Amnesia Memories von Kyo_aka_Ne-chan (Geliebter Zwiespalt) ================================================================================ Kapitel 3: Das Geheimnis hinter verschlossener Tür -------------------------------------------------- Ukyo stand vor dem Wohnungskomplex, in welchem Toma lebte und war sich nicht sicher, ob er es heute wagen sollte. Die Wette war nun schon vier Tage her und bisher hatte er sich nicht getraut, das Angebot des anderen anzunehmen. Jedes Mal hatte ihn sein eigenes Unbehagen aufgehalten und dass er sich immer wieder davon überzeugt hatte, dass es ihn eigentlich nichts anging, was der andere versteckte. Aber dieses verdammte Zimmer, dessen Tür geschlossen war, ging ihm nicht mehr aus dem Kopf und er wollte unbedingt wissen, was sich dahinter verbarg. Nach jenen vier Tagen war seine Neugier so unsagbar groß, dass es Ukyo halb verrückt machte und er hatte beschlossen, dass er es einfach hinter sich bringen würde. Er würde zu Toma gehen, bei ihm übernachten, einen Blick hinter die Tür in das Zimmer werfen und am nächsten Morgen wieder verschwinden. //Bestimmt ist es so etwas Banales wie eine Hentai-Sammlung//, versuchte Ukyo sich davon abzubringen, etwas allzu Geheimnisvolles zu erwarten, denn hohe Erwartungen konnten nur zu Enttäuschungen führen. Ukyo fragte sich einmal mehr, warum ihm das Ganze so wichtig war und nach reiflicher Überlegung kam er zu dem Schluss, dass er wohl einfach nach einer gleichgesinnten Seele suchte, die genauso zerrissen war, wie die seine. Der junge Mann ging entschlossenen Schrittes zur Tür und klingelte bei Toma. Die Gegensprechanlage sprang sofort an und die heitere Stimme des anderen empfing Ukyo. „Ja?“ Ukyo zögerte. Wenn er jetzt antwortete, gab es kein Zurück. Ein letztes Mal überprüfte er, ob seine Neugierde auch wirklich so groß war, dass er sich bereitwillig mit jemandem auseinander setzen wollte und kam zu dem Schluss, dass dem wirklich so war. „Hier ist Ukyo.“ Toma freute sich, dass Ukyo sein Angebot angenommen hatte. Außerdem war er froh, den Abend nicht allein verbringen zu müssen. Er öffnete die Tür seiner Wohnung und beobachtete, wie der Grünhaarige die Treppenstufen erklomm und auf ihn zukam. „Freut mich, dass du mein Angebot angenommen hast. Ich habe schon nicht mehr daran geglaubt, muss ich zugeben“, lächelte Toma und Ukyo lächelte zaghaft zurück. Wenn der andere wüsste, warum er wirklich hier war, dann hätte er sich nicht so gefreut, aber das musste er Toma ja nicht auf die Nase binden. Er beugte sich zu seinen Schuhen herab, um diese auszuziehen, erst dann betrat er in seinen Socken die Wohnung. Toma schloss die Tür hinter ihm, während Ukyo mit den Blicken die Wohnung erkundete. Er konnte genau ausmachen, aus welchem Winkel und von wo das Bild aufgenommen worden war, welches ihm diese Situation hier eingebrockt hatte. „Und? Gefällt dir meine bescheidene Wohnung in der Realität genauso gut wie auf dem Foto?“, erkundigte sich Toma neugierig und Ukyo brauchte nicht lange, um zu nicken. „Ja.“ //Sogar noch besser...//, erkannte der Fotograf und verspürte ein warmes, wohliges Gefühl in seiner Brust. Fühlte sich das so an, wenn man nach Hause kam? Natürlich war das hier nicht sein Zuhause, aber wenn er eine Wohnung gehabt hätte, dann hätte sie wohl genauso ausgesehen, wie diese hier. Ukyo wandte sich Toma zu, welcher immer noch im Eingangsbereich stand und ihn beobachtete. Er fragte sich, ob Toma ihm wirklich so ähnlich sein konnte, kam aber zu dem Schluss, dass er das erst herausfinden würde, wenn er alle Fakten kannte, inklusive derer, die Toma hinter jener Tür versteckte. Also legte Ukyo dieses Thema vorerst ad acta und verlegte sich auf Small Talk. „Wie lange wohnst du schon hier?“, fragte er und ließ seinen Blick nochmals über die spärliche Einrichtung schweifen. „Seit zwei Jahren etwa. Zuhause wurde es mir zu eng und ich brauchte meine eigenen vier Wände“, erklärte Toma und kam näher, um sich neben Ukyo zu stellen, damit er mit seinen Augen sehen konnte, was der andere sah. Anders als seine Freunde konnte Toma Ukyo nicht durchschauen. Das war ihm erst vor vier Tagen wieder aufgefallen, als er darüber nachgedacht hatte, was der andere wohl noch mögen konnte außer Fotografie und schwarzem Kaffee. Es wurmte ihn ein wenig, dass er so wenig wusste und so war er fest entschlossen, daran etwas zu ändern. „Ich wollte gerade etwas zum Essen machen. Hast du Hunger?“, fragte Toma jetzt und Ukyos Magen gab die Antwort. „Das heißt dann wohl ja“, meinte Toma dazu und schüttelte sich vor Lachen, während Ukyos Gesicht rot wurde. Das war ihm auch noch nicht passiert. „Entschuldige...“ Toma lachte noch mehr. „Deshalb musst du dich doch nicht entschuldigen. Du bist lustig, Ukyo.“ Ukyo schaute Toma ungläubig an. Er und lustig? Das ging ja meilenweit an der Realität vorbei, aber er würde den Teufel tun und das zugeben. Wenig später saßen die beiden im Küchenbereich an einem kleinen Tisch, der kaum genug Platz für sie beide bot, geschweige denn für die langen Beine beider. Toma hatte so viele Dinge auf den Tisch platziert, dass es Ukyo wunderte, dass der kleine Tisch nicht sofort zusammengebrochen war. „Ich nehme mir immer einige Reste aus dem Cafe mit, da muss ich nicht so oft einkaufen gehen. Das schont den Geldbeutel“, lächelte Toma und griff ordentlich zu. Ukyo wusste nicht, wo er beginnen sollte und schaute demnach unschlüssig auf die kleinen Teller und Schüsseln. So ein Überangebot sah man selten und er war ein wenig überfordert, zumal er viele Dinge nicht kannte. Es rächte sich also doch, wenn man immer nur das Gleiche zu sich nahm. Er wollte gerade nach Auskunft fragen, als... „Mhmmm, das ist so lecker! Hier, probier doch mal“, rief Toma da und ehe Ukyo sich versah, hatte Toma ihm etwas in den Mund gestopft. Ukyo verschluckte sich halb an etwas, das so ausgesehen hatte wie eine grüne Teigrolle. Zuerst schmeckte es einfach nur nach Alge, danach setzte plötzlich eine Süße ein, die man diesem unscheinbaren Gericht nicht zugetraut hätte. „Was ist das?“, fragte Ukyo verwundert. „Ich habe keine Ahnung. Aber es ist lecker“, grinste Toma übermütig und Ukyo musste darüber lachen. Toma sah ihn überrascht an. Er hatte Ukyo noch nie so lachen gesehen und es gefiel ihm. Er hoffte, dass er den anderen noch häufig so zum Lachen bringen konnte. //Moment mal...//, schoss es durch Tomas Kopf. Was dachte er denn da auf einmal? Er kannte Ukyo doch kaum und wusste nicht einmal, ob der andere ihn überhaupt leiden konnte. Also wieso wollte er den anderen häufiger zum Lachen bringen, was voraussetzte, dass sie sich häufiger sahen? Toma schüttelte diese Gedanken ab und widmete sich wieder den zahlreichen verschiedenen Leckereien vor sich. Er hatte die letzten Tage häufiger größere Portionen der Reste mitgenommen und immer wieder gehofft, dass der Fotograf vorbeikam. Heute war dieser Fall eingetreten und Toma fragte sich einmal mehr, warum er nicht schon öfter mit Ukyo um die Häuser gezogen war oder ähnliches. Der andere machte durchaus einen sympathischen Eindruck, auch, wenn er ein wenig zurückhaltender war als Tomas andere Freunde. //Wahrscheinlich so ein Künstlerding//, überlegte Toma und wandte sich dann wieder der Tätigkeit zu, Ukyo leckere Sachen aufzuschwatzen. Nachdem sie alles vertilgt hatten, räumte Toma schnell die Sachen in den Abwasch und setzte sich wieder zu Ukyo. Der Aufwasch konnte bis morgen warten, denn er wollte viel mehr über den Fotografen wissen. Er bemerkte nach einer Weile, dass Ukyo sich dabei unwohl fühlte, also drehte Toma den Spieß um und redete einfach über sich selbst. Er wollte den Grünhaarigen zu nichts drängen und so lenkte er ihn mit allerlei lustigen Begebenheiten aus dem Café ab und ehe sie sich versahen war es schon kurz vor Mitternacht. „Oh je, ich muss ins Bett, ich habe morgen die Frühschicht“, fiel es Toma ein und Ukyo bedauerte es ein wenig, dass der ereignisreiche Abend ein Ende fand. „Schon okay, ich bin auch etwas müde“, sagte er, wobei das gelogen war. Er hatte über den amüsanten Abend sein eigentliches Ziel vollkommen aus den Augen verloren, aber nun fiel es ihm wieder ein. Zum Glück sah Toma schon recht müde aus, also würde es nicht allzu lange dauern, bis der andere in den Schlaf gefunden hatte. Ukyo hingegen war es gewohnt, lange aufzubleiben, so dass er nur den rechten Augenblick abwarten musste. Von neuem Tatendrang erfüllt, wartete er, dass Toma sich bettfertig machte. Doch dieser blieb unschlüssig vor ihm sitzen und schien etwas sagen zu wollen. „Ich... ich habe dir eine Sache noch nicht gesagt“, meinte der Blonde jetzt zerknirscht und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Und... das wäre?“, fragte Ukyo verdutzt. „Nun...“ Toma lachte verlegen und Ukyo vermutete schon etwas Schlimmes. „Was hast du mir denn nicht gesagt, Toma?“, fragte er erneut, weil Toma einfach keine Anstalten dazu machte, weiter zu sprechen. „Ich... habe nur ein Bett“, gab Toma zu und wies auf das Bett, welches sich in einer größeren Ecke befand, genau neben der Tür, die den Grünhaarigen so interessierte. Ukyo bemerkte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. War das etwa Tomas Ernst? Erwartete der andere jetzt wirklich, dass er neben ihm schlief? Ukyo sprang auf und war im Begriff, von hier zu verschwinden, doch dann hielt er inne. Wenn er das jetzt nicht machte, würde er sich ewig fragen, was Tomas verdammtes Geheimnis war, also musste er es wohl oder übel durchziehen. Wieder flammte Ukyos Gesicht auf, als er daran dachte, mit einem anderen Mann das Bett teilen zu müssen, aber er zwang sich ruhig zu bleiben. Er schätzte Toma nicht so ein, dass dieser an anderen Männern interessiert war, als würde es so sein, als würden Freunde nebeneinander schlafen. Zwar hatte Ukyo auch auf dieser Ebene keinerlei Erfahrungen, schließlich war er die ganzen Jahre immer allein gewesen, war mit seinen Eltern ständig umgezogen und hatte demnach nie wirkliche Freundschaften entwickelt, aber es gab ja für alles ein erstes Mal. „Ich denke, das stellt kein Problem dar“, sagte Ukyo also und er hörte Toma erleichtert aufseufzen. „Ich wusste, du würdest das locker nehmen. Wenn du magst, kannst du zuerst ins Bad, du dürftest dort alles finden, was du brauchst“, meinte Toma und wies Ukyo die Richtung. Dieser war froh, für ein paar Minuten verschwinden zu können und ging zielstrebig ins Bad. Er fand eine zweite Zahnbürste und auch Sachen, die er zur Übernachtung anziehen konnte. In einer seiner Hosentaschen fand er noch einen Haargummi, so dass er seine langen Haare zu einem dicken Zopf bändigen konnte. Er nutzte die Zeit, in der er Zähne putzte, sich wusch und sich umzog, dazu, dass er völlig ruhig wurde. Ein Vorteil war, dass sein zweites Ich nicht mehr da war, denn sonst wäre er niemals das Risiko eingegangen und hätte bei Toma übernachtet, außer, der andere kettete ihn irgendwo in einem separaten Raum an. Ein beklemmendes Gefühl erfasste Ukyo kurz, doch er schüttelte es ab. Er musste nach vorne schauen und durfte nicht mehr an die Zeit vorher denken. Ukyo kehrte zurück zu Toma und dieser wies auf das Bett. „Du kannst dir die Seite gerne aussuchen. Und keine Sorge, ich komme auch nicht kuscheln“, grinste der Blonde und verschwand seinerseits im Bad, während Ukyo schon wieder diese vermaledeite Hitze in seinem Gesicht spürte. Warum konnte der andere nicht einmal ernst bleiben? Seufzend wählte Ukyo die rechte Seite des Bettes, weil diese näher an der geschlossenen Tür lag und schlüpfte unter eine äußerst bequeme Bettdecke. Abermals seufzte er auf, weil das Gefühl, in einem richtigen Bett zu liegen, doch etwas für sich hatte. Er vergrub sein Gesicht in dem ebenso weichen Kissen und atmete den frischen Duft ein und in ihm machte sich Dankbarkeit bemerkbar. Das hier war wirklich ein großartiges Geschenk des Schicksals... „Ich sehe, es gefällt dir. Das freut mich“, meinte plötzlich Tomas Stimme und Ukyo wurde schon wieder rot. //Das wird langsam zur Gewohnheit//, schoss es ihm durch den Kopf und schaute Toma an, der jetzt auf die linke Seite des Bettes zusteuerte und sich ebenfalls hinlegte. „Also dann, gute Nacht, Ukyo. Ich hoffe, du schläfst gut und hast schöne Träume“, sagte Toma, nachdem er auf seiner Seite das Licht im Raum ausgemacht hatte. Ukyo konnte das breite Lächeln des anderen dabei förmlich sehen, obwohl es stockdunkel war und wieder einmal wurde er tiefrot. Dieser Toma war wirklich unglaublich... Schnell drehte sich der Grünhaarige weg von dem anderen, man wusste ja nicht, wie gut der andere in der Dunkelheit sehen konnte. Er hörte ein leises Lachen, dann ein Gähnen und binnen weniger Minuten hörte er Tomas ruhige Atemzüge. //Das ging ja schnell...//, wunderte er sich und wandte sich vorsichtig nochmals um. Er konnte Toma schemenhaft sehen. Der andere lag ihm zugewandt auf der Seite und ruhte auf einem Arm. Der andere Arm lag ausgestreckt über Ukyos Kissen und der Grünhaarige spürte die gleichmäßigen Atemzüge, die nun direkt in sein Gesicht gepustet wurden. Er wollte sicher gehen, dass der andere auch wirklich schlief und strich mehrmals mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand über eins der geschlossenen Augenlider Tomas. Der andere rührte sich nicht und verharrte in seinem komaartigen Schlaf, so dass Ukyo beschloss, es jetzt zu wagen. Langsam und vorsichtig schlug der Grünhaarige die Bettdecke zurück und stand leise auf. Er tastete sich vorwärts und schlich zur Tür, die das Geheimnis barg. Er legte die Hände auf die Klinke und atmete tief durch. Es tat ihm leid, Tomas Gastfreundlichkeit derart auszunutzen, aber sein Inneres beharrte auf Antworten. Er wusste auch nicht warum ihm das so wichtig war, aber vielleicht brauchte er dieses Wissen, dass es auch normale Leute geben konnte, die ein schwarzes Geheimnis bargen. Leute, die Ukyo ähnlich waren, die vielleicht nicht getötet hatten, aber die ähnlich verdorben waren. Damit hätte Ukyo seine insgeheime Hoffnung bestätigt, dass er auf dieser Welt nicht gänzlich allein war, denn das war momentan seine Hauptangst. Bestärkt von seinen Gedanken drückte er die Klinke vorsichtig nieder, bis die Tür nachgab und er in das Zimmer schauen konnte. Er betrat den Raum ein Stück weit und konnte einen Moment lang nicht glauben, was er da vor sich sah. Mondlicht schien durch die beiden großen Fenster und beleuchtete den Raum. Zudem beschien es den einzigen Gegenstand im Raum und Ukyo schluckte schwer, als sein Gehirn die optischen Reize langsam verarbeitet hatte. Das Licht erleuchtete stellenweise graues Metall und das kastenförmige Äußere und Ukyo konnte sich vorstellen, wie kalt es sich anfühlen musste. Im Mondlicht wirkte das Objekt bedrohlich wie ein schwarz-grauen Monster, welches nur auf sein nächstes Opfer wartete. Fast grotesk war der Kontrast der weich gepolsterten Unterlage und den Kissen, die in dem Ungetüm auf den nächsten Besucher warteten. Ukyos Gedanken rasten durch seinen Kopf und er wünschte sich die Hentai-Sammlung förmlich her, die so seltsam banal im Gegensatz zu dem Käfig vor ihm anmutete. Sein Herz klopfte ängstlich in seiner Brust und er konnte trotzdem nicht den Blick abwenden oder wieder aus dem Raum verschwinden. //Das hast du davon, dass du dir so sehr einen anderen verdrehten Charakter gewünscht hast//, warf er sich selbst vor und wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Er hatte seiner Neugierde nachgegeben und etwas Verbotenes gesehen, welches ihn davon überzeugte, dass Toma nicht der war, für den er ihn gehalten hatte. Er wusste noch nicht ganz, wie er diese Informationen einordnen sollte, denn dieser kalte, große Käfig passte nun so gar nicht zum freundlichen, offenen Auftreten des anderen. Und noch während Ukyo versuchte, beides in Einklang zu bringen, ging plötzlich das Licht in dem kleinen Zimmer an und blendete den Grünhaarigen. „Suchst du etwas, Ukyo?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)