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Konoha Side Stories

von

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Der ewige Chunin 5

4.

Wir trafen uns am frühen Morgen vor dem Hauptportal Konohas, und ich konnte eine gewisse Aufregung nicht leugnen. Seit vorgestern, meiner ersten Begegnung mit "meinen" Genin, machte mir die Geschichte immer mehr Spaß, und meine Zweifel, dass einem Siebzehnjährigen vielleicht zuviel Verantwortung aufgebürdet worden war, schwanden dahin, als die drei in trauter Eintracht mit ihrem Gepäck auf Perine und mich zusteuerten.

"Hey, Sensei!", rief Shinji überschwänglich und winkte uns.

Als die Dreierbande vor uns stand, musste ich grinsen. So musste sich Hayate-sensei auch gefühlt haben. Bei jeder Gruppe, die er in seinem Leben übernommen hatte.

Ich musterte die drei. Shinji ging ganz links, und seine blonden Haare standen wie bei einem Igel in vielen kleinen Strähnen zu allen Seiten ab. Dabei grinste er mit dem guten Wetter um die Wette. Nichts schien seiner guten Laune Einhalt gebieten zu können, aber ich wusste es besser. Als Einziger trug er die typische Konoha-Ninja-Uniform mit der grünen Weste.

In der Mitte ging Mai. Dank ihres Jahrs Vorsprung war sie genauso groß wie die Jungs. Sie trug eine graue Hose, einen dunkelgrünen, viel zu weiten Pullover, und hatte die meiste Mühe wie immer auf ihre Haare verwendet. Ihr Pony war kunstvoll nach hinten geflochten, und links trug sie Seitenscheitel. Sie schien mit Shinjis übertriebener Fröhlichkeit nicht viel anfangen zu können, aber ihre leuchtenden graublauen Augen verrieten sie. Dennoch war sie ängstlich, ein wenig zumindest.

Rechts ging Kira. Er lächelte sogar kurz und nickte mir zu. Also hatte er - vorerst - seinen Frieden mit mir und meinen Fähigkeiten gemacht. Zu seinem kurzen blonden Stachelputz trug er kurze beige Hosen und einen steingrauen Pullover.

"Guten Morgen, Team dreizehn", sagte ich mit strenger Stimme, nur um wesentlich freundlicher hinzu zu fügen: "Und? Freut Ihr euch auf eure erste D-Rang-Mission?"

"Natürlich!", sagte Shinji enthusiastisch.

"Die wird uns ja wohl nicht gerade vor Herausforderungen stellen", murmelte Kira mehr zu sich selbst als zu mir.

Mai sah für einen Moment nachdenklich drein. "Wird schon nicht so schwierig werden. Wir sind ja ein tolles Team, denke ich."

"Natürlich sind wir das!", rief Shinji im Brusston der Überzeugung.

"Ich sehe, Ihr seid soweit. Dann können wir also losgehen, oder?"

"Jawoll!", rief Shinji, und streckte die Rechte zur Faust geballt in die Luft.

Die Antwort der anderen beiden war nicht ganz so schnell, aber nicht viel weniger enthusiastisch.

"Fehlt nur noch eine Kleinigkeit", sagte ich bestimmt. "P-chan?"

Die blonde Affenkriegerin, wieder in der Verkleidung als Konoha-Ninja, reichte mir ein Paket.

Ich faltete das Papier auf, langsam und bedächtig. "Damit Ihr vollwertige Shinobis Konohas werdet, und damit das auch jeder da draußen in der Welt sieht, braucht Ihr das hier."

Mit diesen Worten hielt ich drei Stirnbänder hoch. Alle trugen das Spiralzeichen Konohas. Und alle drei hatte ich in meinem Leben schon mal getragen. Um ein Haar hätte ich keine drei zusammen bekommen, zwei hatte ich reparieren lassen müssen. Das Ergebnis war, das ich heute das Stirnband mit dem Silberbeschlag trug, das Suzume mir geschenkt hatte.

"Hier, die gehörten alle mal mir. Und ich habe sie in mancher Schlacht aufgehabt."

Die Reaktion meiner drei Genin war begeistert. Kiras Reaktion natürlich nach seinen eigenen Maßstäben gemessen.

Ich legte jedem der Genin eines der Stirnbänder in die Hände. "Shinji, deines habe ich damals von meinem Sensei erhalten. Ich habe es erst nach der Schlacht um Konoha ausgetauscht, weil es beschädigt wurde. Bis dahin hat es mir Glück gebracht."

Der junge blonde Bursche strahlte das Stirnband an wie einen gefundenen Schatz.

"Mai, deines habe ich bis zur Eroberung der Burg im Land des Wassers getragen. Dann wurde mir dieses Stirnband mit einem Beschlag aus Silber geschenkt, und ich hielt es für angemessen, mir ein neues geben zu lassen."

"Und warum habe ich nicht das aus Silber gekriegt?" Sie griente mich an. "Nur ein Scherz, Sensei."

Ich lachte kurz darüber. "Silber hält nicht viel aus. Darum."

Mein Blick ging zu Kira. "Deines habe ich bis heute morgen getragen. Es hat mich durch einigen Ärger begleitet, und viele Kämpfe gesehen. Behandle es pfleglich, und es beschützt dich so gut, wie es mich beschützt hat."

Er schloss die Hand um den Stahl. "Das werde ich, Sensei."

Zufrieden betrachtete ich die Dreierbande. "Perine, dein Part."
 

Die blonde Affenkriegerin nickte mir zu. Sie trat vor die drei. "So, und jetzt müsst Ihr entscheiden, wo Ihr das Stirnband tragen wollt. Ihr könnt es um die Stirn schlingen, als Kopftuch oder nur als Stirnband wie Mamo-chan. Ihr könnt es wie Lee-kun um den Bauch binden, oder um einen Oberarm. Ihr könnt es auch um den Hals tragen. Manche tragen es auch an ein Bein gebunden."

Die Genin sahen sich einen Moment irritiert an.

"Und Ihr könnt natürlich so lange herum probieren, bis Ihr die optimale Position gefunden habt", fügte P-chan an.

Entschlossen drehte Shinji sein Stirnband, und band es sich um die Stirn. "Klassisch, wie Sensei."

Kira musterte den Freund einige Zeit, dann entfaltete er das Band zur Mütze, und zog sie sich über den Kopf. "Ich probiere es mal so, für einige Zeit."

Die Blicke beider Jungen gingen zu Mai.

"Ich weiß, ich weiß!", fauchte sie. Unschlüssig hielt sie das Stirnband in den Händen. Schließlich band sie es sich lose um den Hals. "Gut so?"

Ich nickte zufrieden. "Jetzt seid ihr bereit für die Welt. Ich frage mich nur, ob die Welt bereit für euch ist."

"Die Welt hat kein Mitspracherecht!", rief Kira, plötzlich wieder enthusiastisch werdend.

Shinji und Mai fielen ein. Das ließ mich lächeln, und Perine grinste breit.

"Na dann, Welt, wir kommen!"

Derart angefeuert machten wir uns auf den Weg. Anfangs in einem anständigen Tempo, und später mit Step.

***

Wir erreichten Murata No-Son bereits am frühen Nachmittag. Ich hatte meine Genin ordentlich gefordert, und alle drei waren reichlich erschöpft. Der Dorfvorsteher, Herr Kamura, erwartete uns bereits. "Das ging schnell. Sehr gut. Je eher wir das Problem lösen, umso besser für alle." Er musterte uns fünf, und nickte. "Für die Dauer der Mission werdet Ihr in meinem Haus untergebracht. Ich habe zwei Räume, die Ihr nutzen könnt."

"Danke, Herr Kamura. Ich hoffe, dass wir Ihnen nicht lange zur Last fallen werden", erwiderte ich freundlich.

"Nicht doch, nicht doch, Morikubo-sama. Sie sind doch keine Last für uns, im Gegenteil. Als wir gehört haben, dass Konoha ausgerechnet den Sieger von Otogakure und sein neu gegründetes Genin-Team schicken würde, waren hier alle sehr aufgeregt." Er zwinkerte mir verschwörerisch zu. "Wir sind hier alle Loyalisten des Reichs des Feuers. Und das ist selten heutzutage."

Ich räusperte mich verlegen. "Danke für die Blumen. Und niemand zweifelt an der Loyalität des Dorfes, Herr Kamura. Sie brauchen das nicht zu betonen."

"Ich wollte nur sicherstellen, wie die Dinge sind. Vor allem, wenn wir es wirklich mit einem Nukenin aus Otogakure zu tun haben; dieses Pack findet hier keinerlei Hilfe. Nicht einmal bei den neu Zugezogenen." Er warf einen Blick auf meine drei jugendlichen Begleiter, die in verschiedenen Stadien der Erschöpfung nach Atem rangen. "War es ein harter Weg?"

"Wir haben uns beeilt. Könnten wir eventuell die Räume schon einmal nutzen, und könnten meine Genin Wasser und Tee bekommen, während sie sich ein wenig ausruhen?"

"Natürlich, natürlich", sagte der Dorfvorsteher jovial und winkte mich und meine Begleiter durch die Menschenmenge in Richtung seines Hauses.

Teufel auch, bei all den interessierten, teils verzückten Blicken hätte es mich nicht gewundert, wenn ich nach Autogrammen gefragt worden wäre.
 

Die beiden Räume, die uns zugewiesen wurden, waren klein, aber sauber, und mit den im ländlichen Gebiet sehr verbreiteten Tatami-Matten ausgelegt.

"Ich habe leider nur vier Futons vorbereitet, aber ich borge mir bereits einen", sagte Herr Kamura, und verbeugte sich entschuldigend vor Perine. "Ich hatte nicht mit einem vierten Begleiter gerechnet."

"Keine Sorge, Perine ist im Preis mit drin", schmunzelte ich. "Sie begleitet uns zu Beobachtungszwecken."

"Ah, um die frisch beförderten Genin einzuschätzen. Eine gute Idee." Er brachte einen flachen Tisch und fünf Sitzkissen. "Wenn Sie es wünschen, der Nebenraum ist etwas größer. Dort können Sie mit den Jungs schlafen, während die Damen hier bleiben können. Außer natürlich, Sie..." Verlegen stockte der Dorfvorsteher.

Ich lachte auf. "Danke, wir nehmen die Aufteilung so an." Ich nahm meinen Rucksack ab und befreite Shinji und Kira von ihren. Dann brachte ich alle drei in den Nebenraum.

Anschließend setzte ich mich zu den anderen an den Tisch, und ließ mir Tee servieren. Dabei ignorierte ich die Masse an Leuten, die durch die Fenster herein spähten, und auf dem Flur versuchten, durch die Schiebetür zu linsen. "Bitte, Herr Dorfvorsteher, erzählen Sie mir von Anfang an, was passiert ist."

"Gut. Also dann. Vor etwa fünf Tagen kam ein großer, vierschrötiger Mann in unser Dorf. Er sprach holprig und ging auf eine merkwürdige Weise. Er suchte nach Arbeit im Gegenzug für Nahrung. Zumindest hatte er das gesagt, aber einer meiner Bürger entdeckte, dass er mehrere Kunais bei sich trug. Als wir ihn mit der Frage konfrontierten, ob er ein Shinobi war, floh er. Das war, finde ich, äußerst merkwürdig. Wenn er es nötig hat zu fliehen, kann er kein Shinobi Konohas oder einer verbündeten Nation sein. Seither waren wir etwas wachsamer als sonst. Und dennoch... Wir... Nun, aus geschlossenen Häusern verschwinden seitdem Dinge. Anfangs waren das nur Nahrungsmittel. Brot, Käse, Sake, Fruchtsäfte, alles in kleinen Portionen, aber immer aus mehreren Häusern. Häuser, in denen teilweise geschlafen wurde. Aber auch tagsüber bemerkten wir die Verluste. Sie können sich vorstellen, dass sich niemand im Dorf wirklich damit wohl gefühlt hat, dass jemand während der Nacht durch das eigene Haus geschlichen ist, und man nichts davon bemerkt hat. Aber es ist niemandem etwas passiert, also hielt sich die Panik in Grenzen. Wir waren uns sicher, dass der fremde Shinobi, wenn er genügend zusammen geklaut hatte, schon von selbst gehen würde.

Am dritten Tag fehlten dann zwei Decken, die wir aber verschmerzen können; jedoch war es der Auftakt für eine dreistere Diebesserie. Nun begann, Geld zu fehlen, kleine Schmuckstücke, teilweise auch Werkzeug. Ich selbst vermisse meinen besten Satz Beitel."

"Beitel?"

"So eine Art u-förmiges Stecheisen, mit dem man Gravuren in das Holz treiben kann. Wir verkaufen nicht nur das rohe Holz, wir erledigen auch Auftragsarbeiten und erstellen Wandbilder und Statuen aus dem Holz. Mit den Beiteln geht das sehr gut. Ich hatte es gerade erst gekauft."

"Merkwürdig. Was will der Ninja denn mit einem Beitel-Set?", fragte ich nachdenklich.

"Na, was wohl? Verkaufen wird er sie! Sind ja eine Menge wert!", rief einer der Dorfbewohner. Polternd trat er ein und setzte sich uneingeladen. "Es sind alles Lügner und Diebe, diese Shinobi!"

"Kuroko-kun!", sagte Kamura scharf. "Wir reden hier mit Shinobi!"

"Shinobi? Ich sehe nur drei Kinder, und zwei etwas größere Kinder. Die sollen es wirklich mit dem roten Riesen aufnehmen?" Der Mann lachte verächtlich. "Das glaubt Ihr doch selbst nicht. Konoha nimmt uns nicht ernst, das ist es. Wahrscheinlich ist der Shinobi sogar aus Konoha, und sie stecken alle unter einer Decke, um Missionen zu generieren und Geld zu machen, und..."

Er verstummte schlagartig. Nun, jeder würde verstummen, wenn er von einem Faustschlag auf die Brust getroffen wurde, der ihn einmal durch die nächste Wand trieb, wo er sich mehrfach überschlug, und schließlich, erfüllt von Schmerzen und Leid, liegenblieb.

"Entschuldigung, Kuroko-kun", sagte ich lächelnd, und zog die Faust wieder ein. "Ich dachte, mit einer kleinen Demonstration könnte ich beweisen, dass ich durchaus kein großes Kind bin. Und da Sie gerade dabei waren, die Ehre von fünftausend Shinobi zu beleidigen, habe ich die Gelegenheit genutzt, um Ihnen zu zeigen was passiert, wenn man einen Konoha-Nin mit einem Kriminellen vergleicht. Ich hoffe, das ist angekommen. Oder muss ich der Lektion noch Nachdruck verleihen?"

Ich setzte einen Fuß auf, wie um aufzustehen. Das brachte den Neuankömmling dazu, trotz der Schmerzen auf die Knie zu rutschen und sich ehrerbietig zu verbeugen. "N-natürlich nicht, Morikubo-sama! Ich entschuldige mich in aller Form für meine Worte!"

"Gut. Sie können gehen, Kuroko-kun."

"Jawohl, Morikubo-sama!" Er verneigte sich erneut bis zum Boden, sprang hastig auf die Füße, und humpelte hinaus. Leises, schadenfrohes Kichern erfüllte die Luft.
 

"Kuroko-kun ist nicht gerade der beliebteste Mann im Ort, eh?", fragte ich. "Entschuldigen Sie bitte das Loch in Ihrer Zwischenwand. Ich werde es reparieren."

"Nein, das müssen Sie nicht, Morikubo-sama. Diesen vorlauten Burschen fliegen zu sehen, und ihn demütig zu erleben ist eine kaputte Wand mehr als wert." Herr Kamura grinste breit. "Er denkt, Wunder wer er ist und was er kann, und er redet, als wäre er der nächste Dorfvorsteher, aber das Meiste was er sagt und tut, ist nur heiße Luft. So ein Denkzettel tut ihm mal gut."

"Es freut mich, dass Sie das ebenso sehen, Kamura-sama." Ich verneigte mich vor dem Mann demonstrativ, um seine Autorität zu stärken.

"Aber zurück zum Thema. Ich möchte mir ein Bild der Diebstähle machen. Vor allem will ich wissen, was und wann und wo gestohlen wurde." Mein Blick ging zu meinen Genin. "Fühlt Ihr euch schon wieder kräftig genug, um mich zu begleiten?"

Shinji sprang, wie erwartet, voller Elan auf. "Natürlich, Sensei!" Kira erhob sich mit kaum zusammen gebissenen Zähnen. Mai trank zuerst ihre Schale Tee aus, dann kam sie ein wenig vorsichtig, aber entschlossen auf die Beine. "Wir können, Sensei."

Ich nickte anerkennend. Bei dem Tempo, das ich angeschlagen hatte, war ihre Erschöpfung kein Wunder. Ausdauer erlernten sie nicht auf der Akademie, aber alle drei hatten eine ansprechende Stamina, die ich ansonsten eher von ausgebildeten Shinobi erwartete, die bereits mehrere Jahre im Feld dienten. Sogar Mai, bei der ich einen Ausfall am ehesten erwartet hatte, war gut dabei, und zeigte keine Anzeichen von Zusammenbruch. Ihr Chakra-Fluss war stabil, und ihr Körper schien die Anstrengung gut verdaut zu haben. Ich war zufrieden. Perines Blick sagte mir, das sie ebenfalls sehr zufrieden mit meinen Shinobi war. Fehlte nur noch der Ernstfall.

***

Zuerst führte uns der Dorfvorsteher im eigenen Haus in die Speisekammer. "Wir wissen nicht, wie er herein gekommen ist, aber auf keinen Fall hat er das Fenster aufgebrochen." Er deutete auf ein vergittertes Fenster, das nach Norden ging. "Es ist meistens offen, wegen der Belüftung. Aber das Gitter, das wir gegen die Tiere gesetzt haben, ist unbeschädigt. Die Löcher sind zu klein, als dass ein Erwachsener hindurch greifen könnte, und die Regale mit der Nahrung stehen ohnehin zu weit weg für eine Armeslänge."

"Was wurde gestohlen?", fragte ich. Mit der Linken wischte ich über die einzelnen Streben des hölzernen Gitters, die etwa acht Zentimeter im Quadrat aussparten.

"Brot und ein paar Stücke Speck. Das Brot war aber zu groß, um durch das Gitter zu passen."

Ich betrachtete meine Hand. Ich hatte etwas bräunliches vom Gitter abgewischt. Getrockneter Pflanzensaft von frisch geschlagenen Trieben? Ich musste lächeln.

"Also muss der Dieb durch das ganze Haus gekommen sein, und das ist es, was meiner Frau und mir Angst macht. Wenn er hier so einfach rein und raus marschiert, ist ja niemand mehr sicher. Schon sagen die ersten Leute, dass der Shinobi die eine oder andere Kehle aufschlitzen wird. Einfach, weil er es kann."

"Oder einfach, weil es praktisch ist", murmelte ich mehr zu mir selbst.

"Was, bitte?", fragte der Dorfvorsteher.

"Ich habe gefragt, wie lange es her ist, dass hier Brot und Speck gestohlen wurde."

"Gleich am ersten Tag. Wahrscheinlich, während wir alle draußen standen und diskutiert haben, ob der Fremde wiederkommen würde."

Mit der Rechten glitt ich über das Wandregal. Dabei schob ich etliche getrocknete Krümel zusammen. "Was für ein Brot backt Ihr hier?"

"Wir stellen Weißbrot her, in rund sechs Zentimeter dicken und Handspannengroßen Fladen."

Ich grinste. Was für ein patenter Bursche.

Mein Blick ging zu Perine, die ebenfalls lächelte. Danach trat ich einen Schritt zurück in den Raum. "Na, dann macht mal, Mai, Kira, Shinji."

Die drei musterten mich einen Moment entgeistert, bevor sie sich zusammen rissen und nach Hinweisen suchten.

"Schaut mal, hier am Gitter, da klebt was!", rief Mai aufgeregt, und die beiden Jungs beeilten sich, ihren Fund zu betrachten.

"Das ist so eine Art Harz. Hier, riecht mal dran", stellte Kira fest.

"Nein, kein Harz. Getrockneter Pflanzensaft", stellte Mai fest.

"Oho, was haben wir denn hier?", rief Shinji, und hob etwas Braunes vom Boden. "Ein Stück getrockneter Rinde!"

"Was willst du uns damit sagen? Dass der Dieb zwei große Stäbchen benutzt hat?", fragte Kira. Nachdenklich kratzte er sich am Kopf. "Wartet mal hier."

Er verließ das Haus, umrundete es, und kam nach einiger Zeit mit zwei frisch geschlagenen Trieben zurück. "Geht zur Seite!", rief er, und begann, mit den beiden Stangen durch das Gitter hindurch zu hantieren. Er wählte dafür zwei verschiedene Löcher, mit einem Loch dazwischen. Nach mehreren Versuchen gelang es ihm, auf diese Weise einen Streifen Speck vom Regal aufzunehmen, der dort zum Durchreifen lag. Vorsichtig führte er es mit den Stäben zurück und zog es bis ans Gitter heran.

"Und was jetzt? Du brauchst einen dritten Arm", tadelte Mai.

"Wer braucht einen dritten Arm?", fragte Kira lachend, beugte sich vor so weit er konnte, ohne die Stäbe und damit das Speckstück loszulassen, und biss kräftig in das Fleisch. Auf diese Weise zog er es hervor. Stolz präsentierte er seine Beute. Ungefähr so lange, bis ihm aufging, was er getan hatte. Schuldbewusst nahm er es aus dem Mund und betrachtete die Bissspuren im Speckstück. "Tut mir leid", murmelte er betreten. "Jetzt ist es ruiniert."

Herr Kamura betrachtete ihn aus aufgerissenen Augen. "Nein, nein, Junge, das ist nicht so schlimm. Behalte es. Jungs in deinem Alter brauchen ab und an einen herzhaften Happen. Aber wenn der Dieb wirklich mit deiner Methode den Speck gestohlen hat, dann war er ja gar nicht im Haus. Das ist eine große... Moment." Er runzelte die Stirn. "Und wie hat er dann das Brot gestohlen? War er etwa doch...?"

"Tja...", sagten meine drei Genin zugleich.

Shinji trat an das Regal heran. "Sensei hat hier doch irgendwas... Ah, hier. Brotkrumen... Und der fremde Shinobi hat doch Kunais dabei gehabt... Kira, schieb mal einen der Stäbe rein."

Kira tat wie ihm geheißen, und Shinji spaltete den Stock mit seinem Kunai auf. Dann klemmte er es so zwischen die beiden unter Spannung stehenden Hälften, sodass es darin sicher festsaß. Anschließend trat er an das Regal. "Kann ich bitte so einen Laib Brot haben?"

"Natürlich. Ich hole eines aus der Küche. Also, jetzt bin ich wirklich gespannt", murmelte Herr Kamura. Als er wiederkam, war seine Frau dabei. Interessiert beobachteten sie, wie Shinji das Brot platzierte.

Anschließend ging Kira zur Sache; er zerteilte das Brot mit dem Kunai, zog es zurück und nahm es wieder aus dem Stock, nur um erneut das Brot Stück für Stück durch das Gitter zu holen.

"Und was sagt uns das?", fragte Shinji freudestrahlend.

"Es sagt uns, dass Familie Kamura engere Gitter braucht", stellte Kira fest, stolz auf seine Leistung.

"Nein, du Dummkopf", erwiderte Mai tadelnd. "Es beweist, dass der Dieb nicht im Haus gewesen sein muss. Er konnte Brot und Speck auch bequem vom Fenster aus klauen." Sie sah zu mir herüber. "Sensei, wir sollten uns noch ein paar andere Ecken ansehen."

Ich grinste über mein ganzes Gesicht. Da hatte ich ja einen besonders aufgeweckten Haufen Genin erwischt. "Ja, das sollten wir. Herr Kamura?"

"Natürlich. Schauen wir uns das Haus der Imados an. Dort wurden ebenfalls Lebensmittel gestohlen, hauptsächlich Obst."
 

Auch im Hause Imado war der Diebstahl, auch dank des noch weitmaschigeren Gitters der Vorratskammer, mit Kiras Methode problemlos möglich. Damit erhöhte er seine Beute von einem Stück Speck und vier Streifen Brot um vier Äpfel, weil Herr Imado einfach nicht glauben wollte, was er da sah. Als Kira sogar einen besonders großen Apfel vor dem Transport zerteilte, damit er durch das Gitter passte, wäre der gute Mann vor Erleichterung fast zu Boden gegangen. Anschließend spießte Kira die Apfelstücke mit dem Kunai auf, und holte sie wie mit einer Harpune raus. In Herrn Kamuras Haus wäre das nicht möglich gewesen; die Maschen waren zu eng, um mit der Aufspieß-Methode erfolgreich zu sein. Die Gefahr, die Beute oder gar das Kunai fallen zu lassen, wäre zu groß gewesen. Und wir hatten es hier mit einem Dieb zu tun, der gerne auf Nummer sicher ging. Immerhin ging es hier um etwas zu essen.

"Sensei!", rief Kira von draußen. "Das musst du dir ansehen."

"Ich komme."

Als ich neben Kira stand, deutete er auf einen braunen Fleck an der Hauswand. "Hier, das könnte doch mit unserem Dieb im Zusammenhang stehen."

Ich betrachtete die Stelle einen Augenblick, bevor ich ein Kunai zog, und ein wenig von der Substanz in meine Hand kratzte. Ich rieb sie einige Zeit zwischen meinen Fingern und roch daran. "Blut", stellte ich fest.

"Blut?", echote Herr Kamura.

"Ja. Unser Dieb ist verletzt, und zumindest beim Raubzug auf Familie Imado hatte er mit einer offenen Wunde zu kämpfen." Ich runzelte die Stirn. "Das will mir nicht gefallen. Ein verwundeter und zudem hungriger Shinobi ist zu allem fähig."

"M-meinen Sie, er wird jemanden töten, Morikubo-sama?", fragte Herr Imado ängstlich.

"Sicherlich wird er dafür nicht in den Ort kommen. Aber jeder, der ihn verfolgt, ist potentiell in Lebensgefahr. Wäre ich auf der Flucht, wäre es bei mir nicht anders. Herr Dorfvorsteher, bitte zeigen Sie uns jetzt eine Stelle, an der wertvolle Dinge gestohlen wurden."

"Ja, natürlich, Morikubo-sama."
 

"Ich weiß auch nicht, wie es passieren konnte", klagte Frau Mizuki. "Am Abend lag der Goldreif noch auf meinem Nachttisch, und am nächsten Morgen war er weg. Ich hatte ihn extra abgelegt, weil ich meinen Mann und Herrn Kuroko beim gemeinsamen Bad bedient habe, damit er mir nicht verloren geht."

"Kuroko?", fragte ich.

Frau Mizuki nickte erfreut. "Ja, die beiden baden ab und an zusammen und trinken Sake dazu. Herr Kuroko ist so ein gebildeter Mann, der sich so geschickt ausdrücken kann. Und freundlich ist er auch, denn als ich meinen Mann massiert habe und Herr Kuroko aus Versehen auch das Handtuch meines Mannes benutzt hatte, hat er sofort ein Neues für ihn geholt. Was für ein freundlicher Mensch."

"Lassen Sie mich raten. Sie bewahren die Handtücher im Schlafzimmer auf", sagte ich.

"Nein, im Flur in einer Kommode", erwiderte sie etwas irritiert.

Ich schnaubte abwertend. "Was sagt Ihr, meine Meisterdetektive?"

Kira, Shinji und Mai schwärmten über die Szenerie und begutachteten alles. Sie checkten die Fenster, klopften den Fußboden und die Wände ab, und mit meiner Hilfe kontrollierte Shinji sogar die Decke auf einen leichten Zugang zum Zimmer.

"Kein Zweifel möglich", fasste Mai schließlich für die drei zusammen. "Vom Fenster aus ist es mit Stöcken so gut wie unmöglich, bis zum Nachttisch von Frau Mizuki zu greifen. Wir gehen davon aus, dass der Dieb durch das Haus gegangen ist. Und wir sind der Meinung, dass..."

Ich bedeutete ihr zu schweigen. "Das bedeutet also was?"

Ein wenig ärgerlich sah sie mich an, bevor sie deutlich schluckte und fortfuhr. "Das bedeutet, das wir es mit zwei verschiedenen Methoden zu tun haben." Ihr Blick bekam etwas trotziges. "Wir haben es vielleicht auch mit zwei Dieben zu tun."

"Vielleicht haben wir das."

"Zwei Diebe?", raunten Herr Kamura und seine Begleiter.

"Ja. Einen, der verletzt ist, und sich Essen durch die Fenster hindurch zusammenstiehlt, und einen, der in die Häuser geht, und sie von innen ausplündert."

Dass, wenn es einen zweiten Dieb gab, dieser bewusst die Diebstahlserie von Nahrungsmitteln ausnutzte, um den Diebstahl der Wertsachen unserem unbekannten ersten Dieb in die Schuhe zu schieben, behielt ich für mich.

"Ich denke, wir haben genug gesehen. P-chan, wir machen uns auf den Weg."

"Hä? Nur Perine-sama und du? Aber was ist mit uns?", fragte Kira aufgeregt. "Wir sind auch Shinobi!"

"Ihr wartet hier und haltet die Stellung. Und im besten Fall verhindert Ihr, das weitere Wertsachen gestohlen werden", sagte ich mit Nachdruck. "Unseren unbekannten, verletzten und hungrigen Freund würde eine ganze Horde von uns Shinobi nur verschrecken, und ich habe keine Lust, ihn eine Ewigkeit lang zu suchen."

"Wir sollen hier also aufpassen?", maulte Shinji.

"Auftrag ist Auftrag", sagte Mai bestimmt. "Und das Dorf vor weiterem Diebstahl zu beschützen ist eine wichtige Aufgabe." Sie zwinkerte den beiden dabei verstohlen zu, und die zwei schwenkten in ihrer Meinung um einhundertachtzig Grad.

"Ja, hast Recht, das ist eine sehr wichtige Aufgabe", sagte Shinji gedehnt.

"Den normalen Bürger vor weiteren Verbrechen schützen ist für einen Shinobi eine ehrenwerte Aufgabe", sagte Kira.

"Dann ist alles klar. Ihr passt hier auf. Und bleibt gefälligst im Dorf. Soweit ich weiß, ist dort draußen irgendwo in den Wäldern eine Bestie unterwegs, die sich zwar von den Holzfällern fern hält, aber mit ein wenig Pech nicht von euch. Verstanden?"

"Ja, Sensei", sagten sie im Chor.

Ich nickte zufrieden und verließ mit P-chan das Haus der Mizukis.
 

Draußen auf den Straßen des Dorfes - die Menschenmenge war noch größer geworden - benutzten Perine und ich Step, um das Dorf zu verlassen.

"Wir haben den gleichen Verdacht, oder?", fragte Perine lächelnd.

"Ja. Dieser Kuroko ist nicht nur ein Großmaul, sondern er nutzt seine Gelegenheiten, sobald sie sich ergeben."

"Denkst du, deine Genin haben das rausgefunden?", fragte sie.

"Natürlich haben sie es herausgefunden. Für die meisten Leute im Ort ist es anscheinend undenkbar, dass Kuroko sie beklaut hat, und es auf unseren unbekannten Freund schiebt. Aber die drei sind Außenstehende, die von keinem Dogma umklammert sind. Für sie ist es klar, wer oder was Kuroko ist. Sie werden ihn überwachen, um zu verhindern, das er erneut stiehlt. Und er wird reagieren, das verspreche ich." Ich griente sie an. "Und du wirst aufpassen, dass es für die drei nicht lebensgefährlich wird."

"So was habe ich mir schon gedacht", erwiderte sie lächelnd, und verwandelte sich in ihre Form als kleiner Affe. "Puki."

"Wir sind doch ein tolles Team, P-chan", stellte ich grinsend fest.

"Pukiiiii", sagte sie mit einer abwehrenden Handbewegung. Sie winkte mir, und verschwand wieder in Richtung Dorf.

Damit blieb mir die Schnitzeljagd. Vielleicht wäre eine Treibjagd doch besser gewesen.

***

Die drei Genin waren mit ihrer Aufgabe sichtlich unzufrieden. Und es dauerte nicht lange, da hatten sie sich nur mit ihren Blicken abgesprochen. In kurzen Abständen verließen sie ihre Beobachtungsposten im Dorf, die sie bezogen hatten, um weitere Diebstähle zu verhindern, um den Abort im Hause des Dorfvorstehers aufzusuchen. An diesen Positionen wurden sie von interessierten Dorfbewohnern und ihren Kindern belagert, und eine ungestörte Kommunikation war unmöglich, vor allem aber ein nicht überwachtes Gespräch. Darum erschufen sie auf der Toilette je einen Schattenklon, der ihren Platz einnahm; anschließend verließen sie heimlich zu dritt die Toilette, benutzten den Hinterausgang des Kamura-Anwesens und unterhielten sich leise im Wald. Keiner der Dorfbewohner, da waren sich die drei sicher, würden ihre Schattenklone von den Originalen unterscheiden können.

"Denkt Ihr das gleiche wie ich?", fragte Shinji mit ernster Miene.

"Wenn du denkst, dass dieser Kuroko die Diebstahlserie benutzt hat, um Schmuck, Geld und wertvolles Werkzeug zu stehlen, dann ja", verkündete Kira. "Ich verstehe nicht, warum die Dorfbewohner das nicht ebenso sehen."

"Das ist doch leicht erklärt", sagte Mai seufzend. "Der Mann reißt das Maul auf, wie wir gesehen haben, plustert sich auf, erscheint größer als er ist, und wenn man ihn dann mal belastet, so wie Mamo-chan das gemacht hat, dann bricht das Kartenhaus zusammen. Und er redet jedem nach dem Mund und macht sich so beliebt."

"Ja, das stimmt. Er will Kamura-sama als Dorfvorsteher ablösen, und deshalb schleimt er sich überall ein. Und das mit Erfolg. Nur bei einigen der erfahreneren Holzfällern hat er mit der Methode keinen Erfolg. Den Rest stimmt er für sich mit billigen Geschenken und ein bisschen Anbiederei ein." Shinji schüttelte sich. "Dass man auf so einen Typen stehen kann..."

"Manche Menschen mögen Anbiederei", sagte Kira. "Und es gibt auch Menschen, die verwechseln sie mit echter Freundlichkeit. Genau deshalb ist wohl noch niemand auf den Gedanken gekommen, dass Kuroko da irgendwie mit drin hängt. Und wenn doch einer eine Parallele zieht, dann hat er sie für sich behalten, weil Kuroko mit den normalen Dorfbewohnern sicherlich das Gleiche getan hätte, was er bei Mamo-chan versucht hat. Und ich wette, die wären nicht so konsequent gewesen."

"Das ist unsere Gelegenheit, um Beweise zu sammeln", sagte Shinji. "Ihm ist bestimmt klar, dass alles auffliegt, sobald Mamo-chan den fremden Shinobi gefunden hat. Er wird versuchen, die Beweisstücke fort zu schaffen. Wenn er nicht gleich schlau genug war, sie überhaupt gar nicht erst in seinem Haus aufzubewahren. Aber sicher hat er noch die Sachen von seinem jüngsten Raubzug bei sich."

"Ja, hoffen wir es. Ohne konkrete Beweise können wir ihn nicht anklagen. Und da er weiß, dass diese Beweise nicht mehr fern sein können, wird er handeln, solange er noch kann. Ich schlage vor, wir beobachten sein Haus", sagte Mai. "Und zwar sofort. Nicht, das er schon weg ist."

"Als ich euch gefolgt bin, stand er noch in der Menge und hat Kiras Klon beobachtet", sagte Shinji. "Das ist keine fünf Minuten her. Ich wette mit euch, er weiß, dass wir ihm auf der Spur sind."

Mai nickte gewichtig. "Ja, das setzt ihn unter Druck. Also los, wir bleiben im Wald und beobachten ihn."

"Einverstanden."

"Bin dabei."

Sie nickten einander zu, und verschwanden mit Step im Wald, um mit einem großen Bogen zur Hütte Kurokos zu kommen.
 

Sie hatten gerade Beobachtungsposition bezogen, als Kuroko mit einem Bündel im Arm unbeobachtet von den anderen den Hinterausgang seines Hauses benutzte. Ohne sie zu bemerken lief er in den Wald hinein. Die drei Genin folgten ihm so unauffällig, wie es ihnen möglich war.

Zuerst war es nur ein Kilometer, dann zwei, schließlich fünf. Nach elf Kilometern hielt Kuroko endlich an. Er stand schwer atmend vor einem großen Felsen, in dem sich ein großer Spalt auftat. Eine Weile musterte er den Spalt, so als wolle er etwas sagen oder rufen, aber er schien sich dagegen entschieden zu haben. Stattdessen wickelte er das Bündel aus. Hervor kamen ein großer Holzkasten und diverse Schmuckstücke. All das warf er so weit er konnte in den Spalt hinein. Schließlich, zufrieden mit seinem Werk, und ein hämisches Grinsen aufgesetzt, steckte er das Tuch wieder ein, in das er seine Beute gewickelt hatte, wandte sich um, und schlenderte zufrieden davon.

"Das war doch der Armreif von Frau Mizuki", flüsterte Shinji den beiden zu.

"Und die Ohrringe von Frau Amado", flüsterte Mai zurück.

"Hey, ich wette, in dem Holzkasten ist das Beitel-Set von Herrn Kamura", fügte Kira hinzu.

"Und was tun wir jetzt?", fragte Shinji. "Informieren wir Sensei und lassen die Sachen an ihrem Platz? Oder sammeln wir sie ein und konfrontieren Kuroko damit, was wir beobachtet haben?"

Kira zuckte die Achseln. "Es ist wie es ist. Wenn sie unseren Worten nicht glauben, haben wir ohnehin verloren. Jetzt, wo er die Sachen hier weggeworfen hat, kann sie genauso gut jeder dort hinein geworfen haben, oder? Egal ob wir die Dorfbewohner hierher führen, oder ob wir die Beute wieder ins Dorf bringen, man muss uns glauben. Also ist es relativ egal."

"Ich weiß nicht", murmelte Mai. "Natürlich, die Ecke ist weit weg vom Dorf, und ohne unseren Augenzeugenbericht könnte irgendjemand die Sachen dort rein geworfen haben. Aber warum hat er sie ausgerechnet hierher gebracht?" Sie beschattete ihre Augen mit der linken Hand und deutete mit der Rechten nach Osten. "Hier hat jemand Bäume gefällt, aber noch nicht fortgeschafft."

Shinji kratzte sich nachdenklich am Ansatz seines Stirnbands. "Das ist merkwürdig. Man könnte den Holzfäller, der hier geschlagen hat, doch sofort mit dem Diebesgut in Verbindung bringen. Eine Ablenkung seinerseits, um den Verdacht auf einen anderen Dorfbewohner zu lenken?"

"Vielleicht schlägt er hier auf eigene Rechnung Holz, und niemand außer ihm kennt diese Ecke", sagte Kira nachdenklich. "Dann kann es ihm reichlich egal sein, ob jemand diesen Ort findet. Deshalb ist sie wohl auch so weit weg vom Dorf."

Die drei Genin warfen sich bedeutsame Blicke zu. Simultan seufzten sie.

"Ich bin für konfrontieren statt herholen", sagte Mai.

"Ich auch", sagte Shinji.

"Okay, holen wir das Zeug aus der Höhle raus, und zeigen es Mamo-chan", entschied Kira. "Soll er bestimmen, wie wir weiter vorgehen."

Die drei nickten sich zu. Sie verschwanden gemeinsam mit Step, und standen kurz darauf vor dem Spalt im Felsen. "Da drin ist es hell. Muss ein Spalt in der Decke sein", murmelte Shinji. Er betrat die Höhle, bückte sich, und kam triumphierend wieder hoch. "Frau Mizukis Armband."

"Und ich kann die Ohrringe sehen", verkündete Mai, als sie Shinji folgte.

"Hoffentlich ist der Werkzeugkasten nicht kaputt gegangen", murmelte Kira. Er ging als Dritter in die Höhle.

Als plötzlich Nebel um ihn herum aus dem Boden zu steigen schien, und seine Gefährten merkwürdig starr nach vorne sahen, ohne sich zu bewegen, wurde ihm mulmig. Als er merkte, dass er sich selbst auch nicht mehr bewegen konnte, war er sicher, dass sie in erheblichen Schwierigkeiten steckten. "Au Kacke. Ein Genjutsu."
 

"Na, was wurde mir denn da vom Sonnenschein hereingespült?" Was da von der Decke kam, gehalten von einem weißen Faden, war mit Sicherheit die größte Spinne, die Kira je gesehen hatte. "Ein kleines Mädchen und zwei kleine Jungs. Wie interessant. Ihr wollt wohl die Sachen haben, die der Irre hier reingeworfen hat, was?" Die Spinne kicherte amüsiert. "Ich weiß nicht, ob ich es hergeben sollte. Es glitzert doch alles so schön... Aber moment mal..."

Die acht roten Augen der Bestie richteten sich unvermittelt auf Kira. "Das... Du..." Die Spinne begann am ganzen Leib zu zittern. "Du riechst... Nach Essen!" Die Spinne kam die Decke ganz herab, setzte sich auf vier der acht Beine, und stakste merkwürdig und langsam auf Kira zu. Das Maul der Spinne öffnete sich. "ESSEN!" An dieser Stelle war sich Kira sicher, dass die Dinge für einen von ihnen hier drin nicht sehr gut ausgehen würden.

Das Biest schnappte zu.

***

Also, was hatte ich da? Einen augenscheinlich verletzten Mann, der Nahrung stahl, und dabei recht gewitzt vorging. Ich wusste, dass er nur Nahrung gestohlen hatte. Die Spur der Wertgegenstände und des Geldes wies eindeutig in Richtung des Narzißten, der mich herausgefordert hatte. Dass man diese Verbindung im Dorf nicht sah, war leicht zu erklären. Man suchte zum Beispiel Diebe gerne außerhalb der eigenen Gemeinschaft, oder bei den Außenseitern. Kuroko versuchte hingegen krampfhaft im Mittelpunkt zu stehen und sich dort festzukrallen. Mit einigem Erfolg, aber auch nicht zu erfolgreich. Es reichte immerhin dazu, das jene, die in Kuroko den Dieb vermuteten, vorsichtshalber die Klappe hielten, aber es reichte nicht, um zu riskieren, bei einem Shinobi handgreiflich zu werden, was mehr als ein wenig Mut erforderte. Vor allem nach der Stärke, die ich bewiesen hatte. Na, darum würden sich meine Genin kümmern, und Perine würde dabei auf sie aufpassen.

Wie also fand ich unseren gefährlichen Mundräuber? Er war verletzt, er war immer noch hier, und er versorgte sich regelmäßig neu. Mittlerweile bezweifelte ich allerdings, dass er Sake gestohlen hatte. Den würden wir sicher eher in Kurokos Hütte finden. Wahrscheinlich leer.

Er musste also in relativer Nähe sein, hier irgendwo ein Versteck aufgeschlagen haben. Allerdings auch nicht zu nahe, weil er Entdeckung durch die Holzfäller fürchten musste. Und da meine sensorischen Fähigkeiten leider noch immer sehr eingeschränkt waren, blieb mir eigentlich nur eine Möglichkeit, um ihn zu finden: Penibel suchen. Zu diesem Zweck erschuf ich zwanzig Kage Bunshin, um mit ihnen die Peripherie des Dorfes abzusuchen. Meine Bunshin und ich vernachlässigten die Rundumsicht des sensorischen Feldes zugunsten einer breiteren Frontsicht, was uns von hinten anfällig machte. Aber es erlaubte mir, einen Bereich von über eintausendzweihundert Metern - plus minus ein wenig - abzusuchen. Ich konnte also das Dorf mehrfach umrunden und suchte jedes Mal einen über einen Kilometer breiten Streifen ab.

Meine Bunshin gingen auf Position, und gemeinsam, auf die Abstände achtend, begannen wir die Suche.
 

Bei der ersten Runde ergab sich nichts, aber einer meiner Bunshin entdeckte eine gut getarnte Feuerstelle, deren Asche schon lange kalt war. In der Nähe waren die Kerne von verspeisten Früchten vergraben; eine andere Stelle hatte als Abort gedient. Ansonsten ließ der Platz jeden Luxus vermissen, den ein Verletzter sich würde schaffen wollen. Nichts deutete darauf hin, dass dieser Platz in den letzten beiden Tagen genutzt worden war. Aber die Feuerstelle war sehr aufwändig angelegt worden. Ein Feuer an diesem Ort würde gar keinen oder nur wenig Rauch entwickeln, den man kaum bemerken würde. Mein unbekannter bester neuer Freund verstand sich also auf unseren Wegen. Doch ein Ninja?

Nach Beendigung der Runde wechselten meine Bunshin und ich tiefer in den Wald, und zogen einen zweiten Suchgürtel. Wir hatten im Norden gerade einmal zweihundert Meter zurückgelegt, als einer der äußeren Bunshin Kontakt meldete. Wie als wenn wir es geübt hätten, schwenkten die anderen Bunshin rund um den potentiellen sechzig Meter durchmessenden Bereich, den die Sinne meines Bunshin erfassen konnte, mich eingeschlossen. Und tatsächlich spürte ich es selbst. Das Chakra eines Menschen, irgendwo tief unter mir, bezeichnenderweise in der Erde, zwanig Meter entfernt. Das Chakra war in Unordnung, wie ich erwartet hatte. Und erfüllt von Angst. Angst vor mir? Wie schmeichelhaft.

Ich löste das Jutsu auf. Nachdem ich den Burschen einmal aufgespürt hatte, würde er mir so leicht nicht mehr entkommen. Anschließend sprang ich auf Höhe seines Lagers auf den Waldboden. Es war eine Art Buschring, in dem er es sich bequem gemacht hatte: Eine Schlafstatt aus Laub und Moos, eine ähnliche Feuerstelle wie näher am Dorf, und ein Jute-Beutel, in dem ein Stück Käse und etwas Brot steckten. Und, hinter der Feuerstelle, in einem Erdversteck, der Gesuchte.

Ich hockte mich neben die Feuerstelle, in der noch etwas Glut war. "Du kannst jetzt rauskommen, Junge. Wird doch langsam unbequem, so unter der Erde."

Das ließ sich der Fremde nicht zweimal sagen. Er sprang hervor - oder vielmehr der gewaltige Bär, der sich dort versteckt hatte - und schnappte nach meiner Kehle.

Ich fing ihn ab, legte ihm die Linke auf die Stirn. "Kai!"

Nachdem ich das Verkleidungsjutsu aufgehoben hatte, blickte ich in das wütende, ja zornblitzende Gesicht eines Jungen von vielleicht vierzehn, fünfzehn Jahren. Seine blauen Augen blitzten vor Verachtung, und sein schulterlanges, verfilztes und schmutziges Haar schien wie unter einer eigenen Spannung zu stehen. Seine rechte Hand zuckte vor, ein Kunai führend. Ich wehrte den Angriff mit einem leichten Druck meiner Rechten gegen sein Handgelenk an mir vorbei. Nun hatte ich mehr als ein Dutzend Möglichkeiten, um meinerseits anzugreifen. Seine Rechte war für mindestens eine Sekunde aus dem Spiel, und seine Linke hätte nur eine meiner Hände aufhalten können, wäre sie nicht ohnehin damit beschäftigt gewesen, ein Stück Moos an seine Seite zu pressen.

Doch ich beließ es bei der Abwehr. Ich zog die Hand von seiner Stirn zurück. "Interessante Illusion, aber du solltest noch an der Detaildarstellung arbeiten."

Er zog sich einen Schritt zurück, hielt das Kunai wie zum Schutz vor sich. Unsicher musterte er mich, bevor die Wut wieder Oberhand nahm. Er griff an, schwang das Kunai und versuchte mich zu treffen. Zwei schnelle Schritte brachten mich aus der Reichweite beider Attacken. "Ruhig, mein Großer. Wir wollen reden."

Mein Gegner schien die Sinnlosigkeit seines Tuns eingesehen zu haben. "Ich aber nicht!", rief er, griff flüchtig nach einem durchgebluteten Hemd, das am Boden lag, und verschwand mit Step vor meinen Augen. Unnötig zu erwähnen, das er meinen sensorischen Fähigkeiten so nicht entkommen konnte.
 

Direkt neben ihm, während er von Ast zu Ast springend zu fliehen versuchte, kam ich aus meinem Step. "Ich bin Mamoru Morikubo, ein Chunin aus Konoha."

Der junge Mann betrachtete mich entgeistert für einem Moment, dann hieb er wieder mit dem Kunai nach mir. "Geh weg!", rief er, und versuchte einen Haken zu schlagen. Als ich ihm folgte, lief ich direkt in einen Schauer Shuriken. Ich musste einiges an Mühe aufwenden, um ihnen auszuweichen. Einer ritzte mein rechtes Hosenbein auf. Verdammt, ich nahm die Sache keinesfalls ernst genug. Also zog ich eines meiner Kunai.

Schnell war ich wieder neben ihm. "Ich habe mich vorgestellt. Wie wäre es jetzt mit deinem Namen?"

"Verschwinde!", blaffte er mich an. "Lass mich in Ruhe!"

"Aber du bist verletzt. Du brauchst Hilfe. Die Wunde hat sich entzündet, und du hast Fieber. Ist es dein Plan zu sterben?"

"Hör auf, mich zu verfolgen!", blaffte er mich an.

Nun gut. Ich blieb stehen. Der rothaarige Fremde verschwand im Geäst vor mir.

Ich nutzte die Gelegenheit, um mir mit der Spitze meines Kunais die Fingernägel zu reinigen, um die Wartezeit zu überbrücken.

Fünf Minuten später erschien der Rotschopf wieder, etwa zwanzig Meter von mir entfernt. "Warum verfolgst du mich nicht weiter?"

"Du hast mir gesagt, ich soll damit aufhören. Du bist nicht mein Feind, und ich will nur mit dir reden. Vielleicht dir helfen, denn du siehst echt beschissen aus, Junge."

Wütend sah er mich an. "Kümmer dich um deinen eigenen Sch..." Er verdrehte die Augen. Die Anstrengung der Verfolgungsjagd und die Belastung durch die Entzündung hatten ihm zugesetzt. Er verlor seinen Halt auf dem Ast auf dem er stand, und fiel in die Tiefe. Ich setzte ihm mit Step nach, und fing ihn auf.

"Uuuh..."

"Ruhig, mein Kleiner. Ich kann dir helfen. Wenn du mich lässt."

"Bin... nicht... dein Kleiner...", murmelte er, während er die Zähne vor Schmerzen zusammenbiss. "Will dein... Mitleid nicht..."

"Wieso Mitleid? Du bist verletzt, und du brauchst Versorgung, wenn du nicht sterben willst. Das ist die ganze Geschichte."

Seine blauen Augen starrten mich glasig an. "Wie... viel?"

"Was, wieviel?", fragte ich überrascht.

"Niemand... macht was... umsonst..."

"Würde es dich überraschen, dass ich ab und zu dazu neige, das zu tun?"

"Ich... traue dir... nicht...", ächzte er.

"Also gut", sagte ich, "machen wir es folgendermaßen. Du lässt mich dir helfen, und wenn es dir wieder gut geht, dann arbeitest du meine Hilfe ab. Einverstanden?"

"Habe wohl... keine andere... Wahl...", raunte er. "Hand drauf."

Ich ergriff seine ausgestreckte Rechte, und drückte sie. "Hand drauf."

"Gut", murmelte er. "Nehme... meine Ver... pflichtungen... ernst..." Er verdrehte die Augen und tat seinen letzten Atemzug.

***

Perine sträubten sich die Nackenhaare, als sie aus der Höhle, in die Mai, Shinji und Kira gegangen waren, diese... Merkwürdige Präsenz spürte, dieses... Bekannte und nicht besonders geliebte Gefühl. Und die drei machten nicht einen einzigen Laut da drin!

Besorgt und kampfbereit eilte sie in ihrer Äffchenform zum Eingang der Höhle, gerade rechtzeitig, um noch was von dem Elektroschock abzukriegen, den Kira just in diesem Moment austeilte, als sie den Boden berührte.

"Autsch! Musste das sein, du Irrer?", fluchte Shinji.

"Wäre es dir lieber, weiter unter ihrem Genjutsu zu bleiben?", hörte sie Kira antworten.

"Da hat er Recht. Wo ist die Spinne?", klang Mais Stimme auf. Gut, alle drei waren wohlauf. Sie eilte in die Höhle, entschied sich dann aber dazu, erst einmal zu beobachten. Dazu krallte sie sich an der Decke fest und übersah die Szenerie.

Zwischen Shinji und Kira lag ein junges Mädchen am Boden, gehüllt in einen weißen, sehr lockeren Yukata. Ihre Haut war fast ebenso weiß wie ihr Kleidungsstück, und ihre Haare wie zum Kontrast so tiefschwarz wie eine mondlose Sturmnacht. Mit tiefroten, gefährlich funkelnden Augen sah sie zu Kira hoch. Ängstlich, übrigens. "Tu... Tu mir nichts, ich tu dir auch nichts", sagte sie hastig, und versuchte, von Kira fort zu kommen.

"Du wolltest mich beißen!", begehrte Kira auf. "Das nennst du nichts tun?"

"Wollte ich gar nicht! Aber du hast Speck und Brot und Äpfel in der Tasche, und..." Was genau sie meinte, zeigte sich, als ihr Magen laut zu knurren begann. Nun irrlichterte tiefrote Scham über ihre Wangen. "Ich habe seit Tagen nichts gegessen."

"Nun gib ihr schon was", drängte Shinji. "Gegen ihr Genjutsu sind wir ja dank dir immun."

"Aber sie ist...", begehrte Kira auf.

Shinji verdrehte die Augen. "Ja, sie ist vor uns hier gewesen. Wir haben sie gestört. Und zwar, weil Kuroko sein Diebesgut hier rein geschmissen hat."

"Kuroko? Heißt so der große Kerl, ungefähr eins achtzig, schmale Schultern, ernstes Gesicht, braune, schulterlange zum Zopf gebundene Haare, eine Augenbraue über beiden Augen, und wieselartige braunschwarze Augen?", fragte das Mädchen.

"Ja, das kommt in etwa hin. Er hat das, was wir suchen, hier herein geworfen, damit du... Ja, uns frisst, nehme ich an." Kira runzelte die Stirn. "Ich bin sicher, die Erklärung wird gut ausfallen."

Wieder knurrte der Magen des Mädchens. "Also, wenn du versprichst, uns nicht zu essen, kannst du was haben."

"Warum sollte ich das tun? Ihr seid die mit den Waffen, und ich mag es nicht, wenn ich mein Essen erst noch töten muss. Nebenbei essen wir Spinnen keine Menschen. Weil, wir sind keine Menschen", stellte das schwarzhaarige Mädchen trotzig fest.

Kira seufzte. Er hockte sich vor dem Mädchen nieder und zog einen der Äpfel hervor. "Hier, fangen wir damit an. Falls du sowas magst."

"Echt?" Hastig riss sie ihm das Obst aus der Hand und biss gierig hinein. Ein schauriger Anblick, wenn man bedachte, dass ihre Eckzähne durchaus Dolchcharakter hatten. "Oh, der ist süß. Wie schön."

Kira atmete aus. "Ich denke, die Gefahr ist vorbei. Wir... Was ist mit deinem Bein?"

"Das ist mir auch schon aufgefallen", sagte Shinji. "Die Spinne in der Illusion hat nur vier ihrer Beine benutzt."

Erneut errötete das Mädchen und versuchte, ihr linkes Bein unter den Yukata zu ziehen. "Daran ist dieser Kuroko schuld. Er hat mich gejagt. Und dabei hat er mich verletzt. Und hier rein getrieben. Aber er hat sich nicht getraut, mir zu folgen, weil er mich für gefährlich hält."

Kira zog Fleisch und Brot aus seinem Beutel hervor, und begann es in Portionen zu schneiden. Er reichte dem Mädchen je eine Portion, als der Apfel bis auf den Stiel verdrückt war.

"Speck! Endlich mal wieder Fleisch! Äh, ich meine... Tja... Ach, egal." Herzhaft biss sie in Brot und Fleisch, und kaute auf eine nicht sehr vornehmen Art, aber mit größtem Wohlbehagen. "Seit der Kerl mich hier rein gejagt hat, hatte ich nichts zu essen als etwas Farn und einer Ratte."

"Einer Ratte?", fragte Mai angewidert.

Das Mädchen warf ihr einen ärgerlichen Blick zu. "Habe du mal tagelang Hunger. Dann wirst du schon sehen, was du dann alles essen kannst."

"Oh. Schon gut, entschuldige."

Sie schlang den letzten Happen runter, und rülpste leise. "Ihr habt nicht zufällig was zu trinken? Wir Spinnen können lange ohne Wasser auskommen, aber so langsam kriege ich Durst. Und der Speck war salzig."

"Natürlich." Kira griff nach seiner Wasserflasche.

"Ahahahahaha. Kira, du Witzbold", sagte Mai, drückten den Jungen beiseite und reichte dem Mädchen ihre Flasche. "Du wirst von einem Mädchen doch nicht verlangen, dass sie aus der gleichen Flasche trinkt wie ein Junge?" Sie errötete bei diesem Gedanken, und auch das Mädchen wurde wieder rot. "Danke." Sie leerte Mais Flasche in einem langen Zug.

"Na, du hast aber einen Durst."

"Wie ich schon sagte", meinte sie achselzuckend, "ich bin hier schon ein paar Tage drin."

"Mehr?", fragte Kira, und hielt ihr eine weitere Portion Brot und Speck hin.

"Danke, ja. Man soll ja nicht so viel, wenn man lange nichts gegessen hat, aber wird schon schief gehen." Herzhaft biss sie in die neue Portion.

"Mädchen, du kannst nicht...", begann Mai aufgeregt. Aber zu spät. Ob sie ihr sagen sollte, dass sie gerade das Stück gegessen hatte, in das Kira hineingebissen hatte? Sie entschied, die Unglückliche glücklich unwissend zu lassen. "...soviel auf einmal essen. Und deine Wunde müssen wir uns auch ansehen. Wie hat er dich verletzt?"

Ihre roten Augen blitzten zornig. Hastig kaute sie, um den Bissen in ihrem Mund schlucken zu können. Als sie das geschafft hatte, sagte sie anklagend: "Dieser elende Bursche hat mich auf einem Baum entdeckt. Als ich da nicht runter kommen wollte, weil ich gleich gesehen habe, was für ein Dreckskerl er ist, hat er einfach den ganzen Baum gefällt. Dabei habe ich mir das linke Bein gebrochen. Oh, ich weiß noch, wie er mich angesehen hat, als ich mich in die Höhle retten wollte. So... Widerlich. So gierig. Aber ich habe es geschafft, und als ich hier drin war, konnte ich auch endlich mein Genjutsu anwenden, und ihm vorgaukeln, ich würde ihn auffressen. Da hat er zwar Angst vor mir bekommen, aber seither kommt er ständig wieder, um zu überprüfen, ob ich noch da bin. Ich habe sogar Angst zu schlafen, weil dieser Kerl... Dieser Kerl..." Sie schien den Tränen nahe. "Und dann hat er dieses Zeug hier reingeworfen, und Ihr kamt hinterher. Den Rest kennt Ihr."

"Was für ein Widerling. Nicht nur, das er seine eigenen Leute bestohlen hat", sagte Shinji in Rage, "er hat auch noch diese harmlose Spinne bedroht."

"Oh, er bestiehlt die eigenen Leute? Warum wundert mich das nicht?" Sie griente, und biss sich noch ein Stück Brot und Speck ab. "Iff bimm übrigemmmf Kuwwomi."

"Kufomi?", fragte Kira.

"Kuwwomi!", korrigierte das Mädchen energisch.

"Sie meint Kuzomi", erklärte Mai schulmeisterisch, und das Mädchen nickte erfreut.

"Also Kuzomi-chan. Bleibt noch eine Frage: WAS bist du?", fragte Shinji.

"Ist das nicht offensichtlich?", fragte Perine, verwandelte sich in ihre Menschengestalt und sprang unter die Genin. "Sie ist eine Spinne."

"Uh, ein Affe. Heute ist wirklich mein Glückstag", stöhnte Kuzomi.

"Die Spinnen sind ähnlich wie wir, hm, formlos. Und so, wie wir Affen uns in Menschen verwandeln können, können das auch die Spinnen. Tatsächlich ist das, glaube ich, sogar ihre Urform. Zeig mal dein Beinchen, Klettermaxe."

"Wir können uns aber auch in Spinnen verwandeln. Aber ohne Haare. Ich mag diese Haare nicht. Und wir haben auch eine Mischform, so wie die Affen mit ihrer Kampfgestalt." Zögerlich streckte sie das Bein aus.

Perine legte vorsichtig ihre Hand auf die blaue Stelle am Schienbein. "Sauber gebrochen. Der Knochen hat sich nicht verschoben. Schwein gehabt, Spinnchen."

"Kriege ich jetzt eine Affenheilung?" Sie seufzte. "Dass ich das noch mal erleben darf... Was soll mich das kosten, Äffchen?"

"Nichts. Für Kinder mache ich sowas schon mal umsonst. Und du bist ja noch nicht mal trocken im Netz, Kleines."

Die Spinne blies die Wangen auf. "So jung bin ich gar nicht mehr! Ich bin immerhin alt genug, dass ich selbst ins Reich des Feuers kommen darf."

"Ja, ja, schon gut. Du bist durch und durch erwachsen. So erwachsen, dass du dein Genjutsu in einer Stresssituation nicht mal anwenden kannst."

Unglücklich sah Kuzomi die Affenkriegerin an.

Perine lächelte wie eine große Schwester, als sie ihr Chakra benutzte, um den Beinbruch zu heilen. "Aber du lässt dich nicht unterkriegen. Das finde ich gut."

"Und was machen wir jetzt mit dir?", fragte Kira. "Ich bin übrigens Kira Yamada. Das mit dem Blitz tut mir leid. Aber ich konnte ja nicht wissen, dass du das Essen in der Tasche leckerer findest als mich."

Shinji hüstelte unterdrückt. "Denk dir nichts dabei, Kuzomi-chan, er tut es auch nicht."

"So? I-ich habe mir auch nichts dabei gedacht", verteidigte sie sich. "Ich würde gerne nach Hause gehen, wenn es euch Recht ist. Dazu muss ich an einen bestimmten Ort in diesem Wald, an dem sich ein Portal zum Spinnenwald befindet. Meine Eltern machen sich sicher schon Sorgen um mich."

"Das lässt sich einrichten", sagte Perine. "Ich bringe dich in die Nähe des Portals, und ab da kannst du alleine gehen. Nicht, dass du Fremden die Position des Portals verrätst. Die Affen würden das einem der ihren übel nehmen."

"Die Spinnen auch", seufzte sie.

"Na, dann ist ja alles geklärt", sagte Mai. "Wir helfen Kuzomi-chan, nach Hause zu kommen, bringen unsere Beute zu Mamo-ch... Ich meine, Sensei, und dann klären wir mit ihm, was wir tun."

"Also bringe ich sie zum Portal, und Ihr sucht Mamoru auf", bestimmte Perine. "So, fertig. Es wird noch eine lange Zeit wehtun, aber immerhin kannst du dein Bein jetzt belasten."

"Danke. Ich danke euch. Und zahlt es diesem Kuroko so richtig heim!"

Das Mädchen zog ihr Bein wieder ein und erhob sich sittsam.

Perine drückte sie wieder auf ihr Sitzfleisch. "Hast du nicht was vergessen, Spinnchen?"

"Hä? Vergessen? Was denn?"

"Die Bezahlung."

Das Spinnenmädchen riss erstaunt die Augen auf. "Aber du hast doch gesagt, dass du nichts von mir willst!"

"Ich will ja auch nichts. Aber hast du schon vergessen, wer dir zu Essen gegeben hat?"

"OH!", machte sie. "Oh...", fügte sie leiser hinzu. "Ja, das stimmt natürlich. Kira-sama, wir Spinnen nehmen unsere Schulden sehr ernst. Aber wir neigen genauso wenig dazu, eine Schuld übertrieben zu betrachten. Ahahaha. Wenn das so wäre, müsste ich ja auch die junge Dame kompensieren, für das Wasser."

"Mai", sagte sie bestimmt. "Ich heiße Mai Kobashi. Und das hier ist Shinji Nakahara. Der Affenkrieger ist Perine, und wir sind Schüler von Mamoru Morikubo-sama. Hast du von dem schon mal gehört?"

"Nein, sollte ich?"

"Na, wenigstens einer", murmelte Kira. Shinji hingegen wirkte enttäuscht.

"Ja, was machen wir denn da, Spinnchen?"

"I-ich bin gut im Genjutsu. Ich kann eigenes spinnen oder eines auflösen. Wenn ich unverletzt bin, kann ich auch ein wenig Taijutsu. Ich würde dir bestimmt nützlich sein, Kira-sama. W-wenn du nichts dagegen hast, schließe ich einem temporären Kontrakt mit dir ab, und dann kannst du mich beschwören. Ich weiß, ich bin noch jung und unerfahren, und ich wollte eigentlich nie Soldat werden, aber... Für Kira-sama mache ich eine Ausnahme."

"Na, von mir aus. Genjutsu fehlt hier in der Truppe noch. Was heißt temporär, Kuzomi-chan?"

Die junge Frau hob dozierend den rechten Zeigefinger. "Das bedeutet, dass ich dir erst einmal für sechs Beschwörungen assistiere. Und ab da sehen wir weiter. Haben wir gut zusammengearbeitet, verlängern wir den Kontrakt. Gute Kontraktpartner sind selten heutzutage, und schwer zu finden. Passt die Chemie nicht, war es das halt. Bist du einverstanden, Kira-sama?"

"Ja, geht in Ordnung. Und wie schließen wir einen Kontrakt? Sensei musste mit Blut unterschr..."
 

Er wurde unterbrochen. Hauptsächlich deshalb weil ihm Kuzomi den Mund verschloss. Mit ihrem. Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ sie von ihm ab. "Wir küssen unsere Kontraktpartner. Damit stellen wir uns auf sie ein. Rufen musst du mich aber mit deinem Blut."

Mai sah die beiden entsetzt an. Shinji stammelte fassungslos, und Perine war aus ihrer lockeren Haltung vor Schreck in eine verkrampftere Haltung geglitten.

"Müssen wir uns immer küssen, wenn ich dich beschwöre?", fragte Kira argwöhnisch.

Shinji knickte ächzend ein, Mai ließ einen Laut abgrundtiefer Verzweiflung hören, und Perine fragte nur: "Mamo-chan Nummer zwei?"

"Denk dir nichts dabei, Kuzomi-chan", sagte Shinji jovial, "er ist einfach noch nicht so weit."

"So? Na dann... Nein, wir müssen uns nicht jedes Mal küssen, Kira-sama. Aber ab und an, da wäre... Da wäre es nett, wenn du..."

"Oh, keine Sorge", sagte Mai, "loben kann er, und er kann auch tun, was du ihm sagst, selbst wenn er den Sinn nicht versteht."

"Ist es so schlimm?", fragte die Spinnenfrau verdutzt.

"Hey, ich bin doch erst zwölf", protestierte Kira gegen die Stimmung auf seine Kosten.

"Ja, das sagt er jedesmal", seufzte Shinji.

"Auf jeden Fall wird es interessant mit ihm", sagte Mai, aus dem unbegreiflichen Verlangen heraus, dem stupiden Kameraden auszuhelfen.

"Na immerhin." Das Spinnenmädchen lächelte mit zusammengekniffenen Augen. "Ich freue mich jedenfalls darauf, dass du mich das erste Mal beschwörst, Kira-sama. Ich verspreche auch, dir eine große Hilfe zu sein. Perine-sama, bringst du mich jetzt weg?"

"Aber klar. Los, hüpf auf meinen Rücken."

Das Mädchen erklomm den Rücken der Affenkriegerin. "Auf Wiedersehen, Shinji und Mai. Auf Wiedersehen, Kira-sama."

"Auf bald."
 

Perine sprintete los. "Wohin?"

"Erst mal nach Norden. Gut. Weiter so. Hm, ob das jetzt eine so gute Idee war, mit Kira-sama einen Kontrakt abzuschließen?"

"Wer weiß? Das wird die Zeit zeigen. Aber Mai hat Recht: Es wird in jedem Fall interessant werden."

Kuzomi lachte. "Also, ich langweile mich nicht so gerne. Auch wenn ich von verrückten Holzfällern erstmal die Nase voll habe."

"Keine Sorge, der Holzfäller kriegt sein Fett weg. Die drei sind gerade aufgebrochen, um ihren Sensei zu suchen. Und der ist bekannt dafür, dass er gerne mal ein Fass aufmacht."

Kuzomi kicherte. "Klingt wie jemand, den ich mögen würde."

"Oh ja, das würdest du."

***

Als der rothaarige Junge wieder erwachte, blickte er in das entrückend schöne Gesicht von Ranko. Sie lächelte ihn an, während ihre Hände auf seinem Körper ruhten. "Bleib ganz entspannt liegen, junger Mann. Ich bin hier bald fertig. Dann bist du zwar noch nicht wieder gesund, aber auf dem Weg der Besserung."

Irritiert starrte er die Frau an. Das Was? war ihm geradezu ins Gesicht geschrieben.

"Sie ist meine Freundin", sagte ich. Nun wandte er den Kopf und sah mich an.

Ich grinste und zeigte ihm mit Mittel- und Zeigefinger der Rechten das V-Zeichen. "Na, wieder unter den Lebenden? Eine Zeitlang hast du nicht mehr geatmet. Deshalb habe ich Ranko-sensei beschworen. Sie sagte, sie musste dich reanimieren, weil du teilweise schon mehr drüben als noch bei uns gewesen bist. Vergiss nicht, dich artig bei ihr zu bedanken."

"Ihr habt... Mir das Leben gerettet?", fragte er verdutzt.

"Ja, so kann man das sagen", bestätigte ich lächelnd. "Aber du wirst dich noch ein paar Tage schonen müssen, bevor du wieder unterwegs sein kannst. Ich sorge dafür, dass du einen bequemeren Platz zum Schlafen kriegst. Und genügend zu essen. Eventuell kann ich dir auch eine Anstellung im Holzfällerdorf besorgen. Ich habe so das Gefühl, dass da ohnehin bald eine Stelle frei wird."

"Nein", sagte der Junge entschieden.

"Wie, nein? Willst du nicht gesund werden?", fragte ich irritiert.

"Das ist es nicht. Du hast mein Leben gerettet, Morikubo-sama. Du und Ranko-sama. Ich stehe jetzt in eurer Schuld, bis ich euch die Leben zurückzahlen kann. Ab jetzt bin ich dein Gefolgsmann und Diener, Morikubo-sama."

Verdutzt sah ich Ranko-sensei an. Die zuckte mit den Achseln.

"Hör mal, das ist ja nett von dir, aber..."

"Eine Ehrenschuld muss abgetragen werden. Sonst bin ich es nicht wert, auf dieser Welt zu wandeln. Mein Clan sieht das sehr streng", sagte er ernst.

"Wo ist dein Clan?", fragte ich leise.

"Tot. Allesamt. Männer, Frauen, Kinder. Alle. Selbst meine kleine Schwester..." Er stockte und legte eine Hand auf sein Gesicht. "Tja. Es ist schon Jahre her, aber es tut immer noch weh."

Ich musterte den Jungen genauer. Bedeutete seine Erzählung etwa, dass er sich seit Jahren alleine durch die Welt schlug? Was für ein Schicksal. Konoha schickte zwar seine Shinobi in jungen Jahren ins Feld, und besonders begabte Kinder noch viel früher, aber wenigstens hatten sie immer einen Ranghöheren als Aufpasser und Lehrmeister. Dieser Junge hatte nichts von alldem.

"Also gut", sagte ich ernst. "Ich akzeptiere dein Angebot. Sei mein Diener und Gefolgsmann, bis du mir das Leben retten konntest. Wie du das mit Ranko-sensei regeln willst, überlasse ich dir selbst. Kann ich ihn transportieren, Ranko-sensei?"

"Ja, das geht in Ordnung. Schickst du mich zurück? Den Rest sollte Perine handhaben können."

"Ja, ist gut. Und vielen Dank für deine Hilfe, Ranko-sensei."

"Keine Ursache. Ich bin sicher, Enka-sama wird mir den Kopf auch nur halb dafür abreißen, dass ich mitten in der Sitzung verschwunden bin. Damit kann ich leben", sagte sie spöttelnd.

Ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange. "Danke, dass du das für mich tust."

"Du weißt doch, bei dir werde ich immer schwach, Mamo-chan." Sie lächelte, und ich entließ sie aus der Beschwörung.
 

"Wie ist dein Name? Oder soll ich dich weiter Junge nennen?"

"Ich... bin Kishio. Kishio Moeru."

"Freut mich, Kishio Moeru. Komm, rauf auf meinen Rücken."

"Was?", rief er entsetzt. "Es steht mir nicht zu, meinen Herrn als Packesel zu benutzen! Eher sollte ich dich tragen!"

"Und?", fragte ich sarkastisch. "Kannst du das im Moment?"

"Nein", gestand er niedergeschlagen.

"Dann trage ich dich heute. Komm, spring auf. Das ist ein Befehl."

Resignierend fügte sich der Junge in sein Schicksal, und umklammerte meinen Hals.

"Na also", sagte ich zufrieden, und hielt ihn an den Beinen fest. "Ich hoffe, du bist schnelles Reisen gewöhnt."

"Sollte man ann... WHOA!"

***

"Sensei!"

Ich hielt an, Kishio auf dem Rücken, und wartete. Atemlos holten die drei Genin zu uns auf.

"Sensei, wir haben die Beute aus den Diebstählen gefunden, bei Kuzomi-chan, und Perine-sensei bringt sie gerade weg, und...", japste Shinji. "Und bei dir war es anscheinend auch interessant. Hallo, ich bin Shinji."

"Langsam, langsam. Mai, erzähl du mir, was passiert ist, und zwar der Reihe nach. Fang damit an, dass Ihr eure Wachtposten verlassen habt."

Das Mädchen wurde rot vor Scham und Ärger. "J-ja, Sensei."

Nun erhielt ich einen kompletten Überblick über das Geschehen, das ich mit einigem Entsetzen quittierte. "Du hast einen Kontrakt mit den Spinnen geschlossen, Kira?"

"Ja. Nein. Ja, irgendwie... Wieso, ist das schlecht?", fragte er argwöhnisch.

"Nein. Sie sind Kontraktpartner wie alle anderen auch, nur halt mit ihren ureigensten Fähigkeiten. Außerdem sind sie treu wie ein Affe, so sagt man. Nicht so eigensinnig und rechthaberisch wie die Frösche zum Beispiel."

"Ich soll das gestohlen haben?", fragte Kishio entsetzt. "Aber sowas mache ich nicht! Ich habe mir nur etwas Essen genommen. Und das von verschiedenen Orten, damit ich niemandem besonders zur Last falle. Ich konnte doch nicht weiter..." Deprimiert verstummte er.

Nun begann ich meine Geschichte zu erzählen, wies kurz darauf hin, wie nahe er dem Tode gewesen war, bevor Ranko-sensei ihn geheilt hatte, und endete mit den Worten: "Na, dann wollen wir mal jemandem einen Schrecken einjagen."

"Genau!", riefen die drei Genin, und streckten die rechten Arme in die Höhe.
 

Während wir weiter auf das Dorf zueilten, schloss P-chan zu uns auf.

"Alles klar mit der Spinne?"

"Oh ja, sie ist nett. Aber... Nur der Spinnenclan kommt auf den Gedanken, ein Portal in zwanzig Metern Höhe zu errichten. Und einer der Holzfäller, wahrscheinlich Kuroko, hat dem Baum gefällt, mit dem man es bequem erreichen kann. Der Mann wird mehr und mehr ein echter Schmerz im Arsch."

"Na, na, nicht so blumig vor meinen Genin", tadelte ich grinsend.

"Ach, darum mach dir keine Sorgen, Sensei", sagte Shinji jovial. "Arsch ist kein besonderes Wort. Wir kennen auch Worte wie Kacke, Mist, Kotze, Pisse, Arschloch..."

"Danke für den kleinen Exkurs, Shinji", sagte ich.

"Gern geschehen, Sensei", sagte er freudig.

"Und du darfst keines dieser Worte benutzen, wenn du in meiner Nähe bist."

"Ah, so ein M... Ich meine, das ist echt K... Dumm gelaufen."

Kira und Mai grinsten ihn an.

"Ihr zwei übrigens auch nicht."

"Sensei, das ist nicht fair."

"Niemand hat behauptet, dass ich fair sein muss, oder?" Ich lachte. "Bemüht euch, solche Worte nicht in Konversationen zu verwenden, okay? Wir sind übrigens fast da."
 

Tatsächlich schälte sich das Dorf schon aus dem Wald hervor. Es waren nur noch ein paar Sprünge, da hatten wir auch schon die Dorfmitte erreicht. Als wir so unvermittelt auftauchten, war die Aufregung groß.

"Da ist Morikubo-sama wieder! Mit seinen Genin!"

"Aber die Genin sind doch noch hier!"

"Schaut mal, sie haben den Dieb gefangen!"

"Und unsere Sachen haben sie auch gefunden! He, Kamura, sie haben deine Beitel wieder mitgebracht!"

Ich setzte Kishio ab, hob die Hände und schüttelte energisch den Kopf. "Es ist schon richtig. Der Junge hier hat das Essen gestohlen. Aber die anderen Diebstähle gehen nicht auf sein Konto. Löst bitte eure Kage Bunshin auf, Team dreizehn."

Meine drei Genin nickten, und im Dorf verschwanden ihre Ebenbilder in kleinen Rauchwolken.

"Langer Rede kurzer Sinn, dem wahren Dieb war natürlich klar, dass ich bei unserem Mundräuber hier kein Beutestück finden würde. Und dass ich dann den Verdacht, es könnten zwei Diebe gewesen sein, weiter verfolgen würde. Also hat er sich daran gemacht, seine Beute im Wald zu entsorgen, bevor jemand auf den Gedanken kommt, sein Haus zu durchsu... Moment Mal, Herr Kuroko, wohin wollen Sie denn? Wussten Sie, dass meine Genin den Auftrag hatten, Ihnen zu folgen? Und raten Sie mal, was sie gesehen haben?"

"Hatten wir den Auftrag?", fragte Shinji stirnrunzelnd. "Autsch."

"Natürlich hatten wir den Auftrag. Sensei hat genau gewusst, was wir tun würden. Und er hat uns Perine-sama mitgegeben", zischte Mai ihm zu, nachdem sie ihn getreten hatte.

"D-das ist doch absurd! Warum soll ausgerechnet ich der Dieb sein?", rief der Mann eingeschüchtert.

"Ich habe nicht gesagt, dass Sie der Dieb sind. Das waren Sie gerade selbst", sagte ich süffisant. "Aber wenn Sie es gerade erwähnen, so ist es doch merkwürdig, dass alle Leute, die einen Wertgegenstand vermissen, oder denen Geld abhanden gekommen ist, mir erzählt haben, Sie wären an dem betreffenden Tag oder Abend zu Gast gewesen. Und dabei haben Sie sich meist unbeaufsichtigt in den Häusern bewegt. Und dann haben Sie diese ganzen Beutestücke hier in einer weit entfernten Höhle entsorgt."

"D-das ist nicht wahr! Das Zeug hat mir jemand untergeschoben, damit es so aussieht, als wäre ich der Dieb! Das war bestimmt dieser rothaarige Teufel da!"

Ich trat vor ihn, als der Bursche mit anklagend erhobenen Zeigefinger auf Kishio zugerast kam. Er wich vor mir zurück. "Keine Ausreden mehr, Kuroko-san. Ich habe es bereits geprüft. Sie sind der Einzige, der zur Tatzeit in den betroffenen Häusern, die Wertsachen oder Geld vermissen, zu Gast war. Und die einzige Möglichkeit, die meisten Sachen zu stehlen, war von innen, nicht von außen. Kishio ist schwer verletzt, und hätte eine Rumturnerei auf einem Dachboden ohnehin nicht durchgehalten. Was sollte er auch mit Geld und Gold, wenn das was er brauchte, Nahrung war, die er sich gerade so aneignen konnte, nachdem ihm niemand hier geholfen hat? Oder ihm Arbeit gegeben hat, als er danach fragte?"

Betreten schwiegen die Dörfler. "Aber er hatte Kunais dabei. Und er hat sich so merkwürdig bewegt", sagte jemand.

"Ja, weil er eine schwere Verletzung in der Seite hat, die sich entzündet hat. Ich konnte sie beseitigen, aber gesund ist er deswegen immer noch nicht." Ich sah den Burschen an, der noch immer direkt vor mir stand. "Was kommt als Nächstes? Behaupten Sie, ich hätte die Sachen gestohlen, um sie Ihnen unterzuschieben?"

"Denkbar ist es doch", fauchte er.

"Das lässt sich alles ganz einfach regeln." Ich sah ins Rund. "Würden sich bitte alle melden, die etwas verloren haben, und schauen, ob ihre Sachen bei der Beute sind? Und würden mir die, die noch etwas vermissen dann sagen, was fehlt?"
 

Nach einem halbstündigen Prozedere hatten wir den Eigentümern ihre Wertgegenstände wieder gegeben. Allerdings fehlten noch ein paar Ringe, und aus einer Kette war ein Edelstein herausgebrochen worden. Alles Kleinigkeiten, die in einer Hand verschwinden konnten. Oder sich anderweitig gut verstecken ließen. "Kuroko-san, sind Sie damit einverstanden, dass wir Ihr Haus durchsuchen? Ich bin mir sicher, wir finden den Stein und die Ringe dort. Da Sie die letzten Tage nicht auf Reisen waren, hatten Sie bestimmt keine Zeit, um Ihre Beute zu verkaufen."

"Nein! Ich lasse Sie doch nicht in mein Haus, und... Und Sie die Sachen dort verstecken, um mich zu verleumden!", rief er.

"Gut, wenn Sie es mir nicht erlauben... Dann gehen eben meine Genin. Kira, Shinji, Mai. Durchsucht das Haus von oben bis unten."

"Jawohl, Sensei."

"Das werdet Ihr ni... AUUUU!"

Mai, die den Arm, der nach ihr hatte grabschen wollen, schmerzhaft verdreht hielt, lächelte freundlich, wenngleich eine Zornesader auf ihrer Stirn pochte. "Würden Sie es unterlassen zu versuchen, mich anzufassen? Das wäre sexuelle Belästigung, und das wäre nicht das erste Mal, nicht wahr? Bisher haben wir noch nicht erzählt, bei wem wir die Wertsachen gefunden haben."

"AUUU!"

"Okay, das akzeptiere ich als Versprechen, sowas zu lassen." Sie ließ ihn los, und ging weiter auf sein Haus zu. Kira und Shinji folgten ihm. "Guter Griff, Mai", lobte Kira.

"Ja, wie aus dem Lehrbuch", sagte Shinji.

"Ach, wisst Ihr, es ist wie Iruka-sensei gesagt hat. Wenn man es einmal gelernt und verinnerlicht hat, dann kommt es ganz von alleine raus, wenn man es braucht", erwiderte sie fröhlich.

Kuroko sah sich im Kreis der Dorfbewohner um. "Die wollen mir was unterschieben! Ihr wisst doch, dass ich eine ehrliche Haut bin!"

"Nun, du gewinnst beim Kartenspielen nur, wenn wir bei dir Zuhause spielen", warf jemand ein.

"Und du warst bei allen Familien, die bestohlen wurden", sagte eine andere Stimme.

"Und ein Großmaul, bei dem nichts dahinter steckt, warst du auch schon immer, Kuroko", sagte der Dorfvorsteher mit fester Stimme. "Wenn du jetzt auch noch zu klauen und zu lügen anfängst, würde mich das nicht wundern. Und es würde erklären, warum plötzlich außerhalb der Fällgebiete wild Holz geschlagen wird."

Diese Nachricht ließ die Arbeiter aufraunen. Niemand mochte es, wenn jemand auf eigene Rechnung Holz schlug und am Dorf vorbei zur eigenen Bereicherung verkaufte.

"Wartet! Ich kann das alles erklären!", rief er.

"So? Da bin ich aber gespannt", sagte ich. Um es vorweg zu nehmen, er konnte es nicht.

***

Keine zehn Minuten später hatten meine Genin die Beute gefunden. An einer Stelle, wie Mai sich ausdrückte, an der sie selbst etwas versteckt hätte. Damit war er derart in Erklärungsnot gekommen, dass sich die Dorfältesten genötigt sahen, das Bezirksgericht anzurufen, außer, Kuroko würde freiwillig das Dorf verlassen. Und Diebstahl wurde hart geahndet. Wie es sein Wesen war, ergriff er lieber das Hasenpanier, und keine halbe Stunde später - und nachdem man ihm um jenen Geldbetrag erleichtert hatte, den er gestohlen hatte, marschierte er mit Sack und Pack aus dem Dorf. Dabei sah er mich mit zitterndem Körper an. Hasserfüllt, übrigens. Aber was scherte die Eiche der Bambus? Nichts, richtig.
 

Kurz darauf klappte Kishio vor Erschöpfung zusammen, und wir brachten ihn ins Haus des Dorfvorstehers. Perine behandelte ihn auch noch einmal, und anschließend bekam er eine große Portion gekochten Reisbrei. Wahrscheinlich war es das erste Mal seit Wochen, dass er Reis überhaupt sah.

"Wir bleiben drei Tage hier, mit Ihrer Erlaubnis, bevor wir weiter ziehen", erklärte ich Dorfvorsteher Kamura. "Selbstverständlich bezahle ich für unsere Anwesenheit."

Der alte Mann wehrte ab. "Nicht doch, Morikubo-sama. Wir haben damit gerechnet, dass Sie eine Woche oder länger brauchen würden. Was sind da schon drei Tage? Seien Sie unser Gast. Natürlich auch Kishio-kun. Es war falsch von uns, ihn abzuweisen, als er Hilfe brauchte. Aber er hat so ein böses Gesicht gemacht, dass man sich gefürchtet hat."

"Ja. Weil er Schmerzen hatte", sagte ich leise.

"Das hat keiner von uns gewusst. Und er hat es nicht gesagt."

Ich schüttelte den Kopf. "Das war kein Vorwurf. Er hat eben bisher ein Leben geführt, in dem ihm nicht besonders oft geholfen wurde. Da ist so eine Introvertiertheit kein Wunder. Iss nicht zu hastig, Kishio, sonst bekommt es deinem Magen nicht."

"Jawohl, Morikubo-sama!"

"Sag Mamoru-sensei zu mir."

"Jawohl, Mamoru-sensei."

Ich klopfte dem Dorfvorsteher auf die Schulter, als ich den Raum verließ. "Trotzdem danke."

"Gerne, gerne, Morikubo-sama."

Draußen hockten meine Genin, und versuchten, ins Krankenzimmer zu linsen.

"So meine Herren und meine Dame Genin. Dass wir unseren Kriminalfall so schnell haben lösen können bedeutet nicht, dass wir hier drei Tage faul rumsitzen werden. Im Gegenteil. Wir werden auf Bäume klettern üben."

"Was?", rief Shinji. "Aber ich kann doch schon auf Bäume klettern!"

"Oh, du wirst überrascht sein, wie ich auf Bäume klettere", sagte ich lachend. "Folgt mir."

"Jawohl, Sensei!"

Das waren meine Genin. Meine viel versprechenden schlauen kleinen Genin. Und ab sofort auch Kishio, wie es schien. Also, langweilig wurde es wahrlich nicht.



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