wie man einen Mann um den Finger wickelte wusste sie ganz genau, schließlich war sie bei ihrem Vater aufgewachsen.

Gott sei Dank reagierte der blasse Japaner wie gewünscht; er errötete und blinzelte sie nervös an. Er mochte sich als noch so cool darstellen, er war letztendlich genau wie sie vorher noch nie in einer Beziehung gewesen. Wenn er wirklich in sie verliebt war, dann musste ihn das einfach aus der Fassung bringen!

„Entschuldige, ich wollte dich nicht drängen. Wenn du morgen lieber zuhause bleiben möchtest, dann ist das selbstverständlich in Ordnung… Ich dachte ja nur…“

Ein gewaltiger Felsen fiel von Momokos Herz ab. Sie zwang sich zu einem glücklichen Lächeln und hauchte ihrem Gegenüber einen flüchtigen Kuss auf die Wange auf. Das musste ihm als Dankbarkeitsbeweis genügen.

„Das war auch sehr lieb von dir, aber bis Sonntag ist es ja auch nicht mehr lang. Ich bin schon gespannt, was du für uns geplant hast.“, log sie ohne rot zu werden, sie war einfach viel zu erleichtert.

Takuro, der nach ihrem Wangenkuss noch eine Rotnuance intensiver leuchtete, räusperte sich lautstark und zog nervös seine Krawatte straff.

„Wir sind da.“

Tatsächlich parkte der Chauffeur gerade direkt vor Momokos Haus, selten war sie so froh darüber gewesen eine Autofahrt endlich hinter sich gebracht zu haben.

„Na dann, Momolein… Ich melde mich bei dir wegen Sonntag, ja?“

Eilig öffnete die Rosahaarige ihre Tür und schlüpfte hinaus. Zum Abschied lugte sie noch mal ins Auto zu Takuro, der ihr sehnsüchtig hinterher blickte.

„Na klar, mach das. Ich freue mich. Bis dann.“, verabschiedete sie sich und winkte ihm zu, als sie die Autotür wieder zuschlug.

Der Motor brummte auf und schon wendete der Fahrer das schicke Vehikel, um anschließend in entgegengesetzter Richtung davon zu fahren.

Momoko blickte zu den Sternen auf und seufzte laut.

„Das hätte schief gehen können!“, schimpfte sie den Himmel aus, oder wer auch immer da oben für ihren Schlamassel verantwortlich war.

Sie bemerkte erst, dass sie noch Takuros Jackett über den Schultern trug, als es ihr fast von selbigen herunter rutschte.

»Das muss ich ihm dann am Sonntag noch zurück geben.«

Sie betrachtete den grauen, leicht rauen Stoff. Er war kein schlechter Kerl und bemühte sich ehrlich um sie, selbst wenn er manchmal etwas besitzergreifend sein konnte. Warum nur sprang der Funke nicht über? Was konnte sie sich mehr wünschen, als das jemand gut zu ihr war und sie von Herzen liebte? Sie würde es herausfinden müssen.

»Sonntag.«, hallte es in ihrem Kopf wider.
 

Yosuke machte Liegestütze in seinem Wohnzimmer. Er schwitzte sein enges Achselhemd dabei voll, der Schweiß rann ihm auch durch das Haar bis in sein Gesicht, wo er sich an den Schläfen und der Nase sammelte und auf die Gummiunterlage unter ihm tropfte. Seine Muskeln in den Armen und am Bauch brannten wie verrückt; er hatte sich schon beim Fußballtraining am Nachmittag ordentlich verausgabt und seine Mitspieler ungerechter Weise getriezt bis zum Umfallen, aber er konnte nicht anders. Solange er noch Kraft, Energie und genug Freizeit hatte um nachzudenken, würde er das auch tun und dann nur noch grübeln bis ihm der Kopf platzte. Er wollte ja vieles, aber ganz bestimmt nicht noch eine schlaflose Nacht damit verbringen seine Situation zu analysieren.

Er hatte seit zwei Jahren eine Freundin, sie war hübsch und unbestreitbar verrückt nach ihm. Er hatte ein ruhiges, stetiges, aber auch langweiliges und oft freudloses Leben mit ihr, obwohl es ihm eigentlich an nichts fehlte. Und dann war da Momoko… wie konnte er mit einfachen Worten beschrieben was sie für ihn war, oder was sie für einen Platz in seinem Leben einnahm?

Sie war wie Wasser in der Dürre; wie das Leuchten der Sterne in der Nacht; wie das Salz in der Suppe. Vor allem aber war sie verlobt.

Zähneknirschend warf sich Yosuke auf den Rücken und machte mit Sit-Ups weiter. Anscheinend waren seine Übungen noch nicht anstrengend genug, wenn er nebenbei doch noch den leidigen Dreh- und Angelpunkt seines Dilemmas auseinander nehmen konnte. Was würde sich denn ändern, wenn sie nicht verlobt wäre? Würde sich überhaupt etwas ändern? Er hatte Hiromi… aber war er mit ihr noch glücklich? Liebte er sie überhaupt? Hatte er das jemals getan?

Ächzend brach sein Körper unter der Anstrengung zusammen. Alle Viere von sich gestreckt lag er triefend und schwer atmend auf seiner Matte und starrte ins grelle Licht seiner Deckenlampe. Er konnte Schluss machen und die Beziehung beenden, aber würde das etwas verändern? Mit hoher Wahrscheinlichkeit war er zu voreilig, denn schließlich war das Einzige, was er mit Sicherheit wusste, dass ihn das Mädchen mit den himmelblauen Augen körperlich reizte. An dieser Stelle musste er aufhören an sie zu denken, sonst würde er noch verrückt werden! Allein die Vorstellung, wie ihr Haar gerochen und ihr Atem auf seiner Haut gekribbelt hatte, brachte sein Blut in Wallungen.

»Fast hätte ich sie einfach geküsst.«

Sollte er stolz auf sich sein, dass er standhaft und treu geblieben war, oder sich einen Idioten schimpfen, dass er es nicht einfach hatte drauf ankommen lassen? Was interessierte ihn schon Takuro, oder seine Freundin, zu der er sich eigentlich schon lange nicht mehr richtig hingezogen fühlte? Das Feuer war aus, dafür flammte es anderswo umso mehr auf. Heiß und pulsierend und leider Gottes unterhalb seiner Gürtellinie.

»Oh Gott, na toll…«

Seufzend brachte er sich in die Senkrechte und stand umständlich auf, nur um dann resignierend duschen zu gehen. Kalt.
 

Momoko, die frisch gebadet einen Pyjama bestehend aus einem kurzen, weißen Top und einer passenden, kurzen Shorts trug, kam in ihr Zimmer mit den beiden Fotos, die sie von Yosuke geschossen- und für sich zurückbehalten hatte. Sie trug lauter Lockenwickler im Haar, denn sie hatte nicht vor mit einer langweiligen Frisur zur dem Kirschblütenfest zu gehen. Selbst wenn sie dafür schon mit vorfrisierten Haaren in die Schule musste. Ihr erster Gang führte sie zu ihrem Radio, das sie leise anschaltete und im Hintergrund laufen ließ, während sie die zwei Bilder in einem ihrer Notizbücher versteckte, damit sie nicht geknickt wurden. Hüpfenden Schrittes bewegte sie sich auf ihren Kleiderschrank zu und öffnete ihn weit. Mit konzentriertem Gesichtsausdruck ging sie Fach für Fach ab und überlegte fieberhaft, was sie für Hanami wohl anziehen könnte.

Bis ihr Handy sie brummend unterbrach.

>>>Bleibt es bei morgen? LG Y<<<

Die junge Frau starrte verwundert auf das Display. Kam es ihr nur so vor, oder klang Yosukes SMS irgendwie komisch? So seltsam knapp und kühl. Eilig tippte sie ihre Antwort.

>>>Hey Yosuke, alles ok? Natürlich bleibt es bei morgen. Ich suche gerade was Passendes zum Anziehen raus. Stimmt etwas nicht? LG M<<<

Mit voller Absicht setzte sie denselben Gruß hinter ihren Text wie er zuvor.

>>>Hätte ja sein können, dass du es dir anders überlegst… Es soll ziemlich warm werden morgen.<<<

Schon wieder hatte Momoko das Gefühl, dass die Nachricht eine seltsame Stimmung vermittelte, aber sie versuchte aber noch entspannt zu bleiben.

>>>Danke für die Info. Kann es sein, dass DU nicht mehr mit mir hingehen möchtest? Deine Texte klingen so lustlos und unterkühlt.<<<

Sie setzte sich auf ihre Bettkante und wartete. Und wartete. Und wartete…

„Blödmann! Antworte gefälligst!“, beschimpfte sie Yosuke imaginär durch das Telefon und schrieb ungeduldig eine zweite Nachricht hinterher.

>>>Sei ruhig ehrlich. Takuro hat heute Abend auch angeboten, dass er mit mir hingeht. Du musst also nicht.<<<

Es war total albern und kindisch ihn damit zu provozieren, aber aus irgendeinem Grund ärgerte sie sich enorm, dass der Torwart auf einmal so merkwürdig war. Sie wollte nicht mit Takuro zum Hanami und würde ihn auch bei einer Absage ganz bestimmt nicht deswegen anrufen, aber sie wollte, dass Yosuke wollte, dass sie nur mit ihm hinging.

Endlich kam die erlösende SMS.

>>>Möchtest du lieber mit deinem Verlobten hingehen?<<<

„Waaas?! Das ist alles, was dir dazu einfällt???“, schrie sie das Handy an und warf es entrüstet auf ihr Kopfkissen.

Wütend verschränkte sie die Arme und wippte unruhig auf der Bettkante vor und zurück. Auf einmal tat ihr alles weh, innerlich schnürte sie etwas ein und ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals.

„Idiot, Idiot, Idiot.“, schimpfte sie leise vor sich und ließ sich auf die Seite fallen, wo sie ihre angewinkelten Beine dicht an ihren Brustkorb zog und umklammerte.

Sie hatte sich so auf den morgigen Nachmittag gefreut. Den ganzen Tag hatte sie deswegen gute Laune gehabt und das obwohl ihr Takuro gestern fast auf die Schliche gekommen wäre. Diese Heimlichtuerei hatte ihre Vorfreude nur noch mehr verstärkt, doch dann musste Yosuke ja anfangen ihr seltsame SMS zu schreiben.

Ein ersticktes Seufzen dran aus ihrer Kehle.

»Wehe, ich heul doch deswegen jetzt nicht los!«, mahnte sie sich selbst, hole tief Luft und riss sich zusammen.

Trotzig drehte Momoko sich zu ihrem Mobiltelefon um und entschied ihrer Ex-Verabredung doch noch mal zu antworten, allerdings kam er ihr vibrierend zuvor.

>>>Habe ich was Falsches gesagt?<<<

Eine Träne rollte aus ihrem Auge und tropfte von ihrer Nasenspitze.

>>>Idiot.<<<, schrieb sie nur zurück und schaltete danach ihr Handy aus.

Sie richtete sich auf und fing an sich sämtliche Lockenwickler wieder aus den Haaren zu drehen. Wozu schließlich die Mühe? Momoko stand auf und wechselte zu ihrem Schreibtisch, auf dem ein ovaler Spiegel stand, damit sie besser sah was sie da tat. Es war gar nicht so einfach die kleinen Spiralen wieder aus ihrem lagen Haar zu entwirren.

Letztendlich schaffte sie es aber nach einer gefühlten Ewigkeit doch und bürstete anschließend alles noch mal ordentlich durch. Ihr Haar floss trotzdem in weichen Wellen über ihre Schultern. Sie musterte ihr Gesicht im Spiegel, ihre blauen Augen begegneten ihr traurig und enttäuscht. Als sie aufstand um das Licht im Zimmer zu löschen und ihren Kleiderschrank wieder zu schließen, zuckte sie heftig zusammen. Etwas war scheppernd gegen ihr Fenster geknallt.

Das Geräusch ertönte ein weiteres Mal, mit misstrauischem Blick schlich Momoko an die Scheibe und lugte durch die feinen Vorhänge hindurch, bis es erneut direkt vor ihrem Gesicht an das Glas knallte.

»Steinchen?!«

Ruckartig schob sie die Gardinen zur Seite und versuchte im Dunkel der Nacht draußen etwas zu erkennen, einzig eine einsame Laterne vor ihrem Haus spendete etwas gelbes Licht. Aus dem Schatten trat eine männliche Gestalt in den Lichtkegel und sah zu ihrem Fenster hinauf.

„Yosuke!“, stellte Momoko erstaunt fest.

Unsicher was sie erwartete, öffnete sie ihr Fenster weit und lehnte sich in den kühlen Nachwind hinaus.

„Was tust du denn hier?“, rief sie ihm gerade laut genug zu, dass sie damit die Nachbarschaft nicht weckte.

Bei näherer Betrachtung sah sie, dass er abgekämpft atmete; er war mit Sicherheit den ganzen Weg zu ihr gerannt, anders hätte er die Strecke in dieser kurzen Zeit nicht schaffen können.

„Ich habe mir Sorgen gemacht! Du hast nicht mehr auf meine Nachrichten geantwortet und als ich dich anrufen wollte war dein Handy aus!“, antwortete er knurrend und schnaufend.

Momokos Herz begann wieder wild wie ein kleiner Vogel zu flattern. Er war extra ihretwegen gekommen? Weil er sich um sie Sorgen gemacht hatte?

Deswegen kommst du mitten in der Nacht hier her gerannt?! Du bist doch verrückt!“, entgegnete sie verdattert, fühlte sich aber unglaublich geschmeichelt.
 

»Ja, verrückt nach dir!«, wollte er ihr am liebsten antworten, doch das wäre ganz sicher nach hinten losgegangen.

Wie sie dort oben stand, in einem Hauch weißen Stoffes und mit ihren offen Haaren, die sich in sinnlichen Wellen im Wind um ihre schmalen Schultern bewegten, wäre er am liebsten wie Romeo zu Julia die Hauswand zu ihrem Fenster hochgeklettert und hätte sie erobert.

„Ich mag verrückt sein, aber ich bin es nicht, der dazu neigt irgendwelche Dummheiten anzustellen.“

„Ich stelle doch gar keine Dummheiten an!“, bemerkte sie entrüstet.

„Das kann ich nicht wissen, schließlich bist du nicht ans Telefon gegangen.“, zog er sie auf.

„Ich wollte nur meine Ruhe vor dir!“

Autsch, das hatte gesessen. Aber so wie sie seinen Blick erwiderte, meinte sie es nur halb so ernst, wie es geklungen hatte.

„Dann entschuldige die Störung, ich gehe gleich wieder.“

„Mach das. Dann kann ich auch endlich schlafen und mir überlegen, wie ich meinen morgigen Nachmittag gestalte. Ich habe da nämlich viiieeel Freizeit.“

Yosuke lächelte sein schiefes Lächeln. Da versuchte das vorwitzige Mädchen tatsächlich ihn aus der Reserve zu locken.

„Ist da so? Nun, ich habe gehört es wird Hanami in der Stadt gefeiert. Ist bestimmt schön mit all den Blüten, dem Feuerwerk und so…“

Momoko verschränkte die Arme und rollte gut sichtbar mit den Augen, schmunzelte aber.

„Tja… eigentlich wollte ich da auch unbedingt hin… aber ich bin mir nicht mehr sicher, ob meine Begleitung das auch noch möchte.“

Ihre blauen Augen, die in der Dunkelheit wieder wie dunkle Saphire wirkten, funkelten herausfordernd. Er biss sich auf die Unterlippe.

„Ich bin mir da sehr sicher.“, antwortete er mit endgültigem Tonfall und hielt den Blickkontakt.
 

Da war er wieder; dieser durchbohrende, hypnotisierende Blick, der ihre Herzfrequenz erhöhte. Das war unmissverständlich als Ja zu deuten. Er wollte noch immer mit ihr zum Kirschblütenfest. Momokos Herz machte einen erfreuten Satz.

„Und was war dann vorhin los mit dir? Was sollten diese komischen SMS?“

Er fuhr sich mit einer Hand fahrig durch sein anscheinend leicht klammes Haar und hielt sich dann am Nacken fest.

„Ich weiß auch nicht… ich war einfach etwas schlecht drauf.“

„Was war denn?“, hinterfragte sie neugierig.

Doch der braunhaarige Junge winkte nur müde ab.

„Lass uns morgen darüber reden, ok? Ich völlig fertig…“

„Du hast dich heute wohl ganz schön verausgabt, was?“, entgegnete sie kichernd und erntete ein verlegendes Lächeln.

„Du ahnst ja gar nicht wie sehr. Na dann, dann schlaf gut und entschuldige die Störung.“

Yosuke drehte sich zum Gehen um und winkte dabei lässig mit einer Hand in der Hosentasche.

„Danke, dass du gekommen bist!“, rief Momoko ihm ins Dunkel hinterher.

Er antwortete nicht, aber sie wusste, dass er sie noch gehört haben musste. Sie schloss das Fenster wieder, zog die Vorhänge zurück und sprang dann mit einem ausgelassenen Satz auf ihr federndes Bett, wo sie sich ihr Kopfkissen krallte und es fest umklammerte.

„Er ist wirklich total verrückt!“, quietschte sie dumpf in den Bezug und grinste dabei wie ein Honigkuchenpferd.

Dort wo sich der beklemmende Knoten in ihrer Brust gelöst hatte, verbreitete sich jetzt eine Welle angenehmer Wärme bis in die äußersten Enden ihres Körpers. Dieses Gefühl von Glück, dass sie da flutete, hatte sie in den letzten Jahren schmerzlich vermisst. Es war wie eine Droge, ein Höhenflug von dem sie gar nicht mehr runterkommen wollte. Wenn es nur Yosuke war, der ihr dieses Gefühl verschaffen konnte, dann musste sie einen Weg finden ihn trotz der bevorstehenden Ehe mit Takuro in ihr Leben zu integrieren. Aber wie sie das anstellen sollte, würde sie sich ein anderes Mal überlegen, denn nach all der Aufregung war es vor allem Müdigkeit, die sie beschäftigte.



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