Dear Junk von RedSky (Kazzy's Vorgeschichte) ================================================================================ Kapitel 2: not as planned ------------------------- Seine schweren Stiefel schritten die Stufen der Treppe hoch, hinauf zu seinem einzeln stehendem Appartement. Es war morgens und er vernahm Vogelgezwitscher, wobei er sich jedes Mal wunderte, was Singvögel in so einer abgewrackten Gegend der Stadt verloren hatten. Seine Hand verschwand in der Hosentasche, nur um gleich darauf wieder aufzutauchen und den Haustürschlüssel ans Tageslicht zu befördern. Dieser wurde im nächsten Augenblick ins Schloß geschoben und umgedreht. Joe betrat seine, im Halbdunkel liegende, Wohnung. Die alten Vorhänge waren vor dem großen Fenster im Wohnbereich, direkt über dem Bett, nur schlampig zugezogen worden; durch einen handbreiten Spalt fiel das helle Morgenlicht in den offen liegenden Raum. Einen Flur gab es nicht. Die Küchenecke ging nahtlos in den großen, mit wenig Möbeln ausgestatteten, Wohnbereich über. Die Dusche befand sich am anderen Ende der Wohnung, der Küche direkt gegenüberliegend, und wurde durch eine eineinhalb Meter hohe Kachelwand vom Wohnbereich abgetrennt. Joe warf seine Schlüssel laut klimpernd auf den kleinen Tisch der im Wohnbereich stand und meißt als Ablage diente. Dieses grelle Geräusch weckte nun seinen Gast, der in dem großen Bett lag und sich so tief in die Laken und Decken verkrochen hatte, dass man ihn auf den ersten, und auch zweiten, Blick nicht sah. Das bis soeben noch tiefschlafende Wesen begann nun sich zu bewegen und schließlich erhob sich ein zerzauster Zottelkopf zwischen den Kissen und Decken. „Aufstehen“, kam es nur wenig sensibel von Joe, der inzwischen seine Jacke in die Ecke gepfeffert hatte und sich selbst in den einzigen zur Verfügung stehenden Sessel sinken ließ. „Mmmmböh...“, lautete die unverständliche Antwort aus dem ehemaligem Land der Träume. Sugizo blinzelte, wälzte sich quer durch das halbe Bett, bevor er sich schwerfällig aus allen Decken wickelte und sich endlich von seiner Schlafgelegenheit erhob. Daraufhin folgte ein ausgiebiges Recken und Strecken und ein ebenso ausgiebiges Gähnen. „Schöne Träume gehabt?“, kam es vom Sessel, während der Fragestellende sich eine Kippe aus der Schachtel angelte und sie sich zwischen die Lippen klemmte. „Mhm“, machte Sugizo bejahend und schlurfte, ohne Joe auch nur einen einzigen Blick zugeworfen zu haben, hinüber zur Küche. Er riss die Kühlschranktür auf und begutachtete jede dahinter verborgene Etage einzeln. Nichts, nichts, nichts – Kräuterquark? Sugizo rümpfte die Nase bevor er die Kühlschranktür wieder zuschlug. „Du hast nix Vernünftiges zu essen im Haus“, beschwerte er sich fast schon quengelnd als sei es selbstverständlich dass er erwarten konnte, von Joe zum Frühstück durchgefüttert zu werden. „Dann kauf dir was“, kam von Diesem jedoch nur die unbeeindruckte Antwort. „Wovon? Bin pleite.“ Sugizo angelte sich die Zigarettenschachtel, die Joe ebenfalls auf das kleine Tischchen gelegt hatte, und bediente sich. „Nicht mein Problem.“ Er zuckte knapp mit den Achseln. „Aber spätestens heute Abend kommst'e ja wieder zu Kohle“, erinnerte er den Jüngeren an ihr späteres Vorhaben, einen Snackladen zu überfallen. „Bis dahin kannst'e ja noch ein paar kleine Kinder abzocken um über die Runden zu kommen.“ Er grinste schelmisch. Sugizo zog die Nase kraus auf die Bemerkung hin, doch ein winziges Lächeln schlich sich auch über sein Gesicht. „Apropo abzocken“, fing er dann plötzlich hochinteressiert an und aschte in einer leeren, herumstehenden Bierflasche ab. „Wie lief denn deine Pokerrunde letzte Nacht?“ „Bestens.“ Das war alles was Joe verriet. Doch er wusste ganz genau worauf der Rothaarige aus war. „Wenn das ein Versuch war bei mir zu schnorren – vergiss es.“ Er hatte selbst nicht Unmengen an Geld in den Taschen, dass er seine Jungs ständig mit durchfüttern konnte nur weil sie nicht zu ihren Eltern gehen mochten um zu schnorren. Er konnte sich diese überholungsbedürftige Bude selbst nur leisten, weil sie so schweinebillig war. Was bei der mageren Ausstattung jedoch auch nicht wirklich verwunderte. „Schon klar, du bist Big Boss, kein Ding.“ Sugizo wollte nicht streiten, dafür war es noch viel zu früh am Tag – ausserdem war er Joe ja schon dankbar genug, dass er die letzte Nacht in seiner Wohnung verbringen durfte um eine weitere Nacht seiner verhassten Familie zu entkommen. „Ich wollt' gleich eh noch zu Ino“, begann er das Thema zu wechseln. Joe lachte. „Glaubst du, der ist um diese Zeit schon wach?“ „Werd' ich ja seh'n“, und damit ließ er den inzwischen beachtlich geschrumpften Zigarettenstummel in die Tiefen der leeren Flasche eintauchen und gnadenlos ersticken. Sugizo bog noch einmal sein Kreuz durch um seinem Körper mitzuteilen, dass er nun auch wirklich wach war, fuhr sich flüchtig durch die noch immer verzottelten Haare und begab sich Richtung Haustür. „Vergiss nicht, heut' Abend“, gab Joe ihm noch mit auf den Weg. Seit sein rothaariger Schützling mal zu einem Überfall zu spät aufgetaucht war, erinnerte er ihn immer doppelt so häufig an bevorstehende Termine als die Anderen. „Ey, das war ein Mal!“, entgegnete er und drehte sich nochmal kurz zu ihm um. „Ich hab's kapiert.“ Damit verließ er das Bruchbudenappartement des Leaders und schlenderte die Treppe hinunter. Joe blieb grinsend in seinem Sessel zurück. Irgendwie mochte er seine Chaoten. Der Rothaarige steuerte indessen die Adresse seines besten Freundes Inoran an. Nachdem er gut zwanzig Minuten durch die stark belebten Straßen gewandelt war und dabei mehr als ein Mal schräg angestarrt wurde – sein zerwühltes Haar und seine überlangen, schwarzen und schlabberigen Klamotten ließen ihn erscheinen wie ein Nachtgespenst zur falschen Tageszeit – hatte er sein Ziel erreicht, drückte am Hauseingang auf den Klingelknopf und wartete bis der Türsummer ihm Eintritt gewährte. Mit großen Schritten durchquerte er das Treppenhaus und nahm immer zwei Stufen auf einmal, bis er im ersten Stock Inoran's freudig lächelnde Mutter bereits in der Tür stehen sah. Sie mochte den Jungen mit der langen Feuermähne und der extrovertierten Art. Sie war froh, dass ihr Sohn so einen guten Freund hatte der stets auf ihn aufpasste und was die Zwei in ihrer Freizeit auf der Straße trieben, davon hatte sie kaum Vorstellungen. Ob sie ihre Meinung über Sugizo ändern würde wenn sie wüsste, was er und Inoran zusammen mit der ganzen Bande trieben? „Er schläft noch“, begrüßte ihn die kleine Frau mit einem Halbflüstern aus dem Munde, dem schon so einige Zähne fehlten. Sugizo hatte die letzte Stufe erklommen und betrat grinsend die Wohnung. Er nickte Inoran's Mutter nur wissend zu und schlich sich die letzten paar Meter Distanz zum Zimmer des so gegensätzlichen Freundes. Lautlos öffnete er die Zimmertür, stahl sich in den friedlich wirkenden Raum und schloss sie ebenso lautlos wieder hinter sich. Sein Blick war dabei unentwegt auf das Bett gerichtet, Welches sich gleich rechts neben der Tür befand. Da lag sein Engel, im schönsten Tiefschlaf und mit dem Rücken zu ihm gewand. Sugizo konnte nicht widerstehen und trat auf das Bett zu, nur um sich klammheimlich dicht neben den Freund zu legen. Für Inoran aber wohl nicht heimlich genug denn er realisierte, dass da etwas an seinem Rücken war und torkelte geistig vom Schlaf in den Dämmerzustand bis hin zum halben Erwachen. Suchend, was das Fremde, das sich an seinen Körper schmiegte, war, drehte er seinen Kopf nach hinten und blickte in ein verschmitztes Augenpaar das sich nur wenige Zentimeter von ihm entfernt befand. - Inoran schrie laut auf. Mit einem Ruck befand er sich an der Seite des Bettes das an der Wand stand. „Scheiße, Sugi man!“, schimpfte er halblaut, als er den Freund erkannte. Sein Herz fing jetzt erst an zu rasen, war es in der eigentlichen Schrecksekunde doch erst gestolpert. „Soll ich so früh wegen dir noch 'n Herzkasper kriegen oder was?“ Sugizo schmunzelte. Er amüsierte sich gerne über die Schreckhaftigkeit des Jüngeren, ohne dies bösartig ausnutzen zu wollen. „Früh is' gut. Es ist schon Elf durch“, klärte er ihn über die aktuelle Tageszeit erst mal auf. „Sag ich doch...früh...“, nuschelte Inoran und verbuddelte seinen Kopf fluchtsuchend unter das Kissen. Der Rothaarige lachte. „Wenn du heute Abend auch so faul drauf bist, wird Joe sich ja freuen!“ „Umpf“, war der einzige Laut der daraufhin unter dem Kissen erklang. Der Jüngere hasste es so, abrupt aus dem Schlaf gerissen zu werden und das wusste Sugizo auch. Und wenn er mal ehrlich war...hatte Sugizo ihn nicht einmal so brutal geweckt – zumindest dieses Mal nicht – und ihn für seine eigene Schreckhaftigkeit Vorwürfe zu machen war wohl etwas unangebracht. Also gab er seine Abwehr auf und seinen Kopf wieder dem Tageslicht frei. Die treuen, aber noch leicht vernebelten Augen des Jüngeren musterten den Freund. „Geh mal zu meiner Mutter; die müsste von gestern Abend noch was zu Essen übrig haben“, meinte er dann schließlich. Und – Bingo, richtig geraten: Sugizo strahlte sogleich über das ganze Gesicht, sprang auf und stürmte in die Küche. Inoran hatte sich schon gedacht, dass er heute noch nichts in den Magen bekommen hatte. Während sich der Andere also sein verspätetes Frühstück abholte, schlich Inoran ins Bad um seine Blase zu entleeren, Katzenwäsche zu erledigen und wieder zurück in sein Zimmer zu schlurfen. Dort fand er Sugizo bereits im Schneidersitz auf dem Fußboden sitzend und das gebratene Gemüse mit Reis und einer scharfen Soße in sich reinschaufelnd vor. Ein müdes Schmunzeln brachten seine Gesichtszüge zu Stande. Es war so eine vertraute Szene, schon unzählige Male gesehen, und doch so liebenswert. Er wusste, dass der Rothaarige das Essen seiner Mutter am liebsten hatte. Bei seiner eigenen Familie aß Sugizo schon lange nicht mehr, genauso wenig wie er dort die Nächte verbrachte – oder die Tage. Er war eigentlich immer unterwegs oder lungerte bei seinen Freunden rum. Seine Familie, Eltern, Oma, Geschwister, hasste er abgrundtief. Den wirklichen Grund dafür kannte Inoran gar nicht. Er wahr der Meinung mal was aufgeschnappt zu haben, dass es was mit seiner Oma zu tun hatte. Aber mit Details zu dem Thema rückte Sugizo äusserst selten heraus. Und Inoran würde seinen Freund nie zu irgendwelchen Aussagen nötigen, die Dieser nicht tätigen wollte. Die darauffolgenden Stunden verbrachten sie mit Fernsehen und Comics lesen, bevor sie sich irgendwann am Nachmittag mal dazu bequemten die Bude zu verlassen und durch die Straßen zu ziehen. Sie waren auf dem Weg zu Inoran's Lieblings-Saftladen. Der Kleine war völlig vernarrt in den Orangensaft den es dort sogar in extra großen Bechern gab. Sugizo konnte zwar absolut nicht nachvollziehen was der Jüngere ausgerechnet so an Saft faszinierend fand, doch er tat ihm jedes Mal den Gefallen und begleitete ihn mit dorthin. Alleine mochte Inoran nicht gerne unterwegs sein, vermied es sogar. Irgendwie fühlte er sich sicherer wenn er jemanden an seiner Seite wusste dem er vertraute. Während sie so durch die Menschenmenge streiften fiel Sugizo's Blick plötzlich auf drei Jugendliche, die sich in einiger Entfernung zu ihnen bewegten und trotzdem in der Masse auffielen wie Paradiesvögel – denn genau so sahen sie auch aus: Ein Kleiner mit knallroten, langen Haaren, der Zweite mit zweifarbigem Wuschelkopf Marke 'Explodierter Fön' und der dritte hätte irgendeiner Rockerbande entsprungen sein können. Sugizo konnte seine Augen gar nicht mehr von den Dreien reissen; irgendetwas an ihnen vereinnahmte seine gesamte Aufmerksamkeit. Sie wirkten so als gehörten sie auch irgendeiner Bande an doch konnte er sich nicht daran erinnern, auch nur Einen der Drei zuvor bewusst gesehen zu haben. Nun war es eigentlich gar nicht mal so unüblich am hellichten Tag auf offener Strasse Mitglieder anderer Banden zu treffen. Aber diese drei Jungs wirkten irgendwie anders, strahlten irgendetwas aus was ihm zuvor so noch nie begegnet war. Besonders der Rockertyp schien ein seltsamer Geselle zu sein... Aber noch bevor er weiter über seine neue Entdeckung grübeln konnte hatten sie ihr Ziel schon erreicht und betraten den Laden. Inoran steuerte einen seiner drei Stammplätze an, den ersten Tisch nahe des Eingangs. In unmittelbarer Nähe einer Fluchtmöglichkeit zu sein war nie verkehrt. Kaum tippelte die junge, schmale und weibliche Bedienung zu den beiden, gab Inoran ihr auch schon seine Standart-Bestellung durch: Orangensaft XXL. Sugizo musste, wie jedes Mal, grinsen. Er konnte diesem Zeugs einfach nichts abgewinnen. Inoran hingegen bekam von Mal zu Mal immer wieder leuchtende Augen wenn er den großen Becher mit dem Deckel, der von einem langen Strohhalm durchbohrt wurde, vor die Nase gestellt bekam. So auch heute und nach einem kurzem Nicken in Richtung Bedienung als Danke, schlossen sich seine Lippen eifrig um das runde Stück Plastik und er sog die ersten Schlucke genussvoll in seinen Mund. Das waren die Momente in denen er vollkommen abschalten konnte. Das waren seine einzigen Momente. Seine Augen schlossen sich zur Hälfte und die gelbe, fruchtige Flüssigkeit rann durch seine Kehle und benetzte das Innere seines Halses mit einem unglaublich intensivem, lebendigem Aroma. Es war nur Orangensaft, doch er schien nicht von dieser Welt zu sein. Und genau dieses Erlebnis suchte er von Zeit zu Zeit immer wieder, um seiner eigenen Realität zu entfliehen. Seine Realität, gesponnen aus einem Vater der immer nur am arbeiten war und sich kaum zu Hause blicken ließ und einer Mutter die fast schon zu gutmütig mit jedem war. Geschwister hatte er keine. Wenn man mal von J absah, der für ihn und Sugizo im Grunde soetwas wie ein großer Bruder war. Ein Bruder ohne das gleiche Erbgut. Zu seinen Eltern hingegen empfand er wenig Verbindung. Zu seiner Mutter schon noch, zu einem gewissen Teil. Wobei er sich auch manchmal fragte, ob diese Frau nicht schon längst in ihre Traumwelten abgedriftet war um die Augen davor zu verschließen, dass ihr Leben sich doch völlig anders entwickelt hatte als sie es sich ursprünglich ausgemalt hatte. Denn wie sonst war es möglich, dass sie zu jedem so großzügig war, täglich die ganze Wohnung putzte als stünde Staatsbesuch vor der Tür und zu ihrem Mann, wenn er dann mal anwesend war, auch noch so liebevoll und zuvorkommen war, obwohl Dieser sie schon lange nicht mehr wie seine Frau behandelte? Denn sein Vater lebte nur noch für die Arbeit. Von Morgens bis Abends werkelte er in einer Autowerkstatt herum, angeblich damit sein Sohn und seine Frau es einmal besser hätten als er selbst. Doch dass es ihm selbst nicht so gut ging, dafür war er selbst verantwortlich, fand Inoran. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern wann er seinen Vater das letzte Mal lächeln gesehen hatte. Wenn er ihn sah hatte er das Gefühl, der Mann sähe durch ihn durch. Sein Blick glich schon dem eines Roboters, einer Maschine die nur für's arbeiten erschaffen wurde. Er wusste nicht mehr wann dieser seltsame Wahn bei seinem Vater eingesetzt hatte. Und eigentlich war ihm das inzwischen auch schon längst egal geworden. Seine Eltern waren in seinen Augen halbe Zombies und er fühlte sich in dieser toten Atmosphäre nicht wirklich geborgen, geschweige denn zu Hause. „Ino?“ Sugizo's Stimme riss ihn wieder aus seinen Gedanken. Er hob den Blick, ließ den Strohhalm aber nicht aus seinem Mund gleiten. „Hm?“ „Ich geb dir nachher wieder Deckung.“ Der Rotschopf lächelte. Inoran erwiderte das Lächeln. Bei fast jedem Überfall, den sie mit der Gruppe begangen, gab Sugizo ihm Deckung, und wenn nicht er dann J. Manchmal sogar beide zusammen. Es hatte sich sehr schnell dahin entwickelt, dass mindestens Einer von beiden immer auf ihn aufpasste, und das auch ausserhalb jeglicher Überfälle. Inoran brauchte diesen Schutz, das wurde ihm irgendwann selbst klar. Er konnte sich gar nicht mehr vorstellen wie es sein würde, würde er eines Tages plötzlich wieder ganz alleine dastehen, ohne Freunde, ohne J oder Sugizo. Das ging einfach gar nicht mehr. An wen sollte er sich dann halten, nach wem sollte er sich dann richten? Er hätte keinen Leitfaden mehr und würde mit Sicherheit binnen kürzester Zeit zu Grunde gehen. Inoran liebte seine Freunde, er brauchte sie. Alle Mitglieder von 'Snakebite' hatten sich an diesem Abend pünktlich am vereinbartem Treffpunkt, einem leerstehendem Geschäft am Rande der Einkaufsstrasse, zusammen gefunden. Man sprach nicht viel denn das geplante Vorgehen wurde bereits schon am Tag zuvor abgesprochen. Als dann auch der Letzte zu Ihnen gefunden hatte, zogen sie auch gleich los zu ihrem eigentlichem Ziel. Da stiefelten nun also sieben Figuren, alle von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, die bunt beleuchtete Strasse entlang, redeten kaum ein Wort. Joe hatte es ziemlich schnell in seiner Bande einführen lassen, dass sich jeder von ihnen schwarze Klamotten besorgte – vom Kapuzenpulli über Schuhe bis hin zum Basecap – damit sie sich bei Überfällen so ähnlich wie möglich sahen und sie von Anderen schwerer identifiziert werden konnten. Kurz bevor sie um die letzte Ecke bogen hielten sie an, jeder kontrollierte nochmal seine Waffen. Dann das endgültige Signal, ein kurzes Nicken von Joe, und die junge Truppe stürmte den Snackladen, der, abgesehen vom Verkäufer, menschenleer war. Lucifer machte mit gezückter Schreckschusspistole die Vorhut, dicht gefolgt von Joe, der ebenfalls eine originalgetreue Nachbildung eines Revolvers besaß und damit auf den jungen Mann hinter der Kasse zielte. Die übrigen Fünf beeindruckten mit Messern. „Geld her, los!“, bellte Lucifer unter ihrem dunklen Schal den sie sich bis unter die Augen gebunden hatte. Sie war die einzige Frau in der Gruppe und generell auch eine der wenigen weiblichen Exemplare an Bandenmitgliedern, dennoch fehlte es ihr in keinster Weise an Mut oder Kaltblütigkeit. Der junge Mann hinter dem Verkaufstresen hielt nur seine langen, schlaksigen Arme in die Luft und starrte mit zunehmender Panik auf Joe und Lucifer. Die übrigen Jungs nahm er nur halbwegs als schwarze Schatten wahr. Der Aufforderung kam er jedoch nicht nach. Lucifer starrte ihn an, zielte mit dem Lauf der nur halb so gefährlichen Waffe mitten auf das Gesicht des Opfers. Als Dieser sich aber auch nach mehreren Momenten nicht rührte, warf sie einen kurzen, knappen Blick neben sich zu Joe. „Was is'?“, schrie Dieser warnend unter seinem vorgebundenem Halstuch und wedelte mit seiner Waffe. „Tu was er sagt!“ Obwohl Lucifer kein Mann wahr hätte jeder sie ohne zu zögern für Einen gehalten. Denn das eigensinnige Mädel überzeugte mit ihrer Androgynität beispiellos und da es für sie ungefährlicher war wenn man sie für einen Kerl hielt, wurde sie gerade bei Überfällen und ähnlichen Aktionen auch als Einer betitelt. Der Verkäufer, vielleicht Anfang Zwanzig, fing nun an zu zittern, und das obwohl er eine höhere Körpergröße besaß als jeder von 'Snakebite'. Fast wie in Zeitlupe begann sich eine seiner Hände zu senken und sich der Kasse zu nähern. „Schneller!“, fauchte Lucifer. Sie war ungeduldig. Auch J, Sugizo und Inoran, Kazzy und Kyo, die mit ihren gezückten Messern dem Verkäufer jede Fluchtmöglichkeit abgeschnitten hatten, wechselten untereinander fragende Blicke. Bisher hatte noch keines ihrer Opfer so lange mit der Rausgabe des geforderten Geldes gezögert. Irgendwie dauerte das zu lange. J, dem auch allmählich der Geduldsfaden zu reissen drohte, verließ seine Position und drängte sich in Windeseile hinter den Tresen zu dem Typen, hielt ihm im nächsten Moment schon das Messer an die Kehle. An den Fingerkuppen der anderen Hand, mit der er ihn zusätzlich am Hals festhielt, konnte er den rasenden Puls des Kerls spüren. „Hör zu, Freundchen“, begann er in dessen Ohr zu knurren, „entweder du tust jetzt das was wir von dir verlangen, oder dein Chef kann morgen früh eine riesen Sauerei hier aufwischen!“ Der großgewachsene, bleiche Verkäufer fiepste regelrecht heiser und vor Todesangst auf, aber noch bevor er J's Aufforderung Folge leisten konnte, lenkte etwas ganz Anderes alle Beteiligten im nächsten Augenblick ab: Von draussen tönten Polizeisirenen zu ihnen rein und keine drei Sekunden später machte sich auch das Blaulicht bemerkbar. Alle hielten den Atem an, starrten auf die großen, klaren Glasfenster nach draussen, wo gerade zwei Polizeiwagen vor dem Laden eine Vollbremsung hinlegten. Lucifer's Herz raste, Joe's und auch die Pumpen der Anderen liefen gerade auf Hochtouren. Das durfte nicht sein, nein! Nicht jetzt! Wo kamen die auf einmal her? Und vor allem: Wie wurden sie sie wieder los, ohne dass auch nur Einer von Ihnen festgenommen werden konnte? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)