ANY Adventure von Storyteller_Inc ================================================================================ Kapitel 1: Ein Skype-Gespräch mit Folgen ---------------------------------------- „Alles klar, wir schreiben uns dann später!“, sagte ich noch fröhlich, bevor das Auflege-Geräusch von Skype ertönte. Erleichtert atmete ich auf. Wie schon des Öfteren sah ich auf das LAN-Symbol des Bildschirms, doch er zeigte nichts weiter, als eine vorhandene Internet-Verbindung. Heute hatten Eri und ich uns zu einem gemeinsamen Skype-Telefonat zusammengesetzt, wieder einmal ging es dabei um ihre neuen Aufgaben für ihr Equestria Girl MSP Abenteuer. Obwohl Eri bereits beim letzten Mal positiv auf die ihr gestellten Aufgaben reagiert hatte, bin ich trotzdem wieder nervös geworden. Dass sie die jetzigen Angaben nicht mögen würde, dass sie ihr zu wenig abwechslungsreich oder zu spannungsarm wären. Doch das war nicht der Fall und ich war wie immer gespannt, wie sie die Aufgaben wohl umsetzen würde. Mir gefiel die Art, wie sie aus ein paar Vorgaben und Halbsätzen einen schönen und gut lesbaren Text zaubern konnte und auch wenn ich den Inhalt von Anfang bis Ende kannte, so war es doch immer wieder was neues für mich. Als würde mir jemand meine Lieblingsserie aus einer völlig anderen Perspektive zeigen. Eine erfrischende Erfahrung, die ich immer wieder aufs Neue machte.   Was mir dagegen nicht gefallen hatte, waren die ständigen Aussetzer und Störgeräusche. Doch an der Internetverbindung lag es nicht, immerhin war es nicht meine eigene Leitung, die zurzeit immer mal wieder herum zickte, sondern eine andere. Während ich mit Eri fröhlich übers Internet geplaudert hatte, saß auch mein Freund mit im Wohnzimmer, doch er hatte sich mit keinem Wort an unserem Gespräch beteiligt. Im Gegenteil, er hatte mich weitestgehend in Ruhe gelassen und an seinem PC Dragon‘s Dogma gespielt. Erst, als ich ihn auf die ständigen Probleme hingewiesen hatte, warf er einen kurzen Blick auf die Gesamtsituation. Mehr als Skype verfluchen und die Internetverbindung überprüfen konnte er in diesem Moment leider auch nicht. Abgesehen davon war alles in Ordnung, ich konnte Google und YouTube testweise aufrufen. Daher schob ich es auf Skype und hatte versucht, über die ständigen Aussetzer hinwegzusehen. ‚Hoffe, Eri nimmt mir das nicht irgendwie krumm … aber ich denke nicht. Sie weiß ja auch, dass Technik gerne mal einen Spinner hat. Und Skype macht ja ständig irgendwelche Mätzchen, nur dass es das normal nur am Handy macht …‘ Was mir ebenfalls ein wenig aufstieß, war die Tatsache, dass sich meine Kopfschmerzen während des Gesprächs verschlimmert hatten. Zwar kannte ich die eine oder andere Kopfschmerzenart wie meine Westentasche, aber diese hier war mir vollkommen neu. Auch konnte ich mir nicht erklären, woher sie kam. Es verwirrte mich, da sich auch ein Schwindelgefühl und eine gewisse Müdigkeit dazugesellten. ‚Werde ich jetzt etwa krank? Och ne, bitte nicht …‘ Mit halboffenen Augen schickte ich den Laptop in den Schlafmodus und torkelte in Richtung Schlafzimmer. „Kira, was machst du jetzt?“, hörte ich meinen Freund fragen. „Ach, ich bin noch ein wenig müde, bin mal wieder viel zu früh wach geworden. Leg mich jetzt noch ein bisschen hin.“ Kaum hatte ich das ausgesprochen, verschloss ich die Schlafzimmertür hinter mir, wankte aufs Bett zu und lies mich darauf fallen. ‚Ein bisschen Schlaf wird mir bestimmt gut tun …‘ Schon hatte mich die Müdigkeit übermannt und ich bin schneller eingeschlafen, als ich es überhaupt mitbekam.   ~~*~~  Das Gespräch mit Kira im Skype war wieder sehr lustig gewesen. Ich meine, wir skypten nicht oft, schrieben mehr über das Programm und nachdem es beim ersten Mal so gut geklappt hatte und wir beide viel Spaß hatten, war eine Fortsetzung doch nicht ausgeschlossen gewesen. Ja auch wenn ich beruflich viel am Telefon hänge, konnte ich nicht anders als die Stimmen jener hören zu wollen, die mir am Herzen lagen. Und vor allem liebte ich den gesprochenen geistigen Austausch, den man dabei haben konnte, wenn man nicht unbedingt darüber nachdachte ob das was man als Idee hatte dumm war oder nicht. Ich gebe zu, gesprochen bin ich wahrscheinlich wesentlich sympathischer, weil ich dann nicht immer fünf mal darüber nachdenke, ob ich wirklich das sagen sollte, was mir gerade durch den Kopf geht. Besonders mit meinen Freunden hatte ich nicht das Problem, zumal sie gesprochen eher erkannten, wenn ich etwas nicht so meinte wie ich es sagte. Jeder kannte das sicher, dass man geschrieben häufiger missverstanden wurde. Man konnte klare Worte für Emotionen finden, ohne diese Emotionen wirklich zum Ausdruck zu bringen. Das war immer ein Problem. Missverständnisse waren da meist vorprogrammiert. Seit dem Tag, an dem ich ihr Akatsuki no Yona vorgestellt hatte, waren wir uns einig, dass wir einander noch mehr mochten. Oder viel eher noch sympathischer waren. Wir hatten gescherzt, gelacht und das nachdem wir uns Specials aus My Little Pony Equestria Girls angesehen hatten. Es war jedenfalls eines dieser entspannenden und spaßigen Gespräche gewesen, die Kira und ich gemeinsam hatten. Abgesehen davon, dass Skype wieder einmal bewiesen hatte, dass es ein gigantisches Arschloch war und hin und wieder für Gesprächsabbrüche gesorgt hatte. Eine gewohnte Tatsache, doch heute war es besonders nervig gewesen. Es war seltsam. Ich erinnerte mich nur noch daran dieses Gespräch mit Kira geführt zu haben, aber nicht mehr daran, was danach war. Ein Filmriss vom feinsten. Das wurde mir bewusst, als ich wieder bewusst meinen Körper wahrnahm. Und nicht nur diesen. Ich hörte Geräusche von Metall, dass auf einander prallte. Rufe, die wie durch einen Schleier dichter Watte zu meinem Gehör drangen. Was war passiert? Wo war ich? Mühsam richtete ich mich etwas auf, spürte meinen Körper schmerzen, als hätte ich einen Marathon mit gemacht. Oder viel eher einen Triathlon. Muskelkater vom feinsten eben. Nur woher hatte ich ihn? Und warum? Und noch einmal wo war ich verdammt? Mithilfe der Wand, die mir im Rücken lag, hievte ich mich auf beide Beine. Sie fühlten sich an wie Wackelpudding und wollten mir nicht ganz so gehorchen, wie sie es sollten. „Mist...“, fluchte ich leise, entschied aber, dass es besser war, meinem Körper die Zeit zu geben, die er gerade scheinbar brauchte. Die Zeit konnte ich immerhin auch nutzen um mir selbst klar zu machen, wohin ich mich selbst entführt hatte. Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass ich meine Wohnung verließ und irgendwann wieder zu mir kam, an einem Ort in meiner Stadt. Meistens einer meiner Lieblingsorte. Es war nicht oft, aber wenn es passierte, verstörte es mich irgendwie. In der Uni war mir das mal passiert und nur dank meiner Mitbewohnerin hatte ich verstanden, dass ich das Haus verlassen hatte. Ich musste tief Luft holen, um einen Anfall von Panik zu unterdrücken, denn anders als sonst erkannte ich nicht wo ich war. Dieser Ort... konnte unmöglich meine Heimat sein. Woran ich das fest machte? Die Architektur entsprach nicht dem, was mir aus meiner Heimat bekannt war. Ich war also nicht mehr in meiner Stadt. Der Panikanfall war also berechtigt. Denn meine Orientierungslosigkeit war damit nicht nur ein psychisches Problem. Vorsichtig und langsam bewegte ich mich in die Richtung, aus der ich Schritte hörte. Viele Schritte. Die Geräusche von Waffen waren verklungen, die Stimmen wurden fordernder. „Da ist sie!“ Ich sah Männer, mit Stirnbändern und in einer Brustbepanzerung, die hinter jemanden her zu rennen schienen. Von meiner Position erkannte ich nur eine verborgene Gestalt, die sich selbst durch einen Kimonoüberwurf verbarg. Die Szene kam mir seltsam vertraut vor und das obwohl es gar nicht wahr sein konnte, dass ich sie sah. Also so sah wie ich es gerade tat. Mit mehr als den Augen und Ohren. Es war schwer zu erklären, zumal ich selbst nicht wirklich verstand, wie das möglich sein konnte. Erschrocken, fast schon paralysiert, drückte ich mich an die Hauswand und versuchte so wenig wie nur möglich aufzufallen. Mein Blick blieb dabei auf den Körper haften, der sich weiter von mir entfernte doch plötzlich zu Boden fiel, als ein Pfeil ihn rücklings durchbohrte. Schwer schluckend hob ich die Hände an meine Lippen und presste sie förmlich dagegen um keinen Laut zu offenbaren, der mich verraten würde. Gleichzeitig realisierte ich just in diesen Moment, in welchen Zeitpunkt ich erschienen war. Und dass ich nun wohl ein Problem haben würde die Stadt zu verlassen wobei eine Pfadpfinderregel besagte, dass man sich nicht von der Stelle bewegen sollte, wenn man sich verlaufen hatte. Im Moment hätte ich das sowieso nicht gekonnt. Ich war wie versteinert und sah zu, wie Soldaten auf den leblosen Körper zugingen. Die Person die darunter war, war nicht die Person die sie erhofften. Doch noch wussten sie das nicht. „Ist sie tot?“ Vorsichtig berührte einer der Soldaten die Person mit dem Speer. Fast schon so als trauten sie sich nicht, den Körper wirklich selbst zu berühren. Vielleicht war da doch noch so etwas wie Respekt für die Prinzessin, die sie dort erhofften? Ich wusste es nicht und konnte nichts anderes tun als mich in den Schatten zu verbergen und zu warten. „War die Prinzessin nicht kleiner?“ „Das bildest du dir nur ein weil du sie immer von weitem gesehen hast.“ Die Männer lachten. Waren dies ihre wahren Gedanken?  Ich schluckte schwer, mit den Blicken immer noch auf die Szenarie gebannt. „Huh? Das ist nicht die Prinzessin!“ „Was?“ Ich presste meine Hände fester gegen den Mund. Die Angst wirklich einen Laut von mir zu geben wuchs immer mehr. Ich wollte mir nicht einmal ausmalen, was diese Männer mit mir taten, wenn sie mich wirklich erwischten. „Weit können sie nicht kommen sein! Sucht sie und wenn ihr sie findet, lasst sie nicht am Leben!“ Ich drückte mich fester an die Wand, denn die Soldaten, Wachen oder was auch immer sie waren, kamen zurück in meine Richtung. Ich verschmolz gefühlt mit der Wand und den Schatten. ~*~  Als ich wieder zu mir kam, hielt ich noch die Augen geschlossen. Die Matratze unter meinem Körper fühlte sich hart und unbequem an. Ganz anders als die Matratze meines Freundes. ‚Was ist denn jetzt auf einmal los? Bin ich etwa durch durchgekracht und liege nun auf den Holzbrettern? Ne, so schwer bin ich jetzt auch nicht und wenn, dann würde es sich sicherlich anders anfühlen …‘ Verwirrt öffnete ich meine Augen und sah Bäume, nichts weiter als Bäume. Meine Hände ertasteten einen großen, harten Baumstamm und ein paar Wurzeln, die nach wenigen Zentimetern im Boden verschwanden. ‚Wo bin ich hier? Hat mich Fierce etwa rausgetragen? Unmöglich, ich bin doch viel zu schwer für ihn. Aber warum hat mich jemand rausgetragen – und wo bin ich hier überhaupt? Ist das ein Traum?‘ In der gleichen Sekunde, in der ich mich das fragte, konnte ich mir die Antwort auch selbst beantworten. Wenn ich etwas träumte, dann wurde mir nur extrem selten bewusst, dass es nur ein Traum war. Schon der erste Punkt, der gegen die Theorie sprach. Der andere Punkt war, dass ich im Traum niemals etwas richtig fühlen kann. Mein Hirn sagte mir dann immer, das hier ist weich, das hier ist nass und so weiter. Doch ich konnte den Stoff nie richtig fühlen, wie in der Realität. Das war schon immer mein Garant, um zu erkennen, ob es die Realität war oder nicht. Und das Gefühl von Baumrinde unter meinen Fingern verriet mir, dass das hier kein Traum war.   Doch Baumrinde war nicht das Einzige, das ich spürte. Ich bekam auch einen feinen Stoff zwischen die Finger, was mich ein wenig nervös machte. ‚Was ist hier los? Wurde ich entführt? Liegt neben mir eine Leiche? Bestimmt taucht gleich ein kranker Perverser auf, der mich auch gleich umbringen wird. Oder schänden. Vielleicht auch beides. Ich muss den Überblick gewinnen, aber nur wie? Als Leser oder Zuschauer denkt man es sich so leicht, aber wenn man selbst in so einer Situation ist … hoffentlich ist Fierce nichts passiert!‘ Vorsichtig warf ich einen Blick auf die Person neben mir, ihr Atem war flach, was für mich jedoch ein gutes Zeichen war. Dass ich neben ihr saß, schien ihr nicht sonderlich aufzufallen. Oder aber sie hatte keine Kraft, um auf mich zu reagieren. Ihre roten Haare fielen ihr über die Schultern, ihr starrer Blick fixierte den Boden, als wäre er eine Kinoleinwand. Vor ihr beugte sich ein junger Mann über sie, der sie mit Sorgenfalten im Gesicht ansprach. „Prinzessin Yona, ich kann verstehen, dass Ihr euch nicht wohlfühlt, aber wir müssen weitergehen. Wir sind immer noch in der Nähe des Palasts. Es ist meine Aufgabe, mich um Eure Sicherheit und Euer Wohlbefinden zu kümmern.“ Nicht sicher, ob und ich wie reagieren sollte, sah ich zwischen den beiden hin und her. Ich versuchte aufzustehen, doch meine Beine gaben nach und ich sackte wieder in die gleiche Position zurück. ‚Was ist denn jetzt los?‘ Der junge Mann hat meine Bewegungsversuche bemerkt und stand nun vor mir. „Ah, ist unser Gast auch wieder wach geworden“, stellte er mit einer neutral klingenden Stimme fest.   Noch stärker verwirrt sah ich die Gestalt im Dunklen an und erkannte ihn schließlich. ‚Das gibt es doch nicht … das ist doch Hak! Und das neben mir… das muss wohl Yona sein. Das hier ist wohl die Szene, in der sie von Su-Won fliehen … Moment mal! Was mache ich hier in diesem Wald? Was mache ich hier in diesem Anime? Ohje, Hak sieht mich so misstrauisch an, ich glaube, ich sollte lieber etwas sagen.‘ Ich beschloss, mich so wenig verdächtig zu machen wie möglich. „Ja, genau, ich bin wieder wach geworden … aber könnten Sie mir doch bitte verraten, wie ich hierhergekommen bin?“ Zwar wusste ich ganz genau, wer hier vor mir stand, aber das konnte ich ihn ja schlecht wissen lassen. Zudem machte mich sein Blick nervös und ich spürte schon, wie sich die Wörter in meinem Mund vom reinen Hochdeutsch zu einem oberbayerischen Kauderwelsch zusammenformten. Wie immer, wenn ich unter Stress stand oder wütend war. „Erstens kannst du ruhig du zu mir sagen, so alt bin ich noch nicht. Und zweitens ist es wohl kein Wunder, dass du dich nicht erinnern kannst. Obwohl hier gerade die Hölle los ist, bist du in die Richtung des Schlosses gegangen. Oder sagen wir eher, gewankt.“ Er schnüffelte ein wenig an mir herum, dann zuckte er die Schultern. „Auf jeden Fall bist du nicht betrunken. Hast du irgendeine andere Droge genommen? Du konntest dich kaum noch auf den Beinen halten. Da habe ich dich gepackt und hierher gebracht. So ein einfaches Mädchen wie du wäre von der Wache nur umgebracht worden, vor allem mit der auffälligen Haarfarbe. Was ist das, rot oder lila?“ Ich dachte an mein kleines Färbeabenteuer von neulich und beschloss, hier bei der Wahrheit zu bleiben. „Lila, die Farbe ist momentan lila“, sagte ich ein wenig zu verschüchtert. „Allerdings wird die Farbe nicht lange halten, sie ist nicht dauerhaft, sondern wird nach einigen Haarwäschen wieder rausgehen. Ich kann allerdings nicht sagen, ob sie dann wieder rot oder gar blond werden. Denn Rot hatte ich vorher als Farbe dran. Typisches Frauenverhalten aus der Gegend, aus der ich komme“, füge ich noch unter Haks kritischem Blick hinzu. Langsam kam ich mir wie bei einem Verhör vor.   Hak bemerkte das und seufzte. Wie einem gemeinsamen Geistesblitz folgend sahen wir beide Yona, dann wieder uns an. „Im Moment ist es nicht gerade von Vorteil. Das könnte man ganz leicht für rote Farbe halten und somit für das Haar der Prinzessin. Und das möchtest du doch nicht. Yona-hime würde es auch nicht wollen, dass noch jemand sterben muss, weil man diese Person für sie gehalten hat.“ Meine Augen weiteten sich, auch wenn ich mittlerweile zuordnen konnte, was hier gerade vor sich geht, erschreckt mich die Vorstellung, von einem Pfeil eiskalt niedergestreckt zu werden, sehr. Zumal er, ohne es zu wissen, Recht hatte. Besonders im Sonnenlicht wirkten meine Haare trotz der Tönung immer noch stark rötlich. „Was … was ist denn überhaupt … los? Ich konnte euch vorhin ein wenig zuhören, um ehrlich zu sei. Aber ich glaube, da bin ich noch nicht richtig zu mir gekommen, deshalb habe euch nicht verstanden. Kannst du es mir bitte kurz erklären?“, fragte ich zögerlich und hoffte, dass ich dabei nicht zu dick auftrug. Zur Not würde ich auch das als typisches Frauenverhalten abklären. Doch mein verschreckter Gesichtsausdruck schien Hak genug zu sein. Er warf ein paar kurze Blicke in die Umgebung, als suche er vermeintliche Verfolger, dann setzte er sich neben mich und begann zu flüstern. „Man ist hinter der Prinzessin her und man möchte sie nicht lebend fangen. Deswegen sagte ich ja, sie erschießen jeden und jede, die sie für die Prinzessin halten.“ Ich wartete noch einen kurzen Augenblick, doch aus Hak schien nicht mehr zu kommen. Zögerlich versuchte ich mehr rauszubekommen, was ich bereits wusste. „Aber warum sollte man eine Prinzessin erschießen?“ „Weil sie Dinge gesehen hat, die sie nicht sehen sollte“, antwortete er knapp. ‚Wow, er ist nicht gerade gesprächig. Oder ist er nur vorsichtig? Auf jeden Fall ist diese Art von Gespräch ziemlich anstrengend …‘ Noch wollte ich nicht aufgeben: „Und wer sind sie? Wer jagt sie überhaupt? Aufständische, Terroristen, Attentäter?“ ‚Kennen die das Wort Terrorist eigentlich?‘ Ein weiteres Mal sah sich Hak um, wieder fand er keine verdächtige Person, die uns bei unserem unterhaltungsstarken Gespräch belauschte. Dennoch ließ er sich mit seiner Antwort mehr Zeit. Vermutlich musste er erst überlegen, ob er diese Information mit mir teilen wollte oder nicht. Schließlich zog er es vor, darüber zu schweigen. Sein verletzter Blick glitt zur Seite und in diesem Moment tat er mir einfach nur leid. Ob er wohl an Su-Won und die anderen Verräter dachte? Mit Sicherheit. „Das ist alles was du wissen musst.“   Er sah mich wieder an und begann mit langsamen Bewegungen, seinen Mantel ausziehen. Erschrocken malte ich mir bereits aus, wie er mich nun damit unerwartet und schnell erdrosseln würde, stattdessen reichte er mir den Mantel. „Du frierst, das kann ich sehen. Deine Dorfkleidung scheint nicht gerade für einen Spaziergang in der kühlen Nacht gemacht zu sein. Du zitterst bereits“, stellte er trocken fest und ich konnte ihm nur recht geben. Um nicht aufzufallen, hatte ich jedoch versucht, es zu unterdrücken. Rasch schlüpfte ich in den viel zu großen Mantel hinein. ‚Wow, dem fällt ja wirklich alles auf.‘ „Vielen Dank … ja, das hilft wirklich“, sagte ich mit einer viel zu leisen Stimme, wie immer schaffte ich es nicht, mal in einer halbwegs normalen Lautstärke zu sprechen. Hak hatte es anscheinend gehört. Oder er konnte sich meine Worte wohl denken. „Auf jeden Fall können wir hier nicht bleiben. Und du auch nicht.“ Dabei sah er Yona an, als wäre sie die Antwort auf jegliche Frage, die ich ihm nun stellen könnte. „Ich weiß, wohin wir beide gehen, aber was ist mit dir? Wir können es nicht riskieren, dass wir einen Klotz am Bein haben. Was wirst du jetzt machen?“ Meine Gedanken spielten verrückt, fuhren Achterbahn und ich fühlte mich nicht in der Lage, auch nur eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Meine Augen zuckten wild umher und als wenige Minuten, für mich eine gefühlte Ewigkeit, vergingen, seufzte Hak ein weiteres Mal.   ~~*~~  Ich hatte verharrt, bis die Schritte der Wachen verklungen waren und ich sicher sein konnte, dass sie nicht mehr zurückkehrten. Ich hatte beobachtet, wie sie die Leiche Min-Sos fortgetragen hatten und dass sie immer noch nach den anderen suchten. Die Prinzessin und den General. Aus meiner Erfahrung konnte ich mir aber sicher sein, dass sie die beiden vorerst nicht finden würden. Die Frage war nur, was machte ich jetzt? Ich war allein, an einem Ort, an dem ich nicht sein dürfte, zu einem Augenblick, der absolut ungelegen war. Wobei es da wohl keinen wirklich gelegenen Augenblick gegeben hätte. Immerhin gehorchte mein Körper mir nun wieder, so dass es mir nicht schwer fiel mich aus den Schatten der schützenden Hauswand zu erheben. Sicher, eine Pfadfinderegel besagte man sollte sich nicht von Ort und Stelle bewegen, wenn man sich verlaufen hatte, aber diese Regel galt, wenn es sie wirklich gab, nicht für andere Welten, in denen man plötzlich gefangen war. Gerade war mir nur eines wichtig, nicht in die Hände von Wächtern zu geraten und diesen Ort zu verlassen. Raus aus der Stadt am besten, auch wenn ich keinerlei Ahnung hatte, wohin ich hätte gehen sollen, nachdem ich mich so null hier auskannte. Allerdings wollte ich auch nicht unbedingt hier bleiben, dafür wäre ich zu auffällig gewesen. Mal ehrlich, ich sah sicher nicht wie ein unschuldiger Bürger aus. Wenn ich Pech hatte, trug ich noch mein schwarzes T-Shirt auf dem die Werbung für meine Firma stand. Man mochte sagen was man wollte, es war bequem und vor allem hatte ich es geschenkt bekommen. Warum sollte man es also nicht tragen? Noch dazu machte es sich gut mit meiner Trainingshose. Ein perfekter Pyjama also. Und gerade dieser perfekte Pyjama konnte nun so etwas wie ein verräterisches Detail sein, dass mich sicher nicht um die ein oder andere Konfrontation herum brachte. Allerdings fand ich auch nichts, mit dem ich mein Äußeres verdecken konnte. Dabei wäre das meine oberste Pfadfinderregel gewesen. Meine einzige Möglichkeit nun unter dem Radar zu fliegen, war also mich in den Schatten verborgen zu halten und Gelegenheiten zu nutzen, die sich auftaten. Die Frage war nur, wie ich mich zurechtfinden wollte. 'Vielleicht die entgegengesetzte Richtung von Min-So...', flüsterte ich mir zu, und überlegte, was ich noch aus dem Manga oder Anime wusste. War Min-So von den Toren weggelaufen? Ich wusste es nicht mehr und schelte mich dafür, dass ich in einer Notsituation selten Verlass auf mein Gedächtnis. Ich konzentrierte mich und verließ die Seitengasse, wobei ich immer nahe der Hauswände lief. Innerlich verfluchte ich die Tatsache, dass kaum Fässer oder Kisten hier standen, so dass ich nur schwer mich verstecken konnte. Assassins Creed hatte gelogen, als es mir weiß machen wollte, dass es überall mindestens einen Heuhaufen gab in dem man sich verstecken konnte. Diese verdammte Augenwischerei, die nur gut dazu war ein Spiel einigermaßen durchzuspielen. ~*~„Ohje, da habe ich jetzt noch ein Mädchen, das ich hinterher mir herziehen kann … was aber eigentlich gar nicht so schlecht ist.“ Er musterte mich und nickte nur. „Ja, ein Mädchen könnte wirklich hilfreich sein, sobald Yona-hime wieder zu sich kommt, wird sie jemanden zum Reden brauchen. Dafür werde ich auch sorgen, dass dir kein Schaden zugefügt wird. Solltest du dich allerdings als Ballast herausstellen, werden wir dich im nächsten Dorf absetzen. Von dort aus solltest du in deine Heimat finden können.“ ‚Wenn er wüsste, so einfach wäre das nun auch nicht.‘ Ich sah zu Yona hinüber. Dieser tote Blick fing meine Aufmerksamkeit, als auch mein Mitleid. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, was das arme Mädchen gesehen haben muss, um so derartig in sich verschlossen zu sein. Sie ist doch sehr hübsch und sie sieht so friedlich aus. Warum sollte man ihr schaden oder sie gar töten wollen?“ Ich musste gar nicht erst in Haks Gesicht sehen, allein die Stimmung in der Luft war von Wut und Schmerz getränkt. „Ich kenne das Mädchen bzw. Yona-hime, wie du sie nennst, nicht. In meiner Gegend reden wir nicht viel über die oberen Leute, musst du wissen“, setzte ich als Erklärung an und Hak schien sie für den Moment zu genügen. „Aber auch mir ging es einmal in meinem Leben so schlecht wie ihr und dabei wurde mir auch geholfen. So jedenfalls reime ich es mir aus den Erzählungen meiner Mutter zusammen. Wenn ich Yona-hime dabei helfen kann, aus ihrem Loch herauszukommen und ihren Schmerz, welcher das auch immer ist, dann will ich ihr dabei helfen. Und was die Mörder angeht, ich … ich kann sicherlich auch lernen, mich beziehungsweise uns zu verteidigen. Ich hatte bereits die eine oder andere Waffe in der Hand …“   Hak unterbrach mich mit einem Lächeln, das mir nicht verriet, was er gerade dachte. „Dann bist du auch in der Lage, die Waffe gegen einen Menschen zu richten und ihn damit zu töten?“ Wieder schwieg ich für ein paar Sekunden, doch Hak lies mich dieses Mal in Ruhe zu Ende nachdenken. „Um ehrlich zu sein, ich kann es nicht sagen. In der Gegend, in der ich aufgewachsen bin, gab es seit etwa 60 Jahren keinen Kampf mehr, es war einigermaßen friedlich und bin noch nie in die Situation gekommen, dass ich jemanden töten musste. Aber das hier ist dann eine andere Situation und Menschen reagieren gerne mal anders, als gewohnt, wenn sie in einer Stresssituation sind. Ich vermute mal, mein Überlebenswille wird mich schon dazu bringen, einen Menschen zu töten. Hoffe nur, ich werde es nicht ‚genießen‘.“ So gut ich es konnte, kniete ich mich nieder und versuchte, mich dabei an den einen oder anderen Anime zu richten, in welchem ich es gesehen habe. „Bitte, nehmt mich mit und ich versuche, so nützlich wie möglich zu sein. Ich kann für Yona ein Trostpflaster sein und im Ernstfall werde ich sie auch verteidigen. Wenn es nötig ist, auch mit meinem Leben.“ Hak musterte mich erneut, bestimmt konnte er meine Unsicherheit gerade zu riechen. Doch als ich aufsah, sah ich nur seine ausgestreckte Hand. „Gut, dann werden wir drei gehen. Wir werden in meiner Heimat, dem Windclan, sicher aufgenommen, dort kann uns erstmal nichts passieren. Außerdem müssen wir noch eine passendere Kleidung für euch beide finden. Kannst du aufstehen?“ Noch einmal stützte ich mich am Baum ab, doch dieses Mal gelang es mir schon viel leichter. Yona dagegen regte sich immer noch nicht, weshalb Hak sie hochhob und bei sich trug. Der Shipper in mir rotierte ein wenig, was mich ein wenig erröten lies. Zumindest fühlte es sich so an und ich hoffte, dass man es nicht sehen konnte. Oder dass Hak es nicht falsch deuten würde.   ~~*~~Verlaufen. Das war das Ergebnis meines Versuches unauffällig zu sein. Ich hatte es zwar gut geschafft mich in den Schatten zu verbergen, doch den Ausgang hatte ich nicht gefunden. Stattdessen hatte die Morgendämmerung eingesetzt und machte es mir nur schwerer mich zu verstecken. Schon bald würden die Bewohner erwachen und wahrscheinlich würden sie dann erfahren, was über Nacht geschehen war. Da wollte ich wahrlich nicht dabei sein. Ich seufzte leise und versuchte herauszufinden wo lang ich mich als nächstes Schleichen konnte. Eher abseits der Hauptstraßen, das war zumindest empfehlenswert. „Bleiben Sie stehen!“ Ich zuckte zusammen, als ich eine tiefe männliche Stimme hinter mir vernahm. Es war das erste Mal an diesem Abend, dass ich bemerkt wurde, ein Umstand der nur dafür gesprochen hatte, wie gut die Nacht mich in ein Schattengewand gekleidet hatte. Ich musste nun einfach unauffällig sein. Auch wenn ich alles andere als das war. Dennoch sollte ich es vermeiden auffälliger zu wirken als ich wirklich war. Deswegen entschied ich mich stehen zu bleiben. Ein Pfeil der meine Lunge durchlöcherte gehörte nicht gerade zu den Todesumständen, die ich gerne erleiden wollte. Ich holte tief Luft und wandte mich zu dem Mann um, der mir Stück für Stück näher gekommen war. Vorsichtig, was ich anhand seinen Schritten heraus hören konnte. Wahrscheinlich war er auf alles vorbereitet. „Einen schönen guten Morgen“, begrüßte ich den Wächter und lächelte diesen an. Seine Haltung verriet, dass er in Alarmbereitschaft war. Kein guter Umstand für mich. Ich hoffte das die Erziehungsmaßnahmen meiner Eltern aber auch hier etwas bewegen konnten. Unter anderem dass man mich nicht gleich mit einem Schwert erdolchte oder mit einem Speer. „Was machen Sie hier? Und wo kommen Sie her?“ Ich ermahnte mich ruhig zu bleiben, denn gerade hätte es mir nicht geholfen in Panik auszubrechen. Doch noch viel mehr brauchte ich eine plausible Geschichte, die nicht allzu sehr nach „Ich komme aus einer anderen Welt und weiß selbst nicht was ich hier mache“ klang. Demnach würde es wohl eine dieser Geschichten sein, die mein Self-Insert in den MSPs immer erzählte, wenn es nicht gerade in eine Eri geschlüpft war, die bereits dort in dieser Welt existierte. Noch dazu war es die einzige Geschichte, die einigermaßen plausibel klang, im Anbetracht der Tatsache, dass hier vor kurzem ein großes Fest gefeiert worden war. „Ich komme aus weit entfernten Landen und bin Geschichtenerzählerin. Ich reise durch die Welt ob bekannt oder unbekannt um ihre Geschichten zu hören und weiter zu verbreiten.“ „Was haben Sie dann noch so spät hier draußen zu suchen?“ Ja, es gab immer irgendwelche Herausforderungen wenn man nach guten Ausreden suchte. Fakt war, es gab keine Ausreden und schon gar keine guten Lügen. Abgesehen von der, die ich einer Kundin erzählt hatte, als wir keine NDS kodierten Smartkarten raus senden konnten. Doch selbst nach dieser war ich fasziniert gewesen, dass die Kundin sie mir abgekauft hatte. Immerhin war sie schon arg absurd gewesen. „I-Ich konnte nicht schlafen und dachte mir ein Spaziergang in der Nacht wäre nicht schlimm. Aber da ich nicht vertraut mit den Straßen und Örtlichkeiten bin... habe ich mich wohl verlaufen.“ Ich lächelte und versuchte dabei peinlich berührt zu wirken. Peinlich war es immerhin wenn man sich verlief, selbst wenn man aus einem fremden Land kam. „Die Nacht war etwas turbulent. Was haben Sie davon mitbekommen?“ Scheinbar war mein Verhalten doch zu auffällig. Na gut, wenn man es recht bedachte war die Ausrede die ich benutzt hatte, mit dem Spaziergang in der Nacht, wohl eine gern genommene. Sie war ein alter Hut, den wohl schon jeder kannte. „N-Nicht viel? Also ich habe Kampfgeräusche gehört, habe aber versucht mich herauszuhalten. Immerhin ist die Stadt doch gut von Ihnen geschützt und ich wollte sie nicht bei ihrer Arbeit stören.“ Ich schluckte schwer weiterhin betend, dass mir der Wächter irgendwie glaubte. Mal ehrlich meine Sachen sprachen doch wahrscheinlich sehr für meine Lüge. Wobei wohl selbst meine Kleidung zu exotisch war. Was mich innerlich doch noch mehr fluchen ließ. Wie einen Arbeiter vom Bau, wenn ihm der Hammer in den Zement fiel und später dieser Zementblock auch noch auf ihn fiel, nachdem er den Hammer doch noch daraus gerettet hatte. „Sie haben also Geräusche eins Kampfes gehört? Nicht mehr? Und sie haben auch niemanden gesehen?“ Ich erinnerte mich an Min-Sos leblosen Körper und die Wachen, welche ihn nicht gerade respektvoll behandelt hatten. Ich sah in die misstrauischen braunen Augen des Wächters, der schließlich nickte. Wobei sich ein Lächeln auf seinen Lippen abzeichnete. Erleichtert, dass er mir wohl glaubte, spürte ich das Unheil hinter mir nicht. Erst als ich einen Schlag spürte, gefolgt von einem Schmerz den ich mit keinem Wort beschreiben konnte, wusste ich, dass ich dieses Lächeln fehl gedeutet hatte.   ~*~  „Sag mal, wie lautet dein Name? Es ist besser, man kennt wenigsten den Namen der Person, die einen in die Heimat begleitet.“ Schnell kramte ich in meinem Gedächtnis herum. ‚Das hier spielt ja in China oder zumindest in einem chinesischen Land. Ich könnte meinen Namen verwenden, da kenne ich ja die chinesische Aussprache dafür. Allerdings ist er nicht so vertraut wie mein Internetname. Nein, ich denke, es ist besser, wenn ich den nehme.‘ „Kira – so lautet mein Name. Die von euch kenne ich ja bereits, ihr seid…“ „Son Hak, aber sag einfach Hak zu mir. Das andere hört sich so ‚offiziell‘ an. Und das Mädchen auf meiner Schulter ist Yona-hime.“ Ruckartig riss er seinen Kopf zur Seite, offenbar waren wir nun langsam nicht mehr alleine. „Wir sollten gehen, Kira. Versuche mit mir Schritt zu halten, ich kann leider nicht zwei Mädchen und eine Waffe tragen.“, sagte er rasch, bevor er mich aus dem Wald in die Richtung des Windclans führte.   Kapitel 2: Zwischen Startschwierigkeiten und Lügen -------------------------------------------------- Ich wusste, ein weiteres Mal in meinem Leben, dass ich in Zukunft auf Fruchtlikör verzichten würde. Zumindest sagte mir mein schmerzender Kopf das, auch wenn ich mich nicht wirklich daran erinnern konnte, während des Gesprächs mit Kira getrunken zu haben. Damals mit Shicchi hatte ich mir immerhin geschworen nie wieder auf Rechtschreibfehler in FFs zu trinken. Oder auf Worte die zu häufig benutzt wurden. Das wäre mein Todesurteil gewesen. Doch wenn ich nicht getrunken hatte, warum sollte ich Kopfschmerzen haben? Wenn es noch ein Traum gewesen wäre, dann hätte ich sie wohl, weil mich irgendwer nieder geknüppelt hatte. Doch mal ehrlich, wie wahrscheinlich war es, abgesehen von einer Geschichte, dass man in einer Serie landete, die man mochte. Noch dazu wie wahrscheinlich war es, dass alle dann Deutsch sprachen. Zumindest mussten sie das, sonst hätte ich die Wache ja nicht verstanden. Und da ich mir sicher war, dass Leute in Yona japanisch, chinesisch, koreanisch... naja eben asiatisch sprachen, und mein japanisch aus „Hallo“, „mein Name ist“ und ein paar einfachen Phrasen bestand, bezweifelte ich, dass man damit eine ordentliche Konversation führen konnte. Die einzige logische Schlussfolgerung war also ein Traum. Sicher war ich irgendwie auf der Couch eingeschlafen. Ich konnte nur hoffen, dass ich dabei nicht meinen Laptop runtergeworfen hatte. Ein Ding, weswegen ich für gewöhnlich in Panik ausgebrochen wäre. Doch der Kopfschmerz betäubte jedes Gefühl, dass gerade aufkommen konnte. Es dämmerte mir dadurch erst sehr spät, dass etwas nicht stimmte. Etwas, dass deutlich hätte sagen müssen, dass ich nicht auf meiner Couch lag. Die Unterlage war nicht nur bequemer, sondern auch größer als meine Couch. Meine Beine lagen flach auf dieser. Über meine Couch hätten sie drüber geguckt und das wäre alles andere als bequem gewesen. Doch das war auch nicht alles. Eine Decke hüllte meinen Körper ein. Warm, bequem und verführerischer. Und obwohl mein Kopf schmerzte, lag auch dieser weich. 'Immerhin kein Steinboden...', flüsterte ich mir in Gedanken zu, als ich mich daran erinnerte, wo ich nieder geknüppelt worden war. Die Frage war nur, wo ich jetzt war, wenn dieser seltsame Traum oder was auch immer das war, kein Ende hatte. Oder war ich nun in eine andere Serie gesprungen? Ich überlegte, in was für einer Serie ich wohl in einem bequemen Bett aufwachen würde. Da gab es viele zur Auswahl. Sehr sehr viele. Und in den meisten wollte ich nicht einmal sein. Einfach weil... Gründe. Wahrscheinlich hatten mich die MSPs gelehrt, dass es wohl besser war in seiner eigenen Welt zu leben, weil es einfach nur deprimierend war, wenn man in einer Welt, mit seinen Helden, erkennen musste, dass man selbst dort noch viel zu normal war. Sicher die MSP machten auch Spaß, ebenso das Erleben dieser Welten, aber ich war mir ehrlich gesagt der unliebste Protagonist einer Geschichte. Ich holte tief Luft und fühlte eine Woge der Erleichterung. Erleichterung, weil mein Kopf beim atmen und tiefen Luft holen nicht schlimmer schmerzte. Es war somit nicht unangehm. Vorsichtig schlug ich die Augen auf und blickte an die hölzerne Decke. Sie hatte tiefe Vierecke als Einkerbung und das Holz hatte eine dunklere Farbe. Es wirkte edel, fast schon teuer. Um unnötig schmerzerregende Bewegungen zu vermeiden, wandte ich meinen Kopf langsam, fast wie in Zeitlupe, wandte ich meinen Kopf zu meiner Linken. Ein rotbrauner Schrank mit goldenen Griffen. So gut es ging, linste ich weiter hoch. Ein dunkler Raumteiler stand nicht unweit von mir. Dunkles Holz, kein helles, so wie das ganze Zimmer scheinbar war. Das einzig bunte war Stoff mit dem der Raumteiler bezogen war. Wobei es wohl mehr motivreich als bunt war. Doch so richtig konnte ich es nicht sehen, da ich es vermied mich zu viel zu bewegen. Wäre ja nicht verwunderlich, wenn so ein Schlag mir eine Gehirnerschütterung beigefügt hatte. Kopfschmerzen waren da ein Zeichen davon. Hatte ich gehört. Gefolgt von Übelkeit. Die verspürte ich glücklicherweise nicht. Dafür hatte ich aber das starke Bedürfnis nach einem Cappuccino. Den mit Karamellgeschmack, den mir Shicchi mal geschenkt hatte und den ich mir seit dem immer wieder kaufte, auch wenn er teuer war. Aber ich liebte ihn. Ich vernahm ein Rascheln und das Geräusch einer Tür die aufgeschoben wurde, zu meiner Rechten. Es war ein Reflex, als ich dahin sah und nur noch den Rücken eines Wächters erkannte, der wohl die ganze Zeit mit mir in diesem Zimmer gewesen war. Vermutlich um mich zu bewachen und jemanden zu holen, wenn ich wach wurde. Doch er war nicht allein. Ich erkannte noch den Teil einer zweiten Silhouette. Jemand der also vor dem Zimmer Wache stehen würde. Mit Sicherheit sah der nicht so gut aus wie Souji Okita und mit noch größerer Sicherheit würde er nicht einmal lange fackeln, bevor er mich umbringen würde, wenn ich auch nur versuchte zu fliehen. Dennoch die Chance alleine in diesen Räumlichkeiten konnte ich mir nicht entgehen lassen. Ich setzte mich auf und erkannte, dass ein Futon oder derart in der Mitte des Raumes ausgebreitet worden war. Für mich scheinbar. Seltsam. Erst niedergestreckt und dann liebevoll gebettet. Das gab mir mehr zu denken als wenn ich in einem Kerker erwacht wäre. Vor mir, an der hintersten Ecke stand ein Sekretär auf dem ein paar Bücher lagen, zusammen mit wenigen Schriftrollen, und auch ein Tintenfass zu sehen war. Sicher hätten mir die Schriftrollen verraten, wessen Zimmer ich einfach mal so dreist und ungewollt in Beschlag genommen hatte. Doch spionieren war nicht gerade mein Ding. Zumindest nicht, wenn man mich dabei erwischen konnte. In der Schule wurde man ja auch nie für das Spicken bestraft, sondern dafür, dass man nicht clever genug war sich dabei nicht erwischen zu lassen. Gerade jetzt da jemand losgegangen war um eine bestimmte Person über mein Erwachen zu unterrichten, war das Erwischt werden eine hohe Wahrscheinlichkeit. ~*~ Schon länger spielte mir mein Gedächtnis mit großer Freude einen Streich, genauso wie mein nicht gerade akkurates Zeitgefühl. Ich konnte mich daran erinnern, dass ich mal in einem Artikel gelesen hatte, dass manche Menschen ein gutes Händchen dafür hatten, wenn es darum ging die Zeit richtig einzuschätzen – und andere nicht. Während die, die es konnten, bereits nach 58 Sekunden davon ausgingen, dass eine Minute vergangen war, machten sich die weniger talentierten erst nach über 70 Sekunden bemerkbar. Mir ging es nicht anders, schon oft dachte ich: ‚Ach, es sind doch noch zehn Minuten‘ oder: ‚Zum Glück sind gerade mal fünf Minuten vergangen!‘ Ein Blick auf die nächstbeste Uhr warf mich oft genug in die Realität zurück, zeigte mir mit einer gnadenlosen Kälte, wie sehr ich mich doch wieder geirrt hatte. Wenn ich mich morgens fertig machte oder auf dem Weg zum Schulbus war. Wenn ich abends am PC saß und mich darüber wunderte, warum es schon 22 Uhr ist, während es doch gerade vor einer (gefühlten) Viertelstunde erst 20 Uhr war. Auch jetzt konnte ich kaum einschätzen, wie spät es war. Aus Gewohnheit blickte ich auf mein linkes Handgelenk, doch dieses war leer. Wie immer hatte ich, während ich zuhause war, meine Armbanduhr nicht an meinem Arm, sondern auf dem Tisch abgelegt. Nun gut, genauer gesagt hatte ich den vorherigen Tag bei meinem Freund verbracht, nicht, dass es nicht schon längst eine Art zweites Zuhause für mich geworden war. Ebenso hatte ich kein Handy in der Hosentasche, das mir verraten konnte, wie spät es war. Überhaupt hatte ich keine Hosentaschen in meiner Hose und konnte nur hoffen, dass ich hier keinen Schnupfen bekommen würde. Denn wenn ich mal so richtig schneizen musste, dann aber ordentlich. Bis heute habe ich keine Ahnung, wie das ganze Zeit in meiner Nase entstehen konnte. Immer, wenn ich Google befragt habe, wo genau in der Nase sich das nervige Schleimzeugs bildet, wusste die Suche nicht, was ich von ihr wollte. Stumm sah ich mich um. Ich war in keinem Traum, das hatte ich bereits in der Nacht zuvor festgestellt. Allein schon die Tatsache, dass ich in meinem Traum richtig gefroren hatte und mir mein Hirn nicht nur sagte: Obacht, hier ist es kalt!, war für mich schon ein sehr guter Beweis dafür, dass das, was hier alles um mich herum war, zur Realität gehörte. Zwar nicht zu meiner eigenen, aber zu überhaupt einer. Um mich herum waren nur Bäume, so hoch, dass den Himmel kaum sehen konnte. Ich blickte mich nach den anderen um, doch Hak war nicht da. Yona dagegen war gegen einen dicken Baumstamm gelehnt, ihr Mantel umhüllte sie immer noch wie eine Decke. Sie selbst schlief und ich konnte mir nur vorstellen, was sie vor ihren inneren Augen sah. ‚Ob sie wohl wieder den Tod ihres Vaters sieht? Armes Mädchen … ich kann mir gar nicht vorstellen, was schlimmer ist. Seinen Vater nie wirklich gekannt zu haben, bevor er starb oder ihn ganz lange gesehen zu haben, nur um dann seinen Tod live mitzubekommen …‘_ Gerade, als ich mir überlegte, ob ich nun lieber hier in diesem improvisierten Lager bleiben oder nach Hak suchen sollte, riss Yona die Augen weit auf. Ihre Brust hob sich heftig und auch ihre Atmung ging schwer. Ihr Blick ging ins Nirgendwo und ich war mir sicher, dass sie aus einem nicht so schönen Traum gerissen worden war. Er erinnerte mich an den einen Traum, in welchem ich starb und auch mit einem leichten Schreck aufgewacht war. Es war kein schönes Gefühl. Ich beschloss, Yona zu beobachten, als ich feststellte, dass sie sich erst selbst panisch umsah und anschließend zu mir hinüberblickte. Unsicher, ob sie mich ansah oder doch einfach nur wieder durch mich hindurch, blickte ich zögerlich zurück. Immer wieder mit höflichen Blickpausen. Zwar konnte ich nun anderen Leuten in die Augen blicken, wenn sie mich ansahen. Dennoch mochte ich es nicht, wenn mich andere Menschen ansahen, besonders, wenn ich sie nicht so gut oder gar nicht kannte. Und im Grunde waren Yona und ich Fremde zueinander. ~~*~~ Es hatte ein paar Sekunden gedauert, bis ich mich erhoben hatte. Mein Kopf war verbunden worden von irgendwem, was mir sagte, dass ich wohl doch eine kleine Verletzung hatte. Na immerhin erste Hilfe hatten sie geleistet. Und doch war das seltsam. Ich musste wahrscheinlich mehr auf der Hut sein, als ich eigentlich wollte. Ich lief zu der Kommode, auf der ich eine auffällige Schatulle gesehen hatte. Sie passte so gar nicht in diesen Raum, wahrscheinlich weil sie nicht gerade so aussah, als wäre sie in diesem Land fabriziert worden. Doch noch interessanter war das Blatt Papier auf der Schatulle. Die Schrift war mir zwar nicht fremd, aber keine die ich lesen konnte. „Koreanisch? Gott warum konnte ich mich nic-“ Ich stockte und blinzelte verwirrt. In meiner Welt konnte ich lesen und ich verstand auch die deutsche Sprache. Hier aber verstand ich scheinbar die Sprache, anders konnte ich mir das Gespräch mit dem Wächter nicht erklären, konnte sie aber nicht lesen. 'Na super... Ich würde also einen ganz miesen Spion abgeben. Also schön ich verstehe koreanisch? Yey. Das hätte ich damals für japanisch im Studium gebraucht. Wobei nein, dann wäre ich immer noch durchgefallen, wenn ich es nicht lesen kann.' Ich grummelte. Für mich war eine Sprache zu sprechen und zu lesen essentiell wichtig. Aber gut, ich musste hier wohl das beste draus machen. Irgendwie. Zur Not konnte ich meine Inkompetenz fürs Lesen auf meinen Stand schieben. Ik-So war ja nicht umsonst so verwundert gewesen, als Yoon ihm erzählt hatte, dass er lesen konnte. Noch dazu war diese Mangel auch nicht unpraktisch für meine Lüge, dass ich Geschichtenerzählerin war. Geschichten musste man nur hören. Man musste sie nicht unbedingt selbst lesen, um sie anderen gut zu vermitteln. Bänkelsänger sangen sie ja auch ohne sie zu lesen. Sie hatten sie vielleicht mal gelesen, aber wer wusste das schon so genau? Damit hätte sich also auch die Tatsache geklärt, dass ich mir ja die Bücher oder Schriftrollen ansehen konnte. Lesen konnte ich sie eh nicht. Das wurmte mich wohl am meisten. Oder viel mehr meine Neugier wurmte das. Ich zuckte zusammen, als die Tür hinter mir aufgeschoben wurde und ich so aus meinen Gedanken gerissen wurde. Ich wandte mich und fühlte mich dabei wie ein ertapptes Kind, dass verbotener Weise in die Keksdose gegriffen hatte. Vor dem Mittagessen. Das verdarb angeblich den Appetit. Ich versuchte mich zu beruhigen, denn ich hatte nichts verwerfliches getan. Mal davon abgesehen, dass sollten hier irgendwelche sehr wichtigen Dokumente liegen, ich diese sowieso nicht lesen konnte. Gerade das ich so erschrak wirkte doch auffällig, wenn der Mann, der soeben das Zimmer betreten hatte, es bemerkte. Sein strenger Blick ruhte auf mir, als er mich musterte und scheinbar abzuschätzen schien, ob ich eine Gefahr war oder nicht. Zumindest vermutete ich das, denn er schickte seinen Wachmann, der mit ihm den Raum betreten hatte, aus diesem, wobei der Wachmann ein paar Kleidungsstücke, die er in den Händen gehalten hatte, neben sich auf dem Boden legte. ~*~ Unsicher darüber, was ich machen sollte, erhob ich mich und ging langsam zu Yona herüber, wollte sie beruhigen, damit sie keine Angst vor mir haben muss. Dabei hatte ich mit jeder Art von passiver oder gar keiner Reaktion erwartet, aber nicht mit dem, was nun passierte. Ich konnte gerade noch den panischen Rehblick in ihren Augen sehen, als sie mich schon mit ihren Händen von sich stoß. Verwirrt taumelte ich ein paar Schritte nach hinten und plumpste auf meinen Hintern. Da dieser allerdings nicht so gut gepolstert war wie der aus meiner Heimatdimension, tat mir der Fall mehr weh als sonst. Erst jetzt hörte ich, wie sich Yonas Stimme überschlug und um Hilfe, nach Hak rief. ‚Ohje, was ist denn jetzt los? Erkennt sie mich etwa nicht? Bestimmt hat sie nicht mitbekommen, dass ich mit dabei bin seit der letzten Nacht.‘ Was mich nicht wundert, ich werde oft von anderen Menschen nicht wahrgenommen. Als ein kleiner, introvertierter Mensch bin ich vielen Leuten einfach zu klein, weil ich mit meiner Körpergröße unter ihrem Sichtfeld liege. Überhaupt bin ich ein stummer Mensch und wenn ich unterwegs bin, nehmen mich die Leute dank meiner grauen Aura nicht wahr. Ich wurde unsichtbar, auch wenn ich es nicht wollte. Selbst mit meiner auffälligen Haarfarbe passiert es mir, dass die Leute regelrecht verdattert darüber waren, dass ich da auf einmal stand, obwohl ich das schon länger tat. Es wunderte mich nicht, immerhin stand Yona nach wie vor unter Schock. Ich wollte ihr keine Vorwürfe machen. Dass sie mich allerdings wie einen Mörder oder gar wie einen Vergewaltiger ansah, der gerade Frischfleisch gefunden hatte, gefiel mir dagegen gar nicht. „Yona-Hime, geht in Deckung!“, rief Hak laut, aber bestimmt und hatte seine Waffe gezückt, bereit, die ihm unbekannte Bedrohung mit einem Hieb aus der Welt zu schaffen. Ich konnte mir die Situation vor meinem inneren Auge bereits vorstellen: Hak kam auf die Idee, dass ich eine Gefahr für die rothaarige Prinzessin sein könnte und würde mich auf der Stelle umbringen. Oder an einen anderen Ort bringen, wo Yona meine Hinrichtung nicht mit ansehen möchte. Hak würde mich mit einem derartig hasserfüllten Blick ansehen, dass ich mir vorkommen würde wie Soo-Won Junior. Zu meinem Glück wurde diese pessimistische Vermutung nicht zur Wahrheit, dennoch sah mich Hak nicht gerade freundlich an. „Ich habe zwar keine Ahnung, was hier vorgefallen ist, aber du bist mir offensichtlich eine Erklärung schuldig! Was ist mit Yona-Hime passiert?.“ ‚Hilfe, der denkt doch hoffentlich jetzt nicht, dass ich irgendwas gemacht habe …‘ Ich beschloss, dass es wohl an der Zeit war, mich von meinem kurzen Leben zu verabschieden. ‚25 ist ja auch eine schöne Zahl, um zu sterben … oder angeschissen zu werden. Bitte, lass es nur ein Anschiss sein. Ich muss nur mit ihm reden … wenn nur meine Gedanken nicht wieder durchdrehen würden!‘ Mit eben jenen mürrischen Ausdruck im Gesicht kam er auf mich zugeschritten, als er mit einem Mal innehielt. Beide blickten wir auf den unteren Teil seiner Kleidung, an welche sich Yona wie ein kleines Kind an ihre Mutter festgeklammert hat. Ihre Augen hatten einen lebendigeren Eindruck als noch vor wenigen Sekunden, ängstlich blickte sie zwischen ihrem Beschützer und mir hin und her. Sie musste nicht einmal aussprechen, was sie sagen wollte, ihre Augen übernahmen es für sie und Hak verstand. „Verzeiht mir. Ich habe Wasser geschöpft …“ Immer mehr und mehr verstand Yona die Situation, ihre Atmung wechselte von schnell auf stockend. Erst waren es ein paar einzelne Tränen, die ihre Wangen herunterliefen, doch nur wenige Herzschläge später erfüllte ihr verzweifeltes Weinen unsere nähere Umgebung. Als würde sie versuchen, all die Schmerzen, die furchtbaren Erinnerungen und die unendliche Traurigkeit mit ihren Tränen vollständig aus ihrem Körper zu spülen. Den Körper zusammengekrümmt, saß sie vollkommen hilflos vor uns, ein stummer Schrei nach Liebe und Wärme. Vorsichtig versuchte ich, die passenden Worte zu finden. „Keine Angst, ich habe ihr nichts getan, im Gegenteil, sie hat bis eben noch friedlich an dem Baum geschlafen. So gut es in ihrem Zustand jedenfalls ging … bis sie dann schließlich aufgewacht ist. Bestimmt hat sie mich nicht wiedererkannt oder gestern nicht mitbekommen, dass ich mit euch zusammen mitgegangen bin. Ich kann es ihr nicht verübeln, mich würde das bestimmt auch ziemlich erschrecken.“ Stumm betrachtete er mich, anschließend die Prinzessin und dann wieder mich. Sein Blick wirkte ein wenig weicher, wenn auch nicht viel. „Pass auf sie auf … tröste sie!“, waren seine einzigen Worte an mich, bevor er sich mit dem Feuerholz im Arm in eine Ecke unseres kleinen Lagers verzog. Ich folgte ihm, zwang mich jedoch dazu, die weinende Prinzessin anzusehen. Wie ich sie so sah, spürte ich, wie ich mich ein weiteres Mal mit der Situation überfordert fühlte. So oft hatte ich irgendwo, vermutlich in irgendwelchen Heften gelesen, was man zu traurigen Menschen sagt und welche Gesten man mit ihnen macht. Auch habe ich es oft genug in Serien gesehen. Menschen umarmten andere oder sagten ihnen aufmunternde Worte. Sie wussten immer, wie man sich in solchen Situationen verhält. Ich dagegen war immer überfordert. Nie konnte ich mit Sicherheit sagen, was ich nun als nächstes sagen sollte. Zwar wusste ich, dass so 08/15-Spruche wie „Das wird schon“ oder „Die Zeit heilt alle Wunden“ überhaupt nicht helfen. Es ist mehr eine Standard-Floskel, ein homöopathischer Spruch in meinen Augen, den man halt so sagt. Daher verkniff ich ihn mir, was mich zugleich aber noch mehr verwirrte. Gefühlt hatte ich Haks Blick im Rücken, aber ich wollte nicht nachsehen, ob er mich gerade wirklich mit seinem Blick durchbohrt oder ob es nur wieder an mir lag , an meiner Introversion oder dem sogenannten Spotlight-Effekt lag, das wollte ich lieber nicht überprüfen. Was hätte ich Hak denn sagen können? Sorry, aber ich bin gerade überfordert? Nein, ich musste bei den beiden bleiben, sonst müsste ich mich bald von meinem Leben verabschieden und das gerade mal mit jungen 25 Jahren. So nahm ich meinen Mut zusammen und ging auf Yona zu. Setzte mich neben sie auf den doch recht warmen Erdboden. Noch immer wollten mir keine Worte einfallen, die ich auch aussprechen wollen würde und ich hatte immer mehr das Gefühl, dass sich in dem Hohlraum zwischen den zwei kleinen Ohren nur schneeweiße Watte befinden würde. Sie dort an diesem Baum sitzen zu sehen, wie sie sich die Augen ausweinte und so tiefen Schmerz verspürte … weckte in mir mein Mitgefühl. Auch meine eigene Gefühlswelt trübte sich, als würde sie mich mit ihrer Trauer anstecken, doch ich ließ es zu. Vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken, begann ich sie langsam am Kopf zu streicheln. Augenblicklich zuckte sie unter meiner Hand zusammen, doch dann ließ sie es geschehen. Nur für ein paar wenige Sekunden, dann begann sie noch stärker zu zittern und lauter zu weinen. ‚Na toll, das habe ich ja sauber hinbekommen … und ich hab hier kein Taschentuch dabei. Nicht mal Ärmel habe ich an meinem Shirt … uff, das wird ja toll. Haks Jacke kann ich schlecht nehmen, die gehört ja mir nicht. Wenn wir alleine wären, würde ich vllt mein Shirt ausziehen, aber mit Hak in der Nähe geht das schlecht … arrrrgh!‘ Jetzt kam ich mir noch bescheuerter vor, immerhin weinte sie jetzt noch lauter als vorher. Wenn mich Hak mit seinem Blick nicht bereits vorhin erdolcht hat, tat er es jetzt mit Sicherheit. Was ich immer noch nicht überprüfen wollte. Ein paar Seufzer später gab ich mir einen weiteren Ruck, statt ihrem Kopf streichelte ich nun sachte ihre Schulter, fuhr einfach nur mit den Fingern immer wieder hinunter. „Prinzessin“, sagte ich so sanft wie es mir möglich war. Auch beschloss ich, angesichts der Lage Yona lieber erst einmal zu siezen. Nicht, dass Hak das noch als fehlenden Respekt bewertet. Lieber kein Risiko eingehen, lautete im Moment mein Motto. „Ich möchte nur, dass Ihr wisst, dass Hak immer für Sie da sein und Sie beschützen wird. Er wird Ihnen niemals von der Seite weichen. Ich kann zwar nicht kämpfen, aber wenn du mal eine Schulter zum Ausweinen brauchst … dann kannst du meine gerne haben.“ Wie überzeugend es von einer total Fremden klang, wusste ich nicht. Zwar kannte ich sie durch den Anime, aber irgendwo war sie doch eine Fremde für mich. Und aus ihrer Sicht war ich erst recht eine total unbekannte Person. Natürlich könnte ich ihr noch sagen, dass sie mir ruhig vertrauen könnte, oder ähnliche Dinge, aber das verkniff ich lieber herunter. Angesichts der Situation kam mir das nicht angebracht vor. Genauso wenig, wie Vergleiche zwischen ihrem Vaterverlust und dem meinigen anzustellen. ‚Was wohl schlimmer ist? Seinen Vater nie richtig kennenzulernen und dann zu verlieren; oder seinen Vater ewig zu kennen und dann mit ansehen müssen, wie er vor den eigenen Augen wie ein Monster gerichtet wird … ich kann es mir nicht vorstellen‘ So schluckte ich auch das Bedürfnis herunter, zumal es mir noch immer schwerfiel, über das Thema zu reden. Ich blinzelte die winzige Flüssigkeit, die sich wie immer in meinen Augen sammelt, hastig weg und sah Yona direkt an. Noch immer weinte sie vor sich, wenn auch mittlerweile stumm. Ob sie nun ihre Stimme oder nur ihre Kraft verlassen hatte, konnte ich nicht sagen. Ihr Blick sah hinüber zu Hak, als er sich allerdings von der Stelle bewegte, folgten ihre Augen ihm nicht. Stattdessen starrten sie in die weite Ferne, ohne wirklich etwas zu erfassen. ‚Ich hätte niemals gedacht, dass ich diesen Blick eines Tages mal zu Gesicht bekommen würde, abgesehen von Wikipedia und den Ergebnissen der Google Bildersuche …‘ Allerdings waren die Tränen versiegt und auch ihre Atmung wie auch ihre komplette Haltung beruhigt. Unsicher darüber, was meine nächsten Schritte sein sollten, sah ich die beiden abwechselnd an und beobachtete sie bei ihren Tätigkeiten. Keiner von ihnen sagte etwas, Hak hat die Umgebung im Auge, für den Fall, dass uns jemand von den Wachen gefolgt war und Yona hing ihren Gedanken nach. Erneut seufzte ich. Die Stimmung, die in Luft hing, war keine angenehme. Es erinnerte mich fast schmerzlich an die unzähligen Male, in denen eine unschöne Stimmung im Raum war oder ein peinliches Schweigen. So gut wie jedes Mal wusste ich nicht, ob und was ich sagen sollte, um dieses Schweigen zu brechen oder die Situation wieder herzustellen. ‚Ich kann mir nur halbwegs vorstellen, was in den beiden vorgeht. Immerhin hat sie ihr Kindheitsfreund verraten, den König kaltblütig ermordet und den Thron an sich gerissen. Zwar war mein damaliger Kindheitsfreund auch erst nett und hat sich dann als Arsch entpuppt, aber immerhin hat er nicht vor meinen Augen meinen Vater umgebracht. Gut, das Gejammer, dass er aufgrund der Scheidung seinen Vater nicht mehr so oft sehen konnte, war auch eine Art Magenschlag. Wenn auch ein anderer … Die beiden haben ihm vertraut und nun sind sie vor ihm auf der Flucht. Zwar weiß ich, dass er Yona und bestimmt auch Hak nichts antun würde, aber das könnte ich den beiden doch nicht erzählen. Immerhin kann ich das ja nicht wissen, weder ihre besondere Verbindung aus der Kindheit, noch die Details rund um Soo-Won. Ich wünschte, Fierce wäre hier, er wüsste, was zu tun wäre. Oder er würde wenigstens dafür sorgen, dass ich mich nicht so hilflos fühle. Ob er bereits mitbekommen hat, dass ich weg bin? Wie wohl die Zeit hier vergeht, schneller, langsamer oder genauso schnell wie daheim?‘ Eilig schüttelte ich den Kopf, auch wenn sich die Gefühle nur schwer ignorieren ließen. Genauso wenig konnte ich den Gedanken wegschieben, dass ich den beiden unbedingt helfen sollte. Dass ich etwas gegen die bedrückende Stimmung unternehmen sollte. Doch was nur? ‚Ob es ihnen hilft, wenn ich einfach für sie da bin? Wenn ich sie unterstütze? Bestimmt hilft ihnen das am besten, immerhin bin ich nicht gerade die Einfühlsamste … Zwar müssen die beiden sich mit den Ereignissen auseinandersetzen, aber sich die ganze Zeit den Kopf darüber zu zerbrechen, ist in meinen Augen auch keine Lösung. Irgendwann drehen sich die Gedanken im Kreis und besonders dann erreicht man gar nichts.‘ Zwar hatte ich noch keine Ahnung, wie ich das anstellen könnte, aber ich konnte auch nicht nichts tun. Sonst würde mich Hak wegschicken und dann war ich vollkommen verloren. Ich wusste nicht genau, warum ich hier gelandet war. ~~*~~ Geräuschvoll verschloss sich die Tür hinter ihm und ich war alleine mit dem Mann, den ich als rechte Hand oder viel mehr Berater Soo-Wons erkannte. Ein klares Zeichen dafür wo ich wohl war. Im Palast. Die Räumlichkeiten hätten mir das zwar deutlich machen müssen, eben so die Wachen, aber jetzt wurde es mir nur noch klarer. „Die Sachen sind für Sie. Ziehen Sie sich um, bevor ich zum Verhör mit Soo-Won-sama bringe.“ Mit einer geschmeidigen Handbewegung wies er auf die Sachen, die am Boden lagen. Gleichzeitig fragte ich mich, was mit meinen nicht in Ordnung war... Aber gut, es war wohl vorerst besser zu tun was man mir sagte. Dennoch konnte ich nicht anders als den Berater misstrauisch zu beäugen, während ich auf die Sachen zulief und sie aufhob. Ich traute ihm irgendwie keine fünf Meter über den Weg, nicht nachdem er gefordert hatte, dass man Yona umbrachte. Aber dass ich es wusste, konnte er noch nicht einmal ahnen. Mit den Sachen in der Hand, und immer noch ein Auge auf den Berater habend, ging ich zum Raumteiler, hinter dem ich mich vor seinen Blicken sicher fühlte. Irgendein Gefühl sagte mir, dass er wohl jetzt nicht einfach spannen würde. Dafür schien er mir nicht der Typ zu sein. Dennoch lauschte ich und versuchte Geräusche auszumachen, die nicht von dem Raschen meiner Kleidung kam, die ich mir über den Kopf zog. „Sie tragen seltsame Sachen, woher kommen Sie?“, hörte ich plötzlich seine Stimme, während ich den Akt des mich Umkleidens vollzog. Doch ich dachte auch nach, was genau ich erzählen sollte. Und ich durfte nicht zu lange mit den Antworten warten, um nicht auffällig zu wirken. „Von außerhalb. Nicht aus diesem Land oder den Umliegenden. Ich reise schon seit Monaten und besuche fremde Regionen und Länder. Dabei lerne ich viel über die Menschen, ihre Kulturen und Geschichten und noch viel mehr“, erklärte ich und versuchte dabei so wenig wie möglich und doch ausreichend zu erklären. Meine Geschichtskenntnisse waren nämlich nicht gut genug um sagen zu können, ob Deutschland jetzt schon Preußen hieß oder immer noch Germanien war. Meine Antwort wäre also unvorteilhaft gewesen, wenn jemand sich mit den Ländern des noch nicht vorhandenen Europas auskannte. „Man sagte uns, Ihr habt behauptet eine Geschichtenerzählerin zu sein.“ „Das ist richtig. Mit dem Geschichten erzählen verdiene ich mir etwas Geld um in größeren Städten im Gasthaus unter zu kommen und um meinen Lebensunterhalt zu verdienen.“ Ich sah auf das Oberteil, welches mir gereicht worden war oder viel mehr die Ganzkörperbekleidung darstellte. Gleichzeitig fragte ich mich, ob mein E-Körbchen von der Kleidung gut genug bedeckt werden würde, denn asiatische Frauen neigten dazu einen wesentlich kleineren Vorbau zu haben. Ich beneidete sie darum. „Wissen Sie was gestern Abend vorgefallen ist?“ „Ich dachte das Verhör führt jemand anderes“, konterte ich und schelte mich sogleich dafür, dass der Mund wieder einmal schneller war, als der Verstand. Der mich auch sogleich mit Kopfschmerzen zum Schweigen bringen. „Antworten Sie einfach.“ Ich seufzte leise und schob meinen Arm in einen der Ärmel, wobei ich es genoss, wie der Stoff sanft über meine Haut streifte. Es war eindeutig kein billiger Stoff. Unglaublich, dass man ihn mir gab. Eigentlich war schon das eine Verschwendung. „Ich weiß nicht was passiert ist. Ich war gestern Abend unterwegs, weil ich nicht schlafen konnte. Auf meinem Spaziergang hörte ich nur Geräusche eins Kampfes, warum und wieso aber ein Kampf stattfand, weiß ich nicht. Ich weiß nicht einmal wer gegen wen kämpfte. Sollten Sie also Räuber oder dergleichen vermuten und suchen, dann kann ich leider nicht weiter helfen.“ Während ich sprach, versuchte ich so gut wie möglich meinen Oberweite zu verdecken. Doch so wie ich es mir gedacht hatte, war es fast schon unmöglich wirklich bis oben geschlossen zu sein. Ich überlegte sogar kurz, ob ich nicht auf meinen Büstenhalter verzichten sollte. War der überhaupt schon erfunden? Besser ich behielt ihn bei mir. Am Ende dachte man noch, dass sei eine Mordwaffe, mit der ich jemanden würgen wollte. „Ich weiß nicht ob Sie sich dumm stellen, oder wirklich nichts wissen. Verdächtig sind Sie allemal.“ „Warum sollte ich bitte verdächtig sein? Weil ich aus dem Ausland komme? Da wo ich herkomme, würde man so etwas Rassismus nennen.“ „Sie sind sich scheinbar wirklich nicht bewusst in was für einer Lage Sie stecken. König Il wurde von Rebellen ermordet und Sie stehen im Verdacht zu eben jenen zu gehören.“ ~*~ ‚Vielleicht ist es in Pokémon Mystery Dungeon und hier wird meine Hilfe benötigt. Etwas, was nur ich machen kann. Was auch immer das sein könnte … vielleicht muss ich ja meine Aufgabe finden, damit ich wieder nach Hause finde? Wie auch immer, ich darf die beiden auf keinen Fall verlieren … gut, dann werde ich versuchen, sie auf andere Gedanken zu bringen.‘ Ein magerer Plan, sagte ein Teil meiner Gedanken. Doch eine Alternative wollte sich mein stures Hirn auch nicht einfallen lassen. Wenn es sich einmal auf etwas festgebissen hat, dann lies es sich nur sehr schwer auf eine Alternative ein. Wie schon zum gefühlt zehnten Mal schluckte ich den überschüssigen Speichel herunter. ‚Na das kann ja werden …‘ Kein Wunder, dass ich oft so unflexibel bin. Immerhin war es ja mein Hirn, wie konnte ich dagegen etwas tun? Ich wusste nicht, ob es überhaupt irgendwie helfen sollte, zumal sich immer wieder mein Freund in meine Gedanken drängte. ‚Reicht ja offenbar nicht, dass wir uns nur am Wochenende sehen, jetzt trennen uns nicht nur Kilometer, sondern auch Dimensionen, Welten und Zeiten‘, fuhr es mir bitter durch den Kopf. Ich wusste, ich würde ihn noch so richtig vermissen, spätestens dann, wenn ich versuche am nächsten Abend einzuschlafen. Dass es in der letzten Nacht so gut geklappt hat, lag lediglich daran, dass ich todmüde gewesen war. ~~*~~ Ich murrte innerlich. Er erzählte mir eine Lüge. Eine ganz dreiste. Doch selbst wenn ich es wusste, durfte ich nicht einmal offenbaren, dass es eine war. Immerhin hatte ich selbst ein paar Lügen erzählt. Wusste er davon und wollte mich so aus der Reserve locken? Das war Mist, denn nun zwang er mich damit bei seiner Lüge mit zu spielen. „Ich bin nur eine Reisende. Ich weiß nicht einmal wie König Il aussah. Ich bin erst vor kurzem hergekommen, weil ich hörte, dass die Prinzessin Geburtstag hat und dachte, ich könnte mir hier ein paar mehr Münzen als gewöhnlich verdienen. Das ist alles. Außerdem... haben Sie mich mal angesehen? Wo sollte ich Waffen verstecken?“ „Sie könnten sich dieser entledigt haben.“ Erneut murrte ich leise. Er hatte ja Recht. Ich hätte den König, so rein theoretisch, auch wenn ich es nicht getan hatte, umbringen können, danach fliehen und schließlich während meiner Flucht mich aller Beweise entledigen können. Und mit Sicherheit würde hier nicht „in dubio pro reo“ gelten. Man kannte diesen Spruch wahrscheinlich nicht einmal. „Warum haben Sie mich dann nicht in einem Kerker gesperrt? Wenn ich so verdächtig bin, dann wäre ein Zimmer nicht das passende Gefängnis.“ Ich war neugierig. Hinter dem was passiert war und passierte, musste doch ein Sinn stecken. Einer, der mir im Moment noch verborgen blieb. „Das verdanken Sie der Tatsache, dass Soo-Won-sama ein gütiger Mensch ist und bereute, wie man Sie festgesetzt hat. Er meinte man sei unnötig gewalttätig zu ihnen gewesen, als man Sie niedergeschlagen hat. Es wird eine Beule zurück bleiben, für ein paar Wochen. Die Blutung wurde gestoppt. Soo-Won-sama ist der Ansicht, dass es einen anderen Weg gegeben hätte, zumal Sie unbewaffnet waren.“ Ich lauschte und trat hinter dem Sichtschutz hervor. Was Soo-Wons Berater sagte, klang mehr danach, dass der zukünftige König ein schlechtes Gewissen hatte, weil jemand Unschuldiges in die ganze Sache hinein gezogen wurde. „Es liegt also nicht daran, dass er sich nicht sicher ist, dass er nicht weiß, ob das was ich über meine Herkunft sagte wahr ist. Wenn ich jemand aus dem Ausland bin und ich vielleicht doch aus höherem Rang wäre, könnte das zu diplomatischen Problemen führen. Also geht man lieber so ein kleines Risiko ein und lässt mich menschenwürdig leben, bis man weiß, ob das was ich sagte die Wahrheit ist.“ Der Blick des Beraters verdunkelte sich. Wahrscheinlich hatte ich den Treffer versenkt. Oder ihm gerade ein Problem mehr offenbart. Nämlich das, dass ich gerade kein kleines Risiko war und vielleicht sogar wesentlich spitzfindiger als er vermutet hatte. „Sie sollten nicht soviel darüber nachdenken, da Sie vielleicht sowieso nicht lange genug leben werden um zu erfahren, ob ihre Idee wahr ist. Wir sollten gehen. Soo-Won-sama erwartet Sie bereits und wird über Sie richten.“ Ich schluckte schwer und fragte mich, was nun passieren würde. Fakt war eines, ich musste mein Wissen wohl gut genug einsetzen und clever sein, wenn ich überleben würde. Für Soo-Won war jemand wie ich sicher ein gefundenes Fressen um seine Tat zu verbergen. Niemand hätte ihn angezweifelt, wenn er eine Ausländerin als Sündenbock hingestellt hätte. Niemand hier kannte mich und damit hätte es auch keine Person gegeben, die meine Geschichte bestätigt hätte. Ich musste mir was einfallen lassen. Etwas, dass Soo-Won davon abbrachte, mich unschuldig zu einer Mörderin zu machen. ~*~ „Hier bleiben wir“, sagte Hak und deutete auf einen umgefallenen Baumstamm, mit einem kleinen Brocken nebendran als passende Sitzgelegenheit. Wir hatten unser altes Lager verlassen, da Hak die Stille des Waldes zu ruhig erschien. Ich musste aber zugeben, dass mir unser neues Lager recht gut gefiel, ganz im Gegensatz zu der Vorstellung, wieder unter freiem Himmel zu schlafen. Da ich allerdings keine Alternative kannte, behielt ich meine Bedenken diesbezüglich lieber bei mir. Das Rauschen des Flusses in der Nähe hatte eine schöne, beruhigende Wirkung und hoffte, dass es den beiden genauso ging. Kaum hatten wir unser Lager fest aufgebaut und uns daran niedergelassen, als Hak auch wieder aufsprang und sich in die Richtung des Flusses aufmachte. „Ich geh fischen. Pass auf sie auf“, sagte er recht wortkarg, was er bereits den ganzen Tag über war. Natürlich fiel es mir auf, aber ich konnte ihn verstehen. Wenn es mir nicht gut ging, ob nun körperlich oder seelisch, dann sprach ich auch nur die nötigsten Wörter und schwieg ansonsten. Einfach, weil mir dann noch weniger nach Gesprächen war als üblich. Daher konnte ich es nur zu gut verstehen, dass sie nicht mit mir darüber reden wollten, vor allem, mit mir also noch immer fremde Person. Sie mussten erst für sich verarbeiten, wie sie am letzten Tag erlebt hatten und dafür braucht man Zeit. Zeit, die ich ihnen bedingungslos geben würde. Dennoch, irgendwie musste ich ihnen helfen. Zuerst einmal mussten wir sehen, dass wir die Heimat von Hak erreichen, ohne, dass uns etwas passiert. Dass uns niemand findet, aber auch, dass wir auf andere Gedanken kommen. Unsicher sah ich mich um, um etwas zu finden, was mir dabei eventuell helfen würde. Gras, Bäume, Stöcke, Steine und vermutlich ein kleiner Hase waren alles, was ich auf die Schnelle finden konnte. Doch dann fiel mein Blick auf ein paar kleine Busche, welche über und über mit kleinen, hellen Blüten bedeckt waren. Neugierig wollte ich wissen, was für Blüten es waren, doch erst versicherte ich mich, dass ich Yona für ein paar Sekunden alleine lassen konnte. Da diese nicht viel mehr tat, als in die Ferne zu blicken und nebenbei ihre letzten Tränen wegzuwischen, wusste ich, sie würde meine kurze Abwesenheit gar nicht bemerkte. Mit einem Mix aus Mitleid und Schuldgefühlen blickte ich gen Boden, bevor ich mich den Sträuchern näherte. Als ich davor stand, betrachtete ich die Blüten und konnte sie schließlich erkennen. Dabei stellte ich fest, dass meine Brille fehlte. Wie immer dauerte es eine Weile, bis ich spürte, dass ich meine Brille trug oder eben nicht. ‚Na toll und ich bin kurzsichtig … naja, ich kann es jetzt auch nicht mehr ändern. Ein Glück, dass es nicht so stark. Andererseits konnte ich die Blüten von dort drüben nicht so gut erkennen. Nicht gut.‘ Während ich die schöne Blüte mit dem langen Stempel in der Hand hin und herdrehte, ohne sie von ihrem Stängel abzutrennen, wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich diese Blume bereits einmal gesehen habe. Wenn es mir nur einfallen würde… Während meine Augen Achterbahn fuhren, dachte ich angestrengt nach, woher ich diese Blüte nur kennten würde. Bis es mir wie Schuppen vor die Augen fiel und ich merkte, dass sich meine Stimmung zum zweiten Mal verschlechterte. Erneut begannen meine Gedanken zu rasen. ‚Diese Blume, die habe ich schon mal gesehen. Genau, als Steven in Korea war. Zusammen mit Greg. In der Folge, in der er von Blue Diamond entführt wurde. Stevens Dream oder so. Es sind ihre Blumen. Jasper hatte eine solche Blume auf einem Poster in ihrem Smoking. Ich vermisse Jasper. Wo ist Pink Pearl? Ich kenne sie nicht. Warum macht mich der Gedanke traurig?‘ Abwechselnd sah ich in meinen Gedanken das Bild von Pinks kaputten Palanquin und dem Hibiskus, wie er sich sachte im Wind wiegte. Das Bedürfnis, nun selbst ein paar Tränen zu vergießen runterschluckend sah ich weiterhin auf die weißen und rosafarbenen Blüten unter mir. ‚Nein, hier geht es nicht um mich, es geht jetzt um Yona’, sagte ich mir innerlich und begann, ein paar der Blumen zu pflücken. ‚Wir können ja versuchen, eine Blumenkette zu basteln, das wird sie bestimmt von ihren Gedanken ein wenig ablenken können. Und mich auch.‘ Meine kleinen Hände voll mit schönen Blumen, kehrte ich zu Yona zurück und setzte mich neben ihr. Es kam keine Reaktion von ihrer Seite, zumindest war ich mir nicht sicher, ob ich es mir nur einbildete oder ob sie mich wirklich ignorierte. „Sehen doch mal, was ich hier ganz in der Nähe gefunden habe, Prinzessin“, sagte ich fröhlich und hielt die Blumen in ihre Richtung. „Das sind Hibiskus, den näheren Namen kenne ich leider nicht. Aber ich finde sie wunderschön. Sie haben in der Blumensprache eine Bedeutung, ich glaube, es geht um Liebe, Wiedergeburt, Treue oder so … ich hab es mal gelesen, aber leider wieder vergessen.“ Beschämt kratzte ich mir am Hinterkopf, eine Eigenschaft, die ich mir in diversen Animes abgeguckt hatte, aber Yona nahm keine Notiz davon. Unter anderen Umständen wäre ich einfach davon ausgegangen, dass sie höflich über meine Unwissenheit hinwegsehen würde. Aber hier kannte ich die Umstände und nahm es ihr nicht weiter übel. „Ich dachte mir, dass wir aus diesen schönen Blumen eine kleine Kette machen könnt. Zwar bin ich mir nicht sicher, ob Ihr das kennt, aber in meiner Heimat ist es üblich, dass man die Stiele vieler Blumen aneinander bindet, bis sie schließlich eine kleine Kette ergeben. Sie würden auch gut zu Ihren wunderschönen Haaren passen.“ Vorsichtig verknotete ich die Blumenstiele miteinander. Dadurch, dass sie an einem Strauch gewachsen waren, sind die Stiele stabiler als die von Gänseblümchen, mit welchen ich sonst bisher immer getan habe. Wofür ich ihnen dankbar war. Nach wenigen Minuten hatte ich auch schon eine erste Kette fertiggestellt. Vorsichtig legte sie ich auf Yonas Kopf, sie passte perfekt. Nicht nur von der Farbe her. „Wahnsinn, Prinzessin, die Blumen stehen Ihnen wirklich ausgezeichnet …“ In dem Moment, in welchem ich ihr ein ernstgemeintes Kompliment über ihre Haare geben wollte, verschluckte ich es auch wieder. ‚Soo-Won hat ihr auch schöne Wörter über ihre Haare gesagt … ich muss nicht noch das Messer in der Wunde umdrehen!‘ Stattdessen entschied ich mich, die Haare einfach auszulassen. „Sie passen sehr gut zu Ihren Augen, damit sehen sie wie eine Prinzessin des Waldes aus. Oder die der Blumen. Wenn ich mir jetzt noch eine mache, dann bin ich auch für einen kurzen Moment eine Prinzessin, so wie Ihr es seid!“ Daraufhin machte ich mich daran, meine eigene Kette zu erstellen, spickte aber immer mal wieder zu Yona hinüber. Noch immer reagierte sie kaum, nur kurz hob sie ihre Hand, um nach den Blumen zu tasten, um anschließend den Arm wieder auf ihren Schoß abzulegen. ‚Hm, besser als gar nichts. Immerhin hat sie sie nicht weggeworfen oder wieder zu Weinen begonnen … das ist schon mal ein Fortschritt. Hoffe ich.‘ Dann setzte ich mir selbst die Blumenketten auf, doch im Gegensatz zu meinen Worten fühlte ich mich überhaupt nicht wie eine royale Person. Mehr wie eine Betrügerin, die sich immer mehr und mehr in ihrer Lüge verstrickte. Kapitel 3: Unangenehme Begegnung -------------------------------- Noch immer fühlte ich mich unwohl und wünschte mir, ich wäre an einem anderen Ort. Gleichzeitig wusste ich, ohne diese beiden Personen würde ich hier nicht sehr lange überleben. ‚Ob ich damit dann wieder nach Hause kommen würde, wenn ich hier sterbe? ‘ Auf diese Frage fand ich keine Antwort und so ließ ich den Gedanken wieder fallen. Zumal ich mir einen Tod durch ein Wildtier, Banditen oder Verdursten nicht gerade sehr angenehm vorstellte. ‚Man kann sehr lange ohne Nahrung auskommen, aber nur drei Tage ohne Wasser. ‘ Noch immer musste ich an das denken, was uns der Arzt erzählt hatte. Damals, als ich mir als Kind die Lebensmittelvergiftung eingefangen hatte. Damals, als ich mir die Seele aus dem Leib gekotzt hatte. Ich fühlte mich mehr als erschöpft und war zu überhaupt nichts mehr zu gebrauchen. Wenn ich das nun bis zu meinem langsam eintretenden Tod spüren müsste … Da mir die Vorstellung nicht behagte, versuchte ich meine Konzentration wieder auf die aktuelle Szene zu richten. Yona hat sich nach wie vor nicht von der Stelle bewegt, dass sie ihre Blumenkette berührt hatte, war die letzte und einzige Bewegung gewesen. Ansonsten saß sie still auf ihrem kleinen Baumstumpf, wie eine wunderschöne, aber auch traurige Statue. Oder auch wie eine empfindliche Porzellanpuppe, wie die mehreren Dutzend die meine Tante besaß. Würde ich sie berühren, würde sie unter meinen Fingern zu Staub verfallen. ~~*~~   Es fiel mir nicht gerade leicht in meiner neuen Kluft zu laufen, da ich mit dieser Art von Kleidung nicht vertraut war. Und doch musste ich schnell gehen, damit ich nicht von dem Berater Soo-Wons abgehängt wurde und man dies als Fluchtversuch sehen konnte. „Ihr lauft ganz schön langsam...“, merkte der Berater an und ich konnte förmlich spüren, wie seine Blicke auf mir lagen. „Ich bin diese Art von Kleidung nicht gewohnt und der Stoff erscheint mir teuer zu sein. Ich will ihn nicht beschmutzen oder zerstören, nur weil ich ein ungeschicktes Stück bin.“ Ich hob den schweren Stoff etwas an, damit ich nicht auf diesen trat und mich der Länge nach auf den Boden legte. Am Ende wollte man mir noch unterstellen, ich hätte den Berater Soo-Wons attackiert. Es wäre zumindest ein gefundenes Fressen für ihn gewesen. „Ihr tragt sicher keine Waffen bei euch?“ „Habt ihr welche gefunden als ihr mich hergebracht habt?“, fragte ich murrend und sah zu dem Berater, der mich jedoch keines Blickes würdigte. „Wer weiß, was ihr noch bei euch getragen habt, unter eurer Kleidung. Selbst der unscheinbarste Gegenstand kann eine Waffe werden. Und ihr kommt aus einem fremden Land, dass wir nicht kennen. Wer weiß, zu was ihr ausgebildet wurdet.“ Er machte sich keine Mühe sein Misstrauen zu verbergen. Verübeln konnte ich es ihm nicht. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich eigentlich keiner Fliege etwas zu Leide tun konnte, hätte ich wahrscheinlich auch dieses Misstrauen empfunden. „Wir sind da.“ Ich hatte während unserer Unterhaltung gar nicht bemerkt, dass wir gar nicht so weit gelaufen waren. Mein Zimmer musste also ziemlich nahe am Thronsaal sein. Oder so. Mit dem Grundriss des Palastes war ich nicht vertraut. Ich kannte nur einige Orte aus dem Manga und selbst die hätte ich wohl nicht wieder erkannt, weil eine Holzplanke der anderen glich. „Die Wachen werden euch noch einmal abtasten um sicher zu gehen, dass Sie nichts aus ihrem Zimmer entwendet haben und als Waffe nutzen könnten. Ihnen wurde aufgetragen vor allem nach spitzen Gegenständen zu suchen.“ „Was? Uhm... ich werde nur ungerne von Männern abgetastet.“ Es war mir wirklich unangenehm, denn wer wusste, was in den Köpfen dieser Männer vor sich ging. Wenn schon in meiner „zivilisierten“ Zeit Männer Schweine waren, wie sollte dass dann erst jetzt sein? „Sie werden euch nicht unsittlich berühren. Soo-Won-sama garantiert dafür.“ Ich wusste nicht, ob ich ihm glauben sollte. Doch wie ich Soo-Won einschätzte, würde das auch eintreffen. Noch dazu hatte ich keine andere Wahl. Was auch immer ich tat, ich konnte mich nur verdächtiger machen, als ich eigentlich war, oder sein wollte. Ich holte tief Luft und streckte meine Arme aus, so wie ich es immer im Fernsehen gesehen hatte, wenn man bei der Flughafen Leibesvisitation abgetastet wurde. Für den Berater Soo-Wons war das das Zeichen, dass ich bereit war. Doch er schien es sich anders überlegt zu haben und statt einen Wächter zu rufen, begann er selbst, höchst persönlich meine Arme abzutasten. Vorsichtig und doch Gewissenhaft, so dass mein Kopf Rodeo fuhr und ich hoffte, dass er an anderen Körperregionen nicht auch so gewissenhaft war. „Könnten Sie bitte schneller machen... das ist etwas unangenehm.“ „Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Soo-Won-sama ist der Einzige der jetzt noch die Thronfolge antreten kann. Ihn an einen Attentäter zu verlieren, wäre ein großer Verlust für dieses Land. Daher... versteht bitte, dass wir alle Vorsichtsmaßnahmen treffen müssen.“ Hätte ich nicht gewusst, dass es keinen Grund zur Sorge gab, ich hätte ihm wohl geglaubt und es einfach tapfer ertragen. Doch ich kannte die Wahrheit und alles in meinem Körper schrie danach es ihm eiskalt ins Gesicht zu brüllen. Ihm zu offenbaren, was ich wusste und dass ich ihre Lügen bereits durchschaut hatte. Doch ich konnte es nicht und musste es selbst jetzt tapfer ertragen. „Keine Waffen“, lautete sein Urteil und ich war froh, dass er diverse Stellen mit seiner Gründlichkeit ausgelassen hatte. Erleichterung machte sich breit, denn zwischendrin hatte ich mich doch schon gefragt, was ich sagen würde, wenn er behauptete, dass mein BH eine Waffe war. „Was auch immer ihr tut... seid Euch im Klaren, dass Soo-Won über euer Leben oder euren Tod entscheidet.Er stellte sich an die Tür und öffnete sie, wobei sie aufschwang und ich ins Innere blicken konnte.   ~*~   „Hier, es ist kein Palastessen, aber alles, was wir hier haben.“ In der Zwischenzeit hatte Hak die Fische ausgenommen und sie über dem offenen Feuer zubereitet. So bekam jeder von uns ein großes Blatt, mit einem gebratenen Stockfisch darüber. Zwar konnte ich ihn dank meiner faulen Nase nur ein wenig riechen, aber der Geruch, den ich erschnuppern konnte, regte meinen Appetit an. „Vielen Dank“, brachte ich nur heraus, nahm den Fisch an und pustete ihn ein wenig an. Ich war noch nie jemand, der heißes Essen mochte und warte immer wieder ab, bis es zu einer Temperatur heruntergekühlt war, die für mich angenehmer war. Gleichzeitig fragte ich mich, wie andere Menschen es schafften, auch wenn ich es nicht selbst schaffen wollte. Yonas Fisch legte er zu ihren Füßen ab, bevor er sich mit seinem eigenen Fisch auf einen Baumstamm ihr gegenüber setzte. Mit dem Feuer zwischen uns, könnte man glauben, wir wären auf einem Blind-Campingausflug. Doch das waren wir nicht, nein, wir waren auf der Flucht und wussten nicht, was aus uns werden würde. Leider konnte auch der leckere Geruch des Fisches Yona nicht aus ihrer Starre erwecken. ‚Ob sie überhaupt mitbekommen hat, dass Hak ihr etwas zu essen hingelegt hat? Ob sie überhaupt Hunger hat? ‘ Zwar versuchte ich mich in ihre Lage zu versetzen, doch da mir gleichzeitig der Magen immer mehr vor Hunger rumorte, fiel es mir zunehmend schwerer. Nur zu gerne würde ich in den Fisch hineinbeißen, halte mich jedoch zurück, da Yona den ihren nicht aß. Es kam mir unfreundlich vor, zumal ich Hak nicht unnötig reizen wollte. Immerhin bin ich nur bei ihnen mit dabei, da ich mich um Yona kümmern sollte. Doch dazu müsste sie etwas essen, um bei Kräften zu bleiben. Innerlich breitete sich eine gewisse Verzweiflung in mir aus. Zum Essen zwingen konnte ich sie nicht, aber sonst wüsste ich auch nicht, ob und was ich tun sollte. Am liebsten wäre es mir, sie würde von alleine zum Fisch greifen und ihn essen. Sie müsste nicht mal einen Ton von sich geben. Doch sie tat nichts, was mich noch mehr verzweifeln ließ. Ich wusste: Würde ich ihr nicht helfen können, würde ich aus der Gruppe fliegen. Hak würde da keine Gnade kennen und ich könnte ihn sogar verstehen. Eine unbekannte Anzahl an Feinden war hinter den Beiden her und er wollte sie nur beschützen. Er war schon durch sie gehandikapt, ich wäre nur noch ein weiteres Gepäckstück, das er durch die Gegend schleppen muss.   Der Gedanke machte mich traurig, zumal mir Yona Leid tat. Ich konnte mir auch ihren Schmerz nur halbwegs vorstellen und wünschte, ich könnte irgendwie dafür sorgen, dass sie diesen Schmerz verlieren oder vergessen könnte. Doch so einfach war das Leben nicht, ob nun real oder fiktiv. ‚Nun ja, dann werde ich ihr irgendwie helfen müssen …  aber wie? Ich kann ihr ja schlecht den Mund aufreißen und was reinstopfen, nein, das geht nicht. Ich kann sie auch nicht kontrollieren oder hypnotisieren. Aber wie könnte ich sie nur dazu bringen? Vielleicht hilft es ja, wenn ich es vormache. Hak macht es ja anscheinend auch. ‘ Ich nahm meinen Fisch erneut in die Hand, pustete ein wenig und begann, ihn langsam zu essen. Hak hatte sich wirklich alle Mühe gegeben, um dem Fisch mit wenig Mitteln einen guten Geschmack zu verpassen. Er hatte Recht, das hier wäre kein Fisch, den man so im Restaurant bekommen würde, geschweige denn in einem Palast. Aber er war besser als nichts, besonders unter diesen Umständen und es wäre auch nichts, weswegen ich mich beschweren würde. Stattdessen versuchte ich, Hak für seine Kochkunst zu loben, in der Hoffnung, dass das Yona zum Essen bringen würde. „Hak, du hast den Fisch echt gut zubereitet, er schmeckt sehr lecker“, sagte ich ehrlicherweise und biss demonstrativ ein weiteres Mal in mein Mahl hinein. Unser Koch dagegen zuckte nur mit den Schultern, ob ihm das Kompliment überhaupt berührte, konnte ich seinem Gesichtsausdruck nicht wirklich ablesen. Auf der anderen Seite war Hak nicht besonders gesprächig oder kam aus sich heraus, etwas, was ich auch oft von mir selbst kannte. Daher ging ich einfach davon aus, dass es ihm schon gefiel, aber er nichts dazu sagen wollte. Stattdessen war sein Blick wie der meine auf Yona gerichtet, die ihren Fisch unangetastet kalt werden ließ. Doch im Gegensatz zu mir wusste Hak offenbar ganz genau, was zu tun war. Mit wenigen Schritten überbrückte er die Distanz zwischen sich und seiner Prinzessin. Kaum stand er neben ihr, beugte er sich vornüber und begann auf sie einzureden. „Prinzessin? Wenn Ihr den Fisch nicht essen möchtet, kann ich auch gerne einen kleinen Vogel zubereiten. Wäre euch das lieber?“ Wie befürchtet ignorierte sie auch das Angebot, so lecker es auch geklungen hatte. Ich wusste zwar nicht, was Hak nun dachte, aber ich konnte mir vorstellen, dass nun auch ihm die Möglichkeiten ausgegangen waren. Mein Freund meinte zwar, dass ich viel zu oft viel zu früh aufgeben würde, aber in solchen Situationen war mein Hirn wie gelähmt. Sodass ich keine weitere Möglichkeit mehr sehen konnte. Sein leicht frustriertes Ausatmen bestätigte meine kleine Theorie. „So geht das nicht. Hey, du, Kira – hilf Yona. Sie muss etwas essen, muntere sie auf oder mach irgendwas, was Frauen halt so machen.“   Ich konnte nicht verhindern, dass mir kurz eine Augenbraue nach oben führ. Zwar hielt ich nichts von den ganzen Gender Debatten und fand sie mehr als nervig, dennoch hatte ich immer einen Unterschied zwischen anderen Frauen und mir gespürt. Andere Frauen wussten sofort, was sie sagen mussten, wie sie handeln und agieren müssen, sobald es jemanden schlecht ging. Ich dagegen war immer total aufgeschmissen und fühlte mich unfähig. Als wäre es eine Art Naturwissen, welches mir nicht weitergegeben wurde. Eine Art Instinkt, mit dem ich nicht ausgestattet wurde. Zwar konnte ich manchmal erkennen, wann man lieber den Mund hält, aber das war es auch schon. Aber das konnte ich ihm ja schlecht sagen, weswegen ich mich meinem Schicksal ergab. Früher oder später würde er erkennen, dass ich nicht gerade die sozialste Person der Welt bin und fortschicken. Was dann passieren würde … nun, das würde ich noch herausfinden müssen. Mit dem Gedanken, dass ich jederzeit verstoßen werden könnte, ging ich auf Yona zu und begann, sie vorsichtig an der Schulter zu streicheln. Hak hatte sich dagegen wieder auf seinen Baumstamm verzogen und beobachtete uns genau. Mein Kopf wurde immer blanker und mit dem Verschwinden meiner Gedanken gingen auch meine halbgaren Ideen unter, die ich mir in den letzten Sekunden hab einfallen lassen. „Yona – haben Sie denn keinen Hunger? Hak hat sich viel Mühe gegeben und er macht sich Sorgen um Sie. Außerdem ist der Fisch sehr lecker, möchten Sie ihn denn nicht wenigstens probieren?“ Langsam nahm ich ihren Fisch in die Hand, brach ein kleines Stück seines Fleischs an und hielt es ihr unter den Mund. Der Duft stieg in ihre Nase hoch, was noch keine Reaktion in ihr hervorrief. Zwar machte ich mir aufgrund dessen, was ich während meiner Schulsanitäter Ausbildung gehört hatte, Sorgen um meine Finger, aber ich hielt ihr den Fisch weiterhin unter die Nase. Schließlich und zu meiner Überraschung öffnete sie den Mund und ließ sich von mir füttern. Glücklicherweise begann sie, wenn auch sehr langsam, das Stückchen zu kauen und runterzuschlucken. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen, immerhin hatte ich nun doch etwas Erfolg. „Sehen Sie, Fräulein Prinzessin, Hak hat unser Essen vorzüglich zubereitet, da kann man sich echt nicht beschweren.“ Sie wehrte sich nicht, als ich ihr noch ein paar weitere Stückchen hinhielt und aß auch diese brav auf. ‚Uff, wenigstens hat das funktioniert, ich hatte schon Angst, sie würde mir vor Hunger noch ohnmächtig werden oder so. ‘ Ich warf einen kurzen Blick auf Hak, doch dieser hatte sich wieder abgewendet und aß den Rest seiner eigenen Mahlzeit. So konzentrierte ich mich darauf, Yona Stück für Stück zu füttern. Selbst wenn sie mich nicht wahrnahm und vermutlich auch nicht den Geschmack auf ihrer Zunge, immerhin war sie wieder so weit in unserer Welt zurück, dass sie sich nicht an ihrem Essen verschluckte. Ein kleiner Sieg, aber es fühlte sich für mich bereits wie ein großer an. Es zeigte mir, dass ich irgendwas wohl richtig gemacht hatte.   ~~*~~   Es war nicht das, was ich mir immer als Thronsaal vorgestellt hatte. Er wirkte einfach, geräumig und vor allem leer. Lediglich so etwas wie ein Thron zeigte deutlich, dass hier der Ort des Königs war. Von hier aus wurden Befehle gegeben, Entscheidungen getroffen und... Strategien entwickelt, oder? Die Decke war behangen von kleinen Reispapierlampen, die alles beleuchten sollten und die Fenster war groß. Fast schon gigantisch. Sie hüllten den Saal in ein warmes, helles Licht. Doch das einzige, worauf mein Blick gezogen wurde, war Soo-Won der eingehüllt in die Kleidung des Königs auf dem Thron saß. Das war er, der unechte, echte Soo-Won. Der Mörder König Ils. Der Mann, der über mein Schicksal entscheiden würde. „Tretet näher.“ Ich war wie versteinert stehen geblieben und hatte ihn einfach nur angesehen. Und obwohl er mir gebot sich ihm zu nähern, wollte ich alle Vorsichtig nicht fahren lassen. Ich konnte es einfach nicht und das obwohl ich wusste, dass Soo-Won nie wirklich grausam war. In meinem Innersten wusste ich wahrscheinlich sogar, dass er mir kein Haar krümmen wurde und doch wagte ich es nicht mich ihm zu nähern. „Nur keine Angst, euch wird nichts geschehen“, versicherte Soo-Won mir mit sanfter Stimme und einem warmen Lächeln. In seinen Augen war nichts von den Ereignissen des vergangenen Abends zu sehen. Doch gleichzeitig, hätte er auch niemanden täuschen können, der auch nur ein wenig Menschenkenntnis besaß. In seinen Augen lag kein Funken Trauer über König Ils Tod. Und das bereitete mir Unbehagen, denn der König hatte ihn aufwachsen sehen und wahrscheinlich auch Liebe entgegen gebracht. „Ich hoffe es sind nicht meine Wachen die euch verunsichern. Ihr müsst wirklich nichts fürchten, auch wenn die Umstände nicht die erfreulichsten sind.“ Erst als Soo-Won die Wachen erwähnte, erkannte ich zwei von ihnen neben dem Thron stehen. Bereit alles und jeden zu töten, der Soo-Won nach dem Leben trachtete. Wozu hatte ich da nochmal diese Leibesvisitation gemacht? Ich seufzte innerlich und trat einen Schritt auf den Thron zu. Doch ich beschloss auch weiterhin eine gewisse Distanz zu wahren. Es war schließlich nicht nur Soo-Won, der hier um sein Leben fürchten musste.  ~*~   Kaum hatte sich Yona mit Dreiviertel des Fisches füttern lassen, schloss sie ihren Mund und öffnete ihn nicht wieder. So beschloss ich den Rest in den Blättern einzuwickeln und aß schnell den Rest meines Fisches auf, meinen Hunger hatte es zum Glück nicht getrübt. Kaum war ich fertig und habe die Überreste im Gebüsch entsorgt, ohne dabei auf meinen Umweltsinn zu hören, spürte ich, wie sich jemand neben mich bewegte. Hak sah mich direkt an und anschließend zu Yona. Ich folgte seinem Blick. „Sie braucht ein Bad“, sagte er nur in einem unbestimmten Ton, der mich wissen ließ, dass ich keine andere Wahl hätte. Aber ich musste ihm auch Recht geben, durch die Flucht ist Yona ziemlich dreckig geworden. Und wenn sie sich wohl fühlen sollte, dann müsste ich sie erst einmal sauber machen. Mir selbst half es oft genug, einfach eine entspannende Dusche zu nehmen. Ein Bad im nahegelegenen Fluss würde vermutlich den gleichen Effekt haben. Wenn ich nicht eventuell darauf achten müsste, dass Yona nicht in den Fluss fiel und ertrank. „Gut, das kann ich gerne machen. Ich kann gerne mit ihr baden gehen, das ist kein Problem.“ Sein Blick sprach Bände und auch wenn er uns nicht direkt zusehen würde, wusste ich, dass er sich in Schrittnähe befinden würde. Damit er einschreiten kann, sollte etwas mit uns passieren.   Vorsichtig führte ich Yona von ihrem Baumstamm weg zu dem Fluss, zog ihr die Sachen, die sie am Körper trug aus und achtete immer darauf, dass ich mit ihr sprach. „So, jetzt nehme ich deine Schuhe, damit sie nicht nass werden. Und jetzt dein Oberteil, das könnte sonst auch nass werden. Das wäre bestimmt unangenehm in der Nacht…“ Auf diese Art und Weise versuchte ich sie ruhig zu halten, da ich nicht wusste, wie viel zu ihr durchdrang und wie viel sie von dem, was ich ihr sagte, verstand. Jedoch blieb ihr Atem ruhig und überhaupt schien sie sich nicht aufzuregen, was ich als ein gutes Zeichen wertete.  Schließlich hatte ich sie entkleidet und führte sie in den Fluss hinein, das Wasser ging ihr bis auf Brusthöhe. Die Wassertemperatur war erträglich, sodass sie nicht frieren musste. ‚Gut, dann kann ich sie ja jetzt saubermachen‘, als mir etwas bewusst wurde. Ich würde mich ebenfalls entkleiden müssen – vor mir doch fremden Menschen. Nervös blickte ich zu Hak, wie erwartet blickte er nicht in unsere Richtung, einzig seine Ohren sind auf uns aufmerksam. Dann sah ich wieder auf Yona. Ihr Blick war immer noch trüb und abwesend. ‚Dann dürfte ja niemand meinen Körper wahrnehmen‘, dachte ich mir und zog langsam meine eigenen Sachen aus. Meine lange, gemütliche Stoffhose, die nur dazu gedacht war, zuhause herumzugammeln, während man sie trug. Mein T-Shirt mit Spaghettiträgern und einem regenbogenfarbenen Totenschädel in der Brustmitte. Meine Unterwäsche und auch meine Sneakersocken. Das alles legte ich mit einer großen Sorgfalt in die Nähe von Yonas Kleidung ab. ‚Da ist absolut nichts sexuelles dran, ich wasche sie nur ab. Wir haben keine Badeanzüge an und ich werde sie auch nicht unsittlich anfassen. Wenn sie wieder zu sich kommt, wird sie sicherlich nichts dagegen haben, dass ich sie sauber gemacht habe. Wir sind beide weiblich, da wird sie es bestimmt verstehen. Und mich sieht sie ja nicht so richtig, zum Glück‘ Mit brennenden Wangen näherte ich mich ihr und stieg ebenfalls in den Fluss. Erneut war ich um die angenehme, nicht schmerzhafte Kühle des Wassers erleichtert. Außerdem verdeckte es das Meiste, trotzdem versuchte ich so gut wie möglich alles zu verstecken. Noch immer zog ich mich ungern vor anderen Menschen aus oder um, selbst vor meinen Freunden war mir das sehr unangenehm. Die Blicke im Sportumkleideraum in der Schule, die spöttischen Sprüche … all das kam wieder in mir hoch. Auch musste ich wieder an all das denken, was mir an meinem Körper nicht gefiel. Die unschönen Dellen, die Dehnungsstreifen, die seltsame Figur – da sich in Yonas Gesicht keinerlei Regung zeigte, atmete ich erleichtert und begann, sie mit meiner Hand zu schrubben. Zuerst hatte ich mich nach einem Hilfsmittel umgesehen, musste aber einsehen, dass es in der näheren Umgebung nichts gab. Und Hak fragen wollte ich in dieser Situation erst recht nicht. Ich ärgerte mich, dass es mir so spät einfiel, wie die Tatsache, dass wir auch keine Handtücher oder derartiges hatten. Sobald wir das Wasser verlassen würden, würden wir frieren. Ob Hak mich dafür verantwortlich machen würde? Andererseits hatte ich nichts bei mir außer meiner Kleidung und die war auch nicht gerade viel, besonders bei meinem Oberteil nicht. Verloren versuchte ich nicht mehr daran zu denken.   ~~*~~ Mit genügend Abstand ihm gegenüber, stand ich vor Soo-Won und kniete nieder, wobei ich hoffte, dass dies korrekt war. Ich wusste ehrlich nichts über koreanische Hofsitten, doch ein Verbeugung, ein demütiger Blick sprachen überall die gleiche Sprache. „Bitte erhebt euch. Noch bin ich nicht König“, forderte Soo-Won mich auf und ich tat wie mir geheißen war. „Erlaubt mir zu fragen, was Ihr wollt. Das Verhör hätte doch jemand anderes führen können und nicht der zukünftige König.“ Ich sah Soo-Won ernst an und hoffte, dass ich diesen Blick halten konnte, denn ich wollte mir nicht anmerken lassen, dass ich mich auch insgeheim freute vor ihm zu stehen. So sehr ich ihn fürchtete, so sehr mochte ich Soo-Won. „Wir haben nicht oft Menschen aus dem Westen hier. Ich war einfach neugierig. Wie heißt Ihr?“, fragte er und verlor dabei nicht sein Lächeln. Wollte er damit mein Vertrauen gewinnen? Vielleicht. Aber das würde ich ihm nicht so leicht machen. „Man nennt mich Erenya.“ Ich antwortete kurz und auch nur auf die Frage. Irgendwie fürchtete ich, dass jedes weitere Wort mich verraten könnte. Und das wollte ich vermeiden. Kurze, prägnante Antworten waren da genau das Richtige. „Woher kommt ihr genau?“ Er schien mit zuspielen und doch tanzte er um mich herum wie ein Löwe um einen anderen. So als wartete er darauf einen entscheidenden Schlag zu machen. „Aus Germanien. Dort lebte ich in einer kleinen Stadt.“ „Habt Ihr Geschwister?“ „Nein.“ „Und eure Eltern?“ „Die leben denke ich noch. Allerdings bin ich schon zu lange weg um das mit Gewissheit sagen zu können.“ Soo-Won musterte mich. Scheinbar versuchte er anhand meiner Mimik abzulesen, ob ich log oder nicht. Aber hey, abgesehen davon, dass ich wusste, dass meine Eltern sich bester Gesundheit erfreuten, hatte ich bisher die Wahrheit gesagt. „Wie lange seit Ihr denn schon unterwegs?“ „Es dürften nun fast vier Jahre sein.“ Das kam ungefähr hin. Zumindest lebte ich schon so lange alleine in meiner Wohnung. Das war zwar keine Weltreise, aber für meine Mutter fühlte es sich sicher an als wäre ich am Arsch der Welt und das obwohl wir immer noch in derselben Stadt lebten. „Das ist eine lange Zeit. Wenn Ihr zurück kommt habt Ihr sicher viel zu berichten.“ „Einiges. Zumindest habe ich viele Geschichten gehört, die ich den Kindern in meiner Stadt erzählen kann.“ „Geschichten?“ „Ja. Geschichten über Magie, Fantasiewesen wie Drachen, Elfen, Feen. Es gibt dutzende die ich gehört habe und genauso viele habe ich auf meinen Reisen erzählt.“ Meine Worte verklangen und Schweigen machte sich breit. Ich konnte Soo-Wons Blicken nicht ausweichen, denn ich fürchtete, dass er mich bei meinen Lügen erwischte, wenn ich den Augenkontakt auch nur eine Sekunde abbrach. „Ihr habt auf euren Reisen sicher viel erlebt. Vielleicht haben wir die Gelegenheit mal darüber zu reden. Aber...“ Sein Lächeln schwand und sein Blick wurde ernst, als er mich betrachtete. Mein Blut gefror mir in den Adern, denn ich fühlte, dass es nun gefährlich wurde. Wahrscheinlich hatte er mich einfach in Sicherheit wiegen wollen. „erzählen Sie mir erst einmal, was Sie am vergangenen Abend gesehen haben.“ Da war es. Der Moment, den ich irgendwie gefürchtet hatte. Dabei gab es nichts zu fürchten. Ich musste nur bei meiner Geschichte bleiben. Nämlich die, dass ich nichts gesehen hatte. Einfach nur Kampfgeräusche vernommen und mich versteckt hatte. In dieser Version gab es keinen Min-So der erschossen wurde... keine Prinzessin die floh, kein Wissen darüber, dass ich vor König Ils Mörder stand. „Nichts. Und egal wie oft man mich fragen wird, die Antwort wird dieselbe sein. Ich war spazieren. Ich verlief mich, hörte dann aber Kampfgeräusche. Ich entschied mich, mich nicht einzumischen und suchte mir in den Nebengassen ein sicheres Versteck. Das ist alles. Erst von Euren Berater erfuhr ich, dass der König des Landes getötet wurde.“ 'Und Prinzessin Yona mit Son Hak vertrieben.' Der Letzte Satz blieb eher in Gedanken, denn sicher hätte er mich Kopf und Kragen gekostet. Das wollte ich unter keinen Umständen riskieren. „Ihr habt also niemanden gesehen?“ „Nein. Bis auf die Wache, deren Kamerad mich liebevoll nieder geknüppelt hat.“ Ich bemühte mich ernst aber nicht zu anklagend zu klingen. Dennoch ein wenig wollte ich Soo-Wons schlechtes Gewissen doch aktivieren. Ich war schließlich nur eine unschuldige Passantin, die man nun auch noch indirekt für etwas bezichtigte, was sie nicht getan hatte. „Das tut mir wirklich Leid. Die Wachen sehen nicht oft Menschen aus anderen Ländern. Noch dazu waren ihre Nerven angespannt, schließlich wurde der König ermordet und die Täter unauffindbar.“ Er versuchte zu beschwichtigen und unter anderen Umständen hätte das wohl geholfen. Aber gerade wollte ich nicht beschwichtigt werden. Ich wollte sauer sein, empört und ihm klar machen, dass man mich nicht so behandelte. „Ich könnte darüber hinweg sehen, wenn euer Berater oder rechte Hand oder wer auch immer dieser Herr war, mich nicht bezichtigt hätte, diesen Mord begangen zu haben.“ „Ich verstehe, dass euch auch das verstimmt, aber wir dürfen keine Möglichkeit ausschließen. Und, erlaubt mir ehrlich zu sein, es wirkt verdächtig, dass Ihr ausgerechnet in dieser Nacht das Gasthaus verlasst und euch verlauft. Ebenso ist es verdächtig dass... Keines der hiesigen Gasthäuser sich an euch erinnerte.“ Die Katze war aus dem Sack. Oder zumindest eine meiner Lügen. Wie sollte ich das erklären? Nachdenken, ich musste nachdenken. Und schließlich, wie von selbst, als hätte ich einen Plan, kam die Lösung über meine Lippen, als ich seufzte. „Ihr seid gut. Ja, ich war nicht in einem Gasthaus. Und ich weiß wie verdächtig es mich wirken lässt, aber... wie ihr sicher bemerkt habt, verfüge ich über kein Gold. Ich konnte mir das Gasthaus nicht leisten, deswegen habe ich mir eine Stelle gesucht, an der ich nächtigen konnte. Es war mir einfach unangenehm das zu erwähnen, denn wer will schon Geschichten von einer Frau hören, die scheinbar nicht gut genug damit verdient?“ Oh mein Gott. Es klang so echt. So glaubwürdig so... natürlich. Es war fast schon gruselig. Ich wandte meinen Blick nicht von Soo-Won und sah ihn unerschütterlich an. Ich konnte sehen, wie er nachdachte und sich Wort für Wort durch den Kopf gehen ließ. „Es klingt glaubwürdig. Und ihr müsst euch um eine Bleibe vorerst keine Sorgen machen.“ Sein ernster Blick wich wieder einem Lächeln. Ein sanftes, warmes, beruhigendes. „Ihr seid unsere Gefangene... oder viel mehr ein Gast mit etwas eingeschränkten Möglichkeiten.“ Eine Augenbraue hob sich bei mir wie von Selbst. Scheinbar wusste Soo-Won nicht so recht, wie er meinen Status erklären sollte. Aber ich verstand, dass er mir vermitteln wollte, dass ich den Palast nicht verlassen durfte. „Erklärt euch bitte“, forderte ich und Soo-Won nickte. Scheinbar verstehend, warum ich so verwirrt war und mehr Erläuterung forderte. „Wir können Euch leider nicht einfach so glauben. Auch wenn eure Geschichte glaubwürdig klingt. Aber Ihr sagtet selbst, Ihr seid eine Geschichtenerzählerin. Sicher wisst ihr, wie Ihr wirken müsst, damit eure Worte mehr Macht bekommen. König Il wurde vergangene Nacht ermordet, wir können euch, als potentielle Täterin daher nicht gehen lassen. Allerdings, hindert uns euer Herkunft daran euch einfach in den Kerker zu werfen. Wenn Ihr unschuldig seid und eure Landsleute davon erfahren, könnte es einen ungewollten Konflikt beschwören. Ihr werdet das Zimmer, in dem Ihr aufgewacht seid, beziehen. Aber es wird immer eine Wache davor stehen. Wenn ihr etwas braucht, könnt Ihr es gerne fordern, wir sehen zu, dass wir Eure Wünsche erfüllen. Ihr werdet außerdem nicht nur Brot und Wasser erhalten, wie man es gewohnt bei Gefangenen tut. Seht euch daher bitte nicht als unsere Gefangene, sondern als unseren Gast, bis wir uns im Klaren sind, wie wir mit euch verfahren werden.“ Mir schnürte es schon ein wenig die Kehle zu. Zwar musste ich nichts befürchten, doch wirklich 100 % positiv waren seine Worte auch nicht. Sie sprachen deutlich aus, dass man mir misstraute und das schmeckte mir gar nicht. „Ihr müsst euch wirklich keine Sorgen machen. So lange Ihr hier seid, wird euch niemand etwas tun.“Das war mir nicht neu. Soo-Wons Berater hatte so etwas angedeutet. Und ich wusste, spätestens jetzt mit größter Gewissheit, dass er nicht zu viel versprochen hatte. ~*~ Nachdem ich den gröbsten Schmutz von ihr entfernt hatte, rückte ich von Yona ab und lehnte mich ebenfalls an den Flussrand. Über uns leuchteten unzählige Sterne, ein Anblick, der mir immer wieder aufs Neue gefiel. Nur, dass ich mir ausnahmsweise mal nicht das Genick dabei ausrenkte, wie ich sonst dabei immer gefühlt tat. Zum ersten Mal seit dem Moment, in dem ich in dieser Welt gelandet war, hatte ich das Gefühl, dass ich richtig entspannen konnte. Über uns war nur Stille und die Unendlichkeit des Weltalls. Es fühlte sich unglaublich erholsam an und ich wünschte, dieser Moment würde noch so lange wie möglich anhalten. Als wäre es wirklich nur ein Campingurlaub unter Menschen, die sich zwar gerade erst kennengelernt haben, aber trotzdem miteinander Spaß haben wollten. Dass das schon allein dank meiner Introvertiertheit nicht gehen würde, wurde mir ein weiteres Mal bewusst. Doch ich wehrte mich nicht gegen diesen Gedanken, verschloss meine Augen nicht vor der Wahrheit. Die leichte Strömung des Flusses berührte zart unsere nackten Körper und ich versuchte, all das hier zu genießen. Ich versuchte nicht an meinen Körper zu denken; nicht an die Gefahren, die noch vor uns lagen. Schließlich sah ich hinüber zu Yona, guckte, ob bei ihr alles in Ordnung war. Ich wusste nicht, ob ihr das Bad gefiel oder ob sie es überhaupt mitbekam. Aber wie sie so im Wasser saß, den Blick in die Ferne und das lange, rote Haar auf ihren Schultern, erschien sie mir fast schon wie eine Art Engel. Überhaupt waren die Haare etwas, was mir an ihr mit Abstand gefiel und auch, worum ich sie sehr beneidete. Im Gegensatz zu mir war sie mit dieser schönen Haarfarbe auf die Welt gekommen, genauso wie mein Vater. Ich dagegen musste immer wieder auf Färbungen zurückgreifen, ob nun von mir selbst oder bei einem Friseurtermin. Egal, wie oft ich mir die Haare färbte, die grausame Realität kehrte doch immer wieder in Form eines blonden Haaransatzes zurück. ‚Wären die Gene von Mama nicht dominanter gewesen, zumindest nicht in diesem Punkt, hätte ich noch viel mehr, was mich an Papa erinnern würde‘ Wie oft ich das gedacht und auch ausgesprochen hatte, kann ich mittlerweile nicht mehr an den Händen abzählen. Wie gerne würde ich Yona sowohl meinen Neid, als auch meinen Respekt für ihre Haare aussprechen. Doch ich wusste, ich würde damit warten müssen. Ihre heimliche Liebe hatte ihr auch Komplimente gemacht, aber auch dafür gesorgt, dass sie nun in diesem Zustand war. Ich wusste nicht, ob es sie zurückwerfen würde, dazu kannte ich mich mit solchen Dingen nach wie vor zu wenig aus. Daher beschloss ich, erst einmal meine Klappe zu halten und nichts zu sagen. ‚Ich frage mich nur, was sie erst sagen, wenn die lila Tönung rausgeht und man dann dieses rot-lila Haar sieht‘ Gedankenverloren ließ ich mich in den Fluss versinken, ganz so, als würde ich mich von allem reinwaschen wollen. Ich wusste, das würde die billige Tönung nicht aushalten, nur noch eine Haarwäsche und sie wäre raus, aber das störte mich nicht. ‚Immerhin wäre dann mein Haar roter und in einem gewissen Licht würde ich dem Haar von Yona deutlich ähnlicher sehen. Blöd wird es nur, wenn dann der Absatz herauswächst.‘ Zwar hatte ich ihm alles über mein Haar erzählt, aber nicht, dass die Farbe auch rauswachsen würde. Und auch hätte ich hier keine Möglichkeit, es hier zu färben. Immerhin war das eine gänzlich andere Zeit als die, in der ich lebte. In welcher ich vor wenigen Stunden noch war. ‚Was Sinni wohl gerade macht? Wie viel Zeit bei ihm wohl vergeht? Wenn er hier wäre, würde er bestimmt amüsiert sagen: Kein Wunder, dass deine Augen an ihren Haaren hängen bleiben. Oder er würde mich wegen meinem Neid necken. Ich hoffe, zuhause vergeht noch nicht viel Zeit, er wird sich sicherlich nicht erklären können, wohin ich verschwunden bin. Immerhin kann ich nicht einfach aus dem Fenster springen und wenn ich die Wohnung verlassen wollte, müsste ich an ihm vorbeigehen. ‘   Kaum war ich wieder aus dem Fluss aufgetaucht, sah ich einen Schatten über uns. Sofort drehte ich mich um, fragte mich auch gleichzeitig, was mit Hak passiert war, als dieser direkt über uns stand. Peinlich berührt versteckte ich meine Brust so gut es ging. „Hak, was machst du denn auf einmal hier?“, fragte ich ein paar Töne zu hoch. Dass er nun hier stand und unsere nackten Körper sehen konnte, machte mich mehr als nervös. Ich baute auf seinen anerzogenen Anstand und hoffte, dass sich sein Blick auf unsere Köpfe beschränkte. „Kommt raus, ihr werdet sonst krank. Nehmt das hier zum Trocknen“, sagte er bloß und drehte uns wieder den Rücken zu. Ich sah kurz zu Yona, dann näherte ich mich ihr und half ihr aus dem Fluss. Trotz ihrer geistigen Abwesenheit ließ sich ihr Körper leicht führen. Eine gefährliche Tatsache, die ein Perverser sofort für seine kranken Fantasien ausnutzen würde. Doch da ich nicht zu dieser Art von Menschen dazugehörte, hatte Yona vor mir nichts zu befürchten. Gerade hatte ich Haks Mantel genommen und wollte die junge Prinzessin abtrocknen, als mir etwas an ihr auffiel. Kleine, schwarze und glitschig aussehende Dinger hingen an dem Körper der Prinzessin. Augenblicklich ekelte es mich und ich malte mir aus, was das alles sein könnte. Parasiten, die an ihrem Körper klebten und in diesen eindringen wollten, um sich an ihrem Fleisch zu laben. Gefährliche Tiere, die ebenso gefährliche Erreger in ihren Körper speisten. ‚Moment, ich war doch auch da drin. Dann müsste ich diese Dinger ja auch an mir dran haben‘ Mein Kopf begann zu rasen und immer wieder spürte ich, wie die Panik versuchte sich in mir breit zu machen. Dass sich auch meine Atmung eher in Richtung Schnappatmung verwandelt hatte, fiel mir auch erst nach wenigen Sekunden auf. „Was ist denn los?“, fragte Hak und sah mich seltsam an. Ich dagegen deutete nur auf Yonas nackten Körper. „Sie … sie hat da irgendwas hängen. Irgendwas Lebendiges und das macht mir ehrlich gesagt Angst.“ Ich konnte gerade zu spüren, wie Hak die Augen verdrehte oder sich zumindest seinen Teil dachte. Ohne die leiseste Spur von Scheu nahm er sachte eines der Dinger ab und hielt es mir hin. „Das sind nur Blutegel. Keine Gefahr“, sagte er. Es schien ihn irgendwie zu amüsieren, dass mir die Egel Angst gemacht hatten. Oder hatte ich mich damit nur noch unnützer gemacht? Natürlich wusste ich, dass Blutegel nicht wirklich gefährlich waren, nur hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie welche gesehen. Überhaupt mochte ich es nicht, wenn irgendwas am Körper klebte, was dort nicht hingehörte. Besonders, wenn es an Regionen war, an die ich selbst nicht herankam. Da ich unfähig war, die Dinger auch nur anzufassen, nahm Hak die ganze Sache in die Hand und entfernte vorsichtig die Tiere. Jedes Mal begutachtete er, so gut es ihm im Mondschein gelang, die kleinen Bissstellen der Tiere, konnte jedoch nichts dabei entdecken. Anschließend inspizierte er auch mich, musste aber zu meiner Erleichterung nur zwei kleine entfernen. Sie alle entsorgte er wieder im Fluss und das war auch mir ganz recht. Nur weil ich mich vor ihnen fürchtete, musste das nicht gleich ihr Todesurteil bedeuten.   ~~*~~   Es war dieses Mal nicht Soo-Wons Berater der mich begleitet hatte, sondern ein Diener, der mich zurück in das Zimmer führte. Mit einer Wache hinter mir, denn scheinbar war man sich doch nicht so sicher, ob ich harmlos war, oder gefährlich. Fakt war nur, egal was ich tat, ich stand unter Beobachtung und eine falsche Bewegung hätte meinen Tod bedeutet. Ich dachte also besser zweimal nach bevor ich handelte und das war etwas, dass mir absolut nicht lag. Über meine Taten nachzudenken bevor ich sie beging. „Die Prinzessin wäre sicher sehr neugierig gewesen, wenn sie noch hier wäre“, erklärte mir der Diener mit einem freundlichen Lächeln. Er schien deutlich bemüht zu sein, sich nicht anmerken zu lassen, dass er mich wohl wie jeden anderen verdächtigte. „Ich habe gehört, dass die Prinzessin wohl behütet aufwuchs. Manche redeten davon, dass sie wohl ziemlich verwöhnt sein muss und nichts über ihr Land weiß.“ „Prinzessin Yona wuchs wirklich sehr wohl behütet auf. Aber sie hat einen starken Willen und ist ein gutherziger Mensch. Sie war nie grausam oder böse zu uns. Das arme Ding muss Todesängste durchstehen. Soo-Won-sama lässt sie bereits suchen, denn vermutlich hat sie die Täter gesehen.“ Ich murrte innerlich. Natürlich hatte Yona die Täter gesehen, doch sie würde nicht mich identifizieren, sondern Soo-Won. Das Soo-Won sie daher nicht suchte um die Täter zu finden oder wieder in Sicherheit zu bringen, war klar. „Also ist die Prinzessin meine einzige Möglichkeit meinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.“ „Oh nein, bitte denkt nicht, dass ihr von uns als Täter gesehen werdet. Ehrlich gesagt... ich habe euch gesehen und dachte mir: Sie soll König Il umgebracht haben? Niemals. Eure Kleidung war zu auffällig, jeder im Palast hätte euch bemerkt wenn ihr herum geschlichen seid. Und eure blasse Haut, ihr wirkt so als hättet ihr seit Tagen nichts gutes mehr zu essen bekommen. Aber darüber müsst ihr euch keine Sorgen machen. Ihr werdet reichlich bekommen. Wir haben euch sogar ein kleines Frühstück zubereiten lassen. Sicherlich habt ihr nach den ganzen Anstrengungen Hunger.“ Ich sah den Diener an und nickt etwas, auch wenn dieser es nicht sehen konnte, da er mir den Rücken zugewandt hatte. Schon blöd. „Soo-Won... -sama sagte ich könnte euch um Dinge beten, wenn ich sie bräuchte.“ „Ja richtig. Braucht ihr denn etwas?“ Überrascht wandte der Diener seinen Blick zu mir. Scheinbar war es verfrüht jetzt schon eine Forderung zu stellen. Doch es war eine gute, denn sie würde meine Geschichte nur unterstützen. „Schreibwerkzeug und Papier.“ Wir waren vor meinem Zimmer angekommen, als mir die Antwort über die Lippen kam. Der Diener dachte scheinbar darüber nach, nickte dann aber und lächelte mich sanft an. „Ich werde es Ihnen nach dem Essen bringen. Aber nun gehen sie bitte wieder in Ihr Zimmer und ruhen sich aus. Der Arzt hat ausdrücklich gefordert, dass sie Ruhe brauchen, nachdem man Sie so rüpelhaft nieder geschlagen hat.“ Der Blick des Dieners richtete sich an meinen Wächter, der im Moment scheinbar Stellvertretend für seine Kollegen stand. Dieser sagte aber nichts. Er verzog nicht einmal eine Miene. „Ach ja, wie heißen Sie eigentlich?“, kam es mir plötzlich in den Sinn. Ich wollte diesen Diener immerhin nicht die ganze Zeit siezen oder duzen, ohne auch nur einmal nach den Namen gefragt zu haben. „Ich heiße Jonghyun.“ „Dann, danke ich Jonghyun. Ich bin Erenya und wäre es möglich, dass wir die Förmlichkeiten weglassen?“, fragte ich und lächelte, als ich mein Zimmer betrat. Ich spürte, wie etwas wie Erleichterung Jonghyun befiel, wie seine Anspannung wich.„Ja gerne doch Erenya. Ich bringe dir gleich dein Essen. Mach es dir einfach bequem.“ ~*~   „Danke dir, dass du uns geholfen hast. Ich habe nicht viel Angst, aber es gibt ein paar Dinge, die mich bewegungsunfähig machen.“ ‚Wie gut, dass es meine schlimmste Angst hier nicht gibt‘, dachte ich mir, was mich noch mehr erleichterte. Wieder erwiderte Hak nichts und so machte ich mich daran, Yona zuerst abzutrocknen und einzukleiden. Danach kam ich dran. Während ich mir wieder mein T-Shirt überstreifte, fiel mein Blick auf Haks Hand. Ich sah, dass er einen seltsamen, goldfarbenen Gegenstand festhielt und brauchte ein paar wenige Sekunden, bis ich erkannte, dass es die Haarnadel von Soo-Won war. ‚Ach stimmt, das Ding. Das, von dem ich mir beim Gucken des Animes gewünscht hätte, sie hätte es einfach weggeworfen. Anstatt etwas zu behalten, was sie an etwas sehr schmerzvolles erinnert‘ Da ich aber offiziell nicht in dieser Welt wusste oder zumindest nichts über die Beiden, musste ich die Dumme spielen. Es wäre nicht das erste Mal, immerhin stellte ich mich auch oft dumm, was Spieletitel anging. Manche von ihnen kannte ich bereits, wie z.B. Resident Evil 7 durch ein Gronkh-LP oder Cuphead durch mehrere ASMR-Videos. Dennoch wollte ich das meinen Freund nicht wissen lassen, vor allem, da er Let’s Plays überhaupt nicht mag. Also tat ich an der Stelle so, als wüsste ich gar nichts oder nur das, was gerade als Meme verbreitet wird. Auf diese Weise näherte ich mich dem jungen Mann und betrachtete neugierig den Gegenstand in seiner Hand. „Hak, das sieht aber teuer aus, was du da in der Hand hältst. Gehört das nicht der Prinzessin? Lass mich raten, sie hat es verloren und du willst es ihr zurückgeben. Oder ist es kaputt und du willst es für sie reparieren?“ Hak sah mich an und für einen kurzen Augenblick dachte ich, ich hätte etwas Falsches gesagt oder wäre zu weit gegangen. Doch dann lockerte sich sein Blick und ich wusste, wem sein verachtender Gesichtsausdruck wirklich gegolten hatte. „Wir können hier nicht bleiben. Halt die Augen offen. Wir brauchen neue Nahrung,  vor allem nahrhafte für die Prinzessin.“ Völlig über diesen abrupten Themenwechsel brachte ich gerade noch ein verunsichertes „Ja, das kann ich gerne machen“ heraus, bevor er sich von mir entfernte und nach der Prinzessin sah. ‚Ohje, das wird noch dauern, bis sich mir halbwegs öffnen können. Aber wenigstens hat er mich nicht weggeschickt – und das muss wohl für den Moment reichen‘   Als wir uns schließlich auf den Weg machen, kommt mir der Wald noch finsterer vor als bisher. Leider hatte ich mein Handy nicht bei mir, sonst hätte ich mir überlegt, ob ich den Weg vor mir beleuchten soll. So musste ich mich auf das Licht des reflektierenden Monds verlassen, was mir keinen Trost spendete. Es änderte nichts an der Tatsache, dass ich im Dunklen schlechter sah. Zumal ich viele der Pflanzen und Pilze nicht kannte, nicht wusste, was davon giftig war und was nicht. So erzählte ich Hak nur von Beeren und Pilzen, die mir halbwegs bekannt vorkamen. Doch da er sich selbst ebenfalls umsah, wirkte mein Handeln eher wie eine unterstützende Tätigkeit. Nach einer kurzen Zeit, ich hatte innerlich schon mit einer Wanderung von mindestens drei Stunden gerechnet, ließen wir uns an einem unauffälligen Ort nieder. Hak sicherte die Gegend, bis er Gefahren ausschließen konnte und meinte, dass wir die Nacht hier verbringen konnten. Wofür ich ihm durchaus dankbar war, denn die Müdigkeit hat sich in meinen Körper geschlichen. Und wie immer, wenn ich müde war, war mir alles andere vollkommen egal, ich wollte nur noch eins: Schlafen. Man kann mir da die interessanteste Sache der Welt zeigen und ich würde trotzdem noch denken: Zeig es mir doch bitte, nachdem ich geschlafen habe, ja? Kaum hatten wir uns am Lager niedergelassen, fielen mir die Augen zu und meine Gedanken drifteten ins Dunkle. Dass ich ohne irgendein Hilfsmittel eingeschlafen war, fiel mir erst auf, als ich wieder aufgewacht bin. Ohne Uhr hatte ich keine Ahnung, wie spät es war, ich konnte nur erkennen, dass es noch stark dunkel um mich herum war. Von Hak und Yona keine Spur. Verwundert rieb ich meine Augen. ‚Was ist hier passiert? Hat mich Hak also doch zurückgelassen? Hat er gewartet, bis ich schlafe und ist dann weggegangen? Nein, ich glaube nicht, Hak wäre nicht so ein Typ. Er würde mir schon offen ins Gesicht sagen, dass ich unnütz bin und mich wegschicken. Diese feige Art passt nicht zu ihm‘ Ich kam zu dem Schluss, dass irgendwas passiert sein muss. So rasch, dass Hak nicht die Zeit hatte, mich dafür zu wecken. Vorsichtig, da unbewaffnet, sah ich mich um, konnte jedoch kaum etwas erkennen. Nur das Rascheln im Gebüsch konnte ich hören und ich fühlte mich doch ein wenig unbehaglich. Schließlich betrat etwas oder jemand unser kleines Lager. Während ich noch versuchte zu überlegen, wie ich mich am besten verteidigen könnte, erkannte ich endlich, dass es Hak war, welcher Yona auf den Armen trug. Diese legte er an die Stelle ab, an welcher sie vorhin gesessen hatte. Zumindest hatte ich das noch erkennen können, bevor meine Augenlider schwer wie Blei wurden. Doch ich erkannte auch etwas anderes, etwas, was mir wieder das übliche mulmige Gefühl in mir auslöste. Blut. Wie immer konnte ich Blut an anderen nicht sehen und wünschte mir, es würde verschwinden. Ich versuchte, es zu überwinden und fragte mich, wer von ihnen blutete. War es Hak, oder war es Yona? Als Hak schließlich begann, abzusetzen und seine Kleidung zu heben, wusste ich, von wem das Blut stammte. „Was ist passiert?“, fragte ich und hörte, wie wackelig sich meine Stimme anhörte. All das Blut machte mich nervös. „Wir wurden von Schlangen angegriffen“, sagte er nur, dann fuhr er mit seinem Handeln fort. Mit einem Mal wurde mir alles klar. Yona musste wie im Anime das Lager verlassen haben, Hak hat es mitbekommen und war ihr gefolgt. Soweit ich mich erinnern konnte, wurde sie dann anschließend von Schlangen angegriffen. Giftige Schlangen, die nichts Gutes im Sinn hatten. Doch Hak kannte sich mit solchen Dingen aus und so konnte er seine Wunde ohne Probleme behandeln. Es dauerte ein paar Minuten, bis er das Gift aus ihr raus- und wieder ausgespuckt hatte, anschließend verband er die Wunde. Gleichzeitig strich er die Prinzessin über den Kopf, sein Streicheln sprach 1000 tröstende Worte und mehr. Und ich, ich konnte nicht mehr tun als den Beiden zuzusehen. ‚Die wären echt ein süßes Pärchen‘, dachte ich so in mich hinein. Kaum war er mit der Behandlung fertig, legte er ihr die Spange in die offene Hand und streichelte sie noch ein letztes Mal. Dann drehte er sich ein wenig von ihr weg, offenbar wollte er mit uns beiden gleichzeitig sprechen. „Wir gehen zum Wind-Clan, in meine Heimat“, sagte er bestimmt, aber trocken. Offenbar erwartete er keine Widerworte, doch diese würde er von mir garantiert nicht hören. „Dort kann man sich um Yona-Hime und auch um dich kümmern. Im Morgengrauen gehen wir los.“ Ich brachte gerade noch ein bestätigendes Nicken zustande, bejahte es noch halbherzig laut und fiel, kaum dass ich mich wieder an meinen Platz gesetzt hatte, erneut in meinen tiefen, traumlosen Schlaf. Kapitel 4: Zwischen fremden Bekannten ------------------------------------- Jonghyun hatte das Zimmer gerade wieder verlassen und ich ließ mich, fast schon erschöpft als hätte ich einen langen Marsch vor mir gehabt, auf den Boden sinken. Ich atmete tief aus und lehnte den Kopf gegen die Kommode auf der noch vor meinem Aufbruch zu Soo-Won die Schriftrolle gelegen hatte. Sie war weg. Scheinbar hatte man alles unnötige, aus dem Zimmer entfernt, abgesehen von meiner Kleidung, die zusammengelegt neben dem Futon lag, auf dem ich zu mir gekommen war. Es war viel passiert. Viel zu viel. Erst war ich von meiner Welt in einer fiktionalen gelandet, wobei man sagen musste, dank meiner ganzen MSPs sollte ich Übung darin haben und dann hatte man mich niedergeknüppelt und in den Palast geschleppt. Etwas, dass man mit einem Gast, als den ich mich sehen sollte, nicht machte, wenn man ihn in den Palast einlud. Es war seltsam, aber ich fühlte mich, als wäre ich gerade in einem Kampf gefangen. Einen Kampf um mein Leben, bei dem meine Chancen zu gewinnen einfach nur miserabel standen. Man versuchte mir den Mord an König Il anzuhängen. Das war offensichtlich und gleichzeitig hatte meine Lüge auch Soo-Won und seine Anhänger verunsichert. Meine Kleidung war eine Art Beweis dafür geworden, dass ich immerhin teilweise die Wahrheit sagte. Dass ich aus einem anderen Land kam. Ja, ich glaubte Soo-Won dass er nichts riskieren wollte, indem er diplomatische Probleme mit meiner Hinrichtung verursachte. Sie wussten nicht, dass niemand wusste, dass ich hier war und daher auch niemand ein Problem damit haben würde, wenn ich starb. Selbst wenn es jemand gewusst hätte, ich glaube kaum, dass es auch nur eine Sau interessiert hätte. Man hätte höchstens gesagt „Wir verhandeln nicht mit Terroristen.“ Headshot for me. Ich musste einen kühlen Kopf bewahren, wenn ich das hier überleben wollte. Vielleicht ein wenig an Soo-Wons Schuldgefühl appellieren, denn das war wohl noch ein weiterer Grund warum ich lebte. Soo-Won wusste um den wahren Mörder. Er wusste, dass er es war und ich damit nicht sein konnte. Ich war lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Wenn ich Soo-Won richtig einschätzte, hatte er vielleicht Mitleid oder Schuldgefühle. Nach dem Gespräch war ich mir dessen sicher. Er wollte nicht unnützer Weise unschuldiges Blut vergießen. Anders als sein Berater, der mich wahrscheinlich als König Ils Mörder öffentlich hingerichtet hätte. „Wie sieht also dein Plan aus, Eri?“, fragte ich mich leise und rieb mir dabei den Kopf. So viel zu denken, ließ mein Hirn irgendwie schmerzhaft pulsieren. „Erstmal bei der Geschichte bleiben... Geschichtenerzählerin liegt ja nicht so fern ab der Wahrheit. Hatte mir im Magi-MSP auch jeder abgekauft. Scheiße... ich bin in Akatsuki no Yona... ich bin auf der falschen Seite... irgendwie... warum bei Soo-Won?“, fluchte ich leise und versuchte dabei einen Anflug von Panik zu unterdrücken. Angst war jetzt nicht gerade der beste Berater. „Scheiße... scheiße... scheißescheißescheiße...“ Die Gedanken in meinem Kopf routierten und vermischten sich mit allen möglichen Gedanken. Nur einer war klar und deutlich herauszuhören. 'Wenn kein Wunder geschieht, wirst du hier sterben. Du kommst hier nicht mehr raus.' Wie würden meine Eltern reagieren, wenn ich mich nicht mehr meldete? Würde mich jemand außer meinen Eltern vermissen? Gut vielleicht Shicchi und Franzi aber sonst noch wer? Würde man denken, dass ich meinen letzten „Selbstmordplan“ endlich umgesetzt hatte? Einfach verschwinden... niemals wieder auftauchen, oder das jemand es wusste... Oh fuck. 'Was machst du dir eigentlich für Sorgen? Interessiert doch eh keinen. Alle haben nur deine Fehler gesehen. Das Gute was du getan hast, tun wolltest, tun könntest, interessiert in deiner Welt doch keine Sau. Du weißt doch, Fehler werden erst verziehen, wenn man tot ist. Nun bist du das so gesehen.' Ich holte tief Luft und versuchte diesen wahren Gedanken nieder zu ringen. Es war nicht das erste Mal, dass er sein hässliches Haupt erhob. 'Hier musst du nicht um Vergebung betteln. Hier kannst du neu anfangen...' Ja... vielleicht war es gut so. Gut so, dass ich aus der Welt gefallen war. Dass ich eine neue Welt gefunden hatte. Zwar nicht die idealste Welt, aber das MSP hatte mich ja gelehrt, dass es keine ideale Welt gab. Sterben konnte ich überall... aus den seltsamsten Gründen. Irgendwie beruhigte mich der Gedanke. Die Schmerzen in meinem Kopf stumpften wieder ab. Es war gut so. Irgendwie. Es interessierte keinen wenn ich verschwand. Meine Eltern würden sich damit abfinden... irgendwie. Franzi und Shicchi würden neue Freunde finden die mich ersetzen konnten, irgendwie. Es würde sich keiner mehr an mich erinnern. Niemand würde fragen „Hey was ist eigentlich mit Erenya“. Ein bitteres Lachen kam über meine Lippen. Und doch... liefen mir Tränen über die Wangen. Ich würde Shicchi nicht mehr sehen, meine Eltern, Franzi... meine anderen Freunde die mir eigentlich wichtig waren. Alle weg. Ich war alleine hier. Den Stimmungen eines Soo-Won ausgeliefert. Meiner eigenen Dummheit ausgeliefert... warum... warum konnte ich nicht irgendwie awesome sein... Zumindest awesome genug um mein Leben zu retten. Geschichten erzählen würde mich nicht retten. Ich würde sterben, ohne das meine Liebsten wussten, was mit mir geschehen war. „Erenya!“ Ich hatte meinen Kopf auf meine Knie gestützt,nachdem ich die Beine angewinkelt hatte. Ich spürte die Tränen auf den Kimono tropfen und hörte durch mein Geschluchze hindurch Jonghyuns Stimme. Ich sah nicht auf, denn ich wollte nicht, dass er die Tränen sah. Geschirr klapperte leise als er etwas abstellte. Ich hörte das Rascheln seiner Kleidung, als er auf mich zukam. „Erenya, was ist los? Tut dir was weh? Soll ich den Arzt holen?“ Ich schüttelte den Kopf, fand aber keine Worte und sah auch nicht auf. Er durfte die Tränen nicht sehen. Niemand durfte meine Verzweiflung sehen. Ich musste doch stark nach außen hin wirken. Schwäche war ein Tabu für mich. „Oh, ich denke ich verstehe“, flüsterte Jonghyun. Ich wartete kurz, hörte wieder das Rascheln seiner Kleidung. Doch es entfernte sich nicht. Stattdessen spürte ich, wie er sich neben mich setzte, ganz dicht, so dass wir Schulter an Schulter saßen. „Mach dir keine Sorgen. Soo-Won-sama hat gesagt du bist hier zu Gast. Sicher die Umstände wie du ein Gast des Palastes wurdest waren jetzt nicht ideal, aber Soo-Won-sama ist kein schlechter Mensch. Ich kenne Soo-Won-sama seit einigen Jahren. Weißt du, er ist der Sohn des verstorbenen Generals Yu-Hon. Er ist der Neffe des verstorbenen König Ils. Ich habe ihn noch nie wütend erlebt. Und er ist auch nie grausam gewesen. Man kann sagen, Soo-Won-sama ist ein Mann des Wortes. Wenn er verspricht, dass dir nichts passiert, dann wird es auch nichts. Wenn General Son-Hak hier wäre oder Prinzessin Yona, dann würden die beiden euch das auch bestätigen. Ebenso der verstorbene König Il.“ Jonghyun konnte nicht wissen, dass ich das alles bereits irgendwie wusste. Gut, offiziell durfte ich das nicht wissen, doch meine Tränen hinderte das nicht. „Ich werde mit Soo-Won-sama reden, wenn es sein muss. Denn ich glaube immer noch nicht, dass du ein böser Mensch bist. Jemand der einen König kaltblütig umbringt, würde jetzt nicht weinen.“ Jonghyun war ja wirklich süß. Vielleicht aber auch etwas naiv. Ich hätte diese Tränen spielen können um sein Vertrauen zu gewinnen. Mein Aussehen konnte täuschen, sicher hätte ich ein Assassine sein können, aber das würde ich jetzt sicher nicht laut aussprechen, soviel stand fest. „Werde ich meine Eltern und meine Freunde wiedersehen?“, fragte ich leise und schluchzte dabei mehr als das ich wirklich sprach. „Sicher. Sobald alle Zweifel beseitigt sind, wird Soo-Won-sama dich sicher gehen lassen und dir helfen zurück in deine Heimat zu kommen. Und danach kannst du ganz viel aus unserem Land berichten. Über Geschichten, Helden und noch viel mehr.“ Ich konnte deutlich hören, dass Jonghyun lächelte. Er bemühte sich wirklich. Umso bitterer waren seine Worte, denn so leicht konnte ich sicher nicht in meine Welt zurück. Ich wusste ja nicht einmal wie ich hier gelandet war, so dass ich meinen Weltensprung nicht rekapitulieren konnte. „Komm, ess erst einmal was. Danach sieht die Welt anders aus. Auf leeren Magen spielen die Gedanken meist verrückt.“ Er griff mich sanft am Unterarm und zog mich mit sanfter Gewalt auf die Füße. Ich konnte meine Tränen nicht länger verbergen, spürte aber, wie Jonghyun sie sanft von meiner Wange strich. „Die Köche haben aus den Resten des Frühstücks noch etwas Bibimbap gemacht. Hast du das schon einmal gegessen?“ Ich schüttelte den Kopf und folgte Jonghyun zu dem Tablett, aber dem eine steinerne Schüssel mit Inhalt stand, in der ich viel Grünzeug sag. Bohnen vermutlich und etwas Salatähnliches. Doch auch etwas braunes, pilzähnliches guckte hervor, eben so etwas weißes. „Das ist ein Gericht das man meist aus Resten macht. Damit nichts weggeworfen wird. Man kann es auf verschiedene Weise machen. Das hier wurde mit Rettich, Shiitake, Königsfarm und Bohnensproßen gemacht. Dazu noch mit Gochujang und Fleisch. Du solltest es aber umrühren, denn darunter befindet sich Reis. Dazu gibt es hier noch dieses kleine Schälchen mit der Brühe, die für die Suppe heute früh verwendet wurde. Es ist wirklich lecker probier mal.“ Ich setzte mich vor das Tablett und nahm einen hölzernen Löffel in die Hand. Gochujang sagte mir irgendwas. Eine kleine Alarmglocke schrillte im Hintergrund, doch ich wusste nicht wieso. Wie es mir Jonghyun geraten hatte, vermischte ich den Reis mit Gemüse und Pilzen, bevor ich meinen Löffel fühlte. Es roch gut. Nach Pilzen, Fleisch und frisch gekochten Reis. Doch irgendwie mischte sich noch etwas anderes in die Duftkomposition. Ein bekannter Duft, den ich aber nicht einordnen konnte. Die Alarmglocke im Hinterkopf schrillte lauter. Ohne länger zu zögern, das wäre unhöflich gewesen, nahm ich den Löffel in den Mund. Der Geschmack war unbeschreiblich. Frisch, heiß und vor allem... Meine Augen weiteten sich, und ich schluckte so schnell ich konnte das Bibimbap runter. Ohne vieles Kauen, ohne es länger auf der Zunge liegen zu lassen. Eilig griff ich zu der Brühe und trank sie in einem Zug leer, denn die Schärfe, die das Gericht bei mir verursacht hatte, wurde von Sekunde zu Sekunde stärker. Ich starb... am Essen... weil Soo-Won gnädig war. ~*~ Müde rieb ich mir den Schlaf aus den empfindlichen, tränenden Augen. Nicht nur die Tatsache, dass ich mich an einem mir vollkommen fremden Ort befand, hatte für eine eher unruhige Schlafenszeit gesorgt. Auch mein Einschlafproblem hatte seinen Teil dazu beitragen. Ohne Kopfhörer und Handy lag ich auf dem harten, kalten Boden, rollte mich von der einen Seite auf die andere und starrte müde ins Nichts. Irgendwann war mein Körper vor Erschöpfung eingeschlafen. Da ich, sobald ich zuhause oder bei meinem Freund ankam, alles Unbequeme unverzüglich auszog, lag ich hier ohne meine Armbanduhr herum. Mein Gefühl sagte mir hinterher, dass ich Yona um ihren tiefen Schlaf um mindestens 45 Minuten lang beneidet hatte. Ob Hak geschlafen hatte, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall machte er einen deutlich fitteren Eindruck, als ich mit dem halben Schlaf im Gesicht. Trotzdem wollte ich nicht noch mehr zur Lastwerden, als ich ihnen ohnehin schon war. ‚Es würde mich nicht wundern, wenn sie mich hier in Haks Heimat zurücklassen würden. Soweit ich mich richtig erinnern kann, ging es Yona hier wieder viel besser, sie war auch nicht mehr so antriebslos. Da werden sie mich bestimmt nicht mehr brauchen. Aber was mache ich dann? Irgendwie muss ich einen Weg nach Hause finden. Ob es einen bestimmten Grund gibt, warum ich hier gelandet bin? Wie bei den Digirittern? Aber was ist meine Aufgabe? Bin ich überhaupt die richtige Person? Gab es eine Verwechslung und sie wollten jemand anderes? Oder bin ich wie Sora aus Kingdom Hearts nur die zweite Wahl? Gibt ja jetzt nicht so viel, das ich hier tun kann …‘ Während ich so herumüberlegte, erreichten wir schließlich unser Ziel. „Eure Hoheit“, sagte Hak, ohne sich zu uns umzudrehen, „jetzt kann man sie sehen“. Vor uns lag eine Stadt, umgeben von Felsen und Bäumen, im Zentrum ein kleiner Berg mit einer stattlichen Festung darauf. Zwar kannte ich die Stadt bereits aus dem Anime und Manga, aber solche Gebäude einmal live zu sehen, ist dann wieder eine ganz andere Geschichte. Besonders, da ich mal wieder so vertieft in meinen Gedanken gewesen war, dass ich mal wieder nur das Allernötigste aus meiner Umgebung wahrgenommen hatte. „Der Windclan. Das ist seine Hauptstadt Fuga“, murmelte Yona unter ihrer Kapuze hervor. Damit sie nicht so schnell erkannt werden konnte, hatte sie sich in einem schlichten Tuch oder ähnlichem vermummt. Auch wenn sie meiner Meinung nach damit noch auffälliger wirkte, behielt ich meine Gedanken für mich. Einfach, weil ich Hak nicht verärgern wollte, der die Idee wohl auch gut fand. Ein paar wenige Minuten später hatten wir die Tore erreicht, bereits aus der Ferne konnten wir das aktive Wettsägen der Wache sowohl sehen, als auch hören. Wie auch Hak trugen sie die typische Kleidung des Windclans, wenn auch weniger edel. Aber es hatte was und bequem sah die Kleidung auch aus. Auf jeden Fall praktischer als meine eigene, war ich ja die vergangene Nacht auf Haks Mantel angewiesen. Beschämt schüttelte Hak den Kopf, vermutlich war ihm der Anblick peinlich. Vor allem Prinzessin Yona gegenüber. Ein bisschen beneidete ich die beiden Jungs um ihren Schlaf, so friedlich im Stehen. Was ihnen Hak auch gleich wieder austrieb. Mit einem saftigen Tritt riss er sie aus dem Reich der Träume zurück in die Realität. Ich bekam Mitleid mit den beiden. „Teu, Heangdea! Die Wache dieses Clans hält einen Mittagsschlaf …?!“, rief Hak immer noch genervt. Verwirrt sahen die beiden jungen Männer ihn an, begriffen aber sofort, wer sie da so unsanft geweckt hatte. „Hak-sama?“, wunderten sie sich unisono. Dieser hob die Hand zum Gruß. Er klang nicht sonderlich überrascht, weshalb ich vermutete, dass Hak ein solches Verhalten wohl gewohnt war. „Wie lange ist das jetzt her? Zehn Jahre? Was machst du hier?“, fragte Teu mit einem dümmlichen Grinsen im Gesicht. Ich konnte nicht sagen, ob er Hak nicht so ernst nahm wie er es sollte oder ob er noch nicht ganz wach war. Vermutlich wusste er es selbst nicht. „Hat man dich als General entlassen? Das Leben geht trotzdem weiter“, erwiderte Heangdea genauso tiefenentspannt. Hak seufzte. „Ihr seid also immer noch solche Weicheier. Außerdem ist es erst drei Jahre her. Und ihr könnt nicht einfach im Dienst schlafen, egal, wie friedlich es ist.“ „Aaaber Hak!“, kam es in einem Singsang aus beiden Mündern.“ „Wir sind der Windclan. Wir biegen uns so, wie der Wind sich dreeeht!“ „Wenn wir müde sind, schlafen wir“, stimmte Teu seinem Kameraden zu. Haks Laune änderte sich dadurch nicht, besonders nicht zum Besseren. [LEFT]„Wer hat die zwei bloß zu Wachen ernannt?“, fragte sich Hak laut und schüttelte erneut den Kopf. Sowohl Yona, als auch ich hatten die ganze Szene schweigend beobachtet. Dabei sind mir Heangdeas Sommersprossen aufgefallen, was ihn mir gleich ein wenig sympathischer machte als Teu. Wenn auch nur einen Ticken.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] ~~*~~ Ich atmete schwer, während mit Jonghyun Luft zufächelte. Das Essen hatte ich kaum noch angerührt. Nicht einmal der Reis. Der war mit dem Gochujang kontaminiert. Nur weil Jonghyun es wollte, hatte ich noch zwei drei Bissen mehr zu mir genommen. Auch wenn er verstanden hatte, dass es mich quälte. „Ich hätte vorher fragen sollen, was du nicht isst“, entschuldigte sich Jonghyun zum gefühlt Millionsten mal. Ich war dankbar dafür, dass er mir Luft zufächerte, denn die Hitze in mir war einfach unerträglich. „Nein, nein... alles in Ordnung. Man könnte meinen ich hätte mich an das Essen in diesem Land gewöhnt habe, aber ich bin echt nicht gut mit scharfen Essen.“ Ich bemühte mich zu lächeln und sah zu Jonghyun, der nur mit dem Kopf schüttelte. „Ich hätte daran denken müssen, dass du vielleicht unser Essen hier nicht gewohnt bist. Soll ich dir wirklich nicht noch was anderes besorgen?“ Ich schüttelte erneut mit dem Kopf und sah zu Jonghyun der gerade wie ein begossener Welpe aussah. Er tat mir schon leid, denn er hatte es ja gut gemeint, aber ich vertraute dem Essen gerade nicht. Oder eher meinem Magen der randalierte. „Können wir aber frische Luft schnappen gehen?“, fragte ich schließlich, wobei sich Jonghyuns Gesichtsausdruck aufhellte. „Natürlich, warum habe ich nicht gleich daran gedacht. Ich zeige dir den Palast. Du wirst das Wissen brauchen.“ „Kommt die Wache dann mit?“, fragte ich, denn ich erinnerte mich daran, dass vor meinem Zimmer eine Wache positioniert war. „Nein, nein keine Sorge. Die Wache steht nur da, wenn du hier drinnen bist. Wenn dich jemand von den Dienern begleitet reicht das. Soo-Won-samas Anordnung. Immerhin gibt es hier im Palast genug Wächter die dich fangen könnten.“ Das klang logisch und gleichzeitig war ich froh darüber. Sicher, ich würde jetzt keine großartige Flucht versuchen, aber mir wäre es doch schon unangenehm gewesen auf Schritt und Tritt von jemanden beobachtet zu werden, der mit einem Schwert meine Kehle teilen konnte. „Ich kenne einen Ort, der wird dir sicher gefallen!“, erklärte Jonghyun und machte sich mit diesen Worten bereit das Zimmer zu verlassen. Ich erhob mich ebenfalls und folgte Jonghyun hinaus in mein Gefängnis, dass ein ganzer Palast war. Kaum zu glauben, dass die Freiheit eines ganzen Palastes auch gleichzeitig ein Gefängnis sein konnte. ~*~ „Anführer!“ „Junger Anführer!“ „Hak-Sama! Es ist so lange her!“ Wir konnten gerade einmal blinzeln, schon waren wir umkreist von Windclan-Bewohnern, allesamt eingekleidet in der typischen Windclan-Tracht. Welche sich außerordentlich freuten, ihren Anführer wiederzusehen. „Wann bist du zurückgekehrt?“, fragte eine der vielen Bewohnerinnen. „Oh nein, du siehst ja immer männlicher aus!“, schwärmte eine andere. Doch Hak erwiderte nichts, mit ausdrucksloser Miene betrachtete er das Empfangskomitee. Weshalb sie ihre Aufmerksamkeit nun auf den Rest unserer Truppe richteten. „Nanu?“, fragte sich eine junge Frau. „Wer ist sie? Etwa Hak-samas Geliebte?“ Erste Theorien und Gerüchte um die arme Yona machten unter den Stadttratschen bereits die Runde, obwohl die Betroffene noch nicht mal die Grenzen der Stadt passiert hatte. „Hier ist noch ein hübsches Mädchen. Wer sie wohl sein mag?“, wunderte sich ein junger Mann mit Vollbart. ‚Wen meint der? Wohl mich? Aber hübsch? Öhm, ok …‘ „Hak, wie kommt es, dass du den Palast verlassen hast und in Begleitung zweier junger Damen zu uns zurückkehrst?“ Da fiel mir ein, dass der Windclan noch gar nichts von den Ereignissen im Schloss mitbekommen hatte. Mun-deok war gerade erst zum Schloss gerufen worden und konnte den Clan bisher nicht informieren. Dass sich solche Informationen so langsam verbreiteten, ließ mich innerlich schütteln. Dank Seiten wie Facebook oder Twitter war man über Dinge wie Anschläge, Unfälle oder andere tragische Ereignisse sofort informiert, was ich als sehr angenehm empfand. Hak ging nicht auf die Fragen der Meisten ein, sondern wand sich an Yona und begann, sie seinem Clan vorzustellen. „Das hier sind nicht meine Geliebten. Nein. Sie ist eine Hofdame in Ausbildung aus dem Palast.“ Ungläubiges und erstauntes Raunen ging durch die Runde. „Aber es stimmt. Ihr Name lautet …“, dabei sah er in meine Richtung. Ich fühlte mich dezent überfordert. „Rina“, sagte ich, wie ich mich zum Glück an den Anime erinnern konnte. „Und mein Name ist Kira. Ich verdanke Hak-sama mein Leben, er hat mich aus einer bedrohlichen Situation gerettet.“ Meine Gedanken schweiften zu den Blutegeln, was mich innerlich aufschütteln ließ. Was er dagegen dachte, ließ sein Pokerface nicht erkennen. „Ich bin ihm sehr dankbar dafür und möchte ihn ein wenig bei Rinas Ausbildung unterstützen.“ Ein freundliches Lächeln meinerseits, welches von sämtlichen Bewohnern erwidert wurde. Offenbar genügte ihnen meine Erklärung, bewundernd und voller Stolz betrachteten sie Hak. Was ihn nicht aus der Ruhe brachte, im Gegenteil. Ein weiteres Mal sahen die Bewohner Yona, wie auch mich wieder ziemlich neugierig an, man merkte, dass ihnen noch sämtliche Fragen auf den Lippen brannten. Was ich persönlich nicht nachvollziehen konnte, denn im Gegensatz zu mir war Yona wirklich hübsch, außerdem hatte sie noch kein einziges Wort gesprochen und wirkte dadurch sicherlich interessanter. Auch fühlte ich mich nicht gerade wohl damit, der Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit zu sein. „Woher kommst du?“, will eine junge Frau mit Baby im Arm wissen. „Wie alt bist du?“, kam es von einem jungen Mann, etwa in meinem Alter. Er sah uns beiden mit einem scharfen Blick an, den ich nicht einordnen konnte. „Hättest du Interesse an meinem Enkel?“ , fragte eine ältere Dame, die wie eine typische Oma auf mich wirkte. Dabei tätschelte sie Yonas Hand ein wenig. „Aus welcher Situation hat dich denn unser großer Held denn gerettet“?, will ein älterer Mann mit kinnlangem Bart und einer ebenso langen Narbe auf der Wange wissen. Ich begann zu überlegen. „Nun, ich war gerade auf einer Art Feldweg unterwegs, als mich vermummte Gestalten überfallen wollten. Ich habe aber nicht sehr viel Geld bei mir und wer weiß, was sie sich stattdessen alles genommen hätten, wären die Beiden hier nicht auf dem Feldweg aufgetaucht. Es war sehr mutig und auch sehr edel von Hak-sama, dass er mir in der Stunde der Not zur Hilfe stand und mich, wie auch meine Ehre gerettet hatte.“ Allgemein begeistertes Klatschen erfüllte kurz die Menge, man merkte ihnen ganz deutlich an, dass sie stolz auf ihren Anführer waren. Ich dagegen lobte mich für meine Lüge, dass ich schon seit Jahren keine Jungfrau mehr war, mussten sie ja nicht wissen. Und da ich sowieso nicht vorhatte, hier mit irgendwem das Bett zu teilen, würde es auch niemand erfahren. „Du hast aber eine lustige Haarfarbe!“, hörte ich ein kleines Kind rufen. Viele drehten sich erst zu dem Kind um, dann zu mir. Da Yona eine Kapuze trug, konnte man ihre Haare nicht so gut erkennen, also musste ich gemeint sein. „Ach das … nun, da wo ich herkomme, ist das eine ganz normale Haarfarbe, jeder trägt die dort. Es kann allerdings sein, dass sie mit dem Alter erblasst oder heller wird. Unsere Haare sind … sehr empfindlich, was das Sonnenlicht angeht und bleichen schneller als die Haare von anderen Leuten. Ich mag die Farbe“, erklärte ich und sah erneut in mehrfaches, interessiertes Nicken. Die Masse hatte sich nun in ihrer Begeisterung hochgeschaukelt. Fragen über Fragen strömten auf uns beide ein, was Yona völlig überforderte. Doch statt eine Antwort zu geben begann sie zu wanken, bis sie schließlich vor unser aller Augen zusammenklappte. Sorgenvoll sahen die jungen Frauen, welche neben ihr in die Hocke gingen, Yona an. Und gaben gleich Entwarnung. „Das Mädchen ist nur erschöpft“, sagte eine von ihnen und stützte sie an der Schulter. Ich konnte Yonas Reaktion verstehen, bei allem, was sie durchgemacht hatte, musste sie so ein Andrang ja überfordern. Würde mir ja nicht anders gehen, solche Situationen machten mich immer ganz nervös und kirre. Auch jetzt versagte mir die Stimme den Dienst und ich brachte so gut wie keine Worte heraus. ‚Kann mich nicht irgendwas oder irgendjemand aus dieser peinlichen Situation retten?‘ Langsam begann ich Yona auf eine seltsame Art um ihre Ohnmacht zu beneiden. Hak eilte zu Yona herüber und hob sie auf seine Arme. Anschließend sah er Heangdea mit ernstem Blick an. „Bereite sofort ein Bett und Essen vor.“ Heangdea, mit rosa leuchtenden Wangen, bestätigte den Befehl und machte sich mit Teu sofort auf den Weg. „Der Rest von euch geht wieder dem Tagesgeschäft nach“, lautete der Befehl für die Menge; und diese gehorchte ohne Ausnahme. Jetzt standen nur noch wie zwei hier; Hak mit Yona in den Armen und ich. Verloren blickte ich ihn an und wurde das Gefühl nicht los, dass ich eventuell vergessen wurde. Dann drehte er sich zu mir um. [LEFT]„Ich möchte, dass du an Yonas Seite bleibst und über sie wachst, bis sie aufwacht. Sie kennt dich jetzt“, sagte er nun und begann, tiefer in die Stadt zu laufen. Da ich mich in seiner Heimat nicht auskannte wie er, versuchte ich sofort, mit ihm Schritt zu halten.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] ~~*~~ „Der Palast ist groß, hier kann man sich schnell mal verlaufen, aber mach dir keine Sorgen. Es wird immer jemand bei dir sein, der dir helfen kann. Daher musst du dir keine Sorgen machen. Mit der Zeit wirst du dich aber hier zurecht finden.“ Jonghyun führte mich zielsicher durch die verwinkelten Gänge des Palastes. Er hatte mir bereits das Herzstück gezeigt, einen Garten mit kleinem Fluss, über den eine Brücke führte. Es blühten dort Blumen, die es in meiner Welt nicht zu geben schien, oder schon lange ausgestorben waren. Zumindest schienen sie mir nicht vertraut. „Also Prinzessin Yona jung war, hat sie hier oft mit Son Hak und Soo-Won-sama gespielt. Die drei waren immer zusammen. Man könnte sagen sie waren beste Freunde. Jeder hier dachte, dass die Prinzessin einen von beiden heiraten würde und die Tendenz schien sehr stark zu Soo-Won-sama zu gehen. Umso tragischer ist es, dass die Prinzessin entführt wurde.“ Ich lauschte Jonghyun, der mir ein wenig versuchte etwas aus der Chronik des Palastes zu erzählen. Neben dem Garten zeigte er mir auch Yonas Zimmers, die Unterkünfte der Wächter, Bediensteten und so weiter. Noch dazu die Toiletten, so wahr man sie so nennen konnte. Es waren mehr Vertiefungen in den Boden. Keine Plumpsklos wie bei uns im Mittelalter. Aber genauso eklig. Es würde Überwindung kosten auf so ein Klo zu gehen, selbst wenn ich wusste, dass man sie hier im Palast wohl gut genug reinigte. Ich war Jonghyun dankbar gewesen, dass er einige Details ausgespart hatte in seinen Erklärungen denn ich wollte nicht wissen wie sie gereinigt wurden, was mit dem Inhalt passierte und so weiter. Es reichte schon, dass ich mich an den Geschichtsunterricht erinnert hatte, in dem man erfuhr, was die Menschen dort mit ihren Hinterlassenschaften taten. Übel. „Wir sind gleich in dem Raum, in dem die Könige ihre Bücher verwahren. Ich dachte mir, dass du das sicher interessant finden dürftest.“ Bücher? Mein Herz schlug vor Freude, denn das war doch etwas, dass mir vertraut war. Noch dazu konnte man in so einem Raum mit Büchersammlungen sicher die ein oder andere nützliche Schriftrolle finden, die mir helfen konnte zu fliehen oder mich zurecht zu finden. Jonghyun ahnte gar nicht, was er mir damit für eine Freude bereitet. Ich lief schneller und schloss so dicht zu meinem Begleiter auf, der leise kicherte. Scheinbar schien es ihn zu erfreuen, dass er mich mit so etwas begeistern konnte. „Sag mal, wie hast du eigentlich unsere Sprache gelernt?“, fragte mich Jonghyun. Ich spürte seinen Blick auf mir und sah ebenfalls zu ihm. „Durchs Anwenden. Am Anfang habe ich mich viel über Zeichen verständigt. Mit der Zeit habe ich dann die Wörter gelernt. Dann den Satzbau und schließlich konnte ich kommunizieren. Man lernt Sprachen schneller, wenn man sie täglich hört, beobachtet und dann Wörter lernt. Nur lesen kann ich die Sprache nicht. Ihr benutzt Zeichen. In meiner Heimat benutzt man das sogenannten lateinische Alphabet.“ „Oh... dann kannst du dir nur die Bilderbücher ansehen. Aber keine Sorge, ich kann dir viele Geschichten von denen erzählen. Hier wird man mit diesen Geschichten sozusagen groß.“ Ich staunte nicht schlecht und war gespannt, was für Geschichten in der Buchsammlung zu finden war. Sicherlich gehörte die Entstehungsgeschichte vom Königreich Kouka dazu. Ich wollte das Buch sehen, dass König Il seiner Tochter vorgelesen hatte. Die Zeichnungen darin waren sicher fantastisch. „Und wenn uns die Bücher ausgehen, dann kenne ich sicher noch andere. Und zur Not frage ich für dich herum.“ Jonghyun war auf seine Art und Weise wirklich süß. Wahrscheinlich wollte er mir diese Geschichten aber nur erzählen, damit es mich von meiner Angst und meinem Heimweh ablenkte. Oder er wollte mir den Aufenthalt wirklich so angenehm wie möglich gestalten. „Hier sind wir. Komm rein. Ich hab schon eine Geschichte im Sinn“, erzählte er und betrat den Raum, in dem in Schränken stehend Bücher waren. Schriftrollen lagen auf den Regalen und auf einem Tisch mit einem Stuhl stapelten sich ein paar Manuskripte. So wie es aussah gab es hier sicher Ausgaben, die in ihrer Art einmalig waren, denn den Buchdruck hatte man hier sicher noch nicht erfunden. Das hieß, die Bücher waren alle handgeschrieben. Die Bilder einzeln gemalt. Was für ein Aufwand um Wissen zu vermitteln und zu teilen. „Was für eine Geschichte hast du denn im Sinn?“ „Nun, es ist eine Legende. Sie stammt von der Zeit vor König Hiryuu. Viele haben sie vergessen, aber hier im Schloss gibt es noch ein Exemplar.“ Jonghyun ging zu einem der Regale und sah sich genau in diesem um. Ich hatte nun eigentlich erwartet, dass er mir die Legende von König Hiryuu erzählen wurde. Doch scheinbar hatte ich mich damit geirrt. Umso spannender war zu erfahren, welche Legende es nun sein würde. „Ah, da ist es. Erenya, setzt dich an den Tisch.“ Wie es Jonghyun gefordert hatte, setzte ich mich auf den freien Platz am Tisch und wartete darauf, dass er zu mir kam. Vor mir legte er das Buch auf den Tisch und zeigte mir gleich auf der ersten Seite ein Bild von einer Frau an einem See. „Das ist die Legende von der Frau mit den magischen Heilkräften.“ Ich hob die Augenbrauen und sah zu Jonghyun. Magie... na gut warum eigentlich nicht. König Hiryuu war ja auch ein Drache der zum Menschen geworden war. „Sook, so der Name der Frau, wurde von Drachengöttern bei ihrer Geburt mit einer Gabe gesegnet. Lange Zeit blieb ihr diese Fähigkeit verborgen, bis sie einen Krieger an einem See fand. Sie war dabei gewesen Kräuter zu sammeln, als sie den verletzten Krieger sah. Ohne zu zögern nahm sie einige Kräuter von denen sie wusste, dass diese eine heilende Wirkung hatten. Sie machte eine Paste daraus, die sie auf die Wunde des Kriegers schmierte und kaum, dass sie diese berührt hatte, heilte die Verletzung. Der Soldat überlebte und verbreitete die Kunde, dass Sook göttliche Kräfte hatte. Das war der Moment, an dem Sook entschied, eine Heilerin zu werden. Sie studierte die Medizin und behandelte Menschen mit kleineren und größeren Verletzungen. Dabei lernte sie, dass sie nicht etwas heilende Kräfte besaß, sondern viel mehr die heilende Wirkung von Pflanzen, Salben und medizinischen Mitteln verstärken konnte. Schlimmere Verletzungen wurden zwar nicht sofort geheilt, aber verheilten in kürzester Zeit. Kleine Schnitte hingegen heilten sofort.“ Ich lauschte Jonghyun und sah dabei die Bilder an, die er mir in dem Buch zeigte. Zu Beginn war ich wirklich davon ausgegangen, dass die Frau heilende Kräfte hatte, doch dass sie nur heilende Wirkungen verstärkte, ergab irgendwie mehr Sinn und machte das ganze fast schon realistischer. Nicht Realer aber greifbarer. „Und passierte mit Sook?“, fragte ich Jonghyuk gespannt und sah auf die nächste Seite, auf der Sook von einem jungen Mann besucht wurde. „Nun, ein junger Mann hörte von ihren Fähigkeiten und dachte sich, dass sie vielleicht nicht nur heilende Hilfsmittel verstärken könnte, sondern auch tödliche. Er brachte Sook einen Pilz mit, den sie noch nie zuvor gesehen hatte. Er erzählte ihr, dass sein Vater krank sei und dieser Pilz ihn retten könnte. Doch es gäbe nicht mehr genug, so dass dieser eine, letzte Pilz alles sei um seinen Vater zu retten. Sook versprach, dass sie sich darum kümmern würde und besuchte den vermeintlichen Vater des Jungen. Aus dem Pilz hatte sie einen Brei gemacht, dem sie den Vater zu Essen gab. Doch der Pilz war nicht heilend. In ihm schlummerte ein schwaches Gift. Eigentlich war es nicht tödlich, doch Sooks Fähigkeiten sorgten dafür, dass es stärker wurde und so tötete sie den Mann, der nicht einmal der Vater ihres Klienten war, sondern ein Rivale, der um dieselbe Frau buhlte. Er war vermögender, wenn auch älter. Doch die Frau war eindeutig ihm zugetan gewesen. Sook wurde des Mordes bezichtigt und in aller Öffentlichkeit geköpft.“ Das letzte Bild zeigte die Frau mit dem Kopf auf einen Baumstumpf und einem Mann mit einem scharfen Schwert, dass erhoben über der Frau war. „Es gab nie wieder eine Frau wie Sook, denn die Götter wollten nicht, dass jemand erneut diese heilige Kraft ausnutzte. Doch an der Stelle, an der Sook geköpft wurde, so sagt man, ist aus ihrem Blut eine heilende Quelle geworden. Noch heute pilgern insbesondere die Alten und Schwachen dahin um die Schmerzen ihrer Gebrechen zu lindern.“ Irgendwie hatte das ganze mit der Quelle doch mehr einen mystischeren Beigeschmack. Ich glaubte nicht, dass aus dem Blut eine heilende Quelle geworden war. Wahrscheinlich hatte es die Quelle schon vorher gegeben, und man hatte sie erst später entdeckt. „Wie hat dir die Legende gefallen?“, fragte Jonghyuk und sah mich mit strahlenden Augen an. Er schien stolz auf seine erzählerische Leistung zu sein. Wenn man das ganze ausschmückte, mit Namen, mehr Hintergrund und so weiter, konnte man daraus sicher eine super Geschichte machen. Aktuell wirkte es mehr wie eine kleine Zusammenfassung einer größeren Geschichte. „Sie klingt interessant. Und ich denke die Erwachsenen in meiner Heimat dürfte diese Geschichte interessieren. Für Kinder ist sie ja eher weniger geeignet. Gibt es noch mehr solcher Legenden?“, fragte ich Jonghyuk der freudig nickte und das Buch schloss um es wieder an seinen Platz zu legen. „Aber ich denke wir machen morgen weiter. Ich will dir noch den Rest des Palastes zeigen. Du hast die oberste Etage noch gar nicht gesehen.“ Ich erhob mich von dem Stuhl und blickte mich noch etwas im Raum um. Wenn ich doch nur koreanisch lesen könnte, ich hätte sicher viel Spaß hier. Mehr noch eventuell als mit den Bilderbüchern. Aber für den Anfang sollten mir die reichen. Vielleicht konnte ich Soo-Won irgendwie überzeugen mir noch das Lesen beibringen zu lassen. Aber erst mal sollte ich die Dinge laufen lassen, denn wer wusste schon, wie lange ich hier bleiben würde als Gast. ~*~ Wir gingen durch sämtliche Straßen und Gassen, vorbei an dutzenden Häusern und Gärten. Doch da ich mich in der Hauptstadt des Windclans überhaupt nicht auskannte, musste ich mehr darauf achten, mit Hak Schritt halten zu können, als dass ich großartig die Umgebung betrachten konnte. Was ich ein wenig bedauerte, sah die Gegend hier doch komplett anders aus als die, aus der ich stammte. Allein schon seine höhere Körpergröße und die damit längeren Beine ließen ihn schneller gehen. Als wir endlich unser Ziel erreicht hatten, atmete ich auf. „Willkommen zurück, junger Herr“, wurde er von seiner Dienerschaft begrüßt. Doch wie schon sämtliche Personen, denen wir auf der Straße begegnet waren, ignorierte Hak auch sie. Offenbar waren sie es von ihm gewohnt, zumindest konnte ich nichts von Wut oder Ärger in ihren Gesichtern erkennen. Dienerinnen eilten herbei, sie alle sahen sowohl erfreut, als auch besorgt aus. Heangdea hatte sich in der Zwischenzeit als äußerst fleißig erwiesen. Die älteste der Dienerinnen führte uns in einen größeren Raum, in welches ein provisorisches Bett aufgestellt worden war. Daneben stand eine Kanne gefüllt mit frischem Wasser, zusammen mit einem kleinen Becher. Sanft legte Hak die Prinzessin im Bett ab und deckte sie zu. Sofort kniete sich eine andere Dienerin zu ihr hin und befeuchtete Yonas Gesicht mit einem feuchten Tuch. Da ich absolut nicht wusste, wohin mit mir, setzte ich mich neben die blonde Dame und sah ihr beim Betupfen zu. Yona dagegen schlief tief und fest, machte aber bereits einen lockeren Eindruck als vorher. In ihrem Gesicht war auch wieder mehr Leben und Farbe zu sehen, war sie vorhin noch etwas blass ums Näschen gewesen. Erleichtert sah ich sie weiter an. [LEFT]Von irgendwo her konnte ich einen schwachen Essensgeruch wahrnehmen, aber nicht wirklich erkennen, wonach genau es roch. Gleichzeitig fiel mir mein Hunger auf. Stumm hoffte ich, dass mein Magen nicht zu knurren begann. Das wäre mir dann zu unangenehm, wie wenn ich der Klasse saß und der Magen knurrte. Stets befürchtete ich, meine Klassenkameraden würden deswegen schlecht von mir denken. Immerhin war ich nicht gerade die schlankste Person im Raum, im Gegenteil. Und wenn dann ausgerechnet mir der Magen knurrte, hatte ich mit Sicherheit den Ruf des kleinen, nimmersatten Dickerchens weg. Die, die wohl nie den Mund vollbekam. Weswegen ich froh war, wenn mir mein Magen mir auf eine stumme Art mitteilte, dass ich gerade was zum Essen brachte. Auch wenn die anderen Arten, wie Übelkeit, Kopf- oder Magenschmerzen oder eine ziemlich niedrige Aggressionsschwelle auch nicht viel besser waren, wenn ich genauer drüber nachdachte. Nur waren sie mir nicht so peinlich. Bis auf den Teil mit der Aggression. Oft genug passierte es, dass ich Dinge sagte und tat, die mir hinterher mehr als peinlich waren. Doch zu meinem Glück passierte es immer seltener, worüber ich sehr froh war.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] ~~*~~ In der obersten Etage zeigte mir Jonghyun einen Saal in dessen Mitte ein großer Tisch aufgestellt worden war. Es war das Besprechungszimmer des Königs und der fünf Clans, so hatte es mir zumindest Jonghyun erzählt. Dass der König auch hier seinen Platz hatte, machte der Thronähnliche Stuhl deutlich, der auf einer Erhöhung stand. „Heute werden die Anführer der fünf Clans hier sein um darüber zu reden wie es weiter geht. Wir brauchen einen neuen König und Soo-Won-sama ist der einzige, der dafür geeignet ist. Doch er wird die Zustimmung der fünf Clans brauchen um gekrönt zu werden“, erklärte mir Jonghyun als ich mich in dem Raum umsah. „Wir sollten wieder zurück, bevor alle hier sind. Ich kann dir gerne noch zeigen, wo du hier oben mal einen Tee genießen kannst.“ Es war nur logisch, dass Jonghyun irgendwie zur Eile drängte und ich wollte auch ehrlich gesagt nicht wirklich den Clanoberhäuptern über den Weg laufen. Wobei... Mundok würde dabei sein. Konnte ich mich ihm vielleicht anvertrauen? Es war kritisch. Denn ich konnte ihm ja schlecht sagen „Soo-Won hat den König umgebracht und man will nun mir die Schuld in die Schuhe schieben.“ Nein, das hätte nichts gebracht. Geduld. Ich musste mich in Geduld üben und durfte nicht überreagieren. Ja, es war wohl besser wieder nach der Tour zurück ins Zimmer zu gehen, zu schreiben und meine Gedanken ordentlich zu ordnen. Ich folgte daher Jonghyun und warf noch einmal einen letzten Blick in den Raum. Hier würde die Geschichte ihren Lauf nehmen. Weiterhin ohne mich. Was ein seltsames Gefühl war, denn ich glaubte nicht, dass Dinge einfach so ohne guten Grund passierten. Das Zimmer war nicht weit vom Besprechungszimmer entfernt. Es lag fast schon nebenan und wurde nur durch eine Wand mit großen Fenster getrennt. Allerdings konnte man nicht durch sehen, so dass man nicht sehen konnte, wer gerade die Besprechung führte. Sonst wäre das auch nicht sonderlich clever gewesen dieses Zimmer nebenan zu bauen. Der Raum selbst war mit ein paar Blumen geschmückt, einem Schrank, der nahe dem Fenster stand Ein kleiner runder Tisch in der Mitte sollte dafür sorgen, dass man sich hinsetzen und den Tee genießen konnte. Ich war mir sicher, dass man hier ein paar bessere Gespräche mit den Clanmitgliedern führen konnte, aber wahrscheinlich war das eher ein Raum, in dem man mit Freunden Gespräche führte die etwas lockerer waren. Die Ausstattung vermittelte das zumindest. Ich folgte Jonghyun aus dem Raum und konnte in der Ferne Soo-Wons Rücken erblicken. Ein innerer Drang machte sich plötzlich breit, ihm nach zu laufen und unter vier Augen zu reden. Ihm zu sagen was ich wusste und das zu meinen Gunsten auszuspielen. Oder einfach nur... um ihm zu danken, auch wenn das vollkommen absurd war. „Uhm... Jonghyun, können wir vielleicht einen Tee in diesem Zimmer trinken? Ich weiß die Generäle kommen gleich und alles, aber wir trinken ja nur Tee und lauschen nicht.“ „Das können wir gerne tun. Und keine Sorge, lauschen können wir nicht. Man hört aus dem Zimmer nebenan nichts. Auch wenn es durch das Fenster verbunden scheint. Zwischen dem Besprechungszimmer und dem Teezimmer gibt es einen Hohlraum. Daher hört man auch nichts. Wobei es auch Gerüchte gibt, dass es eine Geheimtür gibt mit der man von einem Raum zum nächsten kommen kann. Allerdings hat bisher noch niemand diese Tür gefunden.“ Ich dachte nach und fragte mich, ob ich das Gerücht überprüfen sollte. Ich konnte so zumindest zu Soo-Won kommen, ohne das jemand mich bemerkte. „Ich hole dann mal den Tee. Vielleicht kann ich auch ein paar Süßigkeiten stibitzen. Die passen zum Tee immer ganz gut. Ich bin gleich wieder da.“ Mit einem Lächeln ging Jonghyun aus dem Zimmer und irgendwie hatte ich ein schlechtes Gewissen, dass ich seine Gutmütigkeit gerade so ausnutzte. Ich musste mir also dringend eine Ausrede einfallen lassen, für den Fall, dass er zurückkam und ich die Tür wirklich gefunden hatte. Kaum das Jonghyun aus der Tür war, sah ich mir den Raum genauer an. Der erste Gedanke der mir gekommen war, war dass das Fenster vielleicht doch eher eine Tür war. Vorsichtig drückte ich dagegen, doch es war nur Widerstand zu spüren. Kein Anzeichen dafür, dass das hier eine Tür war. Ich überlegte weiter und ließ meinen Blick schweifen. Logisch wäre es nur gewesen, wenn der Eingang direkt an der Wand war. Mein Blick fiel auf den Schrank. Es wäre schon ein starkes Klischee, aber andererseits wirkte der Schrank auch dezent deplatziert. Er hatte zwei Türen, wobei ich hier in diesem Raum eher mit einem Bücherregal gerechnet hätte. Ich sah noch einmal zur Tür und versicherte mich, dass ich noch sicher war, bevor ich die Schranktür öffnete. Er war leer. Seltsam. Genauso seltsam war es auch, dass er überhaupt hier stand. Wenn das Klischee stimmte... Ich drückte vorsichtig gegen die Rückwand, die nachgab. Aber anders als gedacht. Sie schob sich etwas nach Rechts. Klischees mögen zwar kitschig sein, aber sie kommen ja nicht von ungefähr. Die Rückwand schob ich weiter nach rechts, betrat den Schrank und schloss die Türen. Wenn niemand diesen geheimen Gang kannte, dann sollte das auch so bleiben. Wie es Jonghyun erwähnt hatte, befand ich mich in dem Zwischenraum. Und ich erkannte auch, warum ich nichts gesehen hatte aus dem Fenster heraus. Die Wände waren dicht, hölzern und undurchsichtig. Und doch erweckte das Reispapier die perfekte Illusion. Respekt an die Architekten. Ich folgte dem Gang zu meiner Rechten, wobei ich mich bemühte so wenig Krach wie möglich mit meiner Bewegung zu machen. Von der anderen Seite, dem Besprechungszimmer, hörte ich das Kratzen von Stühlen. Bewegung war eingekehrt, weswegen ich nicht unbedingt auf mich aufmerksam machen wollte. „Was sollen wir also hier?“, hörte ich es gedämpft von der anderen Seite und hielt inne. „Leider müssen wir Ihnen, ehrenwerte Clanoberhäupter, mitteilen, dass König Il einem Anschlag zum Opfer gefallen und verstorben ist.“ Die Stimme des Erklärers kam mir nicht bekannt vor, weswegen ich schon einmal Soo-Wons Berater oder ihn selbst ausschließen konnte. Wahrscheinlich handelte es sich hier um eine der Wachen oder Bediensteten. „Der König ist verschieden?! Was soll das heißen?! Man ruft uns so plötzlich und dann das!“ „Beruhigt euch, Geun-Tae.“ Geun-Tae. Der Name ließ ein paar Glöckchen in meinem Kopf schrillen. Wenn ich mich recht erinnerte, war er der Anführer des Erdclans. „Wie soll ich mich beruhigen? Der König soll tot sein!“ Ich lehnte meinen Kopf vorsichtig gegen die Wände und versuchte so mehr zu erfahren. „Noch dazu scheinen Prinzessin Yona und General Hak unauffindbar zu sein. Ob etwas im Palast vorgefallen ist?“ Erneut eine fremde Stimme. Sie klang aber nicht wie Geun-Taes. Sie schien weich, ruhig und überlegend zu sein. Wenn ich mich recht daran erinnerte, waren bei dieser Versammlung die fünf Generäle da. Oder viel mehr vier, denn Son Hak war auf der Flucht mit Prinzessin Yona. „Ältester Mundok, wisst ihr etwas über den Verbleib von General Hak?“ „Was wollt ihr damit andeuten, Bursche vom Feuerclan?“ Immerhin hier konnte ich mir nun denken um wen es sich handelte. Kan Soo-Jing den Anführer des Feuerclans und Vater des Bengels, der Yona und Hak noch übel mitspielen würde. Die beiden taten mir echt leid. Die zweite Stimme hingegen war alt, aber doch kraftvoll und unerschrocken. Mundok. Mein Herz raste denn wie gerne hätte ich mich diesem alten Mann anvertraut und darauf gehofft, dass er mich zum Windclan mitnahm aber so... nein, ich musste hier bleiben. Zumindest sagte mir das ein dumpfes Gefühl. „Im Hiryuu-Palast geht das Gerücht um, dass General Hak seine Majestät getötet und Prinzessin Yona als Geisel genommen hat. Dies würde bedeuten, der Windclan hat den König verraten.“ 'NEIN!' Ich hatte die Stelle schon im Manga gehasst, denn der Feuerclan drehte sich alles so zurecht, wie er es sich wünschte, oder viel mehr, wie es auch Soo-Won in die Hände gespielt hätte. Wussten sie um Soo-Wons Verrat? „Wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen. General Hak wird ebenfalls vermisst. Es ist also nicht auszuschließen, dass ihm ebenfalls etwas passiert ist.“ „Der Raiju ist schon mit 13 stärker gewesen als jeder von uns. So leicht stirbt der nicht. Ich habe gehört, dass er sogar Soldaten des Palastes verletzt hat!“ Ich vermutete, dass der General des Wasserclans versuchte zu vermitteln. Zumindest hätte das gut zu der ruhigen, sanften Stimme gepasst. Wie das Wasser bedacht, fließend und doch nicht unterwürfig. Ich war mir sicher, dass auch dieser Mann ganz anders konnte, wenn er entschlossen war oder ihm etwas gegen den Strich ging. Vielleicht wurde dieser Gedanke aber auch nur durch „Avatar- Herr der Elemente“ geprägt. „Ruhe!“ Soo-Wons kraftvolle Stimme hallte durch den Raum und ließ die Generäle verstummen. Mich hingegen ließ sie zusammenzucken und etwas von meiner Lauschposition zurückschrecken. „Seine Majestät wurde vor drei Tagen ermordet. Prinzessin Yona und General Hak sind seitdem verschollen.“ „Dann ist es also wahr, Soo-won-sama?“ „Wir sind schon auf der Suche der beiden und kümmern uns darum. Deswegen überlasst diese Angelegenheit bitte uns. Solltet Ihr etwas über ihren Verbleib wissen, dann teilt es uns umgehend mit und fügt Ihnen kein Leid zu oder macht ihr Auffinden öffentlich bekannt.“ „Aber...“ Geun-Tae wollte gerade einen Einwand erheben,, als ihm Soo-Won das Wort abschnitt. „Wenn diese Sache öffentlich wird, könnte es im Land zu Aufständen kommen und das würde nur die Kämpfe zwischen den Clans anfachen. Selbst wenn es nicht so weit kommt, ist unser Land im Kern instabil. Vielleicht wird es eines Tages vom Kaiserreich Kai im Norden oder den Ländern Shin und Sei im Süden angegriffen. Unsere Fünf Clans müssen sich daher so schnell wie möglich zusammenschließen und Kouka soweit stärken, dass es nicht von anderen Ländern eingenommen wird.“ Soo-Wons Worte klangen logisch und ließen einen kurzen Moment Schweigen. Seine Worte schienen wirklich eine ungeheuerliche Macht zu haben. Noch dazu schien er wie ausgewechselt. Er klang anders als in dem Gespräch mit mir. Ernst, wissend und nicht mehr naiv. Im Gegenteil, er schien sich wirklich bewusst zu sein, was seine Tat alles angerichtet hatte. Er schien sogar schon im voraus geplant zu haben, wie er dann vorgehen musste. „Wohl wahr. König Ill hat Kämpfe so sehr gemieden, dass er andere Statten lieber Landesteile überließ oder ihnen Tribute zahlte.“ „Die Macht von Kouka ist gänzlich am Boden. Es ist also nicht die Zeit für Kämpfe im Inneren!“, bestätigte Geun-Tae und machte nur noch einmal deutlich, dass Soo-Wons Worte wahr waren. „Zudem... braucht Kouka einen neuen König“ Erklärte Kan Soo-Jing, wobei er einen Unterton an den Tag legte, der mir ein Frösteln über den Rücken jagte. War er selbst vielleicht scharf auf den Thron? Irgend so etwas hatte ich zumindest im Manga gelesen. „Mit Verlaub...“ Diese Stimme war wieder bekannt. Soo-Wons Berater. Der Typ, der zwar gut aussah, aber nicht davor zurückschrecken würde mich zu töten. Was fand Soo-Won nur an ihm so hilfreich. Er war eher der Typ Charakter, bei dem ich fürchtete, dass er einen in den Rücken fiel. Wobei es mir so erschien, als wäre er bereit für Soo-Won alles zu tun. „In Prinzessin Yonas Abwesenheit ist nur einer von könglichem Blut. Soo-Won-sama der hier anwesend ist. Soo-Won-sama ist der Sohn von König Ils älterem Bruder Yu-Hon-sama. Demnach hat er von Rechts wegen den Rang des Kronprinzen inne. Es steht damit außer Frage, dass er den Thron besteigen wird.“ Soo-Won sagte nichts zu dieser Verkündung. Er schwieg und ich stellte mir vor, wie er die Mitglieder der fünf Clans anblickte. „Wenn Soo-Won-sama der neue König wird, werde ich Kan Soo-Jing vom Feuerclan ihm mit Leib und Seele dienen.“ „Und wie steht es mit den anderen Anführern?“ Wieder Schweigen. Doch dieses Mal war es nicht lange genug. „Nun ich habe keine Einwände gegen Soo-Won-sama.“ Es waren auch die anderen Mitglieder, die sich dazu äußerten. Bis auf einer. Der sich Zeit ließ, bevor er die Stimme erhob. „Ich bin müde. Ich bin zu müde...“ ein Stuhl wurde zurück geschoben, was mich vermuten ließ, dass Mundok sich erhoben hatte. „Schwierige Themen sind entkräftend für für alte Männer. Ich werde heimkehren.“ „Mundok-sama wir sind noch nicht-“ „Ich bin kein General. Diese Angelegenheit solltet ihr mit Hak besprechen“, fiel Mundok Soo-Wons Berater ins Wort. „Wenn ihr nicht zustimmt, dass Soo-Won-sama König wird, gerät der Windclan nur noch mehr in den Verdacht des Verrates.“ Der Ton von Soo-Wons Berater wurde harscher, doch Mundok schien sich nicht beeindrucken lassen. Doch er bewegte sich auch nicht. Scheinbar schätzte er ab, was er noch tun sollte und wie er seinen Clan aus der Schusslinie bekam, ohne Hak zu opfern. Doch die Stille wurde von einem Seufzen durchbrochen. „Ohne die Zustimmung der fünf Clans kann ich nicht König werden. Aber ohne einen Könit wird das Land nicht bestehen können. Wie kann ich eure Zustimmung gewinnen?“ Da war sie wieder, diese Stimmänderung bei Soo-Won. Diese Maske, die er aufsetzte und irgendwie auch nicht vollständig eine Maske war. „Soo-Won-sama hättet ihr Prinzessin Yona geehelicht und wärt somit formell Koukas König geworden, hätte ich euch mit großer Freude ein Geschenk dargebracht. Außerdem... würde Hak den Palast niemals ohne Grund verlassen. Ich kann euch daher mein Einverständnis zu eurer Thronbesteigung nicht geben.“ Es schien wie eine stumme Kriegerklärung und doch konnte ich hören, dass Mundok enttäuscht war und vielleicht sogar mehr zu ahnen schien, als Soo-Won hoffte. „In drei Tagen, findet die Krönungszeremonie für den neuen König statt.Ohne das Einverständnis des Windclans können wir die Zeremonie nicht vollziehen. Aber ich bin fest überzeugt, dass ihr in drei Tagen hier sein werdet, ältester Mundok. Auch zum Wohle der Einwohner von Fuga.“ Eine Drohung. Nicht einmal stumm, sondern sehr offensichtlich, hatte Soo-Won da ausgesprochen. Ich hörte das Herz des alten Mannes zerbersten. Und in Anbetracht dessen, was ich wusste, spürte ich, wie meine Augen feucht wurden. Hier verlor nicht nur Mundok etwas, dass ihm etwas bedeutete, sondern auch Soo-Won. Die Frage war nur, zu welchem Preis. „Es ist traurig, Soo-Won-sama. Ihr wart... genauso wie Hak... immer wie ein Enkel für mich.“ Ich konnte das nicht mehr mit anhören. Es war einfach zu viel. Zu tragisch und zu schmerzend. Ich trat leise den Rückzug an und dachte über das nach, was ich gehört hatte. Schien niemand außer Mundok zu ahnen was los war? Weder der Wasserclan noch der Erdclan? Das konnte doch nicht sein? Und ahnte Soo-Won nicht, dass der Feuerclan ein falsches Spiel spielte? Es war alles in allem so verstrickt. So dramatisch. Und irgendwie spürte ich, so wie schon als ich den Manga gelesen und den Anime gesehen hatte, dass diese Geschichte kein gutes Ende nehmen würde. Irgendein Herz würde brechen, eines würde aufhören zu schlagen und ein drittes musste stark bleiben um all das zu überstehen. Oder vielleicht würden sie alle brechen... Stark sein mussten sie momentan alle. Ich seufzte leise, als ich die Rückwand des Schrankes zurückschob. Dabei spielte ich mit dem Gedanken, ob ich nicht doch Mundok suchen sollte um ihn zu überreden, der Krönung zuzustimmen. Doch wie sollte ich das erklären? „Hey Mundok, ich weiß was passiert. Der Feuerclan wird Fuga schaden wollen und Prinzessin Yona wird euch sowieso bitten dem zuzustimmen.“ Nein. Und wenn ich nichts erklärte, würde er nur denken, dass ich auf Soo-Wons Seite stand. Doch noch immer wollte ich unbedingt mit dem alten Mann reden, bevor er los ritt. Ich öffnete die Tür einen Spalt und erkannte, dass niemand da war. Es stand auch kein Tee auf dem Tisch. Seltsam. Brauch Jonghyuk so lange? War ihm etwas passiert? Ich setzte mich an den Tisch, immer noch mit dem Gedanken spielend, Mundok aufzusuchen. Doch dieser Drang wurde niedergekämpft, als Jonghyuk die Tür öffnete und mit einem Tablett mit einem Becher Tee und einem Schälchen süßen Gebäcks hereinkam. ~*~ „Ihr habt vorhin also die Wahrheit gesagt“, meinte Hak seinen Untergebenen gegenüber, diese nickten. Noch bevor wir uns auf den Weg zu Haks Zuhause gemacht hatten, wurde dieser von seinen Leuten über die aktuelle Lage informiert. Mun-deok wurde an Haks Stelle als Ältester des Clans vorgeladen, was seine Untergebenen mehr als seltsam fanden. Hak ließ dies jedoch unkommentiert, auch jetzt noch. Auch ich wusste, was es damit auf sich hatte. Den Grund für das spontane Treffen der fünf Clans im Palast. Su-won benötigte die Zustimmung der fünf Clans, ohne sie würde er niemals König werden können. Ich wusste auch bereits über das Ergebnis dieses Treffens. Allmählich bekam ich eine Vorstellung davon, wie sich Hanyuu und auch Rika aus „Higurashi no Naku Koro Ni“ fühlen mussten. Sie wussten bereits, was passieren würde, wollten aber nicht, dass das jemand bemerkt. Wie sie konnte ich nur hilflos zusehen, keine meiner Handlungen würde auch nur irgendwas daran ändern können. Ein schreckliches Gefühl der Ohnmacht breitete sich in mir aus und ich konnte nun zum ersten Mal wirklich behaupten, das kleine Mädchen auch nur ansatzweise verstehen zu können. Es war ein bedrückendes Wissen. Und im Gegenteil zu Rika konnte ich nicht einmal den kleinsten Hint von mir geben. Nein, das hier war nicht Hinamizawa, sondern das Königreich Koka. Und ich war auch kein kleines Mädchen von rund zehn Jahren. Hier würde man meine Worte nicht als die seltsamen, aber auch knuffigen Fantasien eines kleinen Mädchens abstempeln, das hier und da ein wenig merkwürdig ist. Eines Mädchens, dem man nachsagte, die Reinkarnation von Oyashiro-sama zu sein. Nein, die Leute hier würden Fragen stellen. Fragen, die ich nicht beantworten wollte oder konnte. Besonders Hak und Yona würden sich nicht mit billigen Antworten abspeisen lassen, dessen war ich mir sicher. Leise seufzend und mit halbem Ohr lauschte ich Hak, wie er sich detaillierte Informationen von den anderen einholte. ‚Zwar ist das hier ein wenig anders als im Anime … oder wurde das nur nicht gezeigt? War das off-screen? ‘ Ich begann nervös mit meinen Fingern zu spielen. Seit Yona in ihr Zimmer gebracht wurde, standen wir vor ihrer geschlossenen Tür im Flur. Selbst ich, die laut Hak eigentlich neben ihr sitzen sollte, wurde von ihm hinausgeben. Was ich selbst nicht so ganz verstand, aber offenbar reichte es ihm, dass der kleine Junge bei ihr blieb. Da ich keine Schwierigkeiten machten wollte und auch wusste, dass man sich auf den Jungen verlassen konnte, fügte ich mich. Seitdem standen wir vor ihrer Schiebetüre. Ein wenig blickte ich mich im Flur um, konnte jedoch nicht mehr erkennen als Schiebetüren aus stabilem Papier und einfachen Holzböden. Auch die Wände waren schlicht, machten aber auch einen stabilen Eindruck. Bestimmt musste man sich fest dagegen lehnen, um die Wände zu beschädigen und durch sie hindurch zu fallen. Das Gefühl, dass ich erneut vergessen wurde, nagte an mir. Wieder wurde ich eines besseren belehrt. „Teu, Heangdea, bewacht Rinas Tür.“ Hak drehte sich zu mir um. „Taeyeon kümmert sich um Rina. Besorg ihr etwas zu essen. Und dir gleich mit. Bleib dann bei ihr“, erwiderte er wortkarg, bevor er um die Ecke und damit aus meinem Sichtfeld verschwand. ‚Das ist also meine Aufgabe. Ich soll zwar warten, bis Yona wach ist, aber ihr auch gleichzeitig was zum Essen geben. Klar, wir hatten heute Morgen auch eine eher klägliche Mahlzeit …‘ Ich blickte in beide Richtungen des Flurs und bekam den Wunsch, das eine oder andere Fluchwort loszuwerden. Eine nervige Strähne hing mir ins Gesicht und wie schon öfters an diesem Tag wischte ich sie mit einer Handbewegung hinters Ohr. Es fühlte sich an, als könnte ich mindestens eine Haarwäsche gut gebrauchen. ‚Toll, er hätte mich wenigstens zur Küche bringen können … und wo geht er eigentlich jetzt hin? ‘ Ich überlegte und überlegte, aber mir fiel partout keine Antwort ein, was auch an meinem Hunger lag. Wie immer wurde mein Hirn dabei immer „leerer und klarer“, meine Gedanken nahmen ab, selbst die Ohrwürmer verstummten, bis es still war. Ich mochte diese Stille nicht. Mein Hirn war immer beschäftigt, außer, wenn ich Hunger hatte oder müde war. Wenn dann absolut nichts in meinem Hirn passierte, das gefiel mir überhaupt nicht. Das war mir zu ruhig. Gleichzeitig fragte ich mich, ob das bei anderen der Normalzustand war. Oder ob es bei ihnen auch normal war. Was war bei ihnen normal? Dass sie ständig zig Gedanken und Ohrwürmer hatten wie ich? Oder war die Stille ganz normal für sie? Ich schüttelte den Kopf, ich wollte ich nicht wieder in ein Gedankenkarussel einsteigen, in dem ich schon fast als Stammgast galt. So befragte ich die beiden Jungs nach einer Wegbeschreibung, doch sie nahmen mir sämtlichen Wind aus den Segeln. „Entspann dich, das mit dem Essen eilt doch nicht. Es ist bestimmt noch nicht mal fertig“, sagte der tiefenentspannte Teu. Heangdea, nicht minder locker, pflichtete ihm bei. „Genau, von Stress bekommt man nur Falten. Weißt du was, sobald wir mitbekommen, dass Rina wach ist, helfen wir dir und besorgen dir das Essen.“ Ich wollte zuerst was erwidern, doch gegen zwei so freundliche Grinser war ich machtlos. So gesellte ich mich zu den beiden, da ich Yona nicht aufwecken wollte. Außerdem war ja der kleine Junge bei ihr. Schweigen trat zwischen uns ein, eine unangenehme Situation. Schließlich öffnete sich die Tür und Taeyeon trat zu uns heraus. Offenbar gab es auch für ihn nichts weiter zu tun, da er nun die Tür hinter sich schloss und ein paar Worte mit der Wache wechselte. Ich beschloss, dass ich lieber ein paar Fragen stellen sollte, bevor einer der Drei etwas über mich wissen wollte. So überlegte ich mir eine erste Frage. Angriff ist die beste Verteidigung. „Hier in diesem Clan lebt es sich anscheinend ziemlich friedlich, oder?“, fragte ich vorsichtig. Die drei Jungs nickten im Einklang. „Ja, hier ist es wirklich sehr friedlich. Und auch sehr schön“, beantwortet Heangdea meine Frage. „Wir leben im Strom des Winds und tun, was uns gefällt. Lassen die Seele baumeln und einfach in den Tag hineinleben.“ ‚Das klingt herrlich‘ „Das klingt herrlich“, sprach ihn nun meinen Gedanken laut aus. Wenn ich an meine Heimatwelt dachte, mit all ihrer Hektik, wäre so eine Einstellung mehr als Balsam für die gehetzten Seelen. Beiläufig strich ich mir eine Strähne aus dem Gesicht, als könnte ich damit dem Gespräch besser lauschen. „Wollt ihr mir nicht noch ein bisschen über eure Heimat erzählen? Da, wo ich herkomme, ist es ganz anders und ich finde es toll hier.“ ‚Wenn das hier die richtige Zeit wäre, meine Zeit, dann würde ich hier mindestens zwei Wochen länger bleiben wollen. Aber auch so würde mir zu viel fehlen, besonders ER. ‘ Wieder kehrten meine Gedanken zu meinem Freund zurück. Gedanken, die mich traurig machten. Dennoch versuchte ich, es mir nicht anmerken zu lassen, was mir nicht gerade leicht fiel. Stattdessen riss ich mich ein weiteres Mal aus meinem Gedankenkreis und konzentrierte mich auf die Erzählungen der Jungs. Über den Clan, seine Mitglieder und auch seine Mentalität. „Unglaublich, wir hätten nie gedacht, dass Hak sanft zu einer Frau sein sein…“, plauderte Teu aus dem Nähkästchen. Ich winkte nur ab. „Ja, das liegt daran, dass die beiden sich recht schnell angefreundet hatten, außerdem will er ihr so beibringen, was Anstand und gutes Benehmen sind. Sie ist ja nicht gleich ohnmächtig geworden, sondern erst ein bisschen später und hat das sicherlich mitbekommen und gelernt.“ Teu und Heangdea schienen recht beeindruckt zu sein, was sie dazu brachte, nun auch mehr über ihren Anführer und dessen Vorgänger zu erzählen. [LEFT]Mir war das alles recht, solange es mich nur ein wenig ablenkte und auf andere Gedanken brachte.[/LEFT] Kapitel 5: Überraschende Gespräche ---------------------------------- „Genau, und deshalb ist Mun-deok-sama einer der besten Clanoberhäupter, wie man es sich nur vorstellen kann“, erwiderte Teu mit stolz erhobener Brust. Heang-dea stimmte ihm nickenderweise zu. „Ja, dank ihm ist geht es dem Clan auch wieder sehr gut und wir können in schönen, friedlichen Zeiten leben.“ Dankend lächelte ich die beiden Jungs an, doch da ich das Gefühl nicht loswurde, dass es nicht genug sei, verlieh ich meiner Dankbarkeit durch Worten zusätzlichen Ausdruck. „Vielen Dank, dass ihr mir das erklärt habt, ihr beiden, das war wirklich sehr nett von euch!“ Tatsächlich aber schwirrte mir der Kopf vor lauter Namen, Daten, Kämpfen und anderen diversen Heldendaten, die der eine oder andere Bewohner dieser Stadt für den Clan oder gar für das Königshaus bewältigt hatte. Da ich mich allgemein schwer tat, mir Namen oder auch Gesichter zu merken, ist zu meinem Bedauern leider kein einziger der Namen in meinem Kurzzeitgedächtnis hängengeblieben. Die einzigen Namen, die ich mir merken konnte, waren die, die ich bereits vom Anime her kannte. Alle anderen waren zum einen Ohr hinein- und zum anderen wieder hinaus gewandert, ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Trotz dass die beiden Jungs ihre Erzählungen sehr bildhaft und mit viel Körpereinsatz geschmückt hatten, hatte es mein Interesse nicht wirklich geweckt. Was nicht gerade dazu beigetragen hatte, dass ich mir überhaupt irgendwas davon merken konnte. So habe ich ihnen erst aus Interesse, danach rein aus Höflichkeit zugehört. ‚Zum Glück muss ich dazu keine Kurzarbeit schreiben … schon irgendwie schräg. Vor ein paar Tagen habe ich mir noch Gedanken wegen der Mathe-Kurzarbeit gemacht und nun stehe ich hier vor einer verschlossenen Türe, nur um darauf zu warten, dass Yona wieder aufwacht. Ob ich je wieder nach Hause komme? Wie soll ich dann meiner Lehrerin erklären? Wie lange ich wohl weg bin? Uff, das könnte echt eine Menge Stress bedeuten …‘ Ich versuchte mich gar nicht, meinen Sorgen und negativen Gedanken hinzugeben, sondern versuchte sie innerlich abzuschütteln. Was mir nur spärlich gelang, aber es genügte mir für den Moment. „Kein Problem, das haben wir doch gerne gemacht“, meinte Teu und lächelte mich freundlich an, Heang-dea tat es ihm gleich. Um nicht unhöflich oder gar „Social arkward“ zu wirken, versuchte ich ihr Lächeln zu erwidern, doch wie immer fiel es mir schwer. Entweder bemerkten sie es nicht oder sie taten es nur aus Höflichkeit, wenn nicht sogar aus Mitleid: Ihr Lächeln wurde größer.´ ‚Und was jetzt? Ich glaub, ich sollte mal wieder etwas sagen … aber die Jungs sagen ja auch nichts. Ob ich dieses Mal ein Thema anschneiden soll? Aber worüber soll ich mit ihnen reden? Viel kann ihn ihnen ja nicht erzählen, da es alles aus meiner Heimat wäre. Und hier kenne ich mich zu wenig aus. Das, was ich weiß, darf ich nicht ausplaudern und das, was ich offiziell weiß, wurde bereits alles besprochen. Ohje, was mache ich denn hier nur?‘ Erleichtert seufzte meine innere Stimme, als ich das Geräusch der aufgeschobenen Türe hören konnte. Taeyeon, der sich bis gerade eben noch um Prinzessin Yonas Wohlbefinden gekümmert hatte, verließ mit ein paar wenigen höflichen Worten ihren Raum, verschloss ihn hinter sich und sah uns mit einem offenen Gesichtsausdruck an. „Rina wird wohl in den nächsten Stunden wieder zu sich kommen“, sagte der kleine Junge, für meinen Geschmack ein wenig zu förmlich. „Ich werde ihr nun etwas zu essen besorgen, damit sie wieder zu Kräften kommt. Fremde, kannst du mich bitte begleiten und mir beim Tragen helfen?“ Da ich absolut keine Ahnung mehr hatte, was Yona alles zum Essen bekommen hatte, stelle ich mir vor, dass es mehr sein würde als nur eine Schale oder zwei. „Ja, klar, kann ich gerne machen“, antwortete ich, da ging er auch schon ein paar Schritte voran und wartete darauf, dass ich mich ihm anschließen würde. „Gut, danke dir“, sagte er in einem Ton, der mir verriet, dass er nichts anderes von mir erwartet hatte. „Dann werde ich dich zur Küche begleiten, damit du für das nächste Mal Bescheid weißt. Hak hat mich bereits aufgeklärt“, beantwortete er meine unausgesprochene Frage, während ich ihm um diverse Ecken in die Küche folgte. ‚Ein Glück, dass mich der Kleine dorthin führt und vermutlich auch wieder zurück. Immerhin war ich hier noch nie und bei dem großen Gebäude würde es mich nicht wundern, wenn ich mich verlaufen würde. Bis ich dann wieder zu Yona und den anderen finde, ist das Essen längst kalt geworden. Für einen kurzen Moment verspürte ich den Moment, ihm meinen Namen zu verraten, doch entweder hatte es Hak oder er selbst wieder vergessen, weshalb ich mir das dann doch lieber ersparte.   ~~*~~   Das ich Hunger hatte, war mir wirklich bewusst geworden, als ich das Gebäck heißhungrig verschlang. Es war süß, nicht so überzuckert wie in meiner Welt, aber dennoch süß genug um als eine Süßigkeit im geringen Maßstab zu gelten. „Wie ist das Yakgwa?“, fragte Jonghyuk und schien wirklich besorgt zu sein, dass die süßen Speisen auch nicht mein Ding waren. Er schien diese Sorge bei so ziemlich jeden Stück der Süßigkeiten zu haben, weswegen er immer fragte und mir erst nach dem Essen erklärte, worum es sich dabei handelte. „Es hat eine dezente Süße. Und einen Nachgeschmack von Alkohol.“ Jonghyuk lächelte und nickte, so als hätte ich etwas richtiges gesagt. Ich war daher gespannt, aus was dieses Gebäck bestand. „Das ist ein Gebäck aus Mehl, Honig, Alkohol, Ingwersaft und Sesamöl. Sie werden vermischt und dann im Öl gebacken. Hier versuch mal das Ojingeoppang. Das musst du frisch essen.“ Er schob mir ein Gebäck rüber, welches noch warm war, weswegen ich es sofort aß. Sicher hatte das seinen Grund und gleichzeitig erklärte es, warum Jonghyuk so lange weg gewesen war. Er hatte warten müssen, bis einige der Gebäckstücke fertig waren. Selbst das innere, dass sich etwas cremig anfühlte und doch ein paar Stückchen enthielt, war noch warm. „In der Mitte ist etwas Bohnenpaste, die noch mit Tintenfischpulver vermengt wurde. Manchmal malen die Bewohner in der Stadt auch kleine Tintenfische drauf. Du kannst dieses Gebäck häufiger zu Festen bekommen.“ Ich aß den letzten Bissen und fand es seltsam, wie geschmacklos das Tintenfischpulver sein musste, denn ich schmeckte keinen Fisch heraus. Sondern nur die Bohnenpaste, die süß und doch herb in seiner Art war. „Wenn du fertig bist, können wir mit unserer Tour weitermachen. Es gibt noch viel in diesem Palast zu entdecken.“ Ich verzog etwas das Gesicht, als Jonghyuk mir klar machte, dass dieses kleine Teekränzchen nicht mehr als eine Verschnaufpause war. Doch wenn ich mit Jonghyuk gehen würde, könnte ich unter keinen Umständen Mundok treffen. Ich musste, so böse es auch klang, Jonghyuk loswerden um mich frei bewegen zu können. Irgendwie. „Nimm es mir nicht übel aber... mir ist gerade nicht so gut. Ich fühle mich ziemlich müde“, erklärte ich und sah Jonghyuk entschuldigend an. Er schien zu verstehen und nickte. „Natürlich. Du hast dich ja noch nicht ganz erholt. Wir können die Tour ein andern mal fortführen. Ich bring dich einfach in dein Zimmer zurück.“ ich nickte dankbar und war froh, das Jonghyuk meine Ausrede geschluckt hatte. Auch wenn ich gestehen musste, dass das hier alles zu einfach war. Uns begleitete keine Wache und das obwohl ich verdächtigt wurde den König ermordet zu haben. Ebenso hatte Jonghyuk mich aus den Augen gelassen in einem Raum von dem man sagte, dass er einen geheimen Gang besäße und der direkt neben einem Zimmer war, in dem die Generäle eine wichtige Besprechung abhielten. Traute man mir wirklich so wenig zu? Oder hieß Soo-Wons Befehl, mir alle Freiheiten zu gönnen, weil er wusste, dass ich unschuldig war? Egal wie man es drehte und wendete... es passte einfach nicht zusammen. In meinen Gedanken versunken, nahm ich meinen Becher Tee und nippte vorsichtig an ihm. Diese ganze Situation war einfach absurd. Und doch, vielleicht konnte sie mir helfen, denn noch immer konnte mein Leben am seidenen Faden hängen.   ~*~     Nach ein paar Minuten durch diverse Gänge, die für mich allesamt gleich aussahen, hatten wir endlich die Küche erreicht. Ein recht gemütlicher Raum, gefüllt mit diversen Essensschalen in verschiedenen Größen, Farben und Formen. An der Wand befand sich ein offener Ofen, in welche man regelmäßig Holz durch die große Öffnung schüren musste. Dank des offenen Feuers war es ziemlich warm in der Küche, doch es war eine Hitze, die man selbst noch ein paar Stunden lang ertragen konnte. Oberhalb der Schüröffnungen befanden sich zwei schwarze Töpfe, welche in den Ofen integriert waren. Neugierig sah ich die Töpfe an, da diese fest verschlossen waren, konnte ich den Inhalt nur erraten, wobei ich nicht wusste, was sich genau darunter befinden würde. Bisher hatte ich keinerlei Kontakt zur koreanischen Küche und hatte somit keine Ahnung, was mich erwarten würde. Ich konnte noch nicht einmal sagen, ob es in München oder gar überhaupt in Bayern ein koreanisches Restaurant gab. ‚Hm, es gibt Japaner, Vietnamesen, Inder, Türken, Perser und Chinesen … aber von einem Koreaner habe ich noch nie was gehört …‘ Ich versuchte es mir zu merken, dass, sobald ich wieder zuhause war, ich Google konsultieren würde, ob es ein koreanisches Restaurant in München gab – doch gleichzeitig wusste ich, dass ich es wieder vergessen würde. Selbst wenn ich es mir irgendwie aufschreiben könnte, wenn ich die Mittel dazu im Moment hätte, wer würde garantieren, dass sie nicht jemand findet und mich dann fragen würde, was „googlen“ bedeuten würde? So blieb mir nichts anderes übrig, als auf mein Gedächtnis zu hoffen, doch gleichzeitig wusste ich, dass es ein bodenloses Unterfangen war. ‚Ein Lennister begleicht stets eine Schuld, wie es in Game of Thrones immer heißt. Und ich … ich vergesse stets alles um mich herum und in mir drin.‘ „Hier, bitte schön, das hier ist Rinas Portion. Die Schüssel hält ihr Essen warm und das andere muss man kalt genießen, dann schmeckt es am besten. Kannst du ihr das bitte vorbeibringen?“ Während ich noch damit beschäftigt gewesen war, das wuselige Personal bei seiner Arbeit zu beobachten, wie sie bereits Geschirr und die Arbeitsflächen reinigten, wandte ich mich wieder dem kleinen Jungen zu, wie er mir ein kleines Tablett hinhielt. Welches auch gleichzeitig eine Art Hocker hätte sein können, so seltsam, wie das Gerät aussah. Auf diesem befand sich eine Schüssel, abgedichtet durch einen kleinen Deckel; eine kleine Schüssel und zwei kleine Teller. Dank meinen nicht vorhandenen Kenntnissen sagte mir keines der Gerichte etwas, ich konnte nur eine Ähnlichkeit zu anderen Gerichten erkennen, musste mich aber zurücknehmen, da ich mich weder in Japan, noch in Deutschland befand. ‚Das hier auf dem Teller … das sieht wie Nattobohnen aus …‘ Unwillkürlich verzog ich mein Gesicht bei dem Gedanken an die schrecklichen Bohnen. ‚Und das hier … wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass es sich hierbei um Kartoffelsalat handelt. Aber das wird es wohl vermutlich nicht sein.‘ Ohne, dass ich etwas gesagt hätte, nahm Taeyeon den Deckel ab und ließ mich einen kleinen Blick auf den Inhalt der Schüssel werfen. Sie war bis zum Rand mit Reis gefüllt, welcher dampfend meinen Appetit anregte. Gemüse und kleine Fischstücke rundeten das Gesamtbild ab und mir stieg sowohl der Hunger, als auch das schlechte Gewissen hoch. Beides schluckte ich herunter und auch wenn sich langsam das Gefühl der Leere in meinem Bauch auszubreiten schien, traute ich mich nicht um eine Portion für mich selbst zu fragen. ‚Nein, lieber warte ich darauf, dass mir etwas angeboten wird – ja, das ist viel besser und höflicher‘, rechtfertigte ich mich selbst. Wie immer wollte ich höflich und zurückhaltend sein, fast so, als würde es jemand von mir erwarten. Als würde es zu meinen Aufgaben, meiner Rolle gehören. Da er mich nach wie vor fragend ansah, fiel mir auf, dass ich ihm noch nicht geantwortet hatte. Ich nickte einfach nur. „Danke dir, das ist sehr nett von dir“, sagte er und nahm sich zwei weitere Schüsseln von dem Reis-Fisch-Gemüse-Gericht. „Dann trage ich unsere Portionen. Es sieht zwar nach wenig aus, aber glaub mir, das hier füllt deinen Magen deutlich besser, als es ein ausgewachsener Ochse tun würde. Wie ist es bei dir, magst du scharfes Essen?“ ‚Ja, wenn ich da nur an das stopfende Sushi denke und daran, dass ich nicht immer gleich alles schaffe, dann kann ich dir das nur allzu leicht glauben‘, antwortete ich ihm in Gedanken. „Nein, nicht wirklich, ich vertrage es leider nicht so gut“, sagte ich, da ließ er auch schon eine der Schalen stehen und tauschte sie gegen eine, die sich optisch von Yonas nur dezent um ein paar Farbtöne unterschied. „Dann bekommst du das hier“, sagte er und deutete mit seinem Blick darauf. „Wir haben natürlich auch nicht-scharfe Varianten, du bist nicht die einzige Person hier, die kein scharfes Essen verträgt. Daher werden immer zwei Versionen gekocht, damit hier auch jeder auf seine Kosten kommen kann.“ „Danke schön, das ist echt nett von dir“, murmelte ich leise, doch dieser schüttelte nur den Kopf. „Du bist unser Gast hier, das ist doch selbstverständlich, dass du auch etwas zu essen bekommst. Hak-sama würde mir sonst was erzählen, wenn er erfahren würde, wie ich unsere Gäste behandle. Außerdem soll dir ja dein Essen schmecken und keine Probleme bereiten“, sagte er und führte mich aus der Küche hinaus in den Gang zurück. Bereits jetzt wüsste ich nicht mehr den Weg zu Yona zurück und müsste mich per „Trial and Error“ durch die Flure lotsen. Es dauerte auch nicht mehr lange, da gingen wir um die letzte Ecke und erreichten das Zimmer, in welchem Yona sich von den Strapazen der Reise und ihren Erlebnissen erholte. Höflich öffneten mir die beiden Jungs die Türe, so dass ich ohne Probleme hineinschlüpfen konnte. Ein kurzer Blick auf Yona verriet mir, dass sie noch immer im Land der Träume unterwegs war, daher stellte ich ihr Essen in ihre Nähe ab, so dass ich es ihr schnell reichen konnte, sollte sie aufwachen und Hunger bekommen. Mir selbst gab Taeyeon meine Portion, bevor er sich seine eigene schnappte und wieder in den Flur verschwand. Ich konnte gerade noch gesehen, wie er die Tür zuschob, dann waren wir beide alleine. Da ich nicht wusste, wie lange Yona noch schlafen würde und mein Magen auch mittlerweile ein wenig rebellierte, nahm ich vorsichtig den Deckel ab. Weißer, lecker aussehender Reis blickte mir zusammen mit ein paar mundgerechten Fisch- und Gemüsestücken entgegen. Mit dem Löffel nahm ich mir ein Stück heraus, pustete und probierte es vorsichtig. Überrascht riss ich die Augen auf. Zwar war es nicht die Art von Reis, wie ich sie von meinem Freund gewohnt war, aber auch anders, als ich es bisher in den sämtlichen asiatischen Restaurants schmecken konnte. ‚Lecker! Das schmeckt gut!‘, fuhr mir durch den Kopf, als ich die restliche Portion aß und gleichzeitig darauf achtete, dass ich sie nicht komplett verschlang. Hinterher spürte ich ein Völlegefühl wie schon seit Tagen nicht mehr und ich konnte komplett verstehen, was Taeyeon vorhin in der Küche gemeint hatte. ‚Vermutlich hat er Yona nur noch mehr gegeben, damit sie zu Kräften kommen kann … die Arme. Mit ihr würde ich nicht tauschen wollen.‘ Unsicher, was ich nun tun sollte, trug ich meine Schüssel inklusive seinem Deckel  in die Nähe der Schiebetüre und setzte mich neben Yona auf den Boden. Da sich außer ihr, ihrem Essen und ihrem Bett nichts weiter in diesem großen, leeren Zimmer befand, hing ich meinen Gedanken nach. Über die eine oder andere FF, die ich noch schreiben wollte. Was mich nur dazu brachte, dass ich Lust aufs Schreiben bekam, mich aber auch gleichzeitig dafür verfluchte, da sich in meiner Nähe immer noch nichts zum Schreiben befand. ‚Sie wird wohl nicht so schnell aufwachen. Jedenfalls meinte der Junge das.‘ So beschloss ich, Yona noch für eine Weile sich selbst zu überlassen und verließ ihren Raum wieder.   Kaum hatte ich den Raum hinter mir wieder verschlossen, überfiel mich das Gefühl der Langeweile. Die Jungs waren mitten in ihre eigenen Gespräche vertieft, doch ich wusste, dass sie es jederzeit mitbekommen würden, sollte Yona aus ihrem Dornröschenähnlichen Schlaf erwachen. Noch immer fielen mir keine neuen Gesprächsthemen ein und da Taeyeon noch immer mit seiner Portion beschäftigt war, konnte ich auch von ihm nichts in der Richtung erwarten. Stumm ließ ich mich an der nächstbesten Mauer hinuntergleiten und dachte über weitere Fanfic-Ideen nach, versuchte diese auszubauen und zu verbessern. Was nur noch mehr das Verlangen zu Schreiben in mir weckte. Frustriert gab ich mein Vorhaben auf, was nur dazu führte, dass mir nur noch langweiliger war als zuvor. ‚Ich hoffe, sie braucht nicht wirklich Stunden, bis sie wieder aufwacht‘, dachte ich mir. ‚Ich bin mir zwar noch nicht sicher, ob und was ich tun könnte, aber es wäre auf jeden Fall besser als hier zu warten. Mann, warum hab ich auch absolut nichts in meiner Hosentasche? Nicht mal mein Handy oder ein Buch oder so …‘ Da ich die anderen nicht belästigen wollte, stand ich wieder auf, richtete mein Oberteil und begann, mich ein wenig in den Gang vorzutasten, mich ein wenig umzusehen. Es gab nicht viel zu sehen, also folgte ich dem Gang, bog allerdings dieses Mal in eine andere Richtung ab als vorher. Zwar wusste ich, dass ich nicht so schnell zurückfinden würde, aber ich versuchte das Gefühl zu verdrängen. ‚Naja, irgendwie werde ich schon zurückfinden … ja, irgendwie.‘ Auch wenn mich der Gedanke weder tröstete, noch wirklich überzeugte. Dennoch blieben meine Beine nicht stehen, sie trugen mich immer weiter und weiter, bis ich eine Art Garten erreichte. Unsicher sah ich mich um, dann beschloss ich, mir den Garten näher anzusehen. Die Hälfte davon lag dank des Gebäudes im Schatten, doch dort, wo die Sonne den Boden berührte, war es angenehm warm und hell. Unzählige Blumen wuchsen an den verschiedensten Stellen, in einer eigenwilligen Symmetrie eingepflanzt und gewachsen. Doch keine davon sagte mir wirklich etwas, die einzige Pflanze, die ich erkennen konnte, war der Hibiskus, wie ich ihn auch immer wieder mit Pink Diamond assoziierte – immerhin wurde die Blume immer wieder mit ihr verbunden. Lächelnd betrachtete ich die Blumen und musste gleichzeitig an den Zoo denken. An die Szenen, in denen man ihn sehen konnte und fragte mich aufs neue, was die Funktion des Zoos nun genau sein sollte. Warum ihn Pink Diamond hatte bauen lassen und was sie damit bezweckte. Auch dachte ich an die Famethyst. ‚Ich hoffe wirklich, dass man sie wiedersehen wird. Ob sie auch auf die Erde kommen werden? Oder werden Steven und die anderen nochmal zum Zoo fliegen? Das wäre auch eine Möglichkeit … aber was ist mit Holly Blue? Was wird sie machen? Es wird ihr mit Sicherheit nicht gefallen, dass all ihre Mitarbeiter weg sein werden.‘ Lange betrachtete ich die Blume, dachte über mögliche Theorien über Pink Diamonds Tod und auch über ihre möglichen Mörder, doch noch immer kam ich auf kein Ergebnis. Wie es Blue Zircon sagte, es machte keinen Sinn. Ich begann zu seufzen, als sich meine Gedanken wieder einmal im Kreis drehten. Schließlich drehte ich mich von den Blumen weg und sah mir den Rest des kleinen Gartens kann, konnte jedoch nichts anderes mehr als einen kleinen Wasserfall, welcher wohl künstlich angelegt worden war und in einen kleinen Teich mündete. Das Geräusch des plätschernden Wassers war mir bisher nicht sonderlich aufgefallen, ein weiteres Zeichen dafür, wie sehr ich mich von der Realität entferne, wenn ich einmal tief in Gedanken bin. Im Teich selbst konnte ich kleine Fische erkennen. ‚Wow, das sieht richtig schön aus‘, dachte ich mir und macht es mir direkt neben dem Teich gemütlich. Der kleine Wasserfall hatte eine beruhigende Wirkung auf mich und ich war mir sicher, wenn ich mich so richtig gehen lassen würde, würde ich von dem Geräusch einschlafen. Doch das war nicht der richtige Ort und auch nicht die richtige Zeit, zumal ich werde die Nerven, noch die Möglichkeiten hatte, den Menschen in dieser Zeit den Begriff „ASMR“ zu erklären. So gab ich mich schließlich mit dem Geräusch zufrieden und sah weiterhin den Fischen zu, wie sie ihre unsichtbaren Bahnen schwammen.   Doch irgendwann hatte ich auch davon genug und so ging ich zu den anderen in den Flur zurück. Noch immer waren sie in ihr Gespräch vertieft, wofür ich sie ein klein wenig beneidete. Und gleichzeitig ließ es mich auch kalt. „Und, hast du etwas Schönes entdeckt?“, fragte mich Teu und es überraschte mich, dass sie mein Weggehen mitbekommen hatten. ‚Offenbar vertrauen sie mir genug, dass sie mich herumlaufen lassen … oder haben sie mich etwa beobachtet? Vermutlich, immerhin bin ich eine Fremde. Wundern würde es mich nicht, wenn sie es getan hätten, ich an ihrer Stelle würde es wohl auch tun. Ein Glück, dass ich nicht mit mir selbst geredet habe, das wäre ja noch schwerer zu erklären, als ASMR oder Steven Universe.‘ „Ja, einen Garten und er war sehr schön“, konnte ich gerade noch sagen, als wir ein müdes Stöhnen, gefolgt von anderen Geräuschen, von der anderen Seite der Türe hören konnten. Wir alle wussten sofort, was das zu bedeuten hatte: Yona war endlich aufgewacht! Ich konnte Teu und Heang-dea davon abhalten, in ihren Raum zu stürmen, doch Taeyeon dagegen entkam mir mit den eiligen Worten „Ich werde mich um sie kümmern!“. Beruhigend sprach ich auf die beiden Jungs vor mir ein. „Hört mal, ich kann mir vorstellen, dass Rina ziemlich verwirrt ist und nicht weiß, wo sie gerade ist. Da könnten zu viele Leute auf einmal nicht so gesund für sie sein und am Ende wird sie noch ohnmächtig oder so ähnlich. Und das wollen wir ja auch nicht.“ „Nein, natürlich nicht“, antworteten sie und man konnte ihnen im Gesicht ablesen, dass sie es wirklich so meinten. „Dann werde ich mal nach ihr sehen, immerhin ist das so eine Art Aufgabe von mir – oder so was ähnliches“, sagte ich, bevor ich den Raum betrat und hinter mir die Tür verschloss. Ich konnte sehen, dass Taeyeon Yona ihr Essen gereicht hatte und dass sie bereits dabei war, den ersten Biss zu sich zu nehmen. Sofort musste ich an die letzten Tage im Wald denken und war froh, dass sie mittlerweile wieder so geistig wiederhergestellt war, dass sie sich nun selbst versorgen konnte, ohne dabei von jemand anderen gefüttert werden zu müssen. Ihre Augen wurden feucht und ein paar einzelne Tränen rannten ihr übers Gesicht. Unschlüssig, ob und wie ich darauf reagierten sollte, zögerte ich und wurde auch zugleich von Taeyeon erlöst, der ganz aufgeregt auf Yona zulief. „Warum weinst du?“, fragte er verwirrt und näherte sich ihr weiterhin. „Sch … schmeckt’s dir etwa nicht?“ Nun war Yona verwirrt, immer noch mit Tränen in den Augen sah sie den Jungen an und schüttelte den Kopf. Ob sie meine Anwesenheit mitbekommen hatte, konnte ich nicht sagen, weshalb ich beschloss zu schweigen und zu beobachten. „E … Es ist warm. Du bist komisch, wenn du weinst, weil’s warm ist.“, sagte der kleine Junge und ich musste sofort an mich selbst denken. ‚Wenn der wüsste, dass ich manchmal feuchte Augen bekomme, nur, weil ich gerade ein kaltes Getränk trinke, dann würde er mich wohl auch komisch nennen. Kein Wunder, mir kommt das auch nicht gerade normal vor.‘ Noch immer schüttelte Yona mit dem Kopf, bevor sie ihn sinken ließ und auf ihre Knie blickte. „I … Ich musste an meinen … Vater denken“, sagte sie mit gesenkter Stimme und dennoch konnte ich bereits einen viel größeren Unterschied zu ihrem Zustand von vor ein paar Tagen entdecken. Dennoch bereitete sie mir noch immer Sorgen. Taeyeon erging es wohl genauso. Vorsichtig wischte er mit seinen kleinen Fingern Yonas Tränen aus den Augenwinkeln heraus, dabei lächelte er sie vorsichtig an. Yona war im ersten Moment zusammengezuckt, bekam sich allerdings wieder unter Kontrolle und ließ es mit sich geschehen. In ihrem Gesicht stand die pure Verwirrung geschrieben. „Ich bin Taeyeon“, sagte der Kleine und blickte der Prinzessin direkt ins Gesicht. „Der kleine Bruder von Hak.“ Was mich zum Nachdenken brachte. ‚Wie war das nochmal, war er wirklich sein Bruder? Oder hatte das nen anderen Grund, dass er das gesagt hat? Hilfe, ich weiß es nicht mehr … danke dir, tolles Gedächtnis. Schön, wie du wieder einmal deiner Arbeit nachgehst …‘ „Haks Bruder …“, murmelte Yona vor sich hin. Ob sie nun auch ihre Zweifel an der Aussage hegte oder nur so über den Namen nachdachte, konnte ich nicht sagen. „Bist du mit Hak befreundet?“, möchte nun der Junge von ihr wissen. Nun fasste sich Yona mit der Hand an die Lippen und dachte für ein paar Wimpernschläge nach. „Hmm … vielleicht“, kam es nicht gerade felsenfest von ihrer Seite, so, als wäre sie sich nicht über ihr Verhältnis mit Hak im Klaren und wie man es nun benennen konnte. ‚Naja, was sollen sie denn sonst sein? Bekannte? Ne, dazu kennen sie sich zu gut. Und ein Liebespaar sind die beiden leider auch nicht, auch, wenn ich nichts dagegen hätte … aber leider ist das wohl ein weiter Weg bis dorthin, bis das mal passiert, vergehen hier bestimmt noch viele Monate.‘   ~~*~~   Jonghyuk hatte mich in mein Zimmer zurück gebracht und mich gemahnt, mich gut zu erholen. Er hatte sogar meine Blässe vorgeschoben und gemeint, dass ich wirklich noch nicht ganz so gesund aussah, und er das hätte merken müssen. Dabei war meine Blässe vollkommen natürlich. Aber gut, ich würde ihm das noch nicht auf die Nase binden. Es war schließlich vollkommen richtig, dass ich niederknüppelt worden war und das so etwas unter Umständen dafür sorgen konnte, dass man längere Zeit noch Beschwerden mit sicher herum schleppte. Damit ich genug Ruhe bekam, hatte Jonghyuk entschieden die Tour so kurz wie möglich zu halten und mir nur noch einmal erklärt wie es zur Toilette ging oder zu einem Bad, dass wohl für mich oder eher für Gäste bestimmt war. Schließlich hatte er mir Ruhe und Erholung verordnet. Selbst meinen Wunsch ein paar Bücher zu erhalten, hatte er für diesen Moment kategorisch abgelehnt. Es sei später noch Zeit dafür. Jedoch lag es nicht in meinem Interesse mich zu erholen. Mir ging es gut, auch wenn mein Magen noch dezent wegen dem scharfen Essen rebellierte, aber das war vollkommen in Ordnung. Das würde mit der Zeit vergehen. Noch dazu gab es etwas wichtigeres zu tun. Ich musste Mundok finden. Zumindest wenn er noch nicht gegangen war, was ich sehr hoffte. Die Zeit war mir aber sicher nicht Freund, weswegen ich schnell handeln musste. Vorsichtig schob ich meine Tür auf und lugte hervor. Es war wirklich seltsam, denn die Wache die eigentlich vor meinem Zimmer positioniert sein sollte, war nicht da. Hatte er Pause? Nein, dann hätte er eine Ablöse bekommen. Oder wollte man mir hier Stück für Stück mehr Freiheiten gewähren, um mich vergessen zu lassen, dass ich eigentlich eine verdächtige Gefangene war? Sicher, Soo-Won hatte davon gesprochen, dass ich ein Gast war, aber ich traute dem Braten nicht ganz. Niemand wäre so leichtsinnig gewesen und hätte eine verdächtige Ausländerin im Palast herum streifen lassen. Schon gar nicht wenn der Verdacht bestand, dass sie den König ermordet hatte. Vielleicht grübelte ich aber auch einfach zu viel über diese Situation weil ich eigentlich aus einer Welt kam, in der diese Sachen hier zu einem Werk Fiktion gehörte. Da konnte man schon misstrauisch werden. Vor allem dann wenn man nie gesehen hatte, wie Soo-Won mit Fremden umgesprungen war. 'Oder aber das ist einer von Soo-Wons Plänen, die bei wenigen Leuten auf Verständnis treffen würden', schoß es mir plötzlich durch den Kopf. Richtig. Soo-Won war bekannt dafür nach außen hin einfältig, naiv und schwach zu wirken. Doch damit verbarg Soo-Won nur das, was er wirklich plante und konnte. Ich musste also vorsichtig sein, denn wer wusste schon, was Soo-Won damit bezweckte, dass ich so viele Freiheiten bekam. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf, schlich ich mich die Gänge entlang, sah mich immer wieder nach Wachen um und sah die ganze Zeit über niemanden. Die Frage war nun, wo ich bei meiner Suche nach Mundok beginnen wollte. Das einzige Mal, als ich ihn gehört hatte, war ich in dem geheimen Gang gewesen. Doch wie wahrscheinlich war es, dass er sich noch in dieser Etage befand? Ich lehnte mich an eine Wand, die mich gut vor den Augen eventuell patrouillierender Wachen verbargen. Es war wohl nicht so klug gewesen mein Zimmer ohne einen Plan und ohne eine genaue Richtung zu verlassen. Doch der Zeitdruck hatte meinen Verstand vollkommen lahm gelegt und erst jetzt sagte er wieder „Hallo“. Ich versuchte mich daran zu erinnern, was nach dieser Besprechung im Manga passiert war. Mundok hatte das Gespräch verlassen... war dann wahrscheinlich zu seinem Pferd gegangen. Wo auch immer das untergekommen war. Innerhalb des Schlosses? In der Stadt? Das wäre nicht logisch gewesen. Allerdings wusste ich auch nicht wie Mundok in den Palast geladen worden war. Und wenn es schon zu spät war, würde es nur noch einen Ort geben, an dem ich Mundok sehen, vielleicht etwas zurufen konnte. Die Burgmauern. Dank Jonghyuk wusste ich ungefähr wie ich dahin kam. Ich musste lediglich in den Garten von dem aus es eine Tür gab, die hoch auf die Mauer führte. Jonghyuk hatte darüber geschwärmt, weil man so nicht nur einen guten Blick in die Stadt bekam, sondern auch auf die Welt außerhalb von Koga. Er hatte bereits angekündigt, mit mir gemeinsam diesen Aussicht zu begutachten, wenn es mir besser ging. Es konnte aber nicht schaden sich selbst schon einmal ein Bild zu machen, oder? Ich brauchte einen kurzen Moment um mich zu orientieren wo ich war. So ganz einfach war die Orientierung nicht, aber mehr als mich verlaufen und dann vielleicht sterben konnte ich ja nicht, oder?   ~*~ Wie ich dann auch auf der Stelle erfuhr, war ich nicht die einzige Person in diesem Gebäude, die mit dieser Antwort nicht zufriedengestellt wurde. Mit einem heftigen Ruck wurde die Türe aufgerissen und unsere beiden Wächter streckten mit groß aufgerissenen Augen und Mündern zu uns ins Zimmer hinein.   „Vielleicht befreundet …?!“, kam es gleichzeitig aus beiden Mündern wie aus der Pistole geschossen. Für einen kurzen Moment hielt ich die beiden für Shipper-Kollegen, die nicht glauben konnten, was sie da gerade erlauscht hatten, doch den Gedanken schob ich zur Seite. Dazu war er mir dann doch zu abwegig. Dieses Mal zuckten wir alle ein klein wenig zusammen, mit dem Überfall hatte keiner von gerechnet. „So was …. Auch wenn sie nicht seine Geliebte oder Gespielin sein kann …“, sagte Teu mit brüchiger Stimme, offenbar ging ihm das doch viel näher als man es von ihm vermutet hätte. ‚Als würde er gerade sein OTP beim Sinken beobachten.‘ „Er sieht nicht, dass sie vielleicht befreundet sind“, erwiderte Heang-dea in einer nicht weniger dramatischen Stimme als sein Freund und Kollege. „Ach, Hak-sama. Deine Liebe ist so einseit … ti…“ Er kam gar nicht erst dazu, seinen Gedanken komplett auszusprechen, da lag er bereits auf dem Boden, den Knauf von Haks Waffe am Rücken. „Soll ich dir die Augen ausstechen?“, fragte Hak wenig amüsiert, mit einem genervten Gesichtsausdruck und genauso genervter Stimme. „Wer soll mit mir befreundet sein?“ Erstaunt sah ich den jungen Mann an, ich hatte mich so auf Teus und Heangdeas Reaktion geachtet, dass mir gar nicht aufgefallen ist, dass auch Hak mittlerweile wieder zurückgekommen war. „Was …? Dann Gefolgsma …?“, wollte einer der beiden fragen, doch wieder blieb die Frage offen und halb ausgesprochen im Raum hängen. Hak dagegen überwindete die Distanz zwischen sich und Yona um den Bruchteil einer Sekunde, hielt ihr den Mund zu und flüsterte ihr etwas zu. „Euer Name ist Rina“, sagte er, gerade noch laut genug, dass sie ihn verstehen konnte. Da ich die Szene noch aus dem Anime grob in Erinnerung hatte, wusste ich, was er zu ihr sagen würde. „Ihr seid eine Hofdame in Ausbildung aus dem Palast. Die andere Dame, Kira, ist dagegen bei uns dabei, um euch bei eurer Ausbildung zu unterstützen. Ich werde Euch wie eine Hofdame behandeln. Verstanden?“, fragte er und sah ihr direkt in die Augen. Yona nickte nur: „Gut.“ „Braves Mädchen“, war Haks einziger Kommentar dazu, noch immer lag die Hand auf Yonas Mund. Den restlichen Jungs war sämtliche Farbe ins Gesicht geschossen und auch die meinen hatten sich ein wenig rosa gefärbt. Ich wusste, mein innerer Shipper zeigte sich und ich versuchte, mir die Farbe aus dem Gesicht zu rubbeln. Teu versperrte dem kleinen Taeyeon die Sicht, während Heangdea zwischen seinen Fingern durchsah. Was Hak nun endgültig an den Rand seiner Geduld brachte. „Wir machen doch gar nichts, was Taeyeon nicht sehen dürfte!“, sagte er ein wenig frustriert, dass Teu sich herausreden wollte, ging an ihm vollkommen vorbei. „Sah aber irgendwie unanständig aus, Hak-sama!“, sagte er so leise, dass es fast Einbildung war. Taeyeon, der sich um das ganze Theater kaum kümmerte, ignorierte die merkwürdigen älteren Jungen und wandte sich direkt an Yona. Mit neugierigen Augen sah er sie an. „Rina“, sagte er geradewegs. „Wie macht sich Hak im Palast denn so? Als ich drei Jahre alt war, wurde Hak General und Leibwächter der Prinzessin.“ ‚Oh, wenn er nur wüsste, wer da vor ihm sitzt, das wäre echt ein Erlebnis für den Kleinen. Aber irgendwie auch gut, dass er es nicht weiß, so kann er wohl unbekümmert mit ihr reden. Oder zumindest ungenierter, als wie wenn er es wüsste.‘ „Deswegen kenne ich meinen Bruder eigentlich kaum.“ ‚Kommt mir bekannt vor, geht mir mit meinem Vater genauso. Nur, dass ich nach all den Jahren immer noch nicht darüber reden kann …‘ Das traurige Gefühl, welches mir wie immer aus der Brustgegend den Hals heraufkam, ignorierend, betrachtete ich Yonas Gesicht. Ich konnte ihr richtig ansehen, wie es hinter ihren Augen ratterte und dass sie vermutlich an die eine oder andere Situation aus der Vergangenheit dachte, in der sich die Beiden nicht ganz grün war. Was bei den beiden meiner Meinung nach öfters vorkam, als es ihnen wohl auch selbst lieb war. „Im Palast ist … Hak …“, überlegte Yona ihre Worte wohlüberlegt. ‚Vermutlich ist es selbst für sie nicht so einfach. Immerhin will sie nicht, dass jemand erfährt, dass sie ja in Wirklichkeit die Prinzessin ist. Oi, das ist ein sehr merkwürdiges Gefühl, das muss ich schon sagen. Wie gut, dass er nicht mich gefragt hat. Aber Hak hat wohl deutlich klargestellt, dass ich nicht aus dem Palast stamme.‘ „Ungehobelt“, sagte Yona nach ein paar Sekunden Pause und ich war mir sicher, mich hätte es klischeemäßig auf die Matte gehauen, wenn ich nicht bereits sitzen würde. „Äh, ich meinte … unsensibel!“, korrigierte sich Yona selbst, auch wenn sie das Ganze dadurch nicht besser machte. Das Kind war nun bereits in den Brunnen gefallen. „Ähm, also …“, fuhr sie fort. „Arrogant …! Ach nein … Uncharmant … Äh …“ „Hab schon verstanden. Es reicht!“, unterbrach Hak das stammelnde Mädchen, während die beiden anderen Jungs ihr Lachen nicht mehr zurückhalten konnten. Kringelnd saßen sie am Bogen und hielten sich die Bäuche. Während sie wiederholten, was Rina alias Yona in den letzten Minuten von sich gegeben hatte, während Haks Stimmung sich keinen Deut besserte, sah Yona ihnen mit gemischten Gefühlen zu. Aus meiner Erinnerung heraus konnte ich wieder nur erahnen, was ihn ihr vorging und ich war mir nicht sicher, ob ich ihre Gefühle komplett begreifen oder teilen würde. „Rina-chan, kann ich dich noch etwas fragen?“, sagte Taeyeon und setzte sich wieder zu Yona hin. Während nun die beiden Jungs wieder ihre Posten am Hauseingang beziehen wollten, unterhielten sich Yona und Taeyeon aufgeregt über das Leben am Palast. Hak betrachtete die zwei zufrieden und ich … ich beobachtete die Szene und unterdrückte das Gefühl, dass ich hier das fünfte Rad am Wagen war.   Stumm sah ich den dreien bei ihren Aktivitäten zu, doch irgendwann verabschiedete sich Hak, da er noch was mit jemanden besprechen müsste. Auch Taeyeon verabschiedete sich höflich von Yona und verließ kurz nach Hak unser Zimmer. Nun waren wir beide alleine und ich wusste nicht so recht, was ich nun tun sollte. Ob ich überhaupt was tun sollte. Ob ich nun hier weiterhin sitzen oder zu Yona hinübergehen sollte. Würde sie das überhaupt wollen? Würde sie mit mir reden wollen? Gerade, als ich mich aufrichten wollte, sah Yona mich an, offenbar fiel ihr das Gespräch auch nicht so leicht. Vermutlich war es aber auch nur eine Einbildung oder Wunschdenken meinerseits. „Kannst du bitte noch ein wenig bleiben?“, fragte sie mich in einem Ton, bei dem ich nicht anders konnte, als positiv auf ihre Frage zu antworten. „Oder besser gesagt, möchtest du mich für ein Stück begleiten? Ich würde gerne ein wenig mit dir spazieren gehen. „Ja, gerne, warum denn nicht?“, sagte ich und half ihr auf die Beine zu kommen.  „Dann sind wir beide hier nicht so alleine, immerhin sind wir an einem uns fremden Ort“, sagte sie und lächelte mich an. Schüchtern lächelte ich zurück und hoffte, dass es mir nicht im Gesicht geschrieben stand, wie sehr mich die ganze Situation überforderte. Ich bekam das Gefühl, als wäre Weinen nun eine gute Alternative. Stattdessen rückte ich näher zu ihr heran und versuchte etwas an ihr zu finden, auf das ich meinen Blick fixieren konnte. Doch meine Augen wurden nicht fündig. In der Zwischenzeit hatten wir irgendwie den Ausgang des Gebäudes gefunden und machten uns auf den Weg ins Nirgendwo. ‚Über was ich wohl mit ihr reden könnte? Ich würde ihr ja gerne mal ein Kompliment über ihre Haare machen, aber nicht, dass ich dann irgendwelche Wunden oder Narben wieder aufreiße … ach, warum müssen Smalltalks nur immer so schwer sein? Uff, wenn ich jetzt mit ihr rede, wird es sicher wieder ultra-awkward …‘ „Sagt mal, Rina“, sagte ich und versuchte mir gleichzeitig ihren falschen Namen einzuprägen. „Ich hoffe, Ihr habt gut geschlafen.“ Sie nickte nur. „Ja, das habe ich in der Tat, vielen Dank der Nachfrage. Ich hoffe, dir erging es genauso.“ „Nein, aber ich werde mich vielleicht später ein wenig ausruhen“, sagte ich ihr wahrheitsgetreu und blickte auf die Straße direkt vor uns. Dann warf ich immer mal wieder aus dem Augenwinkel einen Blick zu ihr herüber, doch so richtig konnte ich ihre Gedanken oder Absichten nicht erkennen. Wie so oft schlichen sich die üblichen Dinge in meinen Kopf hinein. ‚Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum sie mit mir Zeit verbringen möchte, obwohl sie mich doch gar nicht kennt . Oder will sie mich näher kennenlernen? Bestimmt wird sie es enttäuschend finden, dass an mir viel Interessantes ist und dann wird sie sich wieder von mir abwenden, wie es oft die meisten Menschen tun. Nicht, dass es mich stört – und doch stört es mich irgendwie. Yona ist jetzt nicht so der Typ Mensch, der mit mir jetzt durch den Garten der Verräter wandeln würde. Trotzdem wüsste ich zu gerne, was sie damit erreichen möchte. Vermutlich will sie nur einfach nicht alleine sein und sie traut sich bestimmt nicht, Hak zu fragen. Gut, wie soll sie auch, der ist ja irgendwo hin verschwunden und den zu finden wird bestimmt nicht leicht sein, besonders für uns beide. Wir wüssten ja nicht mal, wo wir ihn suchen müssten.‘ Ein großer Seufzer entkam meinen Lippen und ich war mir nicht sicher, ob Yona ihn gehört hatte oder nicht. ‚Wenn das doch nur nicht immer so schwer zu erkennen wäre, ob sie nun Interesse an einem Gespräch mit mir hat oder nicht. Ich meine, sie ist freundlich zu mir, aber woher weiß ich, ob das nicht rein aus Höflichkeit ist? Andererseits würde ich mich auch nicht wohlfühlen, wenn sie mich mit Fragen löchern würde.‘ Wie immer spürte ich den seltsamen Widerspruch und doch hatte ich das Gefühl, als würde all das Sinn ergeben. Was es in meinem Kopf auch tat. ‚Irgendwie werde ich froh sein, wenn ich mal wieder alleine bin. Damit ich überlegen kann, was ich als nächstes machen soll. Nötig hätte ich es auf jeden Fall. Wird aber wohl nicht so schnell passieren … Das ist alles so verwirrend! ‘ „######“ Verwirrt drehte ich meinen Kopf nach links, mal wieder war ich so tief in meine Gedanken versunken, dass ich nicht mitbekommen hatte, dass Yona mit mir geredet hat. „Ähm, wie bitte? Ich hab leider nicht verstanden, was du gesagt hast“, sagte ich in einem leicht schuldbewussten Ton. Da ich es gewohnt war, meinen eigenen Gedanken nachzugehen, sobald das peinliche Schweigen ans Tageslicht kam, hatte ich mich nicht mehr auf sie konzentriert, sondern nur noch auf die Dinge in meinem Kopf und vor meinen Füßen. „Ob du schon einmal in dieser Stadt gewesen bist, wollte ich wissen“, fragte sie amüsiert, erleichtert nahm ich zur Kenntnis, dass sie es meinen Fehler nicht nachtrug. „Nein, ich bin zum ersten Mal hier. Ist echt schön, mit den vielen gemütlichen Häusern und alles … sieht anders aus als meine Heimat“, antwortete ich. ‚Nur nicht zu viel verraten, wenn das nicht schon zu viel war … ach was, solange ich nicht näher darauf eingehe und sie auch nicht nachfrägt, wird es schon ok sein.‘ „Ja, das denke ich auch. Hak hat es hier wirklich sehr schön.“ Mit einen zaghaften Lächeln sah sie sich um, welches jedoch schnell wieder verschwand. Offensichtlich waren die Eindrücke doch zu viel für sie – mir erging es nicht anders, mehr, als sie je erahnen würde.   ~~*~~   Ich brauchte wirklich einige Zeit um den richtigen Weg zu finden und war froh, als ich schließlich vor einer Tür stand, die mich ins Innere der Mauer führte. Beim Suchen war mir aufgefallen, dass ein unterirdischer Gang innerhalb des Palastes direkt zu diesem führte, so dass ich mir den Weg durch den Garten sparte. Wahrscheinlich gelangte so auch der König auf die Mauern, ohne das er gesehen wurde. Manchmal wollte man sicher auch als Würdenträger für sich sein und einfach nur seinen Gedanken nach hängen. Das tragischste an dem Gang waren die vielen Treppen. Ich hasste Treppen. Das war schon in meiner Heimat so. Noch dazu glaubte ich, dass wir viel zu viele davon hatten und sie erfunden wurden um etwas beleibteren Menschen wie mir das Leben zur Hölle zu machen. Schwer atmend kam ich daher auf der Mauer an und genoss eine Aussicht, die ich so wohl nur auf der chinesischen Mauer gehabt hätte. Und selbst dort war die Aussicht sicher besser. Aber ich gab mich mit dem zufrieden, was ich hatte, denn der Blick über die Stadt, die hinter mir lag und der Welt die sich vor mir erstreckte, war grandios. Bäume, Menschen die zwar sichtbar waren, aber doch so klein erschienen, Tiere, die auf Weideland grasten. Häuser. Es gab so viel zu entdecken. Mehr noch als ich wohl an einem Tag zu Fuß gehen konnte. Ich holte tief Luft und ließ all diese Eindrücke auf mich wirken, während ich die Mauer entlanglief und jeden Zentimeter des Landes mit meinen Augen förmlich scannte.   Mundok war irgendwie in Vergessenheit, während ich die Hälfte der Mauer entlang gelaufen war. Ich genoss viel mehr den Anblick des Königreiches, welches Yona als ihre Heimat bezeichnen durfte. Doch der ehemalige General des Windclans kam mir wieder in Erinnerung, als ich von der Ferne zwei bekannte Charaktere erkannte. Da sie nicht in meine Richtung sahen, hatten sie mich nicht bemerkt, was am besten auch so blieb. Sofort suchte ich mit eine abstehende Stelle an der Mauer, wo die Form nicht mehr geradlinig war, sondern mehr Platz bot, um Wachen zu positionieren. Über diesen näherte ich mich Stück für Stück den beiden Sprechenden. Soo-Won und dem General des Feuerclans. „Danke für eure Bemühungen, Kan Soo-Jin. Dank eurer Mitwirkung ist die Sitzung gelaufen wie ich es wollte. Mit dem Widerstand des Windclans haben ich gerechnet.“ „Seid Ihr nicht ein wenig zu nachsichtig? Ihr lasst Prinzessin Yona und General nicht verfolgen und denkt nicht einmal daran sie zu töten. Wenn die beiden die Wahrheit verbreiten-“ „Hak ist nicht dumm. Würde er die Wahrheit bekannt geben und dadurch Aufstände verursachen, wäre Prinzessin Yonas Leben in Gefahr. Um die Prinzessin zu beschützen muss er jetzt still schweigen.“ „Und was ist mit der Fremden? Niemand würde irgendwem glauben, wenn man sie als Spionin für den Tod des Königs hinrichten würde.“ Soo-Won schwieg und ich drückte mich mehr in die Ecke der Mauer, aus Angst, dass man mich nun doch entdeckte. Richtig, ich war immer noch in Gefahr. Es gab Leute, die wollten meinen Kopf auf dem Silbertablett der ganzen Stadt präsentieren. War mir irgendwie entfallen. „Ich will so wenig Opfer wie möglich... Es ist meiner Meinung nach genug Blut geflossen.“ Ich lugte etwas über mein Versteck hervor und erkannte das Bedauern in Soo-Wons Gesicht, dass zwar in meine Richtung gewandt war, aber definitiv an mir vorbei sah. Der Feuerlor- Das Oberhaupt des Feuerclans hingegen schien nicht zufrieden mit der Antwort er seufzte nur und schüttelte den Kopf, so dass sein graues Haar, welches er sich zu einem Zopf gebunden hatte, hin und her wackelte. Was war das eigentlich für eine Sache mit diesen Feuerclans, dass die immer die bösen Obermotze waren? „Kommen wir zurück zum eigentlichen Thema. Sollte der Windclan weiter Widerstand leisten, so geht zu Plan B über.“ „Zu Befehl.“ Der Feuerclan General verbeugte sich vor Soo-Won der sich schon längst von ihm abgewandt hatte und über die Mauer blickte. Müde, erschöpft und irgendwie wehmütig. Vielleicht hatte er das getan, weil er gehört hatte, wie die Tore aufgegangen war. Ich selbst sah über die Brüstung und erkannte Mundok, der auf seinem Pferd das Königreich Koka in Richtung Fuga verließ. „Danke, dass ihr mich Enkel genannt habt. Das hat mich sehr gefreut, Meister Mundok“, flüsterte Soo-Won und war dabei doch laut genug hörbar. Doch ich hörte mehr als seine Worte. Ich hörte Bedauern und ein Herz, dass Angesicht seiner Last, in zwei brach.   ~*~   Wir wollten gerade um einen Kurve gehen, als jemand nach Yona rief. Fragend sahen wir uns um. „Rina-chan! Warte, Rina-chan!“, konnten wir hinter uns eine ältere Dame hören, die auch zugleich auf zugelaufen kam. Wobei man das eher als einen schnellen Gang nennten konnte, so, wie die Dame die Distanz zwischen ihr und uns verkleinerte. „Äh … Ja?“, sagte Yona leicht zögerlich, offensichtlich musste sie sich erst noch an ihren neuen Namen gewöhnen.  Da hatte ich es mit meinem „Zweitnamen“ doch deutlich einfacher. Wer seit Jahren im Internet damit angesprochen wurde, reagiert genauso schnell darauf wie auf seinen richtigen Namen. „Du bist ja eine Schlafmütze. Hast du letzte Nacht gut geschlafen?“ Yona nickte: „Vielen Dank. Ja, ich hatte einen sehr erholsamen Schlaf genossen.“ ‚Immerhin wurdest du wohl von deinen Albträumen verschont – oder du hast dich mittlerweile an sie gewöhnt. Auf jeden Fall warst du sehr ruhig im Schlaf …‘ Mich weiterhin nicht groß beachtend, redete sie weiterhin auf Yona ein. „Du bist doch eine Hofdame aus dem Palast, stimmt’s? Weil du weder putzen noch waschen noch Koto spielen oder tanzen kannst, wurdest du aus dem Palast gejagt und bist jetzt hier zum Lernen hierhergekommen? Vergiss das Frausein besser …!“, sagte die ältere Dame höchst amüsiert und konnte ihr Lachen kaum noch zurückhalten. ‚Ich an Yonas Stelle würde jetzt nichts sagen und sie in dem Glauben lassen, von dem, was sie gesagt hat. Ist einfacher, als sich selbst eine Erklärung überlegen zu müssen.‘ Offenbar dachte Yona genauso, auch, wenn sie sich ein wenig in ihrer Ehre verletzt fühlte, sagte sie nichts. „Gut“, sagte sie, ging zu einem nahestehenden Häuschen, aus welchem sie einen riesigen Berg an Wäsche hinaustrug. Dieser wurde fair auf uns beide aufgeteilt. „Dann fangen wir mal ganz von vorne an. Fürs Erste wäscht du das hier mal.“, sagte sie, ihr Ton ließ keinen Raum für Alternativen frei. „Wa … Waschen …?“, fragte Yona verwirrt, während ich mich längst mit der Situation abgefunden hatte. Bis heute konnte ich mir das nicht erklären, ob ich sehr anpassungsfähig war, sehr gehorsam oder einfach nur so wenig am Geschehen desinteressiert, dass ich auf sowas wie einen Aufstand nicht kommen würde in diesem Moment. Denn es gab auch Tage, wo ich gerne mal murre oder zumindest den Sinn dahinter hinterfrage. Oder, ob die Tätigkeit nun wirklich notwendig war. Doch heute war ein „Schulterzucken, Ärmel Hoch und einfach machen“ – Tag. „Natürlich im Fluss! Und das Mädchen neben dir kann auch gleich mit anpacken, immerhin ist ja dafür da, um dich bei deinem Lernen zu unterstützen. Auch, wenn es das zu meiner Zeit noch nicht gegeben hat. Sieh es doch mal so, so hast du es einfacher“, sagte sie und entfernte sich immer weiter von uns weg. ‚Uff, das kann ja noch was werden. Das einzige, was ich so wirklich kann und mag, ist Abspülen. Naja, vielleicht funktioniert ja das Waschen genauso? Ob die hier auch Waschbretter benutzt haben? Putzen funktioniert ja auch irgendwie. Koto, muss wohl ein Instrument sein … oh, da bin ich ja genau die richtige Person. Nicht. Und tanzen, was kann ich tanzen? Ein bisschen den Walzer, das war es aber auch schon. Ach, wenn ich doch nur so tanzen könnte wie Pearl oder Garnet. Oder wenigstens wie Amethyst. Hätte ich mir doch nur mehr Mühe damals auf dem Tanzkurs gegeben, dann könnte ich Yona darin unterstützen.‘ „Keine Angst, ich werde mein Bestes geben“, sagte ich und hoffe, dass es nicht allzu sehr nach Lüge stank. Auch, wenn ich wirklich alles geben würde, selbst, wenn es nicht viel war. „Sag mal … hast du eine Ahnung, wo der Fluss ist?“, fragte mich Yona und brachte damit einen sehr wichtigen Aspekt auf, der bisher noch keinerlei Beachtung bekommen hatte. „Stimmt, die Dame hat vergessen uns zu sagen, wo der Fluss ist. Naja, vielleicht können wir ihn ja auch alleine finden? Oder wir fragen einfach jemanden, da ist ja nichts dabei.“ ‚Wenn ich mein Handy dabei hätte und es in meinem Zeitalter wäre, dann könnte ich auch einfach Google Maps befragen. Aber dann müssten wir nicht zu einem Fluss, sondern an einen Waschsalon. Außer, wir wären amische Leute. Wie die wohl ihre Wäsche waschen? Glaub nicht, dass die eine Waschmaschine benutzen, das würde ja überhaupt nicht passen. Ne, oder? Hach, hätte ich jetzt mein Handy hier, könnte ich es googlen. Ein Hoch auf mein Zeitalter!‘ Doch zu unserem Glück mussten wir weder lange herumirren, noch doof herumfragen. Hak gesellte sich recht schnell zu uns und ich hatte die arge Vermutung, dass er uns aus der Nähe beobachtet und gestalkt hat. Wie ein waschechter Spanner. Wie er allerdings Yona um die Hälfte ihrer Waschwäsche erleichterte, hatte viel mehr was von einem Gentleman, was gut zu ihm passte und dann doch wieder nicht. „Hier entlang … gnädige Frau. Und auch Ihre gnädige Dame“, sagte er und führte uns durch ein paar kleinere Gasse. Vermutlich eine Abkürzung zum Fluss. Während ich mir immer mal wieder die Gegend ansah, allerdings wegen den hohen, tonfarbenen Häuserwänden nicht viel zu sehen bekam, starrte Yona geradewegs auf ihren Wäscheberg. „Was habt Ihr?“, wollte Hak wissen und noch immer kam ich nicht mit seiner Höflichkeit zurecht. Zum einen kam es mir so real vor, zum anderen dachte ich mir, dass Hak nur so tut, als ob. „Ich kann ein wenig … Koto spielen und tanzen“, sagte Yona mit vorgeschobener Lippe. Hak dagegen schien das alles nur zu amüsieren, wie sie sich über die Behauptungen der älteren Dame aufregte. „Ah, Ihr meint dieses verstimmt klingende Koto …?“ „Hmpf!“, kam als Reaktion zurück. Noch immer ging ich hinter den beiden her, glücklicherweise hatten sie sich für eine entspanntes Tempo entschieden, was es mir einfach machte, mit den beiden Schritt zu halten. „Ihr seid wieder ein wenig ihr selbst“, stellte Hak fest. „Was…?“ Yona blieb kurz stehen, woraufhin ich ebenfalls zum Halten kam. Doch Hak hakte das Thema ab. „Ach, schon gut.“ ‚Vermutlich freut er sich, dass Yona immer mehr zu ihrem alten Ich zurückfindet und nicht mehr so ein stummes, starres Häufchen Elend ist. Denn das bedeutet ja auch, dass es ihr wieder besser geht. Und das ist schön.‘ Yona und ich sahen uns ratlos an, doch da Hak nicht daran dachte, auf uns zu warten, schickten wir uns daran, ihn wieder einzuholen. So gingen wir ein paar Minuten, bis Yona wieder vollkommen zu ihm aufschloss und neben ihm ging, mit mir als stummen Dritten. „Hak … Du hast einen kleinen Bruder. Er ist niedlich … sieht dir aber gar nicht ähnlich.“, stellte Yona fest. ‚Ja, stimmt, er sieht ganz anders aus, auch die Haarfarbe ist eine komplett andere. Bestimmt ist es dann wirklich nur symbolisch gemeint. Wie wenn er sagen würde, er ist mein Bro.‘ „Taeyeon wurde genau wie ich von Opa aufgelesen. Opa kann Waisen nicht einfach im Stich lassen.“, antwortete Hak mit fester Stimme. ‚Oh, das erklärt es natürlich auch. Ob sie wohl auch ihre Namen von ihm bekommen haben?‘ „Im Gegensatz zu mir ist Taeyeon schwach. Darum passen alle ganz besonders auf ihn auf. Gestern hat er etwas zu sehr herumgetobt.“ Wieder verfiel ich in Gedanken, wenn auch nicht so tief wie zuvor. ‚Stimmt, der kleine Junge war ziemlich schwach drauf und brauchte seine Medizin. Deswegen hatten die ja auch so Probleme mit dem Feuerclan, weil die ja irgendwie verhindert hatten, dass die Medizin das Dort erreicht. Aber was war da nochmal? Wenn ich mich doch nur erinnern könnte. Aber Hauptsache, ich kann „Both of You“ aus Steven Universe auswendig …‘   ~~*~~   „Wie lange wollt ihr euch noch verstecken?“, fragte er plötzlich und ich fühlte mich ertappt, denn ich wusste, dass er mich meinte. Niemand außer uns war hier und ich hatte mich auch keine Sekunde lang aus dem Versteck direkt gewagt. Doch erneut zeigte es mir, wie aufmerksam Soo-Won wohl war. „Ihr habt alles gehört, nicht wahr?“, fragte er, kaum dass ich mich zu Erkennen gegeben hatte. Wenn er schon die ganze Zeit wusste, dass ich hier war, aber einfach nichts gesagt hatte, dann war Lügen nun die dümmste Idee. „Ja habe ich. Das war aber nicht absichtlich. Ich meine ich bin nur etwas spazieren gewesen weil ich frische Luft brauchte und...“ Ich hielt inne und sah ihn an. „Ist der Windclan böse?“, fragte ich vorsichtig und tat damit so, als würde ich nicht wissen, was hier Phase war. „Nein. Sie sind nur in tiefer Trauer und könnten schlechte Entscheidungen treffen. Sie brauchen Zeit zum nachdenken und die werden wir Ihnen geben.“ ich glaubte ihm nicht. Und doch ließ er es gut klingen, für einen Ausländer wie mich. Wer wollte nicht einen Herrscher, der empathisch an die Sache heranging? „Das ist wirklich traurig. Aber es ist schön, dass Ihr Ihnen die Zeit geben wollt. Doch was ist mit Prinzessin Yona und diesem Hak?“ Soo-Wons Blick verfinsterte sich. Kurz fragte ich mich, ob ich das vielleicht nicht hätte fragen sollen doch Soo-Won sah mich schließlich traurig an. „Sie war verängstigt und Hak ist ihr Leibwächter. Deswegen hat er sie wohl aus dem Palast gebracht.“ „Also hat die Prinzessin etwas gesehen?“, fragte ich und hoffte natürlich, dass Soo-Won sich verplapperte. Doch er blieb vorsichtig und wechselte stattdessen das Thema. „Wie war eigentlich eure erste Mahlzeit?“ Ich war schon etwas enttäuscht doch wollte ich respektieren, dass Soo-Won mir nicht mehr sagen wollte. Warum sollte er auch. Er hielt mich nur für eine Fremde, die in seine Pläne verwickelt worden war, nicht mehr und auch nicht weniger. „Es war dezent zu scharf. Ich konnte es kaum essen. Ich vertrage scharfes Essen nicht. Da wo ich herkomme, essen wir milder, wobei auch da Menschen leben, die schon einiges an Schärfe aushalten. Aber, was ich nebst der Würze geschmeckt habe, war richtig gut.“ Ich lächelte und versuchte das ganze doch etwas zu kitten. Ich fühlte mich schlecht dabei als Gast das Essen komplett zu kritisieren. Immerhin hatte es wirklich geschmeckt, auch wenn nach ein paar Bissen nur noch Schärfe meine Geschmacksknospen dominiert hatte. „Ich möchte, dass ihr heute Abend mit mir gemeinsam esst. Ich werde Jonghyuk Bescheid geben lassen, damit er euch etwas passendes organisiert.“ Soo-Won war wirklich schwer zu fassen. Er ließ sich einfach nicht in die Karten gucken. Zumal ich mich fragte warum er mit mir zu Abend essen wollte. „Wollt ihr nicht lieber für euch sein? Ich meine... es macht sicher keinen guten Eindruck, wenn die potentielle Mörderin des Königs mit dem zukünftigen König diniert.“ Er lächelte, kaum dass ich das gesagt hatte und wandte sich zu einem Diener um, der mit ein paar Schriftrollen auf ihn zugekommen war. Scheinbar hatte er heute noch ein paar Dinge zu erledigen. „Ich erwarte euch pünktlich. Würdest du bitte unseren Gast zurück zu ihr Zimmer bringen und Jonghyuk informieren dass sie heute Abend mit mir essen wird?“ Der Diener reichte Soo-Won die Rollen und nickte. Er hielt Abstand, machte mir aber deutlich, dass ich ihm folgen sollte. Ich verabschiedete mich mit einem Nicken von Soo-Won, der allerdings bereits in einer der Schriftrollen vertieft war und mich an ihm vorbeigehen ließ.   ~*~   Ich sah, wie die Prinzessin langsamer wurde, bis sie schließlich mit mir auf eine Höhe ging. Irgendwie bekam ich eine schlechte Vorahnung in der Magengegend. „Tut mir leid, dass ich mich noch nicht richtig mit unterhalten habe. Dein Name war Kira, nicht wahr? Ich bin Yona, aber das weißt du ja schon von Hak“, sagte sie und lächelte mich erneut an. Ich dagegen verlor mich mal wieder in ihrem wunderschönen roten Haare. „Ja, genau, das ist mein Name. Gefällt er Euch?“ Yona nickte. „Das ist wirklich ein sehr schöner, wenn auch einfacher Name. Hast du ihn von deiner Mutter oder deinem Vater bekommen?“ Ein Stich fuhr mir durch die Brust und ich musste mich ein wenig zusammenreißen, um mich nicht von der Stimmung überschwemmen zu lassen. „Von … von meiner Mutter. Sie konnte sich bis zu meiner Geburt nicht auf einen Namen einigen, weshalb sie sich dann spontan dafür entschieden hat. Ja und jetzt heiße ich so.“ „Verstehe“, sagte sie und blinzelte mich an. „Aber du kommst nicht aus dieser Gegend hier, oder? Dein Name zumindest klingt danach, als würdest du von weiter weg kommen. Wo liegt denn deine Heimat, wenn ich fragen darf?“ ‚Oh Mist Mist Mist‘ „Es ist ein ganz kleines Kaff, vermutlich kennt ihr es nicht mal. Naja, so klein ist es nicht, aber es ist auch nicht gerade so gut oder groß wie eine Stadt. Und ja, ich komme von weiter weg. Wenn man was sehen will, muss man auch mal die Grenzen seiner Heimat verlassen können, sage ich immer.“ Sie begann ein wenig zu kichern, was mich nervös machte. „Genauer gesagt komme ich aus dem Ausland und bin auf einer Art Durchreise. Es gibt noch so viel zu lernen im Leben und ich möchte mehr Dinge sehen, die ich noch nicht kenne, damit ich hinterher mehr weiß als davor. Außerdem ist meine Heimat eine kleine Ödnis, bei der man recht schnell alles gesehen hat, was es zu sehen gibt…“ Wir überquerten eine kleine Kreuzung oder zumindest etwas, was man nach heutigem Standard als schräge Kreuzung bezeichnen würde und gingen an ein paar gelbfarbenen Häusern vorbei. „Verstehe, verstehe. Deshalb sieht deine Kleidung auch so seltsam aus, nicht wahr?“ „Ja, genau“, stimmte ich ihr zu. Wieder nach dem „Nicht korrigieren, einfach nicken“-Prinzip. „Wir sind einfache Leute, aber wir versuchen trotzdem unser bestes, damit wir nicht so gewöhnlich aussehen. Das ist einfach normal bei uns. Wir sind einfach ein seltsames, einfaches Volk. Ebenso auch, dass wir uns Farbe in die Haare machen, damit wir ein wenig anders aussehen, aber das wäscht sich immer so schnell wieder raus. Seht Ihr, von dem Violett ist kaum noch was da!“ Ich deutete auf meinen Kopf, der nur noch ein oder zwei Wäschen benötigen würde, damit er farblich komplett zur Prinzessin passen würde. Dass das schwarze Top mit dem regenbogenfarbenen, glänzenden Schädel und meine schwarze Stoffhose mit Pfoten und Knochen darauf keine weitere Bedeutung hatten, als einfach nur bequem zu sein, konnte ich ihr ja schlecht sagen. „Gut, da wären wir! In diesem Fluss waschen wir unsere Sachen!“, sagte Hak und legte die Sachen auf einer Treppenstufe ab, mit dem Rücken zum Fluss. Yona und ich dagegen sahen den Fluss an, dann uns gegenseitig. Vermutlich hatten wir sogar den gleichen Gedanken. „Der Fluss ist wichtig für den Windclan, weil er lebensnotwendiges Wasser liefert“, erklärte Hak. Unsicher, ob und was wir sagen sollten, sahen wir uns beide immer noch in die Augen. Bis sich dann Yona dazu entschied, dass es besser wäre, etwas zu sagen. „Hak … ich kann nicht…“, sagte sie leise. „Hey, ihr habt doch noch gar nichts gemacht!“, sagte hier und drehte sich zu uns um. Wir dagegen sahen ihn unsicher an und er begriff, dass hier etwas nicht in Ordnung ist. „Aber hier fließt kein Wasser“, sagte Yona unsicher und deutete auf das leere Flussbrett. Nicht mal vertrocknete Fische oder kleine Steine waren zu sehen, das Flussbrett war komplett trocken. „Der Fluss … ist trocken?“, sagte Hak mit erstickter Stimme, vermutlich hoffte er, dass das nur ein übler Scherz oder gar ein Albtraum sei. ‚Dabei ist der Fluss doch so wichtig für den Clan. Dahinter steckt ja der Feuerclan, aber das kann ich natürlich nicht sagen. Sie erfahren es ja sowieso früh genug, ich glaube, vom armen Heangdea. Ohje, zum Glück müssen sie nicht lange ohne Wasser auskommen … oder wurde das überhaupt gezeigt? Vllt bekomme ich es zu sehen? Naja, Wäsche waschen ist auf jeden Fall nicht drin, das könnte auch ne moderne Waschmaschine nicht … seltsam, ich hab das Gefühl, als hätte ich das schon mal in einem anderen Anime oder überhaupt mal in einer anderen Serie gesehen. Aber wo war das nochmal? War das MLP? Ich weiß nur noch, dass es ein künstlicher Staudamm war, der dafür gesorgt hat, dass kein Wasser mehr floss. War das nicht die Folge, in der Discord die Bieber bösartig gemacht hat? Aber irgendwie hab ich dabei andere Bilder im Kopf … wird mir bestimmt noch irgendwann einfallen, später, wenn ich schlafen will. Wie immer, wenn mir etwas nicht einfallen will, kommt es erst viel später. Auch nicht schlimm. Auf jeden Fall müssen wir etwas machen … ob ich ihnen dabei helfen kann? Ich hoffe es, ich muss und darf nicht immer nur im Weg stehen. Aber ich bin nur ein normaler Mensch mit sehr wenig Ausdauer. Was könnte ich also machen?‘ Während ich meinen Gedanken nachhing, untersuchte Hak das Flussbett genauer, konnte jedoch keinen Grund für die Ursache erkennen. „Das ist schlecht“, sagte er und drehte sich zu uns um. „Das ist wirklich sehr schlecht.“ Doch bevor wir etwas sagen konnten, näherten sich uns bereits die ersten Bewohner, um die schreckliche Wahrheit zu erfahren.   Kapitel 6: Gedanken und Bilder ------------------------------ Stumm, unfähig auch nur einen ordentlichen Gedanken zu Stande zu bringen, sah ich zwischen dem trockenen Flussbett, Hak und den ankommenden Bewohnern hin und her. „Anführer!“ „Junger Anführer!“ Schockiert, fast schon panisch riefen die Bewohner ihren Anführer an, doch dieser reagierte nicht, nicht einmal ein kleiner Finger bewegte sich, als sie sich uns näherten. Stattdessen starrten seine dunklen, ausdrucksschwachen Augen auf das, was einst die wichtigste Wasserquelle von Fuga darstellte. Mein Blick fiel nun endgültig auf Yona, die im Gegensatz zu Hak keine Ruhe ausstrahlte. In ihren Augen war der blanke Horror zu sehen und ich konnte mir bereits denken, was sie sich dachte. ‚Bestimmt fühlt sie sich nun für die ganze Sache verantwortlich. Dass der Fluss ihretwegen trocken ist. Irgendwas war da doch…‘ Ich versuchte mich zu erinnern, aber wie so oft in meinem täglichen Leben hat auch hier das schwarze Loch zugeschlagen. Die Erinnerung tauchte nicht auf, egal, wie sehr ich sie versuchte abzurufen. ‚Was war nochmal passiert? Die Leute vom Feuerclan haben den Fluss irgendwie blockiert, aber wie nochmal? Ich weiß nur noch, dass sie ihn blockiert hatten und damit den Windclan erpressen wollten, weil diese sonst kein Wasser mehr haben, das sie zum Überleben brauchen. Und ich weiß nur noch, dass Yona sich selbst die Schuld dafür gab. Vermutlich, weil sie vom Palast abgehauen ist? Uff, ich weiß es nicht mehr, es ist so lange her … Und wie ging das nochmal aus? Wurde das überhaupt im Manga oder Anime gezeigt? Ich kann mich nicht mehr erinnern, dass der Fluss irgendwann wieder mit Wasser gefüllt gezeigt wurde. Oder hab ich das von einem anderen Anime? War da nicht auch irgendwo was, in einer anderen Serie, in der auch ein Fluss ausgetrocknet war? War das nicht Pokémon? Oder irgendein westlicher Cartoon? Da war auch irgendwas, das den Fluss blockierte und dann haben die Helden, wer auch immer das war, das gelöst und am Ende war wieder alles schön und der Fluss hatte Wasser und alle waren glücklich. Aber wie war das hier nochmal … verdammt, ich kann mich nicht erinnern. Ich weiß nur noch, dass die beiden die Stadt verlassen haben, aber wie war das mit dem Fluss? Nicht, dass ich das Wissen hier anwenden könnte, das wäre doch arg seltsam. Wäre ich eine Sapphire aus Steven Universe, könnte ich das einfach auf meine Zukunftsvision schieben, aber so … naja, ich beobachte das Ganze mal, dann sehe ich ja, was passieren wird. Da es ja bisher immer so war wie im Anime, wird nichts Neues passieren. Auch wenn ich mich gerade nicht mehr daran erinnern kann, was nun passiert … Wie auch immer, ich muss Yona helfen.‘ Noch immer stand das Mädchen, die Arme an ihr Gesicht gepresst, neben Hak und versuchte, irgendwie nicht die Kontrolle über sich oder die Situation zu verlieren. Doch ihre Augen verrieten mir, dass das bereits geschehen war. Ich sah mich ein weiteres Mal um und erst jetzt wurde mir bewusst: Ich war die einzige Person in dieser Szene, die Yona Beachtung schenkte, alle anderen ignorierten uns und versuchten auf Hak einzureden. „Was … was sollen wir nur tun?“, stieß sie schwach aus und ihre Stimme trat kaum aus dem Stimmenpulk um uns herum aus. Da ich mich recht nahe zu ihr gestellt hatte, konnte ich sie hören, aber ich konnte mir vorstellen, dass es für Hak bereits eine von vielen Stimmen waren, die ihn nur in seinen Gedanken störten. Ihre Augen wanderten unruhig hin und her, sie war den Tränen nah, so viel konnte sogar ich erkennen. ‚Vielleicht sollte ich Yona beruhigen, sie trösten … aber was sage ich ihr nur? Was mache ich am besten? Soll ich ihr sagen, dass alles wieder gut wird? Aber ich habe keine Garantie. Und verraten sollte ich mich am besten auch nicht. Mist, ich kann doch auch nicht dumm rumstehen. Jetzt beachtet uns keiner, aber was ist, wenn mich jemand nachher darauf anspricht? Warum ich das Mädchen nicht beruhigt habe? Vermutlich, weil ich selbst ein Mädchen bin und es deswegen automatisch in meiner Programmierung drin haben sollte? Uff, in dem Sinn bin ich doch fehlerhaft … außerdem ist das doch so ein Standardspruch, den eigentlich niemand in der Situation so richtig hören will. Jedenfalls nicht, wenn man nicht auch noch begründen kann. Das kann ich nicht. Und wird es Yona überhaupt hören wollen? Hören können? Naja, ich könnte es ja so angehen, dass ich Yona in den Arm nehme. Oder sollte ich lieber eine Hand auf ihre Schulter legen? Sie wird dann bestimmt ganz doll weinen und ich kann ihr ja dann die Tränen mit meinem Ärmel trocknen oder so …‘ Während ich noch wie in gewohnter Art das Gespräch mit Yona immer und immer wieder durchging, um herauszufinden, wie ich es am besten angehen und führen sollte, stampfte Hak mit dem Fuß auf dem Boden auf. „Seid mal ruhig! Ich muss mich hier konzentrieren!“, blaffte er in die Runde, was dafür sorgte, dass aus dem wirren Stimmengewirr ein geordnetes Geflüster wurde. Selbst Yona wischte sich kurz über die Augen, dann näherte sie sich Hak und tat so, als wäre nichts geschehen. ‚Wow, sowas würde ich niemals hinbekommen. Mich würde nie jemand so beachten … kein Wunder, die Leute sehen ja auch meistens über mich drüber … und er konnte sogar Yona damit beruhigen, wie auch immer ihm das gelungen war. Menschen werden für mich oft ein Rätsel bleiben. Was es nicht gerade einfacher mit ihnen macht … Aber das zeigt auch, dass es Yona nun wieder viel besser geht, von der Seele her. Sonst wäre sie nicht bereits wieder besser drauf.‘ Erst jetzt fiel mir auf, dass Hak begonnen hatte, auf dem Boden etwas zu zeichnen. Neugierig zwängte ich mich an den wenigen Leuten vorbei, die sich zwischen uns befanden und starrte auf das, was sich vor ihm auf dem Boden befand. ‚Stimmt, er hat ja irgendwelche Berechnungen gemacht … wofür waren die nochmal? Mieses Gedächtnis, ey …‘ ~~*~~ Wie es Soo-Won befohlen hatte, wurde ich in mein Zimmer zurück gebracht. Auch wenn Soo-Won mir nicht das Gefühl vermittelte, dass ich gefangen war, so fühlte sich meine Anwesenheit in diesen Räumlichkeiten doch so an. Egal wohin ich ging, es führte mich immer in diesen Raum zurück. Soo-Won schickte mich immer wieder dahin zurück. Ich ließ meinen Blick durch den Raum gleiten. Gut, es war nicht gerade eine Gefängniszelle oder ein Kerker, aber trotz der Möbel, dem Tisch und dem Sichtschutz kam mir der Raum so kalt und klein vor. Es gab nichts das ich tun konnte, außer zu warten, dass jemand kam, mir Essen brachte, mir Kleidung brachte oder sonst irgendwas. Und gerade konnte ich nur darauf warten, dass Jonghyuk zurück kam. Ich seufzte und setzte mich auf den Boden. Es war wirklich langweilig, wenn man nichts zu tun hatte und die Zeit auf einmal viel zu reichlich erschien. Zuhause hätte ich etwas geschrieben. Oder gezockt, oder gearbeitet. Im idealsten Fall hätte ich nun gearbeitet. Und im Worst Case Fall hätte ich ab 16:30 Uhr mein Leben alleine im Raum gefristet. Das waren die schlimmsten Tage, wenn mein Team weg ging und ich alleine dort saß. In nächster Zeit würde ich dieses Gefühl wohl häufiger haben. Ganz allein in diesem großen Zimmer... ohne Skipper... ohne mein Team... ohne etwas zu tun. ~*~ „Der Fluss führt kein Wasser!“, war die erste Stimme, die ich hören konnte. „Dabei herrscht gar keine Dürre!“ „Das lebenswichtige Wasser aus dem Fluss“, mischte sich nun eine zweite Stimme ein, doch da ich ihnen den Rücken zugewandt hatte. Yona hatte sich vor ihm in die Hocke gesetzt und beobachtete ebenfalls, wie er dort Zahlen und Formeln auf den Boden schrieb. Ich dagegen sah es zwar nur, aber so richtig überlegen, was er dorthin schrieb, sah ich nicht. Es war viel mehr das Starren, wie ich es öfters hatte. Mein Kopf blieb dabei leer und ich fühlte, wie ich herunterfuhr, wie ich keinen wirklichen Gedanken mehr hatte, wie es mich entspannte. Oft genug brauchte ich das Starren, nur um dann kurz für mich zu sein, als würde ich mich in mich selbst zurückziehen, weil ich gerade brauchte. Meist tat ich auch nach außen so, als würde ich über irgendetwas nachdenken. Denn ich hatte mal gelesen, dass es die Leute unheimlich fanden, wenn man in der Gegend herumstarrte. Auch wurde ich des Öfteren gefragt, ob mit mir alles in Ordnung wäre. Seitdem achtete ich darauf, dass es keinem außer mir auffiel und wenn doch, dann sollte ich wenigstens den Eindruck machen, als würde ich über irgendetwas nachdenken. Oder wie in diesem Fall, mich versuchen auf etwas zu konzentrieren. ‚Wie das wohl für andere Leute aussieht? Wie das Two Thousand Yard Stare? Oder wie eine harmlose Version davon? Oder ist es einfach allgemein unheimlich? Irgendwie schon, aber wie soll ich den Leuten erklären, dass es einfach erholsam ist? Einfach nur zu gucken, mehr nicht? Das ist so, als würde mein Kopf kurz schlafen …‘ „Ich weiß, ihr Jammerlappen! Heangdea untersucht gerade den Oberlauf“, war Haks einziger Kommentar zu der ganzen Angelegenheit. Doch diese wenigen Worte reichten offenbar aus, um sein Gefolge für ein paar Sekunden verstummen zu lassen. Durch ein paar wenige Worte hatte er ihnen gezeigt, dass er die Situation immer mehr und mehr unter Kontrolle bekam, möglicherweise schon immer hatte und auch, dass er genau wusste, was er dort tat. Aus dem Flüstern war ein gelegentliches Tuscheln geworden, dass sich die Bewohner nun untereinander austeilten. Doch als ich kurz jedoch genauer hinhörte, konnte ich heraushören, dass das Getuschel lediglich aus unverständlichem Genörgel und Gemecker bestand, zumindest dem Ton der Stimmen nach. „Was machst du denn da, Anführer?“, fragte ihn ein junger Mann mit einem kecken Gesichtsausdruck. „Sollte der Fluss auch weiterhin kein Wasser führen, müssen wir eine Weile bei den reisenden Händlern kaufen“, begann er zu erklären, wobei er sich nicht von seinen Berechnungen beirren ließ. Noch immer kratzte er mit seinem kleinen Zweig auf dem sandigen Boden vor sich herum. „Würden wir in der Ferne Wasser schöpfen, würde das Menschen und Geld kosten …“ Er hielt kurz inne. Sein Gesichtsausdruck hatte bereits die ganze Zeit, wie er die Berechnungen anstellte, einen leicht dämonischen Touch, doch nun vergrößerte sich sein Grinsen. Nun ähnelte er allmählich weitaus mehr einem Dämonen als einem Menschen. 'Als würde vor mir Inu Yasha sitzen, der die Kontrolle über sein Dämonenblut verloren hat und nun gleich in einen Blutrausch geraten würde.' „Khe he he ...! So langsam wird’s absurd!“, sprach er in einem derartig finsteren Ton, als wollte er damit seine dämonische Miene damit unterstreichen. Ein Schauer lief mir über den Rücken, doch für die anderen schien es ein vollkommen gewohnter Anblick zu sein. Was es für mich nicht gerade besser machte. „Er rechnet den Betrag aus?“, sah ihn Teu mehr als ungläubig an. Neben ihm stand Taeyeon, doch diesem schienen die Zahlen weniger zu interessieren. Viel mehr brannte ihm etwas anderes unter den Nägeln. „Hak, ich habe gehört, du bekommst für das Bewachen der Prinzessin Bares. Stimmt das?“, befragte er seinen großen Bruder neugierig, doch dieser reagierte nicht auf die Frage. „Was haben wir denn sonst noch so …?“, murmelte er vor sich hin, und es wirkte so, als hätte er die Umwelt um sich herum ausgeschaltet. Als würde es für ihn nur noch sich selbst und seine Berechnungen ergeben. Was mit Sicherheit nicht sehr einfach war, denn immerhin war er für die Hauptstadt des Windclans verantwortlich und nicht nur für ein kleines 10-Mann-Dorf. ‚In seiner Haut möchte ich jetzt lieber nicht stecken.‘ ~~*~~ Ich seufzte leise, immer noch im Zimmer sitzend, als plötzlich die Tür aufgeschoben wurde und eine Dienerin eintrat. In ihren Armen trug sie ein Buch und Blätter, die aufgehäuft auf diesem ruhten. Oben drauf balancierte sie ein kleines irdenes Gefäß, in dem eine Feder steckte. Ich wusste was sich wohl darin befand, weil ich diese Art von Gefäßen schon in Filmen oder auch in einem Museum gesehen hatte. Ein Tintenfässchen. „Soo-Won-sama lässt Ihnen das schicken. Damit Sie sich nicht langweilen.“ Sie betrat das Zimmer und ging auf den Schrank zu, auf dem sie die Papiere und das Buch ablegte. Sie wandte sich noch einmal zu mir um, deutete eine Verbeugung an und verließ das Zimmer wieder. Ich wartete, einige Minuten, bis ich mir sicher war, das die Dame weg war, bevor ich zu dem Schrank ging und das Buch hervor zog. Es hatte einen dunklen, braunen Einband, der sich in meiner Hand nach rauen Leder anfühlte. Am Rücken wurde das Leder rauer, oder viel eher unebener. Ich sah es mir genauer an und erkannte am Fuß ein mir unbekanntes Zeichen, welches schwarz war und wohl in den Einband eingebrannt worden war. Eine Zahl vielleicht? Ich fuhr den Rücken entlang, und sah ihn mir genau an. Das hier unterschied sich schon sehr von den Bucheinbänden, die ich aus meiner Welt kannte. Und doch, war dieses Buch wie ein Unikat. Ich drehte es auf die Rückseite. Keine Beschreibung, einfach nur raues braun. Die Vorderseite hingegen hatte ein Motiv. Eine Art Blume, die wie schon das Zeichen auf dem Buchrücken, eingebrannt schien. Ich strich mit dem Finger darüber und konnte so erkennen, dass dem wohl wirklich so war, denn die Blume schien tiefer geprägt zu sein. Neugierig schlug ich das Buch auf und betrachtete das Innere der Bindung. Ich konnte deutlich das feste, harte Stück Schnurr sehen, mit dem das Buch gebunden war. Einstiche der Nadel und das erste Papier, dass von seiner Art anders schien. Stärker und fester. Ebenso war es in seiner Art Rauer, wohingegen die anderen Seiten glatt schienen. Ich schlug die nächste Seite auf und der Kontrast wurde klar. Eine Blumenwiese. Bunt, mit saftigen Grün. Ich konnte mir vorstellen, wie sich die Blumen im seichten Wind bewegten, ihre Köpfchen gegeneinander stießen, während die Grashalme sanft über ihre Stängel strichen. An einem schönen Sommertag waren es sicher Schmetterlinge, die wie Elfen über die Wiese tänzelten.Von Köpfchen zu Köpfchen, zu Köpfchen. Und inmitten dieser Wiese erkannte ich eine Blume, die sofort meine Aufmerksamkeit erregte. Rot wie das glühen der aufgehenden Sonne. Inmitten von Gelb, Violett, blau... Eine einzige rote Blume. Ich blätterte weiter und auf der nächste Seite war eine der Blumen, die ich zuvor auf der Wiese gesehen hatte. Blau, mit spitz zulaufenden Blütenblättern. In der Mitte waren die Pollen zu sehen. Getrennt von braunen, geschwungenen Strichen, die wohl zeigen sollten, dass es nicht aneinander klebte. Das Bild war sehr liebevoll gestaltet. Sehr detaillierte, so dass man fast schon das Gefühl hatte, man bräuchte nur nach dem dicken Stängel greifen um die Blume aus dem Papier zu zerren. Und es war nicht die einzige Blume die so gestaltet war. Jedes einzelne Bild war so lebensecht, so greifbar. Und doch hielt ich wieder bei der roten Blume inne. Die Blätter waren nicht vollständig rot. An den Rändern war sie orange, wodurch es schien, als würde jedes Blütenblatt aus einer kleinen Flamme bestehen. Das Gelb in der Mitte schien der Quell dieser Flammen zu sein. Es verschlug mir die Sprache und ich konnte irgendwie nicht anders als an Yona zu denken, die in der späteren Phase ihres Abenteuers wie diese Blume inmitten eines farbenfrohen Feldes war. Einmalig, faszinierend, die Aufmerksamkeit auf sich ziehend. ~*~ So blieb es auch noch eine ganze Weile lang, die anderen waren mittlerweile längst verstummt und hatten auf das nächste Lebenszeichen ihres jungen Anführers gewartet, als jemandem ein überraschter Laut über die Lippen fuhr. „Oh!“, sagte er und wurde dabei noch etwas lauter. Er war fast schon am Schreien. „Der Älteste! Der Älteste Mundok ist zurück!“ Schnell, mit ein paar flinken Bewegungen, verwischte Hak seine Berechnungen, sodass weder wir, noch die anderen Bewohner oder Mundok sie sehen konnten. Kaum war er damit fertig, den Sand wieder so aussehen zu lassen, wie vor seinen Berechnungen, näherte sich auch bereits der Älteste dem Flussbett. Er kam aus der gleichen Richtung, aus welcher wir vorhin gekommen waren, nur saß er auf einem Pferd. Was bedeuten musste, dass er zuerst in der Stadt, möglicherweise in seinem Haus und nach Hak wie auch Yona gesucht haben musste. Kaum hatte er unsere Stelle erreicht, stellte er sein Pferd mehrere Meter entfernt von uns ab und stieg ab. Mit einem überschwänglichen „Opaaaaaa!!“ wurde er von seinem Enkel begrüßt, aber auch die anderen Mitglieder des Windclans freuten sich, ihr ehemaliges Oberhaupt wieder zu sehen. Mundok sah genauso aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Oder zumindest das, was von meiner Erinnerung an ihn noch übrig geblieben war. Was, wenn ich so darüber nachdachte, nicht sonderlich viel war. Letztlich konnte ich mich nur an seinen weißen Bart, der ihm bis auf die Höhe des Adamsapfels gewachsen war, seine langen Ponyhaare und das Stirnband erinnern. Dass er auf dem Kopf ein Stirnband trug und wie sein Enkel Perlen, die jedoch in seinem Haar steckten, diese Details waren mir bereits wieder entfallen. Auch, dass er einen langen, hellen Mantel trug, hatte ich bereits wieder vergessen. Er war komplett weiß, nur an den Rändern befand sich ein kompliziert aussehendes Muster. Auf mich machte er mehr den Eindruck, als wäre er ein Bewohner der Wüste, als das des Windclans. Sein linkes Auge war verschlossen und er besaß dort eine Narbe, die sich über das komplette geschlossene Auge zog. Wie bei Zorro aus One Piece oder Kakashi aus Naruto, er hielt es auch wie Zorro geschlossen. Automatisch musste ich an die ganzen Diskussionen über Zorros geschlossenes Auge denken, die ich so im Internet eher beiläufig mitbekommen hatte. Er wirkte weise und erfahren auf mich, aber auch wie ein typischer Großvater. Zumindest vermutete ich es, mangels eigener Opa-Erfahrung. Doch im Gegensatz zu den Gedanken an meinen Vater machten mich diese nicht traurig. Vermutlich, weil ich meinen Großvater nie groß kennengelernt hatte, beide nicht. Kaum war er von seinem Pferd abgestiegen und sein suchender Blick hatte das gefunden, wonach er gesucht hatte, rannte er so schnell er konnte auf uns zu. Nun war mir vollkommen klar, dass er nach Hak und Yona gesucht hatte. Irgendjemand, vermutlich die alte Dame, hatte ihm erzählt, dass sich die beiden auf dem Weg zum Fluss gemacht hatten. Ich fragte mich, wie er wohl reagieren würde, sollte er von dem leeren Flussbett erfahren. Denn auch seine Reaktion war eine der vielen Dinge, die ich bereits wieder vergessen hatte. Als er uns erreicht hatte, ging Yona ein paar Schritte auf ihn zu und er umarmte sie so fest es sein bereits älterer Körper es ihm erlaubte. Sie verschwand fast in seiner Umarmung, lediglich ihr feuerrotes Haar und Teile ihrer Kleidung guckten noch ein wenig heraus, so groß war der Größenunterschied zwischen den Beiden. Erleichterung bereite sich auf Mundoks Gesicht aus. Winzige Tränen liefen ihm über das Gesicht, was Hak und ich aber auch nur sehen konnten, weil wir uns direkt neben ihm befanden. Denn kaum hatte der Älteste Yona in seinen Umarmung gesteckt, hatten wir beide uns ihm ebenfalls genähert, während die anderen ihren Abstand lieber behalten wollten. „Was für ein Glück! Ihr seid wohlauf. Ich bin so froh!“, sagte Mundok in die Umarmung hinein und man konnte aus seiner Stimme heraushören, wie ihm wohl ein gewaltiger Felsbrocken vom Herzen fiel. In meinen Augen sammelten sich ein paar kleine Tränen, welche ich verschämt wegblinzelte. Soweit ich mich erinnern konnte, ging es Yona nicht besser, nur dass sie sich im Gegensatz zu mir für ihr Mitgefühl nicht schämte. Noch immer umarmte er sie fest, es wirkte so, als wollte er sie nie wieder gehen lassen. Als hätte er seine langverlorene Tochter endlich wieder gefunden. Wieder wurden meine Augen feucht, wieder blinzelte ich es weg. „Ich wollte es nicht glauben … dass der König tot ist und Ihr mit Hak den Palast verlassen habt. Aber es ist wahr.“ Hinter uns konnte ich das wieder aufsteigende Getuschel hören, jedoch war es dieses Mal von einer verwundert-neugierigen Natur. Verständlich, immerhin hatte ihr Ältester das junge Mädchen fest seine Arme genommen und wirkte so vertraut zu ihr, als wäre es eine alte Bekannte oder gar ein Teil seiner Familie. Irgendwie machte mich der Gedanke doch ein wenig traurig, doch ich schüttelte das Gefühl innerlich ab. ‚Lächerlich. Absolut lächerlich. Das ist nichts, weswegen ich neidisch sein müsste. Mama umarmt mich ja auch ständig. Mann, was ist nur wieder mit mir los? Naja, einfach nicht rankommen lassen …‘ Ein ungutes Gefühl breitete sich in meiner Brust aus und ich begann, mich mit mehreren Schritten von der Szene zu entfernen. Ich spürte, dass ich eine Auszeit brauchte, eine Zeit für mich und nur mich alleine. Seit ich in dieser Welt angekommen war, war ich ständig in der Gegenwart von anderen Menschen und es kostete mich immer mehr Kraft, nicht nur körperlich anwesend zu sein. Mich auf die Gespräche zu konzentrieren, darauf zu achten, dass ich nicht mit meinen Gedanken wegtriftete und dass es auch keiner außer mir bemerkte, sollte ich es doch tun. Mich einfach mal irgendwo hinsetzen und einfach nur meinem Gedankenfluss hingeben. Den kleinen Zeh hineinzuhängen, mich darin fallen und treiben zu lassen. Auch, wenn ich mich hinterher kaum an die Ideen und Gedanken erinnern konnte, war es wie ein Bad meiner Seele. Einfach nur für mich sein, genau das brauchte ich jetzt. Zu meinem Glück waren alle auf die Beiden fokussiert, so dass es keiner mitbekam, wie ich mich von ihnen in die Richtung des Dorfs entfernte. Lediglich das Pferd ließ ein Schnauben für sich, doch ein Blick zeigte mir, dass es ein eher allgemeines Schnauben und nicht für mich speziell bestimmt war. Zwar war das Gefühl nicht so stark wie an den Tagen, an die mich die bloße Anwesenheit anderer Menschen einfach nur nervte, dennoch erdrückte es mich fast. So suchte ich mir eine schattige Stelle unter mehreren Ästen, lies mich auf dem Weg nieder und blickte in den Himmel, meinen Gedanken nachgehend. ‚Hui, da bin ich ja in was reingekommen … wie damals, als Steven zusammen mit Lars auf Homeworld gelandet ist und den Off-Colors begegnet ist. Hach ja, das war eine wilde Tour. Aber jetzt ist er auf der Erde und Lars ist noch immer auf der Erde. Wie er ihn wohl heimbringen wird? Ob er es überhaupt schaffen wird, immerhin haben sie ja kein Schiff, mit dem sie einfach mal eben hinfliegen könnte. Das hat ihnen ja Navy abgenommen. Ob sie wohl alle Rubys, die im All herumgeflogen sind, eingesammelt hat? Bestimmt, immerhin ist das ja wie eine Clique. Und was werden die Off-Colors machen? Oder gar die Diamonds? Ob die irgendwann auf die Idee kommen werden, dass Steven Homeworld verlassen hat? Bestimmt. Hoffe, es geht den Zircons gut. Hihihi, irgendwie erinnert mich die ganze Trial-Szene an Phoenix Wright … Hilfe, das hab ich ja schon lange nicht mehr gespielt. Was ist eigentlich aus meinen DS-Spielen geworden? Hab ich die überhaupt noch oder habe ich die schon verkauft? Ich kann mich nicht mehr erinnern, das ist alles weiß … naja, ich könnte zwar eins der Spiele spielen, wenn ich wieder daheim bin, wann auch immer das ist, aber ich kenne mich, bis dahin hab ich es längst wieder vergessen. Oder, wenn ich mich erinnere, hab ich längst die Lust daran verloren. Immerhin wäre es cool, wenn ich sie jetzt spielen könnte und wenn es dann soweit ist, will ich es gar nicht mehr. Macht aber auch nichts, ich hab ja so viele Spiele, die ich noch spielen müsste. Allein schon die ganzen Spiele auf Steam …‘ Ich rührte mich nicht, spürte nur den angenehmen, leichten Wind, wie er mir durch die Haare und über die Haut wehte. Hörte das ferne Zwitschern mir unbekannter Vögel und folgte den unschuldigen Wolken, wie sie so über den Himmel über mir dahinzogen. Erst eine Bewegung, die ich im Augenwinkel erkannte, brachte mich zum Reagieren. Ich unterbrach meinen Gedankenfluss und blickte zur Seite. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich mich wieder in der Realität zurechtfand. Bis ich wieder bemerkte, was echt ist und was nur zu meinem Gedankenpalast gehörte. Schließlich erkannte ich die Gestalt, die sich mir näherte und instinktiv riss ich meine Augen auf. Es war Heangdea, der bereits bessere Tage gesehen haben musste. ‚Stimmt ja, er wurde ja von Leuten vom Feuerclan verprügelt oder so, als er wegen dem Fluss nachsehen gegangen ist.‘ Schnell richtete ich mich auf und lief ihm entgegen, bereit, ihn jederzeit aufzufangen, sollte er in Ohnmacht fallen. Ich wusste zwar, dass ich, was meine körperliche Kraft anging, ein nasses Handtuch war, dennoch wollte ich dem jungen Mann nur helfen. Seine Kleidung war dreckig, als hätte er sich einmal kräftig in einer Mischung aus Staub und Erde gewälzt. Sein Gesicht und sein Hände waren übersäht mit Schrammen und Kratzern, hier und da war es sogar blutverkrustet. ‚Sie haben ihn nicht umgebracht … sie hätten es bestimmt tun können, aber sie haben es nicht getan. Wohl, damit er uns warnen kann …‘ Erschrocken über meinen eigenen Gedankengang bot ich ihm meine Schulter an, welche er dankbar annahm. Er hakte sich bei mir ein, wobei er, dank meiner geringen Körpergröße, eher auf meiner Schulter lag und ich mich bei ihm untergehakt hatte. „Danke dir, ich hab mich doch schon ziemlich schwach auf den Beinen gefühlt. Das ist wirklich sehr nett von dir“, sagte er mit brüchiger Stimme und ich befürchtete schon, dass er mir nun in Ohnmacht fallen würde. Was er zu meinem Glück nicht tat. „Was ist mit dir passiert? Du siehst schlimm aus?“, fragte ich vorsichtig und dachte für einen kurzen Moment, ich wäre vielleicht mit meiner Frage zu neugierig gewesen oder zu intim. Doch Heangdea sah das wohl anders. „Ich habe, wie Hak-sama befohlen hatte, mir den Oberlauf näher angesehen. Erstmal ist mir überhaupt nichts Verdächtiges aufgefallen, doch dann habe ich gesehen, dass es eine große Blockade gibt. Als ich mir ihr genähert habe, habe ich die Typen vom Feuerclan erkannt – die haben die Blockade gebaut.“ ‚Dachte ich es mir … was war es nochmal? Sie haben es im Anime gezeigt … war es nicht ein Staudamm? Oder erinnere ich mich nur wieder falsch? Wie auch immer, ich darf jetzt nicht abdriften, auch, wenn es noch so verlockend ist. Ich muss mich um ihn kümmern. Zwar ist meine Schulsani-Ausbildung ewig her, aber er braucht auf jeden Fall eine Behandlung seiner Wunden.‘ „Das hört sich gar nicht gut an“, sagte ich und zum ersten Mal seit langem hatte ich das Gefühl, dass meine Emotionen dabei nicht gespielt, sondern echt waren. „Hör mal, soweit ich das mit bekommen habe, ist euer Ältester wieder zurückgekommen … wenn du willst, bringe ich dich zu ihm. Er ist bei Hak und den anderen.“ Heangdea nickte und ich spürte, wie ihn immer mehr die Kräfte verließen. ‚Verdammt, warum kann ich nicht mehr wie Jasper sein? Oder es reicht ja auch Amethyst – sie ist zwar klein, aber trotzdem stark … oder überhaupt ein Gem? Normal stört mich meine Schwäche ja nicht, aber jetzt ist es halt echt unpraktisch.‘ „Ja, bitte, bring mich dort hin, ich muss mit den beiden reden“, sagte er, einer Ohnmacht immer näher kommend. Ich rang mit mir selbst und hoffte, dass es nicht allzu schnell passieren würde. Oder zumindest dort, wo mich die anderen sehen und mir helfen würden, sollte er doch komplett das Bewusstsein verlieren. „Klar, gerne doch“, stieß ich nervös aus und ging mit ihm, Schritt für Schritt, langsam zu den anderen zurück. ~~*~~ Ich hatte einige Zeit damit verbracht, das Bilderbuch der Blumen anzusehen, bevor ich zu einem Stück Papier gegriffen hatte und mich versuchte an den Beschreibungen der gesehenen Pflanzen zu wagen. Mir fiel zwar keine Geschichte ein, aber ich wusste, wo beim Schreiben meine kleinen Herausforderungen waren, weswegen ich mich zu dieser Schreibübung entschieden hatte. Sonderlich gefallen tat es mir aber nicht. Die Beschreibungen wirkten steif, vollkommen kunstlos und ich fragte mich, ob es in einem kreativen Text vielleicht wesentlich flüssiger wirken würde. Ich musste das wohl später probieren, wenn mir auch nur eine Idee für eine Kurzgeschichte zuflog. Zeit dafür hatte ich aber nicht mehr, denn Jonghyuk kam in mein Zimmer zurück. In seinen Händen hielt er verschiedene Stoffe, allesamt in Farben, wie ich sie in meiner Heimat zu meiden versuchte. Gelb, pink, grün... würg. „Verzeih das ich so lange gebraucht habe. Es war nicht leicht ein paar Sachen zu finden, die dir passen könnten. Die meisten Frauen... also...“ Ich nickte verstehend und sah an mir hinab. Der Kimono den ich trug, bedeckte nur spärlich meine Oberweite und war anrüchigerweise geöffnet, weil ich ihn einfach nicht geschlossen bekam. „Schon in Ordnung. Solange ich mich nicht vollständig vor Soo-Won zum Löffel mache, ist alles in gut.“ Jonghyuk legte die Kleidung über dem Sichtschutz ab, wobei mir sofort etwas auffiel, dass zwischen der bunten Farbvielfalt hervorblitzte. Schwarz. Etwas schwarzes. Ich erhob mich von meinem Platz und ging auf den Sichtschutz zu, um mir das genauer anzusehen. Ich griff nach dem Stoff, der samten schien. Weich und sehr glatt, so dass ich fürchtete, er würde von dem Sichtschutz rutschen. „Das ist ein Hanbok. Ich fand den mit den schwarzen Stickereien sehr hübsch. Generell sind sie einfarbig gehalten, aber für Yona-Hime werden diese traditionellen Sachen immer noch etwas aufwendiger und besonders gemacht.“ Jonghyuk nahm ein paar der Stoffschichten runter und reichte mir eine weiße Hose, einen Unterrock, den roten Oberrock mit den schwarzen Stickereien, ein roséfarbenes Jäckchen, dass mich stark an meinen schwarzen Bolero aus der Heimat erinnerte und Unmengen von Bändchen, die mir sagten, dass ich gefühlt eine Tonne Stoff tragen müsste. „Das...“ „Ja, das gehört alles zum Hanbok. Am besten fängst du mit der Hose an. Wir haben Glück, dass es nicht so kalt ist, sonst müsste da noch eine dicke Hose drüber.“ Meine Augen weiteten sich als er das sagte, denn ich fand schon jetzt die Menge an Stoff übertrieben. Nicht das ich in meiner Welt weniger trug. Gerade im Winter konnte es niemals genug Stoff geben. Aber da achtete ich drauf, dass es keine Röcke waren und dass ich nicht fünf Kilo dank Kleidung zunahm. „Also, los.“ Jonghyuk legte die anderen Sachen beiseite und nahm mir alles ab, bis auf die Hose. „Sag wenn du fertig bist, dann gebe ich dir das nächste Teil. Wenn du Fragen hast, trau dich. Oder soll ich jemanden holen, der dir beim ankleiden hilft?“ Er schien selbst unsicher zu sein, was er tun sollte, ohne das ich mich unwohl fühlte. Ich schüttelte aber den Kopf und verschwand hinter dem Sichtschutz. Ich entband den Kimono, schälte mich aus diesem und hing den Stoff über den Sichtschutz, so dass Jonghyuk ihn nehmen konnte. „Wieso hast du mir nicht gesagt, dass du die Mauer sehen willst?“, fragte er schließlich, während ich in die Hose schlüpfte. „Wollte dir keine Umstände machen“, murmelte ich und fühlte mich erneut schuldig, dass ich ihn schon wieder angelogen hatte. Das hatte er eigentlich nicht verdient. „Das war ganz schön gefährlich. Ein Glück hast du Soo-Won-sama getroffen. Er ist echt unglaublich, oder?“, fragte Jonghyuk, wobei er wie ein begeisterter Fanboy klang. Natürlich war Soo-Won unglaublich und das nicht nur im positiven Sinne, doch das konnte ich schlecht sagen. Wie hätte das denn bitte gewirkt? „Mh... Er ist sehr nett und verständnisvoll. Hätte eher gedacht, dass er mich sofort von Wachen gefangen nehmen lässt. Stattdessen lädt er mich zum Essen ein.“ „Das liegt an sein großes Herz. Soo-Won-sama hatte noch nie Probleme Freunde zu finden. Er war schon immer recht beliebt. Deswegen ist die Sorge natürlich groß, dass man ihm etwas antun könnte. Nach dem Ableben des Königs, ist er der einzige, auf dem unsere Hoffnungen ruhen.“ Ich wurde hellhörig, während ich nach dem Unterrock griff, den mir Jonghyuk über den Sichtschutz gereicht hatte. Das war mehr als ein Fanboy. So sprach wohl nur jemand, der ein enger Vertrauter oder ein langjähriger Diener von Soo-Won war, oder? „Sag, Jonghyuk... Bist du schon lange hier im Palast?“ Ich zog den Unterrock an, der eher die Farbe einer Eierschale hatte. Alles Farben, die ich für gewöhnlich nicht tragen würde, die aber sicher nicht unter dem blauen Oberrock mit den schwarzen Stickereien hervorblitzen würden. „Ein paar Jahre. Hier, der Oberrock muss bis unter die Brust. Vorher solltest du aber noch das Unterhemd anziehen.“ Er reichte mir zwei Teile. Den langen Oberrock und ein dünnes Hemd, welches ich mir als erstes über den Kopf streifte und einigermaßen provisorisch in den Unterrock stopfte. Gott warum mussten sie so viele Sachen tragen. Hätten sie nicht einfach ein normales Kleid haben können? Ich seufzte innerlich und schlüpfte in den Oberrock. So wie es Jonghyuk erklärt hatte, zog ich ihn bis unter die Brust. Schon jetzt spürte ich dieses beklemmende Gefühl das meine zu große Oberweite immer bereitete. Der Bolero würde unter Garantie nicht gut schließbar sein. „Ich helfe dir. Du brauchst sicher Hilfe beim binden.“ Ich konnte spüren, wie meine Wangen heiß vor Schamesröte wurden. Immerhin war Jonghyuk ein Mann und ich wollte eigentlich nicht halbfertig bekleidet von ihm gesehen werden. Doch ich wusste auch, dass ich nur schwer an die Bänder heran käme. Ich kam etwas hinter dem Sichtschutz vor und hielt den Oberrock fest, damit Jonghyuk ihn schnüren konnte. Er zögerte nicht, zog straff an den Bändern und schnürrte mir damit etwas die Luft ab. „Geht's?“, fragte er und ich nickte, auch wenn ich gefühlt kaum noch Luft bekam. Ehrlich, große Brüste und dann noch eine feste Schnürrung waren der Lunge Tod. „Gut, nur noch das Jäckchen.“ „Wirklich?“ Jonghyuk lächelte und hielt mir das Jäckchen entgegen. Ich seufzte, hob die Arme und gestattete ihm, mir den Bolero überzustreifen. Er zog fest, damit er den Stoff über meine Oberweite bekam. Es fühlte sich ermüdend an, doch schließlich, band er schnell eine Schleife, so dass der Stoff nicht mehr rutschte. „Sind wir fertig?“ „Nein. Hier kommt noch die Krönung. Das wird ganz wunderbar aussehen.“ „Wie kann man sich darin nur bewegen?“ Jonghyuk grinste und nahm noch einen dickeren, langen Stoff, den er um mich legte und gut zu einer großen Schleife unter der Brust schnürrte. Die Farbe des Stoffes war Schwarz, so dass er gut zu den Stickerein passte. Und hey, zu Pink, rot und rosé passte schwarz sowieso immer. Ich holte tief Luft und versuchte so noch ein letztes Mal genug Sauerstoff einzuatmen. „Fertig. Du bist bereit für Soo-Won-sama.“ Ich schluckte schwer und sah an mir hinab. Der Kimono hatte schon viel gewogen, doch das hier toppte es noch einmal. Immerhin musste ich das hier nur für ein Abendessen tragen. Ich konnte nur hoffen, dass ich nicht wegen Sauerstoffmangel zusammenbrachen. Kapitel 7: Glücksspiele ----------------------- Meine Blicke ruhten zweifelnd auf Jonghyuk. Ich fühlte mich absolut nicht wohl in meiner Kleidung. Sie war zu prunkig. Zu unpassend... So gar nicht ich. Was hatte Soo-Won sich dabei gedacht so etwas für mich wählen zu lassen? Sicher wenn man mit einem König, ob zukünftig oder gegenwärtig, speiste, musste man wohl gemessen gekleidet sein, aber sicher hätte es auch ein hübscheres paar Hosen getan. „Soo-Won wartet schon auf dich. Du musst einfach die Tür öffnen und durchgehen“, erklärte Jonghyuk, der scheinbar merkte, wie sich alles in mir sträubte diesen Speisesaal zu betreten. „Das weiß ich... Aber... ich seh total albern aus. So kann ich mich ihm doch nicht präsentieren.“ Zum gefühlten hundertsten Mal äußerte ich meine Bedenken über meine Garderobe. Und zum gefühlten hundertsten Mal fing Jonghyuk an, an meiner Kleidung herumzuzuppeln. So als wollte er sicher gehen, dass keine Falte eine Chance hatte, mich zu entstellen. „Mach dir doch keine Sorgen. Du siehst gut aus. Die Sachen sind an einigen Stellen vielleicht dezent zu kurz, aber das wird schon. Soo-Won-sama wird dich deswegen nicht verurteilen.“ Alles in mir krampfte sich zusammen, denn gemessen meiner aktuellen Situation wollte ich nicht verurteilt werden und irgendwie schwebte dieses unsichtbare Henkersbeil immer noch über mir. „Oh verzeih, falsche Wortwahl“, entschuldigte sich Jonghyuk sofort, als er merkte, wie ich mich anspannte. „Ich meinte nur, dass Soo-Won-sama-“ „Ich weiß, ich weiß. Er wird kein schlechtes Wort über mein Aussehen verlieren.“ Ich seufzte, mich ergebend, und sah Jonghyuk ein letztes Mal an, bevor dieser mir die Tür öffnete und in das Innere blicken konnte. Der Saal erschien mir schon jetzt viel zu groß und doch war er noch zu klein um Soo-Won gefühlte hundert Lichtjahre von sich entfernt zu haben. Ich sah Soo-Won der bereits an einem Platz saß und auf mich zu warten schien. Die von mir gedachte Tafel, bestand nur aus einem kleinen runden Tisch, so dass ich nicht die Möglichkeit bekam mich 15 Stühle weiter weg zu setzen. Verdammt. Er schien es geahnt zu haben und hatte bereits alle Vorkehrungen getroffen, damit ich nicht fliehen konnte. Mit einem sanften Stoß, schubste mich Jonghyuk in den Saal und verschloss, wie in einem Horrorfilm die Tür hinter mir. Und wenn ich eines aus Horrorfilmen gelernt hatte, dann waren Türen die sich hinter einen schlossen selten ein gutes Zeichen. Mit einem tiefen Seufzen wandte ich meinen Blick zu Soo-Won, hinter dem zwei Wachen standen, die sich scheinbar angeregt unterhielten. Ihre Blicke waren bohrend, fast schon bedrohlich. Mir war klar was sie dachten. 'Warum darf diese verdächtige Ausländerin mit Soo-Won zusammen essen?' Und ja, es waren berechtigte Gedanken, natürlich nur, wenn man nicht wusste, dass Soo-Won den König getötet hatte. Und alle Wachen und Soldaten konnten das unmöglich wissen. „Es freut mich, dass du der Einladung gefolgt bist. Setz dich doch. Darf ich anmerken, dass dir der Hanbok steht?“ Soo-Won lächelte mich an und wies mit seiner linken Hand auf einen freien Platz ihm gegenüber. Ich näherte mich vorsichtig, wobei ich meinen Blick nicht von den Wachen nehmen konnte. „Ich muss ehrlich gestehen ich fühle mich mit Röcken und Kleiderähnlichen Dingen nicht wohl. Ich bevorzuge Hosen“, erklärte ich und setzte mich auf den zugewiesenen Platz. Immer noch starrte ich zu den Wachen, deren Blicke mich förmlich erdolchten, erhängten und zusätzlich noch verbrannten. Monokuma hätte sicher seinen Spaß dabei gehabt. „Ist das in eurem Land üblich? Das Frauen Hosen tragen?“ Ich sah zu Soo-Won und war kurz über seine Frage verwirrt. Doch ein paar Sekunden Bedenkzeit machten mir klar, dass Kleider und Röcke wohl eher üblicher für Frauen waren. Wie eigentlich überall im Mittelalter, wenn ich da einigermaßen richtig informiert war. Zumindest war es zur Zeit der Shinsengumi in Japan üblich. Weiter reichte mein geschichtliches Wissen dank Hakuouki nicht. Aber wenn ich es recht bedachte, hatte Yona auch eher selten bis nie in Hosen gesehen. „Ja. Bei uns herrscht so etwas wie freie Kleidungswahl. Wenn Frauen Hosen tragen wollen, tragen sie welche. Die sind sogar meist für Frauen zurecht geschnitten.“ Soo-Won lächelte, schien das was ich sagte nicht zu verurteilen oder seltsam zu finden. Ich für meinen Teil fand seine Reaktion seltsam. Und das aus vielerlei Hinsicht. Er wusste, dass ich gelauscht hatte. Er wusste vielleicht sogar, dass ich ahnte, dass mir niemand die Wahrheit sagte. Immerhin, wenn ich nicht König Ils Mörder war, wer sollte es dann sein? „Eure Heimat scheint wirklich ein interessanter Ort zu sein. Wenn ihr wollt, könnt ihr mir mehr erzählen.“ Egal was Soo-Won sagte, er weckte Misstrauen in mir. Warum sollte ihn interessieren, wie meine Heimat war? „Erzählt mir bitte, warum ihr euch so sicher seid, dass ich König Il nicht ermordet habe.“ Kaum, dass ich meine Gedanken ausgesprochen hatte, gingen die Soldaten hinter Soo-Won in Position. Bereit mich festzusetzen, wenn ich auch nur eine falsche Bewegung machte. Doch Soo-Won hob die Hand und sein Lächeln, wurde sofort ernst. „Weil ihr es nicht wahrt, deswegen. Wir haben den Sachverhalt genaustens geprüft und bereits einen anderen Verdächtigen im Visier, der wesentlich offensichtlicher und wahrscheinlicher der Mörder ist. Die unglücklichen Umstände haben euch lediglich in diese Sache hineingezogen. Bitte macht euch keine Sorgen, ihr seid mein Gast und könnt euch daher so frei bewegen, wie es euch beliebt. Und das werden alle hier respektieren.“ Ich konnte sehen, wie er mit den Augen in Richtung der Soldaten schielte. Es schien wie eine Warnung für diese zu sein. Ihre Haltung änderte sich sofort, wurde lockerer, fast schon ein wenig unsicher. „Heißt das, ich darf jederzeit den Palast verlassen und meine Reise fortführen?“ „Selbstverständlich dürft Ihr das. Ich bitte euch aber noch etwas zu bleiben. Der Schlag den einer der Wächter euch verpasst hat, war nicht gerade sanft und mir wäre wohler dabei, wenn ihr so lange noch unter der Aufsicht unseres Arztes bleibt, bis dieser absolut sicher ist, dass es euch gut geht.“ Innerlich murrte ich. Denn damit machte mir Soo-Won einen Strich durch die Rechnung. Ich hätte wahrscheinlich den Palast noch am nächsten Tag verlassen und wäre zum Dorf des Windclans gereist. Doch unter diesen Umständen konnte ich nicht gehen. „Das ist wirklich sehr freundlich von euch. Aber versteht bitte, dass ich eure Gastfreundschaft gerade jetzt nicht überstrapazieren mag. Ihr habt sicher viel zu tun mit der nahenden Krönung und Übernahme.“ „Macht euch darüber keine Sorgen.“ Sein ernster Blick war wieder einem gewohnten Lächeln gewichen. Das Lächeln, dass so viele Dinge verbarg, so viele Geheimnisse unsichtbar machte. Ein Lächeln, dass Soo-Won Einsamkeit und Trauer bescherte.  ~~*~~   Ernste Gesichter. Unabhängig davon, in welche Richtung des Raumes ich blickte, ich sah einzig und allein in ernste Gesichter. Kaum hatte ich dem schwer verletzten Heang-dea geholfen, zu den anderen hinüber zu gehen, war dieser mir im Arm zusammengebrochen. Natürlich kamen Hak und Mundook sofort zur Hilfe, denn ich alleine hätte ihn niemals wieder auf die Beine hochziehen können. Leise flüsterte der junge Mann dem ehemaligen Oberhaupt, was er wissen musste, woraufhin dieser mit dem Fuß aufstieß. „Beruhigt euch! Macht euch um den Fluss keine Gedanken! Lasst Heang-dea sofort zu meine Gemächer bringen. Und benachrichtigt meinen Hausarzt, möglicherweise sind Heang-deas Wunden schlimmer, als sie im Moment aussehen. Wir dürfen kein Risiko eingehen, insbesondere, nachdem die Lieferung heute noch nicht angekommen sein dürfte!“, sagte er mit starker Stimme, bevor er Hak die komplette Verantwortung über die Situation überlassen hatte. Erst in seinem Gebäude trafen wir ihn wieder. Yona und ich hatten die Wäsche wieder zusammengesammelt, doch in diesem Moment kümmerte es niemanden, ob die Laken nun dreckig waren oder nicht. Überhaupt war dieses Thema nebensächlich geworden, kaum hatten wir den stillgelegten Fluss gesehen. Zusammen mit sämtlichen anderen Bewohnern waren wir beiden Hak gefolgt, doch am Ende waren es nur noch wir drei und der ohnmächtige Heang-dea, die das imposante Gebäude betraten. Zwar wirkte es nicht so pompös wie so manche Schlösser, Kirchen oder andere wichtige Gebäude und doch konnte man schon alleine vom Aufbau des Hauses erkennen, dass es jemand sehr wichtiges sein Zuhause nannte. Ein flüchtiges Gefühl von Anmut streifte mein Herz, bevor ich mich wieder auf die Situation zurückkonzentrierte. Wie immer fiel es mir schwer, meinen Blick auf die Personen um mich herum zu fokussieren. Wie immer konnte ich mich nicht entscheiden, wen ich nun ansehen sollte. Heang-dea, wie er schutzlos vor uns auf der Matratze lag? Yona, welche mit besorgtem Gesicht in das meine sah, in der Hoffnung, meine Augen würden ihr die Antworten geben, die sie im Moment so sehr benötigte. Zu Hak, der überraschenderweise zu meiner Rechten saß? Oder doch eher zu Mundook, kaum, hatte er den Raum betreten? Ich wusste es nicht und so beschloss ich, abwechselnd alle Akteure des aktuellen Stücks anzusehen. Einfach der Gerechtigkeit wegen. Auch bekam ich ein seltsames Gefühl und sah mich weiter um. Sah die Bilder ehemaliger Herrscher des Windclans. Eine uralte Vase, von der ich nicht sagen konnte, ob sie ein teures Wertgegenstück war oder nur etwas, was man in meiner Zeit im Ein-Euro-Laden bekommen würde. Unter unseren Füßen bestand der komplette Boden, wie auch schon in Yonas Zimmer, komplett aus Holz, das von einem findigen Schreiner mehr als gemütlich gemacht wurde. Dennoch wurde mir klar, dass ich mir auf Dauer ein Kissen wünschen würde. So versuchte ich, eine Position zu finden, die weder anstößig, noch unbequem war. Erst, als ich meine Beine unter meinen Oberschenkeln ein wenig spreizen konnte, spürte ich, dass ich das wohl noch so eine Weile halten können würde.  In der Zwischenzeit hatte sich Mundook zu uns gesellt, er saß direkt an Heang-deas Kopf und betrachtete ihn streng. Dann begann er sich zu räuspern, obwohl keiner von uns etwas sagte und wir ihm bereits jegliche Aufmerksamkeit schenkten. Ich nahm an, es war so seine Art, ein Gespräch zu beginnen. Ein Ritual, um letzte Unsicherheiten abzuschütteln, bevor er sich mit anderen Leuten verständigte. „Opa“, sagte Hak, um das Gespräch irgendwie zu beginnen. Mundook seufzte laut, dann wandte er den Blick von seinem verletzten Clan-Mitglied ab. „Das … das ist eine Warnung des Feuerclans“, begann er nüchtern zu erzählen. Uns allen war sofort klar, was er damit meinte. Da ich bereits einen kleinen Teil der Geschichte kannte, wusste ich sofort, wie die Geschichte weiterlaufen würde, doch ich wollte auf keinen Fall auffallen, als ich es vermutlich ohnehin schon tat. Daher hielt ich mich still zurück und überließ Hak das Reden. „Eine Warnung?“, fragte Hak vorsichtig nach, noch immer konnte er sich kein Bild von der Situation machen. Sicher, der Feuerclan und der Windclan waren noch nie tiefe Freunde, aber der Angriff erschien ihm wohl zu willkürlich. Wieder begann Mundook zu seufzen, wieder nickte er langsam mit dem Kopf. „Sie wollen, dass So-Won-sama den Königsthron besteigt.“ Erschrocken rissen Yona und Hak die Augen auf, ich versuchte ebenfalls, mich überrascht zu geben, konnte jedoch nicht sagen, ob ich damit Erfolg hatte. Zu meinem Glück achteten sie gerade nicht auf mich, trotzdem gab ich mir Mühe, so zu tun, als würde ich von all dem hier nicht wissen. „Der Feuerclan …?!“, rief Hak laut auf, lauter, als es ihm wohl bewusst war.  Mundook legte eine Hand auf seine Schulter und fuhr fort: „Der Feuerclan scheint schon seit langem mit Suwon-sama unter einer Decke zu stecken. Sie setzen uns wohl unter Druck, weil ich bei der letzten Versammlung nicht zugestimmt habe, dass So-Won-Sama König wird. Leider war ich auch der Einzige mit dieser Einstellung, alle anderen … hielten diese Lösung wohl für praktikabel.“ Weiß wie die Wand, sank Yona in sich zusammen, die Hände in ihre Arme gekrallt. Ich konnte mir nur allzu gut vorstellen, was Yona gerade durch den Kopf ging. Zwar hatte sie sich von So-Won Verrat soweit erst mal erholen können, so gut es ging, doch das hier riss definitiv alte Wunden in ihr auf. „Eure Hoheit“, sagte Mundook, nun an Yona gerichtet. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich ihn für einen Großvater gehalten, der gerade liebevoll seine Enkelin trösten wollte. „Keine Sorge, ich werde das nicht zulassen.“ Er drehte sich zu ihr um und streichelte ihren Kopf, was ihr wieder ein wenig Farbe ins Gesicht zurückbrachte. „Würde ich So-Won-sama als König anerkennen … würde ich akzeptieren, dass Hak des Königsmords verdächtigt wird. Oder andere unschuldige Menschen, nur, weil sie ausländischer Herkunft sind. So, wie eure neue Freundin dort“, sagte er und deutete auf mich. Ich spürte, wie die gesamte Aufmerksamkeit des Raumes auf mich gelenkt wurde und blickte von Heang-dea auf, sah einen nach den anderen an und versuchte ihre Gesichter zu deuten. ‚Ich kenne hier jeden, ich denke mal nicht, dass sie mich verraten würden … nein, sowas würden sie nicht tun. Nicht die drei hier. Abgesehen davon könnte ich mich gar nicht verteidigen und hier sterben oder ins Gefängnis zu kommen, das kommt einfach nicht in Frage. Immerhin muss ich wieder zurückfinden, zu ihm …‘ „Was möchtest du damit sagen, alter Mann?“, fragte Hak, nicht gerade sehr von Mundooks Worten überzeugt. Dieser räusperte sich. „Nun, es war auch ein Teil unserer Besprechung, aber ich habe es auch hinterher von einer der Königswachen erfahren. Laut den neuesten Erkenntnissen, steht eine weibliche Person ausländischer Herkunft unter strengem Verdacht, König Il …“, er sah hinüber zu Yona und überdachte seine Wortwahl. „Nun, dass eine Frau aus dem Ausland für das Unglück verantwortlich sein soll. Genaueres konnten mir die Wachen nicht sagen, außer dem Geschlecht und der Tatsache, dass es keine Frau sein soll, die aus Koka stammt.“ Noch immer sah ich, wie sie mich alle drei ansahen und es fiel mir noch schwerer, ihre Blicke zu deuten. Obwohl ich wusste, dass von ihnen keine Gefahr ausging, gab es wie immer einen Teil in mir, der die Gesichter der anderen nicht deuten konnte. Ein Teil in mir, der sagte, dass ich es mir nur einredete und dass ich in Wirklichkeit doch in Gefahr wäre. Das Bedürfnis, die Beine in die Hand zu nehmen und zu flüchten stieg in mir hoch. ‚Sagt doch was … sagt doch wenigstens irgendwas. Aber schweigt mich doch nicht so an. Ich bin kein Mörder!‘ Doch wie so oft fanden meine Worte nicht aus meinem Mund hinaus, aus irgendeinem Grund hielten es mein Gehirn und mein Mund für eine gute Idee, einfach dazusitzen und zu schweigen. Ich sah, wie Hak mit dem Kopf schüttelte und auch Yonas Gesicht nahm weichere Züge an. „Ich kenne die junge Dame noch nicht so lange und auch noch nicht so gut“, begann Hak schließlich zu reden. „Aber ich habe die letzten Tage mit ihr eng zusammen verbracht und ich bin mir sicher, dass sie auf keinen Fall die verdächtige Person sein kann. Mal davon abgesehen, dass sie in der Wildnis keine Nacht alleine überstehen würde, war sie oft mit Yona alleine. Wenn sie es auf den König abgesehen hätte, dann wäre sie mit Sicherheit auch hinter Yona her gewesen. Sie hätte genug Chancen gehabt, sie auch aus dem Weg zu räumen. Stattdessen hat sie ihr auf ihre unbeholfene, aber freundliche Art geholfen wieder ins Leben zurückzufinden.“ „Genau“, sagte Yona und nickte eifrig. „Außerdem, Kira hat eine so auffällige Haarfarbe, die wäre ihnen mit Sicherheit im Gedächtnis geblieben. Sie ist bestimmt nicht die einzige Ausländerin, die sich hier aufhält. Und sie kann kein böser Mensch sein, das spüre ich einfach.“ Sie schüttelte mit dem Kopf und konnte mir gut vorstellen, dass sie kurz an Su-Won dachte. Von ihm dachte sie auch lange, dass er ein guter Mensch wäre, wurde dann aber so enttäuscht. Mundook verschränkte die Arme und nickte. „In der Tat, es ist fast so rot wie Yona, auch wenn es hier drin eher wie das Lila einer Pflaume aussieht“, sagte er und betrachtete mein Haar erneut. „Abgesehen davon glaube ich nicht an die Theorie, dass es ausgerechnet eine Frau aus fremden Landen getan haben sollte. Dazu hätte sie sich im Land, in der Stadt und auch im Palast gut auskennen müssen. Sie hätte all die Wachen passieren und den König überwältigen müssen. Selbst eine trainierte Frau, sollte es sie im Ausland überhaupt geben, hätte hiermit ihre großen Schwierigkeiten gehabt. Und wäre sie vorher bereits hier gewesen, um vorab Informationen zu sammeln, dann wäre sie bestimmt jemanden aufgefallen, der sich dann bei ihrem späteren Erscheinen erinnert hätte. Nein, nein, ich bin mir sicher, dass das nur ein Papiertiger ist. Man braucht nur einen Sündenbock, das ist alles. Man will die Sache so schnell wie möglich über die Bühne bringen und anschließend So-Won bei der nächstbesten Gelegenheit zum König krönen.“ „Argh … uff“ Stöhnend begann sich Heang-dea zu bewegen, öffnete seine Augen und versuchte sich aufzurichten. Hak stützte ihn, doch nach ein paar Minuten konnte er sich von alleine auf seine Arme abstützen. Zwar konnte ihn der Hausarzt so gut es ging verarzten, doch soweit ich es mitbekommen hatte, wurden dafür die medizinischen Reserven benutzt. Nun waren sie mehr denn je auf eine neue Lieferung angewiesen, denn sollte sich die Geschichte in eine mir unbekannte Richtung entwickeln, dann würde die Versorgung der zukünftigen Verletzten schwierig werden. Abgesehen davon, dass es noch jemanden gab, der dringend seine Medizin benötigte. „Taeyeon, er ist wach“, begann Mundook in den Gang zu rufen und nach wenigen Sekunden konnte man bereits Schritte vernehmen. Er betrat den Raum, mit einer Karaffe voller Wasser und einem kleinen Becher. Diesen füllte er ab und reichte ihm Heang-dea, welchen er dankend annahm. Anschließend sah Taeyeon Yona und mich ehrfürchtig an. ‚Offenbar hat Yonas Geheimnis wohl sehr schnell die Runde gemacht … oder war er beim Fluss unten dabei? Ich weiß es gar nicht mehr‘ Ein wenig hustend, begann er uns anzulächeln. Was das Geräusch, das aus seinem Mund kam, nicht besser machte. „Es sieht schlecht aus, denn wenn wir nicht bald die Medizin bekommen, dann wird Taeyeon …“ „Oh nein!“, erschrak Yona und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. Doch Taeyeon hörte nicht zu lächeln auf, er versuchte noch weiter, unsere Laune wieder aus dem Keller zu holen. „Keine Angst, ich werde das schon überstehen, immerhin bin ich …“ Was er ist, sollten wir so schnell nicht erfahren. Erneut suchte ein Hustenanfall seinen Körper heim, bevor er vor unseren Augen zusammenbrach. Hak kontrollierte auf der Stelle seinen Puls und als er fündig wurde, atmete er auf. „Wir brauchen dringend seine Medizin … es ist wirklich ernst“, sagte Hak und nichts in seiner Stimme ließ Zweifel aufkommen, dass er sich sofort auf den Weg machen wollte. Doch da hatte sich Heang-dea, wenn auch recht wackelig, längst auf seine eigenen Beine gestellt. „Hak-sama, wenn es möglich ist, würde ich mich gerne freiwillig melden und nach dem Händler sehen“, sagte er, mit einem Lächeln, das wenig erfolgsversprechend war. Hak schüttelte den Kopf. „Ich bewundere deinen Mut, Dummkopf, aber du bist verletzt. Bis vor ein paar Minuten warst du noch ohnmächtig. Überlass es lieber jemand anderen, bevor du noch schlimmeren Schaden nimmst.“ „Dann werde ich wohl trotzdem gehen müssen … Hak-sama, ich kann mir vorstellen, dass Ihr gehen wollt. Aber ihr müsst unsere Heimat beschützen, für den Fall, dass der Feuerclan hierher kommt und uns alle angreifen möchte. Und ich bin der Einzige, der weiß, wo sich der Heiler im östlichen Wald aufhält, er hat ganz sicher noch was von der Medizin übrig. Ich bin der Schnellste hier im Windclan. Ihr müsst euch keine Sorgen machen, Kira kann ja mit mir mitkommen.“ ‚Was? Warum denn ich?‘ Ich spürte meinen verdutzten Gesichtsausdruck und offensichtlich war er Heang-dea nicht entgangen. Fest nahm er seine Hand in meine und zog mich in Richtung Tür. „Naja, wenn du mit mir mitkommst, dann werden sie dir sicherlich nichts tun. Draußen sind deine Haare so rot, dass sie wie die von Yona-Hime aussehen. Dann werden sie dir bestimmt nichts tun, dazu ist Yona-Hime einfach viel zu beliebt. Sie haben sie bestimmt noch nie wirklich gesehen, sondern immer nur von ihren roten Haaren gehört. Das ist doch eine gute Idee, oder? Aber alleine sollte sie nicht gehen, sie ist fremd und kennt sich nicht aus. Wir ergänzen uns also perfekt, oder nicht?“ Grinsend, soweit es seine Schmerzen zuließen, blickte er in die Runde. Auch ich sah die anderen an, wenn auch nicht so selbstbewusst wie der junge Mann neben mir. ‚Ich sollte was sagen … aber was soll ich sagen? Leider weiß ich nicht mehr genau, wie diese Situation gelöst wurde. Überhaupt, meine nächste Erinnerung ist die, dass Hak die Stadt verlassen möchte und Yona sich an ihn dran hängt … wie war das mit dem Teil dazwischen? Verdammt, Kira, erinnere dich!‘ Keiner von ihnen sah von der Idee wirklich begeistert aus, aber sie wirkten auch nicht, als würde ihnen eine Alternative einfallen. „Einen Anfall … Taeyeon hatte schon immer eine schlechte Lunge. Manchmal bekommt er Atemlähmungen. Wenn er seine Medizin hier hätte, dann würde es ihm sofort besser gehen. Aber jetzt, wo die Händler überfallen wurden. Nicht nur du, Heang-dea, auch andere aus unserem Dorf haben uns diese schreckliche Tatsache bestätigen können . Hak, der noch immer unglücklich in die Runde blickte, wartete eine Reaktion der anderen ab, bevor er auf Heang-deas Vorschlag einging. „Mir gefällt das Ganze zwar nicht, aber es ist ja nicht so, als hätten wir keine andere Wahl. Gut, dann geht, aber lasst euch nicht erwischen oder trödelt zu lange. Denkt daran, jede Minute zählt“, sagte er ernst. Ich konnte gerade noch stumm nicken, da wurde ich bereits von einem euphorischen Heang-dea an der Hand genommen und aus der Tür herausgezogen.   Ich hatte mir zwar bereits vorstellen können, dass sich Heang-dea sehr gut in der Gegend auskennen würde und doch erstaunte mich sein Wissen über alle Maßen. Er kannte nicht nur sichere Abkürzungen und Routen, die uns vor fremden Blicken beschützen würden, er kannte sogar Wege, die ich lahme Krücke gut hinter mich bringen konnte. Meine Sorge, ich würde ihn durch meine nicht vorhandene Ausdauer behindern, blieb unbegründet, da er es irgendwie geschafft hatte, dass wir zwar ein eiliges Tempo an den Tag legten, aber dennoch mich kaum erschöpfte. Später würde ich es wohl auf das Adrenalin in meinem Körper schieben oder auf die Tatsache, dass wir sehr viel herumschlichen, selbst im tiefen Wald, doch für den Augenblick überraschte es mich einfach nur, wie gut ich mit dem jungen Mann mithalten konnte. Zwar näherten wir uns ab und zu der Route, die in den Osten führte, aber mieden sie selbst so gut es ging. Einmal konnte ich sogar die zerstörten Wägen sehen, die den betroffenen Händlern gehört hatten. ‚Hier sind sie offenbar überfallen worden … der Feuerclan hat echt nicht viel Rücksicht genommen. Was sie wohl mit ihnen gemacht haben? Konnten sie flüchten? Oder wurden sie von den Leuten gekillt?‘ Zerstörte und angebrannte Wägen, hier und da eine kleine Blutspur, verstreute und zerstörte Waren – all das hatte der Feuerclan voller Stolz hinterlassen, als eine Art Mahnmal. „Es ist schrecklich. Ich hoffe, es geht den Händlern gut“, sagte Heang-dea, nahm zum wiederholten Male meine Hand und zog mich wieder in den Wald hinein. Kaum waren wir wieder im Schutz der Bäume, kam eine größere Gruppe an Feuerclan-Kriegern vorbei. ‚Wie gut, dass sie uns nicht gesehen haben – das wäre unser Ende gewesen‘, dachte ich mich hinein. So gut es uns gelang, schlichen wir uns immer tiefer in den Wald hinein. Der Wald selbst war bis auf ein paar seltsame Vogel- und anderweitige Tiergeräusche, die ich nicht zuordnen konnte, sehr ruhig. Auch wuchsen viele Pflanzen und Sträucher, die ich niemals hätte benennen können, weit verstreut zwischen den Bäumen. Das einzige tierische Highlight, das ich auch tatsächlich zu sehen und nicht nur zu hören bekamen, waren ein paar einzelne Hörnchen und ein fremdartiger Fisch, der sich in einem kleinen Bach herumtummelte. Überrascht blickte ich das kleine Gewässer an, doch da die Zeit drängte, nahm ich mir vor, den Bach zu einer späteren Zeit wieder zu besuchen. In der Hoffnung, dass ich es nicht wieder vergessen würde. Wie immer zog mich der Bach auf eine seltsame Art und Weise an, wie das Licht die kleinen Insekten. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatten wir schließlich den Händler erreicht. Ein kleines, komplett aus Ton gefertigtes Haus stand vor uns, das Dach komplett nur aus Stroh und Holzbalken bestehend.  ‚Wow, das sieht aus wie das eine Haus, das so’n Typ auf YouTube gemacht hat. Ob er das auf die gleiche Art gebaut hat, das Haus? Sieht auf jeden Fall danach aus. Nur, dass er keine Ziegel fürs Dach gebrannt hat. Offenbar reicht ihm das  Strohdach … sieht aber auch sehr beeindruckend aus. Noch beeindruckender war der alte Heiler, welcher plötzlich, ohne jegliche Vorwarnung vor uns auftauchte. Er war deutlich kleiner als ich, machte dafür aber einen vitaleren Eindruck als ich oder mein Begleiter. Falten und Narben zierten seinen Körper wie andere Leute Tattoos. Ungewohnt, mal in die andere Richtung zu gucken, sah ich auf den älteren Mann hinab. Während der ganzen Zeit hatte ich mir wie immer die Worte zurecht gelegt, mit denen ich den älteren Mann um Medizin bitten wollte, doch zu meinem Glück übernahm Heang-dea das Reden. Wofür ich sehr dankbar war. „Guten Tag, weiser Heiler, vielen Dank, dass Ihr uns an Ihrem Haus empfangen“, begrüßte Heang-dea den Mann höflich, ich selbst schloss mich der Begrüßung mit einer stummen, angedeuteten Verbeugung an, wohlwissend, dass ich für diese Art von Kommunikation im falschen Land befand. „Guten Tag, junger Mann, junge Dame“, erwiderte er unsere Begrüßung und ließ sich auf dem nächstbesten Stuhl nieder. Welcher im Grunde nur aus einem alten Baumstumpf bestand. „Was kann ich für euch beiden jungen Menschen tun? Stammt ihr nicht aus dem Windclan? Oder zumindest du, junger Mann? Die Dame in deiner Begleitung muss aus einem Land weit entfernt kommen, ihrer seltsamen Kleidung zufolge“, sagte er und deutete auf den regenbogenfarbenen Schädel auf meinem T-Shirt. „Das stimmt“, sagte ich und versuchte, das Thema wieder weiter zu lenken. „Jedenfalls, wir wollen Sie gar nicht so lange aufhalten, wir benötigen nur bitte eine neue Medizin für unseren Taeyeon. Es geht ihm nicht so gut und die Medizin wird ihm bestimmt wieder auf die Beine helfen. Es wäre sehr nett, wenn Sie uns was davon verkaufen könnten, denn er benötigt sie dringend!“ Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, bereute ich es schon. Kurz dachte ich an das Pony, das Fluttershys Notlage ausnutzte und die Preise für seine Ware deutlich anhob. Auch der Blick, den der alte Mann uns gab, machte mir wenig Zuversicht. „Nun, das kann ich verstehen, allerdings ist erst eine frische Ladung an Medizin an euren Clan gesendet worden. So kurz danach noch mehr Medizin zu verlangen … nun ja, das wird doch ein wenig teuer werden. Immerhin muss ich mich hier an meinen eigenen Vorräten bedienen, um die Medizin jetzt herzustellen, obwohl ich eigentlich viel mehr Zeit dafür bekomme. Ich fürchte, ich werde nicht drum herumkommen, ein wenig mehr Geld von euch zu verlangen. Sagen wir, für den doppelten Preis kann ich es euch geben. Ansonsten kann ich euch leider nicht weiterhelfen“, sagte er und packte eine Art Pfeife aus. Verzweifelt sah ich Heang-dea an, er selbst wusste auch nicht genau weiter. ‚Ob ich es versuchen soll?‘ „Nun, wenn ich Euch einen Vorschlag machen darf … wir könnten Euch auch andere Waren oder Dienstleistungen anbieten, zusätzlich zu dem normalen Preis. Zumindest, solange es in unserer Macht und unseren Möglichkeit steht“, füge ich noch hinzu, doch der alte Mann winkte ab. „Netter Versuch, Kleine, aber ich brauche nicht viel. Alles, was ich benötige, bekomme ich entweder vom Wald, von Händlern aus weit entfernten Ländern oder ich kann es mir selbst herstellen. Ich denke nicht, dass euer Clan etwas hat, was mich noch interessieren könnte, außer eurem Geld. Nun, wenn dir mein Preis nicht gefällt, dann könnt ihr ja gerne einen anderen Heiler aufsuchen.“ Am liebsten hätte ich ihm ins Gesicht gespuckt oder ihm eine verpasst, doch mit Mühe hielt ich mich zurück. Wenigstens mein Verstand wusste, dass Gewalt keine Lösung war. Wenigstens konnte ich mich auf ihn verlassen. Heang-dea sah mich wieder an, dann klärte sich sein Gesichtsausdruck und er zwinkerte mir zu. Unsicher sah ich ihn an, doch dann beschloss ich, ihn einfach machen zu lassen. „Hören Sie, mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie es auch mit dem Glücksspiel haben. Nun, da ist Ihr Glückstag, denn ich bin ein guter Spieler und die junge Dame ist mein persönlicher Glücksbringer“, sagte er und deutete auf mich. Der alte Heiler machte zwar keinerlei Anstalten, seinen Stumpfstuhl wieder zu verlassen, wirkte jedoch deutlich interessierter als vorher. „Sagen Sie mal, haben schon einmal von dem Spiel Yut gehört?“, fragte er ihn und nun hatte er vollkommen das Interesse des alten Mannes gewonnen. „Natürlich kenne ich das Spiel, das habe ich bereits gespielt, da warst du noch nicht einmal eine Idee, mein Kleiner“, und begann zu lachen. Wir ließen ihn auslachen, denn so schnell durften wir ihn nicht mehr von der Angel lassen, gerade, wo er jetzt erst angebissen hat. Heang-dea grinste. „Nun gut, dann würde ich Ihnen gerne einen Vorschlag unterbreiten“, sagte er und beugte sich tief zu dem Mann hinunter. „Wir mögen nicht gerade für das Glücksspiel bekannt sein, aber dafür haben wir sehr fähige Handwerker in unserer Heimat, die ihr Handwerk nur zu gut verstehen. Sie sind bei ihrer Arbeit stets professionell, wobei sich einer von ihnen auf die Herstellung beliebter Brettspiele spezialisiert hat. Nun, darunter stellt er auch wunderschöne Yut-Stäbe her, erst neulich hat er eine Kollektion zu Ehren von König hergestellt. Es ist zwar, aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Meisters, eine limitierte, aber auch sehr schöne Kollektion. Auch, was den Spielgrund und die Spielsteine angeht, so hat er sich sehr viel Mühe gegeben, damit es unserem geliebten und leider verstorbenen König nur gerecht werden kann. Nun, diese Kollektionen dürften sehr begehrt sein, allgemein sind seine Brettspiele nah und fern sehr beliebt, die Nachfrage nach diesen Kollektionen dürfte also mit der Zeit immer höher werden. Aber wir könnten dafür sorgen, dass eine der wenigen Exemplare in Ihren Besitz überwechselt. Nun, was halten Sie von dem Angebot?“ Nachdenklich sah uns der alte Mann an, er schien nicht gänzlich abgeneigt zu sein, aber so ganz sicher war ich mir nicht, ob er nun auf unser Angebot eingehen wollte oder nicht. Er kratzte sich am Kinn, dann sah er erst mich an, dann unseren Begleiter. „Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass Ihr ein solches Exemplar mit ihr euch führt, richtig? Nicht, dass ich an dem Wahrheitsgehalt eurer Worte zweifle, einen alten Mann wie mich kann man nicht so leicht hinter das Licht führen. Aber ich bin noch lange nicht senil und möchte schon gerne einen Blick in den Beutel werfen, bevor ich blind irgendeine Katze kaufe, die mir am Ende nicht gefällt“. Er nahm einen etwas mitgenommenen Fächer in die Hand und tippte sich an die Stirn. Heang-dea lächelte nur und griff unter seine Kleidung, kurz darauf hin hatte er einen purpurnen Stoffbeutel hervorgeholt, den er öffnete und dem Heiler entgegen hielt. Kritisch beäugte er den Stoff, wie auch den Inhalt und betrachtete sowohl die einzelnen Stäbe, wie auch das Tuch und die Spielsteine genauestens. Auch das Spieltuch war aus einem feinen Purpur gefertigt und besaß wie der Beutel ein dezentes Blumenmuster. Sofort musste ich bei dem Anblick an Yona denken, wie auch an die rote, mantelartige Kleidung, die König Il immer getragen hatte. Die Steine waren mit schwarzen und weißen Vögeln verziert worden und in die Stäbe war König Ils freundlich lächelndes Gesicht zu sehen. ‚Ob das wohl Yona gefallen würde?‘ Noch immer blickte der Heiler kritisch auf die Ware, die ihm feilgeboten wurde, dann zauberte sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Schlagartig wandelte sich auch die allgemeine Stimmung im Raum, von düster zu freundlich-hell. Ein Seufzer verließ meine Lippen. Er dagegen begann laut zu lachen. „Eins muss ich Euch Windclan-Bewohnern lassen, ihr versteht Euch im Handeln. Also gut, ich bin einverstanden. Der Handel gilt, unwiderruflich von beiden Seiten. Wir wollen doch alle, dass es ehrlich und fair zugeht.“ Heang-dea griff erneut unter seine Kleidung, doch der Heiler schüttelte den Kopf. „Vergesst das Geld, das hier ist eindeutig mehr wert als alles, was Ihr in deiner gesamten Börse besitzt.“ Er blickte auf das kleine Bündel in seiner Hand. „Das hier reicht mir vollkommen als Bezahlung.“ Schließlich griff er hinter sich und zog ein weiteres Bündel hervor, welches lang nicht so schön und farbenreich war wie der, den er von Heang-dea bekommen hatte. Dieser nahm den tonfarbenen Beutel und bedankte sich eifrig. Wie immer, wenn ich mir unsicher war, wie ich zu reagieren hatte, kopierte ich Heang-deas Verhalten und bedankte mich ebenfalls eifrig, wenn auch deutlich leiser als er. „Ein so gutes Geschäft auszuschlagen würde aus mir einen schlechten Heiler machen“, sagte der Heiler und grinste zufrieden vor sich hin. „Nun gut, jetzt, wo jede Partei das bekommen hat, was sie möchte, werde ich mich wieder von Euch verabschieden. Ich werde eure Handlungsstärke im Hinterkopf behalten, möglicherweise werden solche und ähnliche Geschäfte in Zukunft mit Eurem Clan möglich sein“, fügte er hinzu, bevor er uns aus seiner Tür heraus beförderte. Worüber ich auch sehr froh war, denn kaum hatte der alte Mann das Spiel in die Hände bekommen, waren wir wie Störenfriede für ihn und er wollte uns loswerden. Heang-dea wirkte auf mich nicht so, als hätte er etwas davon mitbekommen, was mich ein weiteres Mal an meinem Urteilungsvermögen zweifeln ließ. „Haben Sie noch einen schönen Tag“, verabschiedeten wir uns und machten uns auf dem gleichen Weg, auf die gleiche Weise, wieder auf den Weg zurück zum Windclan.   ~*~   Soo-Won schien wirklich dafür gesorgt zu haben, dass die Würze dieses Mal in Maßen und nicht in Massen gemacht wurde. Wir schwiegen, während das Essen serviert wurde und es war schließlich Soo-Won der das Schweigen beim Hauptgang brach. „Hat euch das Schreibwerkzeug und das Buch erreicht?“, fragte Soo-Won und sah mich an, während eine irdene Schüssel vor mich hingestellt wurde. Ich sah hinein und erblickte ein Gericht, das bunt gemischt schien. Es war liebevoll hergerichtet, fast schon kunstvoll und zu schade um es zu essen. „Ja. Allerdings muss ich gestehen, bin ich, was Pflanzen angeht nicht sonderlich bewandert und interessiert. Allerdings gab es in dem Buch eine Blume, die ich genutzt habe um ein paar Schreibübungen zu machen. Ich danke für die Schreibsachen.“ „Sagt einfach, wenn ihr mehr Papier oder Tinte braucht. Euch soll es während eures Aufenthaltes nicht an dem Mangeln, was ihr für euer Zubrot benötigt.“ Ich beobachtete, wie Soo-Won die Stäbchen nahm und einen Bissen aus der Schüssel vor ihm nahm. Ich beobachtete ihn genau und studierte seine Bewegungen. Bedacht, konzentriert, kein überflüssiges Zucken. Es war ein Ausdruck von der Person die er war. Er bemerkte meine Blicke und sah auf, verwundert, ein wenig überrascht. Er lächelte verlegen, wobei ich vermutete, dass sich auch hinter diesem Lächeln etwas ganz anderes verbarg. „Ihr müsst euch keine Sorgen machen. Niemand wird euch hier ein Haar krümmen. Auch nicht mit dem Essen. Jonghyuk hat das Essen persönlich Servierfertig gemacht.“ Er wollte mich überzeugen. Soviel stand fest. Dabei vermutete ich nicht einmal, dass man das Essen vergiftet hatte. „Ihr seid ein seltsamer Mann, Soo-Won. Ihr empfangt eine Ausländerin als Gast, obwohl sie eine potentielle Attentäterin sein könnte. Stattdessen habt ihr eine andere Person in Verdacht. Ich verstehe euch einfach nicht. Denn ich habe mich mehr als auffällig verhalten. Meine Kleidung, die Tatsache dass ich an dem Ort war, wo ihr mir die Einladung zu diesem Essen ausgesprochen habt. Ihr reicht mir sogar noch Papier und Tinte, obwohl ich damit geheime Botschaften an meine Gefährten schicken könnte. Ihr scheint aber keinen einzigen Funken misstrauen mir gegenüber zu hegen.“ „Wie ich es erklärte, ihr seid einfach nur ein Opfer der unglücklichen Ereignisse geworden. Das ihr als Ausländerin mit Neugier einen fremden Palast erkundet ist, doch vollkommen normal. Ich bin auch immer sehr aufgeregt, wenn ich einen neuen Ort besuche und die Umgebung erkunden kann.“ Eine Lüge. Das war mir klar. Immerhin kannte ich Soo-Won aus der Serie. Wenn er etwas mit augenscheinlicher Neugier erforschte, dann nur um mehr Informationen zu bekommen und herauszufinden, wie er das nutzen konnte. Und gerade wollte er nicht, dass ich mehr erfuhr. „Dann kann ich ja wohl erleichtert sein, dass ich eurer Gastfreundschaft zu Teil werden darf und da nicht andere Motive dahinter stehen. Ich danke euch dafür, Soo-Won.“ Jetzt war ich es, die sich bemühte zu lächeln. Und doch spürte ich eine gewisse Anspannung. Eine unausgesprochene Frage, die über uns beide schwebte. Die Frage, was der andere wusste und was nicht. Es war als würden wie beide wie hungrige Raubtiere umeinander herumschleichen. Jeder von uns wartete einfach darauf, dass der andere einen Fehler machte. Und jeder von uns wollte diesen nicht begehen, weswegen jedes Wort vorsichtig abgewägt wurde. „Meine Gastfreundschaft ist vielleicht ein wenig eigennützig.“ Ich horchte auf und sah Soo-Won an. Was wollte er nun implizieren? Worin bestand sein Eigennutz jemanden wie mich zu beherbergen? „Eine Geschichtenerzählerin zu beherbergen die Geschichten aus aller Welt kennt, könnte zu meiner Unterhaltung in Form von Geschichten führen. Natürlich nur wenn Ihr wollt. Ich würde mich sehr über die ein oder andere Geschichte freuen, die ihr auf euren Reisen erfahren habt.“ Es war nicht das was er sagen wollte. Zumindest glaubte ich das. Warum sollte ihm eine einfache Geschichtenerzählerin für solche Unterhaltung genügen? Vielleicht war ich in diesem Moment einfach zu misstrauisch. Aber wahrscheinlich wäre das jeder in meiner Situation gewesen, wenn er wusste, dass er dem wahren Mörder von König Il gegenüber saß. Kapitel 8: Krieg und Frieden ---------------------------- Ich hatte Jonghyuk genervt. Wirklich penetrant genervt, mich zu begleiten. Nach dem Essen mit Soo-Won war ich überdreht, aufgeregt und an Ruhe war gar nicht zu denken. Deswegen und weil Soo-Won ja gesagt hatte, dass ich keine Verdächtige war, wollte ich unbedingt durch den Palast umherstreifen und... Geheimnisse entdecken. So wie diesen einen geheimen Raum, durch denn es mir möglich gewesen war, die Versammlung zu belauschen. Wenn Soo-Won das erfahren hätte, wäre ich sicher nicht mehr in der Lage gewesen so frei herum zu laufen. Daher, ich musste alle Möglichkeiten nutzen, die ich gerade hatte. „Du bist noch ganz schön fit, trotz des Essens“, erklärte Jonghyuk, als er an meiner Seite in Richtung des Gartens lief, den er mir zuvor schon gezeigt hatte. „Es ist aufregend. Ich meine, nachdem Soo-Won mir sagte, dass ich nicht mehr verdächtig bin, fühlt es sich an, als wäre alle Last von mir gefallen. Ich kann es nun richtig genießen hier in diesem Palast zu sein. Und diese Chance kommt nicht wieder, daher möchte ich so viel wie möglich sehen um es meiner Familie und Freunden zu erzählen.“ Jonghyuk dachte nach und nickte, so als würde er wirklich verstehen, was ich meinte. Vielleicht war es auch so. Wenn man es recht bedachte, hatte man es als Ausländer nicht gerade einfach in einen Palast zu kommen, wenn man nicht gerade als Begleiter oder „Diener“ eines königlichen Vertreters in diesen hausierte. „Was wirst du denn deiner Familie und deinen Freunden erzählen?“, fragte Jonghyuk und führte mich im Garten zu einer Bank. Sie stand in einer Pagode, welche umgeben von einigen Büschen war und einem Baum, der mich an eine Trauerweide erinnerte. „Ich weiß noch nicht. Auf jeden Fall von den Erlebnissen die ich hatte und von Soo-Won. Allerdings weiß ich noch nicht ganz was ich von ihm halten soll. Was er tut wirkt einfach so... seltsam.“ „Was meinst du mit seltsam?“ Ich sah zu Jonghyuk an und grinste, denn ich wusste selbst nicht, wie ich dieses „seltsam“ definieren sollte, ohne dass es merkwürdig klang. „Ich kann den Finger noch nicht drauf legen. Aktuell ist es viel mehr ein Gefühl.“ Jonghyuk nickte und verschränkte die Arme. Er schien nachdenklich, so als überlegte er, was er als nächstes sagen könnte oder ob er vielleicht das Thema wechselte. „Das Wetter ist heute wirklich angenehm, oder?“ Dieser Themenwechsel kam unerwartet. Und doch konnte ich nicht anders als einen Moment inne zu halten und das Wetter auf mich wirken zu lassen. Die Temperaturen waren nicht zu kalt, die Sonne schien, auch wenn sie langsam unterging und es gab keinen Wind, der diese Szenarie zerstören würde. „Das Wetter ist... wie die Ruhe vor dem Sturm“, murmelte ich leise und dachte an die Ereignisse die noch kommen würden. Der Sturm stand kurz bevor. Soo-Wons Krönung, Yonas Suche nach den vier Drachen und... es würde soviel passieren von dem ich nicht wusste, ob ich es miterleben wollte oder konnte. „Ja, für Soo-Won-sama wird es stürmisch. Seine Krönung ist bald, wenn der Windclan seine Zustimmung gibt. Und danach kommt eine schwere Zeit auf ihn zu.“ Es war interessant, wie gleich und doch verschieden unsere Interpretationen waren. ~~*~~ Über uns war schon lange die Nacht eingebrochen, als wir nach einer gefühlten Ewigkeit Fuga erreichten. Sterne, hunderte von Sterne leuchten am dunklen Himmel und wieder einmal fühlte ich mich für einen kurzen Moment angesichts der weiten Unendlichkeit verloren. Als würde mich die sanfte Umarmung der Schwerkraft verlieren und ich immer weiter gen Himmel schweben, ohne, dass mich etwas halten könnte. Gleichzeitig hatte ich auch das Bedürfnis, mich auf den nächstbesten Stuhl oder gar ein Bett niederzulassen, so stark zog die Müdigkeit an meinen Gliedern. Auch meine Augenlider wurden immer schwerer, dass ich meine Augen gerade noch so in der Lage war offen zu behalten, grenzte an ein Wunder. Nebel herrschte in meinem Kopf und auch die Gedanken, ja sogar die Ohrwürmer bleiben fern, doch ich war zu müde um mich darüber zu wundern. Oder zu fürchten. Das Gefühl der Gleichgültigkeit breitete sich in mir aus, mir erschien nun alles vollkommen reizlos, solange es sich nicht um ein gemütliches Bett handeln würde. Nichts wäre nun für mich von Bedeutung, doch auch das störte mich nicht. Ein Blick in Heang-deas Gesicht verriet mir, dass es ihm nicht anders erging, auch seine Augenringe und sein hängender Mundwinkel deuteten darauf hin, dass auch er sich nach mehreren Stunden Schlaf sehnte. Sachte leckte ich meinen Daumen ab und wischte mir die Speichel auf die Augen. Ich machte mir keinen Hehl daraus, ob er es mitbekommen würde, Hauptsache, ich würde meine Augen für ein paar Sekunden länger offen halten könnten. Zwar funktionierte es nie so gut wie mit frischem Wasser aus dem Hahn, dennoch würde ich es immer wieder versuchen. Am liebsten hätte ich gegähnt, doch selbst dafür war ich zu erschöpft. Dabei wäre mir diese Art von Müdigkeit viel lieber gewesen. „Ah, da seid ihr beide ja – und wie es aussieht, seid ihr wohl erfolgreich gewesen. Da wird sich unser Oberhaupt aber freuen!“, begrüßte uns die Wache am Tor. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich etwas erwidern sollte, doch mein Kopf blieb leer und mein Mund geschlossen. So überließ ich Heang-dea das komplette Reden, was ihm noch deutlich leichter fiel als mir. Während er nun den Wachen zurückgrüßte und einen von ihnen vorausschicken ließ, starrte ich auf den Boden vor mir, mit halb geschlossenen Augen. Hin und wieder versuchte ich meinen Blick in die Richtung der verbliebenen Wache zu richten, doch konnte ich keinen Fixpunkt finden und so wanderten meine Pupillen rastlos umher. Als hätten sie den Teil mit dem Blickkontakt wieder verlernt. Als wir uns von der Wache in die Richtung der Stadt entfernten, folgte ich Heang-dea dankbar in die Richtung unserer Unterkunft. Kaum hatte Heang-dea die Medizin einer der entgegenkommenden Frauen anvertraut, begleitete mich eine andere von ihnen zu meiner Unterkunft. „Wow, die Tür ist in einem hübschen Braun und sieht auch ganz nett aus“, fuhr mir monoton durch den Kopf. Auch konnte mein Verstand nicht so richtig verarbeiten, was die nette Dame zu mir sagte. Lediglich, als sie mir eine gute Nacht wünschte, reagierte ich: „Vielen Dank, das wünsche ich dir auch.“ Wartend stand sie an der Tür und kaum hatte ich es mir auf dem Bett gemütlich gemacht, löschte sie das Licht und verließ den Raum. Ich drehte mich auf die rechte Seite und legte meine Hand unter mein Kopfkissen, als ich draußen im Flur eine Aufregung hören konnte. Zwar konnte ich nicht verstehen, um was es genau ging, aber ich machte mir auch nicht die Mühe, etwas daran zu ändern. Auf dem Flur liefen mehrere Personen aufgeregt hin und her, soweit ich es hören konnte, doch es interessierte mich nur geringfügig. Erst, als die Stimmen lauter und hektischer wurden, konnte ich verstehen, was sie sagen. „Schnell, bringt die Verletzten ins dritte Hinterzimmer, dort ist noch frei! Weckt alle auf, nur die Kranken und Schwachen dürfen im Bett bleiben! Die Männer müssen zu den Waffen, die Frauen die Verwunderten versorgen … nein, das zweite Zimmer ist schon voll!“ „Verdammter Feuerclan!“, fluchte ein anderer, da entfernte sich seine Stimme auch schon wieder. Langsam, sehr langsam entzifferte mein Verstand, was die Männer vor meiner Türe gesagt hatten, doch noch immer machte ich keinerlei Anstalten, mich von meinem Platz wegzubewegen. Umso mehr kuschelte ich mich in meine Decke hinein. „Ich bin schwach, also werde ich nicht viel tun können … wenn sie was von mir wollen, dann werden die mich schon holen. Ja, die Männer vertreiben die Feuerleute und dann ist alles wieder gut, kein Grund zur Sorge. Was sollte ich jetzt schon tun können …“ ~*~ Wir blieben bis vor dem Abendessen im Garten. Als es schließlich kühler wurde, brachte mich Jonghyuk zurück in mein Zimmer. Dort stand bereits ein Tablett mit einem irdenen Topf, von dessen Inhalt ich hoffte, dass es nicht zu scharf war. Sonst würde ich mit knurrenden Magen zu Bett gehen. Wobei mir das Schälchen Reis schon sehr sympathisch erschien. Hungrig zu Bett gehen war also unmöglich. „Ich wünsch dir noch einen angenehmen Abend. Wenn du noch etwas brauchst, gib einfach Bescheid.“ Jonghyuk lächelte mich an und blieb an der Zimmertür stehen. Er schien sich nicht in mein Zimmer zu trauen, was in Anbetracht der letzten Tage seltsam schien. Vielleicht wollte er eine Art Respektsebene wahren, die ich selbst nicht sah. Vor allem wenn ich die letzten Stunden betrachtete. „Danke. Ich hoffe du hast noch eine gute Nacht.“ Jonghyuk verbeugte sich und verließ das Zimmer, wobei er hinter sich die Tür zuschob und mich so ganz allein im Zimmer zurück ließ. Ein Blick im Zimmer verriet mir, dass man mir wohl in der Zwischenzeit neues Schreibzeug und Papier gebracht hatte. Wahrscheinlich wollte Soo-Won wirklich dafür sorgen, dass ich immer genug zu Schreiben hatte. Zielstrebig ging ich daher zum Tisch, auf dem das Essen stand und etwas abseits das Schreibzeug. Ich setzte mich nieder und nahm den hölzernen Löffel zur Hand, noch während ich den Decke des Topfes abhob. In diesem dampfte ein gute Portion Fleisch, welches in einer braunen Soße schwamm. Ich stupste mit dem Löffel das Fleisch an, dass sofort zu zerfallen schien. Praktisch. Denn so konnte ich bedenkenlos den Reis in die Soße werfen. Hätte das jemand aus diesem Land gesehen, dann wäre man sicher nicht so amused gewesen, aber ich liebte es, wenn sich mein Reis mit der Soße verband und förmlich vollsog. Besonders wenn es Hühnerfrikasse gab. Außerdem, sollte das Essen scharf sein, so würde der Reis diese hoffentlich etwas nehmen. Ich nahm mir Zeit beim Essen, und dachte dabei über alles mögliche nach. Über Soo-Won, seine baldige Krönung, die Tatsache, dass er mich so schnell als unschuldig darstellte und stattdessen eher Hak als Täter brandmarken wollte. Wieso? Nach allem was ich wusste, waren Sie doch so gute Freunde. Warum sollte er dann einer völlig Fremden mehr Absolution gewähren als seinem besten Freund? Lag es daran, dass Hak und Yona wusste, dass er König Il getötet hatte? Wozu wäre er fähig, wenn er wusste, was ich wusste? Oder ahnte er es bereits? Ich konnte nur hoffen, dass dies nicht der Fall war. Während ich den Reis aus dem Topf löffelte, zusammen mit dem Fleisch, welches so zart gekocht war, dass es förmlich auf meiner Zunge schmolz, zog ich ein Blatt Papier zu mir und griff zur Schreibfeder. Ich hatte ja Zeit, für den Abend und mehr als Schreiben würde da wohl nicht drin sein. Ich dachte nach, überlegte, was ich nun schreiben konnte. Eine Geschichte fiel mir unter diesen Umständen nicht ein. Dafür fehlte mir einfach die Inspiration. Und doch gab es eine Sache, die mir absolut nicht aus dem Kopf ging. „Warum... was geht in Soo-Wons Kopf vor sich?“ In stichpunktartigen Halbsätzen notierte ich, was bisher geschehen war. Mein Erscheinen, die Festsetzung, der Zeitpunkt von König Il's Ermordung.Yonas und Hak's Flucht, die Suche nach einem potentiellen Schuldigen für König Il's Tod... Eigentlich war ich potentiell wohl die bessere Wahl. Und doch, hatte Soo-Won mich als unschuldig erklärt und ich bezweifelte, dass es die Unsicherheit war, ob ich nicht potentiell etwas im Westen zu sagen hatte. Vor allem nachdem ich gesagt hatte, eine einfache Geschichtenerzählerin zu sein. Soo-Won war nicht dumm und doch empfing er mich hier als Gast, der einfach zur falschen Zeit am falschen Ort war. Stattdessen blieb sein bester Freund der Hauptschuldige. Das machte kein Sinn. Hak würde vielleicht gefangen genommen werden. Und Yona? Wollte er sie mit eigenen Händen töten? Im groben und ganzen blieb nur eine Frage nach der ganzen Zusammenfassung zurück. „Was wird mit mir werden?“ Ich seufzte und schob mir den letzten befüllten Löffel in den Mund. Während ich meine Gedanken niedergeschrieben hatte, war das ein vollkommen automatisierter Prozess gewesen, so dass ich es kaum bemerkt hatte, wie der Topf vor mir leer wurde. Und damit begann das nächste Problem. Was machte ich nun mit dem leeren Geschirr? Nahe der Tür abstellen, vor der Tür? Oder sollte ich es in die Küche bringen? Wie verhielt man sich als koreanischer Gast? Bei mir Zuhause hätte ich das Geschirr in die Spüle gestellt und wohl noch später am Abend gespült. Wenn ich zu Besuch war, fragte ich hingegen ob ich helfen sollte oder wohin man das Geschirr gerne hätte. Gerade hatte ich aber nicht die Möglichkeit. Ich seufzte leise und entschied mich, das Geschirr auf das Tablett zurückzustellen, welches ich vorgefunden hatte, als ich mit Jonghyuk zurück gekehrt war. Wer wusste schon, ob ich den Weg zurück in die Küche finden würde? Unter leisen Klappern hob ich das Tablett an und brachte es zur Tür. Dort stellte ich es neben dieser ab, aber so, das man es gut erkennen konnte. Keine Ahnung wie die Leute es hier handhaben würden, ich hoffte aber, es würde mir niemand böse nehmen. Am besten war wohl, ich fragte Jonghyuk am nächsten Tag, wie ich mich verhalten sollte. Ich hatte mich schlafen gelegt und erst dabei gemerkt, wie erschöpfend der Tag mit all seinen Zweifel gewesen war. Ein kühler Luftzug weckte mich, gefühlt mitten in der Nacht. Ich vermutete, dass jemand die Tür geöffnet hatte, denn unterbewusst hatte ich etwas gehört, das wie die Tür klang. Ihr kennt das Gefühl sicher, ihr schlaft, hört ein Geräusch, werdet wach und wisst am Ende nicht mehr, ob ihr es geträumt oder wirklich gehört habt. Mir ging es so, doch dieser kühle Luftzug war mir ein Zeichen, dass ich es nicht geträumt haben konnte. Schwerfällig öffnete ich die Augen, als leise Schritte durch meinen Raum ertönten. Das Licht einer Kerze erhellte meinen Raum und eingehüllt von diesem, erkannte ich Soo-Won. Er stand an dem Tisch, an dem ich zum Abendessen gesessen hatte. In seiner Hand hielt er ein Papier. Ich brauchte einige Zeit um zu verstehen, dass es sich bei diesem Papier um etwas handelte, dass auf meinem Tisch gelegen hatte. Das es von mir beschrieben war. Soo-Wons Blick war ernst, als er auf das Papier sah, fast so, als konnte er lesen was da stand. Das war nicht möglich, oder? Sein Blick haftete auf dem Papier, ohne eine Regung, ohne ein Flüstern, ohne ein Anzeichen, ob er meine geistige Zusammenfassung verstand oder nicht. Nach einigen Minuten legte er das Papier schließlich zur Seite und sah auf die anderen. Ich hatte noch einige mehr beschrieben, vor dem schlafen gehen, mit kleinen Beschreibungsübungen, Ideen die ich irgendwann mal schreiben wollte, auch wenn fraglich war, ob ich dieses Papier in meine Welt nehmen konnte. Soo-Won legte das letzte Papier ab und wie aus einem Reflex heraus schloss ich die Augen, als Soo-Won sich zu mir wandte. Ich lauschte nur noch, hörte die Schritte, die sich vom Tisch entfernte. Sie wurden dumpfer, undeutlicher, was mir nur zu deutlich sagte, dass er sich entfernte. Die Tür wurde geschoben, die letzten Schritte verhalten und schließlich war die Stille wieder mein Gast im Raum. ~~*~~ Noch befand ich mich halb in meinen Gedanken, da schlief ich ein, ohne es wirklich mitzubekommen. Erst als mich jemand etwas unsachte an der Schulter rüttelte, wachte ich wieder auf. Erst jetzt stellte ich fest, dass ich wohl etwas geschlafen hatte, auch, wenn ich davon nichts merkte. ‚Wer auch immer mich da geweckt, der hat hoffentlich einen guten Grund‘ Am liebsten wäre ich einfach wieder eingeschlafen, der Hand an meiner Schulter eiskalt entronnen, doch das passierte leider nicht. Dafür sorgte die Person, die die Hand gehörte. Erst, als ich ein Gemisch aus Gemurmel und Gestöhne von mir gab, ließ mein menschlicher Wecker von mir ab. „Kira, wach auf, bitte! Du musst aufwachen!“, flehte sie mich verzweifelt an und obwohl ich mir in einem kleinen Teil tief in meinem Hinterkopf denken konnte, dass sie mich nicht zum Spaß geweckt hatte, änderte es nichts an meiner schlechten Laune. Noch immer wünschte ich mir, ich könnte einfach „dahinschlafen“. Stattdessen richtete ich mich auf und setzte mich an den Bettenrand. Meine Stirn schmerzte und ich wusste, sie würde auch nicht so schnell wieder damit aufhören. „Was ist denn passiert? Was ist denn los?“, fragte ich müde und rieb mir die Augen. Weniger, um mir den Sand aus den Winkeln zu reiben als mehr um meine Hände zu beschäftigen. Außerdem wollte ich wenigstens so tun, als würde ich etwas gegen meine Müdigkeit unternehmen, wusste ich doch, dass es nur eine Sache gab, die mir wirklich bei der Bekämpfung von Müdigkeit half: Schlaf. Unabhängig von Kaffee, Energiedrinks oder kalten Spritzern Wasser ins Gesicht, mein Hirn ließ sich davon nicht beeindrucken. Wenn es schlafen wollte, dann wollte es schlafen – und ich auch. Mit einem leichten Schleier vor den Augen blickte ich Yona an, sie dagegen mit einem Blick, von dem ich vermutete, dass er Angst enthielt. Die Leere kehrte in meinem Kopf zurück und damit auch die Sehnsucht nach meinem Kopfkissen. Auch versuchte ich, einen kleinen Teil an Mitleid oder Fürsorge in meinem Hirn zu finden, wurde jedoch nicht fündig. „Der Feuerclan greift uns an!“, stieß Yona fast schon panisch aus, ich brauchte ein paar Sekunden, um herauszufinden, was das für uns alle hier bedeutete. ‚Eigentlich sollte ich ja jetzt Angst haben … aber selbst dafür bin ich wohl zu müde‘ „Wow, das … hätte ich nicht gedacht. Sind es viele?“, fragte ich, während ich mir den Schlaf aus den Augen rieb. Was sich wie üblich als ein Fehler herausstellte, meine Augenlider fühlten sich schwerer an als davor. Mit zusammengekniffenen Augen rieb ich mir die Stirn, wohlwissend, dass ich meinen Schlaf vergessen konnte. „Kira … was … was sollen wir doch nur machen?“, fragte Yona und sah mir panisch in die Augen. Ich wandte meinen Blick ab, unfähig, auch nur den Mund zu öffnen. ‚Naja, wir sollten erst mal Hak suchen. Oder abwarten, was, wenn es am Ende nur ‚ne Handvoll Leute sind, die hier eingedrungen sind‘ Doch wie so oft dachte ich mir meinen Teil nur, anstatt ihn auch auszusprechen. Yonas Augen weiteten sich noch ein Stück, sie geriet immer mehr in Panik, was ich nun wirklich nicht gebrauchen konnte. Also versuchte ich mich zusammenzureißen, was mir von Sekunde zu Sekunde immer schwerer fiel. „Was ist mit Hak, warum ist er nicht bei dir?“, fragte ich monoton und befürchtete, Yona könnte aus meinem Ton heraushören, wie egal mir gerade alles war, was nichts mit Betten und Schlaf zu tun hatte. Diese dagegen wischte sich nur eine Träne aus dem Gesicht. Wie so oft fühlte ich mich, als wäre ich in eine fremde Welt hineingestolpert und müsste nun mit Wesen interagieren, die ich zuvor noch nie gesehen habe. „Hak ist nicht da. Sein kleiner Bruder hat es mir erzählt, ich habe ihn gesehen, als ich mich nach Hak umgeschaut habe.“ Sie schwieg, biss sich auf die Lippen und sah mich unsicher an. Wie eine Tochter, die ihren strengen Vater um ein Date mit ihrem Herzensschwarm bitten wollte. Ich richtete mich weiter auf und drehte mich in ihre Richtung. „Dann … sollten wir ihn wohl suchen“, schlug ich vor, wobei ich mich gerade scharf darauf war, das Bett zu verlassen. Yona schüttelte den Kopf, doch meine Erleichterung hielt nicht lange an. „Nein, nein, das würde nicht funktionieren. Das alles hier, es passiert nur, weil ich hier bin. Ich bin mir nicht sicher wie, aber der Feuerclan hat herausgefunden, dass ich hier bin. Solange ich in Fuga bin, werden sie die Stadt immer wieder und wieder angreifen. Das kann ich den Menschen hier nicht zumuten, nicht nach allem, was sie für uns getan haben. Menschen werden verletzt oder sterben, nur wegen mir. Das kann ich nicht zulassen. Nein, das darf einfach nicht sein. Deshalb muss ich die Stadt verlassen, am besten heute noch.“ Kalte Finger umschlossen die meinen und doch hatte ich das Gefühl, dass in ihrem Leib mehr Energie und Leben steckte als in dem meinem. „Bitte, kommt mit mir“, flehte sie mich an, als hätte sie geahnt, dass ich absolut nicht wusste, was sie nun von mir wollte. „Für dich ist es ebenfalls nicht sicher hier. Bitte, nimm es mir nicht übel, aber man ist auch bereits hinter dir her. Man sucht nach dir und man wird nach dir jagen. Ich weiß, dass die Reise für dich gefährlich sein wird. Es gehen Gerüchte um, dass eine Ausländerin meinen Vater … umgebracht haben soll. Wir wissen, dass du es nicht warst und die Menschen aus Fuga vertrauen auf Haks Urteil, doch das trifft nicht auf das restliche Königreich zu. Komm mit mir und ich kann … nein, ich möchte dir helfen, deinen Namen reinzuhalten. Verzeih mir, aber du bist nun mal nicht aus diesem Land und man sieht es dir auch mehr als deutlich an. Die Leute werden dich aufgrund der Gerüchte verdächtigen und am Ende wirst du für etwas verurteilt, was du gar nicht getan haben kannst. Was du gar nicht getan hast, während sich der wahre Täter ins Fäustchen lacht. Nein, ich werde für dich einstehen und dir helfen, deine Unschuld zu beweisen. Allein schon deshalb, weil ich weiß, wer es wirklich getan hat.“ Die Stimme brüchig, brach sie ihre herzliche Rede ab und zum ersten Mal, seit sie mich doch etwas unsanft aus dem Schlaf gerissen hatte, empfand ich ein richtiges, reales Gefühl abseits der Müdigkeit. Mitleid breitete sich in meiner Brust aus und ich sah mich unfähig, dem einen Ausdruck zu verleihen. Unsicher sah ich Yona an. Sollte ich ihr Gesicht streicheln? Ihren Kopf? Oder überhaupt reagieren? „Vielen Dank, das bedeutet mir wirklich viel“, sagte ich dankbar und versuchte, Yona von dem Thema wegzulocken. „Danke, dass du an meine Unschuld glaubst, das werde ich dir niemals vergessen.“ Doch Yona schüttelte nur den Kopf, nahm erneut meine Hand und zog mich aus dem Bett heraus. Wie eine Marionette ließ ich mich führen. „Wenn du mit mir gehen möchtest, dann sollten wir es jetzt gleich tun“, sagte sie und sah mich nun ernst an. „Keine Angst, wir werden irgendwo einen Ort suchen, an du dich ausruhen kannst.“ Offenbar sprach mein Gesicht mehr als Bände. Ich nickte, sah ich doch keine Alternative und meine Gedanken waren zu vernebelt, um sich eine zu überlegen. „Gut“, sagte Yona und zog mich immer weiter zur Tür. „Dann lass uns keine Zeit verlieren.“ Kurze Zeit später rannten wir über einen zerfurchten Steinweg in die Richtung des Ortsausganges. Auch wenn ich es nicht für eine gute Idee hielt, die Stadt über einen derartig offenen und übersichtlichen Weg zu verlassen, wollte mir auch hier keine weitere Lösung einfallen. So ließ ich mich immer weiter von Yona hinausziehen und rannte an ihrer Seite zum Tor. ‚Eventuell hätten wir was zum Essen mitnehmen sollen oder Waffen … auf der anderen Seite wäre das auch Diebstahl‘, fuhr es mir durch den übermüdeten Kopf, wenige Sekunden später hatte ich diese Gedanken bereits wieder vergessen. Auch war ich froh, dass ich von Yona begleitet wurde, ich selbst wäre nur ewig herumgeirrt, da ich nach einer Kurve sofort wieder vergessen hätte, aus welcher Richtung ich gekommen war. Schließlich hatten wir das Tor erreicht, wo uns Yona eine kurze Atempause gönnte. Zwar waren wir im Höchsttempo gelaufen, dennoch merkte ich wieder, wie arg niedrig meine Ausdauer war. Zu unserem Glück hatten sich alle auf die Gebäude in der Mitte konzentriert, Angreifer wie auch Verteidiger, so dass wir die Stadt unbemerkt verlassen konnten. Nicht einmal die Wachen waren an ihrem Posten. [LEFT]„Geht es bei dir?“, fragte Yona leicht erschöpft. Erneut nickte ich, bis mir einfiel, dass ich möglicherweise mehr reden sollte. „Ja, es geht schon“, sagte ich leicht schnaufend und konnte mir ein Leben ohne den Nebel im Kopf gar nicht mehr vorstellen. Sie gab mir noch ein paar wenige Minuten, doch kaum wollten wir aufbrechen, da blickte sie über meine Schulter hinweg zurück in die Stadt.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] ~*~ [LEFT] [/LEFT] Ich wusste nicht, wie lange ich geschlafen hatte. Wie ich mich aber kannte, wieder viel zu lange. So ganz ohne Kater war das mal angenehm. Noch dazu schienen diese Momente, die eigentlich nicht schwer waren, doch zu anstrengend gewesen zu sein. Oder hatte ich mich beim Denken verausgabt? Ohne Spaß, manchmal hatte ich das Gefühl, dass denken wirklich anstrengend sein konnte. Wenn ich eine exzessive Schreibsession hatte, war ich nach der Beendigung des Werkes meist erschöpfter als nach einem Wochenendeinkauf, der für zwei Wochen aushelfen sollte. Und nach solchen Tagen schlief ich meist lange und sehr ausgiebig. So war es auch dieses Mal und dank der Tatsache, dass mein Handy nicht neben mir lag, konnte ich auch nicht nachvollziehen, wie spät es wirklich war. Als ich aufstand, war da bereits ein Tablett mit einer Schüssel und etwas abgedeckten. Ein wuchtiges Frühstück, dass war mir schon jetzt bewusst. Ich schlug die Decke zurück und erhob mich mehr schlecht als Recht vom Boden. Ich mochte es, wenn ich etwas höher lag und nicht direkt auf dem Boden, denn da wurde ich immer so schwerfällig. So war es auch dieses Mal. Ich erhob mich, wobei ich mehr auf das Tablett zu kroch und in Richtung meines Tisches zog. Dort angekommen, räumte ich die Blätter beiseite. Sie lagen sauber geordnet aufeinander, so dass ich mich fragte, ob ich Soo-Wons Besuch nicht doch eher geträumt hatte. Wahrscheinlich wäre es gewesen. Manchmal war die Wirklichkeit nur schwer von einem Traum zu unterscheiden. Ich stellte die zwei Schalen auf den Tisch und seufzte leise. Eine Schale voll Obst. Mit etwas Joghurt wäre es der perfekte Start in den Tag gewesen. Leider gab es kein Obst. Nur eine zweite Schüssel voll mit Fisch, der auf etwas Reis trapiert war. Kein Joghurt. Und eigentlich war ich von Fisch nicht so begeistert, dass ich ihn unbedingt essen musste. Vor allem nicht früh am morgen. Mit Hilfe der Stäbchen schob ich den Fisch etwas bei Seite, so dass ich gut genug an den Reis heran kam. Den morgendlichen Hunger würde es stillen, bis ich die nächste Mahlzeit erwarten konnte. Die Frage war nur, was ich den Tag über machen würde. Ein Weg in die Bibliothek? Wäre ein Anfang um sich ein paar der Geschichten hier an zu eigenen. Das Problem würde nur das Verstehen sein, denn die Schrift konnte ich immer noch nicht lesen. Aber vielleicht gab es ja ein paar Bilderbücher? Es war Zeit das herauszufinden. Ich war tief in Gedanken versunken, als die Tür vorsichtig aufgeschoben wurde. Ich erwartete Jonghyuk, doch zu meiner Überraschung stand da Soo-Won der mich lächelnd begrüßte. „Guten Morgen. Ich dachte ich könnte Ihnen bei eurem Frühstück etwas Gesellschaft leisten und mit Ihnen reden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Essen in Gesellschaft immer besser schmeckt“, erklärte er und erst da bemerkte ich, dass er zwei Schüsseln in einer Hand balancierte. Eine, in der wohl Reis und Fisch war, mit einem Teller bedeckt und auf dem Teller, der eine Art Kuhle an der Unterseite hatte, stand eine Schüssel, über deren Rand bereits das Obst blitzte. „Ihr habt viel Zeit über, wenn Ihr euch so intensiv um eure Gäste kümmern könnt“, erklärte ich, während Soo-Won näher zu mir trat und sich mir gegenüber am Tisch niederließ. „Vielleicht bin ich auch einfach etwas einsam. Ich habe zwar Kye-Sook, aber er ist manchmal so streng.“ Soo-Won lachte, so als habe er einen Scherz gemacht und ich konnte mir vorstellen, dass er wirklich meinte was er sagte. Dennoch, die Alarmglocken in mir schrillten unaufhörlich. „Wie ich sehe habt Ihr gestern noch etwas geschrieben. Darf ich es sehen?“, fragte Soo-Woon und blickte sehr auffällig auf die Blätter, welche ich nicht vom Tisch genommen hatte. Ohne zu zögern, schob ich ihm diese zu, ebenso sicher, dass er es nicht lesen konnte. Wahrscheinlich hatte ich sein Eindringen in mein Zimmer wirklich nur geträumt, oder? „Eure Handschrift ist wirklich schön. Ein wenig klein vielleicht. Es wirkt ein wenig so, als wärt ihr nicht sehr selbstsicher und wollt nicht gesehen nicht werden. Und doch sind die Linien klar und deutlich und zeugen von einer gewissen Ordnung. Ihr scheint zwar eure... Linien zu verbinden, aber gleichzeitig trennt Ihr sie, wenn scheinbar ein Missverständnis entstehen könnte. Das könnte bedeuten, dass Ihr Problemen lieber aus dem Weg geht.“ Ich hob eine Augenbraue und fragte mich, was er nicht alles wusste und vor allem was für Erfahrungen ihn dazu gebracht hatten, aus einer Handschrift so etwas zu lesen. „Selbst wenn noch ein geringster Zweifel bestanden hätte, dass hier wäre der Beweis gewesen, dass Ihr keine Gefahr seid.“ Und für mich bestand kein Zweifel, dass Kye-Sook Soo-Won dafür die Leviten gelesen hätte. Wie konnte man einer Handschrift soviel Bedeutung beimessen? „Ich verstehe nur nicht, wie ihr so fließen unsere Sprache sprechen könnt, aber nicht in der Lage seid sie zu schreiben oder lesen.“ Ich nahm ein Stück von dem undefinierten Obst, welches ich nicht genau bezeichnen konnte. Doch ich stockte. Soo-Won hatte diesen Gedanken wohl schon die ganze Zeit. Und ja es klang unlogisch, vor allem wenn man bedachte, dass ich selbst in meiner Welt kein koreanisch sprach. „Das ist normal. Wenn man viel unter den Menschen ist, die in einem Ort heimisch sind, so lernt man die Sprache. Man beobachtet sie und versucht sich zusammenzureimen, was etwas heißt. Wie man die eigene Sprache lernt. Zu Beginn weiß man nicht was Worte bedeuten, aber wenn man beobachtet, oder nachfragt, ergibt es sich. Oder wollt Ihr mir sagen, dass alle Bewohner hier ihre eigene Schrift lesen und schreiben können?“ Ich lächelte Soo-Won an und schob mir selbstbewusst das Stück Obst in den Mund. Er schien überrascht, doch der überraschte Gesichtsausdruck wich schnell einem Lächeln. „Ihr habt Recht. Das habe ich gar nicht bedacht. Wenn ihr es wünscht, kann ich dem Hofmeister gerne mitteilen, dass er euch Unterricht gibt.“ Ich war überrascht über dieses Angebot. Hatte ich das richtig verstanden und Soo-Won bot mir an, dass der hießige Hauslehrer mir Unterricht im Schreiben und lesen von koreanisch geben würde, wenn ich es wollte? Das war wirklich seltsam. Was hatte er davon? Oder war es ein selbstloses Angebot? „Wieso bietet Ihr mir das an?“ Es war schwer mein Misstrauen nicht zu äußern. Noch dazu hatte ich das bisher oft genug getan. Warum also nun aufhören und so tun als vertraute man ihm, oder glaubte alles was er sagte? „Weil Ihr dann die ganzen Geschichten lesen könntet, die unsere Literatur zu bieten hätte. Noch dazu könntet Ihr die Geschichte der Sieger unserer heutigen Zeit niederschreiben.“ Er lächelte und doch hatte ich das Gefühl, er wollte mir damit durch die Blume etwas sagen. Mehr als nur „Schreibt über die Ereignisse die nun geschehen“. Die Geschichte der Sieger... wen meinte er damit? Sich? Oder ahnte er bereits, dass entgegen all seiner Planung eine ungewisse Fraktion in der Lage war, ihn zu stürzen? ~~*~~ „Hak!“, rief sie laut, ohne darauf zu achten, ob sie sonst noch jemand außer uns beiden hören konnten. Reaktionslos drehte ich mich um, ich war zu erschöpft um auch nur den Hauch von Überraschung im Leibe zu spüren. Hak dagegen hatte sich mit seiner geliebten Waffe ausgestattet, wobei er diese zu Tarnungszwecken an der Klinge in ein Tuch gewickelt hatte. Auch trug er eine Art Beutel um die Schulter, doch da wir ihn in der Frontsansicht sahen, konnten wir nicht erkennen, was sich darin befand. Nur ein Bogen und mehrere Pfeile ragten über seine Schulter hinweg. ‚Stimmt, das ist doch Yonas Bogen‘, konnte ich mit meinen müden Augen erkennen. Nicht zum ersten Mal wünschte ich mir, ich hätte meine Brille bei mir. Automatisch, wie immer, wenn ich etwas in der Ferne betrachten wollte, kniff ich meine Augen zusammen, was das unschöne Gefühl in meinem Kopf nur verstärkte. Yona schien sich darüber zu freuen, Hak endlich gefunden zu haben, doch dieser dagegen wirkte viel weniger erfreut, als verblüfft. Offenbar hatte er gehofft, dass Yona sich in den Tiefen der Stadt vergraben und verstecken würde. Nicht, dass sie hier offen und angreifbar für jeden Feind am Ausgangstor stehen würde. Doch Yona ließ ihm keine Zeit, seine Gedanken zu ordnen. „Ich und Kira, wir verschwinden von hier. Begleite uns!“, sagte sie ihm in einem ruhigen, aber auch in einem bestimmenden Ton. Von der ängstlichen, schwachen und verletzlichen Yona war nichts zu spüren. Beeindruckt, soweit es meine Umstände erlaubten, sah ich sie an. Auch Hak sah sie beeindruckt an, wenn auch aus anderen Gründen als ich. Wenige Minuten vergingen, sie fühlten sich wie eine kleine Ewigkeit an und keiner der beiden sagte etwas. Dann begann Hak zu lächeln, er wusste, wann er einen Kampf verloren hatte. Zumindest schien es so, denn einen Herzschlag später verdunkelte sich sein Gesicht und er sah uns beide sehr ernst an. „Wie war das?“, fragte er nach und stemmte seine Hand in der Hüfte ab. Doch auch Yona wich weder von ihrem ernsten Ton ab, noch ging sie ihm aus dem Weg. „Wir verschwinden von hier“, wiederholte sie sich selbst. „Wenn ich hierbleibe, wird die Hauptstadt Fuga in Kämpfe verwickelt. Meinetwegen und das möchte ich nicht. Außerdem möchte ich Kira helfen“, fügte sie hin, was mir einen Rotschimmer auf den Wangen verpasste. Hak begann zu seufzen. „Geht zurück …! Ich habe es dem Ältesten befohlen. Hier wird es bald wieder sehr sicher sein, für euch beide. Lebt ihr nur friedlich weiter.“ Dabei fuhr er sich durch die Haare. Er wusste wohl auch nicht so recht, was er tun sollte. Ich konnte ihn verstehen, mich überforderte die Situation genauso, noch mehr als im wachen Zustand, nur mit dem Unterschied, dass es mich im Moment auch deutlich weniger kümmerte. Unsicher trat Yona einen Schritt auf Hak zu. „Und du, Hak? Ich habe dir nicht erlaubt, fortzugehen.“ „Es ist egal, ob Ihr es erlaubt oder nicht“, erwiderte er harsch, räusperte sich und versuchte sichtbar, sich in seinem Tonfall zu mäßigen. Doch als er weiterredete, klang er nicht minder genervt. „Ich bin kein General mehr. Euer Gefolgsmann bin ich auch nicht. Ich reise jetzt, wohin ich will. Ich bin nicht verpflichtet, mich auch noch um euch beide zu kümmern … solange Ihr euch ruhig verhaltet, wird Su-won nichts unternehmen.“ Er machte eine halbe Drehung und versuchte, an Yona vorbeizugehen, doch diese stellte sich dem jungen Mann entschlossen in den Weg. Energisch hob sie die Arme, um sicherzugehen, dass er stehen blieb. „Zur Seite“, knurrte er mürrisch, doch Yona dachte nicht im Traum daran, von ihrer Position abzuweichen. „Mein Entschluss steht fest“, sagte sie mit fester Stimme. Hak seufzte erneut. „Wie ihr wollt. Aber ich begleite euch nicht.“ Ein paar Sekunden Stille, dann versuchte es Yona auf eine andere Art und Weise, wenn auch längst nicht mehr so selbstsicher. „Gut … und für Geld?“, fragte sie ihn und man konnte Hak ansehen, dass ihn diese Frage nicht gerade überzeugte. „Habt Ihr denn welches? Wenn wir ab sofort gemeinsam unterwegs sind … werde ich Euch auf jeden Fall beschützen müssen. Ich frage Euch also, ob Ihr derzeit das Geld habt … mich für meine Dienste zu bezahlen?“ Noch immer starrten sich die beiden Dickköpfe an und langsam bekam ich das Gefühl, dass sie vergessen hatten, dass ich immer noch neben ihnen stand, die ganze Szenerie beobachtete. Denn obwohl es anfangs um uns beide ging, ist die Situation recht schnell auf Yona allein zurückgeschrumpft. ‚Hach, es ist so amüsant und auch gleichzeitig so anstrengend, wenn man bereits so viel mehr weiß, als es die Beteiligten je vermuten würden. Wenn die wüssten, dass ich die beiden irgendwo shippe … die würden mich doch verrückt erklären. Andererseits, das ist ja auch der Grund, weshalb er so handelt, glaube ich. Er will Yona beschützen, sie in Sicherheit wissen. Zwar verstehe ich nicht, weshalb er weggehen will, bei Yona kapiere ich es ja so halbwegs, aber bei ihm kommt mir das nur seltsam vor. Ob er wohl gehen und Su-won töten wollte? Oder ganz alleine die Feuernation angreifen will? Naja, ich hoffe, das Pairing kommt wirklich irgendwann zustande, das ist ja jetzt schon nicht mehr mit anzusehen …‘ „Ah. Oder …“, sagte Hak nach mehreren Minuten des Schweigens. Mit einem finsteren Lächeln schnappte er sich Yonas freie Hand und verkleinerte den Abstand, bis er weniger als eine Armlänge entfernt vor ihr stand. Erstaunt blickte Yona ihn an. „Oder … zahlt ihr mit eurem Körper?“, fragte er in einem Ton, den ich nicht deuten konnte. ‚Ob er das ernst meint? Ne, oder?‘ Yona dagegen wusste sehr genau, wie sie diese Antwort einzuordnen hatte, grimmig blickte sie ihm entgegen. Haks Gesichtsausdruck konnte man dagegen mit den Worten „gelangweilt“ am besten beschreiben. „Ich habe nichts, was ich dir geben könnte“, begann Yona zögerlich, doch dann wurde sie wieder von Hak unterbrochen. „Dann versteht ihr es. Geht zurück.“ Mit einer flinken Bewegung ließ er ihre Hand los und marschierte an Yona vorbei, dieses Mal hielt sie ihn jedoch nicht auch. Auch ich regte mich nicht, wie ein Reh stand ich dort und beobachtete die ganze Szene. Müdigkeit überschwemmte meinen Kopf in regelmäßigen Wellen, doch auch im Wachszustand wäre ich mit der Situation mehr als überfordert gewesen. „Lebt wohl … Prinzessin Yona!“, sagte er und sogar ich konnte ihm anmerken, dass er versuchte, sich zusammen zu reißen. Yona dagegen starrte für einen kurzen Augenblick weiter in den Himmel, dann drehte sie sich um und rannte Hak direkt vor die Nase. Packte ihn an seiner Kleidung und sah ihm ernst, aber auch bittend ins Gesicht. „Aber … ich … will dich! Hak! Ich will dich!“, sagte sie ihm offen ins Gesicht, was ihn nun vollkommen aus dem Konzept brachte. Auch meine innere Shipperin konnte sich nicht mehr zusammenreißen, die Szene war einfach zu viel für sie. Während mein Fangirl dagegen die ganze Sache fröhlich-neutral betrachtete, sahen sich Hak und Yona für mehrere Herzschläge lang gegenseitig tief in die Augen. Haks Gesichtszüge nahmen immer finstere Formen an, erneut wich Yona nicht von seiner Seite. Schließlich gab er nach, frustriert, aber auch glücklich, fasste er sich an die Stirn. Er ging vor ihr auf die Hocke und hielt sich den Bauch fest, als würde er jeden Moment in schallendes Gelächter verfallen. „Was soll das …? Du bist so … egoisitisch! Ach .. Mist! Wie ärgerlich.“ Er nahm seine Hand wieder runter und blickte auf die Seite. Als würde er über irgendetwas nachdenken. Ein Seufzen kam über seine Lippen. Dann sah er wieder zu Yona zurück. „Ihr habt gewonnen … Eure Hoheit. Ich werde Euch auf Eurer Reise begleiten und Euch beschützen. Ohne Entgelt und auch ohne dass ich Euren Körper in Anspruch nehmen werde.“ Er stand wieder auf und blickte nun zu mir herüber. Ungewohnt, dass mir nun nach all der Zeit wieder jemand seine Aufmerksamkeit schenkte, begann ich zu schlucken. „Doch was ist mit dir, Kira? Ich kann verstehen, warum ich Prinzessin Yona mitnehmen soll, doch warum du auch noch mitkommen sollst, ist mir nicht klar. Also, sag mir, warum?!“ Unsicher sah ich ihn an, was sollte ich denn jetzt nur sagen? Ich war auf Yonas Bitte mitgekommen und mein Körper, mein Geist, meine Seele sehnte sich nach wie vor nach einer Mütze voll Schlaf, aber das konnte ich ihm ja unmöglich unter die Nase binden. „Kira kommt mit, weil ich ihre Unschuld beweisen möchte. Es heißt, dass eine Ausländerin die Mörderin meines Vaters sein soll. Selbst wenn ich nicht wüsste, dass sie es nicht sein kann, würde ich sie niemals dafür verdächtigen. Wir kennen uns noch nicht lange, aber ich spüre, dass Kira nicht die Art von Mensch ist, die solche Dinge tun würde.“ Sie stockte für einen kurzen Moment und ich ahnte, an wen sie dachte: Su-won. Auch von ihm hätte sie nie vermutet, dass er eines Tages der Königsmörder sein würde. Ich konnte mich noch an die Worte meines Geschichtslehrers erinnern: „Niemand will der Königsmörder sein.“ Doch Su-won wollte es in einer gewissen Art und Weise sein, wenn auch nicht für die breite Öffentlichkeit. Hak schüttelte den Kopf. „Das ist nett von Euch, aber mich würde viel lieber interessieren, was sie dazu zu sagen hat. Sie hat einen Mund, also kann sie auch für sich selbst sprechen.“ Schweigend sah ich zwischen den beiden hin und her. Im Grunde war meine Aufgabe eigentlich erledigt, es ging Yona bereits wieder deutlich besser und sie brauchte niemanden mehr, der ihr beim Essen oder Anziehen half. Sie war wieder in unsere Wirklichkeit zurückgekehrt. Ich unterdrückte das Bedürfnis, mir an meine eigene Schläfe zu fassen, wie ich auch den Kloß im Hals unterdrückte. Der Nebel in meinem Kopf machte es mir schwer, klare Gedanken zu fassen und so versuchte ich mein Bestes. „Vielen Dank, Prinzessin Yona, das ehrt mich wirklich zutiefst. Allerdings möchte ich nicht, dass du das alles alleine machst. Dass du dich um meine Unschuld kümmerst, während ich zuhause herumsitze. Klar, ich mag jetzt nicht vielleicht so aussehen, aber ich bin jemand, der gerne selbst die Dinge in die Hand nimmt. Oder zumindest seinen Teil dazu beitragen möchte. Ich werde euch begleiten, mit euch kämpfen und dafür auch mit dafür sorgen, dass Yona nichts passiert. Dass sich das Gerücht nicht weiter verbreitet und ich irgendwann ganz normal unter die Leute gehen kann, ohne, dass mich jemand gleich für den Mord einer Person verhaften lassen möchte, obwohl ich diese Person nie in meinem Leben gesehen habe. Außerdem bin ich anpassungsfähig, wenn es sein muss. Ich bin offen, ich weiß nicht, ob ich jemanden töten könnte, aber das weiß man ja nie vorher. Wer weiß, vielleicht gefällt es mir ja sogar, mich in der Not verteidigen zu müssen.“ Ich merkte, dass das in eine komplett falsche Richtung lief und versuchte, wieder den richtigen Weg zu finden. Den Ausweg aus dem Silent Hill in meinem Kopf. „Auf jeden Fall werde ich mich nützlich machen. Und wenn ich nur mal als Doppelgänger irgendwelche Feinde ablenke, weil sich die Haarfarben von Yona und mir so ähneln. Das könnte bestimmt auch ziemlich hilfreich sein, sollten wir das irgendwann mal brauchen.“ Ich konnte ansehen, dass Hak über meine Worte nachdachte, doch in welche Richtung seine Gedanken gingen, das konnte ich absolut nicht sagen. Das war für mich nicht gut zu erkennen. Schließlich verschränkte er seine Arme und begann, mich im Geiste von den Beiden für immer zu verabschieden, da begann er wieder frustriert zu lächeln, wenn auch nicht ganz so stark wie bei Yona zuvor. „Nun gut, wenn du das so siehst … dann wirst du uns eben begleiten. Aber achte ja darauf, dass du kein Klotz am Bein sein wirst. Jetzt schnell, bevor uns noch jemand entdeckt“, sagte Hak und schob uns beide zum Tor hinaus. Kapitel 9: Höhen und Tiefen --------------------------- ‚Spieglein an der Wand – wer ist drei Tage wach? … Flasche leer, Feuerwehr, drei Tage wach. Laufen geht jetzt auch nicht mehr, drei Tage wach. ‘ Steinchen, drei kleine Steinchen auf einem harten, öden Boden, sie alle in der gleichen Farbe. Ich starrte sie an, als wären sie das Interessanteste auf der Welt, als könnten sie mir die Antworten auf alle Fragen des Universums beantworten. Oder, als würden sie jederzeit, wie die Gems aus meiner Lieblingsserie, in die Höhe schweben und einen Körper aus hartem Licht formen. ‚Wie diese Gems wohl heißen würden? ‘ fragte ich mich, doch gleichzeitig war es mir gleichgültig, das zu erfahren. ‚Seit wann habe ich diesen Ohrwurm wieder? Es ist so lange her …‘, doch auch das wollte ich eigentlich nicht wissen. Die Welt wurde in meinen Augen immer kleiner und enger, immer weniger davon konnte ich sehen. Doch es erschien mir gleichgültig. Gedanken, Emotionen, Empfindungen – sie alle begraben unter einem dünnen Schleier. ‚Das ist wie damals, als wir bei der LAN-Party waren … oder an den Rückflugtagen aus der USA‘, erzählte mir eine vertraute Stimme in meinem Kopf, erst nach ein paar Sekunden verstand ich, dass es meine eigene war. Stumm begann ich zu nicken, wohlwissend, dass meine Gedanken dies niemals zu Gesicht bekommen würden. Bereits seit mehreren Stunden stand die Sonne hoch am Himmel, doch selbst wenn ich meine Armbanduhr mit mir führen würde, selbst dann würde die Zeit für mich keine Rolle spielen. Stumpf drangen die Stimmen meiner beiden Begleiter in mein Ohr, doch ich gab mir keine Mühe, ihnen sonderlich zuzuhören. Auch versuchte ich nicht, mich an ihrem Gespräch zu beteiligen, eine Unternehmung, die mich im Augenblick noch mehr Überwindung und Kraft kosten würde als üblich. An die gleiche Felsenwand gelehnt wie die beiden, starrte ich weiterhin den Stein vor meinen Füßen an. Meine Gedanken ließen sich von der Neutralität des Seins dahintreiben, wie in einem Fluss voller Umarmungen. Ich kannte das Ziel nicht und doch wusste ich, dass es mir positiv gesonnen war. Schon lange hatte mein Körper das Gähnen wieder eingestellt und ich wusste, die Müdigkeit ohne das Gähnen war die wirklich gefährliche. Die, die zum Sekundenschlaf führen konnte. Die, die dafür sorgen konnte, dass die Augen so schwer wie Burgtoren sein würden. Doch auch diesen Zustand hatten mein Körper und ich bereits hinter uns gelassen, resultierend in einem Moment der Müdigkeit, wie sie Schrödinger nicht besser hätte beschreiben können. Müde und doch gleichzeitig wach. Wach und doch gleichzeitig müde. Die Verlockung nachzugeben, dem Ruf des Schlafes zu folgen in eine Welt voller Erlösung, schien so nah und auch so einfach zu ergreifen. Doch gleichzeitig wollte ich mich nicht von der Stelle bewegen, sowohl körperlich, wie auch psychisch. Ich war an diesem Ort gebunden und ich wusste, am Ende des Tages  würde der selige Schlaf meine Belohnung sein. Angestrengt, als hätte ich es seit tausend Jahren nicht mehr getan, blinzelte ich mehrere Male und versuchte, meinen Kopf wie einen Laptop neu hochzufahren. Verschob die Müdigkeit an einen kleinen Punkt auf meinem Hinterkopf, so, wie ich es bereits mehrere Male mit meinen Kopfschmerzen getan hatte und versuchte, mich aus meiner Eierschale zu befreien. Die Sicht meiner Augen verbesserte sich immer mehr und nun konnte ich auch Yona aus dem Augenwinkel erkennen. Ich wusste, mein Bewusstsein würde nicht vollständig ans Tageslicht gelangen, dennoch würde ich mit meinem Umfeld agieren müssen, spätestens wenn die beiden ihren Weg fortsetzen würden. Die süße Vorstellung eines tiefen Schlafes im Sinn, schob ich sämtliche meiner Kräfte in mein rechtes Ohr und versuchte, mich auf die Unterhaltung meiner beiden Begleiter zu konzentrieren. Dass ich mich hier neben ihnen an der Felswand lehnte, nur auf den Boden starrte und geistig mehr abwesend als anwesend war, war ihnen wohl noch nicht aufgefallen. „So, Ihr möchtet nun, dass ich Euch und Eurer Begleitung auf Eurer Reise Schutz gewähre und Euch dabei begleite … doch wie beabsichtigt Ihr mich zu bezahlen? Ihr seht nicht gerade aus, als wärt Ihr sonderlich reich oder hättet viel Geld in Eurer Reisekasse, meine werte Prinzessin“, sagte Hak spitz, nur wenige Zentimeter trennte die beiden voneinander. Müde blickte ich die beiden an, mein Verstand klarte immer weiter auf und doch konnte ich nichts weiter tun, als die beiden zu beobachten. Im Schneckentempo schien mein Gehirn die Signale, die ihm meine Augen schickten, zu verarbeiten. ‚Ich glaub, ich weiß, was er da vorhat … glaube ich …‘, fuhr es mir durch den Kopf. Zwar hatte ich die Szene das eine oder andere Mal bereits im Anime gesehen, meine Anwesenheit schien nichts daran zu ändern, doch waren mir Haks Absichten dahinter nie wirklich klar gewesen. Wollte er sie nur necken? Und wurde er dann ein Opfer seiner eigenen Gefühle zu ihr, sodass er sich selbst nicht mehr stoppen konnte? War es beides? So wirklich war es mir noch nie klar gewesen und so versuchte auch jetzt mein Gehirn, das Gesamte zu verstehen. Dass es sich dabei anstellte wie ein Handy, dessen Empfang gerade E anzeigte, das aber trotzdem hilflos versuchte, ein YouTube Video in 1080p zu laden, war keine besonders große Hilfe. „Nun … ich denke, ich werde etwas finden“, sagte Yona neutral und wie immer beschlich mich der Verdacht, dass sie noch weniger wusste, was gerade geschah als ich selbst. Im Gegenteil zu mir wusste sie noch nicht einmal von Haks Gefühlen oder von ihren eigenen. Ich spürte, wie meine Wangen sich erhitzten, wenigstens eine Region meines Körpers war hellwach. „Seid Ihr Euch da sicher?“, fügte Hak hinzu und ich spürte, wie auch die kleine, innere Shipperin in mir erwachte. Szenen wie diese waren wie warmes, süßes Popcorn für sie. „Tut mir leid, aber ich fürchte, dass mich das nicht besonders überzeugen kann. Wenn Ihr einen solch erfahrenen und teuren Kämpfer wie mich beschäftigen und an Eurer Seite sehen wollt, dann müsst ihr wohl etwas mehr zu Eurer Sicherheit aufweisen als ein paar süße Worte. Aber …“, sagte er und näherte sich ihrem Nacken derartig weit, dass die Schreie meiner inneren Shipperin in den Ohren klingelten. „Ihr könnt mich natürlich auch mit dem bezahlen, was Ihr jetzt bereits zur Verfügung habt, wie euren Körper …“, sagte er und begann, sich weiter ihrem Nacken zu nähern. Während ich nun halsaufwärts die Farbe einer Coca Cola Dose angenommen hatte, fühlte sich Yona immer unwohler. Sie verstand die gesamte Szene überhaupt nicht und versuchte, sich mit Händen und Füßen zu wehren. „Hak, was soll das denn alles … was ist mit dir los?“, brachte sie mühsam hervor, offenbar versuchte sie die Situation zu verstehen und gleichzeitig sich von ihr zu befreien. Ich dagegen wusste auf die Frage, ob ich mich einmischen sollte oder nicht, keine Antwort, stattdessen lehnte ich mich weiterhin gegen die Mauer, als hinge mein Leben, mein Bewusstsein davon. Als würde ich eines oder beides verlieren, sollte ich die Mauer nicht mehr unter meinem Körper spüren. Alles, was ich in dieser Situation tun konnte, war sie zu beobachten …   „Feinde nähern sich uns“, sagte Hak mit einem Mal, seine Stimme klang nun wieder hart und fest. Er hatte seinen Kopf an Yonas vorbeigeschoben und lauschte an der Mauer, möglicherweise konnte er die Schritte der Soldaten an ihr hören. ‚Stimmt ja, wir werden jetzt überfallen von den Leuten aus der … Feuernation? Uff, das muss jetzt echt passieren, oder? Von wegen Schmetterlingseffekt, ich mache offenbar doch keinen Unterschied … können die nicht morgen angreifen? Vielleicht ist es doch besser, wenn ich gefangen genommen werde. Solange sie mich nicht umbringen, werde ich vielleicht endlich mal so richtig lange schlafen können. ‘ Als hätte Hak meine Gedanken gelesen, packte er mich am Arm und schob mich mitsamt Yona hinter sich. Er murmelte etwas vor sich hin, aber entweder sprach er zu leise oder es lag an der Watte in meinen Ohren, aber ich konnte nicht einmal im Ansatz erkennen, was er mir sagen wollte. Kaum hatte er seinen für mich unverständlichen Monolog beendet, tauchten auch bereits die ersten Köpfe, dann die ersten Rüstungen und Waffen in unserer Sicht aus. Müde blinzelte ich die Kämpfer an, die sich uns mit festem Schritt immer weiter näherten, doch die Null-Bock-Einstellung meines Gehirns hatte die Kontrolle übernommen. Hak dagegen hatte die komplette Kontrolle über die gesamte Kampfsituation, keiner der ersten Männer, auf die er mit seiner Waffe stieß, hatte eine Chance. Erschrocken zuckte Yona neben mir zusammen, doch alles, was ich fertig brachte, war, ihr eine Hand auf die Schulter zu legen. „Hak passt auf uns auf. Uns kann nichts passieren“, sagte ich und klang in meinen eigenen Ohren noch monotoner als üblich. Wie immer, wenn ich zu müde oder zu krank war. Nach wenigen Minuten, in der Männer verdutzt und auch schreiend in sämtliche Gegenden flogen oder flohen, gesellte sich Hak wieder zu uns zurück. An seinem Körper befand sich weder eine Wunde, noch ein Tröpfchen Blut seiner Feinde. Ziemlich beeindruckt sah ihn an, auch wenn ich nicht das Gefühl hatte, dass man an meinem Gesicht ablesen konnte. ‚Wir sollten gehen, einfach irgendwo hingehen, uns verstecken … irgendwo, wo uns keiner findet und dann endlich schlafen …‘ Doch was Hak schließlich sagte, klang nicht nach „Flucht“ oder „Schlaf“. Kaum hatte er es gesagt, hatte ich es auch bereits wieder vergessen. ‚Ich hoffe, das war jetzt nichts wichtiges …‘ „Haben wir euch endlich gefunden!“, rief uns jemand aus der Ferne zu. Wir alle blickten zur Quelle der unangenehm klingenden Stimme und fanden sie in Tea-jun, welcher uns hämisch von seiner Position betrachtete. Er stand auf einer höheren Ebene der Felswand, ich wusste, dass der Weg wie eine Serpentine geformt war. Auch wusste ich, was nun alles folgen würde und es gefiel mir noch weniger, je länger ich darüber nachdachte. Dass ausgerechnet jetzt mein Gedächtnis nicht nachließ, ließ mich sauer aufstoßen. ‚Bitte, Schmetterlingseffekt, du musst doch auch in dieser Welt existieren und gelten, oder? ‘, schickte ich eine stumme Bitte gen Himmel, während sich Hak für einen weiteren Wellenangriff bereit machte. Ein weiteres Mal blickte ich zu Tea-jun hinauf, welcher etwas sagte, ich konnte die Bewegungen seiner Lippen sehen, aber nicht verstehen, was er sagte. Überhaupt schien seine Rede an uns allen dreien vorbei zu gehen, was ihn aber weder sonderlich störte, oder er bemerkte es nicht. Yona war durch ihre Furcht und ihren Zorn zu angespannt, Hak konzentrierte sich auf die nahenden Kämpfer und ich … ich hatte in meinem Oberstübchen auf Durchzug geschalten. Alles, was nicht die Worte „Bett“ und „Schlaf“ enthielt, wurde herausgefiltert und gar nicht mehr erst großartig verarbeitet. Das einzige, was ich mitbekam, war, wie sich die zweite Angriffswelle zurückhielt, ein paar Schritte zurückwichen und stehen blieb. Verwirrt blickte ich mich um, offenbar gab es doch eine Veränderung, doch welche, das hätte ich selbst mit der Kraft der Zukunftsvision nicht vorhersehen können. Ein letztes Mal sah ich zu Tea-jun und zum ersten Mal, seit er über uns erschienen ist, schien ich seine Worte zu verstehen. „Bogenschützen … anlegen und Feuer!“, ertönte es laut und klar in meinen Ohren, kaum hatte ich verstanden, was diese Worte bedeuteten, spürte ich, wie ich den Boden unter den Füßen verlor. Etwas bohrte sich in meine Schulter und ich hatte die leise Ahnung, dass mir etwas Flüssiges die Schulter hinabfloss. Dennoch legte mein Gehirn meine gesamte Aufmerksamkeit den Fokus auf die Panik, die in mir hochstieg, als ich nun wirklich immer mehr den Boden unter den Füßen verlor. Aus dem Augenwinkel sah ich noch, wie Hak Yona unter sich begrub, damit er die Pfeile abbekam und nicht sie, versuchte ihnen auszuweichen … doch es gab keinen Platz, an den ich hätte ausweichen können. Das Gefühl in meinen Füßen wurde Realität und für einen kurzen Augenblick setzte mein Herz aus. Meine Augen weiteten sich und ich konnte den leicht entsetzten Blick auf Haks Gesicht sehen. Mühsam strecke er seinen Arm aus, versuchte mich noch zu erreichen, doch da hatte bereits die Schwerkraft beschlossen, dass sie in diesem kleinen Kampf ganz klar die Oberhand gewann. Trotz der Watte in meinen Ohren und dem Nebel in meinem gefühlt leeren Kopf, stieg die Panik immer weiter in mir auf. Meine Atmung wurde immer panischer und hektischer, etwas, was ich sonst immer bisher als Reaktion darauf kannte, dass die Arzthelferin gerade die Stelle desinfiziert hatte, wo gleich die Impfnadel eintreffen würde. Meine wenigen Gedanken drehten sich wie im Schleudergang und mir wurde bewusst, dass ich nicht einfach nur ausgerutscht bin und auf den Boden fiel. Nein, ich war über die Klippe gefallen und näherte mich dem Erdboden, Rücken vorwärts. Schnell schloss ich die Augen, als würde es etwas an der Situation ändern. ‚Was mache ich denn jetzt? Soll ich die Arme wie ein Hörnchen öffnen? Oder mich lieber zusammendrücken? Warum lernt man nicht solche Dinge in der Schule? ‘ Während ich mich für die zweite Variante entschied und mich schwer atmend selbst umarmte, schloss ich mit meinem Leben ab. Einen Sturz, der sich bereits wie zehn Minuten anfühlte, konnte ich unmöglich überlegen. Tränen schossen mir in die Augen und obwohl ich vermutete, dass man von mir einen Schrei erwarten würde, brachte ich ihn nicht über die Lippen. Alles in mir schrie, aber ich brachte nur meine hektische Atmung hervor. ‚Durchhalten, irgendwann ist es vorbei, irgendwann muss ja mal Grünzeug kommen … ob ich versuchen soll, mich irgendwo festzuhalten? Oder breche ich mir dann was? Naja, wäre mal das erste Mal … Aber gut, wenn ich unten ankomme, dann werde ich wohl endlich meine Müdigkeit los … ich hätte ihn nur so gerne noch ein letztes Mal gesehen, meinen süßen, lieben Freund …‘ Äste und Blätter klatschten mir überall entgegen, nach einer weiteren schieren Ewigkeit spürte ich etwas anderes als nichts. Noch immer klammerte ich mich an mich selbst, auch nur die Hand auszustrecken wagte ich nicht, auch wenn ich wusste, dass es mich als Tote nicht sonderlich stören würde, hätte ich ein gebrochenes Handgelenk oder nicht. Der Wind rauschte in meinen Ohren und es dauerte nicht lange, als meine unfreiwillige, senkrechte Reise ihr Ende fand. Es knirschte unter mir, als ich in etwas Trockenes und Stechendes landete, etwas pikste mir frech in den Rücken. Ich wartete noch ein paar Sekunden erwartete ein Geräusch, einen weiteren Fall oder gar die Stimme eines lieben Engels, der mir sagen würde, wie ich den Weg in mein persönliches Paradies finden würde, doch nichts davon war der Fall. Vorsichtig nahm ich die Hände herunter und tastete nach dem seltsamen Zeugs, das sich gefühlt von allen Seiten in mich hineinbohrte. Ein bekanntes Gefühl ertastete ich und als ich meine Augen öffnete, war ich umgeben von dem wohl schönsten dunklen Sonnengelb, das ich je in meinem Leben gesehen hatte. ‚Stroh … ich bin auf Stroh gelandet. Bestimmt nicht so elegant wie Ezio aus meinen Lieblings-Assassin’s Creed Teilen, aber immerhin … das Stroh hat mir das Leben gerettet. Danke dir, Stroh! ‘ Dankbar rollte ich mich aus dem stacheligen Haufen und versuchte, auf die Beine zu kommen, was sich als mühseliger herausstellte, als ich dachte. Meine Atmung und auch meine restliche Panik hatten sich eingestellt, dafür wurde mir immer schwärzer und schwärzer vor den Augen. Die schwarzen Punkte wurden immer größer, wie auch das Schwindelgefühl in meinem Kopf. Offenbar hatte mein Kopf nun die Kapazitäten dafür frei bekommen und es traf mich wie ein Schlag. ‚Wie damals, als ich mir mit dem Schinkenmesser in den Daumen geschnitten habe … aber jetzt ist hier wieder ein Klo, auf das ich mich setzen kann, noch meine Mutter, die mir eine Cola bringt … das wäre jetzt was, ein Schluck Cola und alles wird wieder gut …‘ Langsam ließ ich mich auf den Boden hinab, meine Beine wackelig wie Pudding und ich versuchte, keine erneute Panik aufsteigen zu lassen. Stattdessen versuchte ich, die Ursache der Situation herauszufinden. ‚Ganz ruhig, wenn du ganz ruhig bleibst, dann verlierst du nicht so viel Blut. ‘ Noch immer hatte ich keine Ahnung, was mit mir passiert war, aber ich wusste, es hatte etwas mit einer Wunde zu tun. Dann fiel mir das Stechen in der Schulter ein, kurz nach dem Beginn meines Falls. Ich tastete danach und spürte den langen Pfeilschaft, wie er in meiner Schulter endete, wie auch die leicht von Blut getränkte Stelle. Seufzend ließ ich von dem Pfeil ab. ‚Denk an das, was du in der Schulsani-Ausbildung gelernt hast. Lass den Pfeil drin, er könnte eine wichtige Ader erwischt haben und die nun auch gleichzeitig verstopfen. Ich könnte sonst verbluten …‘ Ich konnte gerade noch sehen, wie sich mir eine Person näherte und öffnete den Mund, um ihn oder sie um Hilfe zu bitten. „Können Sie … mir helfen?“, brachte ich noch hervor, dann wurde ich von einer Welle aus Wärme und Schwindel erfüllt und spürte, wie ich mich erneut dem Erdboden näherte, dieses Mal allerdings aus einer geringeren Distanz. Das Aufkommen auf den Boden bekam ich bereits nicht mehr mit.   Blinzelnd fand ich meinen Weg in die wache Welt zurück, verwirrt versuchte ich mir ins Gedächtnis zu rufen, was vor meinem „Nickerchen“ passiert war. ‚Wo bin ich … und was ist passiert? ‘ Verwirrt versuchte ich mich aufzurichten, um einen besseren Blick auf meine Umgebung zu bekommen. Mein Kopf fühlte sich leicht und locker an und ich bemerkte, wie die komplette Anspannung der letzten Stunden verschwunden war. Kaum hatte ich mich auf meine Hände gestützt, um mich in eine aufrechte Sitzposition zu bringen, durchfuhr ein stechender Schmerz meine Schulter. Reflexartig fasste ich mit der rechten Hand dorthin, mal wieder hatte ich mir auf der linken Seite eine Verletzung zugezogen. Doch statt eines Pfeils erwartete mich nur ein harter Stoff, etwas, was mir wohl als Verband dienen sollte. ‚Ein Pfeil … stimmt, mich hat ein Pfeil getroffen und ich habe auch ein wenig geblutet … habe ich mich selbst versorgt? Nein, daran kann ich mich absolut nicht erinnern … ich bin auf diesen Haufen Heu gefallen … oh mein Gott! ‘ Panisch fasste ich mich am gesamten Körper an, als müsste ich überprüfen, ob ich nicht doch wie eine reife Wassermelone beim Aufprall zerplatzt war. Doch nach einem kurzen Ganzkörperbetatschen konnte ich davon ausgehen, dass alles an mir vorhanden war, auch fühlte sich nichts taub oder seltsam an. Erleichtert atmete ich aus und nahm mir nun die Zeit, mich umzusehen. Eine einfache Hütte, spärlich möbliert und unter mir eine Strohmatte. Irgendwie klopfte es in meinem Hinterkopf, doch so richtig konnte ich die Hütte nicht zuordnen. Ich versuchte mich gerade zu erinnern, als ein fremder, aber auch angenehmer Geruch seinen Weg in meine Nase fand. Zwar roch ich ihn nicht besonders stark, dennoch reichte der schwache Hauch in meinem Geruchssinn. Mein Magen zog sich zusammen und fühlte sich mit einem Schlag leer an. ‚Ist ja auch schon etwas länger her, dass ich etwas gegessen habe …‘, dachte ich und versuchte anhand des Geruchs herauszufinden, was da so gut roch, versagte jedoch wie gewohnt komplett dabei. Schließlich erschien eine kleine Gestalt, mit blonden Haaren und einem leicht strengen Blick, in der Tür und hielt eine kleine Schüssel in der Hand. „Ah, du bist wieder wach … etwas früher als erwartet, aber gut. Bist wohl doch etwas zäher, als du mit deiner seltsamen Kleidung aussiehst.“ Langsam kam er auf mich zu, mit der Schüssel in der Hand und einem paar Essstäbchen zwischen den Fingern, wie ich nun erkennen konnte. Erst jetzt bemerkte ich, dass mir meine Brille fehlte, unbewusst hatte ich meine Augen zugekniffen, um den Jungen besser erkennen zu können. ‚Wäre ich doch wenigstens mit der Brille ins Bett gegangen … und warum fällt mir das erst jetzt auf? Uff, ich bin echt langsam … vielleicht habe ich es ja die ganze Zeit doch für einen Traum gehalten, immerhin brauche ich dort ja nie eine. ‘ Der Junge reichte mir die Schüssel sowie die Stäbchen, der strenge Blick jedoch blieb. Ich nahm sie ihm dankbar entgegen, pustete ein wenig und blickte den Inhalt an. Reis blickte mir entgegen, gemischt mit Kräutern und ein wenig Gemüse. Dankbar begann ich den Reis zu essen und war auch froh, dass er mir schmeckte. Seit mir mein Freund einmal Reis gemacht hatte, war ich ziemlich verwöhnt geworden und war der Meinung, dass ihn die meisten Leute nicht hinbekommen würden. Der Junge war dagegen eine der wenigen Ausnahmen, die es verstanden, den Reis köstlich zuzubereiten, nicht zu einem komischen Essen, das sich schon beim Anblick komplett auf dem Teller verteilte und nach nichts schmeckte. „Vielen Dank, das schmeckt lecker!“, sagte ich und schaufelte den letzten Rest in mich hinein. Kurz überlegte ich, ob ich nach einem Nachschlag fragen sollte, hielt es jedoch für unhöflich und beschloss, die Frage sein zu lassen. Der Junge seufzte. „Ich habe zwar keine Ahnung, wer du bist und warum eine derartig seltsame Kleidungsgarderobe besitzt, allerdings kann ich sagen, dass du ziemlich verdächtig wirkst. Zufällig haben wir sehen können, wie du blutend, mit einem Pfeil in der Schulter aus dem Heu herausgekrochen bist, so, als hättest du dich vor jemanden versteckt. Also, was bist du, ein Dieb oder ein Mörder?“ ‚Wow, ok …‘ Nun nahm ich tief Luft, drehte mich zu dem Jungen um und versuchte, mich an seinen Namen zu erinnern, doch wie immer fiel es mir schwer. Auch fiel es mir schwer, ihm in die Augen zu sehen, also blickte ich zurück auf die Decke, die er über mich gelegt hatte. „Nein, nein, ich bin gar nichts davon, wir, also meine Freunde und ich, wurden überfallen, von Soldaten oder so. Aber wir sind keine Diebe oder Mörder …“ ‚Was wohl aus ihnen geworden ist? Wie groß ist der Schmetterlingseffekt? Sind sie wohlauf? Ich hoffe es doch! Eigentlich wüsste ich ja, was mit ihnen passiert, aber wer weiß, welche Veränderung mein Fall oder überhaupt meine Existenz in diese Welt gebracht hat. Immerhin hat sich nichts daran geändert, dass sich der Junge um verletzte Menschen kümmert. Und er sagte „wir“, ob er damit auch den Priester meint, oder was auch immer der nochmal war? ‘ „Du … hast dich um meine Wunde gekümmert, nicht wahr? Vielen Dank!“, sagte ich und blickte ihm in die Augen. Der strenge Blick verschreckte mich und wieder sah ich nur noch die Decke an. Der Junge seufzte erneut. „Ja, das habe ich tatsächlich getan. Zwar warst du nicht schlimm verletzt und hast auch nicht allzu viel Blut verloren, allerdings war Gift in die Wunde hineingekommen, vermutlich durch den Pfeil. Ein Glück, dass ich das Gift schnell herausholen konnte, es hatte sich noch nicht allzu sehr in deinem Körper ausgebreitet. Du hattest also sehr viel Glück, muss ich sagen.“ Er setzte sich neben mich und begutachtete mich genauer, fast so, als wollte er sicher gehen, ob ich nicht doch noch irgendwelche Anzeichen einer Vergiftung aufweisen würde. Doch ich fühlte mich gut, fast schon fantastisch. Abgesehen von dem stechenden Schmerz, der jede falsche Bewegung meinerseits bestrafte, war ich froh, endlich die unendlich tiefe Müdigkeit losgeworden zu sein. „Ich fühle mich gut, falls du das wissen möchtest …“, sagte ich und sein Blick wirkte etwas weniger streng, als ich wieder in sein Gesicht sah. Er sah mich nochmal von Kopf bis Fuß wie mit einem Röntgenblick an, dann nickte er. „Gut, das ist gut … Achja, wie heißt du eigentlich?“, fragte er und nahm mir die Schüssel aus der Hand. „Ich heiße Kira“, sagte ich und blickte die leere Schüssel an, als hätte er mir gerade einen treuen Freund aus der Hand gerissen. „Und du bist?“ „Yoon“, sagte er, stand auf und verschwand in dem gleichen Nebenraum, aus welchem er vor wenigen Minuten gekommen war. Schließlich kam er wieder, aus der Schüssel kam erneut ein kleiner, weißer Dampf. Wieder streichelte der dezente, leckere Geruch meine Nase und meine Speichelproduktion fühlte sich angesprochen. Peinlich berührte schluckte ich die überschüssige Flüssigkeit herunter. Als hätte er in meine Gedanken gesehen, reichte er mir die Schüssel zum zweiten Mal. „Nun gut, Kira, iss das hier erstmal auf, danach können wir ja sehen, wie wir weitermachen …“ „Ah, deine kleine Patientin ist also endlich wach!“, konnte ich eine weitere Männerstimme hinter mir hören, doch bevor er in mein Sichtfeld kam, wurde er von Yoon gebremst. „Ik-su, sie braucht noch ein wenig Ruhe, außerdem musst du etwas Wichtiges erledigen, vergiss das nicht“, maßregelte Yoon den Mann, von dem ich dank meiner Erinnerung wusste, dass er eigentlich älter und größer als Yoon war. Dennoch hatte Yoon in diesem Haushalt das Sagen. „Ich wollte doch nur sehen, wie es deiner Patientin geht …“, versuchte er sich zu rechtfertigen, aber Yoon schien selbst dagegen etwas zu haben. „Es geht ihr gut, jetzt lass sie in Ruhe essen“, sagte er und ich konnte quasi vor meinen inneren Augen sehen, wie er Ik-su wieder zur Türe hinausschob. Kaum hatten sie den Raum verlassen, konnte ich Yoon noch kurz hören, wie er Ik-su an seine Pflichten erinnerte, da widmete ich mich schon meinem Nachschlag. Dieses Mal nahm ich mir ein wenig mehr Zeit zum Essen, doch so sehr ich es versuchte, am Ende siegte der Hunger und mein Essen war genauso schnell verschwunden wie das erste. Dankbar schloss ich kurz meine Augen, legte die Schüssel auf die Seite und versuchte aufzustehen. Meine Schulter meckerte gegen jede Bewegung, aber das versuchte ich zu ignorieren. Schließlich hatte ich es doch wieder auf die Beine geschafft, nahm die Schüssel in die Hand und brachte sie in den Nebenraum. Kaum hatte ich sie auf einem Tisch abgestellt, begann ich mich in dem Raum, in welchem aufgewacht war, ein wenig umzusehen. Weit kam ich jedoch nicht, da ich zuerst ein Räuspern und dann eine Stimme hörte. „Du kannst also wieder stehen? Das ist perfekt … du musst mit mir mitkommen. Durch deinen unerwarteten Besuch mussten wir ein wenig mehr aus unserem Vorrat verwenden, als geplant waren. Und da ich für den Vorrat zuständig bin, müssen wir beide etwas daran ändern.“ Mit verschränkten Armen sah er mich wieder streng an. ‚War er schon immer so? Ich meine, ich kann mich kaum an ihn erinnern, aber war er wirklich so … streng drauf? Aber er hat ja Recht, immerhin hat er sich um mich gekümmert und mir was von seinen Vorräten gegeben, da ist es nur richtig, wenn ich ihm helfe, die wieder aufzufüllen. Das gehört sich einfach. Ich hoffe nur, ich stehe ihm nicht so unnötig im Weg rum. Naja, ich werde es ja sehen. Sowas wie Beeren und Früchte einsammeln werde ich ja wohl noch hinbekommen. ‘ „In Ordnung“, sagte ich und folgte ihm aus der kleinen Hütte heraus. „Was genau möchtest du denn holen? Es könnte sein, dass ich mich nicht auskenne, aber ich werde mein Bestes geben.“ „Das ist gut“, meinte er zurück in einem Tonfall, der mir absolut nicht verriet, ob er es nun sarkastisch meinte oder nicht. Unsicher ließ ich es einfach so stehen und sah ihn an. Er dagegen drückte mir einen Korb in die Hand. „Wir müssen zum Fluss gehen, ein paar Fische fangen. Wir hatten schon lange keinen mehr und wir können uns auch nicht immer nur von Reis und Gemüse ernähren.“   So machten wir uns auf den Weg zum Fluss, welcher gar nicht so weit von der Hütte entfernt war, wie ich zuerst gedacht hatte. Im Gegenteil, in nur etwa zehn/fünfzehn Minuten hatten wir den Fluss erreicht, an welchem Yoon auch recht schnell einen großen, hübschen Fisch fangen konnte. Jetzt wusste ich auch, wofür der Korb war und warum ich mitgekommen war. Er legte den Fisch in dem Korb ab und ich trug ihn dann, gemütlich hinter ihm her gehend, mitsamt dem Korb herum. ‚Natürlich, so geht es auch viel einfacher, als wenn er ihn ständig ablegen und darauf aufpassen müsste. Nicht, dass noch ein Wildtier oder ein Fremder anfängt, an dem Fisch herum zu knappern…‘ Wir gingen den Fluss entlang, das Wasser glitzerte in der Sonne und vermutete, dass es wohl bereits Mittag war. ‚Wie lange ich wohl geschlafen habe? Und wie es wohl den anderen geht? Sind sie immer noch auch die Klippe heruntergefallen, wie in der normalen Version oder ob sie es wohl geschafft haben? Ich hoffe, sie haben es …‘ Meine Frage wurde recht schnell  beantwortet, als Yoon und ich über einen kleinen Hügel liefen und die beiden bewusstlos am Flussufer entdeckten. Sofort machten wir uns auf den Weg zu ihnen, doch sie regten sich nicht. Yoon kontrollierte ihre Pulse, dann atmete er auf. „Hier ist ganz schön was los in dieser Gegend, das gefällt mir überhaupt nicht. Erst finde ich eine halbnackte Bewusstlose und nun sind es noch zwei mehr, die hier mit Pfeilen in Berührung kommen.“ Er sah sich Hak, welcher wie ein Schutzpanzer auf Yona lag und mehrere Pfeile abgekommen hatte. „Das sind auch die gleichen Pfeile wie den, den du in deiner Schulter hattest … gut, Planänderung“, sagte er bestimmerisch und ich hatte das Gefühl, als wäre er mein älterer Bruder, obwohl ich vom Alter her eigentlich älter sein müsste als er. „Das sieht nicht gut aus“, sagte Yoon, nachdem er einen ersten Blick auf Hak geworfen hatte. „Das Mädchen wird in Ordnung sein, er aber nicht, wenn wir uns nicht sofort um ihn kümmern. Dann hatte er wohl das letzte Mal eine Heldentat begangen, so, wie das hier aussieht …“ Er seufzte und ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie ihn die Vorstellung, nun drei Mäuler anstatt einem zusätzlichen füttern zu müssen. Nun gut, müssen würde er es nicht, aber dazu war seine Bereitschaft zu helfen doch viel zu groß, genauso wie das seines Schützlings Ik-su. „Ja, das sollten wir tun … aber mach dir keine Gedanken, ich werde dir helfen und mich für deine Hilfe revanchieren, so gut ich es kann. Meine beiden Freunde hier“, und blickte sie dabei kurz an, als würden meine Augen kurzzeitig meinen Finger ersetzen“, ich bin mir sicher, dass sie dir auch gerne im Gegenzug helfen werden, sobald sie es können.“ Yoon nickte, offenbar gefiel ihm, was ich ihm erzählt hatte und hielt es nicht für einen Bären, den ich ihm aufbinden wollte. Zumindest hoffte ich es. „Gut, aber erst einmal eins nach dem anderen. Wir müssen sie erstmal zu unserer Hütte schaffen … nimm du das Mädchen, ich kümmere mich um den Großen hier.“ Schon hatte er Hak gepackt und zog ihn so gut er konnte den Weg zurück, den wir gekommen waren. ‚Ohje, das kann was werden‘, dachte ich mit Schrecken, als ich unter Yonas Arme hindurch den Korb festhielt und sie vorsichtig, im Rückwärtsschritt, mit mir mitzog. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)