Verborgen in Stille Teil II von Strichi ================================================================================ Kapitel 5: Geburtstagsüberraschung ---------------------------------- Als ich an einem heißen Tag joggte lief ich an der Strandpromenade lang. Ich mochte diese Strecke, vorbei am Pire mit dem Freizeitpark, doch leider mochten die ganzen Touristen diesen weg auch. An die Wärme beziehungsweise Hitze konnte man sich durchaus gewöhnen fand ich und genoss es das es nur wenig regnete. Auch, wenn Regen Kalifornien gut tun würde. Entlang des Piers waren Sportgeräte aufgestellt worden. In Kalifornien war das Schönheitsideal sehr streng. Viele Trainierten draußen, machten Klimmzüge oder posierten zum Angeben. Sicherlich war es nichts für jeden, doch ich fand es lustig. Machte mich innerlich über diese Poser lustig und schaute bei dem ein oder anderen trainierten Bauch gerne hin. Den Pier im Rücken blieb ich stehen, um etwas zu trinken und durchzuatmen. Ich sah eine Gruppe von drei Menschen, abseits der Touristen. Ein schwarzes, sehr hübsches Mädchen und zwei Männer. Einer hatte sehr schwarze, glänzende Haare, der andere hatte rotblonde locken. Sie alle hatten Surfbretter in der Hand und die beiden Männer schienen von der Sonne braun gebrannt. Ich sah, wie sie die dunkelhäutige Frau beobachteten die gerade mit dem Surfbrett in den Wellen ritt. Ich blieb stehen und atmete durch. Durch die Hitze lief mir der Schweiß die Stirn hinunter und ich wischte mir durch die braunen Haare. Surfen lernen wollte ich immer noch! Jedoch zeigte ich nicht gerne meinen Oberkörper, was surfen eindeutig erschwerte. Doch eigentlich wollte ich mich nicht mehr einschränken. Immer wenn mich wer fragte, meinte ich immer es sei ein Autounfall gewesen worüber ich nicht sprechen wollte. Jeder schwieg darauf und glaubte mir und die Sache war vom Tisch. Seit ich mit Daniel geschlafen hatte ging ich häufiger aus. Suchte in den Kneipen, am Strand nach Männern. Nach Ablenkung und fand sie darin auch. Ich zählte die Kerle nicht mit. Es war einfach und ungezwungen und auch an den richtigen Stellen in der Stadt trafen sich Homosexuelle öfter. Es war ein offenes Geheimnis welcher Pub, welcher Parkplatz es war. Wie Jack die Menschen nicht mitzählte, die er erschossen hatte, zählte ich die Männer nicht mit die ich hatte. Es war nicht nett von mir, doch es half mir meine Gefühle weiter zu verdrängen. Weit weg in mein Inneres. Ich trank noch einen Schluck Wasser und sah, wie die drei lachten und viel Spaß zu haben schienen. Ich wollte endlich surfen lernen! Und als der nächste, der dunkelhaarige sich in die Fluten stürzte beschloss ich es einfach darauf ankommen zu lassen. Ich wollte mein Leben genießen. Ich ging hinunter zu ihnen, beeilte mich bevor der Rothaarige auch weg war. Was hatte ich schon zu verlieren? Wenn sie sagen sie haben auf sowas keinen Bock, war mir das auch egal. „Hey“, rief ich dem Rothaarigen zu, welcher sich überrascht zu mir drehte. „Hi? Was gibt es“, fragte er freundlich, doch auch sichtlich verwirrt. Ich kam vor ihm zum Stehen. Er war größer wie ich, doch nicht breiter. Er hatte zwar einen athletischen Körperbau, doch schien er einfach eine schmale Person zu sein. Vom nahen sah ich, dass er einen Bart trug. Blond und vom weiten nicht zu sehen. Er hatte Sommersprossen, welche ihm einen jugendlichen Touch verliehen. „Hi, ich hab euch gerade etwas beobachtet“, grinste ich fröhlich und deutete oben auf die Promenade, „und… na ja ich wollte eigentlich immer mal surfen lernen. Habt ihr Bock mir das mal zu zeigen? Oder gerade keine Zeit für sowas?“ Überrascht sah er mich an und ich verstand ihn. Wer sprach heutzutage einfach Fremde Menschen an? Eigentlich keiner mehr wirklich. Kurz betrachtete er mich, es schien als schätze er ab ob ich scherze oder nicht. Doch noch bevor ich etwas sagen konnte wurden wir von der Stimme einer jungen Frau unterbrochen. Das schwarze junge Mädchen kam auf uns zu und betrachtete uns mit ihren dunklen Augen. Sie sah mich freundlich an und fragte: „Was möchte er Oliver?“ Grinsend, aber nicht abfällig grinsend drehte er sich zu der jungen Frau um und meinte: „Surfen lernen.“ Überrascht sah mich die Frau an und das Wasser lief noch an ihrem ziemlich schlanken Körper hinunter. Sie hielt ihr Brett neben sich und musterte mich. „Meinst du das Ernst“, fragte sie und als ich nickte lächelte sie freundlich, „okay… du wirst aber ziemlich nass werden. Hast du eine Badehose dabei?“ Ich sah hinab auf meine Jogginghose und meinte: „Wird schon passen. Ist ja warm hier. Ich bin Jasper, aber die meisten sagen Jazz.“ „Ich bin Alysha“, meinte die junge Schwarze und deutete auf den Rotblonden und meinte: „Das ist Oliver, mein Freund und der der gerade aus dem Meer kommt ist Ethan. Ein guter Freund von uns.“ Als ich Ethan erblickte grinste ich ihn kurz an und konnte nicht anders, als ihn zu betrachten. Er war ziemlich kräftig. Hatte einen toll durchtrainierten Bauch. Er hatte dunkle Brusthaare, aber nicht zu viele und auch er trug einen Bart. Er hatte erstaunlich helle Augen die im starken Kontrast zu seiner pechrabenschwarzen Mähne standen. Ich konnte es nicht anders sagen, aber dieser Mann war sehr nach meinem Geschmack. Er betrachtete mich und ich stellte sich noch einmal kurz vor. Er grinste mich leicht an, fragte was ich hier wollte. Erklärend meinte ich, dass ich hier lebe und nicht surfen kann und dies endlich ändern wollte. Er grinste mich breit an und nickte. „Klar, lass dir das von Alysha zeigen. Die hat die Nerven für sowas“, meinte Ethan und grinste frech. Fragend sah ich Alysha an und zog mein T-Shirt über den Kopf. „Ich bin Karatetrainerin“, meinte sie freundlich und reichte mit tatsächlich ihr Brett. Alysha war ein sehr geduldiger Mensch und erklärte mir genau, was ich machen sollte. Keiner der Anderen sprach mich auf meine Narben an und so waren sie erstaunlich schnell vergessen. Ständig fiel ich vom Brett, jede noch so kleine Welle riss mich runter! Die Anderen lachten und ich lachte einfach mit. Ich sah auch sicherlich bescheuert aus. Sollten sie doch lachen, mich interessierte es nicht. Wir hatten unserem Spaß und als Ethan von einer Welle runtergespült wurde lachte ich mit. Es war anstrengend und machte gleichzeitig viel Spaß. Ich schaffte es nach einiger Zeit mich auf dem Brett zu halten, doch nur wenige Augenblicke. Es sah im Fernseher immer so viel leichter aus. Im Wechsel bekam ich eins der drei Bretter. Alle waren sehr nett, standen mit beiden Beinen im Leben. Sie waren alle etwas älter wie ich. Alysha und Oliver waren beide dreiundzwanzig. Sie war Karatetrainerin, er arbeitete als Bankkaufmann und Ethan studierte an der Uni Jura. Es schien als wären wir alle überrascht. Sie waren überrascht, dass ich sie ansprach und es tatsächlich ernst meinte. Ich war überrascht, dass sie Personen waren die meinem Charakter ähnelten. Ich vergaß die Zeit und genoss den Nachmittag. Später saßen wir am Strand nachdem jeder sich ein Getränk geholt hatte. Immer noch liebte ich Cola einfach und ich betrachtete Alysha. „Ich hab früher mal Karate gemacht, dass ist aber schon ewig her“, meinte ich freundlich grinsend und trank einen Schluck. Fröhlich sah sie mich an und nickte leicht. „Welchen Gürten hast du“, wollte sie wissen. Nachdem ihr ihr sagte, dass ich den Grünen habe grinste sie und wollte wissen, ob ich weiter machen möchte. „Hm…. Ich weiß nicht. Ich… ich hatte einen ziemlich schweren Autounfall, dabei hab ich mir die Schulter gebrochen. Seitdem muss ich damit so aufpassen“, meinte ich während ich wieder einen Schluck trank. „Hm… wir können es ja versuchen… wenn du willst, wenn es nicht klappt, dann klappt es eben nicht“, meinte sie freundlich und unschlüssig nickte ich. Ich trank noch einen Schluck und sah hinaus auf das Meer. Ich merkte wie Ethan mich musterte und blickte kurz an mir runter. Ich war breit geworden sicher nicht so breit wie Jack einst, doch tatsächlich war ich kaum noch der Jugendliche von früher jetzt kurz vor meinem zwanzigsten Geburtstag. „Gefall ich dir so sehr“, fragte ich frech und zwinkerte Ethan zu. Er lachte und zuckte unschlüssig mit den Schultern. „Ja schon. Du wärst schon ziemlich mein Beuteschema…“, lachte er und ich grinste breit. Überrascht sah ich ihn an und fragte: „Ach du bist schwul?“ Ethan schmunzelte und nickte und betrachtete mich erneut wie seine nächste Beute. Unsicherheit war ein Fremdwort geworden und der nette Junge der ich vielleicht mal war, war in Texas geblieben. Doch ich schüttelte leicht den Kopf. „Ich bin keine Beute“, meinte ich und grinste und ich wusste, dass es arrogant klang, doch es war mir gleich, dazu konnte ich stehen. Ich selbst bezeichnete mich als Arschloch, denn noch immer hatte ich die gute Fähigkeit mich zu reflektieren. Frech sagend fügte ich hinzu: „ich bin ein Jäger.“ Tatsächlich lachten die Anderen über meinen Scherz und es gefiel mir, dass wir einen ähnlichen Humor hatten. Doch in Wirklichkeit war ich genau das geworden. Ich lenkte mich ab, versuchte die Gefühle zu unterdrücken. Kerle abschleppen war nicht schwer, fand ich. Emily fand mein Verhalten mehr wie grauenvoll, suchte sie doch immer nach der großen Liebe… etwas was mir einfach gestohlen bleiben konnte! Spaß war in Ordnung, aber mehr nicht. Doch seither unternahmen wir vier immer mehr zusammen und auch Emily stieß dazu. Tatsächlich wurden wir so etwas wie eine Clique. Sport vereinte uns und auch Emily mit ihrer fröhlichen offenen Art fand Anschluss. Der einzige der fehlte für mich war Eric, doch in Eric sah ich keinen besten Freund mehr! Er war mein Bruder. Ich hatte es Eric nie gesagt, es war zu schnulzig für uns. Ethan und die anderen waren gute Freunde und die Tage am Strand, in den Bars waren lustig, doch wenn ich Eric sah, war es eben irgendwie anders. Familie musste nicht im Blut verbunden sein. Es gab einiges weswegen ich mir Gedanken machen musste. Das Schuljahr neigte sich dem Ende zu und ich musste mir endlich einig werden, was ich mit meiner Zukunft anfangen wollte. Ich saß in meinem Zimmer, brütete über dem Internet und las mir unterschiedliche Berufsbezeichnungen durch. Wollte ich auf das College, oder doch lieber eine Ausbildung anfangen? Die Colleges waren teuer, ohne Stipendium würde ich mir das nicht leisten können. Zwar bekam ich Unterhalt von meiner Mutter, doch das würde nicht reichen, bei weitem nicht! Da ich meiner Schwester nicht zu sehr auf der Tasche liegen wollte hatte ich begonnen mit einem Nebenjob etwas eigenes Geld zu verdienen. So arbeitete ich drei Mal in der Woche oder am Wochenende in einer Welt weit bekannten Kaffeekette. Ich machte den Leuten ihren Kaffee, schrieb die Namen auf die Becher und scherzte mit den Kunden rum. Keine anspruchsvolle Arbeit, aber es machte Spaß und gab etwas Geld. Es war nicht ungewöhnlich, dass man während der Schule einer Tätigkeit nachging. Viele aus meiner Klasse hatten Jobs. Das Leben war eben einfach teuer hier. Doch auch mit dem Geld aus dem Nebenjob würde es nie reichen, dass ich studieren könnte ohne Unterstützung. Tatsächlich, hatte ich schon vor geraumer Zeit einfach wahllos um Stipendien beworben. Mit gerunzelter Stirn starte ich auf dem Bildschirm. Ich wollte einen coolen Job! Es war albern, aber ich wollte unbedingt einen Job mit Verantwortung, wovon man wirklich leben konnte! Der zeigte, dass ich es geschafft hatte. Nachdem was mir passiert war, dachte ich einige Zeit darüber nach Anwalt zu werden. Schließlich ein cooler Job mit Prestige. Doch nachdem ich mir einige Texte angesehen hatte und nicht wirklich verstanden hatte verwarf ich den Gedanken. Damit würde ich nicht zufrieden werden. Ich musste mich für etwas entscheiden, was ich konnte, denn meinen eigentlichen Traum konnte ich nicht mehr erfüllen. Ich warf einen Blick auf das Bild von Jack. Sein T-Shirt mit dem Tarnmuster lag auf dem Bett. Da es zu groß war, schlief ich darin eigentlich nur, oder ging damit joggen. Ich griff nach der Medaille welche neben meinem Laptop lag und drehte sie in der Hand. Natürlich schwebte mir ständig durch den Kopf, Soldat zu werden nur um wieder bei ihm zu sein. Doch wozu verpflichtete ich mich damit? Ich verpflichtete mich zu einem Leben, ohne eigene Meinung, ohne Wissen und nachdem, was mir Jack berichtete, zu einem Leben wo der Einzelne kaum zählte. Zudem müsste ich mich in der US-Army verpflichten… denn die Söldnergruppen die nun regelmäßiger in den Nachrichten waren hatte schließlich keine Postadresse. Doch ich wollte nicht Soldat werden! Ich wollte meine eigene Meinung vertreten können, ich wollte wissen wofür ich was tat. Mir lag es auch nicht, ständig auf Andere zu hören und ich wollte immer noch nicht auf Menschen schießen. Klar, ich besaß immer noch eine Waffe, schließlich war ich Texaner, doch ich wollte nicht auf Menschen schießen. Auch wenn man Pilot oder ähnliches werden wollte las ich, dass man sich zunächst einige Jahre verpflichten musste. Zudem konnte man mit fast 20 Jahren schon an die Front geschickt werden. Auch dies war etwas, was ich mir nicht vorstellen wollte. Also verwarf ich den Gedanken wieder, es würde mich vermutlich auch nicht zu Jack führen. Ich legte die Medaille wieder neben dem Computer und lenkte meinen Blick von ihr weg. Meine Augen glitte zu einem Bild auf meinem Schreibtisch. Ein Bild, welches mich in mitten meiner Freunde zeige. Spöttisch dachte ich an die Worte Emilys Künstler zu werden. Etwas was kein bisschen in Frage kam. Tatsächlich drängte Emily mich immer noch an, weiter zu zeichnen und zu malen. Da sie selten Ruhe gab, gab ich häufiger nach als mir lieb war. Ich wurde immer besser! Gab es einen Beruf der sowas voraussetzte und mich nicht gleich als schwul hinstellte? Diese verdammte Angst wie eine Schwuchtel auszusehen konnte ich einfach nicht ablegen! Ich hasste es, dass ich immer in Sorge war so zu wirken, denn das tat ich nicht! Trotzdem verfolgte mich dieses Wort, ob ich es wollte oder nicht. Wieder sah ich Emilys fröhliches Gesicht auf dem Bild an. Immer wieder kam sie auf die Idee, dass sollte ich an der Universität in L.A. ein Stipendium erhalten, wir in eine Wohnung zusammen ziehen sollten. Sie plante schon, obwohl noch nichts feststand. Immer wieder überstürzte sie Sachen und war letztendlich enttäuscht, dass es nicht klappte. So war es auch in der Liebe bei ihr. Sie suchte den Richtigen, verliebte sich immer Hals über Kopf und wurde letztlich doch enttäuscht. Es tat mir leid, doch sie wollte einfach nicht hören, also musste sie selbst darauf kommen. Ich zwang niemanden meine Meinung auf! Ich ging die Seite des Colleges von Los Angelas durch. Es war eine große Universität mit vielen Studenten und einen guten Ruf hatte sie auch. Auch hing mir Ethan immer wieder in den Ohren, dass ich auf die Uni sollte. Tatsächlich war sie meine Wunschuni. Ich durchforstete die Internetseite und las mir die Portfolios einzelner Studienfächer durch. Vieles klang interessant, doch davon würde man nicht wirklich leben können, wenn man fertig studiert hatte. An einem Absatz blieb ich hängen. Als Architekt sollte man gut und genau zeichnen können, Spaß an Materialien haben… Das klang vielversprechend, eigentlich. Interessiert las ich den Text und je mehr ich las, desto interessanter fand ich was ich dort erfuhr. Ich sah mir ein Video an, in dem der Beruf und der Studiengang erklärt wurden. Während des Studiums würden viele Projekte durchgeführt werden. Klang nicht danach, dass man nur Stumpfsinnig zuhören musste. Interessiert las und schaute ich weiter. Mathematische Fähigkeiten sollten vorhanden sein. Mathematik war weder ein herausragendes noch ein wirklich schlechtes Fach gewesen. Winkelberechnen lag mir immer mehr wie eine Kurvendiskussion oder Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Mit einem Computer umgehen, konnte ich ebenfalls. Nur Modelle selbst hatte ich noch nie wirklich kreiert, wieso hätte ich dies auch tun sollten? Ich öffnete ein Forum in dem jemand die Frage gestellt hatte, was man für das Studium mitbringen sollte. Vieles sagte mir zu und ich beschloss mir dieses Studienfach durch den Kopf gehen zu lassen. Doch noch immer wusste ich, dass ein Studium teuer war, doch ich wollte unbedingt studieren! Ich wollte beweisen, dass ich wie meine Schwester, die bislang die Einzige aus unserer Familie mit Collegeabschluss war, etwas drauf habe! Meine Noten waren gut, doch nicht überdurchschnittlich. Nicht gut genug für ein Vollstipendium. Doch dann traf es mich wie ein Blitz. Mein Blick glomm zu meinem Nachttisch und meine Augen fixierten Jack… „Dann schauen wir doch mal, ob du wirklich einen Blick auf mich hast und was du alles schaffst…“, nuschelte ich leise. Wieso auch immer, hatte er immer geschafft, dass alles so verlief wie er es wollte. Ob er es auch schaffte, dass ich ein Vollstipendium bekommen würde? Wenn ich eins bekomme, dann war er tatsächlich immer noch irgendwie bei mir, hatte ein Auge auf mich. Konnte man es eigentlich so nennen, bei mir? Ich war mir unschlüssig ob es überhaupt funktionieren würde. Doch ich wollte es wenigstens versuchen! Ich wollte keine Ausbildung beginnen. So albern es auch klang, ich wollte noch lernen. Wollte mehr verstehen, einen anerkannten Beruf ausüben und so hoffte ich wirklich, dass ich ein Stipendium erhalten würde. Ich klappte den Laptop zu und fragte mich, ob ich in diesem Beruf wirklich zufrieden sein würde… Ich wusste es noch nicht, doch das was ich gesehen und gehört hatte fand ich im ersten Eindruck zufriedenstellend. Mein Blick glitt über meinen Schreibtisch. Etwas Unordnung herrschte auf ihm. Abschlussprüfungen standen bevor und ich lernte dafür, doch meine Augen wurden von etwas anderem angezogen. Das Andere was meine Aufmerksamkeit verlangte war, dass nun nach über eineinhalb Jahren endlich Anklage gegen meinen Vater erhoben wurde. Ein Brief aus Texas war vor wenigen Tagen eingetroffen. Mein Anwalt hatte ihn an mich weitergeleitet. Ich war nervös wenn ich daran dachte, denn es bedeutete, dass ich auf ihn treffen würde. Dieser Prozess brach alles wieder auf, was verdrängt schien. Die Albträume die weniger geworden waren, waren wieder da. Fast wie früher! Wenn ich zu häufig nachdachte stieg die Panik, denn ich hatte das Gefühl diesen Tag nicht durchstehen zu können. Ich wollte nicht in dieses vertraute und gleichzeitig so verhasste Gesicht blicken. Die Fratze die mich damals hasserfüllt angesehen hatte, während er mich fast tot prügelte. Ich hatte Angst vor diesen Menschen, doch ich verbot mir dazu zu stehen. Ich wollte stark aussehen, taff, als ob ich damit abgeschlossen hatte. Doch ich wusste in meinem Inneren, dass ich damit nie abgeschlossen hatte. Ich hatte Angst, dass wenn ich meinem Vater gegenüberstand meine so hart aufgebaute Selbstachtung, eigentlich mein Leben, wieder aus den Fugen geriet. Meine Mutter wollte mich begleiten, ich hatte es ihr gar nicht zugetraut und auch Emily wollte unbedingt dabei sein. Auch wenn sie draußen warten müsse, sagte sie. Sie wollte, dass ich weiß, dass sie an meiner Seite war. Eric wollte kommen und es war so wunderbar zu wissen, dass diese Menschen wirklich an meiner Seite waren… Familie bestand wirklich nicht nur aus Blut! Familie war da wo man geliebt wurde. Doch trotz dieser Stützten hatte ich nicht wirklich das Gefühl, dass alles überstehen zu können. Die Wochen vor dem Gericht lenkte ich mich ab, doch heute Abend schaffte ich es nicht. Ich sah auf den Kalender, morgen war es genau zwei Jahre her, dass Jack weg war. Morgen wurde ich zwanzig. Wow, dachte ich mir, die Zeit rennt… Wo war sie denn geblieben? Morgen würden alle kommen, meine Freunde hatten eine tolle Überraschung geplant und auch Eric würde kommen. Diese Tatsache ließ mich trotz der Sorgen die ich hatte lächeln. Ich freute mich ihn wieder zu sehen. Jackson konnte leider nicht kommen. Da er auf einer Range arbeitete mussten die Tiere versorgt werden und konnte nicht einfach zurückgelassen werden. Doch es störte mich nicht. Wir telefonierten zwar, doch Jackson wird nie ein Familienmensch werden. Noch einmal raufte ich mir durch die braunen Haare und mahnte mich selbst ins Bett zu gehen. Ich konnte die Zeit nicht anhalten und auch nicht schneller laufen lassen, ich musste die Wochen zum Prozess einfach abwarten… Ich schlief unruhig, denn das Monster aus dem Krankenhaus verfolge mich gelegentlich noch und durch den Prozess hatte es neue Energie gewonnen! Mein Zimmer, die Schmerzen, alles war wieder da! Mein Puls schien zu rasen und die Dunkelheit, die allumfassende, ergriff wieder Besitz von mir! Kein Entkommen. Ich hatte Angst, spürte sie im Traum und ich hatte das Gefühl, dass ich das elende Piepen der Geräte wieder hören konnte. Ich wälzte mich hin und her und schreckte am frühen Morgen schon aus dem Schlaf. Ich strich mir durch die Haare und spürte kalten Schweiß auf meiner Stirn. Schwer durchatmend verließ ich schleunigst das Bett, als ginge von diesem Gefahr aus. Immer noch hörte ich das Pochen meines Pulses in meinen Ohren. Angestaute Wut sammelte sich in mir und ich verstand nicht warum. Woher kam auf einmal diese Wut? Ich spürte plötzlich, wie sie von mir Besitzt einnahm. Wieso?! Ich erinnerte mich an die Nacht, die letzte Nacht mit Jack! Es war als wäre sie gerade her gewesen. Ich spürte seine Finger auf meinem Bauch, die mich sanft streichelten, damit ich einschlief und er gehen konnte! Die Wut die Verzweiflung alles so schön verdrängt wollte wieder an die Oberfläche! Mein Körper begann zu zittern und plötzlich schlug das schlechte Gewissen auf mich ein! Wie Jack nie die Toten gezählt hatte, hatte ich nie meine Typen gezählt doch wegen jeden einzelnen durchströmte mich ein schlechtes Gewissen! Immer wieder versuchte ich die aufkommenden Gefühle von mir wegzuschieben, denn da war auch noch die Angst. Die Angst vor meinem Vater! Fast schon hastig zog ich meine Jogginghose an und stolperte aus dem Raum. Schmiss das T-Shirt von Jack auf mein Bett als würde ich mich daran verbrennen! Ablenken, war das einzige was ich wollte. Ich steckte mir Ohrstöpsel in die Ohren und drehte die Musik so laut, dass denken nicht mehr möglich war! Ich lief, versuchte tatsächlich einfach wegzulaufen. Weg von dem was ich erlebt hatte. Weg von meinen Gefühlen. Ich wusste nicht, wie lange ich lief doch meine Lunge brannte. Erst das Vibrieren meines Handys brachte mich zurück in die Realität. Ich hielt an nun merkte erst in dem Moment, dass der Schweiß meine Haut benetze. Ich blickte auf das Handy. Jenny… Schnell nahm ich ab und freudig meinte sie: „Hey, alles Gute zum Geburtstag! Endlich eine zwei davor! Wo bist du eigentlich? Willst du nicht mit mir Frühstücken?“ Ich atmete noch schwer und keuchte leicht als ich meinte: „Sorry… ich…ich musste etwas frische Luft schnappen. Bin joggen. Klar, komme ich… Danke Jenny.“ Ich lächelte, doch ich merkte, dass dieser Tag sehr anstrengend werden würde. Mir war nicht nach feuern und ich wusste, dass heute das tragen der Maske sehr schwer sein würde… Ich hatte Eric versprochen ihn vom Flughafen abzuholen und nachdem ich nach Hause gelaufen war, hatte ich gemeinsam mit Jenny gefrühstückt. Sie strahlte und hatte gute Laune! Allerdings wollte sie einfach nicht auf mich überspringen. Warum Jenny so am Strahlen war, wusste ich nicht, denn es war doch nur mein Geburtstag? Clay war noch im Ausland. Ich fuhr zum Flughafen und nach einiger Zeit sammelte ich Eric ein. Er sah mir nur kurz in die Augen und noch bevor er etwas sagte fragte er mich: „Was ist los?“ Ich blinzelte einige Male und sah ihn überrascht an, wie gut er mich kannte verblüffte mich. „…Lass uns… lass uns heute Abend sprechen okay, wenn alle weg sind“, bat ich und ernst. Ich hatte keine Lust auf meinem Geburtstag, doch ich musste ihn heute durchhalten! Eric nickte und sah mich unsicher an, doch er kannte mich und schien lieber abzuwarten. Wir fuhren nach Hause und ich versuchte fröhlich auszusehen. Denn eigentlich freute es mich, dass mein bester Freund da war. Erst gegen Nachmittag kamen meine Freunde. Es sollte gegrillt werden. Tatsächlich, waren für Emily sogar vegetarische Würstchen dabei. Sie alle, Ethan, Oliver, Alysha, und Emily kamen wie vereinbart am Nachmittag und Emily strahlte, als sie mir meine Überraschung präsentierte. Meine neuen Freunde, samt Emily, schenkten mir zu meinem zwanzigsten Geburtstag ein Surfbrett. Ich freute mich, denn damit hatte ich nicht gerechnet. Es war zudem herrlich Eric wieder für einige Zeit bei mir zu haben! Aufgeregt hielt mich Jenny das Papier entgegen, nachdem wir alle Kuchen gegessen hatten. Verwirrt sah ich sie an und sie meinte. „Es ist von College. Aus L.A. Ich vermutete deine Antwort! Mach sie auf. Vielleicht hast du Glück, heute ist doch dein Geburtstag! Die haben ja echt schnell geantwortet!“ Unsicher drehte ich den Brief in meinen Händen. Es war das gleiche College auf welches Ethan ging und welches tatsächlich die Uni wäre auf die ich am liebsten gegangen wäre. Fahrig öffnete ich den Brief und las ihn durch und als ich es las spürte ich kurz ehrliche Freude in mir, Vollstipendium… ich würde studieren können! Grinsend reichte ich meiner Schwester den Brief. Auch sie las ihn sich schnell durch und fröhlich drückte sie mich. „Oh das ist ja klasse“, rief sie fröhlich und grinste mich breit an. Ich nickte und strahlte. Ethan kam gleich zu mir und schlug freudig ein! „Cool“, meinte er grinsend, „dass du echt ein Vollstipendium hast! Du Streber! Man hast du Glück!“ Immer wieder nahm ich den Brief zur Hand und kurz, ließ ich den Blick schweifen, ja das war wirklich eine Geburtstagüberraschung… Plötzlich war die Feiern nicht mehr so schön, wie vor wenigen Sekunden. Denn derjenige dem ich dieses Geschenk zu verdanken hatte fehlte. Ich wusste es einfach! Ich betrachtete den Brief und blickte hinauf zu den Gästen. Alle schienen gute Laune zu haben und freuten sich für mich. Doch mir war nicht mehr nach feiern. Während die anderen noch Spaß hatten schlich ich mich hinauf in mein Zimmer. Wieder kamen die Gefühle hoch, die ich seit dem Morgen verdrängte! Wieder schob ich sie weg von mir! Ich hatte seit längerer Zeit keine E-Mails mehr an Jack verfasst, doch heute musste ich es einfach tun! Ich öffnete das Programm, immer noch war seine Adresse eingespeichert. „Der Brief von der Universität kam an. Vollstipendium! Danke! Ein tolles Geburtstagsgeschenk“, Ich hielt inne beim Tippen, nun war ich mir sicher, dass die Nachrichten ankamen. Ich war mir sicher, dass er wirklich noch ein Auge auf mich hatte. Er würde kommen wenn ich ihn brauchte, hatte er gesagt. Ich dachte an die Gerichtsverhandlung. Vor der ich so große Angst hatte und ehrlich schrieb ich es ihm: „Die Gerichtsverhandlung gegen Dad findet statt. Am 18 September… ich hab wirklich Angst Jack… Ich glaube, dass ich es nicht einfach so schaffen werde… Heute ist es echt nicht schön. Hey… ich liebe dich immer noch. Grüß Didi.“ Ich schickte sie ab und wie gewohnt, kam die Nachricht an, dass sie nicht zugestellt wurde. Ich schloss den Browser wieder und sah meinen Laptop an. Als hoffte ich, dass er mich durch ihn hindurch zu Jack bringen würde. Ich hörte es an meiner Zimmertür klopfen und ich strich mir kurz durch mein Gesicht. „Ja“, sagte ich und war überrascht das es nicht Jenny war die kam. Es war Emily. Wieder einmal. Ich seufzte schon fast leise auf als ich ihre so liebgewonnen grünblauen Augen sah. „Alles okay Jazzy“, fragte sie freundlich und erstaunlich sanft klang ihre Stimme. „Es ist alles klasse“, sagte ich fröhlich grinsend und nickte leicht. Es war wieder eine Maske die ich trug. Heute spürte ich sie wieder deutlicher als zuvor. Sie lehnte sich an den Schreibtisch und betrachtete mein Gesicht. „Ist es auch. Hey komm, jetzt können wir wirklich zusammen ziehen“, meinte sie begeistert und lachte fröhlich auf. Ich nickte und konnte nicht anders und lachte leise. „Ja du Verrückte such ne Wohnung…“, meinte ich, gab mich geschlagen und klappte den Laptop zu, „lass uns runter.“ „Ja… Hey Jazzy, ich hab dich lieb, ja“, meinte sie und ich vermutete, dass merkte, dass ich spielte. Ich blieb stehen und auch Emily drehte sich zu mir. Ich sah die ehrliche Sorge in ihren Augen schimmern und heute hätte sie mich fast zum Weinen gebracht. Ich wollte doch nicht, dass sie sich um mich Sorgte. Ich drückte sie. Nahm sie einfach liebevoll in den Arm. Nie zuvor hatten wir einander so umarmt. All meine Dankbarkeit floss in diese Umarmung und sanft, fast zärtlich streichelte ich ihr über den Rücken. Ich war ihr so Dankbar, dass sie mit ihrer Art immer versuchte mir zu helfen, für mich da zu sein. Auch sie drückte mich und sanft streichelte sie meinen Rücken, tatsächlich war ich schon sehr lange nicht mehr so umarmt worden. Wir sahen einander in die Augen und tatsächlich wirkten sie etwas heller als gewöhnlich. Vermutlich verstand sie gar nicht, was genau los war… „Wenn du heulst verschmiert deine Schminke, dass sieht scheiße aus“, meinte ich leise. Frech waren meine Worte, sanft meine Stimme und Emily schlug mir spielerisch gegen die Schulter. „Du Arschloch“, meinte sie und strich sich durch ihr Gesicht. Noch einmal drückte ich sie seitlich an mich und strich ihr über die Seite. Gemeinsam gingen wir runter und alle saßen sie im Garten und waren am Lachen. Jenny strahlte und als sie mich sah, winkte sie mich fröhlich zu sich. Sie war bester Laune, schon den ganzen Tag strahlte mit der Sonne um die Wette. Lächelnd ging ich zu ihr und sah sie fragend an. „Ich hab auch noch eine Überraschung für dich. Obwohl…“, sie zog mich etwas zur Seite, „ich weiß nicht ob es eine Überraschung für dich ist… Ich kann einfach nicht mehr abwarten es dir zu sagen! Clay hat mich gefragt ob ich ihn heiraten möchte!“ Sie deutete auf einen Ring und strahlte, doch als ich den Mund aufmachen wollte, um zu gratulieren legte sie mir freundlich, aber bestimmend einen Finger auf den Mund. „Und“, ihr grinsen wurde immer breiter, „du wirst Onkel! Jazz verstehst du! Ich bin schwanger!“ Nie hatten Jennys Augen fröhlicher geleuchtet, als in diesem Moment. Sprachlos sah ich sie an und drückte sie. Ich konnte nichts sagen! Tatsächlich überwältigte mich gerade diese Neuigkeit. Ich freute mich. Für Clay der nicht nur der Freund meiner Schwester war, sondern ein guter Freund ist und für meine Schwester die eine wunderbare Mutter sein würde! „Herzlichen Glückwunsch. Ich kann es kaum erwarten“, meinte ich ehrlich. Ich war schon oft Onkel geworden, doch damals war ich viel zu jung und unreif um mich darauf wirklich zu freuen! Doch bei Jennys Kind würde alles anders sein! Ich strich ihr über den Bauch und meinte: „Deswegen bist du also dicker geworden, jetzt kann ich es endlich sagen!“ Auch sie schlug mich, doch fester als Emily und in weniger als fünf Minuten nannte man mich zum zweiten Mal ein Arschloch! Doch es war mir egal, ich drückte meine Schwester an mich ran und küsste sie liebevoll auf die Wange. Diese Nachricht ließ mich die restlichen Stunden überstehen, doch als die Anderen später gingen und ich alleine mit Eric war, seufzte ich schwer auf, als sei mit dem letzten Gast eine Last von meiner Schulter gefallen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)