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Alles wird sich ändern

denn die Zeit bleibt nicht stehen
von

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Nandens Angriff

Alles wird sich ändern

Author: Bina-chan86

Part 82/?
 

Alvar hatte wenig Schlaf in dieser Nacht gefunden. Zwar glaubte er, dass Dana eine weise Entscheidung zugunsten ihres Volkes getroffen hatte. Gleichwohl wusste er, wie sehr sie einige Menschen damit verletzt hatte. Insbesondere ihren Ziehbruder Zack. Alvar hatte sich nach Kräften bemüht diesen aufzuheitern, allerdings vergeblich. Zack war in trübsinniger Stimmung zurück geblieben und hatte sich seit dem auch nicht mehr blicken lassen.

Es war noch früh am Morgen und das Schloss erwachte erst langsam zum Leben. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und schon jetzt deuteten Wolken darauf hin, dass sie am heutigen Tage nicht lange zu sehen sein würde. Trotzdem hatte sich Alvar zu einem kleinen Spaziergang entschieden. Es konnte nicht schaden seine Gedanken zu ordnen.

Mit diesem Vorhaben war er jedoch nicht der einzige. Er war noch weit über das Schlossgelände gegangen, als er Prinz Lysander im Hof entdeckte.

„Was tut Ihr hier zu so früher Stunde?“

Der junge Herrscher zuckte zusammen, denn er hatte Alvar zuvor nicht bemerkt. Als er den Elben erkannte, entspannte er sich aber gleich wieder. „Ich musste ein wenig nachdenken.“

Ohne dabei von den Mauern dieses Schlosses eingeengt zu werden, fügte er in Gedanken hinzu.

Alvar nickte verstehend. „Das kann man Euch nicht verübeln. Immerhin befindet Ihr Euch in keiner leichten Situation.“

Der Prinz wirkte verwundert, dann winkte er ab – nicht hochmütig, sondern bescheiden. „Eure Herrin ist in einer viel komplizierteren Lage.“ Er wollte sie gerne zur Frau nehmen. Er wollte sie sogar mehr als alles andere. Aber andererseits widerstrebte ihm der Gedanken sie unglücklich zu machen.

Einen Moment lang überlegte Alvar, ob er den Prinzen korrigieren sollte und entschied sich letztendlich dafür – obgleich es ihm ein wenig unverschämt erschien. „Dana ist nicht meine Herrin, sondern meine Freundin. Wir folgen ihr alle freiwillig, weil sie uns am Herzen liegt.“

„Eure Freundschaft scheint stark zu sein, wenn ihr es so weit geschafft habt.“ Lysander lächelte. „Ich beneide euch darum.“

Alvar hielt dem Prinzen vollkommen ungezwungen die Hand entgegen. „Nun, was mich betrifft, so würde ich Euch gerne meinen Freund und nicht bloß meinen Verbündeten nennen“, sagte er freundlich.

Lysander schüttelte verlegen seine Hand. Ein solches Angebot war wohl das Letzte, mit dem er gerechnet hätte. Bisher war seine Stellung ein immer währendes Hindernis zwischen ihm und seinen Mitmenschen gewesen. „Es würde mich freuen“, erwiderte er, wandte dann aber doch ein: „Ich glaubte, Ihr und Eure Freunde würdet mich hassen für die Lage, in der sich Prinzessin Dana befindet.“

„Ihr habt nichts Unrechtes getan“, meinte Alvar. „Wir müssen uns entschuldigen. Ihr hättet es verdient, dass wir es Euch ein klein wenig leichter machen.“
 

Als man Dana und ihre Gefährten nach dem Frühstück bat sich in den Thronsaal zu begeben, ahnten sie noch nicht, dass ein weiterer Verbündeter eingetroffen war.

Dort in der Halle stand neben dem König und Prinz Lysander ein Elb, den Dana noch nie zuvor gesehen hatte. Er war nicht übermäßig groß, wirkte dabei aber doch respekteinflößend. In seinen grünen Augen lag eine unvergleichliche Entschlossenheit, die Dana für einen Moment lang fesselte. Fast hätte sie dabei den Mann übersehen, der ihn begleitete. Eravelle erkannte ihn jedoch sofort.

„Tawha?!“ Eravelle blieb wie angewurzelt stehen, weil sie nicht wusste, was sie davon halten sollte. Auch der andere Elb war ihr vertraut. Er war ferner der Grund, weswegen sich sich gleich wieder entspannte. Lächelnd nickte sie ihm zu und er erwiderte den Blick.

Dann trat der Elb näher und kniete vor Dana nieder. „Wir haben so lange auf Euch gewartet, Euer Hoheit“, bekundete er und sah dann auf. „Ich bin Tossinde, der derzeitige Anführer der Dúath.“ Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob er sich. Mellryn begrüßte er – ebenso wie Eravelle – mit einem Lächeln. Sie kannten sich und Mellryn hatte ihm darüber hinaus verboten sich vor ihm zu verbeugen.

Das ist also der Anführer der Dúath, dachte Dana.

„Es freut mich sehr Euch kennen zu lernen, Tossinde“, sagte sie ehrlich erfreut. Sie kannte ihn zwar nur aus den Erzählungen von Mellryn und Eravelle, aber das genügte, um zu wissen, dass sie es hier mit einem verlässlichen Verbündeten zu tun hatte. Doch gleichzeitig fragte sie sich, was Tawha hier verloren hatte. Sie erkundigte sich nicht danach, weil sie fürchtete, dass ein überführter Verräter Misstrauen beim König hervorrufen würde.

Tawha stand derweil ganz still schräg hinter Tossinde und versuchte dabei dem bohrenden Blick seiner Cousine Eravelle standzuhalten.

„Ich bin gekommen um Euch meine Treue zu bekunden, Prinzessin Dana“, fuhr Tossinde fort. „Und, um Euch mitzuteilen, dass die Dúath bereit für den Kampf sind, wenn ihr das wünscht.“

Der König verfolgte das Ganze schweigend, wirkte aber zufrieden. Lediglich Prinz Lysander sah mal wieder nervös aus.

Dana schöpfte Zuversicht aus den Worten Tossindes. „Ich danke Euch für Eure Hilfe.“

Tossinde schüttelte den Kopf. „Ihr schuldet mir keinen Dank, denn wir haben dasselbe Ziel und je eher der falsche König fällt, desto besser ist es für uns alle.“
 

Eben jener falsche König tobte dieser Tage vor Wut – schon beim geringsten Anlass. Nicht nur, dass seine Leute die Spur der Prinzessin und ihrer Gefährten verloren hatten, jetzt hatten sich auch die Dúath seinem Blick entziehen können. Haryon wusste, dass etwas vor sich ging, er wusste nur nicht, was es war und das machte ihn über die Maßen reizbar. Allein sein Berater Vorn wagte sich noch freiwillig in seine Nähe. Und diesmal tat er es leichten Herzens, denn es gab endlich Neuigkeiten – Neuigkeiten auf die Haryon schon beharrlich wartete.

Vorn fand seinen Herrn im kargen Thronsaal von Morn Gondram. Der alte Elb räusperte sich. „Nanden ist zurückgekehrt, Majestät“, berichtete er.

Haryon blickte sofort auf und seine dunkelbraunen Augen brannten vor Ungeduld. „Ich hoffe, er bringt mir Informationen.“

Bisher war es Barilowyns Aufgabe gewesen Aufklärungsarbeit zu leisen, aber der war seit geraumer Zeit wie vom Erdboden verschluckt. Seine Aufgaben waren zwangsläufig Nanden zugefallen, der diese weniger geschickt, aber dafür mit mehr Gewalt ausführte.

„Das tut er“, bestätigte Vorn nun. Eine senkrechte Falte auf seiner Stirn, deutete auf den Ernst der Lage hin.

„Dann ruf ihn endlich hinein“, befahl Haryon barsch.

„Sehr wohl!“ Vorn nickte und folgte der Anweisung.

Als Nanden vor Haryon stand, verfluchte Letzterer für einen Augenblick seine Ungeduld, denn Nanden war von oben bis unten mit Blut besudelt, das anscheinend nicht seines war. Offensichtlich hatte er nicht genug Zeit gehabt sich zu säubern. Haryon beschloss dieses mal darüber hinweg zu sehen. „Was für Neuigkeiten bringst du mir?“

„Die Freunde der Prinzessin waren nachlässig“, antwortete Nanden. In seiner Stimme schwang dabei nicht der üblich unterdrückte Zorn mit, sondern eher so etwas wie vorübergehend befriedigter Blutdurst. „Prinzessin Dana befindet sich zum jetzigen Zeitpunkt in Minkan, Aritheas Hauptstadt, um dort ein Bündnis mit den Menschen zu schließen.“

Haryon schnellte aus seinem Sitz empor. „Ist das sicher.“

„Ja, Euer Majestät“, erwiderte Nanden. „Einer ihrer Gefährten hat dies im Angesicht des Todes preisgegeben.“

„Wenn Cenedhrils Tochter glaubt, uns damit schlagen zu können, irrt sie sich.“ Ein kaltes Grinsen breitete sich auf Haryons Gesicht aus. „Wir werden ihr zuvorkommen und ihrer aussichtslosen Rebellion ein Ende bereiten. So gesehen tun wir ihr damit sogar einen Gefallen.“

„Majestät“, begann Nanden. „Lasst mich nach Minkan gehen und haltet die Truppen noch ein wenig zurück.“

Haryon zog eine Augenbraue nach oben. Ihm missfiel Nandens Bitte, die mit zu wenig Demut vorgetragen wurde, wie er fand. „Aus welchem Grund sollte ich das tun?“

„Weil sich unter den Gefährten der Prinzessin jemand befindet, um den ich mich persönlich kümmern will“, erklärte Nanden. Und als er sah, dass sein König ihn nicht verstand, fügte er hinzu: „Barilowyn ist wieder aufgetaucht, Euer Majestät!“
 

Dana stand am offenen Fenster in ihrem Zimmer und atmete die regennasse Luft ein. Tossindes Auftauchen hatte sie sowohl mit Zuversicht, als auch mit Unruhe erfüllt. Langsam wurde es ernst und geschmiedete Pläne würden bald in die Tat umgesetzt werden. Inständig hoffte sie dem allen gewachsen zu sein. Ihr selbst war gar nicht bewusst, wie sehr sie sich in den vergangen Monaten verändert hatte.

Von Tossinde hatte sie außerdem erfahren, dass Oranor in seiner Abwesenheit die Truppen führte und die Dúath bereithielt. Auch Calina und Falmarin waren soweit wohlauf. Tawhas Erscheinen in Minkan erklärte sich damit, dass Tossinde ihm nach wie vor nicht traute und ihn lieber in seiner Nähe wusste, wo er ein Auge auf den Verräter haben konnte. Bisher hatte sich Tawha friedlich verhalten, aber Leichtsinn war etwas, dass sie sich momentan nicht leisten konnten. Dana hatte während des Gesprächs bemerkt, dass Eravelle sogar erleichtert darüber war ihren Cousin bei bester Gesundheit zu wissen. Dana konnte es ihr nicht verdenken. Zwar war Tawha ein Feind, aber er gehörte immer noch zu Eravelles Familie.

Dana blieb keine Zeit sich über die weitere Vorgehensweise Gedanken zu machen, denn das zweite Gesicht traf sie erneut und die Heftigkeit der Vision zwang sie in die Knie. Als die verwirrenden Bilder endlich abebbten, hockte Dana noch immer am Boden und zitterte. Etwas war anders dieses mal. Es war, als hätte etwas ihren Fokus gestört. Jedoch war ihr die Bedeutung klar: Gefahr.
 

Meisterin Adeline hatte die kleinen Schrammen von Mili, Jala und Lanion selbst versorgt. Und nun lagen die drei in ihren Betten, ebenso wie Silivren, was auch höchste Zeit wurde, denn bald würde es schon dämmern.

Lydia saß neben Adeline in deren Arbeitszimmer. Zum Schlafen war sie noch viel zu aufgedreht. Auch Jules und Jerome waren noch hellwach und leisteten ihnen Gesellschaft.

„Was für ein Abenteuer“, seufzte Jules. „Ich bin froh, dass es so glimpflich ausgegangen ist.“

Lydia nickte zustimmend. „Was für ein Glück, dass Silivren dich begleitet hat. Ohne sie hätten wir die Kinder sicher nicht so leicht wiedergefunden.“ Sie hielt für einen Augenblick inne und faltete versonnen ihre Hände. „Ist das nicht merkwürdig? Ich nenne sie immer noch Kinder, dabei bin ich selbst kaum älter als sie.“

Adeline lächelte nachsichtig. „So merkwürdig finde ich das gar nicht. Miliende, Jala und ganz besonders Lanion haben in ihrem jungen Leben bereits viel durchleiden müssen. Was der Krieg ihnen von ihrer Kindheit gestohlen hat, holen sie sich hier zurück.“

„Eure Arbeit hier kann wirklich viel bewirken“, bemerkte Jerome ehrlich beeindruckt.

„Ich fühle mich eben verantwortlich für sie“, entgegnete Adeline bescheiden.
 

Am darauf folgenden Morgen schwatzten die drei Abenteurer schon wieder so, als wäre nie etwas gewesen – obgleich der nächtliche Ausflug natürlich das Thema Nr. 1 war.

Nun, der Wahrheit halber sollte dies eingeschränkt werden: Mili und Jala schwatzten, während sich Lanion nach und nach erst wieder ans Sprechen gewöhnen musste. Seine Freunde schirmten ihn gegen neugierige Fragen der anderen Bewohner des Sanatoriums ab, damit er nicht in Verlegenheit geriet. Er sprach noch immer stockend und stotterte ein wenig, wenn er nervös wurde.

Als Silivren zusammen mit Jules den sonnendurchfluteten Saal betrat, sprang Mili sofort auf und lief auf die Kleine zu. „Da ist ja unsere Heldin!“ Mili blieb grinsend vor Silivren stehen. „Vielen, vielen Dank! Du hast uns wirklich vor einer unangenehmen Nacht bewahrt.“

Silivren schaute einen Moment lang unsicher zu Jules hoch, ehe sie auf sein Nicken hin Milis Lächeln zögerlich erwiderte.

Die Gesellschaft wird auch Silivren gut tun, dachte Jules, während er beobachtete wie die Halbelbin Mili an den Tisch folgte.
 

Dana hatte lange gebraucht, um sich zu einem Entschluss durchzuringen. Nun stand sie ganz allein auf dem Hof des Schlosses und wartete. Inzwischen hatte sich der Platzregen in Nieselregen verwandelt. Danas Haare lockten sich dadurch wild, aber momentan kümmerte sie ihr Aussehen recht wenig. Ihr war, als hätte eine eiskalte Hand nach ihrem Herz gegriffen.

Als sie von weitem die kleine Gruppe am Tor bemerkte und unter ihnen Garim erkannte, atmete sie kurz auf. Wenigstens ihm war nichts passiert. Aber die angespannten Gesichter aller riefen ihr den Ernst der Lage ins Gedächtnis zurück. Sie stärkte sich innerlich.

Garim erreichte sie als Erster. „Dana....“ Er wusste nicht so recht, wo er anfangen sollte. „Endlich sehen wir uns wieder“, sagte er schließlich. „Ich wünschte nur, ich könnte dir bessere Nachrichten überbringen.“ Ein Schatten hinter Garim ließ diesen überrascht zusammenfahren.

Dana wusste, was jetzt kam – das zweite Gesicht hatte es ihr gezeigt. Neilyr, der junge Söldner, der sich den Zwergen angeschlossen hatte, ließ sein Schwert auf sie niedersausen. Dana konnte seinen Arm abfangen, aber rein gar nichts hätte sie auf die Wucht seines Schlages vorbereiten können. Sie glaubte, ihre Schulter würde gleich auskugeln.

Garim sah zu Tode erschrocken aus. „Was... was tust du da?“

„Sie ist tot! Ihretwegen ist sie tot!“ Neilyrs Stimme bebte vor Zorn. Er zog sein Schwert zurück und holte dann erneut aus. Weiter kam er glücklicherweise nicht, denn Garim und zwei andere Zwerge hatten sich endlich von dem Schrecken erholt und hielten Neilyr nun fest. Der Mann fluchte, wehrte sich aber nicht weiter. Schließlich sank er schluchzend zu Boden. „Wenn sie nicht wäre, dann würde Flore jetzt noch leben.“

Dana blickte ihn voller Mitleid an. „Flore ist...“

Neilyrs Kopf ruckte hoch. Tränen standen ihm in den Augen. „Sprich nie wieder ihren Namen aus, hörst du? Nie wieder.“

Garim führte Dana von dem wütenden Söldner weg. „Unglücksbringerin!“, rief dieser ihr noch hinterher.

„Er meint es nicht so“, begann Garim vorsichtig, als sie außer Reichweite waren.

„Doch. Ich fürchte, er meint es genau so.“

Garim seufzte. „Anscheinend war die kleine Söldnerin alles, was ihm auf dieser Welt noch etwas bedeutet hat. Sie sterben zu sehen, hat wohl irgendetwas in ihm zerbrochen. Auf dem ganzen Weg hierher hat er nicht ein einziges Wort gesagt. Und nun das... Es tut mir leid! Wenn ich das gewusst hätte...“

Dana unterbrach ihn. „Es ist nicht deine Schuld. Du konntest nicht wissen, dass er das tun würde.“ Sie hütete sich davor es einen Tötungsversuch zu nennen, als würde das Unglück bringen.

„Aber du wusstest es, nicht wahr?“, hakte Garim nach.

„Ja, ich wusste es“, bestätigte Dana. „Das zweite Gesicht hat es mir gezeigt.“ Sie sammelte sich. „Aber erzähl mir bitte, was genau geschehen ist. Ich habe nicht alles sehen können.“
 

„Was geht denn da vor?“

Zack trat neben Eravelle und spähte an ihr vorbei. „Das ist ja Garim“, rief er erfreut aus. Er wollte schon über die Treppe hinunter in den Hof gehen, aber Mellryn hielt ihm am Arm zurück.

„Warte einen Moment“, bat der Elb. „Irgendwas muss passiert sein.“

Zack schaute ihn überrascht an.

Keiner von ihnen hatte gesehen, dass Neilyr in seiner Trauer versucht hatte Dana umzubringen.
 

Der Leibarzt des Königs hatte Neilyr mit Arzneimitteln ruhig gestellt, obwohl dieser sich nicht mehr gewehrt hatte. Nun schlief er in einem bewachten Zimmer. Niemand wollte das Risiko eingehen, dass er noch einmal die Nerven verlor.

Lysander war zutiefst bestürzt gewesen, als er davon erfuhr. Er erkundigte sich nach Danas Wohlbefinden und behandelte sich ausgenommen rücksichtsvoll. Er stellte ihr keine Fragen, die sie nicht beantworten wollte. Seine Besorgnis rührte Dana sogar ein wenig.

Eigentlich hätte sie froh sein müssen, dass sich ihre Verbündeten hier eingefunden hatte – es würde ein Bündnis zwischen Elben, Menschen und Zwergen geben – aber ein Gefühl der Erleichterung wollte sich bei ihr einfach nicht einstellen. Zu sehr hatten die Ereignisse des Tages sie geschockt. Von Garim hatte sie bereits erfahren, dass Nanden derjenige war, der Flore getötet hatte. Er war wieder da! Dana schauderte, als sie an die Verletzungen zurückdachte, die er Eravelle und Estela beigebracht hatte.
 

Eine bedrückende Stille hatte sich über das Schloss gelegt, als die Nacht hereinbrach.

Barilowyn, der sich mit Estela ein Zimmer teilte, wagte es nur sich flüsternd mit dieser zu unterhalten. „Was glaubst du, was die Prinzessin jetzt tun wird?“

„Ihren Plan weiterverfolgen, auch wenn es schwer fällt“, antwortete Estela. Sie schmiegte sich ein wenig enger an Wyn, was sie sonst nur sehr selten tat.

Wyn streichelte über ihren Arm und ihren Bauch. „Sie hat Verbündete gefunden. Ich bin sicher, dass alles gut wird.“
 

Als Wyn wenige Stunden später hart auf dem Boden aufschlug, glaubte er für einen Moment Estela hätte ihn im Schlaf versehentlich aus dem Bett geschubst. Er erkannte jedoch recht schnell, dass sie wach und auf den Beinen war. Darüber hinaus steckte ein Schwert im Bett – genau an der Stelle, an der er zuvor gelegen hatte.

„Grundgütiger!“ Wyn rappelte sich in Windeseile auf.

„Wie ich sehe, hast du dich gut eingelebt“, drang eine vertraute Stimme an sein Ohr, die ihm kalte Schauer über den Rücken jagte.

„Nan... Nanden“, stammelte Barilowyn. „Es ist nicht so, wie du denkst.“ Er wusste, dass er bei einem Kräftemessen nie eine Chance gegen Nanden hatte.

Er wird mich umbringen, dachte er.

„Zurück!“, befahl Estela, die sich bereits ihren Mantel angezogen hatte.

Verdutzt schaute Wyn sie an. „Was?“

„Geh zurück“, sagte Estela nun noch eindringlicher. „Bevor der Kerl mit dir abrechnen kann, habe ich noch eine Rechnung mit ihm offen.“

„Aber du kannst nicht...“, versuchte Wyn zu protestieren.

Estela schüttelte ruhig den Kopf und sah ihm dabei in die Augen. Bitte formte sie dabei lautlos mit den Lippen. Sie wusste nicht, wann sie damit aufgehört hatte nur für sich allein zu kämpfen, aber sie musste sich eingestehen, dass dies nun der Fall war.

„Mir ist es gleich, wen ich zuerst umbringe“, erklärte Nanden unbeeindruckt. „Feind oder Verräter macht für mich keinen Unterschied. Alle verdienen den Tod.“

„Das werden wir ja noch sehen!“ Eravelles Zauberspruch schleuderte Nanden zurück. Keiner wusste, wie die Elbin so schnell und vor allem unbemerkt ins Zimmer gekommen war, aber nun stand sie an Estelas Seite.

Nach Garims Bericht hatte Eravelle gewusst, dass Nanden kommen würde.

Estela nickte ihr zu, ehe sie gemeinsam angriffen. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen Nanden ins Freie zu befördern, denn im Schloss konnten sie nicht kämpfen ohne die Bewohner dabei in Lebensgefahr zu bringen. Selbst im Hof würde es schwer werden.

Eravelle und Estela folgten ihrem Gegner.

Wyn stürzte ans Fenster. „Estela!“ Seine Entscheidung war gefallen. Lieber war er ein Verräter, als dass er sie aufgeben würde.
 

Nanden war schon wieder auf den Beinen. Verletzt war er nicht, lediglich seine Kleidung war schmutzig geworden.

„Hîth!“ Eravelles Zauber hüllte den Hof in dichten Nebel und verschaffte Estela damit die Chance zum Angriff.

„Ruin Pilin!“

Nanden machte sich nicht mal die Mühe den Zauber abzuwehren, sondern ging gleich zum Angriff über. Dass er dabei eine große Brandwunde am Arm davontrug, störte ihn gar nicht.

Er bekam Estela am Arm zu fassen und schleuderte sie gegen eine Mauer. Keuchend ging sie zu Boden. Blut lief ihr über das Gesicht und versperrte ihr für wenige Sekunden die Sicht. Hätte sich Eravelle nicht schützend vor sie gestellt, wäre sie wohl nicht in der Lage gewesen etwas auszurichten.

Eravelle hielt mit aller Macht dagegen und zum ersten mal bröckelte Nandens unbeteiligte Fassade. Dass Eravelle seinen Zauber abwehren konnte ohne dabei in die Knie zu gehen, schien ihn zu überraschen. Er machte einen Satz nach hinten, um gleich darauf wieder anzugreifen. Diesmal war es Estela, die seine Magie wie eine lästige Fliege abschmetterte.

In den vergangenen Wochen waren die beiden Magierinnen nicht untätig gewesen. Nach der vollkommenen Niederlage hatten sie beinah jeden Tag trainiert. Beide erinnerten sich an Nandens Bewegungen. Dieser hatte sich immer für unbesiegbar gehalten und nicht versucht sich weiter zu entwickeln. Diesen Fehler nutzen die zwei Frauen nun zu ihren Gunsten.

Doch noch war Nanden der Stärkere. Wie viel Einfallsreichtum dagegen bewirken konnte, stand zu diesem Zeitpunkt noch in den Sternen.

Estela attackierte ihren Gegner beharrlich, aber immer nur mit einer geringen Menge Magie. Einen Treffer hatte sie bereits einstecken müssen und nun blutete sie aus einer Wunde an der rechten Seite.

Für seine Größe war Nanden erstaunlich schnell. Er schlüpfte hinter Estela und richtete einen Zauber gegen Eravelle, die sich bisher zurückgehalten hatte. Gegen seinen Spruch kam sie an, allerdings hatte sie nicht mit einem rein körperlichen Angriff gerechnet. Sein Schlag traf sie in die Magengegend und sie sackte in sich zusammen. Sie hatte dabei gespürt wir ihre Rippen brachen.

Mittlerweile hatten sie durch den Lärm das ganze Schloss geweckt. Die Gefährten der beiden Kämpferinnen standen mit besorgten Blicken am Rand. Zack und Alvar mussten Mellryn gemeinsam festhalten, damit dieser nicht in sein Verderben rannte um Eravelle zu helfen.

Dana hätte ihre Freundinnen gern unterstützt, aber sie wusste, dass dies nicht ihr Kampf war.

„Lint Pilin!“ Diesmal saß Estelas Zauber und Nanden ließ von Eravelle ab.

Erst war der Unterschied kaum zu bemerken, doch Estela ahnte, dass Nandens Kräfte nachließen. Er verfolgte sie, doch seine Angriffe wurden ungenauer und waren nicht mehr ganz sauber durchgeführt. Einen Zauber musste er sogar abbrechen.

„Glaub ja nicht, dass du schon gewonnen hast“, zischte er zornig. Das Blut – sein eigenes – hatte sein Hemd getränkt. „Du...“ Mit einem Ruck hielt er an. Er riss die Augen auf und wurde aschfahl. Er hatte sich nur auf Estela konzentriert, weil er glaubte, Eravelle wäre für den Moment ausgeschaltet. Zu seinem Verhängnis hatte er sich geirrt. Eravelle hatte ihn in einem Bannkreis gefangen.

Taetha Echor, schoss es ihm durch den Kopf. Das war die einzige Beschwörung, welche stark genug dafür war. Er hatte geglaubt, dass nur die Mitglieder der elbischen Königsfamilie diesen Zauber beherrschen würden.

Sie ist Mellryns Gefährtin, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf. Die Gefährtin des Prinzen!

„Nórui Crist!“ Estela stärkte die Klinge ihres Dolches und griff Nanden frontal an. Sie kniff die Augen zusammen, als sie spürte, wie das Messer in seinem Körper eindrang und warmes Blut über ihre Hände lief, weil sie wusste, dass dies den Dämon in ihrem Inneren entfesseln würde.

Schwärze umfing sie, bis zwei starke Arme sie auffingen.

Wyn, dachte sie erleichtert. Ja, dafür hatte es sich wirklich gelohnt.
 

„So, ich bin fertig.“ Alvar seufzte erschöpft. Die Behandlung von Eravelle und Estela hatte ihm einiges an Kräften abverlangt.

Eravelle saß nun auf einem Bett, zwischen Mellryns Beinen, während dieser ganz vorsichtig die Arme um sie gelegt hatte. Bedacht darauf ihre gebrochenen Rippen nicht zu berühren. Nachdem der Kampf vorüber war, war er sofort zu ihr gestürzt, hatte sie getadelt für ihren Leichtsinn und ihr dann gedroht sie nie wieder loszulassen. Das hatte er bisher auch nicht getan.

Eravelle entschuldigte sich brav – immer wieder – aber noch war Mellryn nicht besänftigt.

Die dunkelhaarige Elbin lächelte und schaute dann zu Estela hinüber, die neben ihr lag. Eravelles Lächeln wurde noch breiter als sie sah, wie liebevoll Wyn Estela die ganze Zeit über anschaute.

Dana stand schweigend an die Wand gelehnt und wusste nicht, was sie sagen sollte. Ein Kampf war vorüber, ein Gegner besiegt – endlich! Dieser kleine Erfolg gab ihr neuen Mut.

„Nun schau nicht so besorgt“, wandte sich Estela amüsiert an die Elbenprinzessin. „Wir haben doch gesagt, dass das unser Gegner ist.“

„Ja, das habt ihr gesagt.“

„Und wir haben gewonnen.“

„Ja, das habt ihr.“ Jetzt lachte auch Dana endlich.
 

End of Part 82



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Taroru
2009-12-30T11:14:14+00:00 30.12.2009 12:14
endlich ist das neue kappi da XD *strahl*
und es hat mich umgehauen XD ich bin hellaufbegeistert XD
die charas kommen wieder klasse rüber XD
es ist alles sinnvoll geschrieben, jedenfalls kann ich es gut nach vollziehen ^^
ich frage mich nur warum das kappi ohne titel ist o.O

und dann haben mich zwei sätze doch verwundert:
„Bevor der Kerl mit dir abrechnen kann, habe ich noch eine Rechnung im ihm offen."
anstatt 'im' müsste doch 'mit' stehen oder? o.O

"Wyn, dachte sie erleichtert. Ja, dafür hatte es sich wirklich gewohnt."
gewohnt? ich denke 'gelohnt' wäre hier besser ^^° oder es sollte was ganz anderes ausgesagt werden... kann ja sein...

aber an sich wirklich klasse geworden ^^
*lach* und die priesterin gefällt mir immer mehr XD
wobei der zwerg auch nicht schlecht ist XD


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