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Konoha Side Stories

von

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Der ewige Chunin 13

11.

Ich erwachte im Morgengrauen. Nein, kein antrainierter Reflex weckte mich. Und ich war auch nicht davon wach geworden, dass sich Suzume-chan wieder einmal in mein Bett geschlichen hatte. Oder P-chan. Nein, mir war schlicht und einfach kotzübel. Also wankte ich auf die Toilette und übergab mich mustergültig. Ganz vorschriftsmäßig mit dem rechten Zeigefinger im Winkel von achtzig Grad - von oben herab berechnet - in die Kehle versenkt, bis der Brechreiz einsetzte.

Derart erleichtert fühlte ich mich schnell besser. Aber mein Atem musste furchtbar stinken. Deshalb putzte ich mir die Zähne und spülte den Mund ordentlich aus. Nein, ich war nicht betrunken. Als Ninja von Konoha neigte ich nicht dazu, mich selbst außer Gefecht zu setzen, indem ich übermäßig zu trinken pflegte. Im Gegenteil. Zwar mochte ich ab und an ein oder zwei Bier, und gerne auch mal etwas heißen Sake, aber ich trank nie mehr, als ich mit Hilfe meines Chakras kompensieren konnte. Gerade nicht, wenn ich mich nicht in Konoha befand. Also, eigentlich hatte ich mich noch nie so weit betrunken, das ich für meine Handlungen nicht mehr hätte verantwortlich gemacht werden können. Immerhin das hatte ich auf der Haben-Seite. Außerdem war ich ja erst siebzehn, und da war mir ohnehin nur Bier erlaubt, und beim Sake drückten die Älteren ein Auge zu, solange ich es nicht übertrieb - wozu ich nicht neigte.

Als ich mich im Morgengrauen so mustergültig übergeben hatte, waren andere Dinge Schuld gewesen. Dinge, die ich so noch nicht erlebt hatte. Beim Abendessen hatte ich tüchtig zugelangt. Weil Tsubasas Essen so super gewesen war. Und weil ich mich darüber freute, wie sehr es sie freute, dass es mir geschmeckt hatte. Anschließend, nach dem Trainingskampf, war ich allerdings genötigt worden, noch mehr zu essen. Gutmütig, wie ich war, hatte ich das mit mir machen lassen und nicht darauf geachtet, wie fettig die letzten Happen gewesen waren. Das Ergebnis war eine sehr unruhige Nacht gewesen, die ich dreimal unterbrochen hatte, um draußen ein wenig frische Luft zu schnappen. Jeder meiner darauffolgenden Versuche, etwas Schlaf zu finden, hatte nicht lange vorgehalten. Als ich einsehen musste, dass es nicht besser werden würde, hatte ich mich zum radikalen Schnitt entschieden. Das gute Essen.

Aber auch das lernte ein Shinobi in Konoha: Sich so schnell wie möglich wieder kampfbereit zu machen. Tatsächlich gab es in der letzten Klasse der Akademie einen Kurs, der von jeder Schülergruppe jedes Jahrgangs der "Metzger-Lehrgang" genannt wurde. In diesem wurde mir damals beigebracht - so wie vielen Generationen vor und sicher noch vielen nach mir - woran ich erkannte, dass gewisse Gliedmaßen nicht mehr zu retten waren und wann ich mich ihrer besser entledigte. Die richtige Technik für diesen Schnitt, die Kauterisierung und Wundversorgung waren mir damals auch beigebracht worden. Als Nebeneffekt hatten wir auch gelernt, wie wir uns im Fall von Vergiftungen zu verhalten hatten. Der Lehrsatz bei schlechten Lebensmitteln war gewesen: Immer raus mit dem Dreck. Und da es eine wesentlich harmlosere Technik war, als das Entfernen von Körperteilen, hatten wir das auch geübt. Mein Schwachpunkt war Pflanzenfett gewesen. Ich hatte es warm und flüssig trinken müssen und mich anschließend zu gerne darin geübt, mich zu übergeben und das Zeug wieder loszuwerden. Bis zum heutigen Tag hatte ich es nicht gebraucht. Aber jetzt war ich meinem Sensei dankbar für diese Lektion.

"Alka Selzer oder Natron obendrauf?", fragte Kuzoko mitfühlend.

"Nein, geht schon. Ich bin es los. Aber gegen einen frühen Kaffee hätte ich nichts einzuwenden."

Das Spinnenmädchen nickte verständnisvoll und verschwand in der Küche, ohne einen Laut zu verursachen. Nur weil wir schon so früh fuhrwerkten, mussten wir ja nicht das ganze Haus wecken. So hoffte ich zumindest.

"Sensei?", fragte Kishio. "Alles in Ordnung mit dir? Dein Chakra ist schon die ganze Nacht so... Durcheinander."

In einer Mischung aus Ärger und Amusement betrachtete ich den jungen Ninja in der Tür zum Baderaum. Das hätte ich mir denken können. Und ich konnte ihm noch nicht mal böse sein, weil er mich mit seinen sensorischen Fähigkeiten überwacht hatte. Besser noch, ich durfte es nicht einmal. Nach dem, was er mir erzählt hatte, zumindest das, was er im Moment für relevant gehalten hatte, waren unbegründete negative Emotionen meinerseits mehr als dazu geeignet, um ihn zu verunsichern. Ich tat gut daran, ihn die nächsten Wochen mit Samthandschuhen anzupacken.

"Ich habe zu fett gegessen. Ich weiß, dass ich das nicht vertrage, aber... Ich mache es immer wieder." Mit der Rechten klopfte ich mir auf den Bauch. "Ich bin halt ein viel zu guter Esser."

Kishio zog eine Augenbraue hoch. "So? Davon sieht man aber nichts, Sensei."

"Ich verbrenne das Meiste."

Einen Augenblick stutzte der Junge, bevor er merkte, dass ich einen Katon-Benutzer-Witz zum Besten gegeben hatte. "Ach so."

"Als Ninja muss man gut essen. Sehr gut essen. Du musst es nicht gerade übertreiben wie die Akimichi, aber ein paar anständige Reserven sind nie verkehrt. Ein paar Jutsu zuviel, und du siehst sonst aus wie ein abgemagertes Etwas."

"Das hätte durchaus Vorteile", murmelte Kishio.

"Was denn? Nicht attraktiv auszusehen hätte Vorteile?", scherzte ich. Innerlich bemühte ich mich allerdings, meine Anspannung nicht durch mein Chakra erkennen zu lassen. Ich ahnte, dass das Gespräch in eine Richtung ging, die ich bisher tunlichst vermieden hatte, denn dies waren Dinge, die Kishios absolute Privatangelegenheit waren. Zumindest bis er meinte, dass er sich besser fühlte, wenn er sie mir erzählte. Vielleicht war dies einer dieser Momente.

Der junge Moeru fuhr sich fahrig mit der Rechten durch sein Haar. "Sensei, als du mich im Holzfällerdorf in der Küche gesehen hast, zwischen den Frauen, da..."

"Als du zwischen den Frauen fast verschwunden bist?"

"Ja", gestand er. "Es hat keine Vorteile, so auszusehen."

"Ich weiß", murmelte ich leise. "Als ich Genta das erste Mal traf, damals, als er noch ein Straßenräuber war, waren meine Haare länger und mein Gesicht noch sehr feminin. Damals wollten Genta und seine Jungs mich und meine Begleiter gegen Sex passieren lassen. Wie ich schon sagte, damals war er noch ein Straßenräuber, und ich musste ihm und seinen Leuten erst den Kopf zurechtrücken. Er und seine beiden Leutnants haben es geschafft, aber die anderen beiden sind wohl mittlerweile auf der Straße gestorben. Dennoch, ich trage Genta nichts nach. Außer, dass er mich mit einem Mädchen verwechselt hat", sagte ich mit gespieltem Groll.

"Du hast es gut", murmelte Kishio mit einem wehmütigen Lächeln. "Du wurdest mit einem Mädchen verwechselt. Bei mir haben sie genau gewusst, dass ich ein Junge war."

"Erzähl", bat ich.

Kishio Moeru setzte an, sprach aber kein Wort. Er versuchte es erneut, versuchte es wieder, aber sein Hals schien wie zugeschnürt zu sein. Als er endlich sprechen konnte, berichtete er mir davon, dass er von einem Nukenin vergewaltigt worden war. Ich hatte so etwas erwartet. Ich hatte gehofft, dass ihm so etwas nicht widerfahren war, vor allem, weil ich seine Kampfkraft kannte. Aber seine Erzählung, vor allem die alte Frau und ihre Enkelin betreffend, machten schnell klar, warum er nicht gekämpft hatte. Für einen Shinobi hatte er sich mehr als vorbildlich verhalten.

Ich hörte ihm zu, wie er von der Demütigung berichtete, von den Schmerzen, vom Darmbluten, das durch die grobe Behandlung eingesetzt hatte, und von seinen Gefühlen, während er den Nukenin und seine Begleiter einzeln hatte ausschalten können. Als er die Stelle erreichte, an der er in das Haus zurückgekehrt war, wusste ich schon vorher, was er darauf sagen würde. Er war rausgeworfen worden, obwohl er nichts Schlimmes getan hatte. Ich ahnte ungefähr, was in dem Jungen vor sich ging, wissen konnte ich es nicht.

Langsam schüttelte ich den Kopf. "Ich verstehe. Sie wusste, was mit dir passiert war. Aber du hast weitergemacht, als wenn nichts gewesen wäre. Deine Stärke hat sie sicher genauso entsetzt, wie ihre eigenen Schuldgefühle, wann immer sie dich gesehen hat. Es ist die Aufgabe der Erwachsenen, die Kinder zu beschützen. Und dann hast du das Schicksal auf dich genommen, das sie für sich selbst und ihre Enkelin vorhergesehen hatte. Sie ist an sich selbst verzweifelt."

Skeptisch sah mich Kishio an. Jetzt, wo er sich das von der Seele geredet hatte, wirkte er erleichtert. Und streitlustig. "Meinst du wirklich, sie hatte Schuldgefühle? Denkst du nicht, dass sie einfach nur das Monster in mir gesehen hat, wie all die anderen, die mich fortgeschickt haben, kaum das sie mich erkannten?", fragte er spöttisch. "Selbst der Clan deines Freundes Ryuji, der ein guter Verbündeter meines Clans war, hat mich fortgejagt wie einen räudigen Hund. Warum sollten die Oma und Rin-chan besser gewesen sein? Oder besser von mir gedacht haben? So sind die Menschen nun..." Entsetzt sah er zur Seite. Dort stand Kuzoko. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt, und die Tasse Kaffee in ihrer Hand zitterte.

Ein Schatten legte sich über Kishios Gesicht, so als erwarte er, nun von ihr ebenso behandelt zu werden. Ich spürte, wie sein Chakra in Aufruhr geriet. Dann veränderte sich etwas. Es beruhigte sich fast so schnell wieder, wie es hochgefahren war, wie als wenn eine Tsunami übergangslos in ihr Bett zurückglitt. Der Grund dafür war das Spinnenmädchen. Sie hatte mir die Kaffeetasse gereicht und den jungen Moeru in den Arm genommen. Nach anfänglichem Zögern ließ er diese Berührung zu. Er konnte mit der Nähe, mit ihrem Mitgefühl nicht umgehen, das sah ich auf den ersten Blick. Aber etwas an der Situation erleichterte ihn so sehr, dass ihm stumm die Tränen flossen. Es dauerte Minuten, bis er zögerlich seine Arme um den schlanken Leib Kuzokos schlang. Und dennoch wagte er es nicht einmal, ihre Kleidung einzudrücken.

"Es ist gut", hauchte sie leise. "Es ist alles gut. Hier und jetzt ist alles gut. Und mehr solltest du von der Welt nicht verlangen."

Es vergingen weitere Minuten, in denen Kishio nicht in der Lage war, ein Wort zu sagen. Nur zögerlich lösten sich die zwei voneinander.

"Weißt du, Kishio", sagte ich ernst, "dass ich die gleiche Ausbildung bekommen habe, die dein Großvater dir mitgegeben hat? Für den Fall, dass ich vergewaltigt werde. Disziplin, Entspannung, den Geist fortschicken. All das wurde ich genauso gelehrt, wie wir es unseren Kunoichi beibringen. Auch Mai, Shinji und Kira haben das an der Akademie gelehrt bekommen. Natürlich nur in der Theorie. Aber in unserem Gewerbe passiert so etwas nun einmal, und es ist besser, wenn jeder von uns weiß, wie man so eine Situation überlebt, nicht nur jene, die potentiell hineingeraten können."

Ich stellte den unbenutzten Kaffeebecher beiseite. "Natürlich hat das wenig mit dem zu tun, was du durchmachen musstest, und ich bin froh, dass ich das nicht nachvollziehen kann. Aber vielleicht beruhigt es dich, wenn ich dir sage, dass ich erwartet habe, dass du mir so etwas erzählen wirst, wenn du bereit bist. Ich bin sehr schlecht darin, anderen meine Gefühle zu zeigen oder sie einzufordern. Ich mache meist mehr kaputt, als dass ich Nutzen bringe. Deshalb habe ich gewartet, bis du selbst soweit bist. Und jetzt... Jetzt kann ich dir sagen, dass ich stolz auf dich bin, anstelle deines Großvaters. Du hast die richtige Entscheidung getroffen. Du hast die beschützt, die dir wichtig waren, und du hast überlebt. Du hast dich dazu entschlossen dann gegen deine Feinde zu kämpfen, als du eine Chance dazu hattest. Und du hast sie genutzt. Du bist trotz deiner jungen Jahre ein hervorragender Shinobi. Ich bin froh, dich getroffen zu haben." Ich trat an ihn heran und legte meine Rechte auf seinen Kopf. "Und du bist ein feiner Kerl, Kishio, kein Monster."

"Danke, Sensei", sagte er mit rauer Stimme.

"Ich denke mal, das bleibt erstmal unter uns vieren. Wenn du den anderen davon erzählen willst, dann tue es, wann du bereit dazu bist. Aber glaube ja nicht, dass die vier dumm sind. Sicher ahnen sie schon was. Es wird sicherlich das Vertrauen zwischen euch stärken, wenn sie wissen, wie stark du wirklich schon bist. Hier oben, meine ich."

"Danke, Sensei", sagte er erneut, und seine Stimme war nicht mehr ganz so rau.

"Und was das Monster angeht... Du hast ja keine Ahnung. Während des Morgentrainings gehen wir beide mal ans Meer, und ich zeige dir ein richtiges Monster, und das hat mit dem netten, freundlichen und bescheidenen Jungen hier vor mir nicht das Geringste zu tun."

Verwirrt sah er mich an. "Ein anderes Monster?"

"Ich meine mich. Extra für dich werde ich mal voll aufdrehen. Hoffentlich werden wir nicht anschließend aus dem Dorf geworfen", scherzte ich. "Anschließend können wir am Strand das sensorische Training ausprobieren, wenn es dir Recht ist. Und du kannst mir dein Taijutsu zeigen, falls du nicht vor Angst bibberst."

Kishio sah mich spöttisch an. "Glaubst du wirklich, du kannst mich ängstigen, Sensei? Mein Clan hat es geschafft, alleine mit seinem Chakra zu töten."

"Siehst du, ich muss es dazu in ein Ninjutsu pressen, aber mein Chakra tötet auch. Noch Fragen?"

"Ja, Sensei. Wieso soll es unter uns vier bleiben, wo wir doch nur drei sind?"

"Das liegt daran, das ich nur gelauscht habe", sagte Perine. Sie entstand neben mir wie aus dem Nichts. "Ich wollte nicht heimlich lauschen. Es ist einfach so passiert. Und hätte Mamo-chan mich nicht verpetzt, hättest du nichts davon erfahren, dass ich hier war. Es tut mir leid."

"Nein, das muss es nicht, Perine-sensei. Ich habe nur nicht erwartet, dass... Dass..."

"So. Bist du also auch einer von den Idioten, denen etwas Schlimmes angetan wurde, und die die Schuld dann bei sich suchen?", fragte Perine spöttisch. "Keine Sorge, du hast alles richtig gemacht. Würden diese Typen aber noch leben, würde ich mich jetzt sofort auf den Weg machen, um sie zu finden und zu liquidieren. Wegen Monstren wie ihnen schließen wir Affen unsere Kontrakte ab. Wir können es nicht dulden, das solche Bestien in Menschengestalt in der Welt ihr Unwesen treiben." Sie griente Kishio an. "Es reicht ja auch schon, dass die Welt mit Mamo-chan gestraft ist."

"P-chan!", beschwerte ich mich gespielt.

"Ist doch aber wahr", sagte sie. "Kishio, pass gut auf deine Hose auf, wenn Mamo-chan nachher zeigt, was er kann. Nicht, dass dir das Herz reinrutscht."

"So leicht bin ich dann doch nicht zu beeindrucken", erwiderte der junge Moeru amüsiert.

"Wir werden sehen", sagte das Affenmädchen augenzwinkernd. "Ach, was mir gerade einfällt. Du kannst doch lesen und schreiben, oder?"

"Ja, wieso?"

"Dann solltest du der alten Frau und ihrer Enkelin einen Brief schreiben, in dem du ihr erzählst, dass es dir jetzt gut geht und dass du unter Freunden bist. Das wird dich erleichtern, und es wird sie erleichtern."

"Ob sie so einen Brief überhaupt von mir will?", fragte der Junge mürrisch.

"Glaub mir, sie will einen solchen Brief von dir. Und du wirst dich sehr viel besser fühlen, wenn du ihn abgeschickt hast", sagte Perine.

"Das denke ich auch", sagte Kuzoko und nickte gewichtig.

Kishio seufzte gespielt auf. "Na gut, vielleicht schreibe ich den Brief. Aber nur, wenn Sensei mich nicht enttäuscht. Nicht, Mamoru-sensei?" Er grinste mich an und zwinkerte seinerseits.

"Oh, dann lege ich schon mal Papier und was zu schreiben bereit", sagte die Affenkriegerin. In ihrer Stimme war nicht der Hauch eines Zweifels.

Langsam spürte ich einen gewissen Erwartungsdruck. "Es wird Zeit für das Morgentraining. Wecken wir die anderen", sagte ich. Okay, das hatte ich jetzt davon. Diesmal würde ich mächtig übers Limit gehen müssen, um die Erwartungen von Kishio und den Mädchen nicht zu enttäuschen.

***

Nach den Morgenübungen, die die Genin wann immer sie konnten mit großem Ernst praktizierten, verabschiedeten sich Kishio und Mamoru-sensei von ihnen, um in der Abgeschiedenheit des nahen Strandes ein eigenes Training zur Verbesserung von Mamo-chans sensorischen Fähigkeiten durchzuführen.

Seit die beiden nach Norden verschwunden waren, um die Anglerhütte von Genta für diesen Zweck zu nutzen, tuschelten und diskutierten Perine-sensei und Kuzoko miteinander. Schnell hatten sie auch Kuzomi hinzugeholt, und schließlich hatte sich auch Mai angeschlossen. Die vier Mädchen glaubten, das sie relativ leise waren, aber ihre Aufregung machte sie unvorsichtig, sodass das eine oder andere zu laut gesprochene Wort zu Kira und Shinji herüberwehte.

Shinji schüttelte ernüchtert den Kopf. "Frauen! Kaum hören sie was von nackter Haut und Körperkontakt, schon brennen bei ihnen alle Sicherungen durch. Mensch, Mamo-chan und Kishio wollen nur trainieren!" Er stutzte und sah zu seinem Freund herüber. "Oder meinst du..."

"Ist mir alles vollkommen egal, solange Kishio wiederkommt, und er mir die letzte Kata noch mal zeigt. Die hatte echt Power", erwiderte Kira und schwang sein Wakizashi in einer seiner eigenen Katas, die ihm sein Onkel in Kumogakure beigebracht hatte.

"Dich kann wohl nichts erschüttern, oder?", murrte Shinji.

"Ach, komm! Wenn die Frauen Sensei nachlaufen wollen, um dabei zusehen zu können, wie er mit Kishio halbnackt in einer Hütte sitzt und die beiden Hautkontakt haben, dann lass sie doch. Mich interessiert das nicht die Bohne. Und wenn die davon Nasenbluten kriegen, ist das nicht mein Bier. Lass ihnen doch ihre homoerotischen Phantasien. Äh, ist was?"

Shinji starrte den Freund konsterniert an. "Du weißt tatsächlich, worum es geht?"

"War ja nicht schwer zu erraten, oder? Und nur zu deiner Information: Nur weil es mich nicht interessiert, heißt das nicht, dass ich darüber nicht Bescheid weiß. Also lass sie, wenn es sie glücklich macht. Hauptsache, Perine-sensei schockt sich nicht selbst mit ihren eigenen Erwartungen. Vergiss nicht, sie ist eine von fünf Frauen, die Mamo-chan unter sich aufteilen wollen."

"Selber Schuld, würde ich dann mal sagen. Aber was ist, wenn die Mädchen Mamo-chans und Kishios Training negativ beeinflussen?", fragte Shinji.

Leiser Donner klang zu ihnen herüber. Er war aus dem Norden gekommen und markierte ungefähr jene Stelle des nahen Meeres, an dem Mamoru und sein Zögling trainieren wollten.

"Wenn sie das Training negativ beeinflussen wollen", sagte Kira grinsend und deutete auf die Feuerlohe am Horizont, "sollten sie sich beeilen. Das war Mamo-chans Dai Endan. Damit beeindruckt er jeden, sogar mich. Schätze, er und Kishio gehen dann auch gleich zum anderen Training über."

Der Meinung schienen wohl auch die Frauen zu sein, die nun eine nach der anderen per Step verschwanden und am Fluss, der ebenfalls nach Norden floss, wieder auftauchten, nur um sofort wieder in den Step zu gehen.

"Ach, siehe da. Die Hübschen merken wohl, dass sie spät dran sind", sagte Shinji grinsend. Sein Grinsen erstarb aber gleich wieder. "Mai-chan. Mai-chan geht ja mit! Mist!"

"Wieso Mist? Sie ist eben auch nur eine Frau. Ärgere ich mich vielleicht, dass meine Kontraktpartnerin mitgeht? Lass sie einfach machen. Die beruhigen sich und kommen wieder, garantiert."

"Ja, aber, aber, aber, was ist, wenn sie Kishio wirklich halbnackt sieht, und ihm dann verfällt? Ich meine, ich habe doch die älteren Rechte", murrte er.

Kira stupste ihm mit dem Griff seines Wakizashis in den Bauch. "Das du sie mit deinem nackten Oberkörper nicht beeindrucken kannst, sollte wohl klar sein, Kleiner. Aber sieh es mal so: Wenn sich Mai-chan schon davon beeindrucken lässt, hattest du eh keine Chance bei ihr. Für sie sind wir ohnehin nur kleine Kinder, auf die sie als große Schwester aufpassen will."

"Du fühlst wohl gar nichts für sie, was?", murrte Shinji.

"Natürlich. Ich mag sie. Sehr sogar. Aber sie hat nicht... Wie soll ich es sagen? Nicht genug Oberweite. So ein wenig darf es schon sein. Mindestens soviel wie Perine-sensei hat."

Shinji starrte den Freund mit weit aufgerissenen Augen an. "Aha. Soviel wie Perine-sensei hat, also."

"Tja, was soll ich sagen", erwiderte Kira. "Ich bin nunmal ein fixer Lerner. Und sieh es doch mal von der Seite: Ein Konkurrent weniger um Mai-chan für dich."

"Ja, das ist auch das einzige Gute an der Situation", murrte Shinji.

***

"Mamoru-sama." Suirin kam neben mir aus dem Step und kniete sich nieder, die rechte Faust fest auf den Boden gestemmt. "Die Vorbereitungen sind getroffen, und mein Team hat die Wachaufgaben von den Affen übernommen, damit sie sich ausruhen können."

Ich verkniff es mir, ihr etwas über einen Affenkrieger zu erzählen, was "wachen" und "ausruhen" anging. Stattdessen lobte ich sie. "Gute Arbeit, Suirin-kun. Gibt es noch etwas zu berichten?"

"Ja, Mamoru-sama. Die Eskorte aus Kumogakure wird sich verspäten. Wenn wir euch an der Landesgrenze verlassen müssen, wird sie noch nicht eingetroffen sein. Aus politischen Gründen dürfen mein Team und ich dich aber nicht tiefer ins Land begleiten."

"Das verstehe ich. Steht es immer noch so schlimm um Kiri und Kumo?"

"Nein, im Gegenteil. Die Situation hat sich merklich verbessert. Aber das ist auch genau der Grund, warum wir nicht unerlaubt über die Grenze gehen können. Wir würden Vertrauen aufbrauchen, das wir mühsam aufgebaut haben."

"Auch das freut mich zu hören. Gibt es noch etwas?"

Sie zögerte und senkte den Blick. "D-darf ich so vermessen sein und..."

"Nur zu", ermunterte ich sie. "Ich beiße nur auf Wunsch."

Diese Worte ließen eine gesunde Röte über ihr Gesicht huschen. "Mamoru-sama!"

Ich lachte leise. "Nur ein Scherz, Suirin-kun. Was liegt dir denn auf der Seele?"

"Nun, ich... Ich will nicht vermessen klingen." Sie hob abwehrend die Arme. "Und ich will auch nicht spionieren, oder so! Aber darf ich... Erlaubst du mir, dein Training zu beobachten?"

Nun, es war in der Tat problematisch, den Ninjas anderer Nationen die eigenen Kniffe und Tricks zu zeigen. Und zweifellos würde Suirin weitermelden, welche Jutsu ich beherrschte. Aber warum einen Nachteil nicht in einen Vorteil verwandeln? "Ich habe nichts dagegen, Suirin-kun."

"Danke, Mamoru-sama", sagte sie voller Ernst. Sie richtete sich wieder auf, setzte sich aber brav in den Saiza-Sitz.
 

"Also, wo waren wir stehengeblieben?"

Kishio grinste mich an. "Du wolltest mich beeindrucken, Sensei."

"Ach ja, da war ja was." Ich erwiderte sein Grinsen und trat näher an den Strand, bis meine Füße vom Wellenschlag umspült wurden. "Hast du einen besonderen Wunsch? Oder soll ich einfach ein paar meiner besten Ninjutsu aufführen?"

"Du wolltest mich so sehr beeindrucken, dass ich dich mehr als Monster sehe als mich selbst", erinnerte Kishio mich. Er ließ sich im nassen Sand nieder. "Na, da bin ich aber mal gespannt."

Okay, spätestens jetzt hatte ich mich beim Versuch, es dem Jungen komfortabler zu machen, so richtig in die Nesseln gesetzt.

"Probieren wir es doch mal mit einem Trick, den mir Asuma beigebracht hat." Ich lächelte zu Kishio herüber. "Du wirst ihn mögen. Ein freundlicher, tödlicher Kerl, der Mann."

"Freundlich und tödlich?", erwiderte Kishio.

"Nun, wir sind Shinobi, oder?" Ich wandte mich wieder dem Meer zu. "Katon: Haisekishou!"

Ich spie aus meinem Mund einen Schwall Staub aus. Dieser verbreitete sich vor mir als fünfzig Meter weiter Fächer, der in etwa einen Meter Tiefe erreichte.

"Sehr beeindruckend", sagte Kishio spöttisch. "Also, Fläche schaffst du wirklich gut, Sensei."

Ich grinste schief, bevor ich den Staub entzündete. Asuma benutzte dazu einen Feuerstein, den er während eines Kampfes im Mund trug, aus Zeitgründen und wegen der Konzentration. Ich hatte aber genug Zeit, um mich meines Katons zu bedienen. Als ich aus dem Staub eine Flammenhölle machte, war mir nicht ganz klar, was mich selbst erwartete, denn gerade weil es ein so starkes Jutsu war, hatte ich versucht, mich zurückzuhalten. Nun, ein Teil des Meeres stand jedenfalls in Flammen, und der Teil der Asche, der bereits vom Wasser aufgesaugt worden war, sorgte für eine ordentliche Reaktion. Feuer und Wasser vermischten sich, und Dampf entstand. Heißer Dampf. Viel Dampf, der mir fast brühend ins Gesicht wehte. Ich erschrak ein wenig vor mir selbst. Und ich ahnte, warum Asuma mir eingebleut hatte: "Nur im Notfall über Wasser anwenden, Mamo-chan."

"Hervorragend ausgeführt!", ereiferte sich Suirin.

Ich sah zu Kishio herüber.

Der war ein wenig bleich geworden. "N-nicht schlecht, Sensei. Hat mich jetzt aber nicht so beeindruckt."

Ich muss ehrlich gestehen, ich fühlte mich herausgefordert. Mehr als das. "So, das war also nicht so beeindruckend?"

Ich spuckte auf ein Stück Treibholz, das am Strand lag. Es fing sofort Feuer. Wieder fixierte ich das Meer, um eine weitere Technik der Sarutobis anzuwenden, die große Flammenwand. "Hiuchi Yagura!"

Die kleine Flamme auf dem Holz wuchs plötzlich, breitete sich aus und wurde zu einer acht Meter hohen Flammenwand, die sich vor mir rund fünfzig Meter in beide Richtungen erstreckte. Heißer Wind schlug uns entgegen und trocknete unsere Kleidung vom Wasserdampf.

"Und?"

"Sehr beeindruckend, Mamoru-sama!", sagte Suirin, während sie applaudierte.

"J-ja, auch nicht so schlecht. Sicher schwierig in einem Kampf anzuwenden, Sensei", murmelte Kishio. "Hast du nicht was besseres?"

Ich schnaubte leise. "Wie wäre es denn mit einem Klassiker? Dem Dai Endan?"

"Das hast du mir damals auf der Lichtung schon gezeigt, Mamoru-sensei, als die anderen klettern geübt haben", sagte er.

"Stimmt, das habe ich. Aber diesmal gebe ich alles. Im Wald konnte ich ja nicht so wie ich gerne wollte, ohne ihn komplett niederzubrennen."

"Na, da bin ich jetzt aber gespannt", murmelte Kishio amüsiert.
 

Das war's. Definitiv. Er hatte es geschafft. Ich wandte mich wieder dem Meer zu. Bedächtig und voll konzentriert schmiedete ich mein Chakra. Ich erschuf so viel wie ich konnte, und das war eine ganze Menge. Anschließend produzierte ich Öl. Viel Öl. So viel Öl, dass mein Mund es gar nicht fassen konnte. Es drängte weiter nach, und es fühlte sich ein wenig so an wie das Übergeben am Morgen. "DAI ENDAN!" Ich spie das Öl aus, entzündete es sofort als riesige Feuerlohe. Selbst als ich meinte, es wäre genug, legte ich noch mal einen obendrauf. Das Ergebnis war wohl das größte Dai Endan, das ich jemals erschaffen hatte. Es reichte fast einhundert Meter weit und erreichte an der größten Stelle fast zwanzig Meter Durchmesser. Vor mir brannte sich das Dai Endan in den Sandboden und in das Meer. Mein Feuer war viel zu heiß, um Dampf überhaupt zuzulassen.

Als ich das Dai Endan beendete, war im Meer eine Kerbe entstanden, die nun erst wieder voll Wasser floss. Ein Glimmen lag in der Luft, aber kein Hauch von heißem Dampf.

"Und? Wie war das?", fragte ich, innerlich vor einer vernichtenden Antwort zitternd. Merkwürdig, irgendwas roch hier verschmort.

Ich wandte mich Kishio zu und wartete darauf, dass Suirin mich lobte. Das tat sie aber nicht. Darum ging mein erster Blick zu ihr. Sie starrte mich an, und ihr Mund klappte auf und zu, als wäre sie ein Fisch auf dem Trockenen. Es war aber kein Entsetzen, nur grenzenlose Begeisterung in ihrem Blick.

Ich sah Kishio an und fand heraus, was hier so verkokelt roch. Mein Dai Endan hatte ihm die Haare versengt und die Haut durch die Hitze gerötet. Auch er starrte mich an, und es war ein wenig Entsetzen in seinen Augen. "D-das ging noch stärker?", stammelte er fassungslos.

Also hatte die Hitze bis zu ihm gestreut. Was angesichts der Flammenlohe wirklich kein Wunder war. Ich konnte mich wohl glücklich schätzen, das mein eigenes Feuer mir nichts tat. Und ich stellte mir vor, was wohl passiert wäre, wenn ich dieses Dai Endan damals benutzt hätte, als ich mit Kabuto in einem Raum gewesen war. Von uns wäre wohl nicht besonder viel übrig geblieben.

"Oh, ich bin sicher, wenn ich mir Mühe gebe, dann kriege ich es noch größer hin. Warte, ich..."

"Sensei!", rief Kishio und fiel mir in den Arm. "Es ist gut. Ich habe meine Lektion gelernt. Aber ich bin nicht bereit, dich Monster zu nennen!" Ein Lächeln ging über sein Gesicht. "Sagen wir einfach, du bist gefährlicher als ich." Er sah zur Seite und hüstelte. "Viel gefährlicher als ich."

"Ein phantastisches Dai Endan!", rief Suirin, als sie endlich ihre Stimme wiedergefunden hatte. "Ganz hervorragend! Wenn ich so etwas sehe, kriege ich verdammt noch mal keine Lust, jemals gegen Konoha antreten zu wollen. Zumindest, solange du unter den Gegnern bist, Mamoru-sama!"

"Danke für das zweifelhafte Kompliment", erwiderte ich ein wenig säuerlich.

Ich klopfte Kishio auf die Schulter. "Sind wir uns also einig, dass ich den Titel Monster eher verdient habe als du?"

"Ich werde dich so nie nennen, wie schon gesagt", beharrte Kishio.

"Damit kann ich leben. Kommen wir zu deinem Part." Ich wandte mich der Kiri-Nin zu. "Suirin-kun, wo ist die Hütte?"

Sie erhob sich. "Bitte hier entlang, Mamoru-sama."

Ich atmete kurz nervös ein und aus. Jetzt also würde es sich entscheiden, ob ich meine sensorischen Fähigkeiten erweitern konnte, oder eben nicht. Und dafür musste ich mich auf einen Jüngeren verlassen. Mist, das machte mir zu schaffen.

***

Suirin kniete in respektvollem Abstand neben uns. Eine Leistung, wenn man bedachte, dass die kleine Wetterschutzhütte, die gerade mal Schutz vor ein wenig Unwetter und Platz für ein paar Utensilien wie Netze und Angeln bot, mit Verlaub gesagt nicht die größte war. Sie hatte darum gebeten, dabei sein zu dürfen, und ich hatte keinen Grund gesehen, ihr diese Bitte abzuschlagen. Vom eigentlichen Ninjutsu würde sie ohnehin nichts mitbekommen. Allerdings würden ihr ausgeglichenes Wesen und ihre Ruhe positiv auf Kishio und mich wirken. So hoffte ich zumindest.

Bedächtig legte ich das Stirnband aus Silber ab, das mir Suzume geschenkt hatte. Dann zog ich meine grüne Kampfweste aus, die für einen Chunin aus Konoha zum guten Ton gehörte, auch wenn sie den Genin nicht verboten war. Anschließend entledigte ich mich des Shirts aus Spinnenseide. Es war immer noch so fein und leicht wie am ersten Tag, und es nahm auch keinerlei Gerüche an. Was für mich der schönste Aspekt an den Shirts war. Anschließend setzte auch ich mich in den Seiza und machte ein paar Atemübungen zur Entspannung.

Kishio entkleidete sich ebenfalls. Als er sein Hemd auszog, fiel mir der deutliche Unterschied zwischen uns beiden auf. Er war ungefähr fünfzehn Jahre alt, und deshalb von der körperlichen Entwicklung noch eher ein Kind als ein Mann. Seine Muskeln waren trainiert, aber es waren eben noch die Muskeln eines Kindes, was ihm trotz seiner Kraft ein zierliches Aussehen einbrachte. Ich hingegen, schon halb erwachsen, hatte nach meinem letzten Wachstumsschub breitere Schultern bekommen, um die sich meine trainierten Muskeln gruppierten. Auch mein Pectoralis Major war deutlich größer und dicker. Also der große Brustmuskel, der darüber entschied, ob ein Mann eine Hühnerbrust entwickelte, oder die gut geformte Brustpartie eines durchtrainierten Shinobi. Dank guter Gene in der Familie stand mir letzteres bevor. Nicht, dass Shinobi, die mit kleineren Pectoralis Majors gestraft waren, weniger Kraft entwickeln konnten, aber es sah eben einfach besser aus, wenn der Muskel eine größere Körperfläche in Anspruch nahm. Wohin Kishios Weg ihn führen würde war noch nicht zu sagen.

"Äh...", machte Suirin, "benötigst du noch etwas, Kishio-kun? Etwas, um die Konzentration zu steigern? Etwas zum Verbrennen? Körperöl?"

Ich musterte sie. "Wofür den Körperöl?"

Sie errötete. "Für den Hautkontakt, Mamoru-sama."

Ich sah Kishio an. "Brauchen wir Körperöl?"

"Nein, Sensei. Es geht auch so. Ich muss mein Chakra auf dich übertragen, nicht mich an dir reiben."

Das schien Suirin ein wenig zu enttäuschen. Was nun wiederum mich amüsierte. "Langer Rede kurzer Sinn, ich bin bereit. Schauen wir doch mal, ob die Sache funktioniert, und ob sie sich positiv auf meine sensorische Reichweite auswirkt."

"Gut." Kishio erhob sich und trat hinter mich. "Wenn dir etwas unangenehm ist, sage es bitte. Nichts wäre unvorteilhafter, als wenn du jetzt verkrampfen oder mich unbewusst ablehnen würdest. Mit deinem Schattenklon hat es gut geklappt, aber diese Übung ist sehr viel intensiver. Damit wurden meine sensorischen Fähigkeiten im Alter von vier Jahren geweckt. Damit ich mitreden konnte."

Ich stutzte kurz. Davon hatte er mir berichtet. Die Moerus waren in der Lage gewesen, auf kurze Distanzen lautlos miteinander zu kommunizieren, wenn sie ihr Chakra gut genug beherrschten.

"Gut." Ich versuchte, mich weiter zu entspannen, aber eigentlich war ich aufgeregt. Ich war sehr darauf gespannt zu erfahren, wie Kishio die Welt sah.

"Ich fange dann jetzt an." Er zögerte. "Du weißt, dass mein Clan nur durch bloße Berührung töten kann, indem wir unser Chakra verwenden."

"Das hast du schon erzählt. Und du hast doch hoffentlich keinen Grund, um mich zu töten", erwiderte ich eine Spur zu barsch.

Das brachte den Jungen dazu, zu lachen. "Nein, natürlich nicht, Mamoru-sensei."

Er kniete sich hinter mir nieder und legte seine Hände auf meinen Rücken. "Fangen wir mit einer kleinen Übung an. Spürst du mein Chakra?"

"Ja", erwiderte ich. "Es ist... Warm. Und grün."

"Das hast du gut erkannt, Sensei. Wir Moerus erfassen Körpereigenes Chakra in verschiedenen Farben. Das erleichtert uns die Bestimmung des Zustands unserer Gegner. Grün und Blau sind Farben der Ruhe. Gelb und Rot stehen für Aufregung. Es würde zu weit führen, dir nun alle Details erklären zu wollen, aber soviel muss ich erklären: Grün steht für eine besondere Ausgeglichenheit, wenn man sich konzentriert."

Ich nickte verstehend. "Legen wir los, Kishio."

Der Junge zog seine Arme zurück. Dann spürte ich, wie er sich auf mich lehnte. Seine Hände schlang er um meine Brust. Ich spürte sein Chakra, auch ohne, das er es mit mir teilte, als ruhige, kraftvolle Quelle.

"Ich dringe jetzt mit mehr Chakra in dein System", sagte er.

Deutlich konnte ich spüren, wie sein grünes Chakra in meinen Körper drang. Ich stöhnte unterdrückt auf. "Zu tief. Zuviel."

Sofort nahm er das Chakra etwas zurück. "Besser?"

Ich nickte. Damit konnte ich umgehen.

"Es ist vielleicht besser, wenn ich mich darauf konzentriere, mit vereinzelten Stößen zu arbeiten, nicht mit einer permanenten Welle."

Wieder nickte ich.

Erneut spürte ich sein Chakra in mein System fluten. Ich verstand nun, wie es den Moerus möglich war, ihre Gegner alleine mit ihrem Chakra zu töten. Kishio nahm so selbstverständlich Einfluss auf mein Körpersystem, es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, bei einem schlechter trainierten Shinobi als mir einfach das Herz anzuhalten. Allerdings war das auch keine grausigere Vorstellung, als in mein Dai Endan zu geraten. Zumindest sagte ich mir das.

'Also, ich will nicht so gerne in dein Dai Endan geraten, Sensei', hörte ich eine amüsiert klingende Stimme in meinem Inneren.

'Kishio?'

'Ja, Sensei. Ich habe genug von meinem Chakra implantiert, um mit dir auf die Moeru-Art zu kommunizieren. Das ergibt vielleicht Vorteile für die Zukunft. Ich weiß nicht, ob du es permanent erlernen kannst, und ob es ohne Körperkontakt funktioniert. Aber ab jetzt können wir uns absprechen, ohne Worte benutzen zu müssen.'

Erfreut nickte ich. Was für eine großartige Möglichkeit. 'Das eröffnet uns ein paar Variabeln.'

'Ja, das meinte ich. Sensei, ich beginne jetzt.'

'Beginnst was...', konnte ich noch denken, bevor meine Welt explodierte. Es war eine Sache, irgendwo zu stehen und die Natur um sich zu erfassen, wärend man zugleich etwas roch, die Wärme spürte und den Wind wahrnahm. Es war etwas völlig anderes, wenn man es so bewusst erlebte, als stünde man von jeder Pflanze, jedem Tier und jedem Stein nur einen Zentimeter entfernt. Und das auf einer Fläche von einem Quadratkilometer. Ich war es gewohnt, hatte selbst einen Radius von dreißig Metern permanenter Kontrolle. Aber dieser Eindruck war etwas völlig anderes. Es war beängstigend und bestürzend.

'Wow', dachte ich. 'Wie hältst du diesen Informationsfluss nur aus?'

'Wie hältst du es aus, Sensei? Ich habe schon befürchtet, zu weit gegangen zu sein', erwiderte er.

'Ich ignoriere das Meiste', erwiderte ich.

'Das ist aber nicht Sinn der Übung. Ich gehe auf einen Radius von einhundert Metern zurück.'

Die vielen komplexen Eindrücke verschwanden. Die Flut wich, machte einer beherrschbareren Größenordnung Platz. Damit kam ich gut zurecht. 'Besser.'

'Ja, ich spüre, dass du dich den Eindrücken nicht mehr verschließt, Sensei. Ich denke, dies ist der Bereich, den du eigentlich abdecken können solltest.' Er schwieg einige Zeit. 'Ich bin mir nicht sicher, ob diese Sitzung schon ausgereicht hat, um deine sensorischen Fähigkeiten so weit zu pushen. Eventuell sind weitere Sitzungen notwendig.'

'Das wissen wir nur, wenn wir es ausprobieren', erwiderte ich. 'Zieh dein Chakra zurück. Ich versuche es alleine.'

'Verstanden.'

Ich spürte, wie sein Chakra aus mir wich. Damit schrumpfte auch meine sensorische Welt zusammen. Als er nur noch genug Chakra in mir belassen hatte, um mit mir zu kommunizieren, spannte ich mein eigenes sensorisches Netz aus. Auf einen Schlag konnte ich fast doppelt so weit 'sehen'. Das war ein beeindruckender Erfolg. 'Es hat geklappt!'

'Ja, ich sehe es. Aber du bist noch nicht an deiner Grenze angekommen, Sensei', erwiderte er. 'Da wird noch einiges an Arbeit auf uns zukommen.'

'Das ist nichts, was ich scheue', erwiderte ich. 'Eine höhere sensorische Reichweite kann sich in Zukunft als wichtig erweisen, Kishio. Es muss ja nicht gleich so viel sein wie du erfassen kannst.'

Er lachte lautlos. 'Meine Schwester war noch viel stärker als ich. Sensei, soll ich dich mal bis an meine Grenzen mitnehmen?'

'Nein, danke. Mein Bedarf ist gedeckt. Zumindest für heute. Lass uns Schluss machen, nachdem wir ein wenig mit den Mädchen gespielt haben.'

'Den Mädchen?', fragte er erstaunt.

'Perine schützt sie vor dir. Sehr geschickt. Aber mich kann sie damit nicht austricksen.' Nun nahm ich Kishio quasi bei der Hand und zeigte ihm mein sensorisches Bild der Umgebung. Und in diesem Bild sah man Perine, Mai, Kuzomi und Kuzoko vor der Hütte hocken und lauschen. Ihr Chakra war in Unruhe. Nervosität und Unrast erfüllten sie.

'Warum verstecken sie sich?', fragte Kishio verständnislos. 'Sie hätten auch einfach fragen können. Nicht, dass sie ohne sensorische Fähigkeiten auch nur einen Hauch dessen verstanden hätten, was wir hier tun.'

'Oh, ich bin mir sicher, sie haben andere Beweggründe', erwiderte ich amüsiert. 'Das meine ich übrigens mit spielen.'

'Ich verstehe nicht, Sensei.'

Ich musste lächeln. 'Wusstest du, dass es Mädchen nervös macht, wenn sie sich vorstellen, wie zwei hübsche Jungs wie du und ich Hautkontakt herstellen und sich auch noch umfassen?'

'Aber das ist doch kein Sex, Sensei. Nicht einmal ansatzweise', wehrte Kishio belustigt ab.

'Ich glaube auch nicht, dass sie Sex erwarten. Aber, nun, etwas ähnliches.' Kurz erläuterte ich ihm meinen Plan.

'Wenn du das tatsächlich für notwendig hältst... Also gut.'

Wir unterbrachen den Kontakt unserer Chakren und kehrten beide in die normale Welt zurück. Natürlich tat ein sensorischer Ninja das nie wirklich; ein Teil von ihm scannte immer sein Umfeld. Aber wir fokussierten uns wieder auf die Optik und die Akustik.

Ich öffnete die Augen und bedeutete Suirin sofort zu schweigen, als sie verständlicherweise zu einer Frage ansetzte. Ich erhob mich in einer fließenden Bewegung und schlich mich an die Tür der Hütte. Dann gab ich Kishio ein Zeichen.

"Ich nehme jetzt das Hautöl, Sensei."

"Und du meinst, das ist nötig?", fragte ich.

"Ja. Wir gleiten dann besser. Ich hoffe, es ist nicht zu kalt."

"Etwas. Aber es ist nicht unangenehm. Du solltest es jedoch besser verreiben."

"So?"

"Ja, so ist gut. Kommt jetzt der Körperkontakt?"

"Ja, wenn es dir nicht unangenehm ist."

"Nein. Im Gegenteil, deine Wärme ist sehr komfortabel."

"Ich dringe jetzt in dich ein, Sensei. Sag mir, wenn es unangenehm für dich ist."

"Ich habe keinen Grund mich zu beschweren."

"Gut. Du wirst gleich die Kontrolle über deinen Körper verlieren, Sensei. Aber ich wache über dich. Lass deinen Kopf vertrauensvoll gegen meine Schulter sinken."

"Ist das Chakra nicht etwas groß, mit dem du in mich dringst, Kishio?"

"Kannst du es nicht handhaben? Ein erfahrener Shinobi wie du hat doch keine Angst vor Größe, oder?"

"Ich lege mich vertrauensvoll in deine Hände, Kishio."

"Ist es gut so, Sensei? Oder ist es zu fest?"

"Oh, es ist genau RICHTIG!" Mit einem Ruck riss ich die Tür der Hütte auf. Sie fiel nach innen, und ihr folgten vier Mädchen, die überrascht übereinander purzelten.

Ich musterte sie amüsiert. "Was macht Ihr hier, wenn ich fragen darf?"

"Wie? Ist schon alles vorbei?", fragte Kuzomi aufgeregt. "Und ich dachte, wir... Hey, Moment mal, du liegst ja gar nicht leblos in Kishios Armen! Und Chakra sehe ich auch nirgendwo."

"Kuzomi-chan, psst", zischte ihre Schwester ihr zu.

Ich zog Mai aus dem Wust an Armen und Beinen hervor. Das Mädchen hatte tatsächlich Nasenbluten. "Brauchst du ein Taschentuch?"

"Danke, ja. Muss eine Spätfolge meines Unterzuckers sein", murmelte sie.

Ich stellte sie an die Seite und gab ihr ein Papiertaschentuch von mir. Dann befreite ich Kuzomi, die lediglich enttäuscht wirkte.

P-chan reichte ich nur eine Hand zum Aufstehen, und Kuzoko ebenso.

"Es war nicht nett von euch, lauschen zu wollen", tadelte ich sie. "Und, P-chan, hast du wirklich geglaubt, du könntest vier Personen zugleich vor mir verstecken? Dafür wart Ihr mir doch zu nahe."

"Hätte ja klappen können", murrte sie. "Und? Hat es wenigstens was gebracht?"

"Ich habe meine sensorische Reichweite verdoppeln können."

"Das meinte ich zwar nicht, aber immerhin. Du hast einen großen Fortschritt erziehlt, Mamo-chan."

Ich seufzte leise. Mädchen. Biester. Und liebenswert. Man bekam sie immer nur als Paket, nie allein mit den Eigenschaften, die man an ihnen schätzte. "Also wirklich. Was habt Ihr gedacht, was Kishio und ich hier tun? Oder hat euch allein die Vorstellung angeheizt, wie sich unsere nackten Oberkörper berühren? Nehmt euch mal ein Beispiel an Suirin-kun. Sie war die ganze Zeit bei uns und hat... Suirin-kun, du hast Nasenbluten."

"Was? Oh, habe ich gar nicht bemerkt."

"Wie war es denn?", bestürmte Kuzomi die Kiri-Nin. "Was genau haben sie getan? Und wie haben sie es getan?"

Die Situation war so merkwürdig, ich hätte lachen wollen. Oder weinen. Am besten beides. Ich griff nach meinem Shirt aus Spinnenseide und zog es wieder an. Darauf folge die Weste, und zum Schluss legte ich das Stirnband an. Auch Kishio hatte sich wieder angezogen. "Wenn Ihr nichts dagegen habt, gehen wir schon mal", sagte ich und verließ die Hütte, ohne eine Antwort abzuwarten. Wie ich erwartet hatte, wurde Suirin nun noch mehr mit Fragen bombardiert.

"Meinst du, wir haben ein schönes Bild geboten, Sensei?", fragte Kishio amüsiert.

Ich schnaubte leise. "Für sie reicht es anscheinend. Komm, wir gehen zurück. Es gibt noch das eine oder andere für mich zu tun in Genta-No-Son." Ich ging in den Step.

"Ja, Sensei", erwiderte Kishio und folgte mir.

Merkwürdig, ich hatte gehört, was er gesagt hatte, nachdem ich in den Step gegangen war. Meine verbesserten sensorischen Fähigkeiten waren gewöhnungsbedürftig, aber sehr interessant. Diese Erkenntnis stellte mich zu recht zufrieden.

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