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Elementary Angels

Trilogie - Staffel 3
von

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Die Erweckung - Part 1

Kapitel 12 ~ Die Erweckung - Part 1
 

~ Adriano Coldfire ~


 

Nachdem ich den halben Nachmittag damit verbracht hatte mich mit Caro zu streiten, war es mir genug und ich setzte mich mal wieder an den Strand um nachzudenken. Wir hatten uns doch eigentlich geeinigt uns endlich zusammenzureißen und nicht mehr zu streiten. Doch alles an ihr nervte mich nur noch und sie wollte mich immernoch so hinbiegen, wie es ihr passen würde. Doch für sie würde ich mich nicht verändern.

Vor vier Jahren war alles noch so anders... Ich guckte in den Himmel und sehnte mich zurück nach der Zeit von damals. Da war meine Freundin noch richtig niedlich und sehr natürlich. Ich erinnerte mich wie sie sich stundenlang über diese Luxus-Designergören aufregte. Diese verwöhnten Kids mit ihren teuren Klamotten und Make-Up bis zum Umfallen.

Damals mit 14 war sie ein ganz normales Mädchen. Wir kannten uns schon von unserer Familie her, doch an diesem Mittag begegneten wir uns zum ersten mal alleine. Sie hatte ganz verheulte Augen und ich fragte sie, was passiert war. Sie bekam kaum ein Wort heraus und antwortete ganz heißer und kleinlaut, dass sie ihren Schlüssel verloren hatte. Ihre Eltern würden sie übel ausschimpfen. Also half ich ihr den ganzen Mittag ihren Schlüssel zu finden. In der Zeit hatten wir viel gelacht und über die Leute gelästert, die uns beiden auf die Nerven gingen. Sie fragte mich danach ob wir uns bald wieder treffen könnten.

Das taten wir und schon einige Wochen später küssten wir uns zum ersten mal. Es war fast als wären wir Seelenverwandte und in fast jeder Situation waren wir im Grunde einer Meinung. Aus Spaß beschlossen wir den Anderen nichts davon zu erzählen und lachten gemeinsam darüber weil sie nichts von unsrer Beziehung merkten.

Wir saßen viele Stunden und Abende zusammen am Strand und planten unsere gemeinsame Zukunft. Zu dieser Zeit hielten wir unsere Beziehung für perfekt und nichts sollte sich jemals ändern. Allein beim Gedanken an sie wurde mir damals warm ums Herz und ich vermisste sie schon wenn wir eine Stunde nichts voneinander hörten.

Vor knapp 1 ½ Jahren fing sie sich dann an zu verändern. Erst hatte ich nichts dagegen. Jeder veränderte sich irgendwann. Vor allem in der Pubertät. Dass junge Mädchen sich im Laufe der Zeit eher für Klamotten und Kosmetik interessieren war auch mir bekannt. Doch sie kam immer öfter übertrieben geschminkt zur Schule, trug plötzlich diese Designerklamotten, die sie vorher immer so verachtet hatte. Irgendwann fing sie dann damit an ich solle mich auch anständiger anziehen, obwohl sie sich vorher nie an meinem Stil gestört hatte. Meine Frisur gefiel ihr dann auch nicht mehr. Zu ausgefallen, sagte sie.

Doch anstatt mich ihrem Stil anzupassen fragte ich meine Mutter, ob ich mir drei Piercings ins Ohr machen dürfte.

Caro bekam einen Anfall als sie das sah. Früher hätte sie das vielleicht noch cool gefunden, aber ich durfte mir stundenlang einen Vortrag darüber anhören, dass ich wie ein Punk aussehen würde.

Zunehmend kam dann die Eifersucht auf andere Mädchen, mit denen ich mich gut verstand. Ich wollte nie was von ihnen, aber Caro interpretierte es immer gleich so. Es machte mich traurig was aus unsrer Beziehung geworden war.
 

Nachdenklich blickte ich wieder aufs Meer, wo Juline und ich uns fast geküsst hätten. Ich hätte mich nicht darauf einlassen dürfen. Einen Moment lang war ich schwach, dabei wollte ich nicht, dass es mehr zwischen uns werden würde. Fabio hatte sich endlich eine Freundin verdient. Er hatte mir heute Mittag erzählt, dass er mit ihr auf den Jahrmarkt gehen würde. Einerseits wünschte ich ihm viel Glück... Doch innerlich... Es fühlte sich schrecklich an. Es war als würde mein Bauchgefühl mir sagen wollen, dass ich mit ihr dort sein sollte und nicht er. Aber mein Kopf befahl mir tapfer zu sein, denn er hatte es sich wirklich verdient.

Plötzlich zog es mir wieder mit einem heftigen Pochen durch den Kopf. Da es unerwartet kam, zuckte ich zusammen.

Die Schmerzen kamen also wieder zurück... Doch diesmal fühlten sie sich schlimmer an als vorher. Ich beschloss erstmal nach Hause zu gehen. Doch ich hatte den Strand noch nichtmal verlassen, als es wieder anfing und derartig schmerzte, dass mir schwarz vor Augen wurde und ich nur noch spürte, wie ich in den Sand fiel.
 

Es war als würde ich im Nichts stehen... Doch vor mir erschien auf einmal eine Frau. Ich sah sie nur verschwommen und nicht in Farbe, als sei es eine uralte Erinnerung, die ich gar nicht kannte.

„Geh nicht weg... Was soll ich dann noch hier?“, hörte ich mich selbst sprechen, obwohl ich gar nichts sagte. Es verwirrte mich... Diese Stimme klang wie meine... Aber ich hatte doch nichts gesagt! Die Frau guckte mich traurig und schmerzerfüllt an: „Ich habe dich immer geliebt... Schade, dass du das nie gemerkt hast. Aber ich diene Gott und nun ist es zu spät. Anders als dir kann er mir nicht egal sein. Ich habe eine wichtige Aufgabe zu erledigen. Es tut mir leid... Ich wünschte es wäre für uns Engel einfacher. Aber die Liebe ist uns nunmal verboten. Ich werde dich dennoch immer lieben...“, sagte sie leise, doch ihre Stimme hallte regelrecht durch meinen Kopf. Wer war sie?! Und warum ließ ihr Anblick und ihr Lächeln mein Herz schneller schlagen? Ich hatte diese Szene nie erlebt, dennoch fühlte sie sich so an. Warum? Ich war so verwirrt.
 

„Hey! Aufstehen, kleine Schlafmütze!“, sagte eine helle und fröhliche Stimme, als ich wieder die Augen öffnete und offensichtlich wieder am Strand war. Ich blickte hinauf und sah dieses Mädchen über meinem Kopf. Sie kicherte und lächelte mich an. Es war dieses Lächeln... Ich hatte es doch eben noch gesehen...

„Wer... Wer bist du?“ „Erinnerst du mich nicht an mich? Hihi.“ „Ich habe dich noch nie gesehen.“

Sie richtete sich wieder auf und steckte sich ihre blonden Haare hinters Ohr. Sie erinnerte mich etwas an Jade mit ihren violetten Haarsträhnen. Ihre Augen schimmerten ebenso violett im Mondlicht.

„Du erinnerst dich nicht? Schade... Vielleicht aber bald. Ich habe lange nach dir gesucht. Bis bald!“

Kichernd verschwand sie in der Nacht und ich war zu schwach sie zu verfolgen. Alleine nach Hause zu kommen war schwierig. Meine Beine zitterten und alle paar Meter musste ich stehen bleiben. Ich verstand die Welt nicht mehr und meine Kopfschmerzen waren immernoch da. Als ich nach Hause kam, war Fabio schon da, doch ich ließ mich recht abwesend auf mein Bett fallen und starrte zur Decke. Wer... oder was bin ich eigentlich? Ich hatte Erinnerungen, die ich selbst nicht haben konnte...

„Adriano?“, fragte Fabio leise und riss mich aus meinen Gedanken. „Oh... Hi Fabs.“ „Was ist los? Du wirkst so... abwesend!?“ „Nichts, ich war im Gedanken. Wie war dein Abend?“ „Ach... Eigentlich ganz lustig. Aber sie hat mir klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass sie keinen Freund will.“ „Das tun die Weiber immer... Lass ihr Zeit und gib nicht auf“, antwortete ich spontan, was mir selbst wieder weh tat. Fabio's Augen strahlten: „Meinst du? So hab ich das ja noch gar nicht betrachtet! Okay, dann lasse ich ihr noch etwas Zeit. Danke, Adde! Du bist genial!“ „Ich weiß...“, sagte ich und versuchte dabei lässig zu wirken, obwohl mein Schädel wieder wie verrückt hämmerte.

Ich wusste, dass kein Schmerzmittel helfen würde... Aber ich wollte Juline auch nicht fragen ob sie mir helfen würde... Nicht schon wieder.
 

Eine Woche später trafen wir uns alle morgens um zusammen zur Schule zu laufen. Meine Schmerzen hatten mich diese Woche viele Stunden Schlaf gekostet aber zum Glück war es Juline offensichtlich nicht aufgefallen. Die Clique hatte diese Woche auch nicht sehr viel unternommen, somit hatten wir uns nur selten gesehen.

„Kann mir einer verraten wo Jo schon wieder ist?“, fragte Chris, als er durch die Runde guckte. „Stimmt, er ist gar nicht da!“, sagte nun auch Jade. Caro verschränkte die Arme und streckte die Nase in die Luft: „Na und? Dann soll er halt bleiben wo der Pfeffer wächst.“ „Caro, wir sind alle Freunde. Wir sollten füreinander da sein. Und obwohl Jo ein Idiot ist, ist er trotzdem unser Freund!“ „Fabio hat Recht... Wir sollten für ihn da sein. Der hat sicher irgendwelche Probleme“, erklärte ich und Caro guckte mich schnippisch an.

„Wo könnte er denn sein?“, fragte Jade und ich überlegte, bis ich plötzlich einen Einfall bekam: „Der hockt morgens immer im Park rum und raucht heimlich. Zu Hause darf er doch gar nicht.“ „Ich verstehe Jenn nicht. Die raucht doch selber“, beschwerte sich Jade und wir liefen allesamt zum Park, wo Jo tatsächlich auf der Rücklehne einer Parkbank saß und rauchte.

Er sah nicht besonders zufrieden aus, was man von ihm gar nicht kannte. Als er uns bemerkte guckte er überrascht.

„Alter, wolltest du nicht mit uns in die Schule laufen?“, fragte Chris mit verschränkten Armen und Jo senkte den Kopf: „Ist doch sowieso egal was aus mir wird. Ich wurde zu Hause rausgeworfen...“ „Warum?“, fragte ich und hockte mich neben ihn. „Weil Ashley mich verpetzt hat... Diese dumme Zicke!“ „Ashley? Deine kleine Schwester?“ „Ja, Jade, genau die. Die hat meinen Eltern alles erzählt. Die vielen Partys, die Mädels, das Rauchen und dass ich mal wieder nicht in der Schule war. Meine Ma hat die Schnauze voll von mir.“

„Ach was! Deine Ma liebt dich doch trotzdem. Und ich denke, heute Mittag nach der Schule, darfst du auch wieder nach Hause kommen“, sagte Fabio optimistisch. „Genau, Alter. Du musst einfach mal regelmäßig zur Schule gehen und ihr zeigen, dass du nicht nur Mist im Kopf hast, hahah!“, erklärte nun auch Chris und schlug ihm auf die Schulter. „Können wir jetzt endlich gehen? Zeitverschwendung sowas...“ „Caro! Du bist unmöglich!“, meckerte ich sie an. Fabio packte ihn am Arm und zog ihn von der Bank weg: „So, komm. Wir gehen jetzt in die Schule und nachher gehen wir mit dir nach Hause und bestechen Tante Jenn, hahaha!“

Mein Kopf schmerzte wieder heftig und ich fragte mich, ob ich diesen Tag in der Schule überhaupt überstehen würde.

Ich konnte mich bei den Schmerzen kaum konzentrieren... „Leute, ich geh noch kurz zum Kiosk, Zigaretten kaufen. Geht schonmal vor, okay?“, rief ich ihnen hinterher. „Aber pass auf dich auf, Brüderchen!“, antwortete Jade und lächelte. Während sie weiter gingen, lief ich in die andere Richtung zum Kiosk, wo ich mir eine Schachtel Kippen kaufte.

Dort standen plötzlich drei groß gewachsene und muskelbepackte Typen, die ich aus der Schule kannte. Nun... Ich hatte ein blödes Erlebnis mit ihnen. Im Schulsport hatte ihr Kumpel mir nen Volleyball auf die Nase geschlagen, woraufhin ich auf ihn losgegangen war. Sie sagten mir ja, dass sie sich an mir rächen würden. Nun war der Zeitpunkt wohl gekommen. „Na, Kleiner? Schön, dass man sich an diesem herrlichen Morgen wieder sieht.“ „Wollt ihr auch eins auf die Fresse?“, fragte ich kühl und gelassen, wobei es mir wieder durch den Kopf hämmerte. Ich konnte meine Augen kaum offen halten vor Schmerzen. „Du reißt dein Maul ganz schön weit auf, dafür dass du alleine bist. Haha! Los Leute, schnappen wir ihn uns!“

Eigentlich waren solche Typen kaum ein Problem für mich, doch diese Schmerzen lenkten mich derartig ab, dass zwei von diesen Kerlen mich an meinen Armen packten. So fest, dass ich mich nicht losreißen konnte. Ich wäre auch viel zu schwach dafür gewesen. Meine Kräfte dürfte ich ebenso nicht gegen Menschen einsetzen.

Der Dritte stellte sich triumphierend vor mich und lachte, während er sich die Hände rieb: „Sieht nicht gut aus für dich, Schätzchen.“

Als Antwort trat ich nach ihm, bekam dann aber gleich zwei Fausthiebe ins Gesicht. Ich verfluchte diese verdammten Kopfschmerzen, die mich derartig verletzlich machten.

Einige weitere Schläge donnerten in mein Gesicht, bis es sich nach und nach taub anfühlte. Wieder wurde mir schwindelig und ich merkte, wie ich immer mehr um Kontrolle ringen musste. Ich konnte kaum noch zögern meine Kräfte zu nutzen, nun wo ich schon alles verschwommen sah. Als ich kurz auf den Boden guckte merkte ich, wie Blut von meinem Gesicht zu Boden tropfte. Mir wurde schlecht... Ich konnte den Anblick von Blut noch nie ertragen.

„EY!“, rief eine laute Stimme aus der Entfernung. Ich erkannte sie gerade nicht, da ich damit kämpfte bei Bewusstsein zu bleiben. Irgendjemand kam zu uns und schlug die Typen von mir weg. Während ich torkelte hörte ich sie nur kurz schreien und dann davonlaufen.

„Das war nicht das letzte mal, Coldfire!“, riefen sie mir noch zu, ehe ich den Halt auf meinen Beinen verlor und mich auf den Betonboden setzte. Plötzlich spürte ich zwei Hände auf meinen Schultern und blickte angestrengt nach oben, wo ich Dad's entsetztes Gesicht sah.

„Wer waren die!? Und warum sind die auf dich losgegangen... Du siehst ja furchtbar aus!“ „Geh weg...“, keuchte ich und hustete. Alles in meinem Gesicht schmerzte und brannte. „Nein, ich werde dich garantiert nicht in dem Zustand hier alleine lassen. Wie die feigen Schweine sind sie davongerannt... Drecksäcke! Also? Wer waren die?“ „Aus der Schule...“, antwortete ich leise und knapp. Er fragte erst gar nicht sondern zog mich nach oben und stützte mich bis wir beim Auto ankamen und er mich auf den Beifahrersitz zerrte.

„Wir fahren nach Hause... Du bist überall Blutverschmiert und kannst kaum laufen. Einen Arzt rufen wir auch besser.“ „Nein... Das geht schon!“

Mir war so schlecht, dass ich ihm beinah das Auto vollgekotzt hätte. Zu Hause schleifte er mich in die Küche, wo ich mich auf einen der Stühle setzte und seufzte. Ich wollte seine Gesellschaft nicht... Doch er interessierte sich gar nicht für meine Meinung und tupfte mir das Gesicht mit einem kalten Tuch sauber.

„Ich sorge dafür, dass diese Typen von der Schule fliegen. So ne Scheiße zieht niemand mit meinen Kindern ab“, grummelte Dad, während ich die Augen zusammenkniff, weil das Desinfektionsmittel so sehr brannte.

„Warum hältst du dich nicht einfach aus meinen Sachen raus...“ „Das geht nicht. Und es ist mir egal, was du davon hältst. Ich werde immer für euch da sein, wenn irgendwas ist. Für jeden von euch, auch für dich. Und wenn irgendwelche Typen dich verschlagen, dann sollen sie lernen, dass man sich mit uns nicht anlegt.“ „Aber du warst so lange nicht für uns da...“ „Ich erkläre es dir ein letztes mal“, sagte er und setzte sich auf den Stuhl neben mir.

„Damals, als wir euch bekamen waren wir gerade mal vierzehn Jahre alt. Viel zu jung und überfordert... Wir waren zwei richtige Scheißkinder, wenn ich das mal so ausdrücken darf. Vor allem ich. Vier Jahre haben wir auf den Kosten meiner Familie gelebt und fanden dann beide, dass es an der Zeit war selbst etwas zu tun. Ich war achtzehn, so wie du jetzt. Aber im Gegensatz zu meinen Geschwistern habe ich keinen guten Schulabschluss und keine Ausbildung. Ich bin nicht einfach davongelaufen, als ich damals zum Militär bin. Ich habe auch niemanden gerne umgebracht. Es war eine Entscheidung, die deine Mutter und ich zusammen getroffen hatten. Es war okay für sie. Manchmal muss man harte Zeiten durchleben um danach dankbar für das zu sein, was man hat. Früher wollte ich kein Vater sein... Und drei Babys sind scheiß nervig gewesen. Aber als ich zurück kam war ich froh euch alle wiederzuhaben.“

„Na toll... Und dann komm ich und mach dir alles kaputt.“ „Nein... Das war der Preis den ich zahlen musste. Ich hatte mir schon fast gedacht, dass ihr mich hassen würdet. Aber Jade und Fabio hatten mich überrascht. Sie waren froh mich wiederzusehen. Warum kannst du mir nicht verzeihen? Wenn die Beiden mir verzeihen konnten... Warum du nicht?“

Jetzt auch noch darüber nachzudenken überforderte mich etwas. Ich starrte ihn lange an, während sich meine Umgebung noch immer leicht drehte. Warum konnte ich ihm nicht verzeihen? Ich machte es uns selbst so schwer und er hatte mir schon dutzende male erklärt, warum er das tat. Für uns... Nur damit es uns gut geht hat er sein Leben und unsere Liebe riskiert. Ich würde das auch tun... Außerdem sehnte ich mich nach dieser Vaterliebe, die ich bisher immer abgelehnt hatte. Langsam kamen mir die Tränen. „Die ganzen fiesen Sachen, die ich zu dir sagte, tun mir leid... Ich verzeihe dir, dass du so lange weg warst, Dad“, sagte ich leise. Doch ehe er darauf reagieren konnte stand ich auf und torkelte davon.

„Wir reden darüber nochmal, wenn es mir besser geht“, sagte ich noch bevor ich mich die Treppe hinauf kämpfte und mich im Bad vor den Spiegel stellte. Hätte ich mich doch besser nicht angeguckt!

Zwei blaue Augen, Kratzer, Schrammen und eine offene Lippe... Verfluchte Kopfschmerzen! Das würden sie zurück bekommen, sobald ich wieder fit genug wäre. Inzwischen war ich todmüde und legte mich ins Bett, wo ich trotz Schmerzen sofort einschlief.
 

Erst als mein Handy klingelte wurde ich wieder wach. Es fühlte sich an, als hätte ich am Abend zuvor viel zu viel Alkohol getrunken. Wie ein richtiger Kater eben.

Als ich ans Handy ging hatte ich die Werkstatt dran, in der mein Motorrad repariert wurde. Sie sagten mir, dass es wieder in Ordnung sei und ich es abholen kommen könnte. Na endlich! Zumindest hoffte ich, dass mein Kopf das Fahren überhaupt zulassen würde. Beim Aufstehen zog es mir wieder von den Schläfen bis in die Stirn, doch ich zog mir trotzdem was Frisches an und ging los. Die Leute warfen mir natürlich alle möglichen bescheuerten Blicke zu. Noch nie jemanden gesehen, dem die Fresse verschlagen wurde!?

Als ich weiter an den kleinen verwinkelten Seitengassen vorbei lief, hörte ich auf einmal ein ziemlich lautes „Pssst!“, auf das ich erst gar nicht reagierte, dann aber doch gucken ging. Tatsächlich stand da Juline, die mich erst anlächelte, aber offensichtlich gleich bemerkte, wie ich aussah. Mit besorgten Blicken stellte sie sich vor mich und legte ihre Hände auf meine Wangen um meine Verletzungen genauer zu betrachten.

„Was ist passiert!? Das sieht ja schrecklich aus!“ „Ich bin heute morgen drei ungemütlichen Typen begegnet“, antwortete ich und schnaufte. Ich hatte keine Lust auf diese Erklärungen... „Wie konnten drei gewöhnliche Menschen dich so zurichten? Konntest du ihnen nicht ausweichen? Zurückschlagen?“ „Es ist eben dumm gelaufen... Was willst du von mir?“, fragte ich nun in einem leicht wütenden und abweisenden Ton. Am besten wäre es, wenn ich sie ganz schnell wieder loswerden würde... Aber... Ich freute mich zu sehr sie wiederzusehen.

„Gut, dann frag ich nicht weiter... Du siehst trotzdem ziemlich schlecht aus. Ist Caro in der Nähe!?“ „Caro? Nein... Die ist noch... äh... Fuck! Die Schule!“ Dass ich eigentlich Schule hatte, hatte ich völlig vergessen. Andererseits konnte ich ruhig auch mal schwänzen. Mir ging es sowieso schlecht. Und die Anderen würden bis heute Nachmittag dort sitzen.

„Jedenfalls... Caro ist in der Schule, ja.“ „Okay! Ich wollte ihr nämlich nur ungern begegnen. Was machst du so?“ „Ach, ich bin grade auf dem Weg mein Motorrad abzuholen.“ „Dein Motorrad?“, entgegnete sie mit riesigen leuchtenden Augen. „Darf ich mitkommen? Bitte, bitte!“ „Hehe... Ja, warum nicht.“ „Weißt du, Autofahren war ja schon richtig cool, aber Motorrad ist viel cooler! Ich würde gern mal mit einem fahren.“ „Ah, ich weiß worauf du hinaus willst. Ich weiß nicht ob das heute so gut ist.“ „Wegen deinen Verletzungen und so?“

Ich überlegte kurz was ich ihr antworten sollte. Die Verletzungen waren nur halb so schlimm. Aber die Kopfschmerzen. Ich hatte schon meine Bedenken, dass ich unterwegs die Kontrolle verlieren würde und vielleicht einen Unfall baue. Dann noch mit ihr hinten drauf...? Andererseits war sie ja immerhin ein Engel und ihr würde bestimmt nichts passieren.

„Ist okay. Wir gehen es jetzt abholen und fahren dann eine Runde durch die Stadt, ja?“ „Jaaaa!“, rief sie laut und sprang jubelnd neben mir her. Die meiste Zeit des Weges schwärmte sie vom Achterbahnfahren und wie es auf einem Motorrad wohl so sei. Ich hingegen verbrachte meine Zeit damit hauptsächlich nochmal darüber nachzudenken, ob das wirklich okay wäre in meinem Zustand zu fahren.

Vorhin konnte ich kaum einen Schritt vor den anderen setzen. Aber vorhin ging es mir auch etwas schlechter als jetzt.

Als ich mein Motorrad zurück bekommen hatte und wir damit in der Werkstatteinfahrt standen, wurde es von Juline begutachtet. Ihre Augen kamen aus dem Leuchten gar nicht mehr raus. Völlig verzaubert hüpfte sie darum und klatschte in die Hände.

„Soo groß! Wahnsinn!!! Wo fahren wir hin? Wo? Ich will überall hin! Und ganz schnell fahren! Oh Adriano, mach mich glücklich!!!“, forderte sie und packte mich verzweifelt am Kragen. „Was hast du genommen?“, fragte ich verwirrt, als sie mich endlich wieder losließ. Es machte mir Angst, wenn sie mir so nahe kam. Das letzte mal, als sie mir näher kam, hätten wir uns fast geküsst. Auch jetzt wollte ich am liebsten mit ihr zu irgendeiner ruhigen Stelle fahren und sie dort stundenlang im Arm halten und küssen.

Ihre Aufmerksamkeit fiel auf ein Plakat, das neben dem Garagentor klebte. Neugierig ging sie gleich dort hin und ich folgte ihr. „Weihnachtsmarkt im Europäischen Stil? Was ist das?“, fragte sie verwundert aber entzückt. „Naja, in zwei Wochen ist Weihnachten. In Europa gibt es haufenweise dieser Märkte, wo es ganz lustige Sachen zu kaufen gibt... Es gibt dann auch Musik, leckeres Essen und die haben dort auch noch Schnee.“ „SCHNEE!!? Ich will auch, menno!“ Ich las das Plakat weiter und musste lachen: „Die haben doch tatsächlich eine Schneemaschine da.“ „Wie!?“ „Naja, hier gibt es eigentlich nie Schnee. Also produzieren manche Anbieter ihn selbst mit Maschinen.“ „Also wird es dort Schnee geben?“ „Sieht so aus.“ „Ohhh!!! Adriano, lass uns dort hin fahren!!!“

Wieder hatte sie die Hände gefaltet und bedrängte mich mit ihren leuchtenden Augen. Ich wurde nervös... Wie sollte ich ihre Bitte abschlagen?

„Na gut... Wenn es dich glücklich macht. Du wolltest ja immerhin alles kennenlernen.“ „Genau! Schnee ist wichtig für meine Erfahrungen, haha! Juhuu! Gleich geht’s los! Fahren wir dann?“

Ich versuchte die Schmerzen wieder zu verdrängen, als ich mich auf mein Motorrad setzte und zu ihr guckte. Sie sah verwirrt aus. „Na komm, du musst dich auch hinter mich setzen, du Nuss!“ Unsicher setzte sie sich dann gleich hinter mich und legte ihre Arme um meine Taille. Sie hätte sich ewig so an mir festhalten können. Ich genoss dieses Gefühl so sehr.

Während der Fahrt hörte ich sie laut hinter mir jubeln. Irgendwann hielt sie sich sogar nur mit einem Arm fest und streckte eine Hand in die Luft. Da wir in dem Moment aber gerade um eine Kurve fuhren, wurde sie unsicher und klammerte sich gleich wieder hektisch an mir fest. Ich musste lachen. Bis zu diesem Weihnachtsmarkt, der etwas abgelegener war, fuhren wir ein ganzes Stück und auf einem Parkplatz stellte ich mein Motorrad ab.

„Warum willst du nicht mit Fabio hierher gehen?“, fragte ich bevor wir rein gingen. Natürlich freute ich mich über ihre Gegenwart, aber es war nicht gut, wenn wir etwas zusammen machten.

„Ich glaube nicht, dass er sich nochmal mit mir treffen mag. Dafür war ihm das Ende im Jahrmarkt viel zu unangenehm.“ „Davon hatte er mir erzählt. Glaub mir, er wird es verkraften.“ „Gut... Jetzt bin ich aber mit dir hier! Und ich mag es genießen, hihi!“, antwortete sie um von Fabio abzulenken und klammerte sich an meinen Arm.

An der Grenze zum Eingang lag schon Schnee und sie stürmte gleich darauf zu. Ohne zögern stopfte sie ihre Hand hinein und nahm sich eine Kugel voll hoch.

„Wow!!! Es ist sooo kalt! Aua!“ „Ja, ohne Handschuhe ist es für die Hände kalt und schmerzhaft.“

Der ganze Schnee war so kalt, dass ich etwas anfing zu frieren. Wir hatten immerhin nur Sommerklamotten an uns. Juline spielte trotz Schmerzen in den Händen weiterhin mit dem Schnee und war begeistert.

„Ich würde darin baden! Es ist herrlich!“ Heimlich nahm ich eine Kugel Schnee und warf sie ihr an den Hinterkopf weshalb sie sich überrascht zu mir drehte: „Hast du mich beworfen!?“ „Haha!“ „Na warte!“

Der ersten Kugel wich ich aus, die Nächste bekam ich auf die Nase, die noch von heute morgen schmerzte. Sofort kam sie zu mir gerannt und entschuldigte sich bei mir.

„Hier ist es schön! Überall sind geschmückte Tannenbäume! Die ganzen Lichter, woow!“ „Warte ab bis es dunkel wird. Dann ist es cool!“ Juline stürmte von einem Stand zum Nächsten. Sie bewunderte die vielen bunten Figuren, Kerzen und den Schmuck, der dort ausgelegt war. Besonders ein silbernes Armkettchen mit einem rosa Stein hatte es ihr angetan. Sie konnte es kaum aus der Hand legen.

„Es ist so hübsch! Verdammt, ich brauche endlich eigenes Geld! Immer kaufen mir die Andern das was mir gefällt.“ „Ist doch kein Problem... Es ist ein Geschenk von mir, okay?“ Nachdem ich es kaufte schloss ich es ihr ums Handgelenk und freute mich über ihr begeistertes Lächeln.

Wieder trafen sich unsere Blicke für einen Moment... Doch dann guckten wir beide verlegen zur Seite und liefen weiter zu einem Waffelstand. „Hier riiiiecht es total lecker!“, schwärmte Juline. Auch mir lief das Wasser im Mund zusammen. Ich hatte heute immerhin auch noch nichts gegessen. Also blieben wir erstmal stehen um Waffeln zu essen.

Danach blieben wir bei einem Stand mit Keksen hängen und danach fanden wir einen Asiaten, der Glückskekse anbot. Neugierig brach Juline ihren Keks auseinander und guckte verwirrt: „Die erotische Ausstrahlung Ihres Partners bringt Ihr Blut in Wallung.“ Lange starrte sie mich an und bekam einen knallroten Kopf... Dann riss sie mir hektisch mein Keks aus der Hand und schob ihren Zettel einfach zu mir nur um dann so zu tun, als sei nie etwas gewesen.

Ich beobachtete sie, wie sie den zweiten Keks auseinanderbrach und den Kopf senkte: „Das darf nicht wahr sein... Heiße Nächte werden Sie erwarten. Ihr Partner ist ein Sexgott.“

Ich konnte nicht anders als sie auszulachen. Ich musste so lange lachen, bis sie wütend auf meine Schulter einhämmerte und mich anmeckerte. Trotzdem konnte ich nicht aufhören. Nachdem sie sich von dem Schock erholt hatte, gingen wir weiter zu einem Stand, an dem es Glühwein gab. Ich selbst musste ja noch nach Hause fahren, aber ich kaufte ihr einen, damit sie ihn mal probieren konnte.

„Das Zeug schmeckt sowas von lecker!!! Und... und ich fühle mich soo betrunken! Ich will mehr!“ „Wenn du nach einer Tasse schon betrunken bist, lässt du das besser!“ „Aber warum? Bitte, dann aber zumindest noch eine! Nur eine, jaaa?“ Ihr Betteln drängte mich natürlich dazu ihr eine zweite Tasse zu bringen. Nach drei ließ ich mich aber dann nicht mehr weich klopfen.

Inzwischen war es auch schon dunkel und Juline war nur noch am Lachen, während sie schwankend an meinem Arm hing. Ich glaube, langsam sollte ich sie zurück ins Hotel bringen und mich selbst endlich hinlegen. Der Abend wäre schöner gewesen ohne diese lästigen Schmerzen! Ich hätte sie vor ein paar Stunden noch bitten können mir zu helfen... Aber nun, wo sie derartig betrunken war, wollte ich das nicht mehr von ihr verlangen.

Mit Mühe schleppte ich sie zum Motorrad und hielt sie fest. „Man, du kriegst echt keinen Glühwein mehr! Ich hoffe, dass du dich zumindest gescheit an mir festhalten kannst.“ „Hahaha! Keine Sorge! Mir geht’s gleich... besser. Danke, dass du mir diesen Abend geschenkt hast... und die vielen Lichter, das gute Essen und mein Armkettchen! Ohh, mein Schädel... Ich bin ja sowas von... dicht... Ich mag dich so“, lallte sie, stellte sich auf die Fußspitzen und küsste mich diesmal direkt. Okay... Sie ist besoffen!!! Das hat nichts zu bedeuten... Am besten wäre es, wenn ich sie einfach von mir schubsen würde... Aber...

Es fühlte sich zu gut an und ich konnte sie nicht loslassen. Stattdessen küssten wir uns leidenschaftlicher und schneller, bis mir wieder klar wurde, dass ich den Vollrausch dieses Mädchens völlig missbrauchte. Noch einmal küsste ich sie und schob sie dann von mir weg. Nun war ich völlig verwirrt und sie lachte immernoch.

„Komm, es wird Zeit, dass wir dich nach Hause bringen. Du bist ja absolut dicht!“ „Waaa? Deine... Hahahaha! Deine erotischeeee... Uastrahlung bringt mein bluuuut in.. hahaha!!! Wallung!? Du verdammter... hahahah... Sexgott! Haaaahaahaa!“

„Ja, komm... Wir gehen jetzt! Oh mein Gott! Halt dich bloß fest!“

Ich stieg zuerst auf und guckte, dass sie ohne hinzufallen hinter mich kam. Lachend fummelte sie mir am Oberkörper herum: „Ich haaalt mich fessst an deinem... hahaha! An deinem geilen Körper! Wuhuuu! Fahr, Schatz! Fahr!!!“
 

~ Kapitel 12 ~ Die Erweckung – Part 1 ~ Ende ~ Fortsetzung folgt ~



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