White Christmas von Shelling__Ford (Der Geist den er nicht rief) ================================================================================ Kapitel 1: Eins --------------- Eins Minus × Minus = Plus Überraschung!!! *breitgrins* Hallo alle miteinander, Warum das ganze? Ganz einfach, zum einen wollte ich mich schon immer mal an so etwas versuchen (gehört wohl in jede FF-Sammlung eines DC-Autoren ^.~) Aber first an foremost, ist dieser OS als eine kleine Überraschung an meine Beta gedacht! Gut ^^, überraschen kann es nur noch weil ich ja auch wen brauch, der das hier Korrigiert und diesen Part hat übernommen. Natürlich wird er dennoch ganz überrascht tun wenn er das liest, nicht wahr ;] ? Jedenfalls *hust* möchte ich mich bei den beiden hiermit offiziell und vielmals bedanken. Und sollten euch meine kleinen Gesichten gefallen gilt euer Dank wohl auch ihnen ^^, Ohne die beiden gäbe es durch meiner Rechtschreibung, nichts von mir zu lesen. In diesem Sinne nochmals vielen Dank an , auch für die stetige Korrektur dieses Monsters von „Lost in Time“. Und an nicht zu Letzt auch für diesen OS und die Beratung dazu ;) Dankeeeee!! So… jetzt hoff ich natürlich das euch der Inhalt gefällt, denn der is natürlich auf meinem Mist gewachsen ^^, Viel Spaß, eure Shelling__Ford Ihre Schritte hallten einsam auf der Straße wider, der Beton war von der Sonne aufgeheizt und kratzte unter ihren Sohlen. Ran aber hatte es nicht besonders eilig, ruhig machte sie einen Schritt nach dem Anderen. Sie hatte schon längst damit aufgehört… ihm hinterher zu laufen. Die Oberschülerin seufzte, ehe sie inne hielt und den Kopf in den Nacken fallen ließ. Ihre Haarspitzen kitzelten ihre Schultern und die wärmende Frühlingssonne brannte angenehm auf ihrer Haut. Vor lauter Licht konnte sie den blauen Himmel kaum erkennen. Das Schlucken fiel Ran schwer, der Kloß in ihrem Hals verriet ihre Unruhe und ließ die Oberschülerin wieder zu Boden schauen, während vor ihren Lidern die bunten Nachbilder der Sonne tanzten. Seit zwei Wochen war er nun schon wieder da. Er saß wieder an seinem alten Platz im Klassenzimmer, verschwand nicht mehr plötzlich nach dem Unterricht und war jeden Morgen zu Schulbeginn erneut da. Und doch fehlte ihr etwas… Er fehlte ihr. Die Oberschülerin drückte ihre Schultasche fest an sich, setzte ihren Weg steifen Schrittes fort. Der „Fall“, an dem Shinichi gearbeitet hatte, war zu Ende und hatte sich nicht zuletzt auch für die Medien als ganze Verbrecherorganisation entpuppt, an dessen Zerfall der Oberschülerdetektiv, der „Sherlock Holmes des neuen Jahrtausends“, Shinichi Kudo… nicht ganz unbeteiligt gewesen war. Die Lieblingsnachrichtensprecherin ihres Vaters hatte sie aufgeklärt, sie konnte sich noch genau daran erinnern, was sie gekocht hatte und welches Stückchen ihres Essens ihr im Halse stecken geblieben war, als die Nachricht im Fernsehen bekannt wurde. Er selbst hatte ihr nichts gesagt. Nie. Während die ganze Bandbreite der Organisation in den Medien mehr als plastisch dargestellt wurde, waren in ihrem Innern die Gefühle ineinander verschwommen. Verrat – Warum hatte er es ihr nicht selbst gesagt? Verständnis – Deswegen die Geheimniskrämerei. Aber vor allem… Angst. Sie hätte ihn verlieren können, so oft, so schnell, ohne dass sie überhaupt wusste, wo sie nach ihm hätte suchen sollen. Er wäre einfach verschwunden. Ihre Finger waren zu ihrem Handy gehuscht, hatten seine Nummer gewählt, noch ehe ihr Verstand ihr die Zahlen vorgegeben hatte. Das Freizeichen hatte laut und immer wiederkehrend auf sie eingehämmert, der donnernde Ton der leeren Leitung war das einzige, an das sich Ran von diesem Zeitpunkt an noch erinnerte. Die Panik in diesem Moment hatte ihr Gedächtnis gelöscht. Erst ihr Vater hatte ihr später begreiflich gemacht, dass sie in das stumme Telefon geschrien, geflucht und geweint hatte, während er von der Reaktion seiner Tochter überrumpelt, versucht hatte, Megure an die Strippe zu bekommen, um für sie etwas über diesen Möchtegern Detektiv heraus zu finden. Als Megure ihnen endlich bestätige, dass es Shinichi Kudo gut ging, erinnerte sie sich daran wie ihr Herz kurz aussetzte, wie die Wut und Angst um ihn in einem warmen Schauer langsam aus ihr hinaus sickerte und nichts weiter als pure Erleichterung hinterließ, die sie direkt in Morpheus' Arme getrieben hatte. Die nächsten Tage waren von Bangen, Hoffen und Warten geprägt gewesen. Von Mitschülern und Reportern, die sie nach ihm befragten. Von unzähligen Nachrichten auf seiner Mailbox und von einem ziemlich genervten Megure, der ihr immer wieder beteuerte, dass er ihr auch nicht mehr sagen konnte. Es passierte nichts… Bis er einfach wieder da war, ein wenig verspätet in den Unterricht rein platzte und sich auf seinen Platz setzte, als wären die letzten anderthalb Jahre nicht gewesen. Doch wer sich den Detektiv genauer ansah, erkannte, dass das so nicht stimmte. Für Ran waren es nicht die offensichtlichen Sachen, nicht der Zentimeter, den er gewachsen war, nicht seine zu hagere Statur, oder sein blasses Gesicht, nicht die Blessuren und das leichte Humpeln... sondern seine Augen. Es war sein Blick, der ihr verriet, dass es diese Zeit dazwischen gab. Die Zeit zwischen Shinichi Kudo, den sie kannte und… ihm. Noch immer bescherte Shinichis Blick Ran eine Gänsehaut, doch dieser erste Moment in der Klasse, in dem sie ihn nur stumm angesehen hatte, war der, in dem ihr klar wurde, dass etwas nicht stimmte… denn Shinichi schaute nicht zurück. Sein Blick haftete abwechselnd auf der Tafel oder auf seinem eigenen Schreibpult, auch heute war es so gewesen. Er vermied sie regelrecht. Ran schluckte, strich sich eine ihrer haselnussbraunen Strähnen hinters Ohr, während sie drauf wartete, dass die Fußgängerampel auf grün umsprang und sie endlich weiter gehen konnte. Er vermied es so gut es ging, mit ihr alleine zu sein, natürlich hatte er mit ihr geredet, doch Ran hatte schnell das Gefühl, dass das nette hin und her zwischen ihnen mehr seiner Höflichkeit geschuldet war als wirklichem Interesse. Am Anfang hatte sie noch glauben wollen, dass es an dem Fall lag, dass er einfach viel durchgemacht hatte und nicht darüber reden wollte, doch je mehr Zeit verging, desto mehr Fragen rutschten ihr heraus und desto harscher wurden seine Antworten. Er hatte sie nicht angeschrien und würde es vermutlich auch nicht, doch seine Stimme und seine Art und Weise hatten ihr mehr als klar gemacht, dass er nicht darüber reden wollte. Erst recht nicht mit ihr. Shinichi war der erste, der nach der letzten Stunde das Schulgelände verließ. Offensichtlich hatte er sich ein paar Abkürzungen gesucht, um sie selbst mit seinem lädierten Bein abhängen zu können. Es war ganz offensichtlich, er wollte nicht mit ihr zusammen sein. Ran holte Luft, sie spürte, wie der Schmerz in ihrer Brust ihr das Atmen beinahe unmöglich machte. Das alles war so falsch, so absolut falsch! Er konnte ihr nicht in die Augen sehen, ignorierte und vermied sie. Shinichi tat so, als wäre London nie passiert. Als hätte er nie… Die Oberschülerin seufzte, schüttelte abwehrend den Kopf. Sie hatte mit Sonoko darüber geredet, vielleicht hatte sie sich das ja auch nur alles eingebildet, vielleicht hatte sie seine Worte falsch verstanden, so verstanden wie sie sie verstehen wollte. Natürlich war ihre beste Freundin da anderer Ansicht gewesen. Sonoko suchte die Schuld bei ihm, „vielleicht hat ihm der Fall den Verstand vernebelt“, „der weiß eben nicht was er an dir hat“ waren nur einige ihrer Aussagen gewesen. Die vermeintlich beste Idee der künstlichen Blondine war es, ihn mit einem Date für Ran auf die Palme zu bringen, sie aber konnte sich nicht wirklich für diese Idee begeistern. Shinichi sah aus, als hätte man ihm wehgetan und das letzte, was sie wollte, war etwas dazu beitragen, vorausgesetzt, es würde ihn überhaupt interessieren. Ein helles Lachen ließ die Oberschülerin inne halten, ihr Blick wanderte zu dem Spielplatz, an dem sie beinahe täglich vorbei ging. Eine Gruppe Grundschüler hatte die verschiedenen Spielgeräte für sich in Beschlag genommen und quietschte laut vor Freude beim Toben. Auf Rans Lippen erschien ein blasses Lächeln, wie ein Geist aus der Vergangenheit haftete es auf ihren Zügen, ehe ihre Lippen seinen Namen formten. Conan. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass sie den Kleinen so vermissen würde, dabei wünschte sich Ran im Moment nichts sehnlicher, als den Grundschüler bei sich zu haben. Ein zarter Roséton schimmerte auf ihren Wangen, irgendwie schämte sie sich dafür, dass ihr Verstand gerade jetzt nach dem kleinen Jungen mit Brille verlangte. Schließlich waren ihre Sorgen nicht gerade das, was man mit einem Kind besprechen sollte. Er war wieder bei seinen Eltern, also sollte sie sich für ihn freuen. Allerdings hatte Conan immer ein offenes Ohr für sie gehabt… und ihr irgendwie immer das richtige geraten. Im Gegensatz zu Sonoko hatte er sich ihre Gedanken immer in Ruhe angehört und dann in gewohnt kindlicher Manier eine Antwort gegeben, aus der die meisten Erwachsenen nur schlau wurden, wenn sie ganz genau hin hörten. Wie ein weiser Mönch, der die Wahrheit in Rätsel und Reim versteckte, hatte auch Conan seinen Rat stets so formuliert, dass man ihn nur entdecken konnte, wenn man ihn auch befolgen wollte. Ran schmunzelte, schüttelte leicht amüsiert den Kopf, ehe ihr Blick erneut zu den Grundschülern glitt. Dennoch spürte die Oberschülerin, wie sich ihr Magen bei dem Gedanken an den kleinen Jungen mit Steinen füllte. Sie sollte so froh sein, er war endlich wieder bei seinen Eltern, da wo ein Kind sein sollte und doch… wünschte sie sich nichts mehr, als ihn jetzt hier zu haben. Denn immer, wenn Conan in ihrer Nähe war, hatte Ran auch das Gefühl, einen winzigen Teil von Shinichi bei sich zu haben. Im Moment aber fehlten ihr beide. Im Moment… war sie allein. Mit einem Seufzen ließ er sich gegen die Haustür sinken, das Pochen in seinem Bein hallte im Takt seines Herzschlags, zum Glück kannte er Tokio wie seine Westentasche, während sich Ran leicht in den Windungen und Gassen der Stadt verlor durch die sie ihm folgte. Es wurde immer leichter Ran abzuhängen, wahrscheinlich, weil sie es langsam aufgab, ihm nach zu laufen. Ihn langsam aufgab. Doch allein der Gedanke daran stieß ihm bitter auf, verriet seinem Verstand, dass ein anderer Teil seines Körpers ganz und gar nicht mit seinem „großartigen“ Plan einverstanden war. Shinichi schüttelte den Kopf, stieß sich von der Tür ab und schleppte sich zur Bibliothek, wo er sich in einen der schweren Sessel fallen ließ und die Ruhe zwischen den dicken Wänden aus Papier genoss. Er zog den Duft der bedruckten Werke in sich auf und versuchte mit der Luft in seiner Lunge seinen Kopf frei zu spülen. Doch der Geruch von Wahrheit und Gerechtigkeit in den Kriminalromanen um ihn herum ließ einen bitteren Geschmack auf seiner Zunge zurück. Die Wahrheit… Der Detektiv schluckte, grub die Finger tiefer in die Armlehne des Sessels. Er hatte geglaubt ihr, wenn die Organisation erst einmal besiegt war, alles sagen zu können. Alles. Aber die Dinge hatten sich geändert. Er hatte sich geändert. Heiji, Shiho und die anderen schüttelten nur den Kopf über sein Benehmen, und doch wagte keiner, ihm zu widersprechen. Den Shinichi Kudo, auf den Ran wartete, gab es nicht mehr. Ran wusste nicht, wie knapp sie den Fängen der Organisation entgangen war, und wenn es nach ihm ging, sollte sie es auch niemals erfahren. Zwar hatte er die schwarzen Schatten mit Hilfe des FBIs endlich bezwungen. Doch wusste Shinichi, dass die Organisation nicht die letzte Gefahr gewesen sein wird, in die er sie bringen konnte. Außerdem würde ihr nahe sein bedeuten, endlich mit seinen Lügen aufzuräumen und genau das war es, was ihm noch zusätzlich Angst machte. Denn die Sache mit Conan würde Wunden aufreißen, die vermutlich niemals heilen konnten. Und selbst wenn sie ihm all das verzeihen könnte, wusste er nicht, ob er es auch konnte… Es war zu viel passiert und es gab viel zu viel, was noch passieren konnte. Seine Tage in den Klauen der Organisation hatten das deutlich gemacht. Diese Gefahren würden sich vermutlich nie ändern und das bedeutete, dass sich seine Gefühle für Ran ändern mussten. Er konnte ihr das nicht antun. Er konnte ihr den Schmerz nicht zumuten, den das Wissen um alles, was in den letzten Wochen und Jahren passiert war, mit sich bringen würde. Denn was hatte es für einen Sinn, sie vor allem beschützt zu haben, wenn er es jetzt sein sollte, der sie verletzte? Shinichi fühlte sich leer, die Aufgabe, die er die Zeit über hatte, war auf einmal verschwunden und mit ihr scheinbar auch die Chance auf den Sieg, den er sich erhofft hatte. Denn, auch wenn er die Organisation geschlagen hatte, blieb er doch mit leeren Händen zurück. Denn die größte Bedrohung, die es für Ran jetzt noch gab, war er selbst… Die Oberschülerin blieb vor der Detektei stehen, fröstelte, als ein kühler Windzug ihr über die Arme strich und die kleinen Härchen dort elektrisierte. Ihr Vater hatte sich heute zu seiner wöchentlichen Mahjonggrunde abgeseilt, denn seit Conan nicht mehr bei ihnen war, schien das Glück den schlafenden Kogoro verlassen zu haben. Was diesen momentan dazu bewegte, anderen Dingen, wie zum Beispiel dem Bierdosenboden auf den Grund zu gehen. Ohne ihn und Conan war die Wohnung leer und Ran wusste nicht, wie und ob sie diese Einsamkeit noch lange ertragen konnte. Sie atmete tief ein, machte die ersten Schritte die Treppe hinauf zur Wohnung, fischte ihren Schlüsselbund aus der Schulmappe und machte am Briefkasten halt. Die Schlüssel klimperten, erzeugten eine viel zu fröhliche Melodie in ihren Ohren und der Anhänger, den Shinichi ihr in der Mittelstufe geschenkt hatte, grinste sie mit seinem falschen Plastiklächeln an. Ein einsamer Brief zierte neben zahlreichen Werbeannoncen den kleinen metallenen Kasten. Die Oberschülerin runzelte die Stirn, als sie die den Namen auf dem Umschlag und dann die fehlende Briefmarke bemerkte. Ran Mori Der Brief war an sie adressiert. Ran legte ihre Tasche am Boden ab, missbrauchte ihren Haustürschlüssel als Brieföffner und förderte ein fein säuberlich beschriebenes Stück Papier hervor. Ihr eben noch rasender Puls verlangsamte sich wieder, als sie die fremde Schrift erkannte, der Brief war nicht von ihm. Stattdessen zierte das kleine Stück Papier eine fein säuberliche und eindeutig feminine Handschrift. Der jungen Frau stockte beim Lesen der Atem, immer wieder überflog sie die wenigen Zeilen bis ihre Augen schließlich bei der Unterschrift hängen blieben. Wenn du Antworten suchst, komm heute um 17:00 Uhr zur Kichirobrücke im Beika Park. Shiho Miyano Miyano… Shiho Myano. Ran erinnerte sich an sie, eine junge Frau deren erdbeerblondes Haar ihre blassen Wangen umschmeichelten, während ihr Blick immer wieder unruhig zu ihr gewandert war. Sie wohnte angeblich vorübergehend bei Professor Agasa und ging ihm zur Hand. Am Anfang hatte sie geglaubt in der jungen Frau die Retterin der Detektiv Boys zuerkennen, die sie auf Mitsuhikos Aufnahmen gesehen hatte. Shiho aber hatte ihr versichert, dass sie sich irren musste. Ran hatte sie bei ihren zahlreichen Besuchen bei dem alten Erfinder kennen gelernt, von denen sie sich erhofft hatte, dass Shinichis langjähriger Freund und Nachbar ihr weiter helfen würde, ihr vielleicht erklären könnte, warum er sich so seltsam verhielt. Doch der alte Mann hatte geschwiegen, sie mit einem matten Lächeln bestraft und mit einem traurigen Seufzen den Kopf geschüttelt. „Er hat viel durch gemacht, Ran.“ Diese Worte waren ein Stich in ihr Herz gewesen, denn wenn… wenn es Shinichi so schlecht ging, warum ließ er sich dann nicht helfen? Warum schloss er sie aus, wenn er sie vielleicht jetzt am meisten brauchte? Ran schluckte, schüttelte den Gedanken vehement von sich ab. Natürlich hatte sie diese Gespräche bemerkt… Zwar hatte sich Shiho immer höflich zurück gezogen und doch hatte ihr Blick deutlich gemacht, dass sie eine sehr genaue Ahnung davon haben musste, was in ihr vor ging. Die Antworten, die sie in ihrem Brief ansprach, konnten sich also nur auf eines beziehen… es ging um ihn. „Shinichi...“ Rans Füße trugen sie lautlos durch den Beika Park, noch immer zwängte sich die langsam untergehende Frühlingssonne an den Hochhäusern Tokios vorbei und schenkte der Stadt ein paar ihrer goldenen Strahlen. Die Kirschbäume aber, an denen sie vorbei schlenderte, waren schon längst verblüht, sodass die einst rosa Knospen kleine Seelandschaften auf dem Rasen bildeten. Überall hatten sich die Blütenblätter zu kleinen Haufen zusammengeschlossen, ihre Farbe aber hatte sich von rosa zu rot und braun gewandelt, sodass die Landschaft mehr gespenstisch als einladend wirkte. Sie schluckte, machte sich den letzten Knopf ihrer Jacke zu und versuchte die Bilder zu verdrängen, die die rostroten Lachen auf der Wiese in ihrer Erinnerung wiederkehren ließen und hielt stattdessen Ausschau nach ihrer Verabredung. Shiho wartete wie angekündigt auf der Kichirobrücke auf sie. Aus ihren roten Haaren hatten sich einzelne Strähnen gelöst, tanzten verspielt im Wind, während ihre Augen den kleinen Bachlauf beobachteten, der unter ihren Füßen tobte. Ran holte tief Luft, ehe sie sich der jungen Frau näherte, ihre Schritte klangen hohl auf dem einfachen Holzgerüst der Brücke. Shiho sah sie kurz aus den Augenwinkeln heraus an, ehe ihr Blick wieder zurück ins Wasser glitt. Die Oberschülerin schluckte, sagte jedoch nichts und trat stattdessen ebenfalls einen Schritt an das Geländer heran. In den Gesichtern der beiden Frauen tanzten die Lichtreflexe des Gewässers, welches durch die untergehende Sonne eine goldene Farbe bekommen hatte, die Züge der beiden wurden dadurch so unruhig wie das Wasser selbst. Eine Zeit lang herrschte Stille zwischen ihnen, sodass das melodische Plätschern des Wassers alles war, was Ran hörte, ehe Shihos fremde Stimme sie unvermittelt aus ihren Gedanken riss. Ran drehte sich zu ihr, doch die junge Frau schaute nicht auf, während sie sprach. „Ich habe mich nie bei dir bedankt.“ „Wie?“ Ran blinzelte nur, schaute sie nun noch fragender an. Shiho aber seufzte nur, drehte sich endlich in die Richtung der Oberschülerin, ohne jedoch ihren Blick vom Boden zu heben. „Dafür, dass du dich damals vor mich geworfen hast. Dafür, dass du mich vor Chris Vineyard gerettet hast, als sie auf mich schoss.“ Rans Augen wurden groß, sie spürte wie ihr eine kalte Hand die Kehle zuschnürte und ihr Atem stockte. Shiho aber ließ ihr keine Zeit die Frage auch auszusprechen, fuhr ungerührt fort, während ihre Augen hin und her huschten, als ob sie die Szene noch einmal erlebte. „Du hattest keinen Grund dazu… du hättest im Kofferraum bleiben können, in Sicherheit. Aber du hast mich gerettet.“ Die Chemikerin schluckte trocken, sie erinnerte sich noch gut an den Geruch des harten staubigen Asphaltbodens unter ihnen. Sie kannte noch immer die genaue Anzahl an Schüssen, die gefallen waren und wusste noch, wie es sich angefühlt hatte von ihr beschützt zu werden. Shiho unterdrückte ein Seufzen, strich sich eine ihrer rotblonden Strähnen zurück hinters Ohr. "Bald wird alles gut!" Sie sprach Rans Worte von damals kaum laut genug aus, um sie selbst zu hören. „In diesen Moment habe ich dir wirklich geglaubt.“ Ein ehrliches Lächeln schlich sich auf die Lippen der Chemikerin, als sie endlich aufschaute. „Danke.“ Ran war nicht in der Lage sich zu bewegen, ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, drohte jeden Moment heraus zu springen, während ihr Verstand schon längst verarbeitete, was er gerade erfahren hatte, sodass ihre Augen zu brennen begannen. Sie schnappte nach Luft, als im nächsten Augenblick die Figur von Shiho Miyano vor ihren Augen verschwamm und ein mehr als bekanntes Gesicht hinterließ. „Ai…“ Die ehemalige Grundschülerin schenkte ihr ein brüchiges Lächeln statt einem Nicken. Doch die Worte der sonst so taffen Frau kamen ins Wanken, als sie beobachtete, wie seine große Liebe mit jeder Sekunde immer blasser wurde, als eine Erkenntnis auf die nächste folgte. „Ich denke, den Rest muss ich dir nicht erklären.“ Shiho seufzte, wandte den Blick ab, um weiter reden zu können und schaute dem Bach unter ihren Füßen zu, dessen Wasser nicht ganz so salzig war. „Er hat es nicht mit böser Absicht getan, Ran. Alles, was du durch gemacht hast, hat er mit ertragen, doppelt auf sich genommen, um dich zu schützen. Und das tut er noch immer. Deswegen ist er dabei, einen Fehler zu begehen, Ran.“ Die Chemikerin schluckte, sah sie ein letztes Mal an. „Ich bitte dich… lass das nicht zu.“ Ihr Atem brannte in Rans Lunge, sie war den ganzen Weg vom Park bis hier her gelaufen. Für sie gab es kein Halten mehr, seit sie sich aus ihrer Schockstarre gelöst hatte und Shiho – Ai den Rücken gekehrt hatte, hatten ihr ihre Beine immer nur diese eine Richtung vorgegeben. Shiho hatte einfach nur dagestanden, hatte stumm auf ihre Reaktion gewartet und ihren Blicken den Halt geboten, den die Oberschülerin in diesen Sekunden so dringen benötigt hatte. Die Chemikerin hatte ihr nicht hinterher gerufen oder versucht sie aufzuhalten, als sie sich umgedreht hatte und los gerannt war. Die einzige Reaktion, die Ran aus dem Augenwinkel heraus hatte erkennen können, war der Geist eines Lächelns auf ihren Lippen. Die Oberschülerin schnappte nach Luft, das Donnern ihres Herzens hallte schmerzhaft in ihren Ohren wider, doch Ran war das egal. In ihrem Gesicht klebte der Staub und der Dunst der Stadt und verriet die Pfade ihrer Tränen durch sein dunkles Muster. Sie wollte sich lieber nicht weiter ausmalen, wie sie aussah. Sie hatte ihr Ziel erreicht, betätigte nun schon zum dritten Mal die Klingel seiner Haustür und wartete… Das Rauschen der Gegensprechanlage machte das Haus mit einem mal lebendig. Ungeduldig lauschte sie dem unruhigen Klang, bis seine Stimme aus dem kleinen Lautsprecher ertönte. „Hallo?“ Ran fuhr sich über die Lippen, spürte erst jetzt, wie trocken ihre Kehle war. Sie stand nicht zum ersten Mal vor verschlossener Tür, sie hatte in den vergangenen zwei Wochen öfter versucht mit ihm zu reden mit - nun ja, eher mäßigem Erfolg, sodass sie genau wusste, wie seine Reaktion ausfallen würde. Sie sagte nichts, nichts außer seinen Namen, sparte sich jegliches drum herum sondern sprach ihn mit leicht heiserer Stimme einfach nur an. „Shinichi.“ Sie hörte, wie er stockte, sie an ihrer Stimme sofort erkannte. Ein lautes Rauschen spiegelte sein Seufzen wieder, sie konnte ihn förmlich vor sich sehen, wie seine Hand genervt durch seine Haare fuhr und er den Höher fest ans Ohr presste. „Ran? Was willst du?“ „Mit dir reden.“ Ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen. Ran hörte, wie er schlucken musste, noch bemüht, seinen Ton nicht zu schroff klingen zu lassen, doch seine Worte trafen sie auch so. „Schön, ich aber nicht mit dir, wie du mittlerweile wissen solltest.“ Ran schloss die Augen, atmete tief ein und versuchte seine unmögliche Art zu ignorieren, versuchte zu verstehen, was er tat und warum er es tat, umso sanfter sprach sie seinen Namen aus. „Shinichi…“ „Nein, Ran. Geh… bitte!“ Shinichis anfangs herrische Art verlor sich gegen Ende seines Satzes. Seine Stimme beherbergte einen bittenden, fast schon flehenden Ton, der ihr Herz zusammen zog. „Geh.“ Sie versuchte es ein letztes Mal, doch seine nun wieder rüde Stimme ließ sie nicht weit kommen. „Bitte Shinichi, ich-“ „Verschwinde, Ran!“ Seine Wut Übertrug sich auf sie, er war nicht der einzige, der stur sein konnte, das sollte auch ein Shinichi Kudo mittlerweile wissen. „Nein, diesmal nicht. Ich werde nicht gehen, Shinichi.“ Sie hörte ihn schnaufen, wusste dass er kurz davor war den Hörer auf die Gabel zu knallen. „Schön dann bleib eben. Aber draußen.“ „Conan Edogawa, du öffnest jetzt sofort diese Tür.“ „… “ Stille war das Einzige, das ihrer aufbrausenden Stimme folgte. Nichts bis auf das Rauschen der Gegensprechanlage, ihrem Herzschlag und dem tiefen Schweigen zwischen ihnen, das mehr sagte und lauter war als alles, was sie kannte. Sie wartete. Hatte sie es übertrieben? Ihr Verstand hatte schneller geschaltet als ihr Herz. Er hatte die Autorität genutzt, die sie Conan gegenüber nun fast zwei Jahre inne gehabt hatte, um Shinichis Sturkopf endlich zu brechen. Was aber, wenn er es war, der nicht damit zu Recht kam, dass sie von Conan wusste? Wenn ihn die Erinnerung an den Grundschüler, den sie so ins Herz geschlossen hatte, nur noch weiter von ihr entfernte? Mit jeder Sekunde sickerte die Wut weiter aus ihren Knochen, ließ sie hohl und fragile zurück. Das Knacken des Türschlosses ließ die Oberschülerin zusammen zucken, die Tür öffnete sich, gerade soweit, um seine Gestalt im Türrahmen sichtbar werden zu lassen. Ihr Blick traf den seinen und schmerzte bis in ihr Inneres. Vor ihr stand ein Geist. Das, was von Shinichi Kudo noch übrig war, starrte sie mit unglaublich leerem Blick an, der außer purem Entsetzen nur ihr eigenes Bild in den blassblauen Augen widerspiegelte. „Ran…“ Er fasste sich an den Hals, verwundert über seine eigene raue Stimme. Shinichi spürte ihre Blicke auf seiner Haut, trat beiseite und ließ sie wortlos eintreten. Sie ging vor, hielt im Wohnzimmer inne, bis er ihr folgte, ihr andeutete sich zu setzen, während er selbst stehen blieb. Shinichi sah sie an, lange, genoss ihren Blick auf seiner Haut, denn er wusste, wenn er ihr wirklich alles erzählen sollte, würde sie ihn nie wieder so ansehen. Ran aber war es, die es nicht länger aushielt, das Schwiegen brach, noch ehe er sich die passenden Worte hatte zu Recht legen können. „Ich- es tut mir Leid, Shinichi- ich wollte nicht…“ Die Oberschülerin stockte, schloss kurz die Augen und atmete tief ein, ehe sie weiter sprach. „Shiho hat es mir… erklärt.“ Sie schluckte, sah fragend zu ihm auf. „Warum hast du es mir nicht gesagt, Shinichi? Jetzt, wo alles vorbei ist? Warum?“ Für einen Sekundenbruchteil huschte ein Grinsen über die Züge des Detektivs. Rans Art allein war es, die ihm ein Lächeln schenkte. Warum Entschuldigte sie sich? Er war ein Ekel gewesen, hatte sich Mühe gegeben, den größten Arsch der Nation zu spielen und sie entschuldigte sich? Mit einem sachten Kopfschütteln vertrieb er das Lächeln von seinen Lippen, setzte sich neben sie aufs Sofa und sprach, jedoch ohne sie anzusehen. „Du musst dich wirklich nicht entschuldigen, Ran. Ich bin es… dem es Leid tut und tun sollte. Aber ich will- ich wollte es dir nicht sagen.“ „Warum nicht?“ Ihre Stimme war fordernd, er hatte keine andere Wahl als aufzusehen. Die Hoffnung, Liebe und der Schmerz in ihren blauen Augen rissen ihn in Stücke. „Weil es so besser ist, Ran, bitte glaub mir.“ Er seufzte, ließ sich tiefer ins kalte Lederpolster sinken während er sich mit zittrigen Händen durchs Haar fuhr. „Du willst es nicht wissen…“ Die Oberschülerin schluckte, bemerkte, wie ihr Gegenüber immer bleicher wurde und legte ihm vorsichtig die Hand aufs Knie, gewann so die Aufmerksamkeit seiner fiebrig glänzenden Augen zurück. „Mag sein, Shinichi… aber ich muss es wissen.“ Sie stockte, doch ihr Blick wankte nicht, gab ihm Halt. „Was ist passiert?“ Natürlich hatte sie nicht locker lassen können. Conans Geschichte allein hatte Ran nicht genügt, sie wollte alles hören. Also erzählte er ihr alles. Wie er der Organisation langsam immer näher gekommen war, wie er mit dem FBI alles für den großen Coup vorbereitet hatte, bis sie ihn kurz vorher abfingen. Ein Argument allein hatte gereicht, um ihn gefügig zu machen. Fürs erste zumindest, denn jetzt wurde Ran klar, warum Masumi sie zu diesem spontanen Urlaub entführt hatte. Warum ihr Handy plötzlich verschwunden war und das Telefon im Hotel nicht richtig funktioniert hatte. Er erinnerte sich an die wütenden Stimmen hinter verschlossenen Türen, an die Erleichterung die das Geschrei in seinem Körper frei gesetzt hatte, als ihm klar wurde, dass sie in Sicherheit war. Sie würden sie nicht finden. Die Organisation aber hatte zu anderen Mitteln gegriffen. Shinichi schluckte, griff sich an die trockene Kehle und lauschte in die tiefe Stille hinein, die seine Erzählung zwischen ihnen hinterlassen hatte. Seine Augen hatten die ihren die ganze Zeit über nicht verlassen, Rans Reaktion auf seine Erzählung mit anzusehen war schlimmer als jede Folter. Ihre Wut und Enttäuschung, während er über seine Zeit als Conan geredet hatte, hatte sich gewandelt hin zu Angst, Unsicherheit und, noch viel schlimmer, Mitleid. Damit hatte er gerechnet, damit hätte er leben können. Er hätte ihre Wut ertragen, wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als dass sie ihn doch anschreien sollte, oder irgendwo in seiner Magengrube einen Abdruck ihrer Schuhsohle hinterließ. Irgendwas… irgendwas anderes als diese Stille. Denn selbst diese Emotionen waren Ran aus dem Gesicht geflossen, als er begann von der Organisation zu erzählen. Es standen mehr als nur Conans Lügen zwischen ihnen, mehr als das missbrauchte Vertrauen, es war die Wahrheit… die sie belastete. Ein tiefer Seufzer drang aus seiner Kehle, unwirsch fuhr er sich übers Gesicht, ließ seine Finger für einen Moment auf seinen Lippen ruhen, ehe er die Hand weg nahm und zu einer unnützen Faust in seinem Schoß ballte. „Ich kann das alles nie wieder gut machen…“ Shinichi schaute auf und sie fing seinen Blick mit ihren Augen. Augen, deren tiefblaue Quelle schon so oft über die Ufer getreten war, zu oft. Nur wegen ihm. Er schluckte bitter, wandte den Blick ab und war nicht mehr länger in der Lage sie an zu sehen. Er hasste sich selbst für das, was er ihr angetan hatte. Hasste sich selbst mehr… als er sie liebte? Shinichi ignorierte den Gedanken, vergrub ihn tief in seinem Kopf, zurück in die kleine Ecke, wo die anderen Schatten schon darauf warteten, ihm den Schlaf zu rauben. Seine Stimme war brüchig, als er sprach. „Ich werde dich nie beschützen können… Ich konnte dich nicht vor Conan beschützen, nicht vor meinen Lügen…“ <… und auch beinahe nicht vor der Organisation.> Er schaute wieder auf, ihr blasses Gesicht wirkte wächsern, krank. Doch Rans Augen hatten die seinen nie verlassen. „Nicht vor der Wahrheit… Aber ich kann dich vor diesem Leben beschützen, Ran.“ Er sprach es nicht aus und dennoch erkannte er, dass Ran genau wusste, wohin seine Gedanken gewandert waren. Shinichi war Detektiv, seine Arbeit würde immer Gefahren mit sich bringen, nicht nur für ihn. „Das musst du nicht…“ Rans Stimme allein ließ die feinen Härchen auf seinen Armen zu Berge stehen und brachte sein Herz zum Rasen. Ein trauriges Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Ja, vielleicht. Vielleicht hast du recht… Dennoch, ich weiß nicht ob ich das zulassen kann, Ran. Ich weiß nicht mal… ob ich das noch will…“ Liebe. Es hatte ihn verwundbar gemacht und sie verletzt. Dieses Gefühl hatte ihnen beiden bisher nichts weiter gebracht außer Schmerz und Leid. War es daher nicht logisch dem ganzen einfach aus dem Weg zu gehen? Es einfach zu vergessen? Das kleine Wort schwebte unausgesprochen zwischen ihnen, in der Luft, machte sie schwer und stickig, sodass ihnen das Atmen immer schwerer fiel. Shinichi aber seufzte nur, schüttelte bitter den Kopf. „Was das angeht, bin ich wohl bei minus Eins angekommen.“ Seine Stimme klang stumpf und hohl, selbst der Schmerz in seinem inneren konnte an diesem Ton nicht haften. Sie musste sich nicht erst an seine Worte in London erinnern, um zu verstehen, was er meinte. Die vergangene letzte Zeit hatte sie vom Startpunkt abkommen lassen und somit auch von ihrem Ziel vertrieben, sodass sie beide jetzt einen Weg entlanggingen, der keine gemeinsame Zukunft für sie zu beinhalten schien. Jeder für sich... allein. Kälte zog in ihre Fingerspitzen, begleitet von einem Gefühl aus Taubheit und Hilflosigkeit, das seine Erzählung bei Ran hinterlassen hatte. Sein blasses Gesicht hatte neue Schatten bekommen, dunkle Wunden, die Ran nun zuordnen konnte und doch nicht lesen wollte. Sie saßen nebeneinander auf der Couch, so dicht, dass sie seine Wärme spüren konnte und doch schien ein Abgrund zwischen ihnen zu stehen, der alles mit sich in die Tiefe zog. Ran schluckte, er hatte sie angelogen, ausgenutzt und hintergangen. Seine Abwesenheit hatte ihr wehgetan und zu wissen, dass er die ganze Zeit da gewesen war, direkt vor ihren Augen, stumm zugesehen hatte, wie sie litt, war etwas, dass sie trotz aller Erklärung noch nicht begreifen wollte. Auf der anderen Seite war sie der Grund dafür gewesen, dass die Organisation mit ihm so leichtes Spiel gehabt hatte. Dafür, dass er einen Teil von sich zurück lassen musste, um sie zu retten. Sie war schuld daran, dass er-… dass es ihm jetzt so ging. Ihre Augen begannen zu brennen, während eine kalte Hand Rans Kehle zuzudrücken schien. Er war schuld an ihrem Leid und sie an seinen Wunden. Zitternd atmete sie aus, ihr verletztes Herz sprach, noch bevor ihr Verstand die Kontrolle über ihre Lippen gewinnen konnte. „Das sind wir wohl beide…“ <…bei minus Eins.> Ihre eigenen Worte ließen die Oberschülerin frösteln. Es war einfach zu viel passiert. Viel zu viel. Love is zero. Die Worte des Tennisstars hallten dumpf in ihrer Erinnerung wieder. Sie aber waren nicht länger bei Null. Nicht länger am Startpunkt wie Shinichi es beschrieben hatte, sondern scheinbar… am Ende. Die Gefühle und Emotionen hatten sie ausgesaugt, ließen sie taub und leer zurück. Ran zitterte und er sah es, schlang den Arm um ihre Schultern und zog sie zu sich heran, bis ihr Kopf auf seiner Schulter zur Ruhe kam. Warm aber wurde niemandem. Etwas fühlen konnte keiner von beiden. Sie waren sich so nah wie schon lange nicht mehr und doch waren sie in diesem Moment so weit voneinander entfernt, dass sie die Nähe des anderen nicht spürten. Sie waren allein. Ran schluckte, war dankbar für seinen Arm, der sie stützte, ihr Halt gab in diesem Moment, als sie glaubte, langsam aus der Realität zu fallen. Dafür hatte er gekämpft? Dafür hatte sie gewartet? Sie wollte es nicht glauben. Was man ihm angetan hatte, was er durchgemacht und ertragen hatte, nur, um sie alle zu schützen, um sie zu schützen. Ihr Blick fiel von seinem bleichen Gesicht auf sein Bein. Jetzt wusste sie, dass sich unter dem dicken Stoff seiner Hose eine Schiene verbarg, die ihn stützte, ihm halt gab, dort, wo sonst Muskeln diesen Job übernahmen. Ran schluckte, wandte den Blick ab und krallte sich in sein Jackett, versuchte, seinem Herzschlag zu lauschen, doch der unruhige Takt hämmerte schmerzhaft in ihren Ohren. Es war vermutlich albern, ausgerechnet daran zu denken, und doch war es das erste, was der Oberschülerin in den Sinn kam. Sie würde nie wieder sein müdes und doch triumphales Lächeln sehen, das von seinem verdreckten und verschmutzen Gesicht umarmt wurde, wenn sie nach einem langen Kampf das Spiel doch noch gewonnen hatten. Denn Shinichi konnte nicht mehr gewinnen. Er würde nie wieder Fußball spielen… Nie wieder einem Verbrecher hinterherlaufen. Nie wieder der erste an einem Tatort sein. Er konnte nicht. Diesen Teil seines Lebens hatten sie für immer gestrichen. Ihn selbst in dieser Gestalt wehrlos gemacht. Kaputt… Und doch war er vor ihr davon gelaufen, hatte den Schmerz in Kauf genommen, um ihr zu entfliehen. Um sie vor dem zu schützen, was sie sehen würde… Um sie hiervor zu schützen. Denn er hatte Recht… Ein Blick in seine Augen verriet es ihr. Er suhlte sich nicht bloß in Selbstmitleid und Angst, sondern sagte die Wahrheit… zum ersten Mal, seit so langer Zeit. Den Shinichi Kudo, den sie kannte, auf den sie gewartet hatte, gab es nicht mehr. Neben ihr saß ein Fremder. Ein Fremder, der sie mit seinen Augen ansah. Ein Fremder… den sie liebte? Ran schluckte, biss sich auf die Lippe, sodass ihre Zähne einen kleinen, blutleeren Abdruck hinterließen, einer Narbe gleich, die jedoch bald verheilen würde. Minus eins, Null… Zahlen und Daten. Ein bitteres Lächeln huschte über die Züge der Oberschülerin. Wer bitte kam denn auf die Idee, so etwas fragiles wie Liebe mit Logik, mit Zahlen und Fakten berechnen zu wollen? Zweimal Minus… Was sollte dabei überhaupt raus- Rans glasige Augen wurden groß, ihr Puls begann zu rasen. Es fühlte sich an, als hätte man sie, einer Spieluhr gleich, neu aufgezogen. Als hätte ihr Herz bis zu diesem Zeitpunkt ausgesetzt und erst jetzt wieder mit dem Schlagen begonnen, sodass es sein Lied in einem noch immer unregelmäßigen Takt fortsetzte. „Eins…“ Es war ein Wort, kaum mehr als ein Windhauch und doch erregte es seine Aufmerksamkeit. Shinichi sah sie fragend an, nahm seinen Arm von ihrer Schulter, um sich ihr zuwenden zu können. Ihr Blick aber registrierte ihn nicht. „Minus mal Minus ergibt Plus.“ Das zaghafte Lächeln, das ihre flüsternden Worte begleitete, beschleunigte Shinichis Herzschlag, dennoch gelang es ihm nicht nachzuvollziehen, was gerade in der Frau an seiner Seite vorging. „Was?“ Die ungewohnte Unsicherheit in der Stimme des Detektiven ließ Ran aufsehen. Ihre Hand suchte die seine, sie genoss das Kribbeln in ihren Fingerspitzen, als sie seine Wärme spürte, fast so als würde seine Anwesenheit allein ausreichen, um ihren eben noch zu Eis erstarrten Körper wieder aufzutauen. Sie hatten so viel durchgemacht, so viel ertragen die letzte Zeit und doch saßen sie jetzt hier, zusammen. Er war ihr aus dem Weg gegangen, um sie zu schützen und sie war ihm dennoch gefolgt, weil sie es nicht ertragen konnte, wenn er ihr fehlte. Sie war noch hier… Sie beide waren das. Zeigte das nicht, was sie wirklich füreinander fühlten? Wo sie wirklich standen? Ran schluckte, der fragende Ausdruck in seinem Gesicht amüsierte und verängstigte sie gleichermaßen. Ausnahmsweise hatte ihr Detektiv einmal wirklich keine Ahnung. Dabei musste er es doch sehen… Er musste begreifen, dass sie falsch lagen, alle beide, wenn er das nicht konnte, sich nicht diesem winzigen Funken Hoffnung hingeben konnte dann- Er musste es einfach verstehen. Sie schluckte, strich ihm mit zitternden Fingern über den Handrücken und spürte, wie sich seine Haut unter ihrem Griff spannte. „Siehst du es denn nicht, Shinichi? All das hat uns nicht auseinander gebracht. Wir sind weiter gekommen,… wir sind nicht mehr länger bei null.“ Es dauerte einen Moment, bis sein Hirn die mathematische Aussage richtig einordnen konnte, noch länger, bis er begriff, welche Bedeutung Rans Herz der winzigen Formel beimaß. „Ran…“ Seine Stimme war trocken, brüchig im Vergleich zu ihren klaren Worten. Ein Funken Hoffnung keimte in ihm auf, doch die roten Spuren ihrer Tränen wuschen das Lächeln wieder von seinen Lippen, als er aufsah. Shinichis Miene wurde finster, Bitterkeit versengte ihm die Kehle, machte seine Stimme rau und hart. „Um welchen Preis, Ran?“ Er schluckte, schüttelte abwehrend mit dem Kopf. „Wir… du solltest nicht-„ Doch sie unterbrach ihn. „Shinichi.“ Ran strich ihm über die Schläfe, ließ ihre Hand auf seiner Wange ruhen. Er konnte nicht anders, als sie anzusehen, versank in den blauen Tiefen ihrer Augen, die mehr Hoffnung in sich trugen, als er zu begreifen überhaupt fähig war. Ihre Worte tanzten über seine Wange, stellten auf dem Weg zu seinem Ohr die feinen Härchen auf seiner Haut der Reihe nach auf, bis sie in seinem Verstand ankamen und das wütende Monster aus Angst und Zweifel endlich zum Schweigen brachten. „Du warst da… die ganze Zeit. Das weiß ich jetzt. All die Dinge, die ich an Conan gemocht habe, gehören auch zu dir. Ich kenne dich vor der Organisation und ich werde dich jetzt kennen lernen. Wir verändern uns, Shinichi… das gehört dazu.“ Ran schluckte, ein unsichtbarer Pinsel zauberte ein sanftes Rosé auf ihre Wangen. „Du kennst mich, Shinichi, durch deine Zeit als Conan vermutlich jetzt besser als jeder andere.“ Ihre Finger glitten von seiner Wange zurück zu seiner Hand, behutsam drehte Ran sie um, bis ihre Hände ineinander ruhten. Sie passten wieder ineinander. Doch ihr Lächeln drang noch nicht zu ihm durch. Shinichi konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Woher nahm sie nur diese Kraft? Wie schaffte sie es, aus dieser Situation Hoffnung zu schöpfen? Shinichi wusste es nicht. Aber er wusste, dass die Kraft, die Stärke, der Mut und die Hoffnung, die Ran ihm schenkte, der Grund dafür waren, dass er noch lebte. Sie waren der Grund dafür… dass er sie liebte. Er wusste, dass sie Recht hatte… Schließlich konnte er an dem Zucken ihrer Nasenspitze erkennen, wenn ihr etwas nicht gefiel und sah an dem zwinkern in ihren Augen, dass sie sich über etwas freute. Er sah Dinge, die andere nicht einmal erahnten, derer sich Ran selbst vermutlich nicht einmal gewahr war, während er all diese Kleinigkeiten an ihr liebte. Sie füllte einen Teil in ihm aus, schmiegte sich an ihn wie ein Puzzleteil an das andere. Shinichi schluckte, spürte wie die Angst in seinem inneren hinter ihrer Hoffnung verschwand. Vielleicht musste man ein paar Puzzleteile riskieren, um eine Ahnung von dem Bild zu bekommen, das sich vielleicht ergeben würde. Ein warmer Schauer glitt über seinen Rücken, als sie erneut zu sprechen begann. Das Lächeln auf Rans Lippen war für einen Moment getrübt, ihre Augen aber sprachen aus, was sie ihrem Mund nicht begreiflich machen konnte. „Es stimmt, wir haben viel durch gemacht in der letzten Zeit. Und vielleicht hast du recht, und wir haben uns beide ein Stück weit auf diesem Weg verloren, aber dafür haben wir etwas anderes gefunden… wir haben uns gefunden, Shinichi.“ In ihren Augen fieberte ein bekannter Glanz, doch die Oberschülerin gab nicht nach, ganz im Gegenteil, für einen kurzen Moment wurden die Züge des Karatechampions hart, zum Kampf bereit. „Und wenn das nötig ist, um einem Leben mit dir näher zu kommen- um dir näher zu sein, bin ich auch in Zukunft bereit, alles zu ertragen, was sich uns in den Weg stellt.“ Ihre Worte schwebten einer Kriegserklärung gleich im Raum. Brachten ihn zum Blinzeln und beförderten so einen satten Rotton auf ihre Wangen, als sich Ran bewusst wurde, was sie da eigentlich gesagt hatte. Dass sie für sie beide gesprochen hatte, obwohl… obwohl- Ran schluckte, biss sich auf die Lippen und wich seinem durchdringenden Blick aus. Das plötzliche Zittern ihrer Stimme wirkte mit einem Mal fremd, und völlig fehl am Platz. „Es… es sei denn, du-„ Aber weiter sollte Ran nicht kommen. Sie spürte seine Finger in ihrem Haar, bemerkte wie ein leises Prickeln sich ihren Nacken hoch schlich, bis sich ihre Lippen trafen. Er küsste sie. Die Oberschülerin schloss die Augen, sie fühlte Shinichis Lippen unter den ihren, sein Gesicht so nah, dass sie die Wärme spüren konnte, die seine Haut ausstrahlte. Er küsste sie! In Rans Inneren tobte ein Feuerwerk, bunte Funken aus Gefühlen und Emotionen prasselten auf sie nieder, überschwemmten sie mit einer Wärme die jedes ihrer Haare einzeln aufstellte. Dann war es vorbei und doch nicht vorbei. Seine Lippen lösten sich von den ihren, doch das Glücksgefühl, das durch ihre Adern floss, blieb, zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht. Ein Lächeln, auf das er schon so lange gewartet hatte. „Ich liebe dich, Ran.“ Der süße Geschmack von Rans Lippen auf den seinen, hallte nach und begleitete seine Worte. „Ich dich auch.“ Ihre Stimme schmiegte sich sanft an sein Ohr, sein Herz setzte für einen weiteren Schlag aus. Er drohte sich in ihren Augen zu verlieren, in ihren Worten zu versinken, von denen er schon geglaubt hatte, sie niemals zu hören. Dabei stimmte das so gar nicht… Shinichi schluckte und konnte sich doch das breite Grinsen nicht verkneifen, das sich bei dem Gedanken auf seine Lippen schlich. „Ich weiß.“ Ran wurde rot, wusste sofort, worauf er anspielte und verzog das Gesicht. „Idiot!“ Shinichi aber lachte nur, zog sie zurück in seine Arme auf das Ledersofa, das sie diesmal warm und einladend empfing. Sein Lachen stimmte sie gnädig, für den Moment war seine Anwesenheit alles, was sie brauchte. Sie hatte den Kopf auf seiner Brust gebettet und lauschte dem regelmäßigen Takt seines Herzens. Sie waren zusammen. Rans seufzte genüsslich, verlor jegliches Zeitgefühl, für sie hätte dieser Moment ewig dauern können, sie wusste nicht, wie lange sie schon so da saßen, bis er sich räusperte. Sein Tonfall klang ungläubig, leicht sarkastisch sogar, während seine Finger auf ihren Handrücken kleine Kreise zogen. „Du weißt aber schon, dass deine Logik total irre ist?“ Ein süßliches Lächeln huschte über ihre Lippen, sie machte sich nicht die Mühe zu ihm auf zu sehen, genoss den Hall seiner Stimme an ihrem Ohr. „Das ist Holmes Logik, nicht meine.“ Shinichi schmunzelte über den leicht säuerlichen Ton seiner Freundin, strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Na, dann hab ich nichts gesagt…“ Sie sah zu ihm auf und erkannte, wie er amüsiert den Kopf schüttelte. Unglaublich… Shinichi seufzte, küsste ihre Schläfe und genoss den Duft ihres Shampoos. Fruchtig, Pfirsich vielleicht? Er schluckte, wandte den Blick ab und beobachtete, wie kleine Staubkörner vor dem Fenster im letzten Licht der Sonne tanzten. Er wusste nicht, wie sie die Sache gedreht hatte, wie sie es geschafft hatte, so schnell alles in Ordnung zu bringen. Ihre Nähe tat so unglaublich gut, heilte Wunden, von denen er schon nicht mehr geglaubt hatte, dass sie je aufhören würden weh zu tun. Dennoch hatte ihre Hoffnung seine Angst nicht ganz vertreiben können. Noch mochte ihre Rechnung aufgehen… was aber wenn- wenn eines Tages nur noch Minus als Produkt übrig blieb? „Shinichi?“ Ihr fragender Blick verscheuchte die Schatten aus seinem Gesicht. Vielleicht hatte sie Recht, vielleicht war ihr gemeinsames Glück wirklich all diese Wunden wert. Wer wusste schon, was noch kommen würde? Das einzige, was jetzt zählte, war, dass sie hier war, bei ihm. Sie hatte sich entschieden ihm zu verzeihen, bei ihm zu blieben. Welches Recht hatte er dann zu gehen? Gerade, weil sie nicht wussten, wie viel gemeinsame Zeit ihnen blieb, bevor sie die Kosten ihrer Liebe vielleicht wieder zahlen mussten. Wenn sie schon darum kämpfen mussten, dann sollte es sich wenigstens lohnen. Ganz davon abgesehen, dass sie jetzt schon so viel aufzuholen hatten… Ran beobachtete, wie sich seine Züge wandelten, sie war sich allerdings nicht sicher, ob ihr sein breites Grinsen und sein süffisanter Tonfall unbedingt lieber waren. „Eins also, mhm? Na dann wollen wir mal sehen, wie weit wir noch kommen.“ „Shinichi!“ Nun denn… das war mein „Versuch“ von Romantik (ohne das dazu gehörige Drama geht’s einfach nicht bei mir) Ich bin mit den London Ereignissen nämlich zugegebener maßen nicht ganz Glücklich und wollte hiermit ein wenig dort anknüpfen. Ich hoffe jedenfalls es hat euch gefallen ;) Natürlich bin ich gespannt auf eure Meinung ^//^, Nochmals liebe Grüße, eure Shelling Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)