Les Misérables von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 10: X. -------------- Ryou fühlte sich wie ein Beutetier, das darauf wartete, die Schlange, die es gefangen hatte, möge zuschnappen. Yalik musterte ihn. Schon seit einer geraumen Weile. Und etwas in diesem Blick gefiel ihm nicht. Ganz und gar nicht. Hatte er irgendetwas falsch gemacht und ihn erwartete nun Bestrafung? Er konnte sich nicht vorstellen, was – die Kleidung, die er ihm zuvor besorgt hatte, schien auf Gefallen gestoßen zu sein und auch das Haus, in dem sie jetzt residierten, schien zu Yaliks vollster Zufriedenheit. „Du hast Angst“, schnurrte ihm plötzlich eine Stimme ins Ohr, sodass er zusammenzuckte. Wie war er nur so schnell … Natürlich. Er vergaß. Ryou schloss die Augen. Er zitterte. Er konnte nichts dagegen tun, er zitterte. Noch immer fürchtete er um sein Leben, doch er wagte es nicht, sich zu fragen, wie er von diesem Wesen fliehen konnte, denn er hatte das Gefühl, dass dieses seine Gedanken lesen konnte. Ein Kuss auf seiner Schläfe. Er erschauerte. “Mein wunderschönes Kind…“, säuselte der Mann und schob ihm das Hemd von den Schultern. „In meiner Zeit waren welche wie du als Lustknaben sehr gefragt…“ Ein weiterer Kuss auf die porzellanfarbene Schulter folgte und beinahe lag etwas Andächtiges darin. Hände, die seinen Körper umfingen und Ryou merkte, wie er schwach wurde, nur unter dieser Berührung. „Ich habe zu lange schon keinen Knabenkörper mehr genossen …“, wisperte er ihm sehnsüchtig ins Ohr und langsam dämmerte Ryou, dass sein Blut nicht der einzige Grund war, warum dieses Wesen ihn auserkoren hatte. „Bitte Herr“, murmelte er verzweifelt, die Hände auf seinem Körper spürend, welche sich ungeniert vorantasteten. Ein boshaftes Lachen. „Ich soll dich verschonen? Ich?“ Ryou biss sich auf die Unterlippe, um sie am Zittern zu hindern. Die Hände streiften ihm das Hemd von den Schultern, es zerriss, einfach so, ohne einen Laut und mit einem Mal wurde es ihm kalt, was nicht nur an der fehlenden Kleidung lag. Er spürte die Lippen, die an seinem Hals entlangtasteten, erschauerte einen Moment, denn ungewollt fühlte sich das schön an und es kam ihm völlig irrational vor, dann riss er erschrocken den Mund zu einem stummen Schrei auf, als sich zwei spitze Dornen in die Haut seines Halses bohrten und dann … dann kam da wieder dieser Schleier, der sich über seinen Blick legte. Olivier hustete und mit diesem Husten spürte er den metallischen Geschmack von Blut in seinem Mund, es drang über seine Lippen, er spuckte es aus, weil es so viel war, besudelte das weiße Nachthemd damit, hustete abermals und ließ sich dann stöhnend zurücksinken. Enrico, welcher solange am Fenster verharrt war, in Gedanken, bis der Junge eben von diesem Hustenreiz geweckt wurde, eilte besorgt an dessen Seite – sah das Blut, mit welchem er sich besudelt hatte und eine Welle aus Sorge und Angst überkam ihn. Er griff abwesend nach einem Leinentuch, um wenigstens den Großteil der Bescherung abzutupfen. Olivier ließ es über sich ergehen, als sei er eine Puppe. „Das schöne Nachthemd ist hinüber …“, murmelte der Junge. „Das Nachthemd ist meine geringste Sorge, Tesoro“, antwortete Enrico, während er zu Gange war und schickte in Gedanken nach Malik, welcher noch einmal einen heißen Kräutersud zum Inhalieren bringen sollte. Es handelte sich hierbei um eine arabische Zusammensetzung, die schon zuvor wahre Wunder gewirkt hatte. Zwar konnte sie Oliviers Schmerzen nicht heilen, aber zumindest lindern. „Enrico, was beschäftigt dich…?“, sprach Olivier mühsam, als er sich einigermaßen von dem Hustenreiz erholt hatte, die Tatsache versuchend zu ignorieren, dass es sich anfühlte, als habe ihm jemand heiße Eisenstäbe in die Lungen geschoben. Enrico hielt inne. „Was meinst du, Täubchen?“ Olivier legte den Kopf schief und lächelte schwach. „Ich spüre, dass dich irgendwas beunruhigt – und dieses … Irgendwas hat mit mir nichts zu tun.“ Enrico schwieg. Sah ihm jetzt schon ein kranker Sterblicher an, dass die Sorge um Oliviers Gesundheit nicht die einzige Sorge war, die auf ihm lastete? Er trug die Verantwortung um ihrer aller Sicherheit und es ging dabei um ein Wesen, von dem er nicht wusste, wie er ihm bei kommen sollte. Zumindest kein zweites Mal. Bereits einmal war Yalik zu Stein geworden. Wieso nur konnte er sich zwar daran erinnern, DASS es passiert war, aber nicht daran, wie? Das bereitete ihm Kopfzerbrechen. Aber er wollte Olivier auf keinen Fall beunruhigen, nicht in diesem kritischen Zustand. Natürlich könnte er ihn umwandeln, jetzt, um ihm weiteres Leiden zu ersparen, doch da war noch die geringe, lächerliche Hoffnung in ihm, der Junge möge, wie durch ein Wunder gesunden und die Qual der Ewigkeit bliebe ihm erspart. Zumindest für eine Weile. Denn Enrico musste sich plötzlich eingestehen, dass er Olivier so, oder so nicht hätte gehen lassen, ob er nun noch zehn Jahre gewartet hätte bis zu seiner Verwandlung, oder es jetzt tat. So würde der Junge nun sein puppenhaftes Äußeres bis in alle Ewigkeit behalten. Er verschwieg es ihm. Wer brachte es nicht über sich. Schließlich lächelte er und küsste den Jungen vorsichtig, die Krankheit machte ihm selbst ja schon längst nichts mehr aus. „Mach dir keine Sorgen, mein Täubchen“, wisperte er, während Olivier die Augen schloss. „Mach dir keine Sorgen, es ist nichts“, und fühlte sich seit Jahrhunderten das erste Mal bei einer Lüge abgrundtief schlecht. „Enrico…“ „Ja…?“ Ein abermaliges Husten sorgte für eine Art Kunstpause zwischen Oliviers nächsten Worten. „Auch, wenn das eben wahrscheinlich eine Lüge war, wollte ich dir nur sagen, dass … ich dich liebe …“ Enrico spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen, das erste Mal nach so langer Zeit. Er ergriff Oliviers blasse Hand und hauchte ihm mit all der Ehrerbietung, die ein Kaiser einem so wundervollen Geschöpf nur entgegenbringen konnte, einen Kuss darauf, ließ seine Lippen auf der Haut verweilen, spürte, wie langsam und zäh das Blut unter ihr floss, wie der Herzschlag versuchte, konstant zu bleiben, und es wohl nicht mehr lange dauern würde, ehe der Tod Olivier holen wollte. Und dann weinte er. Die blutigen Tränen benetzten die schneeweiße Hand, welche behutsam tröstend ihm über die Wange strich und schließlich fasste Olivier ihm mit erstaunlicher Bestimmtheit an beide Wangen, damit er ihm in die Augen sehen musste, er betrachtete eine kurze Weile die blutigen Rinnsale auf der marmornen Haut, dann sagte er sanft: „Komm…“, und Enrico glitt, wie an einem unsichtbaren Seil gezogen zu Olivier auf das Bett, dieser zog ihn an sich und er bettete den Kopf an seiner Brust, in welcher das schwache flatternde Herz schlug, wie ein gefangenes Vögelchen. Und so lagen sie da gemeinsam auf dem blütenweißen Bett und nun war Enrico es, der sich schwach fühlte, der sich gehen ließ, er der immer die Fassung bewahrt hatte, er der immer stark gewesen war, er, der Jahrtausende überdauert hatte, er vergoss die bittersten Tränen, die er je in seinem Leben vergossen hatte, weinte um das Leben Oliviers und über das Schicksal, das er ihm aufbürden musste und, dass er zu schwach war es nicht zu tun, weil er Olivier all seiner Liebe ausgesetzt hatte, die er jemals einem Geschöpf gegenüber empfunden hatte. Olivier schwieg und ließ ihn weinen und war ergriffen darüber, dass Enrico ihn ebenso zu lieben schien, dass er ihm erlaubte, ihn so zu sehen, zu erleben, welch einen größeren Liebesbeweis mochte es wohl zu geben? Seine zarten Finger streichelten durch das seidige, goldene Haar, den Blick an die Decke gerichtet, traten ihm selbst die Tränen in die Augen, weil es ihm das Herz brach, zu wissen, dass er Enrico hier würde zurück lassen müssen und er wusste, allzu lang würde es nicht mehr dauern, das Atmen fiel ihm schwerer, Stunde um Stunde. Sie lagen eng aneinander, als Malik später mit dem Sud den Raum betrat. Er sah die beiden und ein schmerzvolles Lächeln schlich sich auf seine Züge, während er wortlos den Aufguss in die Vorrichtung goss, welcher Olivier das Inhalieren erleichtern sollte. Dann verließ er den Raum wieder. Enrico erhob sich schwer von Oliviers Seite, um nach dem Schlauch zu greifen, an dessen Ende sich eine Art Atemmaske befand und reichte es dem Jungen, half ihm, es sich vor Mund und Nase zu halten, weil er fast schon zu schwach war, die Hand aufrecht zu halten für eine längere Zeit. Olivier versuchte tiefe Atemzüge zu nehmen, der warme aromatische Dampf tat seinen geschundenen Lungen wohl und verschaffte ihm Linderung, wenn auch nur für eine Weile. Die darauf folgenden Tage und Nächte schloss Enrico sich bei Olivier ein, Stunde um Stunde an seinem Bette wachend, was Olivier, welchen inzwischen auch hohes Fieber plagte mit Kummer zur Kenntnis nahm. Auch einem Vampir merkte man irgendwann eine gewisse Erschöpfung an, wenn er nicht trank, so alt er auch sein mochte. Die wachen Stunden, die er nicht im Delirium verbrachte, wurden immer weniger, immer kürzer, schon bald war es ihm schwer, überhaupt etwas wahr zu nehmen, die Zeit hatte keine Bedeutung mehr, sie wurde nicht in Stunden gemessen, sondern in den Abständen, in welchem man ihm die Dampfbehandlung angedeihen ließ und alsbald war er auch dafür zu schwach. Und schon bald spürte Enrico, dass Oliviers Zeit gekommen war. Er saß an seinem Bette, wie er es immer tat, die letzten zwei Wochen, die erfüllt waren, von schwerem Blut, von Bangen und verlorenem Hoffen, er möge doch wie durch ein Wunder gesunden, aber Oliviers Körper war, wie erwartet zu schwach gewesen. Die Sonne ging gerade unter, sie warf Strahlen von glühendem Gold in das Zimmer. Oliviers Blick war erstaunlich klar, wie er so dalag, so schmal und zerbrechlich, wie nie zuvor, der Körper war nur mehr aus Haut und Knochen. „Es ist so … traurig …“, sagte der Junge leise, so leise, er konnte kaum sprechen, während Enrico seine Hand fest umgriffen hielt. „Ich hätte zu gerne … noch einmal … Rom gesehen …“ Ein Husten, der den entkräfteten Körper erbeben ließ, bei jedem qualvollen Atemstoß viel zu viel Blut. Hatte er überhaupt noch welches? „Das kannst du, mein Täubchen…“, sagte Enrico mit erstickter Stimme. „Du kannst hier bei mir bleiben … wenn du es willst und … ich werde dir die Stadt zeigen in ihrer ganzen Schönheit…“ Olivier schloss die Augen, woraufhin sich zwei klare Tränen lösten und lautlos über die blassen Wangen rannen. „Das wäre … zu schön …“ Enricos Finger krampften sich um die zarte Hand, die sie hielten. Noch konnte er einhalten in seinem Vorhaben, Olivier vor dem Fluch der Ewigkeit bewahren, der ihn womöglich härter zerbrechen konnte, als eine Krankheit es jemals vermochte. Aber Olivier war noch so jung! Er wusste doch kaum, wie schön das Leben auch sein konnte, welche Geheimnisse es einem noch offenbaren konnte. Er war gerade seit wenigen Tagen 15 Jahre alt, das war kein Alter, kein Alter … Enricos Blick wurde Ernst. Nein. Er konnte nicht. Konnte ihn nicht gehen lassen, ohne sich daraufhin selbst ins nächste Feuer zu stürzen, um seiner Qual über diesen Verlust Linderung zu schaffen. Behutsam zog er das dünne, blutbesudelte Laken von Oliviers hagerem Leib – ein Stich fuhr ihm in die Brust, als er ihn so sah, dann umfasste er den ausgemergelten Leib, der nichts mehr wog, und hob ihn an, stets den schwächer werdenden Atem gewahrend. Das Fenster schwang auf, er sprang auf das Sims, sein Blick ging für den Bruchteil einer Sekunde in die Ferne. Dann glitt er herab, landete geräuschlos inmitten des leicht verwilderten, doch noch immer wunderschönen, Gartens. Oliviers Lider flatterten und er sah direkt in die Sonne, auch wenn ihm die Augen davon schmerzen mochten, sog ihre helle, liebende Wärme ein letztes Mal in sich auf, ein letztes Mal die Schönheit dieser Welt, den Tag, das Licht, den Garten und er lächelte und sein Blick wurde matter. „Vergib mir“, wisperte der Kaiser, dem blutige Tränen in den Augen standen, dann senkte er die Lippen herab, und die weißen Dornen durchstießen die Haut, die so dünn war wie Pergament. Er wusste, dass er nicht viel nehmen durfte, so entkräftet, so blutleer, wie Olivier jetzt schon war, wenn er ihm so viel nahm, dass sein Herz aufhörte, zu schlagen, dann wusste er, war der Junge für immer verloren, dann konnte er ihn niemals wieder zurück holen und so trank er zwei Schlucke, drei vielleicht, saugte die Krankheit, die in Olivier wütete, aus, wie Schlangengift, dann hielt er inne. Sah auf den Jungen herab. Der sah ihn an, mit klaren, hellen Augen, war still, war ruhig, harrend dem Kommenden, harrend der Willkür dieses ewigen Wesens und das letzte, das Olivier von dieser Welt wahr nahm, war das Sonnenlicht, welches gerade am Horizont verschwand. Und dann … spürte er den süßen Nektar des ewigen Lebens auf den Lippen, einzelne, sanfte Tropfen, süßer als das Paradies und er konnte ihre Quelle nicht erkennen. Sacht leckte die Zunge nach draußen, erhaschte den ersten Tropfen und er erschauerte, begann schließlich instinktiv nach der Quelle dieses süßen Tropfens zu tasten und sie erschloss sich ihm bald, Enrico presste ihm sanft das Handgelenk gegen die Lippen – erst verweilte die Zunge leise kitzelnd auf der gerissenen Wunde, dann setzte ruckartig ein Saugen ein, Enrico gewahrte es mit steinerner Miene, er gab ihm so viel, er trinken mochte, denn sein Körper war noch immer so schrecklich entkräftet. Das Saugen wurde alsbald stärker, gieriger und Enrico spürte dieses leise Pochen, ein Zeichen dafür, wie verbunden sie schon waren, er spürte den erstarkenden Herzschlag des Jungen, den Willen mit aller Macht am Leben festzuhalten und bald begann ihm selbst zu schwindeln und so musste er sich fast losreißen, damit Olivier innehielt. Enrico sank erschöpft nach hinten, der Körper des Jungen war ihm entglitten, das nun Folgende musste Olivier nun alleine durchstehen. Und schließlich begann seine Verwandlung. Olivier fühlte sich, als flösse geschmolzenes Eisen durch seine Adern, der Puls wurde schneller, schneller, so schnell, bis er ihn als unerträglich lautes Dröhnen in den Ohren wahrnahm, die Augen waren weit aufgerissen und mit jedem Pulsschlag, der durch seinen Körper ging, sah Olivier sein Leben etappenweise vor seinem inneren Auge vorüberziehen, es wurde immer schneller, so schnell, dass ihm bald davon schwindelig wurde und das glühende, flüssige Eisen, das wurde immer heißer, so heiß, dass er von den Schmerzen beinahe wahnsinnig wurde, die Bilder, die Geräusche – seine eigenen Schreie – das alles wurde zu einer immer schneller wirbelnden Kakophonie, bis die Welt um ihn herum in einer Kaskade aus gleißend hellem Licht explodierte, er riss die Augen weit auf und die Sterne am Himmel waren so nah, sie stürzten auf ihn ein und dann glaubte er sterben zu müssen, während sein Körper sich noch aufbäumte, seine zarten Hände sich so tief ins Gras krallten, dass sie die Erde durchbrachen und Gras und Erde büschelweise ausrissen und dann … … ließ das Aufbäumen nach. Sein Körper lag still. Die Verwandlung war vollzogen. Mit schwer sich hebender und senkender Brust lag Olivier im Gras und starrte mit weit aufgerissenen Augen gen Firmament, an welchem längst die Sterne standen. Er hatte kein Zeitgefühl mehr. Zeit war mit einem Schlag bedeutungslos geworden. Enrico, der die Verwandlung still beobachtet hatte, ohne einzugreifen, jedoch nicht ohne Oliviers Schmerz am eigenen Leib spüren zu können und das war ihm beinahe unerträglich gewesen, gewahrte beinahe mit Ehrfurcht die Verwandlung, die mit dem Körper, der ihm bereits zuvor so wundervoll vollkommen gewesen war, vorgegangen; Der Körper, welcher zuvor so gezeichnet von Krankheit und Pein, war nun nicht minder zart, jedoch wirkte er kraftvoll und dynamisch und gesund, wie er sein sollte, die Zähne, so strahlend weiß sie zuvor schon gewesen sein mochten waren in eine perfekte Anordnung gerückt, gekrönt von zwei anmutigen, zierlichen Eckzähnen, wunderschöne Dornen, die Haut wie Porzellan, so makellos und rein und die zuvor blauen Augen hatten nun einen viel tieferen eigentümlichen, violetten Einschlag und das Haar … es war nicht mehr stumpf und matt, wie in der Zeit von Oliviers Krankheit, ein neuer Glanz hatte Besitz von ihm ergriffen, wie Seide, oder flüssiges Kristall. Enrico war sehr ergriffen. Mein Gott, welch ein perfektes Geschöpf hatte er da erschaffen. Beinah wollten ihm erneut die Tränen kommen, doch mit Mühe hielt er sie zurück. „Olivier …“, sagte er leise, andächtig, doch der Knabe schien ihn kaum zu hören, zu sehr mit sich selbst beschäftigt, mit seiner eigenen neuen Form. Olivier hatte sich erhoben, in eine sitzende Position und betrachtete versunken seine kristallen wirkenden Fingernägel, befühlte mit Zunge und Fingerspitzen vorsichtig die neuen Eckzähne, zuckte kurz zurück, weil sie so spitz waren. Noch wollte er nicht begreifen, was sein Verstand versuchte, ihm zu überbringen, zu schnell war all das gegangen. Hatte er nicht noch in seinem Krankenbett gelegen und seines Endes geharrt? Hatte nicht unerträglicher Schmerz seinen Körper geplagt und ausgezehrt, hatte nicht der Schnitter an seinem Bettende gestanden? Wieso war er jetzt hier unter den Sternen, wieso war er gesund, das war … nicht richtig. Mit unsicheren Gliedern stand der Knabe auf, überrascht über die neue Kraft, die es ihm ermöglichte, denn zuvor hatte er nicht einmal mehr alleine sitzen können, weil ihn das so sehr angestrengt hatte. Er blickte an sich hinunter, noch immer trug er das blutbesudelte, weiße Gewand, in dem der Geruch der Krankheit haftete, den er nun selbst das erste Mal so intensiv wahrnahm, wie Enrico es die letzten Wochen hatte ertragen müssen. Noch immer leicht benebelt schüttelte er den Kopf, ging ein, zwei unsichere Schritte, ehe Enrico ihn einfing und in die Arme schloss. „Es ist vorbei, mein Täubchen“, wisperte er, „Weder Tod, noch Krankheit können dich jetzt noch von mir fortreißen…“ Und schließlich begriff Olivier. „Du hast mich …“ „… verwandelt, ja…“ „… verflucht.“ Mit einem Ruck, der für sie beide unerwartet heftig ausfiel, machte Olivier sich von ihm los und blickte ihn so voller Verstehen und Klarheit und Schmerz an, dass Enrico einen Moment um Worte rang. „Du hast mich verflucht, zu einem, einem … Dämon gemacht!“ Entsetzen spiegelte sich auf den Zügen des Knaben wieder. „Olivier“, sagte Enrico bemüht sanft, “ich hatte keine Wahl, ich-“ „ICH, genau, das ist es! Du hättest mit mir darüber sprechen müssen, und stattdessen hast du auf den Moment gewartet, in dem ich nicht mehr WIDERsprechen konnte, du SCHEUSAL!“ Die Worte trafen den ehemaligen Kaiser hart und wider jeder Vernunft ereiferte er sich: „Sag mir, wolltest du mich etwa verlassen? Nennst du das denn Liebe?“ Olivier schnappte empört nach Luft, dieser Wortschinder, ging es ihm durch den Kopf und ehe er es sich versah, hatte sich Enrico eine Ohrfeige eingefangen, die einem Normalsterblichen wohl das Genick gebrochen hätte – er ruckte zur Seite, hatte einen Moment nicht mit solch einer Stärke gerechnet, genauso wenig, wie Olivier, der einen Augenblick lang erst ungläubig seine Hand und dann Enrico und wieder seine Hand anstarrte und schließlich auf dem Absatz kehrt machte und in Richtung des Hauses davon stürmte. „Himmel!“, knurrte Enrico, sich durch die Haare fahrend und einen Moment lang durchatmend, ehe er aufstand, um Olivier hinter her zu eilen, der, als er den Eingang durchschritt bereits am Ansatz der Treppe war. „So warte doch!“, rief er ihm hinterher. „Du sollst mich in RUHE lassen!“, schrie Olivier, wobei seine Lungen wider Erwarten herrlich kraftvoll wirkten, während er sich den nächstbesten Gegenstand griff, ein antiker, kupferner Teller, und ihn mit aller Kraft in Richtung Enricos schleuderte, der gerade noch den Kopf einzog, sodass das wertvolle Stück aufgrund der Wurfkraft einen Millimeter über seinem Haarschopf in einer Säule einschlug und mit einem leisen ‚Zing‘ nachvibrierte. „Oli…vier…?“, murmelte er perplex und starrte ein wenig verdattert und gerade mit einem Deja-vue, denn dieselbe Situation hatte er vor 2000 Jahren mit Bakura erlebt, zu seinem Feinsliebchen, welches sich drauf und dran machte, die Treppe zu erklimmen und so musste er wohl oder übel die Verfolgung weiter aufnehmen. Olivier war bereits an der Hälfte der Treppe, als er Enrico bemerkte und aus einem kleinen Seitenerker griff er sich eine kostbare Vase, welche zum nächsten Wurfgeschoss auserkoren wurde, holte aus und – Da war Enrico hinter ihm und hielt ihn am Handgelenk fest, sodass die Vase ihm überrascht aus der Hand fiel und Enrico sie mit der freien Hand auffing. „Ich wünschte, du würdest das lassen“, sagte er behutsam und führte Oliviers erhobene Hand neben seinen Körper zurück, „Weißt du, diese Gegenstände sind von einem unschätzbaren historischen Wert, ihr Verlust wäre wirklich ein Jammer.“ Olivier blickte ihn aus großen wütenden Augen an und durch diese Wut hindurch konnte Enrico sehr deutlich seine Verletztheit wahrnehmen. Er stöhnte innerlich. Bakura war damals nicht so schwierig gewesen. „Lass uns darüber reden“, bat Enrico. In Oliviers Augen standen Tränen, er mied seinen Blick. „Ich will jetzt überhaupt nicht reden“, sagte er, zog sein Handgelenk aus Enricos Griff, drehte sich um und stieg dann die Treppen hinauf, bis zu seinem Zimmer. Enrico widerstand dem Impuls, ihm nachzugehen. Er konnte verstehen, dass Olivier nun erst einmal Zeit für sich brauchte und so beschloss er, ihn erst einmal zu lassen, sodass er seine Gedanken sortieren konnte, auch, wenn es ihm missfiel. Olivier schloss die Türe hinter sich ab. Im Zimmer war es dunkel, doch die Dunkelheit beeinträchtigte nicht länger seine Sicht. Er sah den Raum in seiner ganzen Weite, alles scharf, alles deutlich. Er schloss die Augen. Öffnete sie dann wieder. „Das ist ein Traum“, murmelte er, trat dann vor einen Spiegel, um sich anzusehen. Angeblich hatten Vampire doch kein Spiegelbild. Er aber sah sich in aller Deutlichkeit und die Vollkommenheit, die er sah, erschreckte ihn. Olivier riss sich von seinem Spiegelbild los und ging hinüber zum Bett. Der Geruch von Blut stieg ihm in die Nase, es war sein eigenes, das er unlängst durch die Krankheit verloren hatte. Es roch widerlich metallisch und bitter, er verzog das Gesicht und unterdrückte einen Würgereiz, dann riss er abrupt das gesamte Bettzeug herunter und schleuderte es in den Kamin, welcher im Zimmer war und riss sich schließlich auch das blutbesudelte Nachthemd vom Leib und ließ es folgen und sah sich dann nach etwas um, mit dem er den Kamin anzünden konnte. Er fand auf dem Kaminsims Streichhölzer, nahm eines heraus, entzündete es und warf es in die Laken. Zuerst kokelte es nur leicht, doch dann entzündete er den Rest der Packung ebenfalls und schließlich umleckten keine zwei Minuten später mittelgroße Flammen die Laken. Das bisschen trockene Holz, welches sich noch im Kamin befunden hatte, knisterte leise. Olivier hockte sich vor den Kamin auf den Boden und stützte das Kinn auf die angewinkelten Knie, dabei stumpf in die Flammen starrend, die zwar auffallend grell waren, im Vergleich zu früher, aber dennoch etwas Tröstliches, Symbolisches hatten. Er war nackt, doch seine Nacktheit störte ihn nicht mehr. Er fror auch nicht. Unzählige Gedanken gingen Olivier durch den Kopf. Noch immer weigerte sich etwas in ihm, sich mit diesem neuen Zustand abzufinden. Vielleicht, wenn er einfach so tat, als hätte sich nichts verändert … Doch das war Blödsinn. Nichts würde mehr so werden, wie früher. „Hab ich nicht genug an Gott geglaubt, ist das meine Strafe?“, fragte er die Flammen und dann: „Gibt es überhaupt einen Gott? Stellt er mich auf die Probe, soll ich Buße tun?“ Olivier befiel der Wunsch, zu beichten. Und gleichsam befiel ihn eine eisigkalte Wut auf die Kirche, Wut auf Gott. Wut auf alles. Würde er nun Blut trinken müssen? Er verspürte Hunger. Schrecklichen Hunger und es kam ihm widerwärtig vor. Er konnte doch früher nicht einmal einer Maus etwas zuleide tun, die sich in einer Falle verfangen hatte. Jetzt sollte er Menschen … Er dachte diesen Gedanken nicht zu Ende. „Ich kann das nicht“, wimmerte er und ließ die Stirn auf die Knie herabsinken, sein Gesicht verbergend. „Ich kann das nicht, niemals.“ Schließlich kauerte er sich auf dem Boden zusammen, dort vor dem Kamin in Embryonalhaltung, kam sich verloren vor und schwach und hatte Angst vor dem, was er jetzt war. „Oh, Herr…“, wisperte er, „Wieso ….?“ Malik hatte sich während all das geschehen war, in jenem Zimmer aufgehalten, das er sich mit Bakura teilte. Bakura hatte ihm nicht gesagt, was Enrico da mit Olivier vor hatte, war er doch noch der festen Auffassung, Olivier, der ihm wie ein kleiner Bruder geworden war, verloren zu haben – umso mehr hatte ihn dann dieses laute Stimmengewirr auf der Treppe zutiefst verwirrt und er war sehr unruhig geworden. Bakura hatte es ihm verbieten wollen, doch er hatte sich nicht davon abbringen lassen können, nach Olivier zu sehen, und so schlich er vorsichtig zu dessen Zimmer, von welchem er das laute Türeschlagen vernommen hatte. Er blieb stehen und lauschte. Kein Geräusch drang durch die Tür, nichts, und für eine Weile überlegte er, ob er sich dies nicht doch nur eingebildet hatte, dann drang ein leises Aufschluchzen an sein Ohr. Doch das war alles, es war wieder still. „Olivier …?“, wisperte er und klopfte und er hatte keine Ahnung, was gerade allein durch seine Präsenz mit dem Jungen auf der anderen Seite der Türe vor sich ging. „Ich bin es…“ „Ich fürchte, dies ist kein guter Zeitpunkt“, ließ ihn Enricos Stimme zusammenzucken. Malik wirbelte herum und fühlte sich ertappt und als er Enrico erblickte, gewahrte er mit Erstaunen, dass dieser sehr müde aussah und irgendwie mitgenommen, einen Zug, den er bei dem Italiener zuvor noch nie bemerkt hatte. „Bitte sagt mir, was da los ist, was ist passiert? Ich weiß, dass etwas mit ihm passiert ist, obwohl ich viele schreckliche Momente dachte, ihn zu verlieren – ich bitte Euch; Lasst mich nicht länger im Ungewissen.“ Enrico schwieg, starrte einen Augenblick die Tür an, hinter welchem er Oliviers innere Qual und seinen Hunger spüren konnte, der ihn befallen hatte, als er Malik durch die Türe wahr genommen hatte. Dann sah er den Ägypter wieder an. „Er gehört jetzt zu meinesgleichen.“ Malik schloss einen Augenblick gequält die Augen. „Das ist nicht wahr…“ Aber kein Vorwurf lag in seiner Stimme und das erste Mal respektierte Enrico Malik für sein Wesen und nicht nur für seinen Körper. „Ich würde gerne irgendetwas für ihn tun“, sagte Malik leise, „Aber ich weiß nicht, was …“ Enrico schwieg wieder eine kurze Weile. Vielleicht war es gar nicht so verkehrt, wenn … „Du könntest in der Tat etwas für ihn tun …“ Wenig später öffnete sich das Schloss, wie durch Geisterhand und die Tür schwang auf – Malik sah Olivier auf dem Boden kauern und warf Enrico, der hinter ihm eingetreten war und vorerst an der Türschwelle stehen blieb, einen Blick zu. Dieser nickte. „Olli“, sagte er leise und kniete sich zu dem Knaben hinab, strich ihm dabei sanft über den Oberarm. „Komm, steh doch auf, bitte…“ „Lass mich allein, Malik“, kam es dumpf gemurmelt von der zusammengekauerten Gestalt. „Ich weiß, was passiert ist, er hat es mir gesagt. Bitte komm doch, lass dich wenigstens mal ansehen.“ Malik redete mit Olivier, wie mit einer verschreckten Katze, geduldig und liebevoll, obgleich er auch ein wenig Sorge, wenn nicht gar Angst verspürte. Tatsächlich regte Olivier sich, richtete sich zumindest auf und sah Malik an, welcher einen kurzen Augenblick im Flammenschein die gewahrte, die mit seinen Augen vorgegangen war. Aber das kümmerte ihn nicht. Olivier war Olivier, egal, ob Mensch, oder Vampir. Alleine die Traurigkeit in seinen Augen tat ihm weh. Schließlich zog er ihn einfach in seine Arme und war ein bisschen überrascht, als der Knabe die seinigen plötzlich um ihn schlang und bitterlich weinte. „Schh …“, machte er geduldig, „Enrico sagt, dass du … etwas zu dir nehmen musst, dann wird es dir sicherlich besser gehen …“ „Nein, nein, nein, das verstehst du nicht, Malik … ich kann nicht, ich-“ Malik fasste ihn bei den Schultern und drückte ihn sanft von sich weg, um ihn ansehen zu können. „Hör mir zu“, sagte er. „Ich weiß, dass du heute viel durchgemacht hast, zuviel, wenn man mich fragt-“ Ein vorwurfsvoller flüchtiger Blick über die Schulter, „Aber sieh‘, ich bin hier, um es dir einfacher zu machen. Du musst keine Angst haben, jemandem weh zu tun, denn ich will es dir freiwillig geben …“ Olivier starrte ihn an, schüttelte leicht ungläubig und verzweifelt den Kopf. „Das ist unmöglich, was, wenn ich …“ „Dafür werde ich sorgen“, sagte Enrico langsam, welcher Oliviers Angst, sich nicht kontrollieren zu können, jemanden ernsthaft zu verletzen, erahnte. Der Junge hatte so ein zartes Gemüt. Aber er war auch stark, das wusste er. „Ich werde die ganze Zeit hier sein und dir sagen, wann es genug ist, bevor du ihn ernsthaft verletzen würdest.“ Olivier starrte einen Augenblick zu Malik, dann zu Enrico und schließlich wieder zu Malik. Er öffnete die Lippen leicht und plötzlich nahm er wahr, wie das Leben in seinem Freund pulsierte und dieses Pulsieren zog ihn an. Abermals schlang er die Arme um Maliks Hals, ähnlich, wie in einer Umarmung, doch diesmal fanden seine Lippen ihr Ziel. Die Zähne durchstießen die bronzefarbene Haut und über Maliks Lippen drang kein Laut, auch wenn ihn das etwas an Selbstbeherrschung kostete, er wollte nicht, dass Olivier sich selbst bis an sein Lebensende verabscheute, weil er ihm wehtun musste. Und dann nahm Olivier das erste Mal bewusst das Blut als Nahrung wahr, er begann leicht zu saugen, weil ihm die wenigen Tropfen, die von selbst aus der Wunde flossen, nicht genug waren und schließlich trank er vorsichtig in kleinen Schlucken und mit jedem Schluck wuchs seine Gier und wurde mehr und mehr und … „Es reicht jetzt…“, drang Enricos Stimme an sein Gehör, aber Olivier wollte nicht aufhören, er hatte noch nicht genug, er … Dann spürte er eine Hand sanft ihm Nacken, die ihn dazu zwang von Malik abzulassen und mit leicht geröteten Wangen und verklärtem Blick starrte er seinen Freund an, welcher sich leicht benommen erhob und sich auf dem Sofa im Raum niederließ, um sich wieder zu sammeln. „Komm jetzt“, sagte Enrico und streckte ihm eine Hand hin, um ihm beim Aufstehen zu helfen, „Ich habe veranlasst, dir ein Bad einzulassen und dann kleiden wir dich neu ein. Diesen schrecklichen Streit lass uns meinetwegen zu einem späteren Zeitpunkt fortführen, aber bitte nicht jetzt.“ Olivier ergriff seine Hand schließlich und ließ es sogar nach kurzem Gegenwillen zu, dass Enrico ihn in eine Umarmung zog und so hielt der ehemalige Kaiser den nackten Jungen still an sich gedrängt, denn er spürte, dass er gerade das jetzt brauchte, allem äußeren Widerwillen zum Trotz. Ryou hatte mit Sorge beobachtet, wie sich ein gehässiges Lächeln auf Yaliks Züge geschlichen hatte, dann hatte dieser gemurmelt: „Sieh mal einer an, so gibst du diesen Fluch also weiter, werter Kaiser… Warte nur, bald werde ich dir das entreißen, was dir das Teuerste ist …“ „Herr...?“ Yalik reagierte nicht sofort auf die Ansprache, welche Ryou eine enorme Kühnheit abverlangte. Dann irgendwann, als hätte er eben erst bemerkt, dass Ryou mit ihm gesprochen hatte, erwiderte er verstimmt: „Hatte ich nicht gesagt, dass du mich nur anzusprechen hast, wenn ich es dir erlaube?“ Ryou presste die Lippen zusammen. „Ich möchte nicht anmaßend sein, aber gestattet Ihr mir bitte eine Frage?“ Yalik bedachte den Jungen, der ihn wenig zuvor beinahe hatte schwach werden lassen mit gelassener Teilnahmslosigkeit. „Sie sei dir gestattet.“ „Nun, es … ich weiß nicht, von wem Ihr da ständig sprecht und es geht mich nichts an, das weiß ich, aber wieso … seid Ihr so … versessen darauf, an diesem … wer immer er auch sein mag, Rache zu üben, ich meine, Ihr habt wohl tausende von Jahren im Schlaf verbracht, wieso seht Ihr Euch diese Welt nicht an, wie sie heute ist, wieso…“ Ryou brach ab, da er wohl merkte, dass er zu weit gegangen war, aber seltsamerweise verspürte er gerade jetzt keine Angst, als Yalik sich von seinem Platz erhob und vor ihn hintrat. Dann packte er ihn geschwind und grob mit einer Hand an den Wangen und riss seinen Kopf in die Höhe. „Du willst mir sagen, was ich zu tun habe?“, stellte er fest und Ryou versuchte mit aller Macht diesem Blick stand zu halten. „Nein, Herr“, presste er hervor, während ihm der Kiefer zu schmerzen begann, „Ich … dachte nur …“ „Ha, du denkst!“ Yalik versetzte ihm einen Stoß, sodass er stolperte und hinstürzte. „Sklaven haben nicht zu denken, Sklaven haben zu funktionieren!“ „Ich muss Euch enttäuschen, aber die Sklaverei ist bereits vor einigen Jahren abgeschafft worden.“ Einen Moment lang hielt Yalik verblüfft inne, dann brach er, sehr zu Ryous Verwirrung in schallendes Gelächter aus. „So, du willst diese Welt also so gut kennen, wie? Nun gut. Bis ich meine Rache vollziehe muss noch eine Zeit vergehen, also sehe ich kein Hindernis darin, dass du sie mir zeigst, diese Welt, von der du so redest. Schon allein der Mut, mit dem du da vor mich trittst, sollte belohnt werden.“ Warum eigentlich nicht? Sollte dieser Jüngling ihn ruhig ein wenig hier herumführen, vielleicht gab er ihm ein wenig Wein zu trinken, damit er lockerer wurde – Zuerst war es Yalik egal gewesen, er hatte in Ryou nur einen Lustknaben gesehen, wie es sie beliebige früher an seinem Hof gegeben hatte und selbst wenn sich ein Auserkorener, oder eine Auserkorene einmal geweigert hatten, so hatte er auch vor Vergewaltigungen nicht zurückgeschreckt, denn für Yalik hatten sie nie Gesichter gehabt, sie hatten nur Körper gehabt, schöne Hüllen, die ihm zu Willen sein sollten, wann immer er es verlangte, sie hatten niemals eine Seele für ihn besessen. Aber an diesem Jüngling war irgendetwas anders. Irgendetwas und irgendwie war er neugierig darauf, eben das zu ergründen. Und er wollte seinen Körper genießen, er wollte sich Zeit lassen, ihn zu nehmen, denn in Ryou schien viel mehr zu schlummern, als nur sein Liebreiz. Und auch, wenn er es sich in diesem Momente noch nicht eingestehen konnte, so spürte er, dass er etwas in der Seele hatte, das seiner so ähnlich war. Seine Rache konnte noch ein wenig warten. Das hier versprach noch interessant zu werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)