Alles wird sich ändern von BinaLuna (denn die Zeit bleibt nicht stehen) ================================================================================ Kapitel 46: blaues Feuer ------------------------ Author: Bina-chan86 Part 46/? Eravelle schlug langsam die Augenlider auf. Zum ersten Mal seit Tagen, die ihr wie eine Ewigkeit vorkamen, hatte sie seelenruhig und friedlich geschlafen. Aber sie schrak zusammen, als plötzlich ein Schatten auf ihr Gesicht fiel. Mellryn legte den Zeigefinger an die Lippen und bedeutete seiner Gefährtin damit still zu sein. Verwirrt strich sich Eravelle die rabenschwarzen Haare aus dem Gesicht und setzte sich dann auf. „Du solltest doch im Bett liegen…“ Ihre Worte hätten wie ein leiser Vorwurf klingen sollen, doch hörten sie sich mehr nach einer Frage an. Mellryn ließ sich auf der Bettkante nieder. Es fiel ihm noch immer schwer, sich zu bewegen und er tat es nur, wenn es unbedingt notwendig war. Wenn er seine Kräfte schonen wollte, so war dies unumgänglich. Umso erstaunter war Eravelle, als er auf ihre Frage hin, ob etwas geschehen sei nur den Kopf schüttelte. Mellryn schwieg, bis er ihr schließlich direkt in die Augen sah. „Glaubst du, dass wir es schaffen werden?“ Seine Stimme war noch immer rau und sehr schwach, doch mittlerweile konnte man wieder erahnen, wie schön sie einmal gewesen sein mochte. Eravelle bemühte sich um ein aufmunterndes Gesicht. „Das passt gar nicht zu dir“, sagte sie. „Bisher hast du immer daran geglaubt und ich habe gezweifelt.“ „War das naiv von mir?“, hakte Mellryn nach. Eravelle dachte darüber nach und verneinte dann entschieden. „Es gibt keinen Grund, deinem Gefühl zu misstrauen“, erwiderte sie. „Ich war vielleicht eine ewige Pessimistin, aber an dir habe ich niemals gezweifelt. Auch in Zukunft werde ich das nicht tun.“ Mellryns Mundwinkel verzogen sich zu einem zaghaften Lächeln. Er rückte näher zu Eravelle und umarmte sie dann so, dass er ihren Herzschlag hören konnte. Bereits in der Vergangenheit hatte ihn das immer wieder beruhigt. „Danke“, formte er mit den Lippen tonlos. Ausgerechnet Estela erbarmte sich bei Sonnenaufgang und brachte Tawha, den sie in einer Scheune untergebracht hatten, etwas zu essen. Doch vermutlich nahm sie diesen Weg nur auf sich, um sich an dem erbärmlichen Anblick zu erfreuen, den er inzwischen bot. Lediglich der hochmütige Ausdruck in seinen Augen war unverändert geblieben. „Ich hoffe, du hast angenehm geruht“, begrüßte Estela den Gefangenen mit einem spöttischen Grinsen. Tawha gab keine Antwort und so ließ die Priesterin ihren Blick durch den Raum schweifen. „Gemütlich hast du’s hier“, murmelte sie beiläufig vor sich hin und fügte dann bedeutungsvoller hinzu: „Aber vermutlich wird es hier demnächst ungemütlicher.“ Tawha zog die Augenbrauen zusammen und schaute skeptisch zu ihr auf. Diesmal blieb Estela ihm eine Antwort schuldig. Stattdessen zog sie ein Messer aus ihrem Stiefel. Unwillkürlich zuckte Tawha zusammen. „Heh, ganz ruhig!“ Er wand sich unbehaglich. „Mach keine Dummheiten.“ Estela machte einen Schritt auf ihn zu, schwenkte das Messer dabei leicht hin und her und schnitt dann mit einer schnellen Bewegung seine Fesseln durch. „An deiner Stelle würde ich lieber verschwinden“, sagte sie. Bevor Tawha dumme Fragen stellen konnte, packte die Priesterin ihn am Kragen und schleuderte ihn durch das geöffnete Tor in den Schnee. Grummelnd kam Tawha auf die Beine und wollte Estela alle möglichen Verwünschungen an den Kopf werfen. Doch exakt in diesem Moment ging das Gebäude in Flammen auf – blaue Flammen. Was ist das jetzt wieder für ein Teufelswerk, fragte er sich im Stillen, während er zurück stolperte. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Estela ihn retten wollte. Aber was hatte sie dann getan? Alvar erwachte, als er eine magische Welle spürte. Diese verschwand jedoch so schnell wieder, dass er sich im Dämmerzustand nichts weiter dabei dachte. Der Elb brauchte einige Sekunden, um zu realisieren, dass er nicht allein war. Deutlich fühlte er Lydias Wärme, die in seinen Armen lag und noch immer friedlich schlief. Die Erinnerungen an die Nacht kehrten zurück und er lächelte glücklich, wenn auch etwas verlegen. Mit vielem hatte er gerechnet, nur nicht damit. Den Moment, in dem er sich in Lydia verliebt hatte, konnte er nicht genau benennen. Hundert Kleinigkeiten hatten seine Gefühle genährt: ihre Fähigkeit mit Worten zu verzaubern, die Art wie sie ihr Haar hinters Ohr strich und ihre Neigung dazu, den Kopf ganz leicht zur Seite zu neigen, wenn sie ihm zuhörte. Alvar beugte sich zu Lydia vor. „Es wird Zeit zum Aufstehen“, flüsterte er in ihr Ohr. Lydias Augenlider zuckten und dann schlug sie ganz langsam die Augen auf. Alvar schmunzelte. „Guten Morgen.“ „Guten Morgen“, erwiderte Lydia und verbarg ihr Gesicht halb schüchtern, halb amüsiert ein Stück weit hinter der Decke. „Ist das so lustig?“, erkundigte sich Alvar. „Ich dachte nur gerade daran… nun ja, nach allem, was passiert ist zwischen uns…g Lydia wusste nicht, wie sie es ausdrücken sollte. In Alvars Gegenwart geschah das in letzter Zeit öfter. Sie hatte das Gefühl nur Unsinn zu reden. „Es ist so viel passiert und ich habe dir nicht viel mehr von mir verraten als meinen Vornamen. Ist das nicht merkwürdig?g Alvar schüttelte den Kopf. „Nein, ist es nicht“, antwortete er. „Außerdem stimmt das so nicht ganz. Du hast viel mehr von dir preisgegeben, als du vielleicht denkst.“ Ihre Gesichter waren einander dabei so nahe, dass sich ihre Lippen beinah berührten. „Du hast mir dein Herz geöffnet“, fuhr Alvar fort. „Und das bedeutet mir so viel mehr als alles andere.“ Lydia musterte ihn fragend, als versuchte sie herauszufinden, wie ernst es ihm damit war. Alvars Mundwinkel hoben sich zu einem ehrlichen Lächeln. „Ich liebe dich wirklich.“ Er legte seine Gefühle in jedes dieser Worte. „Aber du darfst mir natürlich trotzdem gern etwas von dir erzählen.“ Ohne es zu wollen, musste Lydia kichern – setzte dann aber eine fast feierliche Miene auf. „Mein Name ist Lydia Chiron. Ich bin neunzehn Jahre alt. Ich liebe es, regnerische Nachmittage auf einer Fensterbank zu verbringen und nach draußen zu schauen, hasse es, wenn man mir nicht zuhört und wäre lieber in einer anderen Stadt geboren worden.“ Alvar zog sie näher an sich heran. „Für den Anfang war das nicht schlecht“, sagte er, ehe er sie küsste. Zack und Jules saßen – was nicht weiter ungewöhnlich war – als Erste beim Frühstück. Die Gaststätte war eher von schlichtem Charakter, aber die beiden lobten sie, als wäre sie ein Palast. Endlich einmal wieder in einem Bett schlafen zu können, hatte sie wohl milde gestimmt. Wobei Jules sowieso versuchte, sich mit allen erdenklichen Mitteln abzulenken. Er wollte gar nicht wissen, was Eravelle und Mellryn in diesem Augenblick taten. Obwohl Jules wusste, dass es nicht fair war, konnte er sich nicht dagegen wehren, Mellryn nicht zu mögen. „War ja klar, wo man euch zwei findet“, bemerkte Dana, als sie wenig später die Stube betrat. Sie verzog die Lippen zu einem Grinsen. „Na ja, es sei euch gegönnt.“ „Sehr großzügig“, entgegnete Zack mit vollem Mund. Dana zuckte mit den Schultern. „Calina, Falmarin und Oranor wollten sich noch einmal im Dorf umsehen“, begann Zack zu erzählen. „Mellryn und Eravelle habe ich heute noch nicht gesehen. Estela kümmert sich um Tawha und Lydia und Alvar sind gerade ins Bad gegangen.“ Dana blinzelte überrascht. „Zusammen?“ Nun war es an Zack erstaunt auszusehen. „Ich weiß nicht“, erwiderte er langsam. „Warum sollten sie?“ „Na, weil…g Dana hielt inne. Ahnte ihr Ziehbruder wirklich nichts? Dana selbst hatte eine ungefähre Vorstellung von dem, was geschehen sein könnte. Doch sollte sie nicht dazu kommen diesen Gedanken zu Ende zu führen… Oranor stürzte in das Zimmer und sah sich eilig um. „Wo sind die anderen?“ Im gleichen Atemzug fügte er hinzu: „Wir müssen hier weg.“ Dana war aufgesprungen. „Was ist los?“ Oranor schüttelte den Kopf. „Könnt Ihr es spüren? Die Magie, die immer stärker wird? Die Kraft, die außer Kontrolle gerät?“ Die Elbenprinzessin horchte tief in sich hinein. „Ich spüre nur etwas ganz Schwaches“, gestand sie. Abermals Kopfschütteln. „Ich werde Euch zeigen, was augenscheinlich so schwach ist, aber nun rasch!“ Ihre Aufregung ließ Dana gar nicht bemerken, wie förmlich Oranor plötzlich mit ihr sprach. Er wusste es. Kurz darauf standen alle – bis auf Estela – vor dem Gasthaus. Selbst Tawha hatte man aufgegriffen, denn er war mehr oder weniger kopflos geflohen und Falmarin direkt in die Arme gelaufen. Dana erkannte alsbald, wie weit entfernt ihre Überlegung von der Realität war: Das Dorf brannte lichterloh. Immer mehr Feuer leuchteten in den Häusern auf, wie Kerzen, die man nacheinander anzündete. Nur langsam, aber dafür mit aller Härte wurden die Ausmaße klar. Menschen rannten vor Angst und ließen all das zurück, was ihnen einmal lieb und teuer gewesen war. Kinder weinten. Das Schlimmste waren jedoch die Verletzungen, die nicht wenige der Bewohner davon getragen hatten. Vielen fehlten Gliedmaßen oder sie hatten tiefe Schnittwunden. Dana musste sich abwenden und gegen den Brechreiz ankämpfen, als sie am Boden einen Mann entdeckte, dem man die Eingeweide herausgerissen hatte. „Wer tut so etwas nur?“, flüsterte Lydia mit zitternder Stimme. Es war Eravelle, die antwortete. Auf ihrem Gesicht lagen dunkle Schatten. „Kein Mensch, kein Zwerg und auch kein Elb wäre imstande so etwas Abscheuliches zu vollbringen. Das ist das Werk einer Bestie.“ „Weißt du etwas darüber?“, fuhr Calina Tawha an. „Damit habe ich nichts zu tun und ich weiß auch nichts darüber.“ Selbst der Dunkelelb klang angewidert. „Vorsicht!“, rief Jules unvermittelt und bedeutete den anderen, in Deckung zu gehen. Gerade noch rechtzeitig. Schon wenige Herzschläge später krachte neben ihnen ein Gebäude zusammen – vollständig. Staub und Rauch verdunkelten den Himmel. „Das ist kein normales Feuer“, keuchte Alvar. „Gut erkannt“, meldete sich Estela zu Wort, die endlich zu ihnen trat. Sie hatte nicht einen einzigen Kratzer und das, obwohl Tawha sie schon verschüttet glaubte. „Wo warst du?“, fragte Eravelle voller Misstrauen. „Ich habe nach der Ursache geforscht“, sagte sie schlicht. „Ich habe es kommen sehen.“ „Wie kann man so etwas kommen sehen?“, verlangte Dana zu wissen. Estela zuckte mit den Schultern. „Ganz einfach: Derjenige, der das getan hat, ist wie ich… nur sehr viel dilettantischer.g Dana zog die Augenbrauen zusammen. „Willst du damit sagen, dass hier noch jemand herumläuft, der einen Dämonenpakt eingegangen ist?“ Estela bejahte. „Nur mit einem Unterschied.“ Zack verursachte es Unbehagen, dass Estela indirekt angedeutete hatte, sie sei zu ähnlichem fähig. „Und der wäre?“, hakte er dennoch nach. „Der Dämon hat hier die Kontrolle übernommen“, klärte Estela die anderen auf. „Unsere Verfolger haben ganz offenbar eine Person ausgesandt, ohne zu wissen, wie wenig diese ihre Kräfte kontrollieren kann.“ Dana hustete. „Was können wir tun?“ „Nichts.“ Alle Blicke wandten sich Mellryn zu, der gesprochen hatte. „Dieses Dorf ist verloren“, fuhr dieser fort. Dana hob verzweifelt die Hände. „Aber wir können doch nicht nur zusehen!“, protestierte sie. Mellryn sah sie aus seinem verbleibenden Auge traurig an. „Man kann nicht jeden Kampf gewinnen.“ „Dieses Dorf ist wie eine schwere Wunde“, meinte Estela. „Wir können lediglich das tun, was man mit einer Wunde macht: Wir brennen sie aus!“ Zack musste Dana förmlich hinter sich herschleifen. Die Elbenprinzessin wehrte sich nach Leibeskräften, als er versuchte, sie aus dem Ort fortzubringen. Der junge Mann hatte noch immer den feurigen Schatten vor Augen, der langsam hinter Estela aufgetaucht war. Zack musste Mellryn schweren Herzens zustimmen. Sie standen hier auf verlorenem Posten, denn dies war nun ein Kampf zwischen Dämonen. Der Gedanke an die getöteten Menschen und an das Dorf schmerzte. Er war sich so gut wie sicher, dass kein Stein auf dem anderen bleiben würde. Derart grübelnd, fiel ihm zu spät auf, dass er und Dana von den anderen getrennt worden waren. „Zack, wir müssen zurück!“, schnaufte Dana. Ihr Herz flatterte wie ein junger Vogel. Nachdem sie Estelas wahres Gesicht gesehen hatte, war sie noch verwirrter als zuvor. „Wir…" Aus den Augenwinkeln heraus erkannte Dana einen Schatten, der dem von Estela glich – ein blaues Feuer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)