Alles wird sich ändern von BinaLuna (denn die Zeit bleibt nicht stehen) ================================================================================ Kapitel 44: Im Dorf angekommen ------------------------------ Author: Bina-chan86 Part 44/? Dana versuchte mühsam, ihre rotbraunen Locken zu bändigen, als würde ihre Frisur in dieser Situation eine Rolle spielen. Schließlich besann sie sich und faltete ihre Hände nervös in ihrem Schoß – so als wüsste sie nicht, wohin sie sonst damit sollte. Mellryn entlockte ihre Reaktion ein Lächeln. Einen Moment lang schien er mit seinen Gedanken Welten von ihr entfernt zu sein. Dana hielt die Luft an. Langsam begann sie zu ahnen, woher Eravelles große Sorge rührte. Endlich neigte Mellryn den Kopf leicht zur Seite und sah sie an. „Diese schüchterne Handgeste… das hast du früher schon getan, als du noch ein kleines Mädchen warst.“ Erleichtert atmete Dana auf, aber was ihr Bruder gesagt hatte, stimmte sie auch nachdenklich. „Ich erinnere mich nicht mehr daran“, gestand sie zögerlich. Mellryn schüttelte den Kopf. „Du warst auch noch zu jung, um…“ „Nein, das ist es nicht“, unterbrach Dana ihn. „Ich meine, dass ich mich an kaum noch etwas erinnern kann aus der Zeit, als ich bei den Elben gelebt habe.“ Unschlüssig zog Mellryn die Augenbrauen zusammen, dann nickte er verstehend. „Dann hast du also auch an mich keine Erinnerung mehr“, sagte er ernst. „So etwas in der Art hatte ich schon befürchtet.“ Es kostete Dana einiges an Überwindung, aufzublicken. Aus Angst vor dem, was sie in Mellryns nachtblauen Augen sehen könnte. Doch überraschenderweise machte Mellryn nur ein grüblerisches Gesicht. „Vielleicht“, begann er, „hast du einen besseren Weg gewählt. Ich selbst bin an der Bürde der Ereignisse fast verzweifelt.“ Ein bitterer Ausdruck lag nun in seinen Mundwinkeln. „Ich wäre in der Tiefe meiner Trauer versunken“, korrigierte er sich dann selbst. „Wenn sie nicht gewesen wäre.“ Er nickte in Eravelles Richtung, die seelenruhig schlief. Der zärtliche Ausdruck kehrte in Mellryns Blick zurück. „Ich verstehe, was du damit sagen willst“, entgegnete Dana. „Auch ich wäre ohne meine Freunde wahrscheinlich verloren gewesen.“ Neugierig richtete sich Mellryn auf. „Erzähl mir von ihnen“, bat er. „Mae.“ Dana nickte und benutzte dabei unbewusst eine Zustimmung in elbischer Sprache. Die Gegenwart ihres Bruders rührte an ihrem verschütteten Erinnerungsvermögen und ließ sie die Gebräuche ihres Volkes erneut verwenden. „Jules ist im Grunde genommen ein herzensguter und freundlicher Mensch und ich glaube, dass er die harten Worte, die er in den letzten Tagen geäußert hat, nicht wirklich so meint“, erzählte Dana. „Lydia vermag es mit Worten Wunder zu vollbringen. Ihr liebendes Wesen lässt sie nicht den Mut verlieren. Alvar, er ist mein Lehrmeister. Mit seiner engelsgleichen Geduld hilft er mir meine Magie besser zu begreifen. Und Zack…“ Einen Augenblick lang hielt sie inne. „Seine Familie hat mich damals aufgenommen, und er stand mir immer zur Seite.“ Über Garim sprach sie bewusst nicht. Es gab so vieles, über das sie – ihn bezüglich – nachdenken musste. Ebenso konnte sie nicht über Estela berichten. Es gab nichts, dessen sie sich sicher sein konnte, was die Priesterin betraf, denn diese war so undurchsichtig wie Nebel. Ganz leicht schüttelte Dana den Kopf und wandte sich wieder dem Gespräch zu. „Im Gegenzug könntest du mir etwas von den Duáth berichten. Mir scheint, dass sie durch nichts ihre Hoffnung verlieren könnten.“ „Es ist nicht ganz so“, gab Mellryn zu bedenken. „Sie haben ebenfalls Zweifel, aber das ist nur verständlich, wenn man bedenkt, welche Verluste sie erlitten haben. Jedoch gab es selbst in den schwersten Zeiten immer etwas, an das sie glauben und für das sie kämpfen konnten. Das ist auch der Grund dafür, dass ich mich ihnen angeschlossen habe. Zunächst war ich ein wenig skeptisch. Oranor und in besonderen Maße Eravelle konnten mich nach und nach überzeugen. Ich sah einen Weg, doch noch alles zum Guten zu wenden oder zumindest Zeit zu gewinnen. Zeit für dich.“ Dana blinzelte überrascht. „Für mich?“ „Ja“, bestätigte Mellryn. „Du weißt von der Prophezeiung?“ „Man hat mir davon erzählt.“ „Inzwischen weiß ich, dass wir bisher nur Fragmente eben jener Prophezeiung aufgetan haben“, fuhr Mellryn fort und zitierte dann mit geschlossenen Augen, wie der Text weiterging: „Ein reines Herz – die Macht der Zeitalter Die Auserwählte wird zusammenführen Was ewig getrennt, Und das Schicksal aller bestimmen, Die in Zweifel ausharren.“ Dana runzelte die Stirn. „Was bedeutet das?“ Mellryn lächelte bloß sein unverbindliches, vielsagendes Lächeln. „Schlaf jetzt. Ein langer Tag liegt vor uns.“ Als die Sonne aufging, färbte sich die Ebene rot. Sogar der Schnee sah aus wie gefrorene Sonnenstrahlen. „Der Himmel ist klar. Es wird kalt werden, doch unser Ziel ist nah“, sagte Oranor. „Aber wir müssen euch warnen“, fügte Falmarin hinzu. „Einst vor vielen Jahren war dies eine Handelsroute, doch heute wird sie nur noch von den wenigsten benutzt – von denen, die nichts mehr zu verlieren haben. Man wird uns nicht aus dem Dorf fortschicken, aber man wird uns mit Misstrauen begegnen.g „Das sind ja schöne Aussichten“, seufzte Zack. „Schnell wirst du das vergessen haben, wenn du erst einmal in einem warmen Bett liegst“, vermutete Jules. Zum ersten Mal seit Langem breitete sich dabei ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. Spielerisch boxte Zack ihm in die Rippen. „Schon klar.“ Oranor übernahm die Führung, ohne dass man ihn darum bitten musste. Besonnen und erfahren wählte der wortkarge Elb seine Schritte. Er war sowohl als Krieger als auch als Führer jemand, auf den sich die Gruppe verlassen konnte. Dana gab sich derweil ganz ihren Grübeleien hin. Wann würden sich ihre Wege wohl trennen? Und würden sie einander wieder begegnen? Die Zukunft war ungewiss und doch war am Horizont ein Schimmer Hoffnung aufgetaucht. „Seht nur!“, rief Jules aufgeregt. „Man kann das Dorf schon erkennen.“ Estela streckte sich ausgiebig und wandte ihren Blick dann ebenfalls in die Ferne. „Nicht gerade der Ort, an dem ich mich niederlassen würde, aber immer noch besser als diese ungastliche Ebene.“ Zack sah sie überrascht an. „Von hier aus kannst du bereits etwas erkennen?“ Dass die Elben mehr sehen konnten, daran war er bereits gewöhnt, aber auch bei der Priesterin hörte er langsam aber sicher auf, sich über etwas zu wundern. Zack wartete keine Antwort ab, sondern ging weiter. Die Aussicht auf ein Dach über dem Kopf beschleunigte seine Schritte erheblich. Das Dorf zeigte sich der Gruppe grau im Licht des späten Nachmittags. Trostlose Gesichter blickten sie hin und wieder an, ohne wirklich Notiz von ihnen zu nehmen. Früher mochte dies ein lebhaftes Fleckchen Erde gewesen sein, auf dem sich Händler tummelten, doch heute hatte der Schwermut Einzug gehalten. „Ich habe einen Bärenhunger“, verkündete Zack. Spöttisch zog Estela einen Mundwinkel nach oben. „Warum wundert mich das jetzt nicht?“ Zack schnitt ihr eine Grimasse und sparte sich einen Kommentar. Oranor war vorangegangen und schlug den Weg zu einem der letzten verbleibenden Gasthäuser ein. Das Gebäude war dreistöckig und machte mit seiner steinernen Fassade einen soliden Eindruck. Lediglich das Dach schien auf den ersten Blick das ein oder andere Loch aufzuweisen. „Hoffentlich schlafen wir nicht unter dem Dach“, murmelte Dana. „Ich werde mich darum kümmern.“ Dana hatte das zwar nur dahin gesagt, aber Oranor nahm ihre Worte offenbar sehr ernst. „Äh, danke“, entgegnete Dana unsicher. Sanft umfing sie die Wärme eines Kamins, als sie über die Schwelle traten. Zwar war es nicht heiß, aber angenehm im Vergleich zu der klirrenden Kälte vor der Tür. Der Wirt war einen Moment lang so erstaunt, dass er sich nicht rührte. Anscheinend hatte er schon lange nicht mehr so viele Gäste in seinem Haus beherbergt. Nur vereinzelt saßen finster dreinblickende Männer an Tischen herum. Von denen straften die meisten sie mit Nichtachtung. Nur zwei vorwitzige Gesellen wandten sich Falmarin und Lydia zu, die ihnen am nächsten standen. „Was verschlägt so hübsche Mädels wie euch in diese verlassene Gegend?“, fragte einer von beiden. Seine schäbigen Kleider und die ungewaschenen Haare verliehen ihm ein ärmliches Aussehen, aber er war von beträchtlicher Größe. Angewidert verzog Falmarin das Gesicht. Eine Antwort war ganz offenbar unter ihrer Würde. Der andere Mann, der Kleinere von beiden, griff nach Lydias Handgelenk und grinste anzüglich. „Seid doch nicht so schüchtern.“ Nur einen Herzschlag später stand Alvar an Lydias Seite. Und dann tat er etwas, was ihm wohl kaum einer zugetraut hatte: Mit einem gezielten Schlag beförderte er den unverschämten Kerl auf den Boden. „Rühr sie nie wieder an!“, herrschte Alvar ihn wütend an. Jules zuckte unwillkürlich zusammen. Er fürchtete, dass sie sich nun Ärger eingehandelt hatten. Überraschenderweise geschah nichts dergleichen. Die anderen Anwesenden sahen kurz auf, kümmerten sich aber nicht weiter um sie. Die zwei Unruhestifter suchten derweil schnell das Weite. „Alvar?“, sprach Lydia ihren Beschützer an. Alvar atmete tief durch und nahm dann ihre Hand in seine. „Schon gut“, sagte er undeutlich. Unterdessen trat Oranor zu dem Wirt, um ihm seine Anliegen vorzutragen. „Wir brauchen Zimmer“, erklärte der Elb. „Für dreizehn Personen.“ „Sicher“, entgegnete der Wirt, der sich ihnen daraufhin als Tostig vorstellte. „Ihr sollt meine besten Zimmer haben.“ Oranor fürchtete zwar, dass die besten Zimmer auch nicht besser waren als alle anderen, aber er nickte höflich. „Das ist sehr freundlich von Euch.“ „Wie teilen wir die Zimmer auf?“, warf Calina in die Runde. „Lydia schläft bei mir.“ Alvar trat auf Tostig zu und ließ sich von diesem einen Schlüssel übergeben. Der Rest der Gruppe schaute Alvar nach, der Lydia hinter sich herzog. „Was war das denn gerade?“, wunderte sich Jules, der als Erster die Sprache wieder fand. Dana grinste in sich hinein. „Alvar mag es wohl nicht, wenn jemand anderes Lydia anrührt.“ Zack nickte fassungslos. „Sieht ganz danach aus“, musste er zugeben. „Ich hätte nicht gedacht, dass er mal derart die Nerven verlieren würde.“ „Die Liebe geht manchmal seltsame Wege“, ließ sich Falmarins melodiöse Stimme vernehmen. Lydia schwieg, weil sie keine Ahnung hatte, was sie sagen sollte, um Alvar zu beruhigen. Es kam nur selten vor, dass ihr komplett die Worte fehlten. Alvar war es schließlich, der das Schweigen brach, als er die Zimmertür hinter sich geschlossen hatte. „Tut mir leid“, seufzte er. „Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Damit wollte ich dich nicht erschrecken.“ Er setzte sich aufs Bett und schaute sich in dem Raum um. Dieser war klein, hatte aber zwei voneinander getrennte Betten und war relativ sauber. Will er sich jetzt ablenken?, fragte sich Lydia im Stillen. Plötzlich hob Alvar den Kopf. „Ich habe dich nicht einmal gefragt“, begann er – beinah schüchtern. „Aber ich wollte dich hier nicht allein lassen.g Lydia rang mit sich und ließ sich dann neben ihm nieder. „Ich weiß. Und ich nehme es dir nicht übel.“ Es war nicht weiter verwunderlich, dass Lydia an das erinnert wurde, was sie sich bei den Azi Dahaka selbst geschworen hatte. Sie waren allein und doch fand sie nicht die richtigen Worte und den günstigsten Moment. Alvar strich ihr leicht über die Wange. „Es tut mir wirklich leid. Wir könnten immer noch die Zimmer tauschen?“ Er sah ihr direkt in die Augen und hoffte inständig, dass die Antwort darauf ‘Nein’ lauten würde. „Ich muss dir etwas sagen.“ Lydia erwiderte seinen Blick und in der Sekunde wurde ihr klar, dass es nicht die richtigen Worte oder den günstigsten Moment gab – es gab nur die Worte und das Jetzt. „Ich liebe dich!“ End of Part 44 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)