Pokémon Orange von KiraNear ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- „Ach, Herr Skinner, sagen Sie doch sowas nicht, da werde ich noch rot“, konnte ich Pandoryas verstellte Stimme aus den Kopfhörern vernehmen. Wie so oft hatte ich mich vor dem Schlafengehen für eine weitere Folge von Pandoryas GTA V Roleplay auf dem Server LuckyV entschieden, um den Tag angenehm ausklingen zu lassen. Wie schon so oft schlich sich der Gedanke, auch ein Teil des Servers zu werden, in meinen Kopf hinein, doch ich warf ihn wieder hinaus, mit den gleichen Argumenten wie auch beim letzten Mal. Ich wollte nicht einmal daran so wirklich denken, sondern mich lieber auf die wachsende Dynamik zwischen Pans Figur Ariane und Herr Skinner konzentrieren, zumal ich sie mittlerweile viel lieber mit ihm shippte als mit Eddy. Mein Blick fiel auf die Uhr, 3:30 prangte in der rechten Ecke meines Bildschirms. Dann sah ich nach dem Fortschritt des Videos, ich war bereits bei viereinhalb von den insgesamt sechs Stunden angekommen, die Gesamtdauer des Videos. Ich spürte, wie mein Kopf immer leerer wurde und sich meine Augenlider immer schwerer anfühlten. Leicht lächelnd pausierte ich das Video und sah nochmal auf die Uhr. Eine Minute war vergangen. Ach, das gucke ich morgen, nein, nachher nach dem Aufstehen an. Bin dann echt gespannt, was da noch alles passieren wird. Hoffentlich werde ich keine Probleme mit dem Einschlafen haben. Da mein Freund wohl wieder mit seinen Freunden in einer längeren Online-Spielrunde beschäftigt war, beschloss ich, mich für ein paar Stunden oder möglicherweise mehr, aufs Ohr zu legen. Ich wusste, er würde sich früher oder später mit dazu gesellen, und es mir nicht übelnehmen, dass ich mich früher als er hingelegt habe. Also schaute ich ein letztes Mal in Telegram rein, doch dort war niemand mehr online, wie bereits erwartet. Mit einem flinken Griff nahm ich meine Kopfhörer ab und hängte sie an ihren angestammten Platz. Dann schickte ich meinen PC schlafen, schaltete alles auf meinem Schreibtisch aus, was im Dunklen blinken könnte und ging zum Bett hinüber. Dort schnappte ich mir mein Haupthandy mitsamt meiner Kopfhörer und machte es mir zusammen mit meinem Plüschhai im Bett gemütlich. Kaum hatte ich das Licht ausgeschalten, suchte ich mir auf Spotify ein ASMR-Album heraus. Wie so oft in den letzten Tagen konnte ich mich erst nicht entscheiden. Wen nehme ich mir denn heute? Irgendwie hätte ich mal wieder Lust auf die Stimme von FredsVoice ASMR … oder mal wieder was von KennyK ASMR … joah, Kenny wäre nicht schlecht, vielleicht nehme ich wieder das Album mit dem Flugbegleiter Roleplay, das ist eigentlich ziemlich entspannend. Kaum hatte ich mich für ein Album entschieden, legte ich das Handy auf die Bettdecke und horchte, ob die Lautstärke stimmte. Ob es nicht zu laut oder leise war. Doch Kenny begrüßte mich bereits an Bord der KennyK-ASMR-Airline, ich hörte ihm gerade noch zu, wie er die übliche Flugbegleiter-Rede am Anfang hielt, als mich die Müdigkeit zusammen mit seinem Geflüster in den tiefen Schlaf schickte.   Als ich das nächste Mal zu Sinnen kam, befand ich mich an einer Pyramide. Sie war groß, sehr groß, beeindruckt schaute ich zur Spitze hinauf. Dann sah ich mich um, doch außer Sand konnte ich nichts weiter erkennen. Nur einen leichten Wind, der hier und da einzelne Sandkörner durch die Gegend fliegen ließ. Mein Hirn sagte mir, dass es gerade sehr warm war, doch ich spürte davon nichts. Weder die angebliche Hitze auf meinem Körper, noch den Schweiß, der mir aus den Poren kriechen sollte. Alles, was ich „spürte“, waren mehreren kleine runde Gegenstände, die sich in meiner linken Hand befanden. Ich hob sie hoch und öffnete sie, darin befanden sich mehrere Münzen. „Eins, zwei, drei …“, ich begann sie zu zählen und fand somit heraus, dass es sich hierbei um sieben goldene Münzen handelte. Wieder musste ich an das denken, was ich irgendwann in irgendeiner Zeitschrift gelesen hatte. Oder bei Detektiv Conan, so genau wusste ich es nicht mehr. Jeder Mensch kann nur bis zu sechs Gegenstände auf einmal erkennen, ab sieben ist es für das Gehirn zu konfus und er muss dann mit dem Zählen anfangen. Davor kann er durch bloßes Ansehen die Zahl erkennen. Ich konnte sehen, dass die Münzen Motive auf beiden Seiten hatten und wenn ich es richtig sah, befand sich auf den beiden Seiten der Münzen das gleiche Motiv. Doch irgendwas störte meine Sicht. Angesichts dessen, dass ich mich draußen im Sonnenlicht befand, ohne eine Sonnenbrille, einen Sonnenschirm oder eine Cap, schob ich es darauf. Dass ich dafür aber recht gut sehen konnte, darauf konnte ich mir keinen Reim machen. Besonders, ohne dabei die Augen zukneifen zu müssen. Einer der Symbole sah aus wie ein Diamant, bei einer zweiten Münze konnte ich ein Viereck mit ausgestanzten Ecken sehen und auf einer dritten etwas, was wie ein Cape eines Superhelden aussah. Doch so recht konnte ich damit nichts anfangen und behielt die Münzen einfach in der Hand. Vielleicht muss ich ja einen Toten suchen oder mehrere und denen die Münzen dann auf die Augen legen? Aber war das in der Kultur der Ägypter? Ne, ich glaube, das kommt aus einer anderen Kultur, aber welche war das nochmal? Die Griechen? Oder wars doch eher aus der nordischen Mythologie? So recht konnte ich keine Antwort darauf finden und es war niemand hier, der es mir hätte sagen können. Also beschloss ich, mich umzusehen und zu schauen, was ich mit den Münzen machen könnte. Und wenn es nur der Kauf einer Mini-Sphinx von einem Souvenir-Laden war. Doch ich kam nicht weit. Kaum war ich ein paar Schritte gegangen, bemerkte ich, dass sich der Himmel verdunkelte, finstere Wolken zogen dicht zusammen und verdunkelten die Gegend. Es sah nach Gewitter aus, und es fühlte sich auch so an. Zumindest suggerierte mir das mein Verstand, auch sagte er mir, dass es nun deutlich kühler geworden war. Mist, und ich hab keinen Regenschirm dabei. Schließlich ging es ganz schnell. Die Wolken wurden immer dunkler, doch anstatt, dass es anfing zu regnen, hörte ich nur ein Grollen. Auch sah ich, wie etwas dunkles aufstieg, etwas, was viel dunkler war als die Wolken über mir. Es sah aus wie ein Schatten, der sich seinen Weg durch den Himmel bahnte. Ob das ein Dämon ist? Oder was ist das? Sieht ja unheimlich aus … Schnell sah ich mich um, nach einer Möglichkeit, mich zu verstecken und zu schützen, doch ich wurde nicht fündig. Etwas helles erschien in meinem Augenwinkel, nur für einen Herzschlag lang, doch es war lange genug, um mir ein noch größeres mulmiges Gefühl im Hals zu verpassen. Ich drehte mich um, trotz der Bedenken, dass die Helligkeit alles andere als gut für meine Augen wären und sah es. Überall knallten Blitze aus den Wolken heraus auf dem Boden. In meinem Kopf schrillten die Alarmglocken. Auch nahmen sowohl die Menge, als auch die Intensität der Blitze immer weiter zu. Nochmal suchte ich die Gegend nach etwas um, unter das ich Schutz suchen konnte, doch außer der Pyramide befand sich nichts in meiner Nähe. Ok, wie war das nochmal? Eiche weiche, Buche suche? Gut, hier gibt’s keine Bäume und ich weiß eh nicht mal, wie Eichen oder Buchen aussehen. Außerdem schlagen Blitze eigentlich an den höchsten Orten ein, wegen des geringen Widerstands oder so, aber dieses Mal wohl nicht … wie war das nochmal, ich glaub, ich muss mich einfach flach auf den Boden legen? Obwohl ich nicht glaubte, damit in Sicherheit zu sein, legte ich mich auf den Boden und „spürte“, wie rings um mich herum die Blitze einschlugen. Dann sah ich ein sehr helles Licht, welches direkt vor meinen Augen erschien, viel zu hell, als dass ich es eigentlich hätte anschauen können …   Mit einem Mal wurde ich wach, und als ich eine Bettdecke über mir spürte, wusste ich, das alles war nur ein Traum gewesen. Ein seltsamer Traum, aber da ich fast nur seltsame Träume hatte, wundere ich mich nicht darüber. Ich fand es nur schade, dass ich keinen Traum von dem GTA Roleplay hatte, eine schöne Ariane x Skinner Szene hätte mich dann doch mehr erfreut. Doch ich versuchte gar nicht erst, einen Sinn in dem Traum zu finden, zumal ich ihn eh bald wieder vergessen würde. Aber ich fühlte mich erholt, was sehr schön war. Mal sehen, wie viele Stunden Schlaf sich mein Körper dieses Mal geholt hat, dachte ich und öffnete meine Augen. Doch etwas fehlte. Anstelle der Vollmond-Lampe, die wir auf meinem Wunsch im Schlafzimmer angebracht hatten, leuchtete nur eine normale Deckenlampe. Auch war der Raum nicht rechteckig, sondern viereckig, was mehr als seltsam war. „Was zum?!“, stammelte ich und richtete mich auf. Der Bettbezug, den ich zu sehen bekam, sagte mir nichts. Anstatt meiner Super-Mario-Bettdecke sah ich nur eine neutrale in einem hellen Lila, auch war von meinem Plüschhai keine Spur zu sehen. Ebenso fehlten meine Kopfhörer und mein Handy. Schnell kniff ich mir in die Wange, da ich den Verdacht hatte, wieder in einem Inception-ähnlichem Traum gelandet zu sein, doch der Schmerz in der Wange verriet mir, dass ich wach war. „Wo zum Henker bin ich?“, fragte ich mich selbst und stand aus dem Bett auf. Es war auch viel kleiner, ein Ein-Personen-Bett, wie ich es vor meinem Umzug hatte. Dann sah ich mich im Zimmer um. Statt zwei Fenstern und einer Balkontür hatte ich nur zwei kleine Fenster, an zwei gegenüberliegenden Wänden. Außerdem befand sich neben meinem Bett ein Tisch mit Stuhl und PC an einer dritten Wand, zusammen mit einem kleinen Sessel, einem Fernseher und einer Switch, welche sich in einem Dock befand. Es war die stereotypische Standard Switch, mit einem roten und einem blauen Joycon. Da ich dank eines Tauschs zwei rote Joycons hatte, war der Anblick für mich doch etwas ungewohnt. Ich beschloss, mir mal später die Switch genauer unter die Lupe zu nehmen und zu gucken, welche Spiele sich darauf befanden. Sonst gab es hier nur noch einen roten Teppich, einen hellbraunen Schrank, einen lebensgroßen Spiegel und Poster, mehrere Poster an der Wand. Schnell überlegte ich, ob das hier mein alter Raum war, mein altes Zimmer vor meinem Umzug zu meinem Freund, doch schnell verneinte ich meine unausgesprochene Frage. Zwar war mein altes Zimmer rechteckig gewesen, doch es sah ganz anders aus als dieses hier. Doch es war eine erleichternde Erkenntnis. Wenigstens bedeutet es nicht, dass ich das letzte Jahr geträumt hatte, auch wenn das bedeutet, dass … Ich schluckte meinen Gedanken herunter, ich wollte nicht wieder darüber nachdenken, nicht wieder traurig werden. Das würde mir in dieser Situation überhaupt nicht weiterhelfen. Stattdessen musste ich mich konzentrieren, herausfinden, wo ich war und warum ich hier war. Dazu sah ich mir die Poster genauer an. Auf diesen befanden sich verschiedene Pokémon in verschiedenen Posen. Ich konnte ein Pikachu sehen, ein Ponita, ein Tauboss und ein Poster, welches sich sowohl ein Karpador als auch ein Garados teilten. Letzteres gefiel mir auf Anhieb und ich wünschte, ich hätte ein solches Poster auch bei uns zuhause. Dann ging ich zu dem Spiegel hinüber, konnte mir aber nicht wirklich erklären, warum. Vermutlich wollte ich ihn mir einfach mal ansehen, auch wenn ich den Anblick meines Spiegelbilds nur selten richtig ertragen konnte. Doch kaum stand ich vor dem Spiegel, überraschte mich ein fremder Anblick, eine fremde Person blickte mir aus dem Spiegel zurück. Sofort drehte ich mich um, doch hinter mir befand sich niemand. Zum Test hob ich meinen Arm, die Person hob ihn mit mir. Ich legte den Kopf schräg, an meine linke Schulter heran und mein Spiegelbild tat es mir nach. Sofort sah ich mir den Spiegel selbst an, blickte am Rahmen entlang, ob es sich hierbei wirklich um einen Spiegel handelte und nicht um einen Bildschirm mit Kamera, aber auch das war nicht der Fall. Diese dünne, fremde Person war tatsächlich ich. „Wow“, entfuhr es mir erstaunt. Dann warf ich einen genaueren Blick auf mein Spiegelbild und schaute mir alle neuen Details an. Anstatt meiner graublauen Augen sah ich nun hellbraune, wie ich sie von meinem Freund kannte. Meine Haare waren ein wenig kürzer, von einem schönen Braun und sie fühlten sich dicker an, nicht so wie meine dünnen, halb gefärbten Haare in meinem richtigen Körper. Auch war ich hier viel dünner als ich es eigentlich war, ich konnte sehr dünne Oberschenkel und meinen Bauchnabel erkennen. Sofort sah ich an mir herunter. Anstatt einem Wall aus Torso sah ich einen dünnen Körper, der in eine Art weißes Hemd gekleidet war, welches mir bis zur Hüfte lief. Es zeigte nur sehr wenig von meinem eh kaum vorhandenen Ausschnitt und meinen Bauchnabel, da die unteren Knöpfe offengeblieben waren. Wahnsinn, so fühlt es sich also an, wenn man keinen Bauch hat und quasi bauchfrei herumlaufen kann, und bestaunte mich wieder im Spiegel. Da konnte ich auch sehen, dass das Hemd kurze Ärmel hatte und einen hohen Kragen. Für einen Moment musste ich an Sherlock aus der BBC-Serie denken. Unten herum trug ich sehr, sehr kurze Hosen, darunter etwas längere Leggins, zumindest vermutete ich, dass es sich hierbei um eine Leggins handelte. Zwei Gürtelteile hingen mir an der Seite weg, was mich ziemlich verwirrte. Den Abschluss meines Outfits bildeten zwei schwarze Socken, die allerdings recht kurz waren. Je länger ich mein neues Ich im Spiegel betrachtete, desto mehr schlichen sich wieder Traurigkeit und dunkle Gedanken hinein. Schade, dass ich den Körper nicht habe, sondern einen ganz anderen. Wieder schob ich meine finsteren Gedanken zur Seite, auf Selbstmitleid hatte ich keine Lust. Also ging ich vom Spiegel weg und machte mir dagegen Gedanken, wer ich war und wo ich jetzt nun eigentlich bin. Auf jeden Fall war die Besitzerin dieses Zimmers Pokémon Fan, was sie mir schon mal sympathisch machte. Vermutlich hat sie irgendein Pokémon Spiel da in der Switch. Vielleicht Schwert oder Schild? Vielleicht das neue Snap? Ich beschloss, es mir später mal anzusehen, fremde Spielstände fand ich schon immer ziemlich interessant, besonders, um zu sehen, wie sie ihre Pokémon benannt haben; und ob es mit kleinen Buchstaben oder in Capslock war.   Gibt es hier keinen Ausgang?, wunderte ich mich und machte mich erneut auf die Suche. Schließlich sah ich die Tür, auf welcher sich ebenfalls ein Poster befand, dieses Mal mit einem großen Onix darauf. Neugierig öffnete ich die Tür und sah hinaus, sah aber nur einen Flur, der zu weiteren Türen und einer Treppe führte. Da ich mich erstmal umsehen sollte, wo ich mich befand, beschloss ich, die anderen Türen zu ignorieren und ging stattdessen die Treppe hinunter. Dort wurde ich bereits erwartet, zumindest machte es den Anschein. „Fiona, Liebes, schon wach? Hast du gut geschlafen?“, wollte eine Frauenstimme von mir wissen und ich sah mich nach ihr um. Eine Frau, älter als ich, stand in einer kleinen Küche und kam zu mir herüber. Dabei konnte ich erkennen, dass mich die Treppe ins Esszimmer gebracht hatte, welches nur durch eine kleine, halb hochgezogene Wand mit der danebenliegenden Küche getrennt war. Ein weiterer Blick durch den Raum verriet mir, dass es außerdem noch ein Wohnzimmer und eine Tür mit einem Garderobenständer daneben gab, es musste sich also um die Haustür handeln. Irritiert, und nicht bereit, eine Rolle zu spielen, drehte ich mich wieder zur Dame um. Sie hatte wie ich braune Haare, allerdings waren ihre hüftlang. Ihre Augen waren im Gegensatz zu meinen grünlich und sie machte auch einen leicht moppeligen Eindruck. Schätze mal, ich hab von ihr die Haarfarbe und die kleinen Lippen, aber der Rest scheint wohl von meinem Vater zu sein. „Ja, danke, Mama, hat echt gutgetan“, sagte ich und fragte mich gleichzeitig, wie spät es war und warum ich mich im Bett befunden hatte. Bei meinem realen Ich und dem chaotischen Schlaf-Wach-Rhythmus konnte ich es verstehen, doch bei diesem fremden Mädchen, in dessen Körper ich steckte, war es mir ein Rätsel. Wobei ich mir dabei nicht sicher war, ob es nun mein Körper war oder ich nur in dem Körper einer anderen steckte. So wirklich wollte ich nicht darüber nachdenken, also versuchte ich lieber, den Worten meiner Mutter zu lauschen. „Das ist aber schön, du warst gestern wirklich sehr müde, mein Kind“, sagte sie und ich war froh, dass ich sie richtig als meine Mutter erraten hatte. Sie ging zurück in die Küche und rührte in einem Topf um. Dann schaltete sie den Herd kleiner, wischte ihre Hände an ihrer Schürze ab und ging zu mir herüber. „Das muss jetzt mehrere Stunden köcheln, aber heute Abend werden wir dafür etwas feines essen“, sagte sie und ich fragte mich, was sie da wohl gekocht hatte. Und ob nur wir beide hier sein werden oder noch jemand anderes. Gerade, als ich sie fragen wollte, ging sie erneut in die kleine Küchenecke zurück. „Fiona, Liebes, kannst du bitte den Tisch decken, für das Frühstück? Ich hole derweil die Sachen vorbereiten. Möchtest du heute Müsli oder lieber Vollkorn-Brot?“ „Ja, kann ich machen. Und für mich bitte Müsli, danke!“, rief ich, bevor ich stockte. Moment mal, Fiona? Hat sie mich das nicht vorhin auch genannt? Ist mir gar nicht aufgefallen … joah, das ist ein schöner Name. Ich denke, ich kann mich daran gewöhnen. Um also meiner Aufgabe, den Tisch zu decken, nachzugehen, folgte ich ihr in die Küche und suchte mich durch die einzelnen Schränke hindurch. Als ich dann sah, dass meine Mutter sowohl Brot, als auch Marmelade bereitstellte, wusste ich, dass ich nicht nur nach Schüsseln Ausschau halten sollte. So deckte ich den Tisch mit zwei Tassen, einem Teller, einer kleinen Schüssel und dazugehörigem Besteck. Meine Mutter folgte mir recht schnell und brachte in mehreren Anläufen zwei Scheiben Brot, Erdbeermarmelade, einem Einwegglas mit Müsli darin, Milch und Mandarinenscheiben. „Du musst wirklich aufgeregt sein“, sagte sie zu mir, ließ jedoch offen, weshalb ich aufgeregt sein sollte. Doch ich fühlte mich nicht aufgeregt und sagte ihr das auch offen. „Nein, um ehrlich zu sein, ich fühle mich einfach nur wohl. Ausgeschlafen und auch ein wenig hungrig“, sagte ich, während ich meinen leeren Magen streichelte. „Dann setz dich doch schon mal an den Tisch und ich bringe uns frische Kuhmuh-Milch.“ Dem ging ich sofort nach und setzte mich an den gedeckten Frühstückstisch. Kuhmuh-Milch? Das kommt mir so bekannt vor. Heißt so nicht die Milch aus der Zelda-Reihe? Ne, Moment, die heißt doch Lon-Lon-Milch und das würde auch die Pokémon-Poster nicht erklären, das einzige Crossover-ähnliche, was Nintendo mal gemacht hat, war Link’s Awakening. Erschrocken riss ich meine Augen auf, eine Idee crashte wie ein Blitz aus meinem Albtraum in meine Gedankenwelt hinein. Wait, Moment, was? Aber das ist doch vollkommen unmöglich! Ja, ich weiß, laut Mr. Holmes soll man alles ausschließen, bis man auf die Lösung kommt, die am meisten Sinn macht … oder so. Aber ne, das kann doch nicht sein, ich meine, das wäre so genial. So viel besser als Pokémon Go zu spielen, nein, das wäre einfach … Als ich meine Mutter im Augenwinkel mit einem Krug voller Milch näherkommen sah, versuchte ich mich zusammenzureißen und einen neutralen bis glücklichen Gesichtsausdruck aufzulegen. „Lecker, Milch, trinke ich sehr gerne“, sagte ich, weil ich dachte, dass es verdächtig wäre, wenn ich jetzt still wäre. Gleichzeitig fühlte sich mein Gesprächsversuch sehr merkwürdig an. Sie goss uns beiden, kaum hatte sie sich an den Tisch gesetzt, Orangensaft ein. Anschließend klatschte sie in die Hände und lächelte mich an. „Guten Appetit!“, sagte sie zu mir und ich wünschte ihr das Gleiche.   Die meiste Zeit während des Frühstücks redeten wir kaum, was mir nur allzu recht war. Genauer gesagt war ich diejenige, die kaum was sagte, aber das schien meine Mutter nicht zu stören. Etwas, was sie mit meiner echten Mama gemeinsam hat. Oder zumindest hätte, wäre sie noch am Leben. Ich schluckte die aufkommende Traurigkeit herunter, zusammen mit einem großen Schluck Milch. Erstaunlicherweise erinnerte es mich an die normale Kuhmilch von Zuhause. Doch noch immer stand der Verdacht im Raum. Bisher wurde ich allerdings nicht ganz schlau aus dem, was meine Mutter mir so erzählte, und konnte daher nicht einschätzen, wo ich mich befand. Die meiste Zeit redete sie erst über das, was sie mit Freunden erlebt hatte und welche Gespräche sie mit ihren Nachbarn hatte, das alles war jedoch so normal und alltäglich, das könnte quasi überall passieren. Doch kaum hatte ich mein Müsli beendet und nippte an meiner zweiten Tasse Milch, begann sie den wirklichen Hammer auszupacken. „Hach, ich bin so aufgeregt, mein kleines Mädchen beginnt ab heute ihre Reise“, sagte sie und ich begann mich zu fragen, wohin die Reise wohl gehen sollte. War ich etwa ein Scheidungskind und würde nun zu meinem Vater fahren? Ich hätte einen lebendigen Vater? Wie der wohl so war? Wie es wohl so ist, einen lebendigen Vater zu haben? Eine Frage, auf die ich noch nie so wirklich eine Antwort gefunden habe. Doch sie ließ mir keine weitere Zeit, darüber nachzudenken oder wieder traurig zu werden. „Naja, so richtig geht es heute ja noch nicht los, aber du weißt, was ich meine. Heute müssen wir auf jeden Fall die Vorbereitungen erledigen, wenn dann meine große Tochter auf ihre eigene Pokémon-Reise gehen wird. Hach, das ist alles so aufregend, ich bin wirklich gespannt, was du alles erleben wirst …“ Die Stimme meiner Mutter wurde zu einem unverständlichen Haufen an Wörter. Meine Augen öffneten sich erneut und ich bekam das Bedürfnis, die Tasse in meiner Hand vor lauter Schock einfach fallen zu lassen. In meinem Kopf ging es drunter und drüber, und ich wusste nicht, wo mir der Sinn stand. Tränen schossen in meine Augen. Also hatte ich Recht! Ich hatte also wirklich Recht! Ich bin hier in der Welt der Pokémon! OMG, ich meine, wie, wie geht das? Warum bin ich hier? Das ist ja soooo cool, aber OMG, ist das aufregend. Oh, Mama sieht mich so merkwürdig an, ich glaube, ich sollte sie beruhigen. Schnell wischte ich mir die Tränen aus den Augen und lächelte sie an, so gut ich konnte. „Ja, ich bin selbst nur ein wenig aufgeregt und ergriffen, dass ich nun auch endlich die Reise antreten kann“, sagte ich und sie selbst fing zu schniefen an. Oh nein, bitte fang nicht zu weinen an, damit war ich bei meiner echten Mama auch schon immer überfordert. „Ach, es ist einfach so wunderbar, heute ist dein großer Tag, an welchem wir uns für die Reise vorbereiten werden. Dass du mich aber immer mal wieder anrufst, nicht, dass du denkst, ich will dir hinterherkontrollieren“, fügte sie hinzu, als sie meinen entsetzten Blick sah. „Aber ich möchte einfach hin und wieder mitbekommen, was du gerade erlebst, wie du dich fühlst, welche Pokémon du getroffen hast und vieles mehr. So eine Reise kann viel Freude, aber auch viel Trauer bedeuten. Es kann einen ziemlich verändern und ich würde einfach nur gerne wissen, wie dein Weg verlaufen wird“, sagte sie und aß ihre letzte Marmeladen-Scheibe auf. „Klar, kann ich machen. Ich werde zwar nicht jeden Tag anrufen, aber immer mal wieder“, sagte ich und hoffte, dass ich es nicht vergessen würde. So wie ich mich kannte, lag es wohl im Rahmen des Möglichen. Zumal ich nicht jemand war, der sich einfach grundlos bei anderen Leuten meldete, sondern nur, wenn es irgendwas zu besprechen gab. Und das auch lieber schriftlich als telefonisch. „Aber denk daran“, sagte sie und sah mich mit einem ernsten Blick an. „Ich hab es dir zwar schon hundertmal gesagt, aber du darfst erst aufbrechen, wenn du dir deinen ersten Orden verdient hast. Vorher darfst du dich nicht auf die Reise machen. Es ist einfach zu gefährlich, ohne eigenes Pokémon an deiner Seite und einer gewissen Portion Erfahrung.“ Klar, die Stadt hier kann man auch nur auf zwei Wegen verlassen. Entweder über das Wasser, was aber ohne Wasserpokémon und Surfer nicht möglich ist, oder durch das hohe Gras, in dem wilde Pokémon lauern. Also ne, ich denke, ich werde doch in der Stadt bleiben, zumindest bis ich das erste Pokémon erhalten habe. „Keine Angst, das werde ich nicht machen, Mama, versprochen“, sagte ich wahrheitsgemäß und begann, meiner Mutter mit dem Abräumen zu helfen. Kaum hatten wir die Sachen aufgeräumt und das dreckige Geschirr in die Spülmaschine geladen, sahen wir beide uns zufrieden an. Dann kam mir meine Mutter näher und umarmte mich. Überrascht erwiderte ich die Umarmung, doch da sie im Grunde eine Fremde für mich war, fühlte sich die Umarmung seltsam an. Nach wenigen Sekunden ließ sie mich los, worüber ich sehr froh war. „Wenn du möchtest, kannst du dir ein wenig die Beine vertreten und ich kümmere mich solange um den Haushalt, ist das in Ordnung für dich? Das wird dich auch ein wenig ablenken“, sagte sie mir und auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, was ich in Alabastia groß entdecken könnte, nickte ich ein wenig. „Ja, das ist eine gute Idee“, sagte ich und stellte mir vor, dass ich mir einfach mal die kleine Stadt mit ihren vier-fünf Häusern ansah und mir danach dann vorstellte, welches Pokémon ich wohl als erstes bekommen würde. Schließlich ging ich zur Garderobe und zog zwei stiefelartige Schuhe an, in Grau-Blau und mit zwei kleinen grauen Sternen darauf. Sie fühlten sich bequem an und sie sahen auch recht schick aus. Jetzt bin ich auch ein Crystal Gem und habe einen Stern auf meiner Kleidung, dachte ich scherzhaft. „Oh, bevor du es wieder vergisst, hier, dein Geldbeutel“, sagte Mama und reichte mir einen kleinen, blauen Geldbeutel. Als ich ihn öffnete und die Münzen darin zählte, kam ich auf genau 500 Pokédollar. „Ja, stimmt, das ist eine gute Idee, danke dir Mama“, sagte ich, während ich überlegte, wo ich meinen Geldbeutel verstauen könnte. Doch da ich mir nur mal kurz die Beine vertreten wollte und die Hosentaschen wie zu erwarten kaum Platz für irgendwas boten, beschloss ich, meinen Geldbeutel einfach festzuhalten. „Du kannst auch meinen Beutel nehmen, wenn du was zum Tragen brauchst“, sagte sie und reichte mir einen kleinen blauen Turnbeutel, in dem ich meinen Geldbeutel verstauen konnte. Damit fühlte ich mich dann doch wohler. „Danke, Mama, das ist wirklich sehr nett von dir“, sagte ich, während ich den Turnbeutel wie einen Rucksack schulterte. „Steht dir gut“, sagte sie und drückte mir einen mütterlichen Kuss auf die Wange. „Gut, dann amüsiere dich schön und denk dran, geh nicht zu weit! Und du musst gegen Abend wieder zuhause sein“, mahnte sie mich und ich wusste, dass sie es ernst meinte. „Ja, keine Angst, ich werde mich daranhalten“, entgegnete ich, lächelte meine Mutter ein letztes Mal und verließ das Haus.   Doch kaum war ich draußen, außerhalb des Hauses und hatte einen ersten Rundblick über die Umgebung geworfen, stellte ich fest, wie sehr ich mich geirrt hatte. Ich befand mich definitiv nicht in Alabastia, das Labor des Professors fehlte und außerdem sah die Stadt viel größer aus. Stattdessen sah ich ein Pokémon-Center und in der Ferne etwas, was wie eine Wiese aussah, eingezäunt und verlassen. Kurz überlegte ich, warum mir diese Gegend bekannt vorkam, bis mich die Erkenntnis traf. Ich muss in Marmoria City sein, ja, alles andere würde keinen Sinn ergeben. Ok, das ist auch eine coole Stadt zum Starten. Hätte aber echt gedacht, dass ich wie Ash in Alabastia anfangen würde. Aber hey, das ist auch cool, dachte ich mir und begann, mich näher umzusehen. Als erstes peilte ich das Pokémon-Center an, doch da ich noch kein eigenes Pokémon besaß, hatte ich keinen Grund, dort hinein zu gehen. Gleichzeitig fragte ich mich, ob es da drin auch ein Pummeluff gab, welches Gesang einsetzte, sobald man es ansprechen würde. Dann ging ich hinüber zur Wiese, erst jetzt konnte ich sehen, dass es sich nicht nur um eine Wiese, sondern um ein Blumenfeld hielt. Die Blumen erkannte ich jedoch nicht, auch wenn sie sehr schön aussahen mit ihren roten Blüten. Hm, vielleicht will die Besitzer die Blumen ja vor wilden Pokémon schützen, fiel mir als einzige Erklärung ein, bevor ich weiterging. Immer mal wieder sah ich mir die Gegend an und trotz mehrere schmerzhafter Kniffe in die Wange konnte ich es immer noch kaum glauben, dass ich mich wirklich in Kanto befand. Zwar hatte ich mir mit Pokémon Go so einigermaßen den Traum als Pokémon-Trainer verwirklichen können, aber das hier, das war realer und besser. Zumindest fühlte es sich so an. Und was auch immer es war, es hatte meine Augen verbessert. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich ohne Brille rausgegangen war, was ein seltsames Gefühl war, aber es schien meine Augen nicht zu stören. Offenbar hatte der Körper hier keine Kurzsichtigkeit, es dauerte jedoch ein paar Minuten, bis ich nicht mehr daran dachte und so setzte ich meinen Weg fort. Für einen kurzen Moment sah ich den Laden an, mit dem bekannten blauen Dach, aber auch dort wollte ich nicht hinein gehen. 500 PD kamen mir nicht gerade als sehr viel vor und so beschloss ich, mein Geld erst einmal zusammen zu halten. Nicht zu viel auf einmal ausgeben, das würde ich später immer noch machen können. Also ging ich weiter. Mein Weg führte mich auch kurz zu Rockos Arena. Erinnerungen daran, dass ich mir immer Nidoran fangen musste, um gegen Rocko eine Chance zu haben, stiegen in mir hoch. Zumal mein Pikachu alleine vom Typ her keine Chance gegen sein Onix oder sein Kleinstein hatten. Dort konnte ich erst recht nicht ohne eigenes Pokémon reingehen, zumindest sah ich keinen Sinn darin. Ich ging erneut weiter.   Schließlich, nachdem ich eine kleine Weile lang spazieren gegangen war, sah ich mich wieder um. Fragte mich, womit ich mir die Zeit noch vertreiben könnte, bevor es wieder nach Hause ging. Da ich die Stadt nicht verlassen wollte, ohne Partner an meiner Seite, der für mich kämpfen konnte, blieb für mich nur die Stadt selbst zur freien Verfügung. Da fiel mir das Museum ein und da ich gerade auch nichts Besseres zu tun hatte, ging ich zum Museum und begann, in meiner Hosentasche zu suchen. Doch ich wurde nicht fündig. Wo zum Henker ist meine FFP2-Maske, ohne die darf ich doch nicht rein … oh, stimmt, Moment, ich glaube, der Virus existiert hier nicht. Wie dumm von mir! Die Tatsache, dass ich am Eingang keine Schilder sah, die mich darauf hinwiesen, zu meinen Mitmenschen Abstand zu halten und dass man für den Eintritt eine Maske tragen musste, reichte mir. So schnell kann man sich an Dinge gewöhnen, dachte ich amüsiert und betrat das Museum maskenlos, was sich angesichts der vergangenen Monate, die ich erlebt hatte, für einen kurzen Moment seltsam anfühlte. „Museum der Wissenschaft“, las ich leise den Namen des Museums von einem Schild. Sofort begrüßte mich ein freundlicher Mitarbeiter am Schalter, der sich direkt neben dem Eingang befand. „Willkommen im Museum der Wissenschaft“, sagte er und deutete auf das kleine Preisschild, welches am Glas angebracht war. „Für eine Prämie von 50 PD kannst du das Museum betreten.“ Schnell holte ich eine 100 PD Münze heraus, gab sie dem Mann und bekam eine 50 PD Münze zurück, die ich sofort verstaute. Kaum war ich damit fertig verneigte sich der Mitarbeiter und reichte mir ein kleines Ticket. Dieses verstaute ich in meinem Geldbeutel. „Dann wünsche ich dir viel Spaß mit unseren Exponaten“, sagte er und ich bedankte mich dafür höflich. Dann hängte ich mir wieder den Turnbeutel um und machte ich mich auf den Weg. Doch das Museum war viel kleiner, als ich es in Erinnerung hatte. Auch gab es nicht so viel zu sehen, vermutlich war der Eintrittspreis deshalb so günstig. Dafür konnte ich allerdings Mondsteine und Fossilien von längst ausgestorbenen Pokémon bewundern, was ich dagegen mehr als faszinierend fand. Auch gab es kleine Infotexte, die ich hier und da ein wenig überflog. Am meisten bestaunte ich die Nachbildung des Space-Shuttles, welches sich im ersten Stock des Museums befand. Das Weltall und alles, was damit zu tun hat, hatte schon immer eine leichte Anziehung und Faszination auf mich, auch, wenn ich mich nur selten damit beschäftigte. Allein schon dafür hatte ich der Besuch in meinen Augen gelohnt. Doch nach einer Weile hatte ich alle Ausstellungsstücke gesehen. Und dank der wenigen anderen Besucher fühlte es sich wieder normal an, bevor 2020 in seiner vollen Härte zugeschlagen hatte. Doch ich hatte genug gesehen und verließ das Museum wieder. Draußen angekommen bemerkte ich, dass es nun ein wenig heller geworden war und vermutete, dass es nun wohl Mittagszeit sein musste. Doch der Hunger meldete sich nicht, dafür ein leichtes Gefühl der Langeweile. Mama hat zwar gesagt, ich muss bis zum Abend zurück sein, aber ich denke, sie hat nichts dagegen, wenn ich es mir noch ein wenig in meinem Zimmer bequem mache. So schritt ich frohen Mutes wieder nach Hause und betrat es. „Hallo, Mama, ich bin wieder da!“, rief ich in den Raum hinein, doch es kam keine Antwort. Kaum hatte ich die Schuhe ausgezogen und Mamas Tasche ohne meinen Geldbeutel an dem Garderobenständer aufgehängt, betrat ich das Esszimmer. Doch weder dort, noch in der Küche konnte ich meine Mutter finden. Auch im Wohnzimmer befand sie sich nicht. Die Schultern zuckend, kam ich zu dem Schluss, dass sie wohl mit dem Haushalt fertig und nun selbst unterwegs war. Ok, dann gehe ich mal nach oben. Oben angekommen suchte ich sofort mein Zimmer auf, und holte das Ticket des Museums aus meinem Geldbeutel, bevor ich beides auf meinem Tisch ablegte. Gut, dann wollen wir doch mal schauen, was sich hier denn so für Spiele auf der Switch befinden, und nahm den daneben liegenden Pro-Controller mit zu meinem kleinen Sessel, um von dort aus zusammen mit einer Fernbedienung Fernseher und Switch zu starten. Kapitel 1: Eine neue Begegnung ------------------------------ Kaum hatte ich mich mit dem Pro-Controller auf den kleinen Sessel gesetzt und den Fernseher angemacht, wartete ich, bis ich das Menü der Switch sehen konnte. Ein wenig fühlte ich mich wie ein Einbrecher, auf der anderen Seite war ich nun in diesem Körper drin und hatte auch gerade nichts Besseres zu tun. Möglicherweise war das hier auch nur ein anderes Ich aus einem Parallel-Universum, mit dem ich nun den Platz getauscht hatte. Ob sie nun in meiner Welt war? Oder habe ich sie einfach nur ersetzt? Ich zuckte mit den Schultern. Da ich wusste, dass ich auf diese Fragen keine Antworten finden würde, beschloss ich, nicht mehr darüber nachzudenken und mich lieber auf den Bildschirm vor mir zu konzentrieren. Der Sessel war sehr gemütlich und ich konnte verstehen, warum man sich für ihn beim Kauf entschieden hatte. Dann richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher vor mir. Sofort sah ich den typischen Log-In-Bildschirm, zurzeit war kein einziges Spiel offen. Schnell drückte ich dreimal auf den A-Knopf, dann konnte ich das Hauptmenü sehen. Doch allzu viele Spiele schien ich nicht zu besitzen, gerade mal zwei Stück konnte ich erkennen. Wenn ich da an meine eigene Switch dachte, kam mir die Auswahl ziemlich mager vor. Dennoch war ich auch ein wenig zufrieden damit. Denn auf der Switch hier befanden sich sowohl das Remake von „Link’s Awakening“, als auch der neueste Teil von Animal Crossing. Da das Zelda-Spiel bei jedem gleich sein dürfte, entschied ich mich, in Animal Crossing reinzusehen. Wie wohl meine Insel hier aussieht? Bestimmt ganz anders. Ob die alte Fiona besonders kreativ war? Oder hatte sie sogar ein Inselmotto? Wer wohl ihre Bewohner sind? Ob einer meiner Lieblinge dabei ist?  Ich wollte mich nicht länger auf die Folter spannen und startete das Spiel. Nach der gewohnten Ladezeit sah ich wie gewohnt das Logo der Spielereihe, auch konnte ich schon den ersten Bewohner sehen. Ebenso konnte ich erkennen, dass auf der Insel noch nicht so viel passiert war, oder zumindest in diesem sichtbaren Teil davon. Die Erwartungen etwas gesenkt, startete ich das Spiel und meine Vermutungen wurden bestätigt, als nicht Melinda, sondern Tom Nook die Inselansprache hielt. Ich sah das kleine Zelt, dass er und seine Neffen noch am Anfang des Spiels nutzen. Das Servicecenter, bevor es zu einem Haus umgebaut wird. Entweder hat die alte Fiona das Spiel nochmal von vorne angefangen, wie es meine BFF regelmäßig tut. Oder sie hat das Spiel noch nicht so lange. Möglicherweise hat sie es erst vor kurzem bekommen. Kaum verließ ich mit meiner Spielfigur, die noch recht simple Kleidung trug, das kleine Zelt, begann ich damit, mich auf die Suche nach den Bewohnern zu machen. Ein Blick auf die Karte verriet mir, dass Fiona noch wirklich nicht weit im Spiel gekommen war, sie hatte lediglich ihren zwei Bewohnern ein Haus gegeben. Auch konnte ich erkennen, was für Bewohner es waren: Ein Frosch und ein Pinguin. Da mir beide nichts sagten, begann ich nach ihnen zu suchen. Nach kurzer Zeit wurde ich fündig, sie beide liefen recht nah auf der Insel herum und wirkten ein wenig verloren. Zuerst fand ich den Pinguin, welche sich als Pinguindame mit dem Namen Susanne herausstellte. Optisch war sie jetzt nicht so mein Fall, aber sie schien ganz nett zu sein. Der rote Lidschatten passte dafür gut mit dem Rot ihres Pullovers zusammen. Ihre Floskel war „Flatsch“ und sie baute es an jedem dritten Satz an. Nur wenige Meter rechts von ihr stand ein Frosch, als ich ihn ansprach, konnte ich den Namen Fritz über seinem Textfeld sehen. Auch er war auf dem ersten Blick optisch nicht mein Fall, gefiel mir aber bei näherem Hinsehen doch besser als Susanne. Ein grüner Frosch, mit hellgrünen und schwarzen Flecken hier und dort, bekleidet mit einem schwarz-blau gestreiften T-Shirt. Die Hasenzähnchen und die kleinen Kulleraugen ließen ihn dagegen recht niedlich und unschuldig aussehen. „Ich denke, es war eine gute Idee, auf diese Insel zu ziehen. Hier kann ich Marathons laufen, ohne jemanden auf die Füße zu steigen, quäääk“, konnte ich in der Textbox lesen, welche gerade aufgepoppt war. Also musste das einer der sportlichen Bewohner sein. Der Frosch würde mir auch auf meiner Insel gefallen, vielleicht hole ich mir den Amiibo, wenn ich wieder daheim bin, dachte ich so vor mich hin, wohlwissend, dass ich das spätestens morgen wieder vergessen hatte. Dann sah ich mich noch ein wenig mehr auf der Insel um, ein weiterer Blick auf die Karte verriet mir, dass die alte Fiona ihre Insel schlicht und einfach „Marmoria“ getauft hatte. Und da ich weiterhin nichts Besseres zu tun hatte, beschloss ich, für die alte Fiona das Spiel ein wenig weiterzuspielen, die Story fortzusetzen und die Insel Stück für Stück zu verschönern. Dass ich dabei Zeitreisen würde, musste sie ja nicht wissen.   Wie viel Zeit dabei verging, darauf achtete ich ehrlich gesagt nicht. Es kam mir jedoch wie eine Ewigkeit vor, die ich damit verbrachte, Werkzeuge zu bauen und Tiere für das kommende Museum zu sammeln. Es erinnerte mich daran, wie ich die Gegend rund um mein Haus mit Fischen und Insekten zugestellt hatte, die ich dann alle ins Museum bringen wollte. Es war mehr als chaotisch und hatte mich auch ein wenig genervt. Doch dieses Mal verteilte ich alles auf der Insel, damit es ein wenig wie eine große Ausstellung aussah. Gerade, als ich einen Barsch neben meinem Haus ausstellte, konnte ich die Stimme meiner Mutter hören, die mich wohl aus dem Erdgeschoss zu sich rief. „Fiona, hast du gerade Zeit? Kannst du bitte zu uns herunterkommen?“, fragte sie mich und ich bekam das Gefühl, dass es nicht das erste Mal war, dass sie nach mir verlangte. Vermutlich hatte ich es nicht gehört, so vertieft, wie ich in Animal Crossing war, hätte es mich nicht gewundert, wenn ich sie beim ersten Mal nicht gehört hätte. Sicher konnte ich es jedoch nicht sagen. „Klar, kann ich machen“, sagte ich und erhob mich aus dem gemütlichen Sessel heraus. Kaum hatte ich den Pro-Controller auf dem Schreibtisch abgelegt, verließ ich mein Zimmer und ging vorsichtig, aber mit schnellen Schritten die Treppe hinunter. Von dort aus ging ich ins Wohnzimmer, wo ich meine Mutter sehen konnte. Diese lächelte mich fröhlich an. „Dass du so früh wieder zurück bist, damit hatte ich nicht gerechnet. Aber ich habe gesehen, dass du den Turnbeutel wieder an die Garderobe gehängt hast. Dabei habe ich gedacht, du würdest erst heute Abend wieder nach Hause kommen“, sagte sie und ich schüttelte mit dem Kopf. „Ich war vorhin im Museum, aber da war nicht so viel los. Da bin ich dann wieder nach Hause gegangen und hab mich ein bisschen mit meiner Insel amüsiert. Also, mit meiner Animal Crossing Insel“, fügte ich hinzu, nachdem mich meine Mutter ein wenig ratlos ansah. „Hast du dich gut amüsiert?“, wollte sie wissen und ich nickte. „Ja, das war ziemlich angenehm, ich habe auch ziemlich viel geschafft, um die Insel zu einem Paradies aufzubauen. Ich habe auch zwei nette Bewohner, glaub, einen davon werde ich behalten“, antwortete ich aufrichtig. Meine Mutter lächelte mich immer noch an und ich wurde das Gefühl nicht los, dass da noch mehr war. Ob sie sich so sehr freute, dass ich bald meine Reise antrat? Oder zuerst gegen den Arenaleiter kämpfen musste? Auch, wenn ich noch kein Pokémon hatte? Steckte da noch mehr dahinter? Fragend sah ich meine Mutter an, doch diese blickte mittlerweile an mir vorbei und schien jemanden herbeizuwinken. Verwirrt drehte ich mich um und sah einem fremden Mann ins Gesicht. Auch dieser lächelte mich freundlich an. Zumindest hatte ich das Gefühl, dass das Lächeln mir galt. Ich versuchte seinem Blick zu folgen und er sah mehr in meine Richtung als in die meiner Mutter. „Da ist ja meine große Tochter!  Na, bist du schon aufgeregt, freust du dich schon auf deine Pokémon-Reise?“, fragte er und grinste mich mit einem Lächeln an, das vermutlich ein Vaterlächeln sein sollte. Zumindest vermutete ich es, mangels Erfahrung. Dabei sah ich ihn näher an, meine Augenfarbe hatte ich definitiv von ihm und da er schlanker als meine Mutter aussah, vermutete ich, dass ich meine Figur seinen Genen zu verdanken hatte. „Ja, ich bin schon ziemlich aufgeregt, das wird immerhin meine eigene Reise sein und ich bin sehr neugierig darauf, was ich sehen werde“, sagte ich und klang nicht so begeistert, wie ich mich in meinem Innern fühlte. Ich fühlte mich einfach durch die Anwesenheit von zwei Menschen, die ich eigentlich überhaupt nicht kannte, unruhig und nervös. Doch das versuchte ich mir nicht anmerken zu lassen. Sollten sie doch glauben, dass es nur wegen meiner kommenden Reise wäre. Dass ich mich darauf freute, war jedoch die volle Wahrheit. Mein Vater grinste noch mehr und ich fragte mich langsam, ob er und meine Mutter irgendwas ausgeheckt hatten. „Das freut mich zu hören. Du bist auch mittlerweile alt genug und kannst auch schon für dich selbst sorgen. Dennoch, bevor du die Stadt verlassen kannst, musst du erst einmal einen Orden gewinnen, das haben dein Vater und ich so besprochen“, sagte meine Mutter und gesellte sich zu ihrem Ehemann. Erst jetzt fiel mir auf, dass er einen seiner Arme hinter seinem Rücken versteckt hielt. „Gut, dann möchte ich jetzt, dass du deine Augen zumachst, meine Kleine“, sagte mein Vater ruhig und da ich keine Ahnung hatte, zu was es führen würde, schloss ich sie. „Jetzt strecke deine Hände aus, kannst du damit eine kleine Schale formen?“, wollte er von mir wissen und ich ging seiner Anweisung nach. Obwohl ich wegen meinen geschlossenen Augen nichts sehen konnte, fiel mir die Übung leicht. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich spürte, dass mein Vater mir etwas in die Hand legte. Es fühlte sich hart, rund und leicht kühl an. Sofort musste ich an die ständigen Ratespielchen denken, die meine echte Mutter mit mir gespielt hatte, wenn sie mir etwas gekauft hatte. Ich musste dann auch immer mit geschlossenen Augen das Geschenk entgegennehmen und erraten, was es war. Die Erfolgsquote lag dabei zwischen 50 und 60 Prozent, aber gefreut hatte ich mich jedes Mal aufs Neue. Eines der weiteren Dinge, die nun für immer vorbei waren. „Es fühlt sich rund an, wie ein Ball oder eine Kugel“, sagte ich und hatte schon einen Verdacht. Erst wollte ich ihn gar nicht aussprechen, aber da ich nicht wie ein kompletter Idiot rüberkommen wollte, sprach ich ihn doch aus. „Oder wie ein Pokéball.“ „Dann mach deine Augen auf und sieh es dir an“, konnte ich die Stimme meines Vaters hören. Als ich meine Augen öffnete, brauchten sie ein paar Sekunden, um sich wieder an das Licht zu gewöhnen. Anschließend warf ich einen Blick auf den runden Gegenstand in meiner Hand, es war tatsächlich ein Pokéball. „Ist der für mich? Vielen Dank, Papa, das wird mir auf meiner Reise wirklich helfen“, sagte ich und lächelte. Gleichzeitig überlegte ich mir, welches Pokémon ich mir damit wohl fangen wollen würde. Doch mein Vater lächelte noch intensiver, dabei legte er eine Hand auf meine Schulter. „Das ist nicht nur irgendein Pokéball, meine Kleine.“ „Nicht? Was ist denn damit?“, wollte ich von ihm wissen, da ich keine Ahnung hatte, was er damit meinte. Für mich sah es wie ein normaler Pokéball aus. „Nun, das liegt daran“, fing er zu erklären an, „dass du diesen Ball nicht mehr benutzen musst. Du hast sicherlich vermutet, dass du damit ein Pokémon fangen musst, aber da bin ich dir einen Schritt voraus. In diesem Ball befindet sich bereits ein Pokémon und es gehört nun ganz allein dir.“ Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an, was ihn ein wenig zum Lachen brachte. Ich fühlte, wie meine Augen feucht wurden und am liebsten hätte ich angefangen zu weinen. Doch noch brachte ich es nicht über mich. Noch konnte ich es nicht zulassen. „Warum lässt du es nicht einfach heraus und begrüßt es ein wenig?“, sagte er und ich blickte wieder auf den Ball. Dann nickte ich entschlossen und drehte die Öffnung des Balls von mir weg. „Also gut, komm heraus, mein kleines Pokémon“, sagte ich und fragte mich, welche Art von Pokémon mein Vater mir mitgebracht hatte. Der Pokéball öffnete sich, das übliche rote Licht erschien und manifestierte sich auf unserem Wohnzimmerboden. Zuerst war es ein unförmiges Nichts, dann doch nahm es Gestalt an und ich konnte genau erkennen, welches Pokémon dort auf dem Boden saß. Ich hatte mit allem gerechnet, einem Starterpokémon oder einem kleinen wie Raupy oder Taubsi, doch mit dem Pokémon, das vor mir saß, hätte ich niemals gerechnet. Ein niedliches, schwarzes Augenpaar schaute mich an, neugierig, aber offenbar auch erfreut, mich zu sehen. Überhaupt machte das Pokémon einen vergnügten Eindruck auf mich. Die Feuchtigkeit in meinen Augen stieg, sachte ging ich in die Hocke, um dem Pokémon näher zu sein. Als hätte ich Angst, dass es weglaufen oder mich nicht mögen würde. „Hallo, Dratini“, sagte ich und streckte meine Hand aus, in die Richtung seiner Schnauze. So, wie ich es immer bei fremden Katzen tat, damit sie mich erstmal ausgiebig beschnuppern konnten. Doch das Dratini war keine Katze und wohl auch nicht so scheu wie ich. Stattdessen schloss es die kleine Distanz zwischen uns und schmiegte sich mit seinem kleinen Köpfchen an meine Schulter. „Du bist so niedlich!“, sagte ich und begann das Dratini zu streicheln. Gleichzeitig blinzelte ich wie verrückt die Feuchtigkeit in meinen Augen weg, jetzt zu weinen war das letzte, was ich tun wollte. Kaum hatte ich das einigermaßen geschafft, nahm ich Dratini in meine Arme, stand auf und drehte mich zu meinem Vater um. „Ich weiß … ich weiß gar nicht, was ich sagen soll … vielen Dank, Papa. Um das Dratini werde ich mich gut kümmern, verspochen!“, sagte ich und stellte schon erste Überlegungen an, was ich und Dratini alles erleben konnten. Zwar war es kein Haustier, aber dennoch war ein Pokémon wie ich ein Lebewesen, um das man sich kümmern musste. Daran lag in meinen Augen kein Zweifel. Etwas mutiger durch die ersten Körperkontakte, begann ich Dratini am Kopf zu streicheln. Dafür bekam ich zum Dank ein erfreutes „Dra-Dratini!“ zu hören. Ein Blick in das Gesicht meiner Eltern zeigte mir, dass sie lächelten. Vermutlich aus Stolz, zumindest ist es ein Lächeln, wie ich es oft in Serien gesehen hatte. Und auch bei meiner eigenen Mutter. „Das freut mich zu hören und ich bin überzeugt davon, dass du dich gut um das Dratini kümmern wirst“, sagte mein Vater und wuschelte mir kurz mit seiner Hand durch die Haare. Es fühlte sich gut an, also lächelte ich ein wenig. „Hast du schon einen Namen für es?“, wollte meine Mutter von mir wissen und ich schüttelte überrascht mit dem Kopf. Normal war ich recht schnell, was das Vergeben von Spitznamen anging, zumindest in den Pokémonspielen. Aber jetzt, jetzt fiel mir die Namensfindung doch ein wenig schwer. „Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht … ich weiß auch noch gar nicht, ob es ein Männchen oder ein Weibchen ist?“, sagte ich und hob das Dratini ein wenig vor mir hin, fast so, als würde ich irgendwas erkennen können. Gleichzeitig bemerkte ich, dass Dratini mir langsam ein wenig schwer wurde. Vorsichtig setzte ich es ab, setzte mich daneben auf den Boden und streichelte es nun ein wenig am Kinn. Mein Vater begann dabei ein wenig zu lachen. „Ich kenne mich da ehrlich gesagt auch nicht aus, aber eins kann ich dir sagen: Es ist ein Weibchen.“ „Ein Weibchen also…“, sagte ich, doch so recht wollte mir dann doch kein Name einfallen. Wo mein Vater das Dratini überhaupt herhat? Hat er es gefangen? Der Pokéball ist ja ein ganz normaler gewesen, also kann es schon mal nicht in der Safarizone gewesen sein. Oder hat er es von jemanden abgekauft? „Gut zu wissen“, sagte ich nach ein paar langen Sekunden des Schweigens. „Noch habe ich keinen Namen, aber ich bin mir sicher, dass mir der perfekte Spitznamen für meinen süßen, kleinen Minidrachen noch einfallen wird“, sagte ich überzeugt. Kurz musste ich an die Yakuza-Reihe denken, doch das erschien mir nicht passend. Zumal Kiryū dort ein männlicher Charakter war. Es muss einfach ein Name sein, der ihr als Dragoran, sollte sie jemals eins werden, auch noch stehen sollte. Als ich wieder zu meinem Vater sah, hatte er die Arme verschränkt. „Du musst auch nicht sofort einen Spitznamen finden, verbring doch erst einmal ein wenig Zeit mit deinem Pokémon, dann wird er dir schon von ganz allein einfallen“, meinte er und ich gab ihm recht. Zuerst war es wichtig, dass Dratini und ich uns näher kennenlernten, im Grunde waren wir noch Fremde zueinander. Dabei fiel mir etwas ein. „Dratini, dann zeige ich dir als erstes mein Zimmer. Ich muss sowieso nach oben, meinen Spielstand speichern und alles ausmachen, dann kann ich dir schon mal ein wenig von mir zeigen“, sagte ich und blickte zu Dratini, bereit, es die Treppen hinaufzutragen. Doch das war nicht nötig, Dratini sah die Stufen und begann, ein wenig in der Luft zu schweben. „Wow, cool, ich dachte, nur Dragonir können das“, sagte ich beeindruckt und sah zu, wie Dratini in den ersten Stock schwebte. Dann folgte ich ihr.   Oben angekommen zeigte ich ihr die Tür zu meinem Zimmer und öffnete diese. Kaum war sie offen, schwebte Dratini hinein, ließ sich sachte auf das Bett fallen und blickte sich immer wieder um. In dem Zimmer befanden nicht sehr viele Möbelstücke und diese sahen auch eher schlicht aus, es war aber genug, um Dratinis Neugierde zu wecken. „Ja, das hier ist mein Zimmer“, sagte ich, obwohl es für mich vor wenigen Stunden auch noch ein sehr fremder Ort war. Dann legte ich Dratinis Pokéball auf dem Tisch ab, nahm den Pro-Controller und sah auf den Fernseher. „Dratini?“, konnte ich mein neues Pokémon fragen hören, ich drehte mich zu ihr um und beschloss, ihr kurz zu erklären, was ich da machte. „Keine Angst, ich bin gleich wieder für dich da. Ich habe nur bis vorhin ein Spiel gespielt und habe einen ziemlich guten Fortschritt gemacht. Den muss ich jetzt nur noch schnell speichern, damit ich das alles nicht nochmal machen muss“, sagte ich, obwohl ich nicht wusste, ob ich jemals dazu kommen werde. Während ich vor dem Fernseher stand und die Konversation mit dem Bewohner, bei dem ich zuvor unterbrochen worden war, nun schnell fortsetzte, sah ich, wie Dratini neben mir schwebte. Ihre schwarzen Augen fixierten den Fernseher. Ich wusste nicht, wie viel sie davon verstand, was dort passierte, aber das Spiel hatte trotzdem ihre Neugierde geweckt. „Komm mal mit“, sagte ich, nahm mir noch die Fernbedienung und setzte mich aufs Bett. Dratini folgte mir und lies sich ebenfalls auf dem Bett nieder. „Weißt du, in diesem Spiel landet man auf einer Insel freundlicher Tiere und kann dort ein ganz neues Leben beginnen. Alles ist friedlich und es ist sehr entspannend. Man kann auch die Insel ein wenig umbauen und sie so dekorieren, wie man möchte …“, versuchte ich Dratini das Spiel ein wenig zu erklären. Nach wie vor war ich mir nicht sicher, ob und welche Art von Tieren in der Welt der Pokémon existierten, aber zur Not hätte ich auch einfach sagen können: Es sind simple Fabelwesen, die sich jemand mal ausgedacht hat, basierend auf Pokémon. Doch Dratini blickte nicht verwundert, sondern nur neugierig auf den Fernseher, weshalb ich die Erklärung runterschluckte. „Ich hatte mir gedacht, dass ich hier eine kleine Plattform mache, damit ich am Ende rechts und links vom Haus eine kleine bergige Landschaft habe. Als würde ich in einer kleinen Schlucht wohnen. Und hier, an den Seiten vom Schluchteneingang kommt dann jeweils ein kleiner Wasserfall hin, aber wie das genau aussehen wird, weiß ich noch nicht. Sag mal, magst du Wasserfälle?“, fragte ich Dratini. „Dratitini“, antwortete es mir und ich vermutete, dass es ja bedeutete. Zwar konnte ich mein Pokémon noch nicht so gut lesen oder verstehen wie Ash sein Pikachu, aber ich war mir sicher, dass das noch kommen würde. „Ok, dann zeige ich dir noch kurz die Bewohner, es sind noch nicht viele, da ich erst noch drei suchen möchte, aber die zwei werden dir bestimmt gefallen …“ So verging ein wenig Zeit, ich zeigte Dratini ausführlich die Insel, die ich hatte und welche Pläne ich für diese oder jede Ecke bereits im Kopf hatte. Auch zeigte ich ihr wie versprochen die Bewohner, noch immer kam keine Reaktion von Dratini. Erst, als ich ihr mein kleines Häuschen mit seiner spärlichen Einrichtung gezeigt hatte, begann ich, das Spiel zu speichern. „Denke, du hast genug gesehen“, sagte ich und streichelte Dratini wieder am Kopf. „Du bist echt niedlich, weißt du das? Und auch so angenehm warm.“ Dratini schmuste sich in meine Hand hinein, die Streicheleinheiten schienen ihr immer besser zu gefallen. Hm, selbst bei Pokémon fällt mir das mit dem Körperkontakt leichter als bei Menschen … Schließlich schaltete ich sowohl die Switch als auch den Fernseher ab, legte den Controller wieder auf den Tisch und wandte mich Dratini zu. Beobachtete es kurz, wie es mich ansah und setzte mich dann wieder zum Bett. „Ich könnte mich ja ein wenig vorstellen, wenn du möchtest. Also, ich bin …“, begann ich und versuchte mich an meinen Namen zu erinnern. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich ihn wieder parat hatte. „Ich bin Fiona und ich bin nun alt genug, um endlich eine Pokémon Trainerin zu werden“, sagte ich voller Stolz. Dass ich aber in Wirklichkeit nicht zehn, sondern 29 Jahre alt war, verschwieg in an der Stelle lieber. Gleichzeitig war ich mit meinem Latein am Ende. Selbstvorstellungen waren mir noch nie leichtgefallen. „Mal sehen… ich mag Pokémon sehr gerne, ich finde sie faszinierend und auch sehr interessant. Es gibt auch so viele niedliche unter ihnen. Keine Angst, du bist auch eines der sehr niedlichen“, fügte ich aufrichtig hinzu. „Außerdem spiele ich gerne Videospiele, lese viele Bücher und schreibe auch hin und wieder eine Fanfiction zu irgendwas … außerdem bin ich neugierig, welche Abenteuer wir erleben werden.“ Kurz musste ich an Ash denken und versuchte, mich in ihn hineinzuversetzen. „Oder welche neuen Freunde wir kennenlernen werden“, sagte ich dann und fragte mich, welche Pokémon sich eines Tages zu mir und Dratini gesellen werden. „Naja, eins nach dem anderen. Erstmal muss ich herausfinden, welche Attacken du so kannst, damit wir gegen den Kampf gegen Rocko bestehen können. Immerhin wollen meine Eltern, dass ich erstmal den Felsorden gewinne, damit ich die Stadt verlassen kann. Vermutlich wollen sie sichergehen, dass mir und meinem Partner nichts passiert. Also dass dir nicht passiert“, sagte ich und lächelte Dratini an. Nachdenklich fasste ich mir ans Kinn. „Auf der anderen Seite ist es vielleicht gar nicht schlecht, sich schon mal Gedanken darüber zu machen, wohin die Reise dann gehen soll. Entweder zum Mondberg und dann nach Azuria City oder durch den Vertania Wald nach Vertania City … hm, gute Frage. Auf den Vertania Wald hätte ich schon Lust… egal. Eins nach dem anderen.“ Um zu zeigen, dass ich mit meinen Überlegungen erstmal fertig war, nahm ich meine Hand wieder runter und sah Dratini an. „Außerdem will ich noch einen hübschen Spitznamen für dich finden. Gar nicht so einfach, es soll ja immerhin der perfekte Name werden. Bestimmt fällt mir beim Abendessen was ein, oder wenn ich nicht mehr darüber nachdenke. Das ist oft so, musst du wissen.“ Dratini lachte mich an, vermutlich hatte sie es wie auch nicht so eilig, dass sie einen Spitznamen bekam. Dann kuschelte sie sich wieder an mich und ich ließ mich aufs Bett fallen. Was Dratini nur dazu brachte, sich noch mehr mit ihrem kleinen Drachenkörper an mich zu schmiegen. Ich legte meinen Arm um sie. „Ja, lass uns ein wenig ausruhen, das ist eine gute Idee.“ Für einen Moment wünschte ich mir, es würde ein wenig Musik laufen oder irgendein Podcast, damit wir noch besser entspannen konnten; doch dafür hätte ich aufstehen und zum PC gehen müssen. Nachsehen, ob es irgendeine Musik auf dem PC gab oder sowas wie Spotify. Doch um das Bett verlassen zu können, hätte ich zuerst Dratini von mir schieben müssen. Diese lag nun leicht atmend leben mir, ihr kleiner Schweif hatte sich sachte um mein Bein gewickelt. Offenbar war Dratini sofort neben mir eingeschlafen. Ich lächelte es ein wenig an. Ja, das ist wirklich keine schlechte Idee“, sagte ich mir in Gedanken und versuchte, eine noch bessere Schlafposition zu finden, ohne mich dafür groß bewegen zu müssen. Dann schloss ich meine Augen und ehe ich mich versah, war ich ebenfalls eingeschlafen.   Das bemerkte ich allerdings erst, als ich von meiner Mutter geweckt wurde. Verschlafen rieb ich mir die Augen und sah, wie zufrieden Mutters Blick aussah. „Wie ich sehe, habt ihr beiden euch schon so gut miteinander angefreundet, dass ihr sogar ein gemeinsames Nickerchen gehalten habt“, sagte sie, während sie neben meinem Bett stand. Vorsichtig richtete ich mich auf, und sah aus einem der Fenster hinaus. Die dortigen Lichtverhältnisse verrieten mir, dass es bereits Abend war. Doch wie lange wir genau geschlafen haben, konnte ich dagegen immer noch nicht sagen. „Dratini?“, konnte ich mein verschlafenes Pokémon hören, sie gähnte ein wenig und streckte sich dann, um wach zu werden. Was bei einem Drachenpokémon ohne Arme und Beine sehr niedlich aussah.  „Ich habe für heute Abend ein leckeres Gulasch mit Salzkartoffeln gekocht und Vater hat bereits den Tisch gedeckt“, sagte meine Mutter freundlich. Da sich bereits mein leerer und hungriger Magen meldete, musste sie mir das nicht zweimal sagen. „Komm mit, Dratini‘“, es gibt Abendessen sagte ich und wir beiden folgten, kaum dass wir das Bett verlassen hatten, meiner Mutter die Treppe hinunter in die Küche. Erst jetzt nahm ich den Esstisch wahr, der sich dort befand. Und Mutter hatte sich nicht geirrt, Vater hatte tatsächlich den Tisch gedeckt. Neben unserem Tisch befand sich eine kleine Schüssel, sie war himmelblau und hatte ein aufgemaltes Dratini. „Für unseren Neuzuwachs gibt es natürlich sehr leckeres Pokémonfutter“, meinte meine Mutter mit einem großen Sack in der Hand, aus welchem sie ein wenig in den Napf hineintat. Es sah aus wie übliches Pokémonfutter, wie ich es bereits aus dem Anime kannte und fragte mich, wonach es wohl schmecken würde. Dratini schien es wohl zu mögen, erst probierte es scheu ein Stück, bevor es sich erfreut auf den kompletten Napf stürzte. „Ganz ruhig, es ist alles für dich und es ist auch mehr als genug für dich da“, meinte mein Vater amüsiert, bevor er sich zu mir drehte. „Setz dich doch schon mal hin, wir servieren gleich“, sagte er und ich ging der Aufforderung nach. Recht schnell hatten die beiden die Teller mit den Portionen aufgetischt, es roch sehr lecker, soweit ich es mit meiner schwachen Nase beurteilen konnte. Anschließend brachte mein Vater die Getränke, Wasser sowohl mit als auch ohne Kohlensäure, bevor sich die beiden zu mir an den Tisch setzten. Wow, es ist echt lange her, dass ich mit meiner Familie so an einem Tisch saß und mit ihr was gegessen habe. „Das Gulasch sieht wirklich sehr lecker aus, Mama“, meinte ich und probierte ein Stück. Es schmeckte anders als das, was mein Freund immer kochte, aber war trotzdem lecker. Dass es mal Kartoffeln und nicht so wie immer Nudeln dazu gab, war auch ein wenig ungewohnt. „Und es schmeckt auch gut“, sagte ich, während ich begeistert weiter aß. Auch meine Eltern hatten bereits mit dem Essen begonnen und es schien ihnen ebenfalls wohl zu bekommen, zumindest deutete ich ihre Gesichtsausdrücke auf diese Art. Vielleicht sollte ich Vater fragen, ob er auch weiß, welche Attacken Dratini kann. Und vielleicht sollte ich Mutter fragen, ob sie mir hilft, einen schönen Spitznamen zu finden … naja, erstmal essen, sonst wird es noch kalt, dachte ich mir und steckte den nächsten Bissen in den Mund. Kapitel 2: Aller Anfang ist schwer ---------------------------------- Den Rest des Abendessens hatte ich die meiste Zeit über mit Schweigen verbracht und meinen Eltern bei ihrem eher belanglosen Gespräch belauscht. Leider hatten sie nicht viel neues oder Interessantes zu erzählen. Mein Vater berichtete von Dingen, die er auf seiner Arbeit erlebt oder gesehen hatte, doch da ich selbst auch schon in mehreren Büros gearbeitet hatte, war es nicht sonderlich spannend für mich. Und meine Mutter erzählte viel von ihrem Alltag, doch auch das war nicht sehr aufregend. Dennoch, es war einfacher für mich, dazusitzen und hin und wieder nach meinem Dratini zu sehen, als mich aktiv ins Gespräch einzumischen. Vermutlich erwarteten sie es auch nicht und ich fragte mich erneut, welchen Charakter die echte Fiona hatte. Doch da meine Eltern agierten, als wäre alles normal, schätzte ich, dass wir beide uns da wohl recht ähnlich waren. Und so gut konnte niemand eine normale Realität vorspielen, zumindest redete ich es mir ein. Auch war ich dankbar, dass sie nicht erwarteten, dass ich etwas zu ihren Erwachsenenthemen beisteuerte. Und als mein Blick zum wiederholten Male hinunter zu Dratini fiel, bemerkte ich, dass es ihren Napf geleerte hatte. Auch der Wassernapf, welchen mein Vater ihr zur Verfügung gestellt hatte, war so gut wie leer. Neugierig erwiderte sie meinen Blick und begann, auf meine Augenhöhe zu schweben. Wie als müsste ich mich dafür entschuldigen, langsamer als mein Pokémon beim Essen zu sein, blickte ich auf meinen Teller zurück. Noch immer wollte mir kein Name einfallen und ich kam mir langsam blöd vor. Normalerweise benannte ich meine Starterpokémon, bis auf Pikachu, immer nach meinem Freund. Damit hatte ich recht bald zu Beginn unserer Beziehung angefangen und es dann beigehalten. Doch Dratini war ein Weibchen, also passte der Name nicht. Und sehr ich überlegte, es wollte mir nichts einfallen. Tonlos seufzte ich ein wenig, bevor ich mir wieder eine Gabel mit Essen in den Mund schob. Es half alles nichts. Vielleicht würde mir ja vor dem Schlafengehen ein schöner Name einfallen? Oder spätestens morgen? Möglicherweise konnte ich auch meine Mutter um ihre Meinung bitten, falls mir bis morgen wirklich nichts eingefallen sein sollte. Kaum hatte ich meinen Teller geleert, wischte ich meinen Mund mit der Serviette ab. Noch etwas, was ich schon lange nicht mehr aus unserem Haushalt kannte. Servietten waren etwas, was wir nur sonntags benutzt hatten. Jedes Mal hatte ich die Ehre, sie auszuwählen und zusammenzufalten. Dass ich nur eine Figur kannte, störte dabei niemanden. Doch wie alles andere im Leben hatte auch das irgendwann ein Ende. Mit einer raschen Bewegung leerte ich noch mein Wasserglas und setzte ein Lächeln auf. „Vielen Dank für das leckere Abendessen, es hat echt gut geschmeckt“, sagte ich ehrlich und blickte abwechselnd meine Eltern an. Meine Mutter schien das ganz besonders zu freuen. „Schön, dass es dir geschmeckt hat“, sagte sie und lächelte mich sanft an. Ich bemühte mich, das Lächeln so gut es ging zu erwidern, was mir eher semi gelang. Mir war es noch nie gut gelungen, auf Kommando zu lächeln, besonders für Fotos nicht. Es fühlte sich immer als… zu wenig an. Als müsste ich noch mehr lächeln, noch breiter, aber dann taten mir stets die Mundwinkel weh. Daher musste wie immer das kleine, kurze Lächeln herhalten, von dem ich nie wusste, ob es sichtbar war für andere oder nicht. Meiner Mutter schien es aber genug zu sein. „Möchtest du noch ein wenig Zeit mit Dratini verbringen, bevor ihr euch schlafen legt? Ich kann mir vorstellen, dass es für euch beide ein besonders aufregender Tag war. Mach dir keine Gedanken wegen des Geschirrs, dein Vater wird mir beim Tischabräumen helfen“, sagte sie mit sanfter Stimme und ich wusste nicht so recht, was ich antworten sollte. Doch da ich im Moment auch lieber mehr Lust darauf hätte, Dratini noch ein wenig zu streicheln und mein Unterbewusstsein im Hintergrund arbeiten zu lassen, gefiel es mir, von den Pflichten im Haushalt für den Moment entbunden zu sein. „Ja, das möchte ich, danke Mama! Dann können Dratini und ich uns noch ein bisschen besser kennenlernen“, sagte ich und mein Blick fiel dabei auf die Uhr, die im Wohnzimmer hing. Es war erst kurz nach 21 Uhr, stellte ich fest. Dann erhob ich mich vom Essenstisch, gab meinen Eltern noch ein kurzes Lächeln, bevor ich mich zusammen mit Dratini auf den Weg in mein Zimmer machte.   Dort angekommen, schloss ich die Tür zu, kaum dass Dratini in mein Zimmer hineingeflogen war. Dann drehte ich mich zu meinem Pokémon um. „Du bist wirklich niedlich, weißt du das?“, sagte ich, als ich begann sie am Kopf zu streicheln. Dann ging ich von der Tür weg und Dratini folgte mir zu meinem Bett, auf welches ich mich setzte. Dort streichelte ich sie wieder und diese schien das Ganze zu genießen. Zumindest zog sie ihren Kopf nicht weg. Ihr Körper war so warm und sanft, zwar hätte ich es erwarten müssen, da Pokémon natürlich auch lebendige Wesen in dieser Welt waren, und doch hatte es mich überrascht. Bisher hatte ich Dratini nur als Plüschtier in der Hand, ein Geschenk von meinem Freund vor vielen Jahren. Doch ein Plüschtier ist kalt, leblos und nicht lebendig. Das Dratini neben mir dagegen war ein Wesen mit Gefühlen, Gedanken, einem organischen Körper und einer Seele. Doch was war ich? Wer war ich? Ich kannte den Körper nicht, in dem ich steckte, doch ich konnte nur versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Und das war es, nicht mehr über derartige Dinge nachzudenken. Zumal ich auch nicht wusste, ob es permanent oder temporär war. Und ich konnte auch aktuell nichts daran ändern. Möglicherweise ist das jetzt hier mein neues Leben und ich fragte mich für ein paar Sekunden, was in meinem alten Leben passiert war. Doch dann schüttelte ich kurz meinen Kopf, um solche Dinge wollte ich mir ebenfalls keine Gedanken mehr machen. Dratini dagegen schien keinerlei düstere Gedanken oder Existenzprobleme zu haben, für sie gab es nur meine Streicheleinheiten. Hin und wieder bewegte sie ihren Kopf, damit ich eine andere Ecke ihres Kopfes mit meiner Hand berührte, was aber auch schon alles an Bewegungen war, die sie machte. Da mir die Hand wie gewohnt taub wurde, nahm ich den Arm wieder runter. „Sorry, ich kann das leider nicht so lange machen… meine Hand fühlt sich dann immer komisch an. Ist nicht persönlich gemeint“, sagte ich und fragte mich erneut, wie viel Dratini von dem verstand, was ich sagte. Ich wusste, dass Pokémon einen schon mal viel besser verstanden, als es bei Hunden oder Katzen der Fall war. Aber sonst? „Keine Angst, ich werde mir noch einen schönen, tollen Namen für dich einfallen lassen“, sagte ich, um das Thema zu wechseln und mich auf andere Gedanken zu bringen. Dann schwieg ich, da ich nicht so recht wusste, was ich mit Dratini noch alles machen könnte. Viele Möglichkeiten gab es nicht, zumal es schon Abend war. Wann wohl meine Bettgehzeit war? Vermutlich deutlich früher, als es bei mir üblicherweise der Fall war. Naja, solange ich meine Einschlafhilfe hatte… Ich stutzte. Und dann fiel mir ein, dass ich genau diese eben nicht bei mir hatte. Ich hatte weder mein Handy bei mir noch meine kleinen Kopfhörer. ASMR fiel also flach und den PC wollte ich nicht benutzen. Zumal ASMR ohne Kopfhörer nicht das Gleiche war. Und ich konnte auch nicht sagen, ob es in dieser Welt überhaupt YouTube gab. Mein Blick durchsuchte den Raum und fiel auf das kleine Nachtkästchen neben meinem Bett, dem ich bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Darauf befand sich ein kleiner, runder Pokéball mit einer kleinen Anzeige. Ich erkannte sofort, dass es ein Wecker sein sollte. Auch wenn ich ihn persönlich nicht mit Uhrzeigern, sondern mit einer digitalen Anzeige bevorzugt hätte, da man diese auch im Dunkeln sehen konnte. Zwar nicht immer, aber meistens. Und ich konnte die Uhrzeit auch schneller ablesen, wenn sich 90% meines Hirns noch im Tiefschlaf befand. Doch da ich hier nur einen Wecker mit analoger Anzeige hatte, musste ich mit dem arbeiten, was ich hatte. Da das Nachtkästchen von meinem aktuellen Sitzplatz zu weit weg war, stand ich auf, ging um das Bett herum und nahm den Wecker in die Hand. 21:30 zeigten mir die Zeiger an, die Zeit war doch schneller vergangen, als ich bis eben angenommen hatte. Was jedoch nichts daran änderte, dass ich noch nicht müde war. Auch, dank meines Nickerchens vorhin. Und der Tatsache, dass ich eine Vollbluteule war.   Ich stellte den Wecker wieder zurück aufs Nachtkästchen und schaute zu Dratini hinüber. Dieses hatte sich wohl mein Zimmer, Möbelstück für Möbelstück, näher angesehen. Was ich verstehen konnte, da auch für mich das Zimmer noch total fremd war. Doch das wollte ich mir nicht anmerken lassen, wie seltsam wäre es denn, wenn ich mich in meinem eigenen Zimmer nicht auskennen würde? Zumindest so seltsam, dass ich schon eine gute Erklärung dafür bräuchte. Und die übliche Amnesie-Karte wollte ich nicht ausspielen. Dratini schien nicht zu bemerken, dass ich sie beobachtete und so nahm ich meinen Blick wieder von ihr. Stattdessen setzte ich mich wieder auf den gleichen Fleck zurück, an welchem ich bis vor wenigen Minuten noch gesessen war und sah auf meine gefalteten Finger hinab. Fragte mich, wie ich die Zeit bis zum Bettgehen überbrücken konnte. Und wie ich nachher einschlafen sollte. Kurz überlegte ich, ob ich Dratini etwas von mir und meinem Leben erzählen sollte, damit Dratini mich ein bisschen besser kennenlernen konnte. Doch was sollte ich ihr erzählen? Die meisten Dinge aus meiner Vergangenheit fielen schon mal flach. Dratini konnte mir zwar nicht antworten, aber sie war auch nicht dumm. So wäre es beispielsweise nicht so schlau, ihr zu erzählen, ich wäre ohne Vater aufgewachsen, wenn ganz klar im Erdgeschoss ein Mann herumlief, den ich bereits mehrfach als meinen Vater angesprochen hatte. Und die Ähnlichkeit zwischen uns beiden war nicht von der Hand zu weisen. Das würde selbst Dratini seltsam vorkommen. Außerdem würde es mich auch in Erklärungsnot bringen, sollte einer oder beide von meinen „Elternteilen“ sich spontan dazu entscheiden, zu mir ins Zimmer zu kommen und zu hören, wie ich über Dinge redete, die nicht sein konnten. Mir fiel es schon immer schwer, über mich zu reden und anderen von mir zu erzählen, aber jetzt war es noch schwerer, noch limitierter. So ließ ich mich rückwärts aufs Bett fallen und starrte an die Decke. Mir fehlte die Mondlampe, die sich in meinem Schlafzimmer befand. In meinem echten Schlafzimmer. Meine Gedanken wanderten und wanderten, doch mir wollte nichts einfallen, was interessant, aber nicht zu riskant zum Erzählen gewesen wäre. Und dann, als hätte was in meinem Hirn einen Schalter umgelegt, hatte ich doch noch eine Idee. Wenn ich schon nichts aus meinem Leben erzählen konnte, so würde ich vom Leben anderer Leute etwas erzählen können, nicht wahr? Immerhin steckt ja trotzdem irgendwo ein Teil von mir und meine Gedankenwelt darin, also wäre es auch eine Möglichkeit. Schnell richtete ich mich wieder auf und richtete mein Wort an Dratini. „Hey, Dratini, Süße, kannst du bitte zu mir kommen?“, sagte ich und klopfte mit der linken Hand auf das Bett. Dratini, die die ganze Zeit meinen Computerbildschirm beschnuppert hatte, drehte sich um, schwebte zu mir und ließ sich neben mir aufs Bett fallen. Den Kopf bettete sie auf meinem Oberschenkel, was sie nochmal niedlicher aussehen ließ als es sowieso schon der Fall war. „Weißt du, ich erzähle dir eine Geschichte. Diese Geschichte habe bisher nur meiner besten Freundin erzählt, daher kennt sie auch so gut wie keiner. Ich … schreibe hin und wieder Geschichten, musst du wissen“, sagte ich und kratzte mir verlegen am Hinterkopf. Doch das schien Dratini nicht sonderlich zu beeindrucken oder zu stören. Sie kuschelte sich nur näher an mich heran und offenbar war es nicht wirklich wichtig, was ich sagte, sondern dass ich was zu ihr sagte. Ich räusperte mich ein wenig. „Ok, gut, dann erzähle ich dir mal die Geschichte von einer Gruppe von Freunden, die eine Menge an Abenteuern erleben. Aber ganz langsam, alles fing damit an, dass…“   „… wie genau das Ganze ausgehen wird, darüber bin ich mir ehrlich gesagt noch nicht so ganz sicher, aber ich glaube, da wird mir schon noch was einfallen. Auch bin ich mir nicht sicher, so ein richtiges Happy End wird es nicht werden, aber auch kein Sad End. Und offen wird es vermutlich auch nicht werden… naja, ein neutrales Ende?“ Ich zuckte mit den Schultern, darum sollte sich Zukunftskira Sorgen machen. Wenn ich überhaupt je dazu in die Lage kommen würde. „Egal. Das ist so mal die Geschichte im Groben, wie ich sie geplant habe, ein bisschen komplex, sehr aktionreich und traurig, aber das gehört so. Hat sie dir trotzdem gefallen?“, fragte ich und streichelte ihren Kopf. Wieder tat sie mir leid, dass ich keinen Namen für sie hatte. Doch auch während meiner Erzählungen wollte mir einfach kein Name einfallen. Zumal ich auch mehr damit beschäftigt war, alles aus meiner Erinnerung zusammen zu kratzen, was ich zu der Geschichte dort alles abgelegt hatte. Vorsichtig drehte ich mich um. Der Wecker zeigte, nachdem ich meine Augen ein bisschen zusammenkniff, an, dass es bereits 23:21 war. Also eine gute Uhrzeit, um sich schon mal über das Schlafengehen Gedanken zu machen. Und obwohl ich mich nur ein wenig müde fühlte und wusste, dass das Einschlafen wieder die Hölle sein wird, eine andere Beschäftigung fand ich nicht. Dratini eine weitere Geschichte erzählen wollte ich auch nicht, das wollte ich für einen anderen Zeitpunkt aufheben. „Hm, was dagegen, wenn wir uns bettfertig machen?“, sagte ich und blickte zu Dratini herunter. Diese nahm ihren Kopf hoch und sah mich mit einem warmen Blick an. Dann nickte sie ein wenig, mangels Worten, die ich verstehen konnte. Vorsichtig schob ich sie von mir und ging zu dem Schrank hinüber, öffnete diesen und warf einen Blick hinein. „Ich suche nur schnell was raus, was ich zum Schlafen tragen könnte“, sagte ich und dachte daran, dass ich vorhin in voller Montur in meinem Bett gelegen war. Was wohl die Ursache dafür war? So richtig konnte ich es mir nicht denken. Zu meinem Glück wurde ich recht schnell fündig, in einem Schubfach befanden sich mehrere Schlafhemden, welche, wie ich sie noch aus meiner Kindheit her kannte. Nur, dass diese allesamt pastellfarben waren. Doch das war mir egal, zum Schlafen würde es jede Farbe tun. Zumal außer mir, Dratini und meinen Eltern es niemand sehen würde. Schnell verschloss ich die Schranktür, legte das Nachthemd auf dem Bett und wollte anfangen, mich auszuziehen, als ich kurz innehielt. Ich war nicht alleine im Raum. Und ich hatte gerade vor, mich umzuziehen. Vor dem Blick einer anderen Person, auch wenn Dratini technisch gesehen keine Person war. Kaum wurde ich mir dessen bewusst, fühlte ich mich seltsam. Dann versuchte ich, jeden Gedanken und jede Unsicherheit von mir abzustreifen und begann, mich langsam umzuziehen. Wie bereits ein kleiner Teil von mir es erwartet hatte, hatte Dratini nichts dazu gesagt, keinen Laut getan oder mich irgendwie blöd angesehen. Stattdessen hatte es mich einfach nur neugierig beobachtet. Meine Wangen färbten sich rot und ich schallte mich in Gedanken als einen totalen Idioten. „Schätze mal, ich werde mich noch daran gewöhnen müssen, immerhin werden wir jetzt unseren Alltag zusammen teilen“, sagte ich und schlüpfte unter die Decke. Hob diese hoch, damit Dratini es sich ebenfalls darunter gemütlich machen konnte. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich meinen Eltern keine gute Nacht gewünscht hatte, aber da ich nicht wusste, ob ich nicht bereits über meine Schlafenszeit hinaus war, wollte ich nicht rausgehen und eventuellen Ärger riskieren. Und da sie nicht zu mir ins Zimmer gekommen waren, hatten sie wohl selbst nicht mehr daran gedacht. Schnell blickte ich mich um und sah neben meinem Bett einen Lichtschalter. Wenigstens eine Sache, die ich dieses Zimmer mit meinem echten eigenen Schlafzimmer gemeinsam hatte. Mit einer raschen Bewegung betätigte ich diese und das Zimmer fiel sofort in Dunkelheit. Dratini dagegen schmuste sich noch mehr an mich heran. Sie war so herrlich warm und weich. „Schlaf gut, Dratini“, sagte ich, und hoffte, dass sie schnell einschlafen würde. Ich wusste, ich würde immer mal wieder zum Wecker blicken, auch wenn ich diesen im Dunkeln nicht sehen konnte. Ich wusste, ich würde in diesem Bett liegen, über tausend Dinge nachdenken und darauf warten, dass ich irgendwann in den Schlaf fallen würde. Ich hasste es, wie jede einzelne Nacht zuvor, in der ich mit dem Problem zu kämpfen hatte. Doch ich konnte nichts dagegen tun, nur warten und hoffe. Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, fiel mein Geist in einen tiefen Schlaf und schickte mich, ohne mir einen einzigen Traum zu zeigen, durch die Nacht.   Am nächsten Morgen ging alles ganz schnell und alles ganz einfach. So nahm ich mir auch nicht die Zeit, mich darüber zu wundern, dass Fiona das gleiche Hemd in mehrfacher Ausführung hatte, entweder hatte es die mal in einer Großpackung gegeben oder die alte Fiona mochte diese einfach zu gerne. Schnell hatte ich mein Nachthemd zusammengefaltet und auf das Bett gelegt, wie gewohnt machte ich mir nicht die Mühe, die Bettdecke zurecht zu rücken. Ich hatte noch nie den Sinn darin gesehen und würde jetzt, in einem fremden Körper in einem fremden Leben, nicht damit anfangen. Nachdem ich die Schmutzwäsche in einen der Körbe im Bad verstaut hatte, weckte ich Dratini sanft und trug sie die Treppe herunter. Mein Magen meldete sich mit der üblichen schmerzhaften Leere und ich hoffte, dass es ein leckeres Frühstück geben würde. Doch sollte das nicht der Fall sein, wäre das auch in Ordnung. Wäre nicht das erste und letzte Mal, dass ich mir selbst das Frühstück machen würde. Ob meine Mutter auch Kaffee hatte? Ob sie mir das überhaupt erlauben würde? Wie alt war Fiona eigentlich? All das fragte ich mich, als ich mich zusammen mit Dratini dem Esstisch näherte. Kaum hatte sich mein süßes Pokémon neben ihrem Napf abgesetzt, kam auch schon meine Mutter auf mich zu. „Oh, Fiona, du bist gerade richtig wach geworden“, sagte sie und ich konnte zwei Schalen in ihrer Hand erkennen. Diese stellte sie auf dem Tisch ab und ich konnte sehen, dass beide zur Hälfte mit Müsli gefüllt waren. Müsli mit Apfel- und Schokostücken, soweit ich es erkennen konnte. „Ich wollte gerade hochgehen und dich wecken, aber da warst du wohl schneller als ich“, sagte sie amüsiert, während sie aus ihrer Schürze zwei Löffel herausfischte und diese ebenfalls auf den Tisch legte. „Aber wenn du schon mal hier bist, kannst du in die Küche gehen und dein Pokémon füttern. Denk daran, du musst die Verantwortung dafür tragen!“, sagte sie in einem leicht mahnendem Ton und ich nickte nur. Viel zu gerne hätte ich erwidert, dass ich mir der Verantwortung gegenüber meinem Dratini bewusst war, doch das wären zu viele Worte gewesen. Zwar war ich bereits ziemlich wach, doch gleichzeitig fühlte ich mich zu faul, um zu sprechen. Das müsste warten, bis ich wenigstens den ersten Löffel Frühstück intus hatte. „Ok, werde ich machen, Mama“, sagte ich und begann, in der Küche nach Dratinis Futter zu suchen. Zu meinem Glück wurde ich recht schnell fündig und konnte Dratini ihr Frühstück sofort geben. Während ich ihren Wassernapf ebenfalls füllte, fiel sie bereits über ihr Essen her. Es schien ihr offenbar zu schmecken. Kurz überlegte ich, ob ich es auch mal probieren soll, aber ließ es bleiben. Stattdessen setzte ich mich zu meiner Mutter an den Tisch, die in der Zwischenzeit uns beiden noch einen warmen Kakao auf den Tisch gestellt hatte. „Lass es dir schmecken, mein Spatz“, sagte sie und ich bedankte mich bei ihr. Danach genossen wir unser Frühstück und redeten über ein paar Dinge, jedoch blieb das Gespräch die ganze Zeit über eher oberflächlich. Wieder fragte ich mich, wie alt Fiona war, doch laut aussprechen wollte ich die Frage nicht. Das wäre doch mehr als seltsam gewesen.   Und irgendwann war auch das Frühstück fertig. Kaum hatte ich meiner Mutter beim Abräumen und Bestücken der Spülmaschine geholfen, drehte sie sich zu mir um und lächelte mich an. „Weißt du, ich habe mir Gedanken gemacht“, sagte sie, während sie ihre Hände ein wenig eincremte. Mit was, konnte ich nicht genau erkennen. Vermutlich mit einer ganz normalen Handcreme. „Dein Vater hat mir vor ein paar Tagen schon erzählt, dass er dir ein Pokémon schenken möchte. Immerhin bist du vor kurzem 14 Jahre alt geworden und damit nun alt genug, um auf eine Reise gehen zu können. Aber aller Anfang ist schwer und daher möchte ich dich unterstützen. Leider kenne ich mich nicht sehr gut aus, wenn es darum geht, ein Trainer zu sein, aber ein bisschen habe ich mich doch noch informieren können“, sagte sie und erhob sich aus ihrem Stuhl. Neugierig beobachtete ich sie, wie sie aus dem Esszimmer verschwand und mit dem blauen Turnbeutel in der Hand wieder zurückkam. „Bitte schön, das dürfte dir für den Anfang weiterhelfen“, sagte sie und reichte mir den Beutel. Dieser war deutlich schwerer als ihn das letzte Mal benutzt hatte und als ich ihn öffnete, weiteten sich meine Augen. Sofort fielen mir die Pokébälle auf, ein kurzes Durchzählen verriet mir, dass es genau fünf Stück waren. Außerdem war da noch ein normaler Trank. „Danke, das ist wirklich mehr als hilfreich“ sagte ich, stand auf und umarmte meine Mutter kurz. Als ich mich dann wieder von ihr löste, nahm sie meine Hand und legte etwas hinein. Es war irgendwie rund und fühlte sich seltsam an. Als ich auf meine Hand sah, auf das, was sie mir gegeben hatte, konnte ich es nicht glauben. „Das ist ein PokéNav“, sagte meine Mutter, die im Gegensatz zu mir das Sprechen nicht spontan vergessen hatte. „Damit kannst du uns jederzeit anrufen, falls etwas auf deiner Reise passieren sollte. Außerdem hat das PokéNav eine kleine Karte, damit du dich nicht verlaufen kannst. Dein Vater hat es für dich gekauft, leider konnte er es dir nicht selbst geben, da es in seiner Arbeit irgendeinen Notfall gab“, sagte sie und begrub damit mein Vorhaben, ihn zu Dratini zu befragen. Ob meine Mutter wusste, welche Attacken Dratini bereits beherrschte? Notfalls würde ich ihn nachher anrufen, vielleicht konnte er mir kurz am Telefon eine Antwort darauf geben. Das Vorhaben, meine Mutter nach einem geeigneten Namen zu befragten, hatte ich allerdings wieder begraben. Nein, der Name sollte doch lieber von mir selbst stammen, das würde sich viel besser anfühlen. Sofort verstaute ich den PokéNav in meinem Turnbeutel. So hübsch meine Hose auch war, sie war viel zu kurz, um Hosentaschen zu besitzen, wie ich zu meinem Leidwesen feststellen musste. Aber so waren Frauenhosen nun mal. Hübsch, aber auch irgendwo unbrauchbar, wenn es um Hosentaschen ging. „Achja, ich will dich ja nicht schimpfen, da darfst du mich nicht missverstehen“, fing meine Mutter wieder zu reden an. „Aber ich denke, heute sollten Dratini und du ein bisschen was draußen unternehmen. Es ist zwar schön, dass du deinem Pokémon deinen Fortschritt in deinem Nintendo-Spiel zeigen konntest, aber ich bin mir sicher, dass ihr auch noch viele andere Dinge unternehmen könnt. Vielleicht könnt ihr ja sogar ein wenig trainieren und damit euch noch besser kennenlernen? Denn denk daran, ohne einen Orden lasse ich dich nicht die Stadt verlassen. Zumindest nicht so weit. Du kennst die Grenzen, bis zu denen du laufen darfst“, sagte sie und kniff mir zart in die Wange. In mir dagegen starb für eine kurze Zeit etwas, wie immer, wenn Mütter oder Nicht-Gamer etwas als „Nintendo“ bezeichneten. Außerdem fühlte ich mich ertappt, auch, wenn ich nichts in der Richtung geplant hatte. Überhaupt hatte ich gar nichts geplant, außer, einen Namen für meinen kleinen Drachen zu finden. Drachen… der eine oder andere Gedanke schlich sich in meinen Kopf. Da ich mir keinen Ärger einhandeln wollte, beschloss ich, sämtliche Gedanken für mich zu behalten. „Alles klar, Mama und ja, ich weiß Bescheid. Ich werde nicht allzu weit weg gehen. Und ja, wir werden uns draußen ein wenig umsehen oder so… das werde ich dann sehen.“ Zufrieden wuschelte meine Mutter mir durch die Haare und ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie in mir wohl immer noch ihr kleines Mädchen sah. Einmal eine Mutter, immer eine Mutter. Auch einer der Sprüche, die meine echte Mutter unendlich viele Male von sich gegeben hatte, wenn sie besonders nerviges Elternverhalten erklären wollte. Oder rechtfertigen, so genau konnte ich das nie sagen. „Damit ihr unterwegs nicht noch Hunger und Durst erleiden müsst“, sagte sie und ging dieses Mal in die Küche, aus welcher sie mit zwei Bentoboxen, einer kleinen Schale und einer Thermoskanne zurückkehrte. „Dafür werde ich euch beiden eine kleine Mahlzeit mitgeben. Für dich eine gemischte Box mit vielen, leckeren Sachen darin und für dein Dratini eine kleine Zusammensetzung von verschiedenen Pokéfuttersorten.“ Dies alles verstauten wir in meinem Turnbeutel und ich fragte mich, was meine Mutter mir wohl zum Essen gemacht hatte. Es ist schon lange her, dass Mama mir mal eine solche Box gemacht hat, auch, wenn es eine ganz einfache Box war… das war schön. „Danke, wir werden uns das sicherlich schmecken lassen“, meinte ich und lächelte sie so gut es ging an. Dafür wurde mir wieder der Kopf getätschelt, etwas, was sich nach wie vor sehr gut anfühlte. Dann trat meine Mutter ein paar Schritte zurück. „Ich möchte euch beiden nicht länger aufhalten, immerhin habt ihr jetzt sicherlich eine Menge geplant und wollt euch so gut wie möglich kennenlernen“, sagte meine Mutter und stemmte stolz ihre Hände in die Hüfte. Dem hatte ich nichts mehr hinzuzufügen, also bedankte ich mich erneut bei ihr und nahm ihr den Beutel ab. „Viel Spaß euch beiden!“, sagte sie mehr als fröhlich, als Dratini und ich das Haus verließen und kurz zu ihr zurückblickten. „Und denk daran, dir einen Namen für dein Dratini zu überlegen!“ „Keine Angst, das werde ich machen“, erwiderte ich, bevor wir beide uns umdrehten und vom Haus entfernten. Wenige Sekunden später konnte ich hören, wie die Haustür geschlossen wurde.   Von Dratini begleitet, ging ich durch die Stadt und zeigte ihr ein paar wichtige Ecken und Gebäude, die ich von Marmoria kannte und von denen ich dachte, dass sie für Dratini von Interesse wären. Das Pokémoncenter, der Laden, das Museum und am Ende blieben wir vor der Arena stehen. „Dort müssen wir irgendwann reingehen und den Arenaleiter Rocko besiegen. Von ihm bekommen wir dann unseren ersten Orden und dann wird Mama uns erlauben, die Stadt zu verlassen“, begann ich zu erklären. „Soweit ich weiß, besitzt er nur Gesteinspokémon, da sind wir weder im Vorteil noch im Nachteil, würde ich sagen. Aber vorher sollten wir uns erst einmal mit deinen Attacken beschäftigen und zusammen ein wenig üben. Alles andere würde keinen Sinn machen und ich würde nicht wollen, dass du unnötig verletzt wirst. Nur, weil ich zu wenig Erfahrung als Trainerin habe“, sagte ich und streichelte Dratini am Kopf. Dieses sah mich erst fragend, dann mit einem freundlichen Gesichtsausdruck an. Offenbar war sie der gleichen Meinung. Oder ihr gefielen meine netten Worte. „Gut, dann lass uns wieder gehen. Ich wollte dir nur mal die Arena zeigen, damit du sie schon mal gesehen hast. Aber wir sollten wirklich erst reingehen, wenn wir uns beide total sicher fühlen. Also du und ich. Vorher lieber nicht, sicher ist sicher.“ Dratini nickte, offenbar war sie tatsächlich hier einer Meinung mit mir. Dass wir uns kaum kannten, aber schon einig über das nächste Vorgehen waren, war ein gutes Zeichen in meinen Augen. Wir entfernten uns von der Arena und während ich Dratini erzählte, was ich angeblich alles über Rocko gehört hatte (und eigentlich bereits wusste), fiel mir ein Gedanke ein. Ein Gedanke, der sich vorhin erst kurz in meinen Kopf hineingeschlichen und sich dann auch genauso heimlich wieder davon gemacht hatte. „Oh, da fällt mir ein, ich muss noch meinen Vater anrufen, vielleicht kann er mir sagen, welche Attacken du schon kannst“, sagte ich und nahm meinen Turnbeutel herunter, den ich die ganze Zeit über auf dem Rücken getragen hatte. Der PokéNav war recht schnell gefunden und das Menü darin sah nicht sehr aufwendig aus. Wenige Sekunden später war ich in der Telefonapp des Geräts und konnte die Nummer meines Vaters raussuchen. Was keine Kunst war, immerhin hatte ich in meinen Kontakten nur noch „Mama“, „Zuhause“ und „Notfall“. Mein Vater ließ sein Gerät fünfmal läuten, bevor er abhob. „Hallo, mein Schatz, was kann ich denn für dich tun?“, fragte er mich und klang ein wenig so, als hätte ich ihn mit meinem Anruf überrascht. Noch ein Grund mehr, das Telefonat so kurz wie möglich zu halten. „Hallo Papa!“, begrüßte ich ihn freundlich. „Ich wollte eben ein bisschen mit Dratini trainieren und hatte gehofft, dass du mir vielleicht sagen kannst, welche Attacken Dratini schon beherrscht. Ich meine, ich kann sie ja schlecht fragen. Oder anders gesagt, ich kann sie fragen, aber sie wird mir keine Antwort geben können.“ Mein Vater schien kurz nachzudenken, dann konnte ich das Rascheln von Blättern hören und auch, wie er etwas vor sich in den nicht vorhandenen Bart murmelte. Während er so herumsuchte, betrachtete ich mein Dratini, wie es neben mir herumschwebte. Ich muss mir echt einen Namen einfallen lassen, das kann doch nicht so schwer sein?! Meine Mutter hatte ja auch grad mal eine Minute oder zwei, um spontan einen Mädchennamen für mich zu finden… also gut, welchen coolen Namen, der mit Drachen und Frauen zu tun habe, kenne ich… Doch ich kam nicht weiter zum Überlegen, da sich mein Vater wieder am Telefon zurückmeldete. „Dein Dratini beherrscht bereits die Attacken Wickel und Silberblick. Aber denk daran, das ist nur der Anfang, ein Pokémon kann noch viele andere Attacken lernen, sei es durch ein anderes Pokémon oder zusammen mit dir als Trainerin. Achja, hast du ihr etwa noch keinen Namen gegeben?“, wollte nun auch er von mir wissen und ich schüttelte mit dem Kopf. „Nein, aber ich bin schon fleißig am Überlegen, welcher Name es werden soll“, sagte ich aufrichtig zu ihm. Mein Vater sah mir auf dem kleinen Bildschirm entgegen und hob seinen Daumen hoch. „Du machst das schon, meine kleine Prinzessin“, sagte er und schaute anschließend in eine andere Richtung. „Verzeih mir, Kleine, ich will dich nicht loswerden, aber die Arbeit ruft und ich muss wieder…“ Wieder schüttelte ich mit dem Kopf, dieses Mal langsamer. „Das macht doch nichts, ich verstehe das vollkommen. Und wir haben ja auch etwas zu tun“, sagte ich so verständnisvoll wie möglich. Was bei meinem Vater auch so anzukommen scheint. „In Ordnung, du kannst mir heute Abend dann erzählen, wie das Training verlaufen ist. Hab dich lieb, Kleine, bis später“, sagte er und nur wenige Sekunden später hatte er aufgelegt. Schnell klappte ich meinen PokéNav wieder zusammen und verstaute ihn in meinem Turnbeutel. „Ok, Dratini“, sagte ich, als ich den Turnbeutel wieder wie einen Rucksack anzog. „Dann lass uns doch mal dort rüber gehen, da ist eine kleine Wiese, ich denke, da sollten wir gut trainieren können.“ Ich deutete mit dem Finger in eine ungefähre Richtung, in der ich die Wiese vermutete. Zu welcher wir uns auch sofort aufmachten.   „Das sieht doch hier schon mal gut aus, oder was meinst du, Dratini?“, fragte ich sie und sie sah sich ein wenig um. Gut, ich hatte keine großen Erfahrungen mit Pokémon-Trainingsplätzen, aber ich dachte mir, solange es frei war und wir niemanden störten… warum nicht? Dratini schien der gleichen Ansicht zu sein, weshalb ich meinen Turnbeutel erneut herunternahm und neben mir auf den Boden legte. „Ok, dann werden wir etwas suchen, mit dem wir üben können. Papa meinte, dass du Wickel und Silberblick beherrschst … hm, soweit ich weiß, ist Silberblick eine Attacke, mit der man die Verteidigung des Gegners senken kann. Vielleicht wäre es besser, wenn du die Attacke an mir mal übst? Hm, das lieber an einem anderen Mal. Heute sollten wir uns auf Wickel konzentrieren… ah, das ist doch gut!“, sagte ich und fand einen alten, dicken Stecken, der sich wunderbar für ein Wickel-Training eignete. Sofort untersuchte ich das Holz, es war wohl mal ein Teil des Zauns, welcher die Wiese hier einrahmte, welcher mal abgebaut und dann hier vergessen worden war. Da ich erkannte, dass das Holz noch immer recht stabil und solide war, aber auch nicht splittern würde, hob ich es hoch, damit Dratini es sehen konnte. „Ich denke, damit wirst du Wickel gut üben können, das Holz ist zwar nicht mehr das Neueste, aber für unser Vorhaben wird es schon reichen. Siehst du?“, fragte ich Dratini und begann, das Stück Holz in eine Umarmung zu nehmen. Dann, so fest ich es konnte, und das war nicht besonders viel, begann ich das Holz zu drücken. Meine Arme zitterten leicht, so fest versuchte ich es, bis ich wieder lockerließ. Das Holzstück war noch genauso intakt wie zuvor. „Da, es ist total ungefährlich und du kannst damit deinen Wickel üben. Nur mal so für den Anfang, du musst es nicht zerdrücken oder so, aber damit du ein Gefühl dafür bekommst, wie du es am besten anstellen kannst. Und vielleicht kann ich von außen noch irgendwas sehen, ob und was du verbessern kannst. Was meinst du?“ Dratini nickte mir zu und so stellte ich das Holzstück mit der abgesägten, flachen Seite auf den Boden. Sofort flog Dratini auf das Holzstück zu und nahm es mit ihrem kleinen Körper an sich. Zufrieden sah ich Dratini zu, dabei setzte mich auf den Boden neben meinen Turnbeutel. „Drück es am besten so fest du kannst und schau, dass du das schon ein paar Sekunden lang so halten kannst. Das Holzstück tut dir ja nichts, das ist ein Dummy. Aber in einem echten Kampf wirst du deinen Gegner festhalten müssen, damit dieser sich nicht mehr regen kann. Er wird sich dann zwar wehren, aber im Idealfall wird es ihn dabei auch ermüden. Stärkere Pokémon alleine wirst du damit nicht besiegen können, aber dafür können wir dir immer noch eine dritte Attacke beibringen.“ Kurz überlegte ich, bevor ich dem Dratini noch eine letzte Anweisung gab: „Für den Anfang, drück das Holz am besten so zehn Sekunden lang, wenn du dann ein Gefühl dafür entwickelt hast, erhöhe auf 15 Sekunden.“ Dratini gab einen Laut von sich, um mir zu zeigen, dass sie mir zugehört hatte und drückte das kleine Holzstück so fest sie konnte. Ich dagegen schaute, ob ich irgendwas Auffälliges sah, stand auf, und sah mir die Wickelversuche auch aus anderen Perspektiven an. Doch ich konnte nichts sehen, was irgendwie schlecht an dem aussah, was Dratini dort tat und so ließ es ich es in Ruhe üben. Gleichzeitig nutzte ich die Gelegenheit, noch einmal über die Namenssache nachzudenken. Ließ meine Gedanken schweifen, ob mir doch noch jemand einfallen würde. Hm, Sapphira wäre vielleicht eine Idee. Aber ich mochte die Buchreihe jetzt nicht so und ich bin auch kein großer Fan von dem Drachen. Aber welche weiblichen Drachen kenne ich denn noch so? Oder überhaupt welche namhaften Drachen? Smaug, aber der ist ein Er. Nein, nein, das wird nicht funktionieren… oh, Moment, wie wäre es mit…?“ Kaum war mir ein Name eingefallen, ging ich ihn gedanklich immer wieder und wieder durch. Sah dabei mein Dratini an und sprach den Namen gedanklich aus. Und je öfter ich es tat, desto mehr schien der Name zu passen. Desto mehr erschien es mir richtig. Sofort begann ich zu lächeln. Ich hatte jetzt endlich einen Namen gefunden. Jetzt musste er nur noch ihr gefallen. Und ich hoffte, dass dieser Fall eintrat. Denn sonst wäre ich wirklich mehr als aufgeschmissen.   Dratini hatte, während ich meinen Gedanken nachgegangen war, immer weiter fleißig vor sich hintrainiert. Hatte immer wieder und wieder das kleine Stück Holz zusammengedrückt, bis es am Ende eine kleine Kuhle gab. Einen kleinen Abdruck an den Stellen, an welchen Dratini mit ihrem kleinen Körper am meisten Druck ausgeübt hatte. Zufrieden betrachtete ich das leicht bearbeitete Holzstück und legte eine Hand auf Dratinis Kopf. Ein Blick auf den PokéNav wenige Minuten zuvor hatte mir gesagt, dass es bereits Zeit fürs Mittagessen war. „Das hast du gut gemacht, dein Wickel sieht jetzt schon ziemlich beeindruckend aus. Auf jeden Fall etwas, mit dem man arbeiten kann. Klasse, Dratini“, sagte ich und streichelte ihren kleinen Kopf. Diese ließ das Holz fallen und gab einen zufriedenen Laut von sich. „Mach jetzt eine Pause, das hast du dir mehr als verdient. Danach sehen wir weiter. Aber jetzt ist erstmal Essen und Trinken angesagt, immerhin hat Mama uns dafür extra etwas mitgegeben.“ Mit diesen Worten folgte Dratini mir zu meinem Turnbeutel und ich öffnete diesen. Holte die kleine Schale heraus, die uns meine Mutter mitgegeben hatte und schüttete ein wenig aus der Thermoskanne dort hinein. Ein kurzer Schluck verriet mir, um was es sich dabei handelte. „Ah, ein erfrischender Kamillentee. Der tut wirklich gut und schmeckt auch lecker, probiere es ruhig“, animierte ich Dratini zum Trinken, als diese neugierig den Tee beschnupperte. Dann öffnete ich die eine Lunchbox und stellte sie so hin, dass Dratini ihr Futter jederzeit erreichen konnte. Was sie auch sofort machte. Als hätte sie einen Bärenhunger, stürzte sie sich darauf und fing zu essen an. Ich begann ein wenig zu kichern. „Verschluck dich ja nicht, ok? Es ist mehr als genug für dich da“, sagte ich und öffnete meine eigene Lunchbox. Dort konnte ich mehrere verschiedene Dinge sehen: Gebratenes Lachsfilet mit einer sehr knusprigen Haut, so, wie ich es liebe. Gebratene Auberginen, ein kleiner Kloß aus Reis mit Pilzen drauf, gekochtes Gemüse und ein bisschen Obst. Ein jedes kleine Fach in meiner Bentobox enthielt etwas anderes, meine Mutter war offensichtlich darauf bedacht, dass ich eine ausgewogene und leckere Mahlzeit bekommen würde. Zwar konnte ich es kaum riechen, doch die ersten paar Happen, die ich mir nahm, schmecken ausgezeichnet. Glücklicherweise war bei der Bentobox ein kleines Geschirrset integriert, etwas, was ich sehr praktisch fand. „Lass es dir schmecken… Dratini“, sagte ich und wir aßen für ein paar Minuten vor uns hin. Schweigend betrachtete ich Dratini und nahm dann allen Mut zusammen, den ich hatte. „Dratini, Kleines? Kann ich dich kurz was fragen?“, sagte ich leise, aber trotzdem noch laut genug, dass mein Pokémon mich hören konnte. Fragend unterbrach sie ihre Mahlzeit und sah mich fragend an. „Ich habe mir die ganze Zeit etwas überlegt, auch, ohne dass meine Eltern mich permanent daran erinnert haben. Und zwar nämlich einen Spitznamen… hätte nicht gedacht, dass das so schwer ist. Aber immerhin ist es ein Name, den du für immer haben wirst und ich wollte dir nicht einfach irgendeinen Namen geben, sondern einen, der uns beiden gefällt. Und ich denke, mir ist da einer eingefallen.“ Kurz atmete ich ein und aus, Dratini machte keinen Mucks, sondern sah mich nur an. „Was denkst du, würde dir der Name Daeny gefallen?“ Dratini sah mich erst mit einem nichtssagenden, neutralen Blick an und für einen kurzen Moment rutsche mir das Herz in die Hose. Mochte sie den Namen nicht? Sollte ich mir lieber einen anderen überlegen? Doch da kam Dratini mit freudigen Rufen auf mich zugeschwebt und umarmte mich, so fest sie konnte, mit ihrem kleinen Körper. „In Ordnung, dann bist du ab heute Daeny, meine kleine Daeny“ sagte ich und erwiderte die Umarmung. Froh darüber, dass sie ihren Spitznamen angenommen hatte. Dann ließen wir uns los und Dratini schwebte zu ihrer Bentobox zurück. Doch sie schien kein Interesse daran zu haben, weiter zu futtern. Und auch mein Hunger war gestillt, auch wenn ich nur die Hälfte meines Mittagessens aufgegessen hatte. „Denke, wir können uns den Rest auch noch nachher gönnen“, sagte ich und verschloss die Boxen wieder. Nachdem ich alles, bis auf den Tee und die Schale, wieder verstaut hatte, sah ich Dratini mit einem Lächeln an. „Bereit, dass wir mit dem Training weitermachen? Das sah doch bisher ganz gut aus“, sagte ich und Daeny nickte mir fleißig zu. „Gut, dann lass uns keine Zeit verlieren. Wir müssen ja nicht mehr so lange machen, aber ein bisschen was sollten wir schon tun“, fügte ich noch hinzu, während ich das Holzstück holte. Und damit verbrachten wir auch noch den Rest des Nachmittags bis in den Abend hinein. Daeny und Ich, ein Duo, welches dabei war, immer weiter zusammenzuwachsen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)