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Dear Junk

Kazzy's Vorgeschichte
von

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warm, sandy ground

Die kleine Frau mit dem hilflosen Blick in den Augen schüttelte den Kopf, sah ihr Gegenüber nur unbeholfen an. „Er ist schon seit drei Tagen nicht mehr hier gewesen.“

Sugizo, der die Frau problemlos um eineinhalb Köpfe überragte, bekam sofort ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Inoran war fast nie alleine unterwegs – und schon gar nicht über so einen langen Zeitraum! Wenn er selbst bei seiner Mutter in der Zwischenzeit nicht aufgetaucht war und sich nicht bei ihr gemeldet hatte, dann konnte irgendetwas nicht stimmen. Das machte ihm das drückende Stechen in seinem Bauch immer deutlicher. „Uhm, okay... Ich werd' nochmal J und Joe fragen, vielleicht ist er bei denen ja doch noch aufgetaucht.“ Es war völliger Schwachsinn, was er Inoran's Mutter da gerade sagte denn bei Joe war er definitiv nicht und J war seit vorletzter Nacht obdachlos. Aber er wollte die kleine Frau irgendwie beruhigen und sie in Sicherheit wiegen, bis sich heraus stellte, was mit Inoran nun wirklich war. „Also dann...!“ Er hob schon die Hand zum Abschied und drehte sich gerade um zum gehen.

Da trat die gutmütige, naive Frau mit einem Fuß doch noch über die Türschwelle, die sie bis eben von ihrem Gesprächspartner getrennt hatte. „Sugizo?“

Der Angesprochene drehte sich sogleich um, als er die zaghafte Nennung seines Namens durch das Treppenhaus hallen hörte.

„Sag mir bitte Bescheid, wenn du ihn gefunden hast.“ In ihrer Stimme schwang Sorge mit. Sorge und Furcht.

Sugizo nickte. „Klar, mach ich.“ Er versuchte ihr noch aufmunternd zuzulächeln, doch es endete eher in einer Grimasse. Er drehte sich wieder um und rauschte aus dem Treppenhaus nach draußen. Dort wäre er, kaum dass er wieder auf dem Fußweg stand, beinahe in Kazzy reingerannt der seinen Weg kreuzte. Verblüfft sah er den Jüngeren an. „Was machst du denn hier? Ganz alleine?“

Kazzy schob die Hände sogleich tiefer in die Hosentaschen, als er von Sugizo erkannt wurde. „'n bisschen rumlaufen“, kam die etwas dürftige Antwort. Sein Blick musterte kurz die Außenfassade des Hauses, aus dem Sugizo gerade rausgestolpert kam. „Hier wohnt doch Ino, oder?“, versuchte er unauffällig abzulenken.

„Ja, aber er ist nicht da. Du hast ihn nicht zufällig gesehen, oder?“ Er rechnete überhaupt gar nicht damit, dass Kazzy Ino begegnet sein könnte. Aber seine Verzweiflung und Sorge um seinen Freund nahm allmählich Gestalten an, die ihn auch etwas überflüssige Aktionen starten ließen.

„Nein“, kam auch sogleich die erwartete Antwort des Nesthäkchens. Kazzy ging inzwischen neben Sugizo her, obwohl er überhaupt keine Ahnung hatte wo dieser hin wollte.

„Also, raus mit der Sprache – was machst du hier?“ Sugizo ließ nicht locker.

Kazzy wand den Blick vom Rotschopf ab und heftete ihn statt dessen auf den Gehweg. „Ich wollt' einfach nur mal raus....“ Er zögerte etwas, bevor er weitersprach. „Joe hat doch gesagt, es ist nicht so gut wenn ich ständig an einem Ort bin. Ich muss wechseln...“

„Ja man – aber doch nicht völlig alleine! So wie du gerade durch die Stadt läufst bist'e 'n gefundenes Fressen für die Bullen! Und für jeden anderen auch... Das weißt du doch?!“ Neue Probleme in der Gruppe. Auch gut, lenkten ihn zumindest für einige Momente von Inoran's Verschwinden ab.

Kazzy zuckte nur mit den Schultern und starrte wieder auf den Boden vor sich.

Beide sagten einige Momente lang kein Wort.

Doch Sugizo war kein Freund von langen Schweigeminuten. „Kazzy, was Joe meinte war, dass du deinen Unterschlupf öfters wechseln sollst – aber das is' im Moment eh kaum möglich....“ Und in diesem Augenblick wurde ihm selbst das erste Mal seit Tagen bewusst, dass seine eigenen Unterkunftsmöglichkeiten auch immer geringer wurden. Im Grunde genommen konnte er im Moment nur noch zu Joe. Vielleicht auch noch in Ausnahmefällen zu Lucifer, wenn er sie lange genug nervte. Aber seine anderen zwei Schlafplätze bei J und Ino fielen aus aktuellem Anlass völlig weg.

„Du kennst Ino schon lange, hm?“, riss Kazzy's Stimme ihn plötzlich wieder aus seinen Gedanken.

Sugizo blickte neben sich zum Jüngeren. „Ja“, lautete die knappe Bestätigung.

„Und J...?“ Der zottelhaarige Junge schaute seinen Gesprächspartner nicht an.

„Auch! Hab sie beide zur gleichen Zeit kennen gelernt. - Ne, J 'n bisschen früher!“, korrigierte er sich selbst schnell.

Kazzy nahm das zur Kenntnis, erwiderte jedoch nichts drauf. Kam nicht mal mit einer weiteren Frage. Die gleichmäßig gelegten Steine des Gehweges waren ja so viel interessanter....

Sugizo jedoch ließ sich nicht mehr länger beirren. Irgendwas war doch mit diesem Jungen...?! „Warum willst'e das wissen?“

Nur ein Achselzucken als Antwort.

Der Rotschopf verdrehte genervt die Augen. „Mensch, was is' 'n los mit dir?“

Wieder kurzes Zögern. „...wie hast du sie kennen gelernt?“, erklang dann doch noch die genuschelte, abermals ausweichende Frage.

Sugizo war zwar im ersten Augenblick etwas verwundert über diese Frage, machte aus der Antwort aber kein Geheimnis. „Die Cola-Dose wollte nicht aus dem scheiß Automaten – J hat's geschafft.“

Nun wand Kazzy doch mal wieder seinen Kopf zur Seite, in die Richtung des Anderen. Sein Blick war fragend. „Wie?“ Die knappe Erklärung gab ihm nicht genug Möglichkeiten um sich das Beschriebene genauer vorzustellen.

„Das Ding hat geklemmt. Ich hab die Dose nicht rausgekriegt. Plötzlich kam J vorbei und hat mir geholfen. Einfach so!“ Sugizo's Stimme klang in diesen Momenten so, als sei dieses Erlebnis eines der Normalsten der Welt. Und vielleicht war es das auch für ihn.

Für Kazzy jedoch scheinbar nicht, zumindest wenn man seinen Blick bedachte. Er schien sich diese kleine Szene wohl gerade im Kopf selbst durchzuspielen, denn seine Augen blickten leicht abwesend drein. „Und dann seit ihr Freunde geworden...?“ Inzwischen hatte sich seine Tonlage seinem Blick angepasst.

Sugizo lachte. „Ja, irgendwie so! Ich fand ihn cool und wir haben dann zusammen rumgehangen.... Irgendwie haben wir das dann öfter gemacht und sind dann bei Joe und Snakebite gelandet.“ Er buffte ihn sanft mit dem Ellenbogen in die Seite. „Und dann kamst du“, zwinkerte er hinzufügend.

Das unerwartete Buffen ließ Kazzy für ein-zwei Schritte kurz schwanken. „Und Ino?“

„Ino war kurz danach – also nach meiner Cola-Dose.“ Sugizo blickte in die Ferne, fast so als blicke er temporär in die Vergangenheit. „Er wurde auf'm Weg von der Schule nach Hause von zwei Schlägern abgefangen und fertig gemacht. J hat das gesehen und Ino geholfen. Irgendwann hat er ihn dann zu einem unserer Treffen mitgebracht.“ Auf Sugizo's Lippen tauchte sogleich ein kleines aber unübersehbares Schmunzeln auf. „Ich fand ihn süß. Also durfte Ino dabei sein.“

'Süß....' Kazzy überlegte für einen Moment, wie sein Gesprächspartner diese Bezeichnung gemeint haben mochte. Ob ihm das Wort einfach nur so rausgerutscht war? Oder ob er sich in Inoran verliebt hatte? Aber ein Junge und ein Junge...? Das ging doch nicht! Das war pervers und abartig. Glaubte er. Schwul sein bedeutete schwach sein und er empfand Sugizo absolut nicht als schwach, ganz im Gegenteil. Aber einfach mal zu fragen, was Dieser für Inoran nun genau empfand, traute sich der Jüngste auch nicht. Seine Homophobie-Gedanken wurden aber bald schon von ganz anderen Gedanken abgelöst denn er konnte nicht leugnen, dass ihn dieser Zusammenhalt zwischen J, Inoran und Sugizo zutiefst beeindruckte. Er ging in Gedanken seine eigene Freundesliste, abseits von Snakebite, durch und kam zu dem ernüchterndem Ergebnis, dass sein bester Freund sein Bruder gewesen war. Doch, tatsächlich....in seinem bisherigen Leben hatte er immer nur ziemlich lockere Freundschaften, zeitweilig, gerade in der Schule, sogar mehr Feinde als Freunde gehabt. Shunsuke jedoch hatte immer zu ihm gehalten....sogar schon ganz früher, als sie noch kleine Kinder waren. Komisch, so bewusst war ihm das nie gewesen..... Er hatte irgendwann registriert, dass sein Bruder ihn offensichtlich für seine Rebellion den Eltern und der Schule gegenüber bewunderte. Aber wann hatte das angefangen? Hatte sein Bruder ihn vielleicht schon viel länger angehimmelt als es ihm bewusst war....? Niemand hatte so oft zu ihm gestanden wie Shunsuke. Niemand hatte ihn in seinen Taten so sehr bestärkt wie Shunsuke. Die Jungs, die er immer mal wieder als 'Freunde' bezeichnet hatte, hatten nie so hinter ihm gestanden, hatten ihm selten Mut gemacht, waren eigentlich nur dazu da um nicht alleine zu sein. Man stand beisammen, rauchte die ersten Zigaretten und probierte gemeinsam den ersten Alkohol. Aber was hatte ihn mit all diesen Jungs je verbunden...? Nichts.

Auch Sugizo hing seinen Gedanken nach. Jetzt, wo er von Inoran erzählt hatte, musste er doch wieder an ihn denken. Obwohl er genau das doch zuvor versucht hatte zu vermeiden. Aber jetzt war es wieder ganz präsent, das weiche Gesicht mit den sanften Zügen. Die scheuen, rehbraunen Augen, die sich immer hinter den Ponyfransen zu verstecken versuchten. Er hatte noch genau den ersten Tag im Kopf abgespeichert, an dem er ihm begegnet war. Er war mit J verabredet gewesen und der tauchte plötzlich mit Inoran im Schlepptau auf. Mit diesem ängstlichem, verschüchtertem Jungen, der es an diesem ersten Tag nicht schaffte, ihm in die Augen zu blicken. Und um Sugizo war es dann sofort geschehen – er hatte schlagartig einen Narren an diesem Typen gefressen. Er fand seine Schüchternheit einfach zu drollig und er schloss ihn rasendschnell in sein Herz. Von da an waren er, J und Inoran unzertrennlich gewesen. Alles mussten sie gemeinsam machen. Vielleicht hatten er und J sogar dazu beigetragen, dass Ino die Schule abgebrochen hatte. So genau wusste er das nicht, aber die Möglichkeit kam ihm gerade als Gedanke. Inoran......sein Herz wurde wieder schwer. Irgendetwas musste passiert sein, irgendetwas Schlimmes – sonst hätte Ino sich schon längst gemeldet. Er war für seine Freunde nie so schwer zu erreichen. Im nächsten Moment wandelte sich Sugizo's Angst zu Wut. Warum schaffte er es einfach nicht, seinen Freund wieder zu finden? Er musste doch auf ihn aufpassen.....alleine war der Kleine hier in dieser Welt doch aufgeschmissen...... - Plötzlich stockte Sugizo der Atem. Er erstarrte und seine Augen weiteten sich. In der nächsten Sekunde packte er Kazzy am Arm und zog ihn um die nächste Ecke.

„Hey, was is' los?“, beschwerte sich Dieser über die unsanfte Behandlung.

„Klappe!“, fauchte der Rotschopf tonlos und lugte vorsichtig wieder um die Ecke. Sein Blick fing sie sofort ein – vier auffällig gekleidete Typen, mit einer Haarpracht die die Luft nur so durchstachen.

Kazzy wagte nun auch einen vorsichtigen Blick und nun fielen auch ihm die Jungs auf, wegen denen Sugizo sie beide so schnell wie möglich außer Sichtweite haben wollte. Glaubte er. „Wer sind die?“, flüsterte er.

Sugizo drehte seinen Kopf zu Kazzy um, starrte ihn ungläubig an. „Die kennst du nicht?“, zischte er fassungslos. „Das sind X!“

Kazzy blinzelte nur, musterte dann wieder die Jungs, die in ihrer zerschlissenen Lederkluft sofort aus der Masse der Menschen hervorstachen. „Und wer sind die?“, wiederholte er etwas leiser.

Der Ältere schloss für einen Moment die Augen. Es konnte doch nicht sein, dass dieser Grünschnabel hinter ihm noch nie etwas von X gehört hatte?! „Die sind scheiß gefährlich“, klärte er ihn schließlich im Schnelldurchlauf auf.

Kazzy überlegte kurz. Betrachtete sich einen der vier Typen mit seinen schlecht blondierten Haaren, die er auf einer Seite des Kopfes zu bedrohlichen Stacheln trug, etwas genauer. „So gefährlich wie die Iron Killers?“, kam nach einigen Sekunden die nächste Frage.

Sugizo konnte das genervte Aufstöhnen kaum unterdrücken. Was war denn das für eine Frage – was stellte der Kleine ihm überhaupt solch bekloppte Fragen?? „Kann sein....“, nuschelte er daraufhin. Eine bessere Antwort wusste er selbst nicht. Überhaupt war er bisher nie auf die Idee gekommen, X mit den Iron Killers zu vergleichen. Er wusste nur, dass man sich von beiden möglichst fern halten sollte.

Kazzy jedoch schien den Ernst der Lage noch nicht so ganz gecheckt zu haben. Er blieb zwar hinter Sugizo in Deckung, dennoch beobachteten seine neugierigen, naiven Augen die vier Halbstarken, die selbstgefällig durch die Straße zogen und gelegentlich den ein oder anderen Passanten um sie herum grundlos anpöbelten. Die kleine Gruppe aus vier Personen war wie ein Pulk, aggressiv und rücksichtslos. An und für sich nichts Neues bei Straßenbanden – und doch, irgendwas faszinierte Kazzy an ihnen, irgendwas ließ dieses gewisse Glitzern in seinen Augen aufleuchten. Ob es nun dieser eine Kerl mit der Stachelfrisur war der, seinem Verhalten und seiner Lautstärke nach zu urteilen, der Anführer zu sein schien oder ob es doch etwas anderes war, konnte Kazzy noch nicht so wirklich erfassen. Aber diese Jungs sollten sich noch ziemlich hartnäckig in sein Hirn einbrennen.
 

Es war ein langer, schwerfälliger Prozess, als er am späten Sommerabend erwachte. Eigentlich wollte er auch gar nicht wach werden, er wollte weiter schlafen, für die Welt nicht da sein. Doch sein Körper entschied anders. Langsam, ganz langsam dämmerte er aus dem rauschhaltigem Schlaf in den Halbschlaf rüber und fand sich schließlich mitten im Erwachen wieder. Kyo's Augenlider waren schwer, schwer wie Blei. Er wollte sie nicht öffnen, nein...! Doch sie schienen ein Eigenleben zu haben. Licht fiel auf seine nun ungeschützten, empfindlichen Pupillen und er kniff die Augen schlagartig wieder zusammen. Drehte den Kopf dabei noch leicht zur Seite. Und dann merkte er es endlich: Irgendwas war anders. Irgendwie fühlte sich sein Körper seltsam an. Sein Körper....oder die Position in der er war? Als er seinen Kopf eben ein Stück zur Seite gedreht hatte, war er mit Selbigen ganz sachte an etwas gestoßen. Etwas, was unmittelbar hinter ihm war. Was war das nur......? Gerade, als er seinen Kopf umdrehen wollte um hinter sich zu blicken, realisierte er den Atem von jemanden hinter sich. Er spürte sie, die gleichmäßigen, leichten Luftzüge in seinen zerzausten Haaren. Sein Herz begann schneller zu schlagen, sein Magen grummelte. Leichte Übelkeit stieg ihm den Hals hinauf. Nein, jetzt nicht kotzen. Das konnte er in dieser ungeklärten Situation gerade überhaupt nicht gebrauchen...! Wer wusste schon, wer sich da hinter ihn gesetzt hatte; nur eine falsche Bewegung und er würde ihn womöglich niederschlagen, vielleicht verprügeln, vielleicht umbringen. - Oh Gott, er war gerade in der denkbar schlechtesten Lage! Er war noch zu alkoholisiert und geschwächt für einen möglichen Kampf! Erst Sekunden später machte ihm sein Verstand klar, dass, wer auch immer da so dicht hinter ihm saß, ihn schon längst hätte umbringen können, wenn dies wirklich sein wahres Vorhaben gewesen wäre. Denn im schlafendem Zustand bräuchte der Angreifer keinerlei Gegenwehr gefürchtet zu haben. Also musste es einen anderen Hintergrund geben. Kyo schloss für einen kurzen Moment die Augen. Dann nahm er all seinen Mut zusammen, öffnete sie wieder und wand seinen Kopf nach hinten. - Und blickte, voller Überraschung, in ein ihm wohlbekanntes Gesicht.

Cipher grinste ihn an. „Hast dir ganz schön die Kante gegeben“, schnurrte er ihm vertraut entgegen.

Kyo war zu perplex um daraufhin sofort zu reagieren. Es war Cipher...... - was machte der hier? War das alles nur ein Traum gewesen? Das Gespräch, das er belauscht hatte? Nein...... Das konnte doch nicht..... Sein Kopf kippte wieder nach vorne und sein Blick fiel auf Cipher's Arme, die locker um seinen Bauch geschlungen waren. Sekundenlang starrte er auf diese Arme. Auf diese friedlichen, starken Arme die völlig ruhig dalagen und beinahe schon so aussahen, als wollten sie ihn beschützen. „Was machs' du hier?“, fragte er plötzlich lallend und ohne über seine Worte nachzudenken.

„Auf dich aufpassen“, kam die unerwartete Antwort. Ohne ein Zögern, ohne einen ironischen Unterton.

Kyo war verwirrter als vorher. In seinem Kopf drehte sich alles. Er schüttelte selbigen kurz, während er wieder die Augen schloss. Doch diese Tat verstärkte das Schwindelgefühl nur noch mehr. Ein unweigerliches Seufzen war die Folge.

„Du solltest ruhig bleiben, wenn du nicht kotzen willst“, erklang es wieder hinter ihm.

Der Blonde blinzelte und starrte mit halb geöffneten Augen eine ganze Weile vor sich hin. Für wie lange wusste er nicht. Er wollte sich einfach nur sammeln, wollte seine Gedanken und seine aktuell körperlichen Schwächen ordnen. Doch es gelang ihm nicht. Egal wie lange er vor sich hinstarrte, es gelang ihm einfach nicht.

Cipher blieb die ganze Zeit geduldig hinter ihm sitzen. Machte keinerlei Anstalten aufzustehen und zu gehen.

„Wie lange....sitzt du schon hier...?“, seufzte Kyo schließlich irgendwann als er einsah, dass sich die derzeitige Situation einfach nicht in Luft auflösen lies.

„Lange genug.“ Cipher war tatsächlich kein großer Freund davon, viel von sich Preis zu geben. Seine Hände bewegten sich minimal. Er schien Kyo ganz sanft und andeutungsweise über den Bauch zu streicheln.

Der Blondschopf registrierte diese Berührung und sie löste in ihm wieder diese wohlfühlende Wärme aus, die er seit jenem Tag durch Cipher kennen gelernt hatte. Er konnte es nicht lassen, er konnte ihn einfach nicht ignorieren! Abermals wand er seinen Kopf nach hinten und blickte ihn an. Und wollte etwas sagen. Doch seine Lippen waren wie zugeklebt. Sie blieben versiegelt, egal wie laut die Stimme in seinem Kopf schrie, egal wie kräftig sein Herz pochte.

„Du hast uns gehört, hm?“, kam es plötzlich ruhig von Cipher, der keine Worte von seinem Wildfang brauchte; ihm genügte der Blick um daraus lesen zu können, was gerade in Kyo vor sich ging.

Kyo's Augen weiteten sich unweigerlich ein winziges Stück. „Woher weißt du....?“

„Du bist nicht gerade gut darin, unentdeckt zu bleiben, Kleiner.“ Das typische Grinsen.

'Kleiner'..... Kyo wollte gegen diesen Kosenamen protestieren, doch die Kraft fehlte ihm gerade. Außerdem beschäftigten ihn zudem noch eine ganze Menge Fragen, die eine Antwort verlangten. „Du....du wusstest, dass ich.....?“

„Du hast verdammtes Glück gehabt, dass ich der Einzige war, der dich bemerkt hat. Die Anderen hätten kurzen Prozess mit dir gemacht.“

Kyo fiel wieder die ausgesprochene Drohung des blondhaarigen Typen ein, der von abgeschnittenen Eiern gesprochen hatte. …...was für ein Spiel spielte Cipher? Fuhr er zweigleisig, mit seiner Bande und mit ihm? „Die Anderen wissen nichts, oder?“ Er sprach damit seine Vermutung an, dass Cipher sexuelles Interesse an Jungs hatte. 'Schwul' war, wie man ja sagte.

Cipher schwieg. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung. Nur seine warmen, braunen Augen fixierten weiterhin Kyo's Blick.

„Hast du keine Angst, dass sie mit dir das machen was sie gesagt haben.......was sie mit Schwuchteln machen....?“ Kyo stellte diese Frage wieder, ohne auch nur einen Moment darüber nachgedacht zu haben.

„Sie werden's nicht rauskriegen“, versicherte er ihm und hob langsam eine Hand, um damit liebevoll durch Kyo's kurze Haarzotteln zu fahren.

Er blickte ihn nur naiv und unwissend an. „Und wenn sie uns hier sehen?“ Seine Stimme war plötzlich viel leiser und fast kindlich.

„Werden sie nicht. Das hier ist außerhalb vom Revier der Iron Killers. Die trau'n sich hier gar nicht her.“

Kyo's Augen spiegelten Unverständnis wieder. „Aber...du bist doch auch hier.“

Ein vertrautes Lächeln formte seine wunderschön geschwungenen Lippen. „Lass das ma' meine Sorge sein, Kleiner“, und er küsste Kyo auf die Stirn.

Der Blonde wurde dadurch in seiner Verwirrtheit nicht gerade aufgeklärt. Aber der Kuss fühlte sich schön an. Eine angenehme Berührung....angenehm.......

Cipher zog den naiven Jungen fester an sich ran. „Es tut mir Leid, dass du das mitanhören musstest“, flüsterte er ihm plötzlich ins Ohr.

Die Sonne war schon fast hinter den Hochhäusern am Horizont verschwunden, das Licht war dämmrig aber warm. Ebenso der Sand auf der Baustelle, in mitten Welchem die beiden Jungs saßen.

Kyo's Kopf wurde durch Cipher's Tat dichter an seine Brust und seinen Hals gedrückt. Er spürte den Körper des Anderen. Des Anderen, der ihn verzaubert hatte. Und plötzlich hatte er das Gefühl, sich einfach fallen lassen zu können. Ob es nun noch die Nebenwirkungen des Alkohols waren oder stärker aufkommendes Vertrauen, wer wusste das schon. Doch es war einfach da, hier und jetzt. Und es fühlte sich richtig an. Es fühlte sich passend an und Kyo ließ sich auf dieses Gefühl bedingungslos ein. Schmiegte sich noch fester an Cipher und schloss die Augen. Roch den angenehmen Eigengeruch des Brünetten. Den Duft seiner Haut und des Leders an seinem Körper. Er fühlte sich bei ihm......gut aufgehoben. Er fühlte sich geborgen.
 

„Ja?“ Joe hatte eigentlich damit gerechnet, nochmal die Polizei am Ohr zu haben die sich wegen J meldete, als er den Telefonhörer abnahm. Doch er sollte eine ganz andere Nachricht erhalten.

„Hier Inoran“, erklang es leise und heiser aus der Hörmuschel.

Joe's Hand umschloss den Hörer sofort unwillkürlich fester und wirbelte herum, sodass er das Telefon beinahe mit runtergerissen hätte. „INO! Verdammt nochmal, wo steckst du??“

Die Atmung am anderen Ende der Leitung nahm etwas zu, rasselte ein wenig. Es dauerte einige Augenblicke, bis sich die Stimme Inoran's erneut meldete. „Ich glaub', ich hab Scheiße gebaut....“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Luinaldawen
2010-10-06T18:13:24+00:00 06.10.2010 20:13
Hach, Ino... Ein toller Schlusssatz. ._. Aber ich mach mir Sorgen um ihn. >_<
Es ist wirklich niedlich, wie Sugizo sich um ihn sorgt. So schöne viele Shonen-Ai-Vibrations... X3

Bei der Cipher/Kyo-Szene bin ich aus dem begeisterten Fiepen nicht mehr rausgekommen, die beiden sind toll zusammen! EIn schönes Paar. X3 Ich fürchte aber, es wird nicht so friedlich für die beiden bleiben, ich kenne dich doch! ;_; Umso mehr freue ich mich über jede ruhige Minute der beiden.
Freue mich schon auf mehr!
Von: abgemeldet
2010-10-01T01:35:44+00:00 01.10.2010 03:35
"Ich glaub ich hab Scheiße gebaut." - das ist ja mal ein geiler Schlusssatz... und ich lass das jetzt einfach mal so stehen. Und hoffe du nimmst das als Kompliment auf (:

Hm, ja diese Geschichte mit Cipher und Kyo scheint ja tatsächlich etwas "ernsthaftes" zu werden... zuerst dachte ich bei Cipher, da du ihn ja (vermutlich absichtlich) nie innere Monologe führen lässt, er also mit seiner kühlen Art ja wie Mr.Shadow wirkt, dass diese Homosexualität bei den Iron Killer vergleichbar ist mit dieser zwischen Macho-Männern erlaubte "Dissficks" unter Männern... Du weißt schon Arschfickmann und Arschficksong dadadada.... oder dieses Knast-hierarchie-gehabe. Aber ja, dadurch, dass Cipher offensichtlich (kein bekennender) Homosexueller ist behellt es zumindest eine Seite von ihm... Sehr schön zu beobachten, wie du diese Statue zum leben erweckst und nach und nach mit Menschlichkeit füllst.
Bin gespannt was für ein Typ dieser C. ist und wie sich das ganze jetzt mit Kyo entwickelt, der ja im Gegensatz zu C. viel inneren Monolog hält aber dafür sehr passiv ist. ......Paradox...
and tired... sry, for this weird comment... i'm just...ach, ... tired and sensitive cause of this very very good chardonnay i just had- is this the space to talk about this? no? ok, let's get off now.


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