Walk on the Edge von ChogaRamirez (Arkham City) ================================================================================ Kapitel 5: Was springt für mich dabei raus? ------------------------------------------- Die Schritte des Jokers lenkten ihn ziellos durch den Stadtteil in »Arkham City«, der unter seinem Refugium stand. Die frische, wenn auch neblige und feuchte, Luft wirkte sich förderlich auf seinen Kopf aus. Er konnte schon immer besser nachdenken, wenn er draußen war und sich ein wenig bewegen konnte. Seit Tagen, wenn nicht gar Wochen, hatte er das Stahlwerk nicht mehr verlassen und jetzt hier draußen auf den Straßen des »Industrial Districts« fühlte er sich seit langer Zeit wieder lebendig. Harley hätte vermutlich einen mittelschweren Anfall bekommen, wenn sie wüsste, dass er sich hier draußen herum trieb, anstatt in seinem Büro zu sitzen und sich zu schonen. Bei dem Gedanken an sie, wurde er zwangsläufig daran erinnert, dass sie sich in der Gewalt von Cobblepot befand und es machte den Joker von einer Sekunde auf die Andere unglaublich wütend. Unwillkürlich ballte er die Fäuste und umschloss seinen Gehstock mit einem eisernen Griff. Seine fest aufeinander gebissenen Kiefer zeigten deutlich, unter welcher Anspannung er stand. Noch hatte er keinen hieb- und stichfesten Plan, wie er es dem Pinguin heimzahlen wollte, dass er sich an seinem Eigentum vergriffen hatte. Nur Eines stand für ihn zweifelsfrei fest: Er wollte Cobblepot leiden lassen. ♦ ♦ ♦ ♦ ♦ Nachdem er sich das Video angesehen hatte, was ihm der vogelverrückte Spinner von der anderen Seite des »Wonder Towers« hatte zukommen lassen, war der Joker so wütend geworden wie schon lange nicht mehr. Nicht einmal Batman hatte es während seines Aufstandes im »Arkham Asylum« geschafft, ihn so dermaßen zu provozieren. Er war versucht gewesen, sein Büro in Schutt und Asche zu zerlegen, war aber stattdessen in die Werkhalle gegangen, wo eine Gruppe seiner Handlanger gerade ein Schwätzchen hielt. Dass diese dummen, nichtsnutzigen Hurensöhne sich hier auf die faule Haut legten, anstatt ihren Teil zu seiner endgültigen Ergreifung der Macht in »Arkham City« beizutragen, machte ihn nur noch wütender. Mit einem falschen Lächeln auf den Lippen schritt er gemächlich auf die Gruppe zu. Er legte mit voller Absicht eine wiegende Bewegung in seinen Gang, um seine Männer in Sicherheit zu wiegen. Sie sollten erst ganz zum Schluss merken, wie trügerisch diese Sicherheit doch war. Dieser Gedanken ließ ihn vor Vorfreude innerlich grinsen. Als sie ihren Boss bemerkten, sprangen alle fünf Handlanger auf und nahmen Haltung an. Der Joker nahm das zufrieden zur Kenntnis. Immerhin waren diese Tölpel intelligent genug, um ihm ihren Respekt zu zollen. Nicht viel, aber wenigstens etwas. Er umrundete sie mit langsamen Schritten und musterte jeden Einzelnen ganz genau. Anhand ihrer angespannten Haltung war ihnen sehr deutlich anzumerken, dass sie sich unter seinen prüfenden Blicken mehr als unwohl fühlten. Sie fühlten sich anscheinend wie Kinder, die mit der Hand in der Keksdose erwischt wurden. Und so falsch war dieser Vergleich auch nicht, immerhin hatte er sie dabei erwischt, wie sie herum lungerten und sich schmutzige Witze erzählen. Nachdem der Joker die Gruppe einmal umrundet hatte, blieb er neben einer der großen Holzkisten stehen, die unter anderem in dieser Halle gelagert wurden. In einigen Kisten waren Ausrüstungsgegenstände enthalten und viele seiner Männer nutzen sie als Tische für ihre Pokerrunden. In anderen Kisten befanden sich Waffen und genau so eine Kiste öffnete er. Sicher gebettet auf Holzwolle lagen mehrere Micro-Uzis und warteten auf ihren Einsatz. Spielerisch griff der »Clown Prince of Crime« nach einer der Maschinenpistolen und betrachtete sie eingehend. Während er sie sich von allen Seiten besah, nickte er immer wieder anerkennend. "Die neuste Lieferung?", fragte er, ohne seine Männer auch nur eines Blickes zu würden. Mit einem kurzen Seitenblick registrierte der Joker das fast schon schüchterne Nicken des Mannes, der wohl den Anführer dieser Gruppe darstellen sollte. Der Joker erwiderte das Nicken und entsicherte die Maschinenpistole. Dank des geringen Gewichtes der Waffe von ziemlich genau zwei Kilogramm war es für ihn kein Problem, trotz seines schwächer werdenden Körpers, sie sicher mit einer Hand zu führen. Probeweise legte er auf den vermeintlichen Anführer der Gruppe an und ließ die Hand nach einigen Sekunden wieder sinken. Die Erleichterung darüber stand dem Mann deutlich ins Gesicht geschrieben. Für einen Moment sah es so aus, als ob er die Micro-Uzi zurück in die Kiste legen wollte, doch nur einen Sekundenbruchteil später hob er die Hand, hatte den Finger am Abzug und feuerte mit einem irren Lachen eine Salve in die Körper der Männer. Die Kugeln bohrten sich mit einer Geschwindigkeit von 1.700 Schuss pro Minute durch weiches Fleisch und Knochen. Auch noch Sekunden nachdem die leblosen, durchsiebten Körper stark blutend auf dem Boden aufschlugen, nahm der Joker nicht den Finger vom Abzug. Er hatte gerade eine Mordsfreude daran, seine Wut auf diese Art und Weise zu kanalisieren. Erst als das Magazin leer war, warf er die Maschinenpistole achtlos zur Seite, stieg ohne sie eines Blickes zu würdigen über die toten Körper seiner Handlanger, unter denen sich eine immer größer werdende Blutlache bildete und verließ mit einem vergnügten Pfeifen die Halle. Sein Weg führte ihn durch die Gänge des Stahlwerkes bis nach draußen. Er ignorierte die merkwürdigen Blicke, die ihm seine Männer zuwarfen, die vor dem Gebäude patrouillierten. Aber es war ihm herzlich egal, was diese Dummköpfe dachten. Sollten sie sich doch das Maul darüber zerreißen, ob er wirklich so todkrank war, wie es die Gerüchte vermuten ließen. Er hatte momentan schlicht und ergreifend wichtigere Probleme, als diesen Einfaltspinseln zu demonstrieren, zu was er noch in der Lage war. Spätestens, wenn sie ihre toten Kumpane in der Fertigungshalle fanden, würden auch die letzten Idioten kapieren, dass sie ihn immer noch zu fürchten hatten. ♦ ♦ ♦ ♦ ♦ Wie lange er nun schon im »Industrial District« herum lief, konnte er nicht mit Sicherheit sagen und eigentlich war es ihm auch völlig egal. Er musste unbedingt einen genialen Plan schmieden, wie er Cobblepot wirkungsvoll eine Lektion erteilen konnte. Einfach seine Männer in die »Bowery« zu schicken und das Museum, in dem sich der Pinguin versteckte, zu stürmen, war keine Option, denn das Vogelhirn würde sicher damit rechnen, dass sich der Joker zu dieser Aktion hinreißen ließ. Während er das weitere Vorgehen plante und seine Gedanken langsam Form annahmen, bemerkte er nicht, wie er den »Industrial District« verließ und die »Amusement Mile« betrat. Er war viel zu vertieft in seinen Gedanken, um der Umgebung die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. "Sieh mal einer an, wer sich da in diese Ecke verirrt hat." Der Joker blieb abrupt stehen, als er diese blasierte Stimme über sich hörte, die ihm wohl bekannt war. Er stütze sich auf seinen Gehstock, atmete kurz tief durch und drehte anschließend den Kopf so, dass er den Ursprung der Stimme sehen konnte. Ein Knurren entwich seiner Kehle, als er feststellen musste, dass ihm seine Ohren keinen Streich gespielt hatten. Dieser herablassende Tonfall, der jedem seiner Worte beiwohnte. Dazu dieser auffällige grüne Anzug, auf dem wahllos unzählige Fragezeichen angeordnet waren und dem Joker einen kalten Schauer über den Rücken jagte, weil diese Farbe fast schon in den Augen weh tat. Das arrogante Grinsen im Gesicht und das überhebliche Funkeln in den Augen, die hinter violett getönten Brillengläsern versteckt waren. Es war unverkennbar der Riddler, der ihn von oben herab angrinste. Er befand sich zwei Stockwerke über der Straße auf dem Absatz einer Feuerleiter und stützte sich lässig auf dem Geländer mit den Unterarmen ab. "Ich hätte nicht gedacht, dass du dich nochmal außerhalb deiner heiligen vier Wände blicken lässt. Immerhin kann man dir ja dabei zusehen, wie du immer mehr vor die Hunde gehst." Das hatte dem Joker gerade noch gefehlt: Eine Diskussion mit dem notorischen Besserwisser Edward Nigma. Das großspurige Gehabe des Riddlers war ihm schon immer ein Dorn im Auge gewesen und er war froh gewesen, als er nach seiner Flucht aus dem provisorischen »Arkham Asylum« Nichts mehr mit diesem Klugscheißer zu tun haben zu müssen. Das er ihm jetzt in »Arkham City« über den Weg lief, setzte diesem unsäglich miesen Tag die Krone auf. "Du warst auch schon mal gesprächiger, Jack. Sind dir etwa die Pointen ausgegangen?" Erneut knurrte der Joker und am liebsten hätte er dem Riddler das überhebliche Grinsen aus dem Gesicht geschlagen. Wie er es doch hasste, wenn ihn Jemand mit diesem Namen ansprach. Doch zum Einen war der von Rätseln besessene Kerl außerhalb seiner Reichweite und zum Anderen hatte er wirklich andere Probleme, als sich mit diesem Typen herumzuärgern. Resigniert seufzte der Joker, ignorierte das großspurige Grinsen und setzte seinen Weg fort. Nur weg von diesem arroganten Schnösel, der sich für etwas Besseres hielt und ihm tierisch auf die Nerven ging. "Was denn? Jetzt sag nicht, dass du keine Zeit für eine nette kleine Plauderei hast. Aber du willst sicher sofort zum Museum und mit Cobblepot reden. Du weißt schon, dass das der falsche Weg ist?" Abrupt blieb der Joker stehen und drehte sich erstaunt um. Der Riddler grinste ihn wissend an und deutete mit dem Ende seines Gehstocks, das die Form eines sehr eckigen Fragezeichens hatte, in die entgegengesetzte Richtung, in der das Naturkundemuseum lag. Für einen Moment fehlten dem Clown die Worte. Woher zum Teufel wusste dieser grüngekleidete Wichtigtuer von seiner Privatfehde mit dem Pinguin? "Überrascht? Tja, ich bin manchmal auch ganz erstaunt darüber, wie unfassbar intelligent ich doch bin." Frustriert knirschte der Joker mit den Zähnen, zog es aber vor, weiterhin zu schweigen. Schließlich wollte er diesem selbstgefällig grinsenden Spinner keine weitere Munition liefern. Einen kurzen Moment dachte er dann doch über die Worte des Riddlers nach. Der Typ hatte überall seine Finger mit im Spiel und eigentlich war es nicht weiter verwunderlich, dass er bestens über alle Geschehnisse in »Arkham City« informiert war. "Hat dir das ein Vögelchen gezwitschert, Eddie?", ließ sich der Joker schließlich doch noch zu einer Antwort hinreißen. "Die Frage sollte eher lauten, wohin dein Vögelchen verschwunden ist. Zieht sie neuerdings die Gesellschaft anderer Vögel deiner liebreizenden Anwesenheit vor?" Wütend stieß der Joker das untere Ende seines Gehstock auf den Boden und funkelte den Riddler angriffslustig an. Dieser Typ ging im mächtig auf den Keks und er würde ihn am liebsten einfach so stehen lassen – oder alternativ mal ordentlich die Leviten lesen. Das Problem war nur, dass der aufgeblasene Grashüpfer allem Anschein nach mehr Informationen besaß, als dem Joker lieb sein konnte. Vielleicht sollte er versuchen, Eddies Ego zu schmeicheln und ihn damit dahingehend zu provozieren, dass er seine Informationen preisgab. "Also, mein Bester ... Wie sieht denn dein Plan aus, Harley bei Cobblepot rauszuholen? Willst du einfach kopflos rein marschieren und damit blindlings in Oswalds Falle tappen? Oder bevorzugst du einen ausgeklügelten Plan, der Aussicht auf Erfolg hat?" Das Grinsen im Gesicht des Riddlers war verschwunden und hatte einer ernsten Miene Platz gemacht. Der Joker konnte deutlich den interessierten Blick seines Gesprächspartners auf sich spüren, der ihm ein wenig das Gefühl gab, einer niederen Spezies anzugehören. Der Joker wusste, dass seine Pläne nicht von schlechten Eltern waren, doch der Riddler war bekannt dafür, dass seine Strategien so ausgereift und detailliert waren, dass er eigentlich nicht scheitern dürfte. Wenn da nur nicht seine Obsession wäre, ständig Alles in diese dämlichen Rätsel zu verpacken und sich deswegen immer wieder von der Fledermaus fangen zu lassen. "Wenn du so intelligent bist, dann weih mich doch in deinen genialen Plan ein", erwiderte der Joker mit einem genervten Augenrollen und einem mindestens genauso genervten Unterton in der Stimme. Erneut grinste ihn der Riddler amüsiert und gleichzeitig unglaublich arrogant an. Er schnalzte ein paar Mal mit der Zunge und schüttelte gleichzeitig langsam den Kopf. "Nicht doch, Jack. Du denkst doch wohl nicht wirklich, dass ich einen absolut perfekten Plan entwerfe und ihn dir einfach so überlasse?" Edward lachte kurz humorlos auf und grinste noch breiter. "Das denkst du wirklich, nicht wahr? Irgendwie ist das ja süß." Das Zwinkern, welches der Riddler für ihn übrig hatte, brachte das Fass zum überlaufen. Gereizt knirschte er mit den Zähnen und schloss seine Hand so fest um den Knauf des Gehstockes, dass die Fingerknöchel in den Handschuhen sicherlich weiß hervor traten. "Komm endlich zum Punkt, Riddler!", blaffte der Joker. Ihm riss nun langsam endgültig der Geduldsfaden. "Lass deine neunmalklugen Sprüche und sag mir, was du weißt, verdammt noch mal!" "Nicht in diesem Ton", erwiderte Edward mit einer Ernsthaftigkeit in der Stimme, die beinahe schon an Batman erinnerte. "Nehmen wir für einen kleinen Moment an, ich würde dir wirklich helfen: Was springt für mich dabei raus?" Verblüfft starrte der Joker ihn für ein paar Sekunden sprachlos an. Dass der Riddler ihm jetzt mit dieser Tour kommen würde, hatte er nicht erwartet. Eigentlich hätte ihm klar sein müssen, dass in »Arkham City« niemand auch nur einen Finger krumm macht, ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen. Warum sollte der Riddler auch eine Ausnahme sein? "Wenn du es nicht für mich machen willst, dann tu es für Harley! Ihr seid Freunde, also ist es deine Pflicht, ihr zu helfen!" Der Riddler seufzte theatralisch, richtete sich auf und klemmte sich seinen Gehstock unter den Arm. "Nein, dass ist für mich kein ausreichender Grund. Ich bin schließlich nicht die Wohlfahrt", meinte er lapidar, drehte sich um und erklomm die Stufen zum nächsten Absatz der Feuerleiter. Fassungslos musste der Joker mit ansehen, wie sich Edward Nigma einfach so aus der Affäre stehlen wollte. Er musste etwas tun, denn alleine würde er es nicht schaffen, dem Pinguin den entscheidenden Schlag zu versetzen. "Du hast was gut bei mir!", rief er dem Riddler in einer Lautstärke hinterher, die er unmöglich überhören konnte. Es wirkte auch, denn Edward blieb auf einer Stufe stehen und drehte sich mit einem überheblichen Lächeln, das bei ihm anscheinend festgewachsen war, zu ihm um. "Also wenn das so ist ...", sagte er lang gezogen und stieg die Stufen, die er gerade hinauf gestiegen war, wieder hinunter. "In dem Fall könnte ich dir wirklich behilflich sein." Er stieg weitere Stufen hinab, um den nächsten Absatz der Feuerleiter zu erreichen. "Und ich hoffe wirklich, dass du noch lange genug leben wirst, um dich bei mir zu revanchieren." Es folgten weitere Stufen und schließlich waren der Riddler und der Joker auf derselben Augenhöhe. Geschickt wirbelte Edward seinen Gehstock um die eigene Achse, während er auf den Joker zuschritt. "Was willst du?", knurrte der Clown, nachdem Edward breit grinsend vor ihm stehen geblieben war. "Das werde ich dir bei der passenden Gelegenheit mitteilen, Jack. Aber fürs Erste möchte ich uneingeschränkten Zutritt zum »Industrial District«." "Meinetwegen ...", erwiderte der Joker und machte dabei ein Gesicht, als hätte er dem Riddler gerade das Stahlwerk geschenkt. "Wunderbar!", rief Edward. Er hielt seinem Gegenüber die Hand hin und nach kurzem Zögern schlug der Joker auf den dubiosen Deal ein. Anschließend fischte der Riddler ein zusammengefaltetes Papier aus einer Tasche seines Jacketts und reichte es weiter. "Mach dich schon mal mit dem Grundriss des Museums vertraut. Wir treffen uns in einer Stunde an der alten U-Bahn-Haltestelle an Jervis' Hutgeschäft. Bring so viele deiner Leute mit, wie du entbehren kannst." "Und was machst du in der Zwischenzeit?", fragte der Joker misstrauisch. Er traute dem Riddler nicht über den Weg. Edward grinste. "Ich habe noch zu tun. Wir können schließlich noch ein bisschen Verstärkung gebrauchen, nicht wahr?" Mit einem unintelligenten Blick ließ er den Joker in der Seitengasse stehen und schlenderte mit bester Laune davon. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)