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DARK SIDE OF THE MOON.


 

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1. Kapitel

DARK SIDE OF THE MOON.
 

Dumpf schlug das Metall gegen das in die Jahre gekommene Holz, während der eiserne Ring in der Verankerung quietschte. Langsam fuhr Katie mit dem Daumen die feinen Schuppen der Schlange nach, die sich in ihre Hand schmiegte, als wollte sie sich dort zusammen rollen.

Schlangen, schon wieder, ein tiefer Seufzer entkam ihr.

Katie fiel auf, dass ihr nur sehr wenig über die Personen bekannt war, deren Leben nun ein Teil in der Sonderausgabe des Tagespropheten finden sollte. »Die schönsten, vornehmsten, einflussreichsten und wohlhabendsten Zauberer Großbritanniens« lautete der Titel der speziellen Artikel, deren Erscheinen alle zwei Wochen dem Propheten zu mehr Bekanntheit verhelfen sollten, auch über die Landesgrenzen Englands hinaus. Mehr Bekanntheit ergab folglich mehr Profit und zu allem Übel konnte man sich über die »gut situierten« Zauberer und Hexen das Maul zerreißen, so oft man es für nötig erachtete.

Ein lautes Klicken brachte Katie dazu, sich wieder der Situation zu widmen. Quietschend wurde die schwere, helle Pforte nur einen winzigen Spalt geöffnet. Nervös wagte es die junge Frau, um sich zu blicken, ehe sie einen Schritt auf die Tür zu trat und dem Versuch erlag, durch den schmalen Spalt zu linsen.

»Sie wünschen«, die piepsende, etwas wackelig klingende Stimme ließ Katie kaum merklich zusammenzucken.

Ein Hauself, natürlich, stellte sie nüchtern fest. Hätte ich mir ja denken können, dass zu so einem Anwesen auch die nötige Dienerschaft gehört. Bitter schlängelte sich die Erkenntnis durch ihren Kopf.

»Miss Bell, vom Tagespropheten«, meinte Katie und versuchte noch immer denjenigen durch den dunklen, kleinen Spalt zu erahnen, der zu ihr sprach.

»Einen Moment, Miss Bell-Wood.«, fiebte es hinter der Tür und zu Katies Überraschung schob der kleine, beinahe steinalt wirkende Diener des Hauses die Pforte weit genug auf, dass sie einen Blick auf den Elf erhaschen konnte. Dass der Hauself sie mit ihrem noch nicht als offiziell geltenden Namen ansprach, ärgerte Katie und ihr Unmut entlud sich in einem schnaubenden Laut, dennoch verriet es ihr, dass man sich auf ihre Ankunft vorbereitet, oder diese zumindest zur Kenntnis genommen hatte.

Unter knarrenden Tönen wurde die Tür nun endlich weit genug geöffnet, dass man ihr Einlass bot. Wieder hallten die Absätze ihrer Stiefel auf dem Boden wider und der Klang schien von allen Wänden auf sie nieder zugehen. Katie befand sich einer Art kleinem Foyer und besah sich unter staunenden Augen die mit Stuck besetzte Decke, die edlen, mit Goldfäden durchwobenen Teppiche, und die teuren, alten und ebenso wertvollen Gemälde, die den Eingangsbereich säumten.

Die junge Frau wusste, wo sie sich befand, da man ihr die Adresse des Hauses ausgehändigt hatte, doch hatte man ihr verschwiegen, wer sie zum vertraulichen Gespräch geladen, oder diese Art von Informationsbeschaffung überhaupt toleriert und ebendieser zugestimmt hatte.

Der Hauself hatte sie einfach so, mitten im Vorraum, stehen lassen und war hinter eine der vielen, für Katie beinahe unzählbaren, Türen verschwunden, die sich wie die Äste eines Baumes in alle Himmelsrichtungen erstreckten. Mittelpunkt der prunkvollen Villa war die große, opulente Wendeltreppe, die wie ein Wirbel gebaut und mit einem blutroten Teppich ausgelegt worden war.

Vom goldenen Geländer und dem mit Kristallen besetzen Lüster, der von der hohen Decke in das Zentrum der Treppe mittels Magie dahin schwebte und das Foyer in warmes Licht tauchte, schien die junge Frau mehr angetan, als ihr lieb war.

»Miss Bell-Wood, wenn Sie mir bitte folgen würden!« Der Elf erschien und Katie zuckte vor Schreck zusammen. Wehmütig nahm sie von dem Panorama abschied, das sich auf seltsame, für sie unerklärliche Weise beruhigend auf sie ausgewirkt hatte.

Der Hauself schritt unter langsamen, gemächlichen Schritten vor ihr her und Katie hätte ihn am liebsten zu mehr Eile angetrieben, doch der Diener des Hauses machte einen so zarten und gebrechlichen Eindruck, dass sie sich in ihrem Vorhaben zügeln musste. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, hielt der Elf in seinem gemächlichen Tempo inne und wandte sich ihr zu. Die großen, etwas trüb wirkenden Augen sahen ehrfürchtig von Katie zur Tür, ehe der Elf die kleine Hand zu einer Faust ballte und sachte gegen das Holz schlug.

»Master, Miss Katreace Elissabeth Margerite Bell-Wood«, ertönte es und abermals zuckte Katie zusammen.

»Bellwood? Kenne ich nicht«, grollte eine tiefe, und äußerst bedrohlich klingende, Stimme aus dem Zimmer.

»Eigentlich nur »Bell«. Katie Bell«, wies Katie den kleinen, alten Hauself sanft zurecht, doch dieser nahm nur wenig Notiz von ihrem Verbesserungsvorschlag.

»Lass sie rein«, erneut vernahm sie den bellenden Ton und wappnete sich bereits für das Zusammentreffen mit einem mürrischen, alten Aristokraten. Höflicher Weise geleitete der Elf die junge Frau noch über die Schwelle, ehe er eine tiefe Verbeugung machte und dem Versuch erlag, die Türe schließen zu wollen.

»Hickslow«, schnarrte die tiefe Stimme und Katie warf einen mitleidigen Blick auf den Diener, dessen Körper unweigerlich zu zittern begann. »Tee, sofort!«

Abermals beugte sich der Elf soweit herunter, wie es ihm sein kleiner Rücken erlaubte, und beinahe berührte seine Knollnase die Flusen des dunklen Teppichs. »Sehr wohl, Master«, mit diesen Worten machte Hickslow auf den Hacken kehrt und verließ das Zimmer.

Katies Empörung über diese Situation äußerste sich, in dem sie das Gesicht zu einer pikierten Grimasse verzog. Ihr war durchaus bekannt, dass es noch immer Familien gab, die einen Hauself ihr Eigen nannten und dessen Dienste so lange in Anspruch nahmen, wie sie für richtig erachteten. Die verstimmte Miene auf ihrem Gesicht blieb, auch, als sich die junge Frau in dem Zimmer umsah. Es war klein, aber es strahlte eine gewisse Wärme und Behaglichkeit aus. Ein Feuer im Kamin knisterte und in einem großen Ohrensessel davor saß der Herr des Hauses, mit ihr zugewandtem Rücken. Die Statur des Mannes war kaum auszumachen, hinter der hohen Lehne und auch die Stimme mochte zu keinem Ergebnis führen, wen sie dort vor sich hatte.

Ein Räuspern entkam ihr, ehe Katie eher unfreiwillig den Fokus auf sich lenkte. Seit dem der Mann vor dem Kamin den Elfen Tee holen geschickt hatte, hatten weder sie, noch er ein Wort gesprochen.

»Sie arbeiten für den Tagespropheten?«, laut und vernehmlich drang die dunkle, grollende Stimme plötzlich an ihre Ohren.

»Ja«, gab Katie knapp zurück.

»Und Sie wollen also eine Geschichte über mich schreiben, ist diese Information korrekt?«

Etwas mulmig war ihr schon zumute, da der Herr im Ohrensessel eine gewisse Blasiertheit an den Tag legte, die sich in seiner Wortwahl widerspiegelte.

»Ganz recht«, gab die junge Frau wahrheitsgemäß zu und nickte zu ihrer eigenen Bestätigung.

»Bellwood, Bellwood ... Sollte ich von Ihnen schon einmal etwas gehört oder gelesen haben?«, noch immer schien er es vorzuziehen, das Gespräch mit dem Kamin zu suchen, als ihr höflichkeitshalber einen Platz anzubieten, oder, wenn es ihm nicht zu viel abverlangte, aufzustehen um sie zu begrüßen oder wenigstens in Augenschein zu nehmen.

»Nun, es heißt nicht Bellwood, sondern nur Bell. Offiziell und formell ist das Wood noch nicht zulässig, geschweige denn rechtskräftig.«, mit einer Spur an Überlegenheit hielt es Katie für nötig, ihr Gegenüber zu korrigieren und den misslichen Fehler bei der Benennung ihrer Person ein für alle mal auszumerzen.

Das Leder des Sessels knirschte, als sich die dunkle Gestalt aus diesem erhob. Der Schein des Feuers umspielte die hohe Statur des Mannes, ehe er den Kopf in ihre Richtung wandte. Die junge Frau schwieg und schien, im ersten Augenblick, wenig beeindruckt zu sein. Wahrlich hielt es Katie für angemessen, weder Fragen, noch Aussagen von sich zu geben. Die Größe des Herren erschreckte sie, doch sie würde sich den Adrenalinstoß, der durch ihre Adern fegte und sie zur Flucht ermahnte, nicht anmerken lassen. So schnell vermochte nichts Katreace Elissabeth Margerite Bell in die Enge treiben und ihren Fluchtinstinkt zu wecken, doch hiesige, hühnenhafte Gestalten, Riesen, Muskelprotze versetzten die sonst so toughe und wortgewandte, junge Frau in Panik.

Trotz des massig daher kommenden Körpers, bewegte sich der Herr flink und anmutig. Die Körpergröße stand eindeutig im Widerspruch zur Beweglichkeit!, schoss ihr augenblicklich durch den Kopf.

Je näher der riesenhafte Mann auf sie zu trat, desto mulmiger wurde es ihr in der Magengegend. Der kleine Raum schien plötzlich mit einer Spannung geladen zu sein, die ihren Rücken prickeln ließ. Nervosität überkam die junge Frau und das Prickeln wurde mit jedem Schritt, den er ihr näher kam, deutlicher. Endlich kam er vor ihr zum Stehen. Der bedrohliche Blick aus den fast schwarzen Augen kam ihr merkwürdig bekannt vor. Buschige, dunkle Augenbrauen hoben sich skeptisch dreinblickend zu dem ebenso dunklen Haaransatz.

»Na so was«, grollte es aus der Kehle des Mannes. »Wenn das nicht Katie Bell ist, die gefürchtetste Jägerin Gryffindors. Zumindest zu meiner Zeit.« So sehr auch eine Silbe über ihre Lippen kriechen wollte, Katie starrte ihrem Gegenüber mit offenem Mund entgegen, während nicht ein Laut ihrer Kehle entwich.
 

Das Gehabe, die Stimme und der Tonfall, der den Raum augenblicklich einhüllte, ließ ihr kaum merklich die Härchen auf den Armen zu Berge stehen. Sie kannte diesen Mann. Unwillkürlich rieb sie über den schweren Stoff ihres Mantels, um die eisige Kälte zu vertreiben, die ihren Körper so urplötzlich in Gewahrsam nahm. Das Schlucken fiel ihr schwer und sie hoffte inständig, dass er die erstickten Laute nicht vernommen hatte, die ihre Kehle empor gekrochen waren. Der Herr des vornehmen Hauses hörte tatsächlich nicht einen Laut, stattdessen blickte er gebannt auf ihren Hals, der ihrem Tun mehr Ausdruck verlieh, als es ihre Geräuschkulisse tat.

Als er zu sprechen begann, war sein Augenmerk noch immer auf ihre Kehle gerichtet und schien eine gewisse Faszination zu entwickeln.

»Wie ich sehe, hast du überlebt.« Katies Augen weiteten sich, als die herablassenden und äußerst unpassenden Worte seinen Mund verließen, um an ihre Ohren zu dringen.

»Gefühlskaltes Monster!« Schock und Empörung hatten zu dieser hastigen Reaktion geführt, doch sie würde sich hüten, sich für ihre Aussage zu entschuldigen, geschweige denn, sich vor ihm zu rechtfertigen.

»Ganz die Alte, hm, Miss Bell?«, erneut provozierte er sie, doch Katie besann sich augenblicklich.

Es schickte sich nicht und war ebenso unangemessen und unhöflich, auf diese Schiene aufzuspringen, um alte Fehden wieder anfechten zu wollen. Doch erschien ihr Höflichkeit in diesem Moment mehr als unpassend, schließlich hatte ihr Gegenüber solch radikale Mittel einzusetzen gewusst.

»Ganz das Scheusal, nicht wahr, Mister Flint?« Kein triumphierendes Lächeln umspielte ihre Lippen, stattdessen waren diese zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Kontrolle war etwas, dass Katie Bell leider nicht bis zur Perfektion beherrschte, weder auf dem Quidditch-Feld, noch im restlichen Verlauf ihres Lebens. Aufbrausend, hektisch und nicht den Hauch Gelassenheit hatten ihr bereits den einen oder anderen Felsen in den Weg gelegt, den sie aber geschickt zu umschiffen wusste. Ihre Geheimwaffe, Charme, war etwas, das sie nur selten und in der größten Notlage würde ans Tageslicht treten lassen. Katie konnte äußerst charmant sein und wirken, wenn sie wollte, doch in diesem Augenblick erschien es ihr eher von Vorteil zu sein, dem jungen Mann vor sich keinen Honig um den Bart zu schmieren, dessen dunkle Stoppeln einen leichten Schatten auf Kinn und Hals warfen.

»Lassen wir die Begrüßungsfloskeln.«, meinte er entschieden und war es gewohnt, dass seinem Befehl Folge geleistet und nicht widersprochen wurde.

»Manieren waren für dich ja schon immer ein Fremdwort. Ich sehe keine Bücher, wahrscheinlich hat du nicht einmal eine Bibliothek von innen gesehen.«, dieses Spiel konnte Katie ebenso gut spielen.

Seine Mundwinkel kräuselten sich und ein schiefes Grinsen legte sich plötzlich auf sein Gesicht. »Was glaubst du, weshalb ich ein Jahr wiederholen musste? Bestimmt nicht, weil ich scharf darauf gewesen bin, bei Pince ein- und auszugehen. Es hatte seinen Vorteil, Quidditch-Kapitän von Slytherin zu sein.«

»Ich habe mir schon gedacht, dass du die Aufsätze und die Antworten der Prüfungsfragen erpresst hattest.«, gab sie nüchtern zu und blickte ihm fest in die Augen, doch nicht ohne in Abwehrstellung zu gehen, und die Arme vor der Brust zu verschränken. Das Vorhaben entpuppte sich als leichter gesagt, als getan, denn der schwere, wohlig warme Mantel erschien ihr in diesem Augenblick viel zu sperrig und zu schwer auf ihren Schultern. Kurzentschlossen beließ es Katie bei dem Versuch und machte sich daran, die großen, hölzernen Knöpfe durch die Ösen des grau-blauen Umhangs zu schieben.

»Bitte entschuldige meine nicht vorhandenen Manieren«, das Grinsen auf seinem Gesicht wurde eine Spur süffisanter, als er ihr die Hand reichte. Mit Skepsis im Blick beäugte Katie sein Tun und legte eher widerwillig den schweren Stoff in die großen, prankenähnlichen Hände, die leichte Schwielen aufwiesen.

»Du spielst immer noch?« Ihm war nicht entgangen, dass die junge Frau auf seine Gliedmaßen gestarrt und diese akribisch gemustert hatte.

»Nicht hauptberuflich«, erklärte er ihr nüchtern. »Nur noch zur Ertüchtigung und zum Zeitvertreib und bei gutem Wetter.«

Katie entsann sich eines der letzten Spiele, die sie als eine der Jägerinnen des Hauses Gryffindor, gegen die Slytherins beinahe verloren hatte. Es goss wie aus Eimern und an die Kälte, die an diesem Novembertag durch das Stadion und über das Feld fegte, mochte sie nur ungern zurückdenken. Es waren heikle Situationen und halsbrecherische Aktionen auf beiden Seiten gewesen, die zur Unterbrechung und Vertagung führten. Rolanda Hooch, die alte, grauhaarige Hexe und Spielleiterin, hatte darauf bestanden und so wurde das Spiel an einem anderen, weniger stürmischen Tag fortgesetzt. Mit einem klaren Sieg für Gryffindor.

Und doch erinnerte sich die junge Frau daran, wie nicht nur ihre Kameradin Alicia Spinnet im Krankenflügel einlag, sondern auch Marcus Flint, der ebenso, wie Katie, Alicia und Angelina Johnson als Jäger aktiv war. Ihm hatte ein Klatscher beinahe den Schädel gespalten und an seiner Stirn konnte sie noch immer die Narbe erkennen, die von der damalig offenen, klaffende Wunde herrührte. Erneut schluckte Katie an dem Kloß in ihrem Hals, doch Marcus Flint wusste, sie aus ihren Erinnerungen zu reißen.

»Deine Karriere ist wohl auch den Bach herunter gegangen.« Es war keine Frage, nur die verletzende, nüchterne Erkenntnis ihrer Lebensumstände.

Heißes Blut wand sich durch ihre Adern und Katie spürte, wie der brodelnde Lebenssaft in ihre Wangen fuhr und diese färbten. Ihre Fingernägel krallten sich in ihre Handflächen, bis diese zu schmerzen begannen, ehe sie die nun geballten Fäuste fest gegen ihre Seiten presste. Ein wunder Punkt, um nicht zu behaupten, der wunde Punkt in ihrem Lebenslauf. Wie der beinahe zweigeteilte Schädel ihres Gegenübers, hatte ihre Karriere ihr Ende bei einem banalen, nicht weiter nennenswerten Training gefunden.

Manchmal konnte das Leben wahrlich grausam sein!

Man fiel aus fünfzehn Metern Höhe vom Besen und kassierte nur leichte Blessuren. Oder man rutschte vom Besen und es gelang, dennoch das Gleichgewicht zu halten, aber mit dem herannahenden Gegenspieler rechnete man nicht mehr.

Zu ihrem Leidwesen war es Punkt Zwei auf der Liste des Irrsinns, der ihr zwar nicht die Freude am Spiel nahm, aber dafür die Aufsteigerchance gehörig vermasselte. Knochensplitter, Hämatome der Größe eines Quaffels und ein halbes Jahr Bewegungsverbot des rechten Armes. Auch die besten Tränke im St. Mungo-Hostpital konnten der Kompliziertheit dieses Unfalls nicht gerecht werden.

»Dafür«, begann Katie langsam in dem Wissen, dass ihre Aufgewühltheit allmählich abflaute, »habe ich ja jetzt andere Möglichkeiten.«
 

Das Teeservice klapperte munter auf dem silbernen Tablett. Neben einer großen, hübsch anzusehenden Teekanne, hatte der Diener des Hauses Flint auch diverse Kekse und Küchlein aufbereitet. Ein Hauch von Kitsch umwehte die Atmosphäre und Katie kam nicht umhin, insgeheim zu grinsen, da die Flints, oder zumindest Marcus' Mutter, einen Faible für Antikes und ebenso Klimbim-lastiges zu besitzen schien, dennoch wagte sie es kaum, das filigrane und äußerst fragil wirkende Porzellan zu berühren.

Noch immer befand sich sie in dem kleinen Raum, der weiterhin vom Schein des Feuers im Kamin erhellt und erwärmt wurde. Zähneknirschend hatte Marcus ihr einen Platz auf der dunklen Ledercouch angeboten, jedoch nicht ohne abfällig und gehässig zu Grinsen.

Unter bebenden Gliedern reichte Hickslow erst seinem Herren, dann dem Gast, eine Tasse des wohlduftenden, englischen Tees. Akribisch beobachtete der junge Mann das Tun des Elfen, und als der Diener beinahe die Tasse Katies zum Überlaufen gebracht hätte, brummte er ungehalten.

»Genug«, knurrte Marcus und der kleine, alte Bedienstete zuckte zusammen, und verließ in geduckter Haltung das Zimmer.

Er ignorierte den stechenden Seitenblick der jungen Frau. Ihm war durchaus bekannt, dass Katies Eltern, ein ziemlich wohlhabender Zauberer und eine eher nichtssagende Muggelstämmige, in einem Einfamilienhaus im Süden Englands lebten. Sie war Einzelkind und allem Anschein nach nie in den Genuss eines Hausangestellten gekommen. Eine völlig absurde Vorstellung, zumindest, wenn man ihn fragte.

Doch die Zeit und die daraus resultierenden Umstände hatten aus der jungenhaften, burschikosen Sportskanone eine Frau werden lassen, die dem Leben trotzte. Aber sie war nicht mehr als eine von vielen, vielen anderen, die Verluste, Wut und Trauer hatten erleiden müssen. Ihm selbst war es nicht anders ergangen. Neben Verfolgungen und angedrohten Strafen, einschließlich einem kurzen Aufenthalt im halb zertrümmerten Askaban, war es seiner Familie gelungen, ein einigermaßen ordentliches Leben mit privilegierten Standards zu führen.

Ganz in Gedanken versunken, ließ sich Marcus gegen die Rückenlehne des kleinen Sofas sinken, das dem Katies gegenüber stand. Sein Blick war glasig und er schien mit den Gedanken plötzlich an einem ganz anderen Ort zu sein, diesen Eindruck hinterließ er zumindest bei der etwas unruhig auf dem Leder umher rutschenden Katie Bell.

»Und?«, leicht nervös kam ihr dieses kleine Wörtchen über die Lippen.

Wie sehr hatte Katie gehofft, dass er ihre belanglose Erkundigung gar nicht registrierte, doch da hatte sie sich geirrt. Während die junge Frau ihren Blick abermals durch das Zimmer schweifen ließ, stets darauf bedacht, den Augenkontakt mit ihrem Gegenüber zu meiden, hatte Marcus sehr wohl ihre Frage vernommen und richtete nun sein Interesse auf sie.

»Was?«, hakte er recht barsch und grimmig klingend nach. Mit leichtem Genuss und der dazugehörigen Zufriedenheit beobachtete er, wie sich die Hexe vor ihm etwas weiter in das dunkelschimmernde Leder verkroch. Doch kaum hatte ihr Rücken den harten Überzug der Couch berührt, schreckte Katie beinahe zusammen. Da war sie wieder, die Löwin aus alter Zeit, die sich nicht wie ein verschrecktes Kaninchen in den Bau zurückzog, sondern tapfer, mutig und bisweilen verbissen dem Gegner stellte.

Ihr war überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie ihrem einstigen Erzfeind gegenüber saß. Auch, dass er sie plötzlich so anfuhr, hatte ihr für einen flüchtigen Moment den Schrecken durch den Körper gejagt und beinahe hätte sie sich, klein und unbedeutend fühlend, in das schützende Sofa verkrochen. Doch ein innerer Impuls schien sich gegen diesen Zwang, Schutz zu suchen, zu wehren, und so war sie gewillt, trotzig und entschlossen ihrem früheren Widersacher gegenüber zu treten.

»Da ich meine Anweisung zu erfüllen habe, würde ich gern mit dem Interview beginnen.«, forsch und konsequent brachte Katie kurzerhand ihr Vorhaben zum Ausdruck. Skeptisch wanderte eine dunkle, buschige Augenbraue zum Haaransatz hinauf, ehe Marcus, kaum merklich, die Lippen schürzte. »Was? Kein schwelgen in den guten, alten Zeiten?«

Katie überging seine etwas spöttisch klingende Frage und zuckte mit angespannter Miene die schmalen Schultern. Wie dankbar war sie plötzlich, dass sie den schweren Mantel abgelegt hatte, denn die Hitze im Raum schien mit jeder Minute zu zunehmen.

»Gut«, meinte Marcus kurzentschlossen, »aber nicht hier.«

»Nicht?«, etwas überrascht über seine Instruktion, blickte zu unter staunenden Augen zu ihm herüber. Ohne ihr zu antworten, erhob er sich, sodass der schwere Stoff und die Federn unter seinen Bewegungen ächzten. Er war schon beinahe an der Tür, als Katie nach ihrem Mantel griff und ihm hastig hinterher eilte.

»Was ist mit deinen Eltern?«, fragte sie gerade heraus.

»Später«, knurrte er und schritt ebenjenen, langen Flur entlang, den Katie bei ihrer Ankunft betreten hatte.

Unter großen Schritten stapfte der hühnenhafte Mann vor ihr her, bog links, rechts und abermals links ab. Der mit Teppich besetzte Boden wandelte sich nun und ging in schwarz-weiße Bodenfliesen über, die in einem Schachbrettmuster angeordnet waren. Unter Staunen betrachtete die junge Frau die vielen Gemälde, Rüstungen und Wandbehänge, die ihren Weg säumten. Sie betraten das Foyer mit der langen, gewundenden Treppe und Marcus hielt inne.

»Nur, um dir zu beweisen, dass ich sehr wohl eine Bücherei betreten habe, werden wir dein »Interview« in unserer Bibliothek führen.«, erklärte er, warf ihr einen abschätzigen Blick zu und grinste arglistig.
 

Schweigend folgte sie dem jungen Hausherren die vielen Stufen hinauf. Der bordeauxrote Teppich dämpfte den Klang ihrer Schritte, so dass diese nur dumpf an ihre Ohren drangen. In der oberen Etage angekommen, hielt Marcus plötzlich inne. Verwundert stoppte Katie hinter ihm, da die Wendeltreppe noch ein, wenn nicht sogar zwei Stockwerke höher reichte. Auch hier, im Obergeschoss, zweigten sich Gänge ab, die ebenso verworren schienen, wie die Wurzeln einer alten Ulme.

»The Business-Area«, merkte er an und verzog zähneknirschend den Mund.

Während Marcus knapp die einzelnen Gänge und die dazugehörigen Räume beschrieb, empfand Katie seine Ausführungen als gezwungen. Ihm schien nicht viel an Geld und Arbeit zu liegen, ging es ihr durch den Kopf, als er sich wieder in Bewegung setzte und einen kleinen Flur entlang schritt. Brav folgte ihm Katie auf dem Fuße und als der junge Mann vor einer großen, weißen Flügeltür hielt, nach den vergoldeten Griffen langte und die Pforte aufstieß, stockte ihre beinahe der Atem.

Vor ihren Augen erstreckte sich eine Bibliothek, die der in Hogwarts in absolut nichts nach zustehen schien. Regale über Regale, die bis zur Zimmerdecke reichten. Leitern, die an den Reihen befestigt worden waren, um das Herankommen an das geballte Wissen zu erleichterten. Katies Augen wanderten von einer Bücherwand zur nächsten, und auch in diesem, hellen Raum befand sich ein Kamin und auch eine kleine Sesselgruppe lud zum entspannten Schmökern ein.

»Setz' dich!« Seine zuvorkommend wirkende Geste glich eher einem gebellten Befehl, als Marcus geradewegs auf die Polster in der Mitte des Zimmers zuging.

Noch immer stand Katie unschlüssig in der Tür und wagte kaum, einen Schritt hinein zu tun. Nicht aus Angst, sondern aus tiefster Ehrfurcht. Für manche schien solch eine Räumlichkeit einer Folterkammer gleich zu kommen, doch für sie war eine Bibliothek ein Ort der Erholung, der Phantasie und eine Stätte, die einlud, um der rauen Realität für eine gewisse Zeit entfliehen zu können.

Unter zögernden, eher tapsigen Bewegungen, glitt die junge Frau weg von der Tür und marschierte, unter strenger Beobachtung, etwas unbeholfen auf die Sitzplätze zu. »Autsch«, fluchte sie zähneknirschend und versuchte, den Schmerz nicht in ihr Antlitz vorrücken zu lassen.

Die spitze Kante hatte sie kaum bemerkt, hätte ihr Schienbein nicht ohne Umwege darauf bestanden, den Rand des kleinen, mittig platzierten Couchtisches zu begrüßen. Für einen flüchtigen Augenblick hoben sich seine Mundwinkel zu einem gehässigen Grinsen, als er das verzerrte Gesicht der Hexe sah, die still und leise darauf bedacht war, ihm ihren Schmerz nicht zu zeigen. Doch Katie bewahrte auch in solch einer Situation die Contenance, zumindest machte es den äußeren Anschein.

Laut vernehmbar presste Katie unter zusammengebissenen Zähnen die Luft in ihre Lungen. Wortlos nahm sie ihm gegenüber Platz und legte ihren Mantel behutsam über ihre bestrumpften Knie. Sie konnte nicht verhindern, dass sie Unbehagen überkam. Das beunruhigende Gefühl sorgte dafür, dass Katie umständlich an ihrer blassblauen Bluse herumzupfte und nicht vorhandene Falten aus ihrem grau melierten Bleistiftrock zu streichen versuchte.

Marcus Flint saß währenddessen in dem hohen Sessel und machte dem entspanntesten Mann der Welt Konkurrenz. Lässig hatte er die Hände in einander gefaltet und die langen Beine übereinander geschlagen. Das schwarze Seidenhemd knitterfrei, ebenso wie die edel aussehende, dunkle Hose.

Jenes Räuspern, das plötzlich seinen Mund verließ, steigerte sich in ein leichtes Husten. Zuvorkommender Weise hielt er sich eine geballte Faust vor die Lippen, ehe er in kurzen Atemzügen versuchte, den Anfall abzudämpfen.

Katie nahm seine Aktion mit mildem Gesichtsausdruck hin und ihr keimte der leise Zweifel, ob sie ihre vorgefasste Meinung über ihn und seine Manieren nicht revidieren sollte. Immerhin besaß er den Anstand, ihr nicht offen ins Gesicht zu röcheln.

»Verzeihung«, murmelte er leise und Katie tat seine Abbitte mit einem leichten Zucken der Schultern ab.

»Schon in Ordnung«, gab sie flüsternd zurück, folgte seinem Beispiel und schlug nun ebenso, wenn gleich auch etwas umständlich, ein Bein über das andere. »Könnten wir dann beginnen?«

Marcus nickte zustimmend, doch war seine Haltung plötzlich eine andere. Die lässige Pose, in die er verfallen war, wurde zu einer starren, stoischen Stellung, die er nun bezog. »Ganz wie du willst«, mit diesen Worten gebot er ihr, jenes schriftlich festzuhalten, das sonst niemand, nicht einmal seine engsten Freunde, je erfahren hatten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2016-01-22T23:33:18+00:00 23.01.2016 00:33
Noch einmal ein Hei an diesem Abend!
 
Act one finde ich ebenso schön geschrieben, wie dein Prolog.
Jede Zeile, jedes Wort, das ich gelesen habe, hat mich gefesselt und zum Weiterlesen bewegt.
Mein liebster Satz ist hier "Immerhin besaß er den Anstand, ihr nicht offen ins Gesicht zu röcheln.".
Ich musste so auflachen. Ich bin gespannt, welche Dialoge die Beiden noch führen werden. :))
 
Liebe Grüße
abgemeldet
Von:  Omama63
2013-01-02T12:33:58+00:00 02.01.2013 13:33
Ein klasse Kapitel.
Mir gefällte es sehr gut, wie du die Beiden und ihre Umgebung beschreibst.
Bin schon gespannt, wie es weiter geht.
Von:  EsistJuli
2012-08-21T09:55:08+00:00 21.08.2012 11:55
Ja, neues Kapi :) Ich bin so gespannt, wie es weiter geht. Du machst es aber auch echt spannend ;)


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