Zum Inhalt der Seite

Eien 永遠

Der Samurai und der Fremde
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Verschwörung

9. Kapitel: Verschwörung
 

[Die Angst dich zu verlieren

endlos tief und schwarz

Du verschwindest im Nebel]
 

----------------------------------------
 

Seine Augen blickten trübe auf die, bis zum Rand mit weißem Sake gefüllte, grau glasierte Schale, bevor er sie an seine Lippen setzte und in einem Zug leertrank. Sofort griff er nach dem ebenfalls grauen Krug und schenkte sich nach, während er über das Brennen in seinem Hals keine Miene verzog. Er lauschte dem leisen Plätschern, als er die leere Schale in seiner Hand mit Alkohol füllte, bevor er erneut zum Trinken ansetzte.

Es war still und dunkel in seinem Raum, in den er sich vor vielen Stunden allein zurückgezogen hatte. Die Kerze war fast heruntergebrannt und schenkte nur noch wenig von ihrem flackernden Licht.

Als seine Lippen wieder das Porzellan berührten und seine Zunge einen Tropfen des kalten Sake schmeckte, fing es wie aus heiterem Himmel an. Alles um ihn herum drehte sich, als säße er, groß wie eine Ameise, auf einem dieser roten Papier-Windräder.

Er hielt kurz inne und setzte die Schale wieder auf dem Boden ab. Vor seinen Augen verschwamm die weiße Flüssigkeit mit dem Grau des Porzellans. Es drehte sich, als würde die Schale im Kreis tanzen und den Sake in einen unbändigen Strudel verwandeln.

Benommen stöhnte Kagegaku, während er sich an die Stirn fasste und leidig die Augen schloss.

Zusätzlich zehrten die quälende Stille, die ihn umgab, die Einsamkeit, die er verspürte, und die Angst, die er trotz des Alkohol einfach nicht vergessen konnte, an ihm.

Wieder musste er an Hidetori denken, der am gestrigen Morgen zusammen mit Fukushima und Yukitaka nach Kasugayama aufgebrochen war.

Entgegen all seiner Zweifel und seines schlechten Gefühls hatte der Stratege schließlich nachgegeben und war dem Befehl seines Daimyos gefolgt. Der Blonde hatte es kommentarlos, fast gleichgültig hingenommen, als wäre es die Angelegenheit eines Anderen und als interessiere ihn die Gefahren, die hinter dieser ungewissen Reise stecken konnten, nicht im Geringsten.

Er war gegangen, ohne das Kagegaku die Möglichkeit hatte wahrnehmen können, ihm seine Gefühle zu gestehen. Gelegenheiten waren ihm zu Genüge geboten worden, doch sein Mut hatte ihn immer wieder verlassen, sobald er in die braunen Augen des Blonden, die ohne Emotionen vor sich hin starrten, gesehen hatte.

Seine Worte waren vergessen, ertränkt in unerwarteter Hilflosigkeit. Er erkannte sich kaum wieder. Auch wie er hier allein vor dem Sake saß und sich grundlos betrank, während er es bereute, Hidetori fortgeschickt zu haben. All das war nicht er selbst.

So entschlossen wie er vor zwei Tagen noch naiv daran gedacht hatte, mit dem Blonden ein neues Leben abseits dieser sinnlosen Welt anzufangen, war er nun nicht mehr. Aber warum nicht? Zweifelte er, weil er es nicht mehr schaffte, die Gedanken dieses Mannes lesen zu können, oder weil er immer wieder abgeblockt wurde, sobald er den Versuch unternahm Hidetori näher zu kommen?

Er spürte diese gegenseitige Anziehungskraft und doch kam er nicht über die Mauer, die der Blonde um sich herum errichtet hatte.

Und nun hatte er wahrscheinlich den größten Fehler begangen, den er in seiner Situation hatte machen können. Er hatte Hidetori aus seinen Augen gelassen und ihn an den gefährlichsten Ort geschickt, den es für den Blonden in ganz Japan geben konnte. Damit kam Kagegaku nicht zurecht. Es machte ihn verrückt, immer wieder daran denken zu müssen, dabei waren seit Hidetoris Aufbruch nicht einmal zwei Tage vergangen.

Vergebens hatte der Stratege versucht, mit Hilfe des Sake dieser Sorge zu entfliehen. Doch egal wie viel er trank, wie sehr sich alles drehte und vor seinen Augen verschwamm, es ließ ihn einfach nicht los.

Langsam nahm er wieder die Schale in seine Hand und führte sie zu seinen Lippen. Er nippte nur kurz an der Flüssigkeit, bevor seine leicht zitternde Hand den Rest verschüttete. Erschöpft stellte er fest, dass er gegen diese unbändige Müdigkeit, die ihn überfallen hatte, nicht ankam. Er wusste nicht, warum er sich dagegen wehren wollte, war doch genau dies sein Ziel gewesen. Vergessen und verdrängen und nicht mehr darüber nachdenken.
 

Kraftlos ließ er sich schließlich nach hinten auf den Tatamiboden fallen. Der Blick nach oben war mühselig, trotzdem beobachtete er noch lange die Dachbalken, die jeden Moment auf ihn hinabzustürzen schienen.

Warum hatte er Hidetori gehen lassen? Warum konnte er ihm nicht die Stirn bieten, wenn es darauf ankam? Niemals hätte er dem Blonden die Wahl lassen dürfen.

Hätte er sich in jener Nacht vor zwei Tagen dazu entschlossen, über Hidetoris Willen zu entscheiden und ihn einfach wieder in sein Schlafzimmer zu bringen, vielleicht wäre er dann wirklich dazu im Stande gewesen, sein eigenes Leben grundlegend zu verändern. Er hätte das getan, was noch nie ein Mann in seiner Familie getan hatte. Er wäre gegangen, hätte alles zurückgelassen und würde nun zusammen mit Hidetori das bescheidene Leben eines Bauern führen, anstatt betrunken über seine Fehlentscheidungen nachzudenken.

Er hatte schlichtweg den Absprung verpasst, den Wendepunkt seines Lebens. Nahtlos reihten sich seine dummen Fehler aneinander und schienen immer noch kein Ende nehmen zu wollen. Er grübelte Tag und Nacht, während ihm einfach nicht einleuchten wollte, was genau er bei dem Blonden falsch gemacht hatte. Und nun war er zu müde, um darüber nachzudenken.

Seine Augenlider wurden schwerer, sein Blick immer unklarer. Langsam wurde es immer dunkler und noch viel stiller.

Obwohl es schließlich schwarz vor seinen Augen wurde, glaubte er, es würden sich helle Konturen um ihn herum drehen. Es war schrecklich unangenehm. Er wollte sich festhalten, weil er das Gefühl hatte, am Rande einer Klippe zu stehen, nur einen Schritt von der noch schwärzeren Tiefe entfernt. Er hörte Stimmen, Menschen die durcheinanderschrien. Immer lauter und unerträglicher. Bis es zu einem dumpfen Dröhnen wurde.

Kagegaku drückte sich die Hände auf die Ohren und schüttelte den Kopf.

Schließlich erblickte er mitten in der Dunkelheit die Umrisse eines Menschen. Er kam näher, während die Stimmen allmählich verstummten. Erleichtert wollte Kagegaku nach der Person greifen, sie darum bitten, ihm zu helfen, doch er griff ins Leere. Es war nur Luft, Nebel oder eine Einbildung. Sie verschwand vor seinen Augen, nur um kurz darauf irgendwo anders wieder aufzutauchen.

Verwirrt starrte der Stratege in das Gesicht dieser seltsamen Erscheinung. Es war verschwommen, doch je länger er es betrachtete, desto klarer bildeten sich bekannte Gesichtszüge.

Große braune Augen, die kleine und unverwechselbare Nase und Lippen, die er bereits auf seinen gespürt hatte. Das Gesicht war umrahmt von hellem Haar, welches wie Gold schimmerte.

„Hidetori!“, murmelte Kagegaku, als er ihn endlich erkannte. Er wollte zu ihm gehen, doch der Blonde schüttelte nur die ganze Zeit streng den Kopf. In seinem Gesicht las der Samurai Leid und Qual, während ihn ein starkes Angstgefühl überkam.

Etwas stimmte nicht. Hidetori schüttelte weiter den Kopf, immer schneller, bis er plötzlich in der Dunkelheit verschwand.

Kagegaku fing zu rennen an, ohne zu wissen wohin. Alles war immer noch schwarz, es gab keinen Weg, kein Ende, kein Ziel. Er verzweifelte und ließ sich schließlich einfach hilflos auf die Knie fallen. In jenem Moment riss er die Augen auf und schnellte erschrocken nach oben.

„Nishiyama-sama?“ Eine zarte Stimme nannte sofort seinen Namen. Verwirrt sah sich der Stratege um. Er war in seinem Schlafzimmer, lag auf seinem Futon. Sein Kopf schmerzte, doch es war hell und warm. Er hatte geträumt. Es war ein Alptraum gewesen, ein simpler Alptraum, doch sein Herz raste, als wäre es real gewesen.

„Nishiyama-sama ...“ Wieder diese feine Stimme, die das schmerzliche Pochen in seinem Kopf kurz linderte.

Eine zarte Hand legte sich auf seine, bevor Kagegaku zur Seite blickte.

Es war die schöne Prinzessin Ume, die neben seinem Futon saß und ihn besorgt ansah.

„Ihr habt zu viel getrunken“, erklärte sie dem Oberhaupt, das sie fragend und müde anstarrte.

„Ihr habt wild um Euch geschlagen und geschrien.“ In ihren Augen spiegelte sich ehrliche Beunruhigung wieder. „Ich habe mir Sorgen um Euch gemacht“, beteuerte sie und senkte ihren Blick.

Kagegaku fuhr sich über die Stirn, als die Schmerzen plötzlich wieder zurückgekehrt waren.

„Es ist alles in Ordnung“, brummte er, um die Prinzessin zu beruhigen. Er schlug die Futondecke zurück und wollte aufstehen, als die zarte Frau ihn plötzlich an der Schulter zurückzog.

Überrascht blickte der Stratege in das blasse Gesicht, welches verschämt seinen Augen auswich.

„Wollt Ihr nicht wissen, was Ihr im Schlaf gerufen habt?“, flüsterte sie fragend.

Als Kagegaku perplex darauf antworten wollte, wurden sie plötzlich von aufgeregten Rufen gestört.
 

„Herr! Herr!“, schrie jemand, den der Stratege sofort als Yukitaka erkannte.

Die Shojitür wurde aufgerissen und der Mann, der einen Schritt in den Raum trat, verbeugte sich unruhig.

„Yukitaka, was tust du hier? Solltest du nicht mit Fukushima und Hidetori auf Kasugayama sein?“

„Es ist etwas passiert“, unterrichtete er seinen Herrn aufgeregt, ohne direkt auf die Frage einzugehen.

Kagegaku schreckte sofort auf und stürzte an den Mann heran, als ihm mit einem Mal klar wurde, dass es sich höchstwahrscheinlich um Hidetori handelte.

„Was, was ist passiert? Wo ist Hidetori?“, schrie der Stratege, völlig außer sich vor Sorge, seinen Krieger an.

„Fukushima schickt mich, um Euch davon zu berichten, dass Hidetori festgenommen wurde“, teilte der Mann, der von seiner langen Tagesreise völlig erschöpft zu sein schien, seinem Herrn ohne Umschweife mit. Kagegaku starrte den Boten sichtlich geschockt in die Augen, bevor er mit einem Zittern in der Stimme um Erklärung bat.

„W-warum? Was ist denn geschehen? Das kann doch nicht sein.“ Panik erfasste ihn und er konnte es nicht verbergen. Er packte den ermatteten Krieger am Kragen seines Kimonos und forderte eine sofortige Antwort. Unsicher fing Yukitaka dann auch zu stottern an, denn noch nie hatte er seinen Herrn derartig unbeherrscht erlebt.

„Während … während der Audienz … starb der Vorkoster Kenshins, … der die Süßigkeiten* probierte, die Ihr Hidetori als Geschenk … mitgegeben habt.“

„Vergiftet?“

Der Krieger nickte nur verkrampft, bevor ihn der Stratege losließ.

Nachdenklich starrte Kagegaku in das müde Gesicht seines treuen Kriegers, während ihm sofort dämmerte, dass es sich wahrscheinlich um eine hinterhältige Intrige seines Halbbruders handeln musste. Kagemura hatte Hidetori nach Kasugayama gelockt, um ihn schnurstracks in seine Falle laufen zu lassen. Das ungute Gefühl des Strategen hatte sich also bestätigt.
 

Fahrig fuhr sich das Oberhaupt durch die offenen Haare. Die Nervosität war ihm anzusehen, während er sich nicht einmal die Mühe machte, seine momentanen Gefühle zu verbergen.

„Hidetori würde so etwas niemals tun“, murmelte er leise zu sich selbst, während er felsenfest davon überzeugt war. Der sich tief verbeugende Bote schüttelte den Kopf, bevor er unaufgefordert schilderte, was genau sich auf der Hauptburg abgespielt hatte.

„Euer Bruder klagte Euch folglich des Verrats an und Hidetori ...“

„Er hat doch nicht etwa ...“, fiel ihm der Stratege, das schlimmste ahnend, ins Wort. Yukitaka nickte.

„Hidetori hat sofort zugegeben, es selbst gewesen zu sein, und beteuerte, dass Ihr nichts damit zu tun habt.“

„Dann ist er also doch ein Verräter!?“, schlussfolgerte die Prinzessin, die langsam an die beiden Männer herangetreten war. Skeptisch runzelte Kagegaku die Stirn, als sie sich zu ihm auf den Boden setzte und, als wäre sie die ranghöchste Dame des Hauses, skeptisch auf den Boten herabblickte.

„Was genau hat Hidetori gesagt?“, fragte Kagegaku, die stolze Prinzessin an seiner Seite ignorierend.

„Er sagte, dass er im Auftrag Nobunagas handelte. Seine Aufgabe war es, Euer Vertrauen zu gewinnen und Kenshin zu ermorden.“

Nachdenklich schüttelte das Oberhaupt den Kopf. Dasselbe hatte Hidetori ihm auch an jenen Abend weiszumachen versucht. Doch geglaubt hatte er es dem Blonden keine Sekunde lang. Auch jetzt noch war er erstaunlicherweise davon überzeugt, dass Hidetori log. Und je länger er darüber nachdachte, desto absurder schien ihm der lächerliche Gedanke, der Blonde könnte ein intriganter Spion sein, der es darauf angelegt hatte, ihm absichtlich schöne Augen zu machen, damit er dumm darauf reinfiel und dem Feind den Weg in Kenshins Burg erleichterte.

Er wusste, dass Hidetori nur log, dass er sich selbst eines Verbrechens bezichtigte, welches er nicht begangen haben konnte. Kagegaku war sich sicher, dass es nur so sein konnte.

Die möglichen Konsequenzen dieser Lüge wurden dem Strategen aber nur langsam bewusst.

„Und ...“, fing Kagegaku unsicher zu stammeln an. Wie Schuppen fiel es ihm schließlich von den Augen, als er daran dachte, dass es das höchste Verbrechen darstellte, einen Daimyo hinterlistig ermorden zu wollen. Als Diener eines solchen Herrn war dem Strategen bekannt, wie derartige Vergehen in der Regel bestraft wurden. Allein der Gedanke an diese gnadenlose Bestrafung versetzte den Strategen in eine unbeschreibliche Unruhe.

„Er wird morgen früh enthauptet“, beantwortete Yukitaka schonungslos die Frage, die dem Strategen auf der Zunge lag, welche er aber nicht auszusprechen wagte.

Als Kagegaku seine Vermutung in Worte gefasst hörte, war es wie ein brutaler Schlag ins Gesicht.

Sein Herz raste, während er glaubte, nicht mehr atmen zu können. Die Luft um ihn herum schien gefroren zu sein. Ihm war kalt, doch seine Wangen glühten vor Aufregung. Seine Augen blickten wie erstarrt durch seinen Vasallen hindurch, während er sich einen Moment lang schrecklich hilflos fühlte. Fassungslos griff er sich mit den verkrampften Fingern in sein schwarzes Haar, bevor er den Kopf schüttelte, die Lippen aufeinanderpresste und die andere zitternde Hand zu einer Faust formte.

Er kämpfte mit sich und seiner Angst.

Die Angst davor, zu versagen, und dass nun alles sein Ende nahm. Als treuer Diener war es seine Pflicht, den Entscheidungen und Befehlen seines Daimyos nicht zu widersprechen oder sie zu hinterfragen. Bisher war ihm dies auch nie schwergefallen, doch nun war es sein Herz, welches direkt angegriffen wurde.

Er konnte es nicht akzeptieren. Er konnte Hidetori nicht sterben lassen.

Doch was genau er tun sollte, wusste er auch nicht. Er konnte nicht vor Kenshin treten und ihn um Gnade bitten. Da Hidetori vorgegeben hatte, ihn bewusst getäuscht zu haben, würden man ihn nur als Naivling belächeln und nach Hause schicken. Oder aber man stempelte auch ihn als Verräter ab und steckte ihn in dieselbe Todeszelle. Hidetoris Unschuld würde er in der kurzen Zeit, die ihm noch blieb, nicht beweisen können. Was also blieb ihm noch für eine Wahl? Wenn er jetzt nichts unternahm, würde es zu spät sein. Ihm blieb kaum noch Zeit, um über Pläne nachzudenken. Er war ein Stratege, der immer wusste, was in welchen Schlachten am besten zu tun war, doch nun musste er sich einfach blind hineinstürzen und hoffen, dass er keine Fehler machte. War er dem gewachsen, ohne Fukushima um Rat bitten zu können?

Eines war ihm auf jeden Fall klar. Er konnte nicht hierbleiben und das Schicksal tatenlos gewähren lassen. Er war keine Marionette des Krieges mehr. Er hatte von Hidetori gelernt, anders zu sein, anders zu denken. Und nun war der Moment gekommen, sein wahres Ich unter Beweis zu stellen.

„Yukitaka, sattele mein Pferd!“, befahl Kagegaku schließlich entschlossen, während er aufstand und sich seines Haoris** entledigte.

„Jawohl!“ Yukitaka verbeugte sich noch knapp, bevor er ging, um den Befehl seines Herrn auszuführen.

Irritiert musterte die Prinzessin den Strategen, der hektisch in den Nebenraum ging und Bedienstete um schwarze Kleidung bat.

„Wo wollt Ihr denn hin?“, kam es besorgt von der Prinzessin, als er wieder zurückkam und sich selbst den Obi aufband.

„Nach Kasugayama“, antwortete das Oberhaupt knapp, ohne sie anzusehen.

„Wollt Ihr etwa zu Kenshin gehen und ihn darum bitten, Hidetori freizulassen?“

Als Kagegaku keine Antwort darauf gab, schüttelte sie entrüstet den Kopf.

„Wenn Ihr das tut, macht Ihr Euch mitschuldig.“

„Er lügt“, entgegnete Kagegaku, obwohl er es nicht als notwendig empfand, die Prinzessin von Hidetoris Unschuld zu überzeugen.

„Er ist ein Verräter. Dass Ihr ihn vertraut, war sein Ziel. Er hat Euch alles nur vorgespielt.“ Nervös stand sie auf und trat an den Strategen heran. Ihre warmen Augen blickten ihn eindringlich an und trafen ihn mit ehrlicher Besorgnis.

„Vielleicht hat er auch nur alles auf sich genommen, um mich zu schützen“, widersprach Kagegaku ernst.

Er wollte ihr keine Bösartigkeit unterstellen, doch genauso wenig konnte er von ihr erwarten, dass sie die Lage richtig einschätzen konnte. Sie kannte den Blonden kaum und sie wusste auch nichts von der Feindschaft der Nishiyama-Brüder. Dass es sich hier um eine Intrige völlig anderer Art handelte, würde ihr nicht einleuchten, selbst wenn er versuchen würde, es ihr zu erklären – wofür sowieso keine Zeit war.

„Warum wollt Ihr für diesen Mann Euer Leben aufs Spiel setzen?“ Die Stimme der Prinzessin war brüchig, nur noch ein Flüstern, während Kagegaku bemerkte, wie sie ihre Tränen zurückzuhalten versuchte.

Erst seit ein paar Tagen wusste er von den Gefühlen der Prinzessin. Obwohl er ihr bisher nur wenig Zeit geschenkt hatte, schien sie sich in ihn verliebt zu haben. Er hatte es in ihren Augen gelesen, als sie ihm kurz nach Hidetoris Abreise von dem ihm unbekannten Gerücht erzählt hatte, welches auf dem Anwesen die Runde machte. Mit einem verschämten Lächeln sagte sie, dass jeder hier glaube, sie wäre seine Geliebte.

Kagegaku wusste sofort, dass es ihr geheimer Wunsch war, dieses Gerücht wäre die Wahrheit. Doch das war es nicht, denn er konnte ihre Gefühle nicht teilen.

Seit er davon wusste, waren seine Gedanken an Hidetori nur noch stärker geworden.

Denn genau denselben Blick hatte er auch oft bei dem Blonden bemerkt, doch verstanden hatte er ihn lange nicht. Erst jetzt, nachdem er selbst wusste, was es bedeutete, jemanden zu lieben, hätte er jenen Ausdruck in den vertrauten braunen Augen richtig verstehen können. Doch nun war der Blonde nicht hier. Er konnte in seinem Blick nicht lesen, welche Gefühle sich hinter seiner Eigenwilligkeit verbargen. Aber er wollte es wissen. Er wollte um alles in der Welt diese Antwort und dafür würde er alles tun, was nötig war.
 

„Warum?“, fragte die Prinzessin erneut, als sie bemerkte, wie Kagegaku mit seinen Gedanken in weite Ferne gerückt war. Schweigend blickte er die Prinzessin an, während er sich beim Ankleiden von einem Bediensteten helfen ließ. Über seinem weißen Unterkimono*** zog er einen Kimono aus schwarzer Baumwolle und über diesen einen ebenfalls schwarzen Hakama****.

„Weil ich keine Sekunde ohne ihn leben kann“, antwortete er nach kurzem Zögern. Er sah keinen Sinn darin, der Prinzessin etwas vorzumachen. Er wollte nicht mit ihren Gefühlen spielen, also war die Wahrheit die einzig faire Art, ihr gegenüberzutreten. Dass er sie damit verletzte, war ihm bewusst, doch darüber nachdenken wollte er im Moment nicht.

Noch immer wusste er nicht, wie er Hidetori vor dem sicheren Tod bewahren konnte. Er war dazu bereit, den Blonden gewaltsam aus der Gefangenschaft zu befreien und sich damit bewusst gegen seinen Herrn Kenshin zu stellen. Er kannte sich auf der Hauptburg aus. Er kannte die dunklen Schleichwege, die Winkel, in denen man unentdeckt blieb. Er wusste, wo man die Gefangenen festhielt und wie viele Männer dort normalerweise Posten bezogen. Zusammen mit Fukushima und Yukitaka sollte es ein leichtes sein, die Wachen zu überwältigen und Hidetori zu befreien. Doch was war danach? Wo sollte er den Blonden hinbringen? Wie würde Kenshin auf diese Flucht reagieren? Würde man Kagegaku sofort verdächtigen? Riskierte er damit wirklich alles? Es war klarer Verrat, den er begehen würde. Würde er damit leben können?

Dies waren die Fragen, über die er sich gerade den Kopf zerbrach. Doch bis es soweit war, eine endgültige Entscheidung zu fällen, lag noch ein langer Ritt vor ihm. Er hoffte, dass er es noch vor Anbruch der Dunkelheit bis zur Burg schaffte und ihm spätestens dort ein Plan in den Sinn gekommen war.

„Macht Euch keine Sorgen. Ich werde unversehrt zurückkommen“, versuchte Kagegaku die besorgte Prinzessin zu beruhigen, die ihn die ganze Zeit, schockiert wegen seiner Antwort, nur noch schweigend anstarrte. Er merkte, wie sie hilflos versuchte, Worte zu finden, doch ihr Herz war verletzt und momentan wusste sie wahrscheinlich auch nicht, wie sie das Oberhaupt verabschieden sollte. Dass er ihre Reise nach Etchu, an das Grab ihrer verstorbenen Mutter, gegen die Rettung eines Bediensteten eintauschte, hätte sie wahrscheinlich nie erwartet. Sie musste sich so oder so wie vor den Kopf gestoßen fühlen. Doch darauf konnte er keine Rücksicht nehmen.

Unbeirrt griff Kagegaku sein Katana, welches auf dem Schwertständer hinter dem Futon lag und sah die Prinzessin noch einmal an. Diese hatte sich wieder auf den Boden gesetzt und starrte nun auf ihre Hände hinab, die sie aufeinander auf ihrem Schoß gelegt hatte, um das leichte Beben in ihren Fingern zu verbergen.

„Passt auf Euch auf“, murmelte sie schließlich steif, als sie seinen Blick spürte. Dann hörte sie nur noch, wie seine Schritte langsam verstummten.
 

----------------------------------------
 

Ich glaube ich habe da eine falsche Angabe gemacht. Nachdem ich nochmal alles durchgegangen bin, ist mir aufgefallen, dass ich 2-3 Kapitel völlig unterschlagen habe. Und das würde bedeuten, dass die Hälfte noch gar nicht erreicht wurde, sondern erst mit dem nächsten, also das 10. … Tut mir Leid, euch falsche Hoffnungen auf ein baldiges Ende gemacht zu haben. Es dauert doch noch eine Weile länger, bis die Qualen ein Ende haben werden. ^^;; Das kommt eben dabei raus, wenn man ewig keinen Bock auf die ausführliche Kapitalaufstellung hat. Ich hoffe, dass ich da jetzt keinen Fehler mehr gemacht habe.

Gehen wir also davon aus, dass diese FF 20 (+-1) Kapitel + Prolog und Epilog hat...

Das würde dann sogar unser Mammutprojekt „Ein Trip ins Chaos“ toppen, von der Kapitelanzahl. Oh manno.. so groß sollte die Sache erst gar nicht werden. Aber ich wusste gleich, nachdem ich die ersten beiden Kapitel geschrieben habe, das es wahrscheinlich doppelt so lang werden würde, als geplant. ^^ Aber mir macht das nichts. Ich liebe meine FF. Und je länger ich Zeit mit ihr verbringen kann, desto besser. Nur... wollt IHR euch so lange mit diesem Drama abquälen?? O.o
 

*#*#*
 

Erläuterungen:
 

Ein paar Erklärungen hatten wir in vorigen Kapiteln schon einmal. Ich führe sie aber trotzdem nochmal auf, weil die Begriffe ja auch vergessen sein können.
 

*japanische Süßigkeiten

werden aus rein natürlichen pflanzlichen Rohstoffen hergestellt. Zu diesen gehören Senbei (Reiscracker) und Daifuku (Bällchen aus Mochi (gestampfter Reis) und Anko (Bohnenpaste)).
 

** Haori

eine bis auf Hüft- oder Schenkelhöhe gehende Kimono-Bedeckung in der Art eines Jacketts.
 

***Unterkimono

der Nagajuban (Unterkimono) wurde wie Unterwäsche unter dem Kimono getragen
 

**** Hakama

eine Art plissierter Hosenrock mit weitgeschnittenen Beinen, der den Körper etwa von der Taille an abwärts bedeckt. Er ist Teil der traditionellen japanischen Oberbekleidung. Der Typ umanori-bakama (馬乗袴, dt. „Reithakama“) bzw. machidaka-bakama (襠高袴, dt. „Hochzwickelhakama“) wurde ursprünglich für berittene Samurai entwickelt und stellt heutzutage die verbreitetere Variante dar.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Chacha
2011-05-22T17:35:44+00:00 22.05.2011 19:35
Konni chi - wa Tenshis - San

Ah, kami - sama, I love this fanfiction and every time I can't wait, until you release the next chapter. It's so exciting and I'm glad, that this fanfiction would be longer, that you thought it will be.
I'm so sorry for Kagengaku - San and Hidetori - San. I also hope, that Kangengaku will Kasugayama reach in time and that he has a goold plan then, to help Hidetori - San.
It's confusing, what Hidetori - San is doing, but on the other hand, I can also understand, 'cuze his heard is broken and for him seems his life senseless. Hope both find a way together, before it is to late.
Also I'm sorry for princess Ume, that she got in this relationship, without knowing what's going on. I can understand, that she felt in love to this fascinating man, who seems to be so differnt, but it's a shame, that she didn't leared to know Hidetori - San. If she had, maybe she would better understand Kagengaku - San. Hope the best for all.
Please turn on the way you choose for this fanfiction. It's so great. I can't get enough.

All the best wishes yours
Chacha

Von:  Chilet
2011-05-21T10:45:28+00:00 21.05.2011 12:45
*Hand heb* ich will mich noch weiter mit dem Drama quälen xD
Ne, es is keine Qual ^^
Ich find die story Klasse und bin total gespannt wie es weitergeht ><

*sigh* es is grad so arg, was da abgeht.
Kagegaku betrinkt sich und versucht so dem ganzen zu entfliehen, weil er hidetori einfach in die Falle seines Bruders geschickt hat.... Und Hyde is auch noch so blöd und erzählt Lügen!
Ich mein, das kann doch echt ned sein T-T
Ich bin nur so froh, das gaku sich auf den weg macht....hoffentlich kommt er noch rechtzeitig.... Er darf Hyde nicht sterben lassen!!

Was die Gefühle von der Prinzessin betrifft, hab ich mir das fast gedacht...

Nyann. Ich hoffe, das die Fortsetzung ganz bald fertig is.... >_<

*ungeduldig wart* xD


Zurück